Chemical Ecology. Newsletter April 2011

PULS/CE  17 Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology Newsletter April 2011 Wirtswechsel verändert Giftcocktail Eine Genveränderung b...
Author: Ludo Franke
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PULS/CE  17 Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology

Newsletter April 2011

Wirtswechsel verändert Giftcocktail Eine Genveränderung bewirkt, dass Birken befallende Blattkäferlarven gegen ihre Angreifer andere Giftcocktails produzieren als auf Weiden lebende Artgenossen … S. 3

Kleine Gen-Veränderung mit großer Wirkung Im evolutionären Wettlauf zwischen Pflanzen und Schädlingen können bereits kleine Veränderungen zur Entstehung neuer chemischer Wirkstoffe führen, die das Überleben der Pflanzen sichern … S. 4

Antibiotika in situ Wissenschaftler suchen nach Antibiotika der mikrobiellen Symbionten von Blattschneiderameisen und erforschen ihre Funktion im Ökosystem … S. 5

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2 Newsletter April 2011 | Editorial

Aminosäure-Sequenzvergleiche von Sali­cylalkohol-Oxidasen verschiedener Blattkäfer machen eine Lücke bei Birken bewohnenden Tieren der Art Chrysomela lapponica sichtbar (roter Balken). Näheres dazu auf Seite 3.

Bild: PNAS

Der kleine Unterschied Liebe Leserinnen und Leser! Der kleine Unterschied und seine großen Folgen – so lautete der Titel eines der erfolgreichsten und bahnbrechenden Bücher der demokratisch immer noch reifenden und im Jahre 1975, als das Buch erschien, trotz ihres schon 26jährigen Bestehens immer noch verunsicherten Bonner Republik. Freilich: Die Autorin, Alice Schwarzer, meinte mit Ihrem Titel etwas ganz anderes als das, worauf ich heute hinaus will – sie bewegte die Gleichberechtigung der Frauen. Aber dass kleine Unterschiede große Folgen haben können, wurde bei verschiedensten Gelegenheiten – und natürlich nicht nur im sozialen Gefüge innerhalb der Art Homo sapiens – beobachtet.

PULS/CE 17 berichtet heute gleich zweimal von kleinen molekularen Unterschieden, die für die jeweilige Spezies, die sie betreffen, große Folgen hatten. Eine Blattkäferart konnte wegen einer nur kleinen Störung bei der Prozessierung einer Geninformation plötzlich auch Birkenbäume anstatt nur Weiden als Wirte erschließen. Zweites Beispiel: Sehr wahrscheinlich können sich unsere heutigen Kreuzblütler nur deswegen erfolgreich mit Hilfe bestimmter Senfölglycoside gegen Raupenfraß wehren, weil ein Aminosäure produzierendes Enzym nur wegen einer Verkürzung seiner Polypeptidkette statt Leucin nunmehr den für Kohl so typischen „strengen“ Geruch der Glucosinolate produzieren hilft. Wer jetzt meint, dass der Bogen von Alice Schwarzer zur Molekularbiologie hier doch vielleicht ein bisschen überspannt sei, dem/der sei bedeutet: Der kleine Unterschied zwischen Mann und Frau wird zumindest, was den grundlegenden Entwicklungsgang nach der Befruchtung angeht, auch nur durch einen kleinen genetischen Unterschied festgelegt: Lediglich die Zusammensetzung des 23. Chromosomenpaars bei Homo sapiens entscheidet über das zu entstehende Geschlecht. Und dieser kleine XX vs. XY Unterschied und seine großen Folgen sind immer noch, biologisch wie soziologisch, Gegenstand von Forschung und Diskussionen. Einen schönen Frühling und viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr

Jan-W. Kellmann

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3 Research Highlight | Newsletter April 2011

Wirtswechsel verändert Giftcocktail Blattkäfer begeistern uns wegen ihrer Formenvielfalt und Farbenpracht. Ihre Larven aber sind gefährliche Pflanzenschädlinge. Als Teil einer Nahrungskette werden sie selbst attackiert von räuberischen Insekten und Parasiten. Um sich vor ihren Feinden zu schützen, stülpen sie blasenartig den Inhalt ihrer Wehrdrüsen aus. Im Wehrsekret befinden sich Giftstoffe wie Buttersäureester oder Salicylaldehyd, die sie aus chemischen Vorstufen ihrer pflanzlichen Nahrung produzieren. Die meisten Blattkäferarten haben sich auf eine einzige Pflanzengattung spezialisiert. Käfer der Art Chrysomela lapponica hingegen befallen zwei verschiedene Baumarten: Weiden und Birken. Die Verwertung pflanzlicher Moleküle als Substrate für giftproduzierende Enzyme ist für die Larven wirtschaftlich, aber es entsteht auch eine große Abhängigkeit von der Wirtspflanze. Weiden enthalten in ihren Blättern bis zu 5 Prozent glycosylierten Salicylalkohol (Salicin). Birken hingegen besitzen diese Verbindung nicht. Wissenschaftler untersuchten deshalb, wie sich Käfer der Art Chrysomela lapponica sowohl an Weiden als auch an Birken angepasst haben, und prüften, ob der Wegfall des Salicylaldehyds im Wehrsekret der auf Birken lebenden Tiere lediglich auf das Fehlen der Vorstufe Salicin in dieser Baumart zurückzuführen ist. Dazu boten sie Blattkäferlarven, die sie von Birken gesammelt hatten, Weidenblätter an. „Die Tiere konnten Salicin aus Weidenblättern aufnehmen, und auch Salicylalkohol war im Wehrsekret der Tiere nachweisbar. Jedoch wurde aus dem Alkohol kein Aldehyd gebildet. Somit

musste den Birkentieren das Enzym Salicyl-Alkohol-Oxidase (SAO) fehlen, das Oxidation vom Alkohol zum Aldehyd bewerkstelligt“, so Roy Kirsch, Doktorand in der Abteilung Bioorganische Chemie und Erstautor dieser Studie. Biochemische Analysen ergaben, dass das Drüsensekret von Salicylaldehyd produzierenden Weidenschädlingen SAO in auffallend großer Menge enthält. Die Forscher bezeichneten dieses Enzym als SAO-W (W: Weide). Mithilfe entsprechender DNA-Sequenzdaten isolierten und charakterisierten sie dann das SAO-B (B: Birke) kodierende Gen aus Birkenschädlingen. Sie stellten fest, dass die Aminosäuresequenzen der beiden Enyzme zu 97 Prozent identisch sind. Allerdings ist die SAO-B durch das Fehlen von 27 Aminosäuren am Anfang der Polypeptidkette inaktiv geworden (siehe Editorial). Weitere Untersuchungen an den Wehrdrüsen der Birkenkonsumenten ergaben, dass die Boten-RNA des SAO-B Gens in 1000fach geringerer Menge im Vergleich zu den Weidenschädlingen vorhanden war und dass das Protein und seine Enzymaktivität unterhalb der Nachweisgrenzen lagen. Der Wegfall der Enzymaktivität ist durch eine Mutation im SAO-B Gen bedingt. Diese ruft eine veränderte Prozessierung der Boten-RNA hervor, was den Wegfall der 27 Aminosäuren im SAO-B Enzym bedingt. Die Forscher vermuten, dass Chrysomela lapponica ursprünglich ausschließlich Weiden als Wirte genutzt hat und von diesen zu Birken gewechselt ist. „Es ist noch unklar, ob die Genmutation den Wirtswechsel von Weide auf Birke ermöglicht hat oder ob sie erst nach erfolgtem Wirtswechsel auf die Birke im Verlauf der Evolution adaptiert wurde“, so Wilhelm Boland. Die Birkenbewohner sparen sich jedenfalls die aufwändige Produktion des Enzyms. Vor allem aber verraten sie sich durch das Fehlen des Salicylaldehyds im Gegensatz zu ihren auf Weiden lebenden Artgenossen nicht mehr ihren Feinden, die anhand der duftenden Substanz Blattkäferlarven aufspüren können. [JWK]

Eine Blattkäferlarve (Chrysomela lapponica) stülpt giftigen Inhalt ihrer Wehrdrüsen aus, mit dem sie ihre Fraßfeinde abwehrt. Foto: Kerstin Ploss, MPI-CE

Roy Kirsch

Foto: MPI-CE

Originalveröffentlichung: Kirsch, R., Vogel, H., Muck, A., Reichwald, K., Pasteels, J. M., Boland, W. (2011). Host plant shifts affect a major defense enzyme in Chrysomela lapponica. Proceedings of the National Academy of Sciences USA, 108, 4897-4901.

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4 Newsletter April 2011 | Research Highlight

Kleine Gen-Veränderung mit großer Wirkung

Kreuzblütler wie der Kohl produzieren Senfölglycoside als chemische Waffe gegen Raupen. Wichtig für deren Bildung ist das Enzym MAM, das aus einem Vorläufer mit ganz anderer Funktion entstanden ist: Das Enzym IPMS (im Bild dreidimensional dargestellt) ist für die Herstellung von Leucin zuständig. Nach den Wegfall von 120 Aminosäuren (blass im Hintergrund) sowie durch zwei Punktmutationen im entsprechenden Gen hat MAM nun eine völlig andere Funktion, die Produktion der GlucosinolatVorstufen. Foto: Angela Schneider, MPI-CE; Enzymmodell nach Koon, PNAS 101, 2004

Pflanzen sind ständig Attacken durch Fraßfeinde ausgesetzt. Um sich davor zu schützen, haben sie ausgeklügelte chemische Verteidigungssysteme entwickelt. Kreuzblütler wie die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) schützen sich mit Senfölglykosiden vor Raupenfraß, die im Falle eines Raupenangriffs giftige Isothiocyanate freisetzen. Chemiker sprechen von einer „Senfölbombe“. Verantwortlich für die Bildung der Senfölverbindungen sind Enzyme. Jan-Willem de Kraker und Jonathan Gershenzon haben nun aus der Ackerschmalwand ein Enzym dieser Gruppe isoliert und sind dabei auf eine Überraschung gestoßen. Das Enzym Methylthioalkylmalat-Synthase (MAM), das für die Produktion von Senfölglykosiden sorgt, ähnelt in seiner Struktur einem zweiten Enzym mit einer ganz anderen Funktion: Die Isopropyl-Malat-Synthase (IPMS) ist für die Bildung der Aminosäure Leucin zuständig. Zwei entscheidende strukturelle Unterschiede haben die Wissenschaftler gefunden: Bei MAM fehlen die letzten 120 Aminosäuren, und im aktiven Zentrum des Enzyms sind zwei Aminosäuren ausgetauscht. Das Gen, das IPMS kodiert, geht bei Pflanzen wahrscheinlich bis zu den Cyanobakterien zurück. Die Forscher sehen deshalb darin die ursprüngliche Form, aus der sich das MAM kodierende Gen entwickelt hat.

Originalveröffentlichung: De Kraker, J.-W., Gershenzon, J. (2011). From amino acid to glucosinolate biosynthesis: protein sequence changes in the evolution of methylthioalkylmalate synthase in Arabidopsis. The Plant Cell, 23, 38-53.

Das für die Leucin-Produktion wichtige Enzym IPMS kommt in Bakterien, Algen und höheren Pflanzen vor, nicht aber in tierischen Organismen. Für den Menschen ist Leucin daher eine essenzielle Aminosäure und muss mit der Nahrung aufgenommen werden. In der Ackerschmalwand liegt IPMS als Kette von 631 Aminosäuren vor,

deren Reihenfolge durch ein entsprechendes Gen festgelegt wird. Die Anordnung der Aminosäuren bestimmt die räumliche Struktur und damit auch die biologische Funktion des Enzyms. Damit die Bildung von Leucin nicht unkontrolliert geschieht, ist in den letzten 120 Aminosäuren der Kette ein Rückkopplungsmechanismus eingebaut. Ist in der Zelle genügend Leucin vorhanden, wird seine weitere Produktion gedrosselt. „Wir fanden, dass das Fehlen der 120 Aminosäuren nicht nur die Regulation der Enzymaktivität außer Kraft setzt, sondern die Architektur von MAM komplett verändert“, sagt Gershenzon. So wirkt sich die Verkürzung der Aminosäurekette auch auf das aktive Zentrum des Enzyms aus. Im Vergleich zu IPMS kann MAM größere Moleküle binden und somit ganz neue Produkte erzeugen – Vorstufen von Senfölglykosiden. Ihre Entdeckung haben die Wissenschaftler bei der Suche nach Genen gemacht, die für die Bildung von Senfölglykosiden wichtig sind. Im Zuge dieser Arbeiten haben sie das IPMS-Gen isoliert und sequenziert. Die Forscher nehmen an, dass sich das Gen im Verlauf der Evolution zunächst verdoppelt hat. Anschließend ist in einer der beiden Kopien der Bereich verloren gegangen, der die letzten 120 Aminosäuren des Enzyms kodiert. Wahrscheinlich ist dies zu dem Zeitpunkt passiert, als die Kreuzblütler entstanden sind. Für die Pflanze erwies sich der Verlust als nützlich: Sie konnte Senfölglykoside bilden und war so vor Raupenfraß geschützt. In Laborexperimenten haben de Kraker und Gershenzon ihre Annahmen bestätigt. Damit liefern sie ein neues Beispiel dafür, wie aus dem genetischen Fundus der Organismen ständig neue Variationen entstehen, die in der Natur ihre Tauglichkeit unter Beweis stellen müssen. Im evolutionären Wettlauf mit Schädlingen können so bereits kleine Änderungen zur Entstehung neuer chemischer Wirkstoffe führen, die das Überleben der Pflanze sicherstellen. [JWK, HR]

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5 Research Highlight | Newsletter April 2011

Antibiotika in situ Blattschneiderameisen füttern den Pilz Leucoagaricus gongylophorus mit geerntetem Blattmaterial. Der Pilz wiederum dient den Ameisen als Hauptnahrungsquelle. Allerdings wird diese Symbiose durch andere Pilze, wie Escovopsis weberi, die den Futterpilz der Ameisen zerstören können, bedroht. 1999 fanden Currie et al. (Nature Vol. 398, S. 701-704), dass bakterielle Symbionten auf dem Chitinpanzer der Blattschneiderameisen den Futterpilz und die Ameisen gegen ins Nest eindringende schädliche Pilze schützen. In PULS/CE 13 (2009) berichteten wir, dass Susanne Haeder und Dieter Spiteller die Candicidinmakrolide als erste Antibiotika von mikrobiellen Symbionten der Blattschneiderameisen identifizieren konnten. Candicidinmakrolide können den für die Pilzkulturen der Ameisen gefährlichen Pilz E. weberi am Wachstum hemmen. Im Ökosystem der Blattschneiderameisen findet man allerdings verschiedenste Bakterien, so dass eine große Vielfalt an Antibiotika zu erwarten ist. Ilka Schoenian, Doktorandin aus der Gruppe von Dieter Spiteller, hat nach weiteren Antibiotika der mikrobiellen Symbionten von Blattschneiderameisen gesucht und ihre Funktion im Ökosystem erforscht. Zusammen mit Kollegen aus Dortmund, Kaiserslautern und Panama konnten die Wissenschaftler jetzt zum Verständnis der chemischen Basis des Synergismus und Antagonismus mikrobieller Gemeinschaften im Nest der Blattschneiderameisen beitragen. Ilka Schoenian bestimmte die Verwandschaftsverhältnisse von mikrobiellen Symbionten der Blattschneiderameisen, ermittelte durch Daten-

Mikroskopische Aufnahme einer Blattschneiderameise (links) und Verteilung des Antibiotikums Valinomycin auf dem Chitinpanzer der Ameise (rechts, MALDI-Imaging: grün = wenig, rot = viel Valinomycin) Bilder: PNAS

banksuche das bereits bekannte Antibiotikaspektrum der nächsten Verwandten und suchte gezielt nach Verbindungen in Extrakten der mikrobiellen Symbionten mit Hilfe von Massenspektrometrie. Auf diese Weise wurden die Antimycine A1-A4, Valinomycine und Actinomycine als weitere Antibiotika von Symbionten der Blattschneiderameisen identifiziert. Durch bildgebende Massenspektrometrie (MALDI Imaging) konnte schließlich die Verteilung von Valinomycin auf dem Panzer der Ameisen sichtbar gemacht werden. Dadurch konnte erstmals ein Antibiotikum direkt auf dem Körper der Tiere nachgewiesen werden. In Tests zur Wachstumshemmung dieser Antibiotika stellte sich heraus, das Actinomycine das Wachstum von Bodenbakterien stark hemmten. Außerdem können die Antibiotika in Kombination in Mengen, bei denen die Einzelkomponenten nicht mehr wirksam sind, noch immer das Wachstum von Escovopsis aufhalten. Dieses Kombinationsprinzip wird bei zahlreichen Medikamenten genutzt. Aber die Antibiotika können auch hemmend auf das Wachstum des Futterpilzes wirken. In weiteren Experimenten sollen die Funktionen von Antibiotika im Ökosystem der Blattschneiderameisen genauer untersucht werden, um deren Bedeutung in der Natur besser zu verstehen. Dies kann auch zur Entdeckung unbekannter Antibiotika für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten des Menschen beitragen. [JWK, DS]

Synergistische Wirkung von Antibiotika: Einzelkomponenten (A-E) sind in sehr niedrigen Konzentrationen kaum wirksam, in Kombination (F) hemmen sie den Pilz Escovopsis.

Ilka Schoenian

Foto: PNAS

Foto: MPI-CE

Originalveröffentlichung: Schoenian, I., Spiteller, M., Ghaste, M., Wirth, R., Herz, H., Spiteller, D. (2011). Chemical basis of the synergism and antagonism in microbial communities in the nests of leaf-cutting ants. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 108, 1955-1960.

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6 Newsletter April 2011 | IMPRS Projekt

Der Duft der Pappel Die Fähigkeit zur Kommunikation ist für alle Lebewesen, auch Pflanzen, überlebensnotwendig. Pflanzen können keine Laute von sich geben, aber sie duften, und der Duft ist ihre Sprache. Sie geben flüchtige Substanzen ab, wenn sie von ihren Fraßfeinden attackiert werden. Diese Duftstoffe locken die natürlichen Feinde der Pflanzenschädlinge, beispielsweise Raubinsekten und Parasitoide, an. Diesen Vorgang nennen wir indirekte Verteidigung – der Hilferuf der Pflanze. Die Schwammspinnerraupe ist ein verbreiteter Pappelschädling. Frisch geschlüpfte Raupen werden von Brackwespen parasitiert, die durch den Duft der Pappel angelockt werden, den diese bei Befall abgibt.

Die indirekte Verteidigung von Bäumen wurde bislang kaum erforscht. Bäume haben einige besondere Eigenschaften wie Holzbildung, mehrjähriges Wachstum und Saisonalität, die sie zu besonders interessanten Forschungsobjekten machen.

Foto: C. Meyer, Beutenberg Campus

Andrea Liliana Clavijo McCormick

Das Hauptinteresse meines Promotionsprojektes gilt der Untersuchung von indirekten Verteidigungmechanismen in der Schwarzpappel (Populus nigra). Wir arbeiten mit einem Modellsystem, zu dem zwei verbreitete Fraßschädlinge der Schwarzpappel, der Schwammspinner Lymantria dispar und der Pappelschwärmer Laothoe populi gehören, sowie als weiterer Akteur eine winzige parasitische Brackwespe (Glyptapanteles liparidis), die ihre Eier in Schwammspinnerraupen im frühen Larvenstadium ablegt. Aus den Eiern schlüpfen die Wespenlarven, die die Raupe innerhalb von wenigen Tagen von innen auffressen.

aus Kolumbien ist Stipendiatin der International Max Planck Research School. In ihrem Promotionsprojekt in der Abteilung Biochemie (Arbeitsgruppe von Dr. Sybille Unsicker) widmet sie sich der indirekten Verteidigung von Pappeln, die über flüchtige Substanzen vermittelt wird.

Foto: MPI-CE

Bisher haben wir uns folgenden Fragen gewidmet: Unterscheidet sich der Duft, den die Pappel abgibt, je nachdem welcher Schädling sie attackiert oder in welchem Larvenstadium sich etwa die Schwammspinnerraupen befinden? Können die Brackwespen riechen, ob die Pappel von ihrem potenziellen Wirt (dem Schwamm-

spinner) oder einer anderen Art befallen ist, oder gar ob die Raupen noch in einem frühen Larvenstadium sind? Eine Vergleichsanalyse der Düfte, die von Pappeln nach Befall durch die zwei unterschiedlichen Schädlingsarten bzw. durch Schwammspinnerraupen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien abgegeben wurden, führte zur Bestimmung von 30 verschiedenen chemischen Verbindungen. Interessanterweise unterschieden sich die Düfte nicht in der Zusammensetzung, dafür aber in der Quantität einzelner Komponenten. In einem nächsten Schritt stimulierten wir die Wespenantennen mit Einzelgerüchen, um mit Hilfe eines elektroantennografischen Detektors zu beobachten, ob sie physiologische Reaktionen verursachen. Von 20 Einzelgerüchen lösten mindestens zehn physiologische Reaktionen aus. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Pappeln unterschiedliche Düfte in ihre Umgebung abgeben, je nachdem welcher Schädling sie befällt, und dass die Wespenantennen einige dieser Gerüche wahrnehmen können, die je nach Art des Befalls unterschiedlich abgegeben werden. Dennoch bleiben noch viele Fragen zu klären, beispielsweise welchen Effekt einzelne Gerüche auf das Verhalten der Wespe haben (Lockstoff oder Repellent). Besonders interessiert uns, ob das Verhalten der Wespe durch einzelne Gerüche oder das Mischungsverhältnis ausgelöst wird. Letztendlich möchten wir herausfinden, ob die indirekten Verteidigungsmechanismen auch unter natürlichen Bedingungen wirksam sind. A. McCormick

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7 News | Newsletter April 2011

10. IMPRS-Doktorandensymposium - mehr Teilnehmer denn je Das jährlich stattfindende Symposium der International Max Planck Research School auf dem Alten Schloss in Dornburg wird ein immer wichtigerer Treffpunkt, um sich nicht nur zwischen den Doktoranden, sondern auch zwischen den Abteilungen und den beteiligten Instituten der Friedrich-Schiller-Universität über die neuesten Forschungsergebnisse auszutauschen. Mit mehr als 120 Teilnehmern haben nochmals mehr Doktoranden, Betreuer und Postdocs teilgenommen als in den vorangegangenen Jahren. 24 Doktoranden haben ihre Arbeiten in Vorträgen, weitere 33 auf Postern vorgestellt. Zu Postern und Vorträgen fanden rege Diskussionen statt.

Das Programm wurde von den Gastvorträgen von Dr. Corné Pieterse, Universität Utrecht, zum Thema Pflanzenhormone und Abwehr, und Dr. Martin Heil, CINVESTAV Mexiko, über die Rolle von Ameisen bei der indirekten pflanzlichen Abwehr, abgerundet. Das Symposium ist ein wichtiger Bestandteil der strukturierten Ausbildung im Rahmen der IMPRS, um den Doktoranden in einem eher vertrauten, aber auch kritischen Umfeld die Gelegenheit zu geben, ihre Forschungsergebnisse professionell zu präsentieren, Fragen zu beantworten und Sessions zu leiten. Karin Groten

Bill Hansson in die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften aufgenommen

und hat derzeit etwa 400 Mitglieder. Der weltberühmte Botaniker und Zoologe Carl von Linné (1707-1778), der Vater der modernen Taxonomie, der von vielen auch als einer der Väter der modernen Ökologie angesehen wird, gehört zu ihren Gründern.

Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm hat Prof. Bill S. Hansson zum neuen Mitglied ihrer Biowissenschaftlichen Klasse gewählt. Die Akademie, die auch jährlich die Nobelpreise vergibt, wurde 1739 als unabhängige wissenschaftliche Gesellschaft gegründet

am MPI Welche Rolle spielen Enzyme bei der Widerstandskraft von Insekten gegen Pflanzengifte? Wie kann man DNA sichtbar machen? Bin ich das, was ich esse? Diesen und vielen weiteren spannenden Forschungsfragen stellten sich in diesem Jahr 28 Schülerinnen und 19 Schüler ab der 8. Klasse zum Forsche-Schüler-Tag am MPI am 14. April 2011.

Die feierliche Aufnahme erfolgte bei der Jahresverammlung der Akademie am 31. März 2011 in Stockholm. [AO]

Die forschen Schüler konnten z.B. ihre Fingernägel im Isotopenverhältnis-Massenspektormeter untersuchen, natürliche und in der Drogerie käufliche Düfte per GC/MS vergleichen, oder praktische Versuche mit Bienen und Ameisen mit Hilfe des Konfikalmikroskops durchführen. Wir hoffen, dass bei vielen der Entdeckergeist geweckt wurde und freuen uns schon auf den 26. April 2012, wenn es wieder heißt: „Forsche Schüler gesucht!“ Angela Overmeyer

Die besten Vorträge und Posterbeiträge wurden auch beim 10. IMPRSSymposium ausgezeichnet. Die Gewinnerinnen (von links nach rechts): Maria Heinrich, Andrea McCormick, Elisabeth Eilers. Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE

Bill Hansson bei der feierlichen Aufnahme in die Königlich Schwedische Akademie. Foto: Markus Marcetic, KVA

Gemeinsam erhalten Mädchen und Jungen beim Forsche-Schüler-Tag einen Einblick in den Wissenschaftsalltag. Foto: Angela Overmeyer, MPI-CE

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8 Newsletter April 2011 | News & Events

XVI Int. Symposium on Olfaction and Taste



Stockholm, Schweden, 23.-27. Juni 2012 http://www.isotxvi.com

MPI-CE Institutssymposium und Alumni-Meeting Das jährliche Institutssymposium des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie findet von 22. - 23. September 2011 im Hörsaal 3, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena, statt. In diesem Jahr sind wieder alle ehemaligen Mitarbeiter und Alumni herzlich eingeladen.

www.ice.mpg.de Impressum: PULS/CE erscheint zweimal jährlich auf der Homepage des MPI für chemische Ökologie und kann auch kostenlos abonniert werden. Die Verteilung erfolgt elektronisch als PDF, auf Wunsch werden gedruckte Exemplare verschickt. Herausgeber: MPI-CE, Jena. Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Bill S. Hansson (viSdP). Redaktion: Dr. Jan-W. Kellmann, Forschungskoordination • Angela Overmeyer M.A., Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ISSN: 2191-7507 (Print), 2191-7639 (Online)