Das IR-Spektrum von Anthracen-d 2 (9,10) von 400—3100 cm A . CHAFIK *

und

R.

1

MECKE

Institut für Elektrowerkstoffe der Fraunhofer-Gesellschaft und Institut für physikalische Chemie der Universität Freiburg i. Br. (Z. Naturforsch. 23 a, 716—721 [ 1 9 6 8 ] ; eingegangen am 9. Februar 1968)

Messungen des Dichroismus von Anthracen-d2 (9,10) im polarisierten Licht, der Vergleich mit der bekannten Zuordnung des IR-Schwingungsspektrums von Anthracen und der Vergleich mit den gerechneten nichtebenen Schwingungen von Anthracen-d2 (9,10) ermöglichen eine erste Deutung des IR-Spektrums.

Verschiedene Autoren haben in den letzten Jahren Untersuchungen von Anthracen und einigen seiner Derivate im IR- sowie im Raman-Gebiet vorgenomm e n 1 - 1 2 . In früheren Arbeiten 3 ' 1 0 war versucht worden, ausgehend von der bekannten Zuordnung des Anthracenschwingungsspektrums die IR-Spektren von 9,10-Dihalogenanthracenen zu deuten. In der vorliegenden Arbeit wurde ein einfacherer Substituent als die Halogene, nämlich das Deuterium, ausgesucht und durch Messungen des Dichroismus der Versuch der Zuordnung des IR-Schwingungsspektrums von Anthracen-d 2 (9,10) unternommen. Deuterium bietet gegenüber den Halogenen den Vorteil, daß die substituierten Moleküle dieselben kristallographischen Daten wie die des Anthracens besitzen. und S C U L L Y 8 haben u. a. die nichtebenen Schwingungen von Anthracen-d 2 (9,10) geredinet, aber Messungen sind bis jetzt nicht durchgeführt worden. EVAN

Auswahl und Abzahlung der Normalschwingungen Anthracen-d 2 (9,10) besitzt als freies Molekül wie Anthracen selbst die Symmetrie Ü9h • Die Lage der Achsen des Moleküls ist in Abb. 1 dargestellt. * Auszug aus der Dissertation A. CHAFIK, Universität Freiburg i. Br. 1966. Jetzt Institut für Makromolekulare Chemie der Universität Freiburg i. Br. 1 W . BRUHN u. R . MECKE, Z . Elektrochem. Ber. Bunsenges. Physik. Chem. 65, 543 [1961]. 2 S. CALIFANO, J. Chem. Phys. 36, 903 [1962], 3 A. CHAFIK, Diplomarbeit, Freiburg i. Br. 1963. 4

5 6 7 8

G . W . CHANTRY, A . ANDERSON, D . J . BROWNING u . H . A . GIBBIE,

Spectrochim. Acta 21, 217 [1965]. L. COLOMBO, Croat. Chem. Acta 33,111 [1961]. L. COLOMBO, Spectrochim. Acta 2 0 , 547 [1964]. L. COLOMBO u. J. P. MATHIEU, Bull. Soc. Franc. Mineral. Cryst. 83, 250 [I960]. D. J. EVAN U. D. B. SCULLY, Spectrochim. Acta 2 0 , 891 [1964].

y D

D

Abb. 1. Molekülkoordinate von Anthracen-d2 (9,10).

Nach den Auswahlregeln 1 3 - 1 5 für Ü2h verteilen sich die 3 N — 6 = 66 Normalschwingungen auf insgesamt 8 Schwingungsrassen, von denen nur die Rassen B l u , B 2u und B 3u im IR-Spektrum beobachtbar sind (Tab. 1). Wie bei der Elementarzelle von Anthracen P 2 i/ 0 (CO/J mit je zwei Anthracen-Molekülen mit der Punktgruppe C, 1 6 , so sollte auch (wie schon erwähnt) bei Anthracen-d 2 (9,10) durch Ersetzen von zwei Wasserstoffatomen durch zwei Deuteriumatome in 9,10-Stellung keine Änderung der Raumgruppe eintreten. Nach den Auswahlregeln für CJ gilt nur noch das „Alternativ-Verbot", d. h. alle g-Rassen und alle u-Rassen von D^h fallen jeweils zu einer Rasse zusammen (Tab. 1). Die bei Doh-Symmetrie IR-inaktive Rasse A u wird nun ebenfalls im IR-Spektrum zu beobachten sein. Nach C R U I C K S H A N K 16 ist die Deformation des AnthracenMoleküls im Kristallverband sehr klein. Die stärkste 9

10 11 12

13

14

15 16

C . G. CANNON U. G. B. B. M. SUTHERLAND, Spectrochim. Acta 4,373 [1951]. R. MECKE, W . BRUHN U. A. CHAFIK, Z . Naturforsch. 19 a, 41 [1964], A. CHAFIK, Dissertation, Freiburg i. Br. 1966. W . BRUHN, R. MECKE U. K . W I T T , Ber. Bunsenges. Physik. Chem. 69, 61 [1965]. G. HERZBERG, Molecular Spectra and Molecular Structure, Vol. II, IR- and Ramanspectra of Polyatomic Molecules, D. van Nostrand Comp. Inc., New York 1945. K . W . KOHLRAUSCH, Der Smekal-Raman-Effekt, Erg.-Bd. 1931-1937, Springer-Verlag, Berlin 1938. E. B. WILSON JR., J. K . DECIUS U. P. C . CROSS, Molecular Vibrations, McGraw-Hill Book Co. Inc., New York 1955. D. W . J. CRUICKSHANK, Acta Cryst. 9, 915 [1956].

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Abweichung des Kohlenstoffgerüstes von der ebenen Anordnung beträgt nur 0,012 Ä (weniger als 1% der Moleküllänge). Hiernach können die Schwingungen des eingebauten Moleküls nach den Schwingungsrassen des freien Moleküls zugeordnet und ihre Polarisation zur Kennzeichnung verwendet werden. Bezogen auf molekülfestes Achsenkreuz x, y, z Symmetrie des freien Moleküls Lagesymmetrie im Kristall: Punktgruppe D2h Punktgruppe Ci

WJ 3

SD .5 £ Ö

'S 1 CO 2

Ag

Big

Bag B3g

Au

Biu B2U B3U

e

Auswahl

hfl .5 c

.5

3cd ^ 'S N cn 12 11 4 6 5 6 11 11

IR ia ia ia ia ia

Hz Hv Hx

^

£

S Raman S co 2 P dp dp dp

g

v V

u

V

S

Auswahl

M

-o .5

ca Je N CO

IR

33

ia

33

a

Raman

p

dp

V

Tab. 1. Gruppenbeziehungen zwischen Anthracen-d2(9,10)Molekül und Anthracen-d2(9,10)-Kristall (ia = inaktiv; a = aktiv; fxz = aktiv mit Momentänderung parallel z; p = polarisiert; dp = depolarisiert; v = verboten).

Meßergebnisse Die Abb. 2 — 5 zeigen die Spektren von Anthracen-d 2 (9,10). In Tab. 2 sind die Meßwerte wiedergegeben. Die Polarisationsaufnahmen wurden an einer polykristallinen Schicht durchgeführt. Wie M E C K E und G R E I N A C H E R 17 zeigten, kann man eine gut orientierte polykristalline Schicht so aufstellen, daß alle IR-spektroskopisch unterscheidbaren Schwingungsrassen mit verschiedenen dichroitischen Verhältnissen im Spektrum erscheinen. An Hand bekannter Analysenbanden läßt sich dann die Rassenzuordnung vervollständigen. Nach dem Vergleich der Spektren beider Substanzen [Anthracen und Anthracen-d 2 (9,10) ] und der Messung des Dichroismus konnten drei Erwartungsbereiche gefunden werden: ÄJL/II

von 0 , 1 - 0 , 5

R_L/|| von 0,6 — 1,0 RUW 17

>

l

B 3u Biu B 2u .

R. MECKE U. E. GREINACHER, Z . Elektrochem. Ber. Bunsenges. Physik. Chem. 61, 530 [1957].

Lösung, 0,1-molar Schicht 1 mm v (cm - 1 )

/rel.

428

8

443 588 602 674

2 2 4 1

681

9

738 782 842

4 10 1

883 896 950 998 1024 1030

1 0,5 4 1 4 sh

1145 1211 1263 1287 1304 1330 1387 1443 1456

5 0,5 4 0 3 0 3 3 3

1527 1603 1626 1642 1706 1736 1761 1799 1818 1919

4 0 3 2 1 0,5 0,5 0,5 1 0,5

1942 2247 3002 *

1 2 1

3032 * 3050 *

sh 10

3080*

breit

KJ-Preßling v (cm - 1 ) 236 * 363 * 427 438 457 595 649 667 676 683 690 743 747 785 852 859

/rel. 3 4 6 10

Rasse

RU\\

B2U BIU

j

0,86

BIU

3

0,5

B3U

2

0,32 1,6

Bau

0,08

Au

0,68

BIU

2 sh 5 10 1 } 6 j sh 6 10 1 2

896 954 980 1022 1035 1142 1147

5 7 1 4 0,5 4 7

1264

6

1304 1346 1385 1439 1449 1484 1517 1600 1618 1647 1709 1742

6 1 3 5 4 0 4 5 7 sh 1 0,5

1805 1818 1905 1923 1945 2242 3000 * 3012 * 3032 * 3048 * 3067 * 3080

Polykristallineschicht ca. 20 H

1 1 0,5 0,5 0,5 1 1 0 sh 10 sh

2

3

O

-

Ol

3 Q

O —N -

(/>

- - 3'

-

—«

Durchlässigkeit

(°/0)

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3000 2500

2000

1500

1300

1100

1000

900

000

750700

JQQ •

600 550

500

450

I.i .. I i i i ,I i . . i I i

400cm''

I i i

50

Anthracen

- d2 (9,10) (kris t.)

13 14 15 16 17 16 19 20 21 22 23 24 25 p Wellenlänge

;00

t

9

r

10 Wellenlänge

750700

^w.

600 550 500

450

400cm- 1

50

-i—i—i—l—i—i—i—l—i—i—r 13 14 15 16 17 16 19 20 21 22 23 24 25p. Wellenlänge —

11 Unten:

Oben: Abb. 4. Anthracen-d 2 (9,10), polykristallin.

Abb. 5. Anthracen-d 2 (9,10), polykristallin. Polarisator parallel zur Wachstumsrichtung. — Polarisator senkrecht zur Wachstumsrichtung.

O i—i VO

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BIU 5 Bou und B3u sind unsicher, da die Werte von einer Rasse untereinander streuen. Eine wesentliche Erleichterung brachte die Berechnung der nichtebenen Schwingungen durch E V A N und S C U L L Y 8 , die mit den in dieser Arbeit gemessenen Werten bis auf einige niederfrequente Schwingungen gut übereinstimmen (vgl. Tab. 3 ) . Die Zuordnung der Schwingungen zur Rasse Bj u konnte hierdurch gesichert werden. Die Schwingungen der Rassen B2u und B 3u können an Hand der dichroitischen Verhältnisse gut unterschieden werden. Eine Ausnahme bilden allerdings die Schwingungen bei 1142 und 1527 c m - 1 (s. weiter unten). Rasse Schwin- Anthracen gungscm-1 typ V V V CO CO CO d d

A A A V V CO CO CO ö

ö 8 A A A

Anthracen-d 2 (9,10) EVAN U. SCULLY (gerechnet) cm-1 cm-1

3040 3020 3008 1628 1456 * 1317 1274 1148 906 650 238

3032 3002 2247 1626 1456 1304 1263 1145 896 647 236

3080 * 3048 1538 1450* 1398 1168 1125 1000

3080 3050 1527 1443 1387 1142 1024 824 738 602 454

620 -

980 860 743 677

y 7 r

980 860 743 692 -



7 7 7

953 880 726 600 468

950 782 681 428 364

r r

r r r





966 876 826 552 136 942 799 697 452 364 96

Tab. 3. Zuordnung der IR-Frequenzen des Anthracens 1 und Anthracen-d 2 (9,10) und der Vergleich mit den gerechneten nichtebenen Schwingungen von EVAN und SCULLY 8 .

Zuordnung der IR-Frequenzen In Tab. 3 ist das Ergebnis der vorgeschlagenen Zuordnung der IR-aktiven Grundschwingungen des

Anthracen-d 2 (9,10) aufgeführt. Zum Vergleich sind die Zuordnung von Anthracen nach B R U H N und M E C K E 1 mit einigen Änderungen, die durch * gekennzeichnet sind 1 0 ' 1 2 , sowie die gerechneten Werte für die nichtebenen Schwingungen von E V A N und S C U L L Y 8 aufgenommen. Schwingungsrasse A u (2^, 3/ 1 ) (nichtebene Schwingungen) Diese Schwingungsrasse ist nach den Auswahlregeln der Punktsymmetriegruppe D2h (Tab. 1) IRinaktiv und Raman-verboten. Bei den kristallinen Aufnahmen werden die Schwingungen jedoch beobachtbar und können durch Vergleich mit dem Lösungsspektrum aufgefunden werden. Dies war einfach bei den Banden 980, 860 und 743 c m - 1 . Schwierigkeiten bereitete es bei dem Triplett 690, 683 und 676 c m - 1 . Die Bande bei 683 c m - 1 ist eine ^-Schwingung der Rasse B l u (durch Dichroismus gefunden). Bei den Banden 690 und 676 c m - 1 bleibt zu klären, welche der beiden Banden durdi Faktorgruppenaufspaltung hervorgerufen wurde und welche zu der Rasse A u gehört. Der Vergleich des Spektrums der gelösten Substanz mit dem der kristallinen genügt nicht, da beide Banden erst im Kristallspektrum aktiv werden. Die „Mischkristalltechnik" von H R O S T O W S K I und P I M E N T E L 18 hat sich als sehr nützlich erwiesen. C A L I F A N O 19 hat diese Technik benutzt, um die Faktorgruppenaufspaltung der Blu-Schwingungen im Anthracenkristall zu beweisen. Er wählte dafür Anthracen-d10 als Mischkomponente mit Anthracen. Für Anthracen-d 2 (9,10) haben wir Anthracen als Mischkomponente verwendet. Das Ergebnis ist aus Abb. 6 zu entnehmen. Abb. 6 ( A ) zeigt das IR-Spektrum von Anthracend 2 (9,10) als KJ-Tablette [2 mg Anthracen-d 2 (9,10) : 200 mg KJ] zwischen 13 fx und 15 //, Abb. 6(B) das IR-Spektrum von 0,82 Mol Anthracen-d 2 (9,10) als KJ-Preßling (2 mg : 200 mg KJ). Die Mischkristalle erhält man durch zweimaliges Auflösen beider Komponenten in Schwefelkohlenstoff CS2 und Eindampfen des Lösungsmittels. Hier treten nur noch zwei Banden auf, die bei 690 c m - 1 ist nicht mehr vorhanden. In Abb. 6(C) wird wieder ein Spektrum von Anthracen (0,18 Mol) in Anthracend 2 (9,10) (0.82 Mol) als KJ-Preßling (Konzentration wie oben) gezeigt. Alle drei Banden sind sicht18

19

H. J. HROSTOWSKY U. P. C. PIMENTEL, J. Chem. Phys. 19, 661 [1951], S. CALIFANO, Mol. Phys. 5, 601 [1962].

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bar, die bei 689 c m - 1 ist als Schulter angedeutet. Daraus kann man mit Sicherheit sagen, daß die Bande bei 690 c m - 1 durch Faktorgruppenaufspaltung hervorgerufen wird, die bei 676 c m - 1 als A u zuzuordnen ist. Weitere Au-Banden wurden nicht beobachtet. Nach der Rechnung 8 sollte die fehlende Au-Schwingung unter 200 c m - 1 liegen.

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