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Inhalt Das Ziel des Institute of HeartMath (Instituts für HeartMath) Einführung Die Herzfrequenzvariabilität: ein entscheidender Indikator für die vegetative Funktion Harmonie, Übereinstimmung und vegetatives Gleichgewicht Emotionales Gleichgewicht und Gesundheit Musikforschung HEARTMATH – HERZINTELLIGENZ im Berufsleben HEARTMATH – HERZINTELLIGENZ in der Pädagogik Klinische Forschung Laufende Studien Datenanalyse und Service für die Studiengestaltung Ausblick Das HeartMath-Wellness-Zentrum Wissenschaftlicher Beirat und Rat für Humanmedizin Bibliographie

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Einführung Seit Jahrhunderten gilt das Herz als Quelle der Gefühle, des Mutes und der Weisheit. Am Forschungszentrum des Instituts für HeartMath (IHM) erforschen wir die physiologischen Mechanismen, über die das Herz mit dem Gehirn Informationen austauscht und dabei die Informationsverarbeitung, die Wahrnehmungen, die Emotionen und die Gesundheit beeinflußt. Unter anderem stellen wir die Frage, warum Menschen das Gefühl von Liebe und anderen positiven Emotionen in der Herzgegend wahrnehmen und wie Streß und verschiedene emotionale Befindlichkeiten sich auf das vegetative Nervensystem, das Hormon- und das Immunsystem, Herz und Gehirn auswirken. Im Laufe der Jahre experimentierten wir mit vielen verschiedenen psychologischen und physiologischen Meßmethoden; doch immer war es die Herzfrequenzvariabilität oder der Herzrhythmus, die sich als dynamischste Komponente erwiesen und emotionales Befinden und Streß reflektierten. Schon in einem frühen Stadium unserer Forschungsarbeit erkannten wir, daß negative Emotionen in verstärktem Maß zu Störungen des Herzrhythmus und des vegetativen Nervensystems führen, die den ganzen Körper in Mitleidenschaft ziehen. Im Gegensatz dazu rufen positive Emotionen einen harmonischeren Herzrhythmus hervor und führten zu einer Verbesserung des nervlichen Gleichgewichts. Die gesundheitlichen Folgen sind leicht abzusehen: Disharmonie im Nervensystem führt zu Ineffektivität und läßt das Herz und andere Organe in Streß geraten, während harmonische Rhythmen für den Organismus zuträglicher und weniger streßbehaftet sind. Noch faszinierender sind jedoch die dramatischen Verbesserungen hinsichtlich der Wahrnehmung, der Fähigkeit, Streß abzubauen und schwierige Situationen zu meistern, wenn man Techniken erlernt hat, um die Kohärenz der rhythmischen Muster der Herzfrequenzvariabilität zu vergrößern. Wir haben beobachtet, daß das Herz sich verhält, als habe es ein eigenes Gehirn. Es beeinflußt die Wahrnehmung und offenbar vor allem die Intelligenz und das Bewußtsein tiefgreifend. Nachdem viele Erkenntnisse sich

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wie Puzzlestücke zusammengefügt haben, bildet ihre Synthese nun die wissenschaftliche Erklärungsgrundlage dafür, wie und warum das Herz die geistige Klarheit, die Kreativität, das emotionale Gleichgewicht und die Leistung beeinflußt. Unsere und andere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, daß das Herz weitaus mehr ist als eine einfache Pumpe. Es ist in der Tat ein hochkomplexes, selbstorganisiertes sensorisches Organ mit einem eigenen „kleinen Gehirn“, das über das Nervensystem, das Hormonsystem und andere Bahnen mit dem Gehirn „kommuniziert“ und es beeinflußt. Dies wiederum wirkt sich stark auf die Gehirnfunktion und die meisten großen Organe aus.

Das intelligente Herz Zu den ersten modernen Physiologen, die auf psychologischem Gebiet geforscht haben und die den Informationsaustausch zwischen Herz und Gehirn untersuchten, gehörten John und Beatrice Lacey. Während ihrer zwanzigjährigen Forschungstätigkeit in den 60er und 70er Jahren beobachteten sie, daß das Herz dem Gehirn auf bestimmte Weisen antwortet, die deutlichen Einfluß darauf nehmen, wie wir die Welt wahrnehmen und auf sie reagieren. Sie stellten die Theorie auf, daß das Herz die Sinne und indirekt auch die Muskeln mit seiner eigenen – in Nervenimpulse transformierten und in dieser Form dem Gehirn übermittelten – Sprache „auf gleiche Wellenlänge bringt“. Eine Generation früher hatte Walter Cannon gezeigt, daß Veränderungen der Emotionen eines Menschen von vorhersagbaren Veränderungen der Herzfrequenz, des Blutdrucks, der Atmung und der Verdauung begleitet werden. Nach Cannons Ansicht liefert der aktivierende Teil des Nervensystems (Sympathikus) die Energie für Kampf oder Flucht, wenn man „erregt“ ist, bei Gelassenheit „kühlt“ einen der beruhigende Teil des Nervensystems (Parasympathikus) „ab“. Diese Anschauung fußte auf der Annahme, daß alle physiologischen Reaktionen des vegetativen Nervensystems auf einen Reiz hin gemeinsam mit der Reaktion des Gehirns ablaufen. Man vermutete, daß die Teile des Organismus bei Erregung gemeinsam „hoch-“ und bei Ruhe gemeinsam

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„herunterfahren“ und daß der gesamte Prozeß vom Gehirn kontrolliert wird. Die Laceys stellten fest, daß das, was physiologisch tatsächlich vor sich ging, nur teilweise diesem einfachen Modell entsprach. Im Laufe ihrer Forschungen fanden sie heraus, daß das Herz seine eigene seltsame, häufig von der „Vorgabe“ des vegetativen Nervensystems abweichende Logik zu haben schien. Es schien dem Gehirn bedeutungsvolle Botschaften zu senden, die dieses nicht nur verstand, sondern auch befolgte. Es sah sogar so aus, als könnten diese Botschaften das Verhalten eines Menschen verändern. Kurz darauf entdeckten Neurophysiologen eine Nervenbahn und einen Mechanismus, durch die Input vom Herzen zum Gehirn die elektrische Aktivität des Gehirns hemmen oder fördern konnte. Im Jahre 1974 stimulierten die französischen Forscher Gahery und Vigier bei Katzen den Nervus vagus (der viele Signale vom Herzen zum Gehirn leitet) und fanden heraus, daß die elektrische Reaktion des Gehirns um etwa die Hälfte ihrer normalen Frequenz reduziert wurde. Mit anderen Worten, Herz und Nervensystem folgen nicht einfach den Befehlen des Gehirns, wie Cannon geglaubt hatte.

Neurokardiologie: Das Gehirn im Herzen Während die Laceys auf dem Gebiet der Psychophysiologie forschten, schloß sich eine kleine Gruppe von Kardiovaskulärforschern mit einem Team von Neurophysiologen zusammen, um auf gemeinsamen Interessengebieten tätig zu werden. Dies war die Initialzündung zu einer neuen Disziplin, der Neurokardiologie, die seither maßgebliche Erkenntnisse über das Nervensystem innerhalb des Herzens und über den Informationsaustausch zwischen Gehirn und Herz via Nervensystem liefert. Nach ausgedehnten Forschungen stellte einer der Pioniere der Neurokardiologie, Dr. J. Andrew Armour, 1991 das Konzept eines funktionellen „Herzgehirns“ vor. Das kürzlich von Dr. Armour und Dr. Jeffrey Ardell veröffentlichte Buch Neurocardiology liefert einen umfassenden Überblick über die Funktion des intrinsischen Nervensystems des Herzens und die Rolle der zentralen und peripheren

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vegetativen Neuronen bei der Regulation der Herzfunktion. Die Nervenbahnen zwischen Herz und Gehirn sind in Abbildung 2 dargestellt. Hormonale und chemische Informationen sowie Informationen über Frequenz und Druck werden in neurologische Impulse umgewandelt und über mehrere „afferente“ (zum Gehirn ziehende) Bahnen vom Herzen zum Gehirn geleitet. Die Weiterleitung von Schmerzsignalen und möglicherweise anderen Empfindungen zum Gehirn erfolgt über dieselben Nervenbahnen, die das Gehirn über die Medulla erreichen, ein Gebiet im Hirnstamm. Diese Signale wirken regulierend auf viele andere Signale des vegetativen Nervensystems, die von Gehirn zum Herzen, zu den Blutgefäßen, Drüsen und Organen gelangen. Sie können sich jedoch auch kaskadenartig in die höheren Gehirnzentren ergießen. Dr. Armour beschreibt das Gehirn und das Nervensystem als parallelgeschaltetes Verteilersystem, das aus separaten, aber sich gegenseitig beeinflussenden Gruppen neuronaler, über den ganzen Körper verteilter Verarbeitungszentren besteht. Das Herz hat sein eigenes intrinsisches Nervensystem, das unabhängig vom Gehirn oder dem Nervensystem agiert und Informationen verarbeitet. Aufgrund dessen sind auch Herztransplantationen möglich: Normalerweise erfolgt der Informationsaustausch zwischen Herz und Gehirn über Nervenfasern, die durch den Vagus und die Wirbelsäule ‚ziehen‘. Bei einer Herztransplantation sind diese Verbindungen für eine geraume Zeit unterbrochen, sofern sie überhaupt je wiederhergestellt werden; das transplantierte Herz kann jedoch in seinem neuen Wirt aufgrund der Leistungsfähigkeit seines intakten intrinsischen Nervensystems funktionieren. Das intrinsische Herznervensystem besteht aus komplexen Ganglien, die afferente (empfangende) lokale Schaltneurone (Interneurone) und efferente (übertragende) sympathische und parasympathische Neuronen enthalten. Multifunktionale sensorische Neuriten, die über das Herz verteilt sind, reagieren auf viele Arten von sensorischem Input direkt aus dem Herzen selbst. Auch koordinieren die intrinsischen Herzganglien Botschaften aus dem Gehirn und anderen Verarbeitungszentren mit eintreffenden Informationen von den kardialen

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sensorischen Neuriten. Haben die intrinsischen Neuronen des Herzens eine Entscheidung getroffen, werden die entsprechenden Signale zum sinuatrialen (Sinusknoten) und zum atrioventrikularen Knoten (AV-Knoten) sowie zu den Herzmuskeln geschickt. Dr. Armour und seine Kollegen haben gezeigt, daß das intrinsische Nervensystem für die richtige Funktion des Herzens lebenswichtig und unabdingbar ist.

Das Herz als Hormondrüse Weitere Erkenntnisse zum „Datenaustausch“ zwischen Herz und Gehirn steuerten Forscher bei, die das Hormonsystem studierten. Als man 1983 ein neues, vom Herzen produziertes und ausgeschüttetes Hormon, den sogenannten atrialen natriuretischen Faktor (ANF), isolierte, wurde das Herz als endokrine oder Hormondrüse neu klassifiziert. Dieses Hormon wirkt auf die Blutgefäße, auf die Nieren und die Nebennieren und auf eine große Anzahl regulativer Gehirnregionen. Dr. Armour und seine Studenten fanden überdies heraus, daß das Herz einen Zelltyp enthält, der als „intrinsisch kardioadrenerg“ (IKA) bekannt ist. Diese Zellen werden als „adrenerg“ klassifiziert, weil sie Katecholamine (Noradrenalin und Dopamin) bilden und ausschütten, Neurotransmitter also, von denen man einmal dachte, daß sie nur von Neuronen im Gehirn und in Ganglien außerhalb des Herzens gebildet werden können. Wäre – als die Laceys ihre Forschungen betrieben – die Komplexität des intrinsischen Herznervensystems und der große Einfluß seiner Hormonsekretionen von der Wissenschaft besser verstanden worden, wären ihre Theorien vielleicht auch sehr viel früher akzeptiert worden. Ihre Ergebnisse und Experimente spielten jedoch eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der grundlegenden physiologischen und psychologischen Prozesse, die zwischen Gehirn und Körper ablaufen. 1977 schrieb Dr. Francis Waldropin, der Direktor des National Institue of Mental Health, über die Arbeit der Laceys, daß „ihre komplizierten und sorgfältigen Verfahren sowie ihre kühnen Theorien vielversprechende, aber auch diskussionswürdige Ergebnisse hervorgebracht haben. Auf lange Sicht können ihre Forschungsergebnisse uns

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vielleicht eine Menge darüber mitteilen, was jeden von uns zu einem ganzen Menschen macht, und die Erarbeitung von Techniken anregen, die einer gestreßten Person möglicherweise die Gesundheit zurückbringen.“ Diese Prophezeiung hat sich in der Tat bewahrheitet. Doc Lew Childre und das Institut für HeartMath haben auf der Arbeit der Laceys, Dr. Armours u.a. aufgebaut, um praktische Interventionstechniken zu entwickeln, die der Erkenntnis Rechnung tragen, daß das Herz die Wahrnehmungen, das Bewußtsein und die Intelligenz tiefgreifend beeinflußt. Diese Techniken haben bisher Tausenden von Menschen aus vielen sozialen Schichten dazu verholfen, ein produktiveres, gesünderes und erfüllteres Leben zu führen, denn sie lernten, Herz und Geist besser in Gleichklang zu bringen und ein konstruktives Zusammenwirken der Intelligenz des Geistes und des Herzens als Basis ihres Handelns zu begreifen.

Geistige und emotionale Übereinstimmung Schon die alten Griechen betrachteten menschliches Denken und Fühlen oder Intellekt und Emotion als getrennte Funktionen. Diese gegensätzlichen Aspekte der Seele, wie die Griechen sie nannten, sind oft so beschrieben worden, als seien sie in einem ständigen Kampf um die Kontrolle der menschlichen Psyche begriffen. Nach Platos Ansicht glichen Emotionen Wildpferden, die durch den Intellekt gezügelt werden mußten, während die christliche Theologie Gefühle lange mit Sünde und Versuchung gleichsetzte, denen durch Vernunft und Willenskraft Widerstand geleistet werden mußte. Natürlich sind Emotionen weder immer negativ noch ständige Gegenspieler rationaler Gedanken. Antonio Damasio, ein Neurologe, betont in seinem Buch Descartes’ Error (dt.: Descartes’ Irrtum; siehe Damasio, 1994) die Rationalität von Emotionen und hebt deren Gewicht bei Entscheidungsfindungen hervor. Er weist darauf hin, daß Patienten mit einem Hirnschaden in jenen Zentren des Gehirns, die das emotionale und kognitive System integrieren, in der alltäglichen Welt nicht mehr zurechtkommen können, obwohl ihre geistigen Fähigkeiten absolut normal sind. In dem Bestseller Emotional Intelligence (dt.: Emotionale Intelligenz;

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siehe Goleman, 1996) argumentiert Daniel Goleman, daß die vorherrschende Meinung, menschliche Intelligenz sei im wesentlichen Intellekt, viel zu eng gefaßt sei, denn sie ignoriere einen Bereich menschlicher Fähigkeiten, die den Erfolg im Leben genauso stark, wenn nicht stärker beeinflussen. Er sammelt Material zum Nachweis einer weitgehend übersehenen Domäne der Intelligenz, der „emotionalen Intelligenz“, die auf Qualitäten wie Selbstbewußtsein, Motivation, Altruismus und Mitgefühl beruhe. Nach Goleman verfügen Menschen, die die Herausforderungen des Lebens meistern, vor allem über einen hohen „EQ“ (Emotionalen Quotient), der ihrem IQ entspricht oder ihn sogar übertrifft. Die neuesten neurologischen Forschungsergebnisse bestätigen, daß das Emotionale und Kognitive am besten als separate, aber einander beeinflussende Funktionen oder Systeme betrachtet werden, deren jedes über seinen eigenen, einzigartigen Intelligenztyp verfügt. Unsere Forschungen zeigen, daß der Schlüssel zur erfolgreichen Integration von Geist und Emotionen darin liegt, daß man die Kohärenz (geordnete, harmonische Funktion) beider Systeme vergrößert und sie miteinander synchronisiert. Innerhalb des Gehirns sind die neuralen Verbindungen vom emotionalen zum kognitiven System stärker und zahlreicher ausgebildet als die vom kognitiven zum emotionalen System. Einmal erlebt, wird eine Emotion zu einem starken Antrieb für zukünftiges Verhalten und beeinflußt spontane Handlungen, Haltungen und langfristige Errungenschaften. Emotionen können reale Ereignisse leicht aus dem Bewußtsein kicken; bei nichtemotionalen Ereignissen (wie Gedanken) gelingt ihnen das nicht so leicht. Die Forschungsergebnisse des IHM zeigen, daß wir mit Hilfe von Methoden und Techniken, die eigens zur Erhöhung der Kohärenz im emotionalen System entwickelt wurden, oft auch eine höhere kognitive Kohärenz erzielen können. Nach unserer Erfahrung kann der Grad der Übereinstimmung zwischen Geist und Emotionen erheblich variieren. Sind sie nicht synchron, ist die Wahrnehmung beschränkt. Umgekehrt ist unser Bewußtsein erweitert, wenn sie synchronisiert sind. Seh- und Hörvermögen, Reaktionszeiten, geistige Klarheit,

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Gefühlszustände und Empfindungsvermögen werden permanent vom Grad an geistiger und emotionaler Übereinstimmung beeinflußt. Die hier zusammengefaßten Forschungsergebnisse stützen die faszinierende These, daß wir mehr bewußte Kontrolle über den Prozeß wachsender Übereinstimmung innerhalb und zwischen dem eigenen mentalen und emotionalen System erlangen können als allgemein angenommen. Dies wiederum kann zu einem höheren Grad an physiologischer Kohärenz führen, die sich als geordneteres und wirksameres Funktionieren des Nervensystems, des kardiovaskulären sowie dem Hormonund Immunsystems manifestiert. Einst glaubte man, daß Wahrnehmungen und Emotionen völlig von den Reaktionen des Gehirns auf Reize aus der äußeren Umwelt abhängig seien. Die langjährige Arbeit vieler Forscher führte jedoch zu der Erkenntnis, daß emotionale und sensuelle Erfahrung viel genauer als Reaktion auf ein Reizgemisch beschrieben werden kann, das von außen oder von innen auf das Gehirn einwirkt oder sich über das von den Körperorganen und -systemen übertragene Feedback mitteilt. Wenn man die mentalen und emotionalen Seiten der menschlichen Natur als Systeme ansieht, die miteinander in Wechselwirkung stehen, muß man das Herz, das Gehirn und die Hormonsysteme als fundamentale Komponenten dieser Systeme betrachten. Das Herz spielt eine Schlüsselrolle bei der Herstellung der mentalen und emotionalen Kohärenz, da es, wie zu sehen war, über ein sehr viel weiterentwickeltes Kommunikationssystem mit dem Gehirn verfügt als die meisten großen Organe. Zahlreiche Experimente haben gezeigt, daß die Botschaften, die das Herz zum Gehirn sendet, Wahrnehmungen, geistige Prozesse, Gefühlszustände und Leistungen stark beeinflussen. Unsere Forschungen lassen vermuten, daß das Herz, entsprechend dem emotionalen Zustand eines Menschen (wie anhand der Kohärenz der Herzfrequenzvariabilität gemessen), Informationen an das Herzzentrum im Hirnstamm (Medulla) überträgt, das seinerseits die intralaminaren Nuklei (Kerne) des Thalamus und des Mandelkerns speist. Diese Gebiete sind direkt mit der Basis der Stirnlappen verbunden, die bei der

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„Entscheidungsfindung“ und der Integration von Vernunft und Gefühl eine wichtige Rolle spielen. Die intralaminaren Nuklei senden Signale an den restlichen Kortex, um dazu beizutragen, die Kortexaktivität zu synchronisieren. Anhand des Informationsweges und -mechanismus läßt sich erklären, wie der Herzrhythmus die Kohärenz der Hirnstrommuster verändern und dabei die Gehirnfunktion modifizieren kann. Unsere Daten zeigen, daß Kortexfunktion und positive Gefühle verstärkt werden, wenn das Herz übereinstimmende Informationen an das Gehirn sendet. Das erklärt vielleicht auch, warum die meisten Menschen Liebe und andere positive Gefühle mit dem Herzen in Verbindung bringen und warum viele Menschen diese Emotionen tatsächlich in der Herzgegend „fühlen“ oder „wahrnehmen“.

Die Rolle des Mandelkerns für die emotionale Kohärenz Der Mandelkern ist das Gehirnzentrum, das die verhaltensbedingten, immunologischen und neuroendokrinen Reaktionen auf Bedrohungen aus der Umwelt koordiniert. Er dient außerdem als Speicher für das emotionale Gedächtnis innerhalb des Gehirns. Bei der Bewertung der Umwelt vergleicht er die ankommenden emotionalen Signale mit den gespeicherten emotionalen Erinnerungen. Auf diese Weise trifft der Mandelkern sofort Entscheidungen bezüglich des Bedrohungsgrades ankommender Informationen und kann wegen seiner Verbindungen zum Hypothalamus und anderen Zentren des vegetativen Nervensystems die Nervenbahnen „überfallen“, das vegetative Nervensystem aktivieren und die emotionale Reaktion in die Wege leiten, bevor die höheren Gehirnzentren die sensorischen Informationen erhalten. Der Mandelkern erhält auch afferenten Input aus dem Herzen. Eine seiner Funktionen besteht in der Organisation dessen, was „vertraut“ wird. Wenn die Rhythmusmuster des Herzens gestört sind oder nicht übereinstimmen, speziell bei kleinen Kindern, lernt der Mandelkern, Disharmonie als etwas Vertrautes zu erwarten; daher fühlen wir uns mit mangelnder Übereinstimmung „heimisch“, wodurch das Lernen, die Kreativität und das emotionale Gleichgewicht beeinflußt

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werden können. Mit anderen Worten: Wir fühlen uns nur „wohl“, wenn die innere Übereinstimmung fehlt; dieser Mangel ist aber tatsächlich ein Unbehagen. Auf der Basis dessen, was für den Mandelkern vertraut geworden ist, vermitteln die Stirnlappen Entscheidungen darüber, was einer Situation angemessen ist und was nicht. So liegen unseren Wahrnehmungen, emotionalen Reaktionen und Gedankenprozessen unbewußte emotionale Erinnerungen zugrunde und beeinflussen sie. Eine der in diesem Bericht besprochenen Studien erklärt, wie diese emotionalen Erinnerungsmuster unserer Meinung nach umprogrammiert werden können, damit Übereinstimmung zum normalen und als angenehm empfundenen Zustand wird. Nach unserem aktuellen Kenntnisstand über höher entwickelte Feedback-Netzwerke zwischen Gehirn, Herz, mentalem und emotionalem System ist klar, daß der jahrhundertealte Kampf zwischen Intellekt und Emotion nicht dadurch beigelegt werden wird, daß der Geist über die Emotionen dominiert, sondern dadurch, daß zwischen beiden ein immer harmonischeres Gleichgewicht hergestellt wird, das den Zugang zu allen Facetten der Intelligenz erleichtert.

Streß, Gesundheit und Leistung Schon seit langem ist der Zusammenhang zwischen Streß, geistiger und emotionaler Haltung, physiologischer Gesundheit und umfassendem Wohlbefinden vielen Menschen bewußt. In den letzten Jahren jedoch wurde dieser Zusammenhang aufgrund immer zahlreicherer triftiger Beweise für seine Existenz ein Kernthema der Wissenschaft. Deren Forschungsergebnisse machen ganz unmißverständlich klar, daß Wut, Angst und Sorgen das Risiko einer Herzerkrankung und plötzlichen Herztodes deutlich erhöhen. In einer über die Dauer von 20 Jahren durchgeführten, bahnbrechenden Studie der Universität London kamen Dr. Hans Eysenck und seine Kollegen zu dem Schluß, daß unkontrollierte Streßreaktionen hinsichtlich Krebs und Herzerkrankungen einen weit gefährlicheren Risikofaktor darstellen als Zigarettenrauchen oder stark cholesterinhaltige Nahrungsmittel.

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Als Grundlage eines besseren Verständnisses der Wechselwirkungen und Beziehungen zwischen Gedanken, Emotionen und physiologischem und psychologischem Wohlbefinden kann das wissenschaftlich gestützte Modell der Leistungs-Erregungs-Kurve dienen. Diese Kurve trägt zur Klärung der Zusammenhänge zwischen emotionaler Erregung, Leistung (der Fähigkeit zu tun, was getan werden muß) und Gesundheit bei. Abbildung 3 zeigt die Leistungs-Erregungs-Kurven, die nach den Beobachtungen von Lewis bei der militärischen Ausbildung entwickelt wurden: Einige Menschen haben ein höheres Leistungspotential als andere, aber die Leistungen aller fallen ab, wenn Anstrengung und Streß ihre Toleranzgrenze überschreiten. Abbildung 4 veranschaulicht die Ergebnisse einer Studie über Anstrengung und Streß, die Soldaten während des Kampfes im Zweiten Weltkrieg erlebten: Das erste Erschöpfungsstadium ist mit Hyperreaktivität, Angst, Schlafstörungen, Hyperventilation und kardiovaskulärer Fehlreaktion verbunden. Heute geht es immer mehr darum, zu verhindern, daß Menschen dieses Stadium, das in der Sportmedizin als „Overtraining“ bekannt ist, erreichen. Wenn die Stressoren über das erste Stadium hinaus weiterwirken, erschöpfen sich Energie, Ausdauer und Kampfreserven, und der Mensch fällt auf ein niedrigeres Leistungsniveau ab. Die Symptome dieses Stadiums der „emotionalen Erschöpfung“ sind praktisch die gleichen, die man bei chronischer Müdigkeit beobachtet hat. Dieser Zustand kann jedoch genauer als extreme homöostatische Erschöpfung beschrieben werden, von der man sich mit entsprechenden Rehabilitationsmaßnahmen erholen kann. Wer dieses Stadium erreicht hat, leidet oft unter einer Erschöpfung des vegetativen Nervensystems, die mit Hilfe der Analyse der Herzfrequenzvariabilität meßbar ist. (Siehe: „Die Herzfrequenzvariabilität“ und „Klinische Forschung“.) Die Streßtoleranz ist individuell verschieden. Menschen mit höherer Toleranzkurve sind über längere Zeiträume auf höherem Niveau leistungsfähig, ohne daß es zu Störungen der Homöostase kommt. Diese Menschen werden für „robust“ oder „stark“ gehalten, Eigenschaften, die über erfolgreiches

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Selbstmanagement hinsichtlich der Reaktionen auf negative Emotionen entwickelt wurden, und mit einer starken Zielorientierung, einem Gefühl, den Lebensverlauf steuern zu können, sowie einer Menge Energie einhergehen, die es ihnen ermöglicht, die Herausforderungen des Lebens mit Freude anzunehmen. Menschen mit niedrigerer Kurve sind weniger widerstandsfähig, verfügen über weniger Kraft zu kämpfen und sich anzupassen und neigen mehr zu Erschöpfung und Krankheit. Wichtig zu wissen ist allerdings auch, daß selbst Menschen mit einer höheren Toleranzschwelle zu erschöpfen drohen und krank werden können, wenn diese Schwelle und damit die Spitze der Kurve überschritten wird. Der Beginn der Erschöpfung hängt vom Zusammenspiel des anfänglichen Zustandes der Abwehrkräfte und der Größe und dem Grad der Stressoren ab, die Kampfkräfte und Anpassungskapazitäten herausfordern (Abb. 5). Bis zu einem gewissen Punkt kann man sich durch Ruhe und Entspannung wieder erholen; wird dieser Punkt jedoch überschritten, geht es mit Leistungsfähigkeit und Gesundheit kontinuierlich bergab. Mit anderen Worten: Die Spitze der Kurve markiert die Trennungslinie zwischen gesunder Funktionsweise und überwindbarer Ermüdung einerseits – dargestellt in der aufsteigenden Kurve – und dem fortschreitendenVerlust von Gesundheit und Leistungsfähigkeit andererseits – dargestellt in der absteigenden Kurve. Die „Wunschlinie“ dient als Erinnerung daran, daß Menschen, die die „Spitze“ überschreiten, sich oft unangemessen verhalten. Wenn sich der Graben zwischen ihrer tatsächlichen und ihrer gewünschten Leistungsfähigkeit verbreitert, ignorieren sie das Bedürfnis nach Ruhe und neigen zu vermehrter geistiger und emotionaler Unruhe, die sie weiter auf den Zusammenbruch zutreibt. Die Überschreitung der Spitze der Kurve, die zu Erschöpfung und gesundheitlichen Problemen führt, kann durch intrinsische und extrinsische Faktoren ausgelöst werden. Zu den intrinsischen Faktoren gehören starke Wut, Angst, Erschöpfung, Spannung, mangelnde Selbstmanagement-Fähigkeiten, Rastlosigkeit, Schuldgefühle, Einsamkeit und die Unfähigkeit, mit dem Erreichten zufrieden zu sein.

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Äußere umweltbedingte Stressoren, wie der immer schnellere gesellschaftliche Wandel, können Menschen sicherlich über ihre physiologische Toleranzgrenze hinaustreiben. Auch die Arbeitswelt kann die Gesundheit maßgeblich beeinflussen. Beale und Nethercott zum Beispiel führten eine Studie mit Arbeitern durch, die den Zeitraum zwischen der Mitteilung, ihre Arbeitsplätze seien in Gefahr, und ihrer tatsächlichen Entlassung umfaßte (zwei Jahre). Die Besuche beim Hausarzt nahmen um 150 % zu, die Überweisungen an Ambulanzen um 160 % und die ambulanten Behandlungen um 200 % zu; die Kränklichkeit stieg um 70 %. Zahlreiche andere Studien zeigten, daß Unzufriedenheit mit der Arbeit die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts erhöht.

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