Corporate Treasury Kompass Passion for Finance, Treasury and Risk

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Author: Liane Hoch
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Corporate Treasury Kompass Passion for Finance, Treasury and Risk Ausgabe 5, März 2016

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Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist uns an dieser Stelle zunächst ein wichtiges Anliegen, uns bei Ihnen zu bedanken. PwC wurde jüngst von der Fachzeitschrift Treasury Management International (TMI) für Beratungsleistungen im Jahr 2015 erneut als „Global Best Treasury Consultancy“ ausgezeichnet. Wir sind stolz, dass wir diese renommierte Auszeichnung nun schon im 15. Jahr in Folge erhalten haben. Die Jury beim TMI entscheidet auf Basis eingereichter Projektnominierungen. Die Entscheidung, uns erneut als „Global Best Treasury Consultancy auszuzeichnen wurde sowohl mit der bunten Vielfalt eingereichter Projektthemen als auch mit den erkennbaren Wertbeiträgen aus der Projektarbeit begründet. Wir danken Ihnen an dieser Stelle für das stets entgegengebrachte Vertrauen und die partnerschaftliche Unterstützung während des Nominierungsprozesses. Sie können sich sicher sein: wir nehmen die Auszeichnung auch weiterhin als Ansporn, uns und unser Angebot stets kritisch zu hinterfragen und Sie auch zukünftig mit „Passion for Finance, Treasury & Risk“ partnerschaftlich zu unter­ stützen. Mit unserer heutigen Ausgabe unseres Newsletters wollen wir Sie wieder mit einem bunten Themenstrauß über Entwicklungen im Treasury informieren. Zunächst blicken wir in die Schweiz und informieren Sie mit dem Artikel „Finanzmarkt­ infrastruktur­gesetz – Derivateregulierung in der Schweiz“ über den aktuellen Stand der dortigen Derivateregulierung und die zu erwartenden Auswirkungen auf Unternehmen in und außerhalb der Schweiz. Im zweiten Artikel beleuchten wir Ansätze zur Margensicherung im Metallhandel und stellen Vorteile einer erprobten Portfoliosteuerung dar. Anschließend teilen wir Ihnen Erfahrungen aus ITImplementierungsprojekten im Treasury mit und zeigen wichtige Erfolgsfaktoren auf. Darauf folgend wird es magisch. Mit den Zauberkräften einer Hybridanleihe zeigen wir auf, wie aus Fremdkapital Eigenkapital wird. Abschließend informieren wir Sie dann noch über die aktuellen Entwicklungen im Bank Account Management. Ein bunter Strauß an Themen, der hoffentlich Ihr Interesse findet und Ihren Erwartungen entspricht.

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Zu guter Letzt möchten wir Sie noch auf unseren Treasury Talk aufmerksam machen. Wie Sie wissen herrschen auf den Währungsmärkten hohe Volatilität und Unsicherheit. Viele Unternehmen hinterfragen derzeit folglich ihr Währungs­ management. Daher haben wir uns für unseren kommenden Treasury Talk das Thema „Währungsmanagement: Exposure-Ermittlung und Hedge-Management in Theorie und Praxis“ ausgesucht. Wir würden uns freuen, Sie als Gast auf einer unserer Veranstaltungen begrüßen zu dürfen: • Dienstag, 22. März 2016, Frankfurt am Main • Mittwoch, 23. März 2016, Hamburg • Mittwoch, 6. April 2016, Düsseldorf • Donnerstag, 14. April 2016, München Weitere Einzelheiten zu dem Treasury Talk können Sie unserer Anmelde-Website www.pwc-event.com/treasurytalk entnehmen. Wir wünschen Ihnen nun eine angenehme und kurzweilige Lektüre und freuen uns auf die Fortsetzung des Dialogs mit Ihnen auf unserem Treasury Talk. Ihre Corporate Treasury Solutions Partner

Olaf Maulshagen

Thomas Schräder

Folker Trepte

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������2

Finanzmarktinfrastrukturgesetz – Derivateregulierung in der Schweiz�������������������5 Margensicherung im Metallhandel: Vorteile einer Portfoliosteuerung���������������������7 Erfolgsfaktoren für IT-Implementierungsprojekte im Treasury������������������������������ 10 Aus Fremdkapital wird Eigenkapital – der Zauber der Hybridanleihe���������������������13 Bank Account Management – ein nachhaltiger Trend��������������������������������������������� 16

Ihre Ansprechpartner���������������������������������������������������������������������������������������������18 Bestellung und Abbestellung����������������������������������������������������������������������������������18

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Finanzmarktinfrastrukturgesetz – Derivateregulierung in der Schweiz Von Sven Walterscheidt und Susanne Lenz

Am 1. Januar 2016 hat die Schweiz eine eigene Derivateregulierung in Kraft gesetzt.1 Das Finanzmarkt­ infrastrukturgesetz (FinfraG2) besitzt große Ähnlichkeit mit der European Market Infrastructure Regulation (EMIR), weist aber in einigen Details wichtige Unterschiede auf, die bei der Implementierung – auch in Industrie- und Handels­unter­ nehmen – zu beachten sind.

Grundsätzliche Anwendbarkeit Das FinfraG in Verbindung mit der zugehörigen Verordnung FinfraV gilt grundsätzlich für alle in der Schweiz ansässigen finanziellen und nicht finanziellen Gegenparteien. Im Ausland ansässige Gegenparteien, die Derivate mit in der Schweiz ansässigen Gegenparteien handeln, etwa im konzern­internen Derivatehandel, können ebenfalls von FinfraG-Pflichten betroffen sein. Die verschiedenen FinfraG-Pflichten haben individuelle, gestaffelte Erstanwendungszeitpunkte (z. B. nach 6, 12 oder 18 Monaten in Abhängigkeit von der Bewilligung oder Bekanntmachung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA). Einige praxisrelevante Unterschiede zwischen FinfraG und EMIR Die erste Frage, die sich beim Thema Derivateregulierung stellt, ist die nach der genauen Definition des Begriffs Derivat oder Over-the-Counter-Derivat (OTC-Derivat). Das FinfraG bezieht sich bei der Definition nicht – wie EMIR – auf die Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), sondern enthält eine eigene Vorgabe. Der aktuell verfügbare Gesetzestext setzt hierfür zwar einen Rahmen, detaillierte Informationen zur Ausgestaltung im Hinblick auf die Vielfalt der im Markt handelbaren OTC-Derivate liegen jedoch noch nicht vor. Zu den bereits ersichtlichen Unterschieden zählt der Ausschluss von Devisen-Swaps und -termingeschäften von bestimmten FinfraG-Pflichten. Dies

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kommt dadurch zustande, dass DevisenSwaps und -termingeschäfte zwar in der generellen FinfraG-Definition von „Derivat“ enthalten sind, der Gesetzes­text aber je FinfraG-Pflicht eine individuelle Eingrenzung der allgemeinen Definition vornimmt. Das FinfraG unterscheidet vier Arten von Gegenparteien: finanzielle (FC), kleine finanzielle, (FC–), nicht­ finanzielle (NFC) und kleine nicht finanzielle (NFC–). Obwohl beinahe dieselben Begrifflichkeiten verwendet werden, definieren sich die Gegen­ parteien unter dem FinfraG anders als unter der EMIR. Ein Unternehmen, auf das die Definition der finanziellen Gegenpartei3 nicht zutrifft, ist automatisch eine nicht finanzielle Gegenpartei. Die dann folgende Ein­ teilung nach Größen (klein/nicht klein) wird in Abhängigkeit von der Erreichung eines Schwellenwerts vorgenommen. Die Überschreitung der jeweiligen Schwellenwerte entscheidet auch über die Anwendung der Clearing­ pflicht. Wie bei der EMIR müssen auch unter dem FinfraG abgeschlossene OTCDerivate an ein Transaktionsregister gemeldet werden. Das FinfraG bedingt aber, dass hierfür ein in der Schweiz bewilligtes und anerkanntes Transaktionsregister zu verwenden ist. Die Transaktionsregister müssen sich deshalb um eine entsprechende Anerkennung der FINMA bemühen, um unter dem FinfraG tätig werden zu können.

Link: https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/themen/wirtschaft--waehrung--finanzplatz/finanzmarktpolitik/finanzmarktinfrastrukturgesetz--finfrag-.html Link: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20140061 Finanzielle Gegenparteien sind laut FinfraG: Banken, Effektenhändler, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Konzernobergesellschaften einer Finanz- oder Versicherungsgruppe oder eines Konglomerats, Vorsorgeeinrichtungen und Anlagestiftungen usw. (Art. 93). Corporate Treasury Kompass März 2016

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Ebenso nennt das FinfraG dieselben Risikominderungspflichten wie die EMIR: rechtzeitige Bestätigung, Portfolio­abstimmung und -kompression, Streitbeilegung, tägliche Bewertung und Austausch von Sicherheiten. Unterschiede bestehen bei der Anwendung für FC– und NFC wie auch beim Ausschluss von DevisenSwaps und -termingeschäften aus den Risikominderungspflichten. Zudem bestehen weitere Ausnahmen, etwa in Bezug auf die Delegationsmöglichkeiten. Die nachfolgende Grafik bietet eine Übersicht über die FinfraG-Pflichten:

Bei der für das FinfraG vorgesehenen Pflichtprüfung muss – im Gegensatz zur EMIR-Pflichtprüfung in Deutschland – kein separater Prüfungsauftrag mit einem Wirtschaftsprüfer geschlossen werden. Die FinfraG-Prüfung ist ab 2017 Teil der Jahresabschlussprüfung. Aufgrund der dargestellten Unterschiede ist es aus unserer Sicht erforderlich, eine Betroffenheitsanalyse durchzuführen, welche die direkt in der Schweiz zu erbringenden Pflichten, die aus dem Ausland zu erbringenden Pflichten und die Interdependenzen zwischen FinfraG, EMIR und Dodd-

Tab. 1 Überblick über die Pflichten nach FinfraG FC

FC–

NFC

NFC–

ausländische Gegenpartei

Meldung an ein Transaktionsregister

ja

ja

ja

ja/nein

nein

Clearingpflicht

ja

nein

ja

nein

ja/nein

rechtzeitige Bestätigung ja

ja

ja

ja

nein

Portfolioabstimmung

ja

ja

ja

ja

nein

Streitbeilegung

ja

ja

ja

ja

nein

Portfoliokompression

ja

ja

ja

ja

nein

tägliche Bewertung

ja

nein

ja

nein

nein

Austausch von Sicherheiten

ja

ja

ja

nein

nein

Quelle: eigene Darstellung (spezifische Ausnahmen sind zu bestimmen).

Frank Act aufzeigt. Die Ergebnisse dieser Analyse bildet dann die Basis für die Implementierung von Prozessen zur Erreichung der FinfraG-Compliance. Fazit Durch das Inkrafttreten des FinfraG erhöht sich für Gegenparteien der operative Aufwand zur Erreichung einer konzernweiten Compliance im Derivatehandel. Um die verschiedenen Regulierungen, ihre Auswirkungen auf die jeweiligen betroffenen Gegenparteien wie auch die Interdependenzen mit anderen Derivateregulierungen transparent zu machen, sollten alle Gegenparteien, die Derivatehandel mit in der Schweiz ansässigen Gegenparteien betreiben, die oben erwähnte Betroffenheitsanalyse durchführen. Sven Walterscheidt ist Director im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Düsseldorf. Er verantwortet unter anderem das Themenfeld Treasury Accounting. Susanne Lenz ist Managerin im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC München. Sie verantwortet vorwiegend Risikomanagement-Projekte im Bereich Treasury Operations.

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Margensicherung im Metallhandel: Vorteile einer Portfoliosteuerung Von Gunther Dütsch und Sebastian Ritzmann

Unternehmen, die im Metallhandel oder in der Metallproduktion tätig sind, unterliegen zwangsläufig starken Einflüssen aufgrund der Preise für global gehandelte Rohstoffe. Die zunehmende Standarisierung der Kontrakte im Rohstoffhandel und die Verkürzung der Handelsperioden führen zudem zu steigenden Preisvolatilitäten.

Marktpreisschwankungen für bestimmte Rohstoffe können einen massiven Einfluss auf die Beschaffungs­ kosten der Handelsgüter oder Einsatz­ stoffe sowie auf die erzielbaren Verkaufs­preise der Handelsgüter oder erzeugten Produkte besitzen. Letzteres ist nicht nur dann der Fall, wenn ein Unternehmen direkt mit Rohstoffen handelt oder rohstoffnahe Produkte herstellt, sondern auch dann, wenn sich infolge hoher Materialkosten und möglicherweise geringer Allein­ stellungs­merkmale ein rohstoff­kosten­ getriebenes Pricing der Absatzprodukte am Markt etabliert hat und die Kunden Preise „auf Marktniveau“ fordern. Folglich können Rohstoffpreis­ schwankungen entweder kostenseitig oder erlösseitig zu signifikanten Ergebnis­schwankungen des Gesamt­ unternehmens führen. Eine vollkommene Harmonisierung der Preisbindungen in Beschaffung und Absatz ist in der Praxis oftmals nicht möglich. Die Gründe hierfür können in hohen Materialbeständen und langen Durchlaufzeiten aufgrund logistischer oder produktionstechnischer Anforderungen liegen. Oft machen auch die unterschiedlichen Marktstrukturen zwischen Beschaffung und Absatz und die infolgedessen unterschiedlichen Preisbindungsperioden eine direkte Harmonisierung von Beschaffung und Absatz unmöglich. Deshalb wenden viele metall­ verarbeitende Unternehmen und Metallhändler finanzielle HedgingMaßnahmen an. Aus Vereinfachungs­ gründen findet hierzu oft eine einfache Back-to-Back-Sicherung einzelner

Absatz- oder Bezugsverträge statt. In bestimmten Situationen, wie etwa im Projekt- oder Streckengeschäft, kann dies durchaus sinnvoll sein. In einem transaktionsgetriebenen Produkt­ geschäft stößt dieser Sicherungsansatz jedoch schnell an seine Grenzen, denn eine hohe Anzahl an Einzel­ transaktionen mit jeweils geringem Volumen erhöht die Transaktions- und Prozesskosten. Auch der umfassende Blick auf das Gesamt-Exposure des Unternehmensergebnisses gegenüber Rohstoffpreisschwankungen wird durch eine Back-to-Back-Sicherung oftmals erschwert. Zudem können Schwankungen der Planmengen einzelner Verträge in Back-to-BackSicherungen schnell zu Unter- oder Übersicherungen führen. Für ein solches Geschäftsmodell ist daher eine Portfoliosteuerung unter Berücksichtigung aller Einkaufs­ verträge, Lagerbestände und Absatz­ verträge sinnvoll. Ermittlung und Steuerung der Nettoposition Zunächst ist dazu auf Basis der bestehenden Lagerbestände, der aus­ stehenden vertraglichen Bezugs­mengen sowie des Einsatzstoffbedarfs der ausstehenden vertraglichen Absatz­ mengen die sogenannte Nettoposition in physischen Einheiten pro Einsatzstoff (z. B. Tonnen, Megawattstunden) zu berechnen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere im metall­verarbeitenden Gewerbe im Rahmen der Positions­ ermittlung eine Aufspaltung der Materialien aus Verträgen und Lager­ haltung in ihre enthaltenen Wert­treiber und Einsatzstoffe notwendig. Um diese Aufspaltung systemtechnisch abzubilden

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und so eine fortlaufende Positionsermittlung zu ermöglichen, kann eine Metallbuchhaltung ein sinnvolles Instrument sein. Die Nettoposition kann grundsätzlich durch strategische, operative und finanzielle Maßnahmen gesteuert werden. Während strategische Maß­ nahmen, wie etwa eine vertikale Integration oder eine Rohstoff­ substitution, einen starken organisatorischen Eingriff erfordern, können operative Maßnahmen, wie etwa Vertragsanpassungen oder PricingMaßnahmen, deutlich einfacher, kosten­günstiger und zielführender zur Steuerung der strukturellen Netto­ position eingesetzt werden. Nicht zuletzt stellt das finanzielle Hedging ein effektives Instrument der Steuerung kurzfristiger Schwankungen der Nettoposition dar. Vorteile der Portfoliosteuerung Die Bedeutung der Portfoliosteuerung im Preisrisikomanagement nimmt aufgrund des zunehmenden Wett­ bewerbs in den rohstoffintensiven Unternehmen und der damit einher­ gehenden Notwendigkeit eines effizienten und flexiblen Margen­ managements in stark volatilen Beschaffungs- und Absatzmärkten weiter zu. Die Hauptvorteile der Implementierung einer Portfolio­ steuerung sind: 1. Transparenz der Gesamtposition: Fokussierung des aggregierten Exposure des Gesamtunternehmens als Ausgangsbasis für Steuerungs­ maßnahmen 2. effizienteres Margenmanagement: Schaffung eines stärkeren Bewusst­ seins der Produktmarge und Identifizierung von Opportunitäten (z. B. „Locken“ der unrealisierten Marge) 3. Einsparung von Transaktions­ kosten: Reduzierung der Transaktions­anzahl durch „Verrechnung“ der operativen Positionen und Portfolio-Hedges (siehe nachfolgendes Beispiel)

Beispiel Portfolio-Hedging Die folgende Abbildung illustriert das mögliche Einsparpotenzial bei Umstellung von einer Einzel- auf eine Portfoliosteuerung für den Aluminium­ bereich eines metallverarbeitenden Unternehmens mit einem Handels­ volumen von einer Million Tonnen Aluminium pro Jahr. Strategische Vorgaben und Steuerungsansatz Die im Rahmen der Portfolio­ konsolidierung durchgeführte Aggregation von Einzelpositionen aus Beschaffung, Lagerhaltung und Vertrieb

ermöglicht dem Unternehmen eine aktive Steuerung seiner Nettoposition zur Erreichung des angestrebten Grades der Magenfixierung. Ob hierbei ein aktiver oder passiver Steuerungsansatz der Margen­ stabilisierung verfolgt wird, steht sowohl in direkter Abhängigkeit von der Risikoneigung/-tragfähigkeit und der strategischen Ausrichtung des Unter­ nehmens als auch von den Markt­ spezifika der betrachteten Metalle. Während die aktive Steuerung der Nettoposition, also eine situative

Abb. 1 Einsparpotenzial der Portfoliosteuerung

Beispiel zu potenziellen Kosteneinsparungen durch eine Portfoliosteuerung Annahmen Handelsvolumen: 1.000.000 Tonnen | Ø-Hedging-Volumen: 60 % | Ø Exposure-Offsetting: 40 % | Ø Handelsvolumen: 1.000 Tonnen Implikationen Reduktion im Transaktionsvolumen (Kauf und Verkauf) = 1.000.000 Tonnen * 60 % * 40 % * 2 = 480.000 Tonnen Reduktion in Transaktionsanzahl (Kauf und Verkauf) = 480.000 / 1.000 = 480 336.000 Euro 7.200 Euro 4.800 Euro

348.000 Euro

Bid/Ask Spread Broker Fee interne Prozesskosten

Gesamt

0,75 USD/Tonne (= 0,70 Euro/Tonne) 15 Euro/Transaktion 10 Euro/Transaktion (Abwicklung und Liquidität)

Jährliche Gesamtersparnis durch dieAnwendung einer Portfoliosteuerung

Abb. 2 Strategie der Positionssteuerung Aktive Positionssteuerung • p  roaktive Steuerung der Nettoposition • a  ntizipative Ausrichtung auf zukünftig erwartete Marktbewegung • a  ktiver Positionsaufbau Chancenorientiert

Ausgewogene Positionssteuerung

Passive Positionssteuerung

 efinition werterhaltender • s trategische Positionierung • D Positionslimits zur innerhalb einer Absicherungder Planmarge Bandbreite zur Nutzung • s tringente Reduzierung von Markt­chancen der Nettoposition auf • L  imithöhe in Abhängigkeit Limitniveau der Marktentwicklung • S  pezialfall: Vollsicherung Risikoorientiert

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Positionsreduzierung oder ein bewusster Positionsaufbau, auf eine gezielte Partizipation an Marktchancen zielt, verfolgt die passive Steuerung eine reaktive, Limit-orientierte Begrenzung der Nettoposition, die sich auf die reine Absicherung der erwirtschafteten Marge fokussiert, etwa auf Basis eines Positions- und/oder Stop-Loss-Limits. Steuerungsgrößen und Limit­ wesen Zur gesamtheitlichen Erfassung der Rohstoffpreisrisiken finden neben dem Exposure, also dem Marktwert der Nettoposition, vor allem Sensitivitätsund Value-at-Risk-Modelle Gebrauch. Gerade im Bereich der CrossCommodity-Portfolios stellen diese Modelle aufgrund ihrer Berück­ sichtigung aller Preisbeziehungen essenzielle Tools zur Messung von Portfoliorisiken dar. Profit-at-RiskModelle bieten vor allem Produktions­ unternehmen eine hilfreiche Messgröße für die Sensitivität des Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) gegenüber Marktpreisveränderungen des gesamten Portfolios. Operative Umsetzung und Reporting Nachdem Steuerungsansatz, Instrumentarium und Limitwesen definiert wurden, muss ein operativer Regelprozess zur fortlaufenden Positions­ermittlung, -überwachung und -steuerung implementiert werden. Dies erfordert die Definition einer ver­ antwortlichen Stelle, die innerhalb der Organisation einen kontinuierlichen und nach Möglichkeit systemgestützten Informationsfluss zwischen den operativen Bereichen und dem Finanzbereich sowie die fortlaufende Positionsermittlung sicherstellt, um danach auf Basis der Vorgaben die notwendigen Sicherungsmaßnahmen einzuleiten und deren Umsetzung koordinieren zu können. Zudem sollte auch die Verantwortung für Ergebnis­ effekte aus Metallpreisschwankungen zentral bei dieser Stelle liegen. Dadurch

wird eine adäquate Anreizstruktur für die operativen Bereiche sichergestellt, indem dort das Marktpreisniveau als exogene Größe eliminiert wird. So kann der Vertrieb die Verträge auf Markt­ niveau verhandeln und der Vertrieb kann ausschließlich nach der Werthaltigkeit seiner Absatzgeschäfte gesteuert werden. Der Einkauf wird ebenfalls nicht nach seinem Timing, sondern nach seinen realisierten Beschaffungs­ kosten im jeweiligen Marktkontext gemessen. Etwaige Ergebniseffekte aus Metallpreisschwankungen werden dagegen zentral und transparent abgebildet. Ein regelmäßiges Reporting stellt den Entscheidungsträgern zudem alle relevanten Informationen, wie Netto­position, Limitauslastung, ein­ getretene EBIT-Effekte aus Rohstoff­ preisschwankungen sowie Markt­ veränderungen in Beschaffung und Absatz zur Verfügung.

Sebastian Ritzmann ist Senior Consultant im Bereich Corporate Treasury Solutions bei ­ PwC Hamburg.

Fazit Eine Portfoliosteuerung von Marktpreis­ einflüssen bietet insbesondere für Unter­nehmen im Metallhandel und in der Metallproduktion einen Mehrwert, der deutlich über die bloße Ver­ ringerung von Marktpreisrisiken hinaus­ geht. Neben einem aktiven Management der lang- und kurzfristig erzielbaren Margen, der signifikanten Reduzierung der Sicherungskosten und der Erreichung eines ganzheitlichen Verständnisses über den Einfluss der exogenen Ergebnistreiber ermöglicht eine Portfoliosteuerung auch die aktive und zielgerichtete Partizipation an Marktchancen. Damit vergrößert sie den Handlungsspielraum in der Beschaffung und im Pricing – wodurch letztlich gezielt Wettbewerbsvorteile realisiert werden können. Gunther Dütsch ist Senior Manager im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Hamburg. Er verantwortet unter anderem das Themenfeld Commodity Risk Management.

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Erfolgsfaktoren für IT-Implementierungs­ projekte im Treasury Von Philipp Appenzeller und Christian Keitel

Überschrittene Budgets, verfehlte Fristen und eine unzureichende Abdeckung der fachlichen Anforderungen zählen zu den häufigen Begleiterscheinungen von IT-Implementierungsprojekten im Treasury. Dieser Problematik kann sich die Treasury-Abteilung jedoch nicht durch Verzicht auf IT-Systeme entziehen. Die Standardisierung, Automatisierung und analytische Unterstützung der Prozesse – etwa Zahlungsverkehr, Cash- und Liquiditätsmanagement, Asset­ management, Finanzierung und Risikomanagement – ist eine zwingende Voraussetzung, um das Treasury-Management in einem immer komplexeren Umfeld zu professionalisieren und Effizienz­ steigerungen zu realisieren. Erfolgreiche IT-Prozesse sind deshalb von hoher Bedeutung.

Nach unseren Erfahrungen lassen sich fünf Punkte identifizieren, die bei ITImplementierungsprojekten im Treasury regelmäßig eine Hürde darstellen: • die spezifische fachliche Komplexität im Treasury • die Sprachdifferenzen zwischen Fachund IT-Experten • das typische Vorgehen in IT-Projekten • die Technologiewahl und ITInfrastruktur im Treasury • die Testverfahren für Treasury-ITSysteme Diese Punkte sind oft auch bei der Ein­führung kommerzieller Standard­ software, etwa einer Handelsplattform, relevant. Beim Thema Implementierungs­projekte richten wir den Blick jedoch gezielt auf die Entwicklung spezifischer Funktionen für konkrete Anwendungsfälle. Dies können auf das Geschäftsmodell des Unternehmens individuell zugeschnittene Anwendungen oder Technologien für die Liquiditätsplanung und das Treasury-Reporting sein. Darüber hinaus sind auch Eigen­ entwicklungen transaktionaler Systeme oder ein starkes Customising von Treasury-Management-Systemen mögliche Implementierungsprojekte. In jedem dieser Fälle handelt es sich um eine Technologielösung mit neuen Funktionen, Datenstrukturen und Work­ flows. Mit der Implementierung dieser Funktionen wird meist ein externer ITDienstleister beauftragt, bisweilen auch die interne IT-Abteilung.

Fachliche Komplexität im Treasury Eine Grundherausforderung in Projekten dieser Art ergibt sich aus der Funktion „Treasury“ an sich. Das Treasury ist eine besonders komplexe und sensible Unternehmensfunktion, auch und insbesondere im Vergleich zu den anderen Funktionsbereichen in Unternehmen. Hinzu kommt, dass das Treasury sowohl eine geschäfts­ abschließende wie auch -steuernde und -überwachende Unternehmensfunktion ist. Fehler in den Steuerungsansätzen und Geschäftsabläufen sind gemeinhin folgenschwer und kosten viel Geld – oder sogar den unternehmerischen Handlungsspielraum und die Existenz. Folglich gilt gerade auch für TreasuryIT-Projekte eine Null-Fehler-Toleranz. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Zeit und Erfahrung erforderlich sind, um sich eine für das Treasury typische Denkweise anzueignen – sei es der Fokus auf Liquidität statt auf Aufwände und Erträge oder Margen, das Jonglieren mit multiplen Währungen und ForwardKursen, komplexe Finanzinstrumente und deren Bewertung und Bilanzierung, Zahlungsverkehrssysteme und -formate oder Hedge-Accounting oder Markt­ daten. Viele dieser Aspekte sind Treasury-spezifisch und werden in einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung meist nicht in der erforderlichen Tiefe vermittelt. Zudem können Punkte wie die Finanzierungs­struktur oder das Berichts­wesen sehr individuell auf ein Unternehmen zugschnitten sein. Ein nicht auf Treasury-Themen spezialisierter IT-Dienstleister hat es entsprechend schwer, die fachlichen

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Anforderungen genau zu verstehen oder zu hinterfragen und zielgerichtet Input zu geben. Meist muss deshalb der Fachbereich mit seinen projektbedingt bereits stark eingeschränkten Ressourcen intensive fachliche Unterstützung leisten. Sprachdifferenzen zwischen Treasury und IT Ein inhaltlich orientierter Fachbereich wie das Treasury unterscheidet sich in seinem Fachvokabular erheblich von einem vorrangig technisch fokussierten IT-Dienstleister. Denkt das Treasury in Begriffen wie „Cashflow“, „Zinsergebnis“ oder „Hedge-Effektivität“, so sind dem IT-Dienstleister Termini wie „Test Driven Development“, „Object Relational Mapping“ oder „Semaphore“ geläufig. Zahlreiche Missverständnisse resultieren aus dieser Sprachdifferenz; und sie bedarf eines „zweisprachigen“ Übersetzers, um überwunden zu werden. Vorgehen in IT-Projekten Dass sich ein Projekt strukturell vom operativen Tagesgeschäft unterscheidet, liegt auf der Hand. Allerdings funktionieren Implementierungs­projekte auf ihre ganz eigene Weise – und sie lassen sich unterschiedlich organisieren. Die Projekt­organisation an sich kann bereits zu Heraus­forderungen führen. Beim klassischen Vorgehen, dem sogenannten Wasserfallmodell, steht am Anfang eine umfassende und sehr detaillierte Erfassung der fachlichen Anforderungen. Sie wird in ein technisches Konzept übersetzt, auf dessen Grundlage die Anwendung realisiert wird. Danach testet der Fachbereich die Anwendung, und die Systemabnahme findet statt. Dieses theoretisch schlüssige Vorgehen hat praktisch einige Nachteile: Da die Funktionsumfänge der Anwendung nach der initialen Konzeptions­phase zunächst fixiert sind, neigen alle an der Konzeption Beteiligten dazu, möglichst jeden denkbaren Sonderfall und jedes Szenario zu antizipieren und in das

Konzept aufzunehmen. Statt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wird man die Anwendung so von Beginn an oft überfrachten. Auch erste Erfahrungen oder Lernkurven können nicht in die Konzeption einfließen. Bei Treasury-IT-Projekten liegen oft Monate, wenn nicht Jahre zwischen der Anforderungsaufnahme und der Endabnahme, sodass im extremsten Fall viele Funktionen bereits bei der Inbetrieb­nahme veraltet oder überflüssig sind. Ferner kommt es nicht selten vor, dass umgesetzte Funktionen an den fachlichen Anforderungen vorbeigehen, weil die Konzepte falsch verstanden oder lücken­haft geschrieben wurden. Vor diesem Hintergrund sind die häufig berichteten langen Verzögerungen und Budget­über­schreitungen bei IT-Projekten nicht verwunderlich. Am anderen Ende des Spektrums der möglichen Herangehensweisen steht das „agile“ Vorgehen. Hier wird explizit darauf verzichtet, im Vorfeld ein vollständiges Zielbild der Anwendung zu antizipieren und festzuschreiben. Stattdessen reihen sich mehrere, jeweils vier bis acht Wochen umfassende Subprojekte oder „Sprints“ aneinander. Vor jedem Sprint priorisieren Fach­ bereich und Implementierungspartner gemeinsam die Funktionen, die bis zum Ende des Sprints umgesetzt werden sollen. Am Ende der Sprints erhält der Fachbereich eine funktionierende Anwendung, die dann mit jedem weiteren Subprojekt sukzessive wächst. Auf diese Weise kann der Fachbereich kontinuierlich korrigierend in die weitere Entwicklung eingreifen und so Fehl­entwicklungen vorbeugen. Zudem kann das Implementierungs­projekt zu jedem Zeitpunkt gestoppt werden, ohne dass die Funktions­fähigkeit der bereits umgesetzten Anwendung gefährdet wäre. Doch auch die agile Herangehensweise birgt Nachteile. Der Verzicht darauf, gleich zu Anfang das „große Ganze“

in den Blick zu nehmen, kann später bei der Anwendungsentwicklung in diverse Sackgassen führen und zu nachträglichen teuren „Umbauten“ führen. Haben sowohl der IT-Dienst­ leister als auch die IT-Abteilung noch keine Erfahrung mit dem agilen Vor­ gehen, so muss davon abgeraten werden, weil es eine hohe Disziplin und Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten verlangt. Zudem kollidiert das agile Vorgehen mit der Denk- und Funktionsweise der meisten Einkaufs­ abteilungen, die ungern Projekte ohne festgelegtes Budget oder ohne definierten Funktionsumfang bewilligen. Projektteam und Projektleitung müssen die nötige Erfahrung und Disziplin besitzen, um ein dem Anwendungsfall angemessenes Projektvorgehen zu wählen und sich daran auch zu halten. Technologiewahl und ITInfrastruktur im Treasury Die Wahl der Technologieplattform, mit der eine Anwendung umgesetzt wird, stellt ebenfalls ein Projektrisiko dar. So etwa kann die Treasury-Abteilung abwägen, ob sie ihre Liquiditäts­ planung in Excel, in ihrem TreasuryManagement-System, mit BusinessIntelligence-Technologien oder mit einer Eigenentwicklung abbildet. Die Eignung einer Technologie, alle fachlichen Anforderungen optimal abzubilden, muss dabei im Vordergrund stehen, darf aber nicht das alleinige Auswahl­ kriterium sein. Der Betrieb durch die interne IT Abteilung ist ebenfalls sicher­ zustellen. Eine gut aufgestellte IT-Abteilung wird daher immer bestrebt sein, Technologien durchzusetzen, für die bereits Support­ strukturen vorhanden sind. Dies kann wiederum dazu führen, dass eine für den Anwendungsfall vollkommen ungeeignete oder veraltete Technologie erzwungen wird, mit der die Anwender unzufrieden sind und die im Alltag der Mitarbeiter zur Entwicklung von Behelfs­lösungen führt. Es gilt also, die möglicherweise gegenläufigen, aber

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jeweils berechtigten Interessen der Unternehmens-IT an Stabilität und des Fachbereichs an Funktionalität gleichermaßen zu berücksichtigen. Testverfahren für Treasury-ITSysteme Für eine nachhaltig akzeptierte Lösung ist auch das Testverfahren bedeutsam. Bei der Einführung kommerzieller Systeme, wie einer Handelsplattform, hat der Käufer die Gewissheit, dass alle Funktionen bereits von anderen Kunden getestet wurden und zudem im laufenden Betrieb permanent gehärtet werden. Ferner besteht meist ein bewährtes Testvorgehen, an das man sich halten kann. Bei Neuentwicklungen oder beim Bedarf an einem umfassenden Customising der IT-Lösungen ist dies nicht der Fall. Hier ist der Aufbau von individuellen Testfällen nötig, die sowohl alle fachlichen als auch alle technischen Aspekte der Anwendung abdecken. Die Verantwortung für den Aufbau der Testfälle sollte beim Fachbereich liegen, damit die Funktionen nicht von den Entwicklern selbst getestet werden. Die für den Aufbau der Testfälle nötige Fach- und Technologieexpertise ist im Fachbereich allerdings nicht immer vorhanden, sodass das Testverfahren häufig stiefmütterlich behandelt wird. Bei der Implementierung von Reporting-Anwendungen mit BusinessIntelligence-Technologien kommt es zu einer zusätzlichen Schwierigkeit: Dieser Bereich hinkt dem etablierten Vorgehen in der Softwareentwicklung beim Testvorgehen allgemein und beim Aufbau automatisierter Tests um viele Jahre hinterher. Wegen der fehlenden Standards muss das Testverfahren hier besonders sorgfältig vorbereitet und durchgeführt werden. Kennzeichen erfolgreicher ITImplementierungsprojekte Das Meistern der oben vorgestellten Herausforderungen kann durch die treffsichere Besetzung einer entsprechend ausgestalteten

Schnittstellenposition erfolgen. Diese Schnittstelle befindet sich zwischen dem Fachbereich, der UnternehmensIT, dem externen IT-Dienstleister und möglicherweise einem fachlichen Berater. Sie alle besitzen, wie oben dargestellt, teilweise widersprüchliche Prioritäten und Blickrichtungen, die von der Schnittstellenfunktion – als Bindeglied, „Übersetzer“ und Mediator – integriert werden müssen. Dafür werden fachliches Verständnis für TreasuryThemen, technisches Verständnis für die IT-Entwicklung und die ITInfrastruktur, Kommunikationsfähigkeit und Erfahrung im Management von Implementierungsprojekten benötigt. Letzteres ist besonders wichtig, da sich aufgrund der vielfältigen und jeweils spezifischen Herausforderungen kein Standardvorgehen ableiten lässt, das sich für jedes Implementierungsprojekt eignet. Innerhalb der Schnittstellenfunktion müssen auch alle Vor- und Nachteile einzelner Handlungs­alternativen, etwa bei der Technologie­wahl oder bei einzelnen funktionalen Anforderungen, im jeweiligen Projektkontext abgewogen und unterschiedliche Interessen aus­ balanciert werden. Nicht zuletzt lässt sich dann auch die Hürde des individuellen Test­verfahrens erfolgreich organisieren und meistern. Denn gerade das „Übersetzen“ zwischen Fach­ bereich und IT ist erfahrungs­gemäß der Punkt, an dem sich der Erfolg eines Implementierungsprojekts entscheidet. Philipp Appenzeller ist Manager im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Stuttgart. Er ist zuständig für die Konzeption und Realisierung unternehmensindividueller Planungs-, Reporting- und Analyseanwendungen. Christian Keitel ist Senior Consultant im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Düsseldorf.

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Aus Fremdkapital wird Eigenkapital – der Zauber der Hybridanleihe Von Sven Walterscheidt und Robert Schamber

Zur Finanzierung von Groß­ investitionen und Akquisitionen sowie zur Optimierung der Kapital­struktur und Stärkung der Kapital­basis haben Unternehmen unterschiedlicher Branchen im vergangenen Jahr sogenannte Hybridanleihen emittiert. Als Finanzinstrument kombinieren diese bestimmte typische Eigenschaften von Fremd- und Eigenkapital, weshalb in der Finanz­welt von Hybridkapital oder einer Hybridanleihe gesprochen wird.

Der besondere Vorteil einer Hybrid­ anleihe liegt für die emittierenden Unternehmen vor allem darin, dass Ratingagenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch diese nach ihren eigenen Ratingansätzen zu einem bestimmten Prozentsatz wie Eigenkapital (equity credit) behandeln. Hierdurch konnte in bestimmten Fällen trotz Bilanzierung der Anleihe nach den Vorschriften der International Accounting Standards (IAS) und International Financial Reporting Standards (IFRS) als Fremdkapital zur Freude der Unternehmen regelmäßig eine Eigenkapitalanrechnung von 50 Prozent erzielt werden. Ferner können Hybridanleihen nach den IAS/ IFRS unter bestimmten Voraussetzungen vollständig als Eigenkapital in der Bilanz ausgewiesen werden, was im Vergleich zur Bilanzierung einer gewöhnlichen Anleihe auf den ersten Blick weitere Ver- bzw. Bewunderung auslöst. Der scheinbare Zauber der Hybridanleihe hängt vor allem von den nachfolgenden vertraglichen Ausstattungsmerkmalen einer solchen Schuldverschreibung ab. Dabei sei schon jetzt erwähnt, dass Unternehmen ihre Aufmerksamkeit bei der vertraglichen Ausgestaltung der Anleihebedingungen nicht ausschließlich auf die Kriterien zur Eigenkapitalanrechnung durch die Ratingagenturen legen sollten. Denn weitere Vertragsklauseln können zu schwerwiegenden Stolpersteinen werden und etwa zu einer Pflicht zur Trennung von eingebetteten Derivaten führen; der Zauber der Hybridanleihe würde so zu einer bösen Überraschung.

Laufzeit Ein wesentliches Ausstattungsmerkmal von Hybridanleihen ist ihre sehr lange Laufzeit, die bei den in der jüngeren Vergangenheit emittierten Bonds regelmäßig bei 60 Jahren lag. Zudem sind auf dem Kapitalmarkt sogar Hybrid­anleihen mit einer unendlichen Laufzeit zu finden. Eine derartige Lang­ fristigkeit der Kapitalüberlassung ist für die Ratingagenturen eine zentrale Determinante zur teilweisen Anrechnung der Hybridanleihen als Eigenkapital. Ordentliches Kündigungsrecht Während die Anleihegläubiger in der Regel kein Kündigungsrecht besitzen, darf der Schuldner die Anleihe nach Ablauf einer bestimmten Mindestlaufzeit (non-call period) kündigen. Dieses einseitige Kündigungsrecht (call option) kann üblicherweise frühestens nach einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren ausgeübt werden (first call date). Es steht in einem engen Zusammenhang mit der Verzinsung der Hybridanleihe. Verzinsung Die Hybridanleihe ist in der Regel bis zum ersten Schuldnerkündigungs­ zeitpunkt festverzinslich und wechselt anschließend in eine variable Ver­ zinsung zuzüglich eines Kupon-Step-up, wodurch mit abnehmender Restlaufzeit die Verzinsung steigt. Der neben dem jeweiligen Referenzzinssatz zu zahlende Kupon-Step-up kann sich dabei auf 300 Basispunkte oder mehr belaufen. Dies stellt für den Schuldner grundsätzlich einen wirtschaftlichen Anreiz dar, die Hybridanleihe nicht ewig zu halten, sondern eher am ersten Kündigungstermin vorzeitig zurückzuzahlen. Vom Grundgedanken

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her sollten zu diesem Zeitpunkt die Zins­konditionen der verschiedenen Refinanzierungs­möglichkeiten günstiger sein als die vereinbarten ansteigenden zukünftigen Zinszahlungen aus der Hybridanleihe. Aussetzung der Zinszahlung Zusätzlich räumen die Hybridanleihe­ bedingungen für gewöhnlich den Emittenten das Recht ein, die Zins­ zahlungen nach eigenem Ermessen auszusetzen (optional interest deferral). Ferner können die Anleihebedingungen auch eine verpflichtende Aussetzung der Zinszahlung (mandatory interest deferral) vorsehen, die an die Über- oder Unterschreitung bestimmter Finanz­ kennzahlen (deferral trigger) gebunden ist. Sollte das emittierende Unternehmen von der optionalen Aussetzung der Zins­zahlungen Gebrauch machen, so ist es in der Regel jedoch verpflichtet, die Vergütungsrückstände spätestens bei einer Dividendenzahlung oder der Rückzahlung der Anleihe nachzuzahlen. Nachrangigkeit Ein weiteres wesentliches Ausstattungs­ merkmal von Hybridanleihen ist, dass die Anleihegläubiger im Fall der Insolvenz oder Liquidation des emittierenden Unternehmens erst nach der vollständigen Befriedigung aller anderen Gläubiger bedient werden, wodurch der Anleihe ein weiterer eigenkapitalähnlicher Charakter „eingehaucht“ wird. Zudem erfordert eine solche Nachrangigkeit der Hybrid­anleihe im Vergleich zu einer gewöhnlichen Anleihe aus theoretischer Sicht einen weiteren Risikozuschlag in ihrer Verzinsung. Sonderkündigungsrechte Neben dem aufgezeigten ordentlichen Schuldnerkündigungsrecht beinhalten die Anleihebedingungen für den Schuldner regelmäßig noch eine Reihe weiterer bedingter Sonder­ kündigungs­rechte, die von dem Eintritt besonderer Ereignisse abhängen. Hierunter zählen zum Beispiel die Fälle, in denen die Änderung der IFRSRechnungslegungsvorschriften künftig einen Ausweis der Hybridanleihe als

bilanzielles Eigen­kapital bzw. Fremd­ kapital verhindern (accounting event) oder die Rating­agenturen die Hybrid­ anleihe nicht mehr in die ursprüngliche Eigen­kapital­anrechnungs­kategorie einstufen (rating agency event). Darüber hinaus befinden sich in den Anleihe­ bedingungen oftmals auch steuerlich motivierte Kündigungsrechte, die den Emittenten die Möglichkeit einer außer­ordentlichen Rück­zahlung einräumen, wenn aufgrund einer Änderung der Steuer­gesetzgebung die steuerliche Abzugs­fähigkeit der laufenden Vergütung nicht mehr gegeben ist (tax event) oder sich die Regelungen hinsichtlich des Abzugs von Quellen­steuern verändern (gross-up event). Nicht zuletzt ist das emittierende Unternehmen bei geringem ausstehendem Gesamt­ nenn­betrag (clean-up call) oder einem Kontroll­wechsel (change of control-call event) berechtigt, die verbleibenden nachrangigen Schuld­verschreibungen vorzeitig zurückzuzahlen. Klassifizierung Für die Klassifizierung der Hybridanleihe als Eigen- oder Fremdkapital sind die Kriterien des IAS 32 ausschlaggebend. Ein Finanzinstrument kann nach IAS 32.16(a) nur dann als Eigenkapital­ instrument klassifiziert werden, wenn es keine vertragliche Verpflichtung enthält, einem anderen Unternehmen flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert zu liefern oder mit einem anderen Unternehmen finanzielle Vermögenswerte zu potenziell nach­ teiligen Bedingungen für den Emittenten auszutauschen. Eine solche vertragliche Verpflichtung zur Lieferung von Zahlungs­mitteln liegt vor, wenn sich der Emittent dem unbedingten Recht zur Lieferung von Zahlungsmitteln an den Inhaber des Finanzinstruments nicht entziehen kann (IAS 32.16 (a) i. V. m. IAS 32.19). Im Fall der Hybridanleihe ist dabei zwischen der laufenden Vergütung und einer möglichen Rückzahlung des Nominalbetrags bei Kündigung zu unterscheiden. Sollten die vertraglichen Konditionen so ausgestaltet sein, dass der Emittent

in der Lage ist, eine laufende Vergütung auf unbegrenzte Zeit zu verhindern, so resultiert aus der vereinbarten laufenden Verzinsung der Hybridanleihe keine finanzielle Verbindlichkeit. Während dies bei den sogenannten ewigen Anleihen (perpetual bonds) in Abhängigkeit von der vertraglichen Ausgestaltung durchaus möglich ist, sind bei Anleihen mit begrenzter Laufzeit in der Regel die aufgelaufenen Zinszahlungen spätestens am Laufzeitende der Anleihe fällig, sodass folglich die laufende Vergütung als finanzielle Verbindlichkeit zu behandeln ist. Falls die Anleihebedingungen weder eine reguläre Rückzahlung der Hybrid­ anleihe noch ein Kündigungsrecht der Anleihe­gläubiger enthalten, sodass sich der Emittent dauerhaft der Rück­ zahlung des Nominalbetrags entziehen kann , ist die Anleihe im IFRS-Abschluss grundsätzlich vollständig als Eigen­ kapital auszuweisen. Ist dies nicht der Fall, so muss die Hybridanleihe dagegen infolge einer unentziehbaren Zahlungs­verpflichtung vollständig als Fremdkapital ausgewiesen werden. Bezüglich der Ausübung der Schuldner­ kündigungsrechte ist unter Bezugnahme auf das Update des International Financial Reporting Interpretations Committee vom März 2006 darauf hinzuweisen, dass ein bloßer wirtschaftlicher Zwang zur Kündigung allein nicht zu einer Klassifizierung der Hybridanleihe als Fremdkapital führt. Bilanzierung als finanzielle Verbindlichkeit Das emittierende Unternehmen hat eine als Fremdkapital klassifizierte Hybridanleihe in der Bilanz anzusetzen, wenn es Vertragspartei des zugrunde liegenden Finanzinstruments wird und sich daraus für das Unternehmen eine Verpflichtung zur Zahlung von flüssigen Mitteln oder zur Hingabe anderer finanzieller Vermögenswerte ergibt (IAS 39.14 i. V. m. IAS 32.11). Die erstmalige Bewertung einer finanziellen Verbindlichkeit erfolgt nach IAS 39.43 grundsätzlich zu ihrem beizulegenden Zeitwert (fair value), der unter Einhaltung der Vorschriften

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des IFRS 13 zur Bemessung des beizulegenden Zeit­werts (fair value measurement) zu ermitteln ist. Mit dem erstmaligen Ansatz ist die als Fremd­kapital klassifizierte Hybrid­ anleihe einer Bewertungs­kategorie nach IAS 39.9 zuzuordnen, die über die Folge­bewertung des Instruments entscheidet. Industrie- und Handels­ unter­nehmen bewerten ihre Anleihen in der Regel in den Folge­perioden zu fortgeführten Anschaffungskosten (at amortised cost) unter Anwendung der Effektivzinsmethode. Transaktions­ kosten, die direkt der Emission der Anleihe zuzurechnen sind, müssen bei der Zugangs­bewertung vom Fair Value der finanziellen Verbindlichkeit abgezogen werden (IAS 39.43) und werden erst im Rahmen der Folge­ bewertung über die Laufzeit der Anleihe aufwands­wirksam verteilt. Ein vereinbartes Agio oder Disagio ist ebenfalls mithilfe der Effektiv­ zins­methode über die Laufzeit zu verteilen. Für das emittierende Unternehmen könnte jedoch auch als zweite Bewertungs­kategorie die erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeit­wert (at fair value through profit or loss) infrage kommen, wenn entweder die Anleihe zu Handels­ zwecken gehalten wird, was jedoch im Anbetracht der meist langfristigen Ausrichtung von Hybridanleihen eher zweifelhaft ist, oder die Voraussetzungen zur Anwendung der sogenannten Fair Value-Option erfüllt sind. Eingebettete Derivate Unter dem Vorbehalt, dass der Gesamt­ vertrag nicht als „ergebniswirksam zum beizulegenden Wert“ bilanziert wird, sind eingebettete Derivate nach IAS 39.11 grundsätzlich immer dann vom Basis­vertrag abzuspalten und separat zu bilanzieren, wenn das eingebettete Derivat bei isolierter Betrachtung die Definition eines Derivats erfüllt und seine wirtschaftlichen Merkmale und Risiken (the economic characteristics and risks) nicht eng mit den wirtschaftlichen Merkmalen und Risiken des Basisvertrags verbunden

sind (not closely related). Die Beurteilung der Trennungspflicht von eingebetteten Derivaten erweist sich in der Praxis jedoch als schwierig und komplex. So bedarf es nicht nur einer differenzierten und zutreffenden Analyse der Anleihe­ bedingungen der Hybridanleihe in Bezug auf die mögliche Existenz vertraglich verankerter Derivate, sondern vor allem auch hinsichtlich der Einschlägigkeit der beispielhaften Aufzählungen, die in der Application Guidance des IAS 39 zur Konkretisierung des auslegungsbedürftigen Kriteriums der wirtschaftlichen Merkmale und Risiken enthalten sind. Demnach sind zum Beispiel nach IAS 39.AG30(g) (i) die ökonomischen Merkmale und Risiken einer eingebetteten Option zur vorzeitigen Rückzahlung nicht eng mit denen des Basisinstruments verbunden, wenn der Ausübungspreis dieser Option an jedem Ausübungszeitpunkt nicht annähernd gleich den fort­geführten Anschaffungs­kosten des Basis­schuld­ instruments entspricht, weshalb bereits ein hohes Agio/Disagio oder hohe Transaktionskosten eine Trennungs­ pflicht derartiger Rechte auslösen können. In einem solchen Fall müsste das trennungspflichtige eingebettete Derivat nach der Kategorie held for trading ergebniswirksam zum Fair Value bilanziert werden, was wiederum zu hohen und volatilen Ergebniseffekten führen kann. Vor diesem Hintergrund könnte bei einer unerwarteten Abspaltungs­pflicht eingebetteter Derivate die große Faszination, die durch die teilweise Eigen­kapital­ anrechnung der Rating­agenturen ausgelöst wird, ganz schnell verloren gehen. Eine solche Pflicht könnte vor allem aufgrund der zahlreichen unterschiedlich ausgestalteten Kündigungs­rechte und der spezifischen Vereinbarungen zur Anpassung des Zinssatzes und zum Vergütungsaufschub zum Tragen kommen. Im Gegensatz zu einer als Fremd­kapital bilanzierten Hybridanleihe ließe sich nach den Regelungen der IAS/IFRS durch eine vollständige Eigen­kapital­ klassifizierung der Anleihe eine mögliche

Trennungspflicht eingebetteter Derivate gänzlich vermeiden. Dies verdeutlicht nochmals die weitreichenden bilanziellen Konsequenzen in Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage, ob die Hybrid­anleihe nach den Vorschriften der IAS/IFRS als Eigenoder Fremdkapital zu klassifizieren ist. Frühzeitige systematische Analyse der Anleihebedingungen Bei aller Anziehungskraft, die eine Hybrid­anleihe als Finanzierungs­ instrument aufgrund des potenziellen Equity Credit der Ratingagenturen ausübt, empfehlen wir den emittierenden Unter­nehmen dringend, sich noch vor Vertrags­abschluss intensiv mit der tatsächlichen bilanziellen Abbildung einer solchen Anleihe nach den Regelungen der IAS/IFRS auseinander­zusetzen, um insbesondere unliebsame Überraschungen bei der Eigen- oder Fremd­kapitalklassifizierung und der Beurteilung trennungspflichtiger eingebetteter Derivate zu vermeiden. Ferner warnen wir vor der Gefahr, die Bilanzierungsergebnisse der IAS/ IFRS auf die Bilanzierung nach dem deutschen Handelsrecht zu über­ tragen, deren Ergebnisse in jüngerer Vergangenheit insbesondere durch die Trennungspflicht von eingebetteten Derivate oftmals zu einer nicht minder starken Verblüffung geführt haben. Sven Walterscheidt ist Director im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Düsseldorf. Er verantwortet unter anderem das Themenfeld Treasury Accounting. Robert Schamber ist Senior Consultant im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Hannover.

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Bank Account Management – ein nachhaltiger Trend Von Philip Ickerott

In den letzten Jahren ist bei den Unternehmen zunehmend eine Optimierung der Bankpartner und Bankkonten – in Form einer Ver­ringerung der Zahl der Bank­konten und einer Neu­ strukturierung der Bank­partner – erfolgt. Verstärkt rücken jetzt auch die Prozesse zur Bankkonten­ verwaltung in den Blick. Diese Entwicklung geschieht vor dem Hintergrund eines gewachsenen Transparenz­bedürfnisses wie auch einer besseren systemseitigen Unterstützung der Prozesse.

Auslöser für die Optimierung der Prozesse des Bank Account Management (BAM) sind oft Fragen hinsichtlich der bestehenden Bankkontenstruktur und einer damit verbundenen mangelnden Transparenz. Die Fragen resultieren meist aus Projekten in den Bereichen Cash Pooling, Transaktionen, Transaction Banking und Payment Factory sowie aus gestiegenen Compliance-Anforderungen. Gerade in internationalen Unternehmen ist es häufig nicht möglich, tagesaktuell die Bank­konten sowie die zugehörigen Zeichnungs­berechtigten zu identifizieren. Bei der Betrachtung der Prozesse zur Bankkontenadministration werden regelmäßig bankenspezifische Individualprozesse festgestellt. Zudem erfolgt die Bankkontenadministration zumeist dezentral, weshalb ein Informations­fluss zum Corporate

Treasury nur eingeschränkt vor­ handen oder fehleranfällig ist. In der Vergangenheit war vielfach der Einsatz eigenentwickelter Datenbanken und periodischer Meldeprozesse zu beobachten. Dieser Lösungsansatz hat sich jedoch als wenig effektiv heraus­ gestellt und behebt auch nur das Problem der fehlenden Transparenz, nicht aber das der ineffizienten Prozesse. BAM-Prozesse optimieren – Vorteile für Transparenz, Effizienz und Compliance Die Optimierung des BAM hat gemeinhin das Ziel, konzernweit einen harmonisierten, effizienten Prozess und eine transparente Datenbasis zu etablieren. Während die Governance beim Treasury liegt, obliegt die operative Durchführung den Gesellschaften sowie häufig einer Shared-Service-Funktion.

Abb. 3 Weshalb wird ein BAM benötigt

Manuelle Prozesse

• Eröffnung, Verwaltung und Schließung der Bankkonten erfolgt manuell • Kommunikation und Dokumentation des Prozesses findet in Papierform statt • Work-Flow ist nicht systemgeschützt und wird lokal uneinheitlich und inkonsistent gelebt

Mangelde Transparenz

• keine Transparenz der konzernweiten Bank- und Kontoführungsgebühren • keine vollständige tagesaktuelle Übersicht von Bankkonten (Reporting auf Knopfdruck) • Eingeschränkte konzernweite Liquiditätsvorschau

Fehlende Effiziens­steigerung

• hohe Anzahl an externen Bankkonten • hohe Bankgebühren • bankseitig keine einheitliche Verzinsung

Unzureichende Überprüfung von Compliance



• • • •

Konzernrichtlinien werden evetuell nicht umgesetzt Übersicht der Verfügungsberichtigten, Vertretungen und Zugriffsrechten ist eingeschränkt Fehleranfälligkeit und mangelde Datensicherheit aufgrund manueller Prozesse Audit- und Compliance-Anforderung werden möglicherweise nicht erfüllt

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Zur Optimierung des BAM sind daher zunächst im Rahmen einer Richtlinie die Verantwortlichkeiten zu definieren. Bei der Umsetzung selbst ist darauf zu achten, dass ein möglichst zentralisiertes und standardisiertes Verfahren für alle Banken und Regionen gewählt wird, obgleich hier erfahrungsgemäß Individualanforderungen auftreten. Ein Projekt zur Optimierung der BAMProzesse bedingt daher auch eine Abstimmung und Harmonisierung der Bankanforderungen zur Reduktion von Individualanforderungen. Zudem sollte eine systemische Verbindung zwischen der Kontenverwaltung und der Unterschriftsberechtigungsverwaltung berücksichtigt werden sowie die Ein­ führung eines regelmäßigen Konto­ bestätigungsprozesses (z. B. durch die CFOs der Gesellschaften), um die Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten sowie die Anwendung von Sorgfaltspflichten, wie etwa die Einhaltung der Unternehmens­ richtlinien, zu gewährleisten. Zu Dokumentations­zwecken sollte auch eine vollständige Erfassung sämtlicher Korrespondenz sowie die Bereitstellung von Templates erfolgen. Spezialanbieter erhalten Konkurrenz durch TMS- und ERP-Hersteller Für ein effizientes BAM ist der Einsatz einer IT-Lösung unerlässlich. Während ein umfassendes BAM-System lange Zeit nur von spezialisierten Herstellern angeboten wurde, haben die TMSHersteller (TMS – Treasury Management System) in der jüngeren Vergangenheit entsprechende Funktionen nachgerüstet. Eine genaue Betrachtung dieser Funktionalitäten und ein Vergleich mit den Spezialanbietern lohnt sich: Viele TMS-Hersteller befinden sich derzeit noch im Aufbau Workflow-basierter Prozesse und haben bislang erst eine zentrale Datenbank für Stammdaten eingeführt. Die ERP-Hersteller stellen nun ebenfalls Funktionalitäten für das BAM zur Verfügung. Die Verfügbarkeit dieser Funktionalitäten ist jedoch häufig

an umfangreiche Upgrades geknüpft. Insgesamt lohnt sich jedoch der Blick auf die TMS- und ERP-Systemhersteller aufgrund der besseren Integration in die bestehende Prozess- und System­ landschaft. eBAM weiterhin schwierig umzusetzen Der vollständig elektronische Austausch von Nachrichten mit Banken zur Bank­ kontenadministration ermöglicht die größtmögliche Prozesseffizienz. Soweit dieses erfolgt, spricht man von eBAM. Papierbasierte Workflows ließen sich hiermit vollständig eliminieren. Hierzu existieren zwar bereits definierte Formate der International Organization for Standardization (ISO) sowie aufseiten der BAM-Systeme entsprechende Funktionalitäten, jedoch bieten die Banken noch nicht flächendeckend die entsprechenden Services an. Auch bei den Banken, die bereits Services anbieten, finden sich im Detail noch Unterschiede in den

Formaten und Prozessabläufen. Zudem gibt es hinsichtlich der Verwendung rein elektronischer Nachrichten Restriktionen bei der initialen Einrichtung von Konten. Business Case quantitativ nicht hinreichend belegbar Bei der Betrachtung des Business Case zur Einführung eines BAM-Systems ist häufig keine quantitative Begründung zu finden. Dies liegt vornehmlich an den nicht bekannten Prozessaufwänden zur Bankkontenadministration in der Ist-Situation als auch an den mit der Einführung eines Systems verbundenen Kosten und erhöhten Prozesseffizienz. Qualitativ betrachtet ist die Einführung eines BAM-Systems jedoch erforderlich, um die Einhaltung der konzerninternen Richtlinien sicherzustellen. Philip Ickerott ist Manager im Bereich Corporate Treasury Solutions bei PwC Hannover. Er verantwortet die Themenbereiche Payment Factory, InHouse Bank und Transaction Banking.

Abb. 4 Vorteile durch BAM-Systeme

1. Transparenz • zentrale Bankkontenregister • Schaffung von Transparenz der globalen Bankverbindungen, inkl. Verfügungsberechtigung und Zugriffsrechten • Schaffung von Transparenz über die Geschäftsverteilung, die weltweiten Kosten und Bankgebühren

2. Compliance • A  ktivitätswarnungen, vollständiger Onlinestatus und Speicherung von historischen Informationen • E  chtzeit-Visibilität der Ausschöpfung von Kontrahentenlimiten • k  onzernweite Umsetzung von BAMPolicies und -Guidelines • E  inhaltung von Auditanforderungen durch standardisierte Kontrollprozesse

Sicherheit und Kontrolle Transparenz und Effizienz 4. Effizienz • maximaler Automatisierungsgrad durch STP • Reduzierung von Bearbeitungszeiten, z. B. für die Eröffnung von Berechtigungen • Reduzierung mannueller Daten­ eingaben (geringeres Fehlerrisiko) • Reduzierung des Aufwandes für die Kontenverwaltung

3. Nachvollziehbarkeit • e  rhöhte Kontrolle und Sicherheit durch bessere Rückverfolgbarkeit aufgrund von Echtzeitaktualisierungen und der Verfügbarkeit von Transaktionsdaten für sämtliche Konten • b  essere Nachvollziehbarkeit durch zentrales Bankkontenregister, zentrale Stammdatenpflege und standardisierte Workflows

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Ihre Ansprechpartner Wenn Sie Anmerkungen und Fragen zu einzelnen Beiträgen oder zu unserem Newsletter im Allgemeinen haben, können Sie sich gern an uns wenden. Wir freuen uns auf Ihr Feedback. Olaf Maulshagen Tel.: +49 211 981-1273 E-Mail: [email protected] Thomas Schräder Tel.: +49 211 981-2110 E-Mail: [email protected] Folker Trepte Tel.: +49 89 5790-5908 E-Mail: [email protected]

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