D O K U M E N T A T I O N

DOKUMENTATION „Was muss passieren, damit wir bleiben?“ veranstaltet von der LKJ Thüringen e.V. am Südthüringischen Staatstheater Meiningen am 8. Juli...
Author: Hanna Kaiser
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DOKUMENTATION

„Was muss passieren, damit wir bleiben?“ veranstaltet von der LKJ Thüringen e.V. am Südthüringischen Staatstheater Meiningen am 8. Juli 2015

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1 Konzept – KULTUR-LABOR Die Veranstaltungsreihe KULTUR-LABOR will durch Gesprächsrunden und Workshops Anknüpfungspunkte für eigene Betätigungsfelder Jugendlicher auf dem Gebiet der kulturellen Bildung aufzeigen und für die Teilhabe und Mitgestaltung der vielfältigen Kulturlandschaft Thüringens begeistern. Das KULTUR-LABOR dient dazu, Themen der kulturellen Bildung ein einem öffentlichen Forum zu diskutieren. Insgesamt versteht sich das Labor als Chance, Begegnungen zwischen Jugendlichen, Politik, Wissenschaftlern und Künstlern herbeizuführen und so Transparenz und Verständnis für die unterschiedlichen Belange von Kultur und Kulturpolitik zu erarbeiten.

2 Hintergrund des ersten KULTUR-LABORS Das Bundesland Thüringen steht wie viele andere Regionen in der Bundesrepublik vor den Herausforderungen des demografischen Wandels der Gesellschaft. Die hohe Mobilität der jungen Menschen hat insbesondere in ländlichen Gebieten die Folge, dass viele junge Arbeitskräfte und kreative Köpfe diese verlassen. Die Gründe dafür sind – ähnlich einer wissenschaftlichen Formel – facettenreich, hängen nicht selten miteinander zusammen und bedingen einander. Politik und Wirtschaft haben sich diesem Thema unlängst angenommen. Im ersten KULTUR-LABOR der LKJ Thüringen e.V. in enger Kooperation mit dem Südthüringischen Staatstheater in Meiningen am 8 Juli 2015 wurde daher die Frage „Was muss passieren, damit wir bleiben?“ ins Zentrum gerückt.

3 Ablauf des KULTUR-LABORS 13.00 Uhr

Begrüßung durch Ansgar Haag (Intendant Theater Meiningen) und Peter Rein (Geschäftsführer LKJ e.V.) Einführungen in das KULTUR-LABOR und Informationen zum Tagesablauf

14.00 Uhr

Arbeit in den drei Workshops Leitung der Workshops durch Peter Rein und Daniel Jörg (LKJ), Hagen Bähr (Schauspieler, Theater Meiningen), Wolfgang Höffken (LKJ)

17.30 Uhr

Zusammentreffen und gemeinsames Resümee aller Workshopgruppen

18.00 Uhr

Gemeinsames Abendessen 2

19.30 Uhr

Fishbowl-Diskussion mit Jugendlichen aus der Region Anwesende Gäste: · Elke Harjes-Ecker (Ministerialdirigentin, Thüringer Staatskanzlei) · Kati Engel (Jugendpolitische Sprecherin DIE LINKE) · Birgit Sprenger (stellv. Referatsleiterin, Thüringer Staatskanzlei) · Dana Kern (Kulturreferentin Stadt Meiningen) · Jan Scheftlein (Abteilungsleiter, IHK Südthüringen) · Boris C. Motzki (stellv. Intendant Theater Eisenach) · Gabriele Bruchlos (Kulturagentin)

21.30 Uhr

Ende des KULTUR-LABORS

4 Ergebnisse aus den Workshops Innerhalb der Workshops wurden zunächst sog. „Goodies“ bzw. „Baddies“ gesammelt – also jene Faktoren, die aus Sicht der Jugendlichen positiv in der Region Meiningen / Südthüringen gesehen und andere Merkmale, die negativ wahrgenommen und beurteilt werden. Exemplarisch für die „Goodies“ sind zu nennen: · · · · · · ·

Landschaft und Natur Verbundenheit zur Region Freundlicher Lebensraum / nicht so anonym wie in der Großstadt Familie, Freunde und Bekannte / ausgeprägter Hilfsbereitschaft und starker Zusammenhalt Nachbarschaftshilfe Günstiger Grund und Boden Theater sowie die damit verbundenen Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche

Als „Baddies“ wurden angeführt: · · · · · · · · · · · · ·

Altersproblematik: Zu wenig junge Menschen – zu viele alte Menschen Eingeschränkte Freizeitangebote Kulturangebote selten attraktiv für Jugendliche Wenig Möglichkeiten für Abendaktivitäten Keine Einkaufsvielfalt Schlecht Infrastruktur / Verkehrsanbindungen speziell am Wochenende Kaum Raum für „Experimente“ im kulturellen Bereich für Jugendliche Triste Stadtplanungen Begrenzte Ausbildungsmöglichkeiten Intoleranz Starke soziale Kontrolle Homophobie Fremdenangst 3

Insgesamt beurteilen die Jugendlichen ihre Umgebung sehr differenziert. Viele haben eine strake Verbundenheit mit der Region und würden gern bleiben bzw. nach einer Ausbildung wiederkommen. Dies allerdings nur, wenn Veränderungen in den dargestellten Problemfelder vorgenommen werden. Sie selbst sind bereit hier mitzuwirken, insbesondere im Bereich der kulturellen Angebote und Vielfalt. Hier formierten sich schnell erste Ideen und Vorstellungen für Konzepte und Aktivitäten, die die Jugendlichen selbst verantworten wollen, wenn sie von entsprechenden Stellen in Politik und Verwaltung Unterstützung erfahren. Angesprochene Punkte, wie den negativ beurteilten öffentlichen Nah- und Fernverkehr liegen jedoch aus Sicht der Jugendlichen außerhalb ihres Handlungsbereichs und in der Verantwortung der Politiker_innen. In einem weiteren Schritt ging es in den Workshops ganz konkret darum, Utopien zu entwickeln, die keinerlei Beschränken unterliegen und den Idealvorstellungen der Jugendlichen entsprechen. Diese wurden dann im Anschluss innerhalb der Gruppen diskutiert und sortiert: Wie kommt „Welt“ nach Südthüringen? Mobilität · · · ·

Öffentlicher Nahverkehr, Verbesserung der Anbindung (für die Erreichbarkeit kultureller Angebote) Mehr Busse und Züge sowohl in der Region als auch in die nächst größeren Städte è Mobilität im Job Kommunikation, Austausch und Weiterentwicklung von Ideen Überall erreichbar sein ( freies W-LAN, besseres Mobilfunknetz)

Gesellschaft · · · · · ·

„Wir wünschen uns eine tolerante und heterogene Gesellschaft.“ Mehrgenerationenveranstaltungen, gemeinsame Aktionen zur Stärkung des Miteinanders Interkultureller Austausch à Ängste aller Art abbauen Chancen auf Neubeginn und Weiterbildung egal in welchem Alter, unabhängig von Geld und Noten Wunsch-Studiengang / Ausbildung / Weiterbildung in unserer Nähe bzw. erreichbar Grundbedürfnisse müssen gewährleistet und finanzierbar sein

Kulturelles Angebot! · · · · · ·

Mehr kulturelle und vielfältigere Angebote Partizipation der Jugendlichen an gesellschaftlichen Prozessen Gesundes Essen aus der Region Festivals (alle Musikstile, verschiedene Kulturen) Gegen die Kommerzialisierung von Kultur Kultur soll flexibel sein 4

Im Rahmen der Workshops kristallisierten sich so vor allem drei zentrale Themenbereiche heraus, die auch in der anschließenden Fishbowl-Diskussion diskutiert wurden: Infrastruktur und Verkehrsanbindung, das kulturelle Angebot in seiner Gesamtheit sowie die Überalterung. Einen besonders hohen Stellenwert hatte neben Fragen der infrastrukuturellen Problemlösung der Gesichtspunkt, dass sich Jugendliche eine offenere, tolerantere Gesellschaft im ländlichen Raum wünschen. Dass also Themen wie interkulturelle Bildung und Begegnung mit der „Welt“ (z.B. internationaler Jugendaustausch) relevant für eine positive Bindung an die Region wären! Durch den Ort des KULTUR-LABORS wurden zudem von den Jugendlichen die aus ihrer Sicht kritischen Punkte von Theaters insbesondere im ländlichen Raum thematisiert. Der von dem Schauspieler Hagen Bähr geleitete Workshop setzte sich in Teilen mit dieser Problematik auseinander. Die Jugendlichen waren hier der Meinung, dass das Theater sich hinsichtlich des Zugriffs auf moderne Themen verändern muss, damit mehr junge Menschen angesprochen werden. Eine Öffnung des Theater würde so auch neue soziale und kulturelle Räume schaffen, in denen Themen diskutiert werden können. Weiterhin betonten die Jugendlichen, dass Sie den Eindruck erleben, ihre eigene Jugendkultur in den verschiedensten Ausprägungen (Graffiti u.a.) würde von der Gesellschaft weniger anerkannt und akzeptiert werden, als die etablierten Formen.

5 Die wichtigsten Punkte aus der Fishbowl-Diskussion Aus dem Bericht des Südthüringischen Staatstheaters Meiningen Nach den Gruppenpräsentationen kam es zur spannungsreichen Debatte in einer sogenannten „Fishbowl“, bestehend aus einem inneren fluktuierenden Diskussionskreis und einem äußeren Zuhörerkreis. Einhergehend mit dem demografischen Wandel stellte die Kulturreferentin der Stadt Meiningen Dana Kern die Frage: „Was müssen wir tun, damit ihr bleibt?“ Greta Weyh, die im Jungen Theater Meiningen mitspielt, merkte an, dass man dem Sport zum Beispiel in Form regelmäßiger Wettkämpfe einen hohen Stellenwert beimesse, dass hingegen die Schultheatertage aber nur einmal im Jahr stattfänden. Es sei wichtig kulturelle Angebote über Auftritte und Wettbewerbe zu erweitern und präsenter zu machen. Um jedoch überhaupt Kulturveranstaltungen besuchen zu können, sei es entscheidend, Jugendlichen finanziell und zeitlich günstige Verbindungen im öffentlichen Nahverkehr zu ermöglichen, betonte Alina, die ein FSJ Kultur im Kulturverein Villa K. e.V. (Schmalkalden) absolviert. Felix, Mitglied des Jungen Theaters Meiningen, vertrat die Meinung, es liege an der Einstellung der Menschen, wenn Theater in Deutschland sterbe. Der stellv. Eisenacher Intendant und Schauspielleiter Boris C. Motzki hielt dagegen, in der nächsten Spielzeit habe ein zum Thema passendes Stück Premiere: „Dorfdisco“ von Lisa Sommerfeldt, das von jungen Menschen erzählt, die versuchen, ihre Träume zu verwirklichen - von ihrem Suchen und Scheitern. Es hieß, Theater dürfe nicht klein geredet werden, da es soziale Räume schaffe und zur persönlichen Identitätsbildung beitrage. Die Schüler waren sich einig, dass in Schulen Aufklärungsarbeit betrieben werden müsse. Auch müssten neue Kanäle zur Verständigung gefunden werden, so Luise von der 5

Theatergruppe „Tohuwabohu“ (Meiningen). Letzteres könne mit einer für drei Landekreise angedachten digitalen Kulturplattform ermöglicht werden, sagte Elke Harjes-Ecker, Ministerialdirigentin des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Mit der Einführung von Schul-Scouts soll der direkte Informationsfluss ermöglicht werden, freuten sich Kulturreferentin Dana Kern und Birgit Sprenger vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Ein Beispiel für den Versuch der Überwindung des „Generationenkonfliktes“ ist das von der Kulturagentin Gabriele Bruchlos vorgestellte Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“ mit dem Ziel, bei Kindern und Jugendlichen Neugier für die Künste zu wecken und die selbstverständliche Teilhabe an Kultur zu ermöglichen, was mit der Entwicklung einer Theaterwerkstatt in den letzten 4 Jahren schon gut gelungen sei. Sowohl Wünsche nach Akzeptanz, Freiräumen, neuen Verständigungsformen zwischen den Generationen als auch in der virtuellen Welt und die finanzielle Förderung von Kulturformen prägten die Debatte und fanden mögliche Ansätze und Antworten. Die Veranstaltung war ein gelungener Auftakt der Kultur-Labore der LKJ, wie Ansgar Haag betont: „Im Meininger Theater und der Region wurde die Veranstaltung sehr gut angenommen und war im Rahmen unserer Jugendarbeit ein voller Erfolg!“

6 Was nehmen wir mit? 1. Weitermachen! Das KULTUR-LABOR will keine Einzelveranstaltung sein. Wir nehmen die in den Workshops und im Fishbowl angesprochenen Themen auf unsere Agenda und mit in die nächsten Gespräche mit Entscheidungsträger_innen – in und außerhalb der KULTUR-LABORE. 2. Wiederkommen! In 2016 wollen wir ein weiteres Mal in die Region kommen und weiter experimentieren und analysieren. 3. Wirken! Mit kultureller Bildung leisten wir und unser breites Netzwerk aus Mitgliedsverbänden und Vereinen einen wichtigen Beitrag, um gemeinsam mit Jugendlichen und Entscheidungsträger_innen partizipativ Veränderungen zu bewirken, eine offene, tolerante und interkulturelle Gesellschaft zu gestalten.

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