Das (einfache) Solow-Modell

Kapitel 3 Das (einfache) Solow-Modell Zun¨achst wird ein Grundmodell ohne Bev¨olkerungswachstum und ohne technischen Fortschritt entwickelt. Ausgangs...
Author: Innozenz Peters
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Kapitel 3

Das (einfache) Solow-Modell Zun¨achst wird ein Grundmodell ohne Bev¨olkerungswachstum und ohne technischen Fortschritt entwickelt. Ausgangspunkt ist die Produktionstechnologie welche in jeder Periode t die Produktionsfaktoren Kapital Kt und Arbeit Lt (gemessen in Stunden) mittels einer konkaven Funktion F (·) in Output Yt verwandelt: Yt = F (Kt , Lt ) F (·) ist homogen vom Grade 1 (linear-homogen), damit f¨ uhrt eine Ver¨anderung der Faktorinputs um λ zur identischen Ver¨anderung des Outputs λF (Kt , Lt ) = F (λKt , λLt ). Man sagt deshalb auch, dass konstante Skalenertr¨age vorliegen. Setzt man λ = 1/Lt so wird die letzte Gleichung zu µ ¶ Yt Kt =F ,1 . Lt Lt Mit den Definitionen yt = Yt /Lt , kt = Kt /Lt und f (kt ) = F (Kt /Lt , 1) erh¨alt man die Darstellung (3.1)

Yt = F (Kt , Lt ) = Lt f (kt ) bzw. yt = f (kt ).

Die durch Kleinbuchstaben repr¨asentierten Variablen stellen pro-Kopf“-Gr¨oßen ” dar; kt bezeichnet man als Kapitalintensit¨at. Die Funktion f (kt ) soll mit den folgenden Eigenschaften ausgestattet sein: f (0) = 0; f (k) > 0 f¨ ur k > 0; f 0 (k) > 0 f¨ ur 00 0 < k < ∞; f (k) < 0 f¨ ur 0 < k < ∞. Sie ist in Abbildung 3.1 dargestellt. In Abbildung 3.1 ist auch das Grenzprodukt des Kapitals (marginal product of capital, MPK) eingezeichnet. Letzteres bezeichnet die Steigung der Produktionsfunktion f (kt ) und dr¨ uckt aus, wie sich ein marginaler Anstieg des Kapitalstocks (also um eine Einheit) auf das Produktionsniveau auswirkt, d.h. M P K = f (kt +1)−f (kt ) ≈ f 0 (kt ). Mit dieser Produktionstechnologie l¨asst sich das Solow-Modell in vier zentralen Gleichungen darstellen: Yt = Kt+1 = It = Lt =

F (Kt , Lt ) = Ct + It It + (1 − δ)Kt sYt L 21

Abbildung 3.1: Konkave Pro-Kopf-Produktionsfunktion

Quelle: Mankiw, S. 249. Gleichung (3.2) beschreibt den G¨ utermarkt und besagt, dass der Output im Gleichgewicht auf Konsum Ct und Investitionen It aufgeteilt wird. Gleichung (3.2) beschreibt wie sich der Kapitalstock u ¨ber die Zeit entwickelt. Folglich setzt sich der k¨ unftige Kapitalstock Kt+1 aus dem nach Abschreibung (mit Rate δ) verbliebenen aktuellen Kapitalstock plus den Investitionen It zusammen. Die n¨achste Gleichung (3.2) besagt, dass auf dem Kapitalmarkt im Gleichgewicht Investitionen und Er¨ sparnisse u ussen. Die Ersparnisse der Okonomie ergeben sich als ¨bereinstimmen m¨ konstante Sparquote s des Outputs. Schließlich wird in Gleichung (3.2) einen konstante Arbeitsbev¨olkerung unterstellt. Abbildung 3.2 zeigt den Zusammenhang der pro-Kopf Variablen in Abh¨angigkeit von der Kapitalintensit¨at. Abbildung 3.2: Produktion, Konsum und Investitionen

Quelle: Mankiw, S. 251. Bevor nun auf die Dynamik des Modells eingegangen wird, noch einmal die zentralen Annahmen des (vereinfachten) Solow-Modells: 1. Konstante SKE in der Produktion. 22

2. Abnehmendes Grenzprodukt des Kapitals. 3. Bei konstantem Arbeitseinsatz wird Grenzprodukt des Kapitals unendlich klein wenn Kapital immer weiter w¨achst. 4. Konstante Spar- und damit auch Konsumquote auf Haushaltsseite. 3.1

Dynamik und Steady state

Um die zeitlichen Abl¨aufe des Modells zu verdeutlichen, werden alle Variablen nun in pro-Kopf ausgedr¨ uckt. Alle pro-Kopf Variablen h¨angen nun von der Entwicklung der Kapitalintensit¨at kt ab. Deshalb interessiert uns vor allem, wie sich die Kapitalintensit¨at im Zeitablauf entwickelt. Nach Substitution und Umstellung erh¨alt man die folgende Gleichung (3.2)

kt+1 − kt = sf (kt ) − δkt .

¨ Uberlegen wir uns, was passiert, wenn die Ersparnisse (bzw. Investitionen) pro-Kopf den Verschleiß des Kapitals pro-Kopf u ¨bersteigen. In diesem Falle steigt der Kapi¨ talstock pro-Kopf in der Okonomie an, d.h. kt+1 > kt . Umgekehrt, umgekehrt. Wir k¨onnen nun aber auch sofort die Kapitalintensit¨at im langfristigen Gleichgewicht k ∗ (so-genannter Steady state) bestimmen: (3.3)

kt+1 = kt = k ∗



sf (k ∗ ) = i∗ = δk ∗ .

Immer wenn die Investitionen genau mit den Abschreibungen (jeweils pro-Kopf) u ¨bereinstimmen, dann bleibt die Kapitalintensit¨at konstant. Abbildung 3.3 zeigt, wie dieses langfristige Gleichgewicht graphisch bestimmt wird. Abbildung 3.3: Investitionen und Abschreibungen im Steady state

Quelle: Mankiw, S. 252. Wenn noch die (pro-Kopf) Produktionsfunktion erg¨anzt wird, dann erh¨alt man auch den langfristigen Output pro-Kopf y ∗ = f (k ∗ ) bzw. den Konsum c∗ = (1 − s)f (k ∗ ). Wichtig ist, dass es immer eine Dynamik hin zu diesem langfristigen Gleichgewicht gibt. Bei geringer Kapitalintensit¨at k1 < k ∗ gilt i1 > δk1 so dass k steigt. Umgekehrt 23

Abbildung 3.4: Anpassung zum langfristigen Gleichgewicht

Quelle: Mankiw, S. 255. bei k2 > k ∗ . Um dies zu verdeutlichen zeigt Abbildung 3.4 die Dynamik anhand eines numerischen Beispiels. √ Wir unterstellen dazu y = k, s = 0.3, δ = 0.1. Als Startwert wird k1 = 4.0 vorgegeben. Im Jahr 1 ergibt sich daraus ein Kapitalanstieg, welcher in der n¨achsten Periode produktionswirksam wird. Langfristig erhalten wir √ √ s k ∗ = δk ∗ ⇒ k ∗ = s/δ = 3.0 ⇒ k ∗ = 9.0. Das Solow-Modell zeigt vor allem, wie wichtig die Sparquote im Wachstumsprozess ist. Der Verschleiß von Kapital (also die Abschreibungsrate δ)) ist vor allem technologisch bedingt und unterscheidet sich kaum zwischen den L¨andern. Unterschiede in den Wachstumsraten des Einkommens sind dann vor allem auf unterschiedliche Sparquoten zur¨ uckzuf¨ uhren. Dies erkl¨art sowohl den Aufstieg von Deutschland und Japan nach dem Krieg, als auch die j¨ ungste Entwicklung in China. Einerseits war der Kapitalstock pro Kopf durch den Krieg (bzw. Kommunismus) weitgehend zerst¨ort, andererseits stieg die Sparquote der Bev¨olkerung entweder aufgrund von Mentalit¨at (Deutschland, Japan) oder durch staatlichen Zwang (China) drastisch an. Die Folge war in allen L¨andern, dass die Kapitalintensit¨at schnell anstieg und damit auch das pro-Kopf Einkommen der Bev¨olkerung. Der L¨anderquerschnitt zeigt deshalb auch einen klaren positiven Zusammenhang zwischen Investitionsquote (also den Ersparnissen) und dem pro-Kopf Einkommen, vgl. Abbildung 3.5. Spar- und Investitionsquote ist also eine wichtige Determinante f¨ ur den Reichtum eines Landes. Warum unterscheiden sich aber Sparquoten zwischen den L¨andern? ⇒ Steuern, Kapitalmarktstrukturen, Kultur, Rechtssystem, politische Unsicherheiten, etc. Zwei Einw¨ande zum Schluss: 1.) Umgekehrte Kausalit¨at m¨oglich, d.h. bei hohem Einkommen wird viel gespart! 2.) Keine perfekte Korrelation, d.h. USA und Peru haben a¨hnliche Investitionsquote, aber ganz unterschiedliches Einkommen! Es gibt also noch ganz andere Determinanten f¨ ur das Einkommensniveau. 24

Abbildung 3.5: Investitionsquote und pro-Kopf Einkommen

Quelle: Mankiw, S. 259. 3.2

Die Goldene Regel der Kapitalakkumulation

Man k¨onnte nun noch fragen, ob es eine bestimmte Sparquote gibt, die in irgendeinem Sinne optimal ist. Unter optimal“ soll dabei hier ein langfristig maximaler ” Pro-Kopf-Konsum verstanden werden. Zun¨achst k¨onnte man (etwas naiv) erwarten, dass eine h¨ohere Sparquote im langfristigen Gleichgewicht zu h¨oherem pro-Kopf Einkommen f¨ uhrt und damit auch zu h¨oherem pro-Kopf-Konsum c = C/L. Allerdings wird das Einkommen auf Ersparnisse und Konsum aufgeteilt, deshalb muss im langfristigen Gleichgewicht gelten: c∗ = f (k ∗ ) − i∗ = f (k ∗ ) − δk ∗ . Der langfristige pro-Kopf Konsum wird also genau dann maximiert, wenn gilt (3.4)

∂c∗ = f 0 (k ∗ ) − δ = 0 ∂k ∗



f 0 (k ∗∗ ) = δ.

Der pro-Kopf Konsum im langfristigen Gleichgewicht wird also genau dann maximiert, wenn das Grenzprodukt des Kapitals mit der Abschreibungsrate u ¨bereinstimmt. ∗∗ In Abbildung 3.6 ist das genau bei Kapitalstock k der Fall. Den Zusammenhang zwischen c∗∗ bzw. k ∗∗ und Sparquote finden wir dann u ¨ber ∗∗ (3.3). Sobald k gegeben ist erh¨alt man die dazu ben¨otigte Sparquote u ¨ber (3.5)

s∗∗ =

δk ∗∗ . f (k ∗∗ )

√ Im aktuellen Beispiel mit f (k) = k sowie δ = 0.1 ermitteln wir also zun¨achst mittels Gleichung (3.4) k ∗∗ = 25 und dann u ¨ber (3.5) s∗∗ = 0.5. Bei einer Sparquote von 50 Prozent w¨ urde also der pro-Kopf Konsum langfristig maximiert. Abbildung 3.7 zeigt ein langfristiges Gleichgewicht, bei dem die Goldene Regel erf¨ ullt ist. 25

Abbildung 3.6: Die goldene Regel der Kapitalakkumulation

Quelle: Mankiw, S. 262. Zu erkennen ist, dass es bei s > s∗∗ zu einer Kapitalintensit¨at k > k ∗∗ , also zu ¨ einer Uberakkumulation des Kapitals kommt. Es ist dann auf Dauer zuviel investiert worden um den pro-Kopf Konsum zu maximieren. In solchen Situationen gilt im langfristigen Gleichgewicht f 0 (k) < δ. Umgekehrt, umgekehrt. Die entscheidende Frage ist nat¨ urlich, wie sich eine solche optimale Sparquote in der Praxis realisieren l¨asst, bzw. ob sich eine Volkswirtschaft derzeit oberhalb oder unterhalb des Goldenen-Regel Kapitalstocks befindet. Dazu vergleicht man am einfachsten das aktuelle Grenzprodukt des Kapitals und die Abschreibungsrate. Sofern der Kapitalstock zu hoch ist (was in der Regel nicht der Fall ist), dann muss die Regierung die Sparquote senken (z.B. durch eine umlagefinanzierte Rentenversicherung siehe sp¨ater). Eine solche Politik ist vergleichsweise unproblematisch, weil der pro-Kopf Konsum stetig vom alten Niveau zum neuen Niveau ansteigt (vgl. Mankiw, S. 267). Leider ist in der Regel jedoch der aktuelle Kapitalstock niedriger als bei G¨ ultigkeit der Golden Regel. Deshalb muss die Sparquote angehoben werden und dies bedingt zumindest vor¨ ubergehend eine Senkung des pro-Kopf Konsums (vgl. Mankiw, S. 268). Dies kann u.U, zu intergenerativen Verteilungskonflikten f¨ uhren, weil vom Konsum heute und morgen unterschiedliche Generationen betroffen sind.

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Abbildung 3.7: Sparquote und goldene Regel

Quelle: Mankiw, S. 263.

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