BACHELORARBEIT
Business Model Canvas Erläutern Sie Pro und Cons dieses Modells und seiner Anwendung in Theorie und anhand von Beispielen aus der Praxis
Eingereicht von:
Bernadina Hibic
Matrikelnummer:
0821638
Studienkennzahl:
500.111
Seminar:
Strategisches Management
LV-Leiterin:
Prof. Dr. Christoph Schließmann
Abgegeben am:
12. Juli 2016
Inhaltsverzeichnis 1
2
3
EINLEITUNG ................................................................................................................. 1 1.1.
Problemstellung ................................................................................................... 1
1.2.
Ziel der Arbeit ...................................................................................................... 3
1.3.
Aufbau der Arbeit ................................................................................................. 3
GESCHÄFTSMODELLE ................................................................................................ 4 2.1.
Entstehung von Geschäftsmodellen..................................................................... 4
2.2.
Definition von Geschäftsmodellen ........................................................................ 4
2.3.
Bedeutung von Geschäftsmodellen ..................................................................... 5
BUSINESS MODEL CANVAS ....................................................................................... 7 3.1.
Entstehung des Business Model Canvas ............................................................. 7
3.2.
Aufbau des Business Model Canvas.................................................................... 7
3.3.
Neun Bausteine ................................................................................................... 9
3.3.1. Kundensegmente (Customer Segments) ............................................................. 9 3.3.2. Wertangebote (Value Propositions) ....................................................................10 3.3.3. Kanäle (Channels) ..............................................................................................10 3.3.4. Kundenbeziehungen (Customer Relationships) ..................................................11 3.3.5. Einnahmequellen (Revenue Streams) ................................................................11 3.3.6. Schlüsselressourcen (Key Resources) ...............................................................12 3.3.7. Schlüsselaktivitäten (Key Activities) ....................................................................12 3.3.8. Schlüsselpartnerschaften (Key Partnerships) .....................................................13 3.3.9. Kostenstruktur (Cost Structure) ..........................................................................14 3.4.
Pro und Cons......................................................................................................14
3.4.1. Vorteile ...............................................................................................................14 3.4.2. Schwächen – was fehlt dem Business Model Canvas? ......................................18 3.5.
Praxisbeispiele ...................................................................................................21
3.5.1. Skype .................................................................................................................21 3.5.2. Wii ......................................................................................................................24 4
BUSINESS MODEL CANVAS VS. ALTERNATIVE GESCHÄFTSMODELLE ..............26 4.1.
Alternative Geschäftsmodelle .............................................................................26
4.1.1. Das wertbasierte Geschäftsmodell .....................................................................26 4.1.2. Blue Ocean Strategy ..........................................................................................27 4.1.3. Komponente eines Business Models anhand von Nespresso .............................30 4.2.
Vergleich mit Business Model Canvas ................................................................33
5
CONCLUSIO.................................................................................................................36
Literaturverzeichnis ...........................................................................................................40
1
EINLEITUNG
1.1.
Problemstellung
Erfolg eines Unternehmens hängt in erster Linie von einer guten und originellen Geschäftsidee ab. Das bildet den Grundstein im Aufbau eines Neugeschäfts. Die Vergangenheit
hat
aber
mehrmals
bewiesen,
dass
man
in
einem
stark
wettbewerbsorientierten Umfeld deutlich mehr als nur eine gute Geschäftsidee braucht, um darin langfristig erfolgreich agieren zu können. Neben einigen anderen Faktoren, ist für das Bestehen bzw. die positive Entwicklung eines Unternehmens vor allem
ein
gut
Insbesondere
strukturiertes in
Zeiten
Geschäftsmodell der
von
modernen
essentieller
Bedeutung.
Informations-
und
Kommunikationstechnologien müssen sich sowohl neue als auch bestehende Unternehmungen mit der Zusammensetzung ihrer eigenen Wertschöpfung und Produktabgrenzung beschäftigen. Obwohl keine Definition des Begriffs „Geschäftsmodell“ als allgemein akzeptiert bezeichnet werden kann, definieren Osterwalder und Pigneur das Geschäftsmodell als Beschreibung des Grundprinzips, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst. 1 Mit Hilfe eines Geschäftsmodells sollten die logischen Zusammenhänge, wie eine Organisation Mehrwert für ihre Kunden erzeugt und einen Ertrag für sich selbst sichert, modelhaft dargestellt werden. Im Laufe der Zeit sind viele neuartige Geschäftsmodelle entstanden. Besonders ist ihre Bedeutung mit dem Aufkommen der „New Economy“ in der Zeit von 1998 bis 2001 und mit dem Dot-Com-Boom gestiegen. 2 Diese Entwicklung ist vor allem auf die Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen und starke Verbreitung des Internets zurückzuführen. Als Konsequenz reicht es für Unternehmen nicht mehr aus, nur einzelne strategische Geschäftseinheiten und Branchen bzw. Industrien zu analysieren. Vielmehr müssen sie sich neuen Analyseinstrumenten wenden und Geschäftsmodelle sind dafür optimal geeignet.
1 2
Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 18. Vgl. Becker, W. (2012): Erfolgsfaktoren der Geschäftsmodelle junger Unternehmen, S. 8.
1
Eines haben alle Geschäftsmodelle gemeinsam – sie versuchen, die Realität eines Unternehmens mit all seinen Prozessen, Strukturen und Systemen zu beschreiben. Dabei ist wichtig, die Komplexität eines Unternehmens nicht allzu stark zu vereinfachen, aber gleichzeitig soll das Modell treffend und intuitiv aufgebaut sein. Ein Geschäftsmodell, das mit genau diesen Vorteilen punkten soll, ist das Business Model Canvas. Dieses Modell wurde von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur entwickelt und stellt ein Tool dar, um bestehende Geschäftsmodelle in einem Unternehmen zu identifizieren bzw. neue zu entwickeln. Die oben erwähnten Autoren vertreten die Meinung, dass man ein Geschäftsmodell am besten anhand von neun grundlegenden Bausteinen beschreiben kann, die zeigen, aufgrund welcher Logik ein Unternehmen Geld verdienen möchte. Diese Bausteine decken die vier wichtigsten Bereiche eines Unternehmens ab: Kunden, Angebot, Infrastruktur und finanzielle Überlebensfähigkeit.3 Das Business Model Canvas und die Vorteile und Nachteile seiner Anwendung in der Praxis bilden den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.
3
Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 19.
2
1.2.
Ziel der Arbeit
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, das Business Model Canvas darzustellen. Es soll erläutert werden, wie dieses Geschäftsmodell entstanden ist und durch welche Vorteile es sich von anderen Geschäftsmodellen unterscheidet. Es geht vor allem darum, was die Hauptgründe für die Anwendung dieses Modells sind und inwieweit ein Unternehmen mit dessen Hilfe sein Geschäft verbessern kann, um noch erfolgreicher am Markt agieren zu können. Dabei werde ich versuchen, die Grundelemente dieses Geschäftsmodells klar und deutlich darzustellen und sowohl auf die Vorteile als auch auf die Schwächen einzugehen. Besonders wichtig wird es sein, das Business Model Canvas anhand von Praxisbeispielen verständlich zu erläutern und zu zeigen, wie einige weltberühmte Unternehmungen ihr Geschäft aufgebaut bzw. im richtigen Moment innovative Geschäftsmodelle entwickelt und somit den Markt erobert haben.
1.3.
Aufbau der Arbeit
Nach dem einleitenden Kapitel, werden im Kapitel zwei die Entstehung und die Bedeutung des Begriffes „Geschäftsmodell“ erläutert. Dabei wird kurz auf die Geschichte der Geschäftsmodelle eingegangen, deren Sinn erklärt und einige Vorteile und Schwächen dargestellt. Das dritte Kapitel stellt das Hauptkapitel dieser Arbeit dar und wird sich mit dem Business Model Canvas beschäftigen. In der Einführung werden die Entstehung dieses Geschäftsmodells und seine neun Bausteine beschrieben. Im nächsten Schritt werden in Bezug auf Praxis die Pro und Cons des Business Model Canvas erläutert. Dabei wird insbesondere auf die Meinungen und Erfahrungen von anderen Autoren bzw. Geschäftsleuten eingegangen. Am Ende des dritten Kapitels werden zwei Praxisbeispiele dargestellt, um die theoretischen Ansätze zu verdeutlichen. Im vierten Kapitel werden einige alternative Geschäftsmodelle dargestellt und anschließend mit dem Business Model Canvas verglichen. Im letzten Kapitel wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung abgerundet. 3
2
GESCHÄFTSMODELLE
2.1.
Entstehung von Geschäftsmodellen
Der Begriff „Geschäftsmodell“ ist relativ alt. Sogar bis ins 15. Jahrhundert kann man die Spur der Geschäftsmodelle zurückverfolgen. Damals suchte Johannes Gutenberg nach Anwendungsmöglichkeiten für seine Erfindung – die mechanische Druckmaschine.4 Des Weiteren ist dieser Begriff in einigen Artikeln aus 50er Jahren zu finden, in denen ein unspezifischer Gebrauch des Begriffes zu erkennen ist. Dieser Begriff stammt ursprünglich aus der Wirtschaftsinformatik und lässt sich im weitesten Sinne auch auf die Organisationstheorie zurückführen.
5
Was den
betriebswirtschaftlichen Kontext betrifft, wird die Entstehung der Geschäftsmodelle mit dem Aufkommen der „New Economy“ Ende 90er Jahren des 20. Jahrhundert verbunden.
6
Besonders mit der Verbreitung der neuen Technologien und
kommerziellen Aktivitäten im Internet, gewann der Begriff „Geschäftsmodell“ an Bedeutung. Durch die Globalisierung waren viele Unternehmen gezwungen, sich gut strukturierte Geschäftsmodelle zu überlegen, um in einem sich ständig veränderten Wettbewerbsumfeld mit Konkurrenten weltweit agieren zu können. Deswegen kann man feststellen, dass die Begriffsgeschichte vom „Geschäftsmodell“ zum großen Teil ein Phänomen der „Jetztzeit“ ist. Durch das Internet sind die Bedingungen, eigene Ideen gut zu überlegen und erfolgreich umzusetzen, so günstig wie noch nie.7 Der Begriff „Geschäftsmodell“ ist daher nicht neu, wurde aber inhaltlich in letzten 20 Jahren neu belegt.
2.2.
Definition von Geschäftsmodellen
Wie in der Einleitung erwähnt, gibt es weder in der Wissenschaft noch in der Praxis eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffes „Geschäftsmodell“. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Einige Autoren begründen das damit, dass dieses 4
Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 14. Vgl. Becker, W. (2012): Erfolgsfaktoren der Geschäftsmodelle junger Unternehmen, S. 8. 6 Vgl. Becker, W. (2011): Geschäftsmodelle im Mittelstand. In: Bamberger Betriebswirtschaftliche Beiträge, Nr. 175, S. 11. 7 Vgl. Von Loh, S.: Hervorragende Produkte erzeugen noch lange kein erfolgreiches Unternehmen, online: http://svenvonloh.de/essay-business-modeling-als-erfolgsinstrument/2/, Stand: 27.05.2016. 5
4
Konstrukt noch in der frühen Phase der Entwicklung steht.8 Morris/Schindehutte/Allen halten für das Fehlen einer klaren Definition mangelnde Forschung und theoretische Fundierung in diesem Bereich verantwortlich.9 Der Begriff „Geschäftsmodell“ stammt eigentlich aus der Wirtschaftsinformatik und bezeichnet
das
Ergebnis
der
Geschäftsmodellierung.
Somit
steht
er
in
Zusammenhang mit der Gestaltung von Informationssystemen und dem „Business Process Engineering“. 10 In der Betriebswirtschaftslehre sind einige Definitionen zu finden. Schweitzer definiert das Geschäftsmodell als vereinfachte, strukturgleiche oder strukturähnliche Abbildung eines Ausschnitts der Unternehmensrealität.11 In der Untersuchung von Becker12 findet man folgende Definition: “Ein Geschäftsmodell ist die
vereinfachende,
strukturähnliche
oder
strukturgebende
Abbildung
von
ausgewählten Aspekten der Ressourcentransformation des Unternehmens sowie seiner
Austauschbeziehungen
Osterwalder/Pigneur
definieren
mit das
anderen
Marktteilnehmern“.
Geschäftsmodell
als
Die
Autoren
Beschreibung
des
Grundprinzips, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst.13 Aus den oben dargestellten Definitionen ist es ersichtlich, dass ein Geschäftsmodell eine vereinfachende Abbildung eines Unternehmens bzw. seiner einzelnen Bereichen und/oder Prozessen repräsentiert, mit dem Ziel, die Funktionsweise eines Unternehmens zu beschreiben.
2.3.
Bedeutung von Geschäftsmodellen
Um ein Business starten zu können, braucht man vor allem eine gute Geschäftsidee. Je origineller die Idee ist, desto größer sind die Erfolgschancen. Eine Geschäftsidee alleine ist aber meistens nicht genug, um aus einem Start-up ein stabiles Unternehmen
aufzubauen.
Besonders
in
heutigen
Zeiten
der
drastischen
8
Vgl. Mansfield, G.M. & Fourie, L.C.H. (2004): Strategy and Business Models – strange bedfellows?, S. 40. 9 Vgl. Morris, M.H.; Schindehutte, M. & Allen, J.A. (2005): The entrepreneur´s business model: toward a unified perspective. In: Journal of Business Research, S. 726. 10 Vgl. Nilsson A.G.; Tolis, C. & Nellborn, C. (1999): Modellierung, Integration und Analyse von Ressourcen in Geschäftsprozessen, S. 1. 11 Vgl. Schweitzer, M. (2000): Gegenstand und Methoden der Betriebswirtschaftslehre. In: Bea/Dichtl/Schweitzer (2000), S. 72. 12 Vgl. Becker, W. (2012): Erfolgsfaktoren der Geschäftsmodelle junger Unternehmen, S. 14. 13 Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 18.
5
Veränderungen in der Umwelt der Unternehmen verlieren einzelne Produkte und Dienstleistungen schnell an Bedeutung. Die Globalisierung und neue Technologien – vor allem in den Bereichen Information und Kommunikation – machen es Unternehmen leichter, Kunden weltweit zu erreichen. Dadurch werden Industrie- und Unternehmensgrenzen aufgelöst und es entsteht eine wachsende Dynamik.14 Wenn ein Unternehmen diese Veränderungen nicht rechtzeitig wahrnimmt und darauf reagiert, können sie sich nachteilig auf sein Geschäft auswirken. Sowohl für ein Start-up als auch für ein bestehendes Unternehmen ist es daher wichtig, ein gut strukturiertes Geschäftsmodell zu haben und dieses ständig anzupassen und weiterzuentwickeln. Grob gesagt, stellt ein Geschäftsmodell hauptsächlich eine vereinfachte Darstellung der Unternehmenstätigkeiten dar. Neuen Unternehmen hilft diese Darstellung die Kernaspekte (z.B. wer sollten meine Kunden sein, was und wie möchte ich ihnen anbieten, welcher Preis ist auf welchem Markt angemessen usw.) ihres Geschäfts zu identifizieren und Handlungsbedarf zu erkennen.
Bestehenden
Unternehmen
kann
ein
Geschäftsmodell
als
eine
Analyseneinheit, welche die Basis für Innovationen darstellt, dienen. So wird z.B. rechtzeitig erkannt, wann ein Produkt bzw. eine Dienstleistung an Bedeutung verliert, welche Innovationen notwendig sind, um ein Produkt/Dienstleistung bzw. ein ganzes Unternehmen attraktiver zu machen, welche Kosten können reduziert werden, wie Einnahmequellen erweitert werden können usw. Die Bedeutung von Geschäftsmodellen in einem wettbewerbsorientierten Markt, der sich ständig verändert, ist enorm. Ein Geschäftsmodell, von dem viele Unternehmen profitiert haben, ist das Business Model Canvas. Dieses Modell wird im folgenden Kapitel näher beschrieben und erläutert.
14
Vgl. Bettis, R.A. & Hitt, M.A.: The New Competitive Landscape, in: Strategic Management Journal, Vol. 16, No. 1, S. 8. Internet-Quelle: http://onlinelibrary.wiley.com/journal/10.1002/%28ISSN%2910970266, Stand: 25.05.2016.
6
3
BUSINESS MODEL CANVAS
3.1.
Entstehung des Business Model Canvas
Die Idee des Business Model Canvas hat der Autor Alexander Osterwalder entworfen und zunächst als „Business Model Ontology“ in seiner Dissertation publiziert. Diese Idee hat Osterwalder dann in Zusammenarbeit mit Yves Pigneur zum Konzept des Business Model Canvas weiterentwickelt und im Jahr 2010 im Buch „Business Model Generation“ veröffentlicht.15 Die Herausforderung bei der Entwicklung dieses Modells war, die Komplexität der Funktionsweise von Unternehmen nicht allzu stark zu vereinfachen, aber gleichzeitig ein simples, treffendes und intuitives Modell aufzubauen. Mit Hilfe von Business Model Canvas sollte man in der Lage sein, ein Geschäftsmodell eines Unternehmens genau beschreiben zu können. Autoren Osterwalder und Pigneur definieren das Business Model Canvas als eine gemeinsame
Sprache
zur
Beschreibung,
Visualisierung,
Bewertung
und
Veränderung von Geschäftsmodellen.16 Darunter kann man eine konzeptuelle Landkarte mit einer bildhaften Sprache und dazugehöriger Grammatik verstehen, welche zur Komplexitätsreduktion des Unternehmens bezüglich der Prozesse, Strukturen und Systeme dient. 17 Das Ziel dabei war, ein universell einsetzbares Modell zu schaffen, das nicht nur zu einer bestimmten Branche zugeordnet ist, sondern von allen Unternehmen verwendet werden kann.
3.2.
Aufbau des Business Model Canvas
Den Grundstein des Business Model Canvas bilden vier Hauptbereiche, die wesentliche Themen in jedem Unternehmen widerspiegeln: •
Kunden,
•
Angebot,
•
Infrastruktur und
•
Finanzielle Überlebensfähigkeit.
15
Vgl. Leimeister, J.M. (2015): Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 12. Auflage, S. 198. Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 16ff. 17 Vgl. Leimeister, J.M. (2015): Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 12. Auflage, S. 199. 16
7
Das erste Feld beschäftigt sich inhaltlich mit Kunden und beantwortet die Frage „wer“ die Zielgruppen bzw. die Zielkunden sind. „Was“ dem Kunden angeboten wird, bildet die Kernfrage des Bereiches „Angebot“. Der dritte Bereich bezieht sich auf eigene Logistik und Infrastruktur eines Unternehmens. Das letzte Feld deckt die finanziellen
Aspekte
ab
und
beschäftigt
sich
mit
Einnahmenquellen
und
Kostenstruktur.18 Diese Hauptbereiche werden durch die neun Bausteine, die zeigen, aufgrund welcher Logik ein Unternehmen Geld verdienen möchte, abgedeckt: •
Kundensegmente (Customer Segments),
•
Wertangebote (Value Propositions),
•
Kanäle (Channels),
•
Kundenbeziehungen (Customer Relationships),
•
Einnahmequellen (Revenue Streams),
•
Schlüsselressourcen (Key Resources),
•
Schlüsselaktivitäten (Key Activities),
•
Schlüsselpartnerschaften (Key Partnerships) und
•
Kostenstruktur (Cost Structure).19
Abbildung 1: Template des Business Model Canvas mit Definitionen 18 19
20
Vgl. Leimeister, J.M. (2015): Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 12. Auflage, S. 199. Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 19-21.
8
Neun Bausteine21
3.3.
3.3.1. Kundensegmente (Customer Segments) Dieser Baustein definiert verschiedene Gruppen von Personen oder Organisationen, die ein Unternehmen erreichen und bedienen will. Es ist allgemein
bekannt,
dass
gewinnbringende
Kunden das Herz jedes Unternehmen bilden. Ohne sie hat ein Unternehmen schlechte Chancen, lange am Markt zu überleben. Bei diesem Baustein geht es darum, die Zielkunden und ihre Bedürfnisse zu identifizieren. Es stellen sich Fragen, für wen ein Unternehmen Wert schöpft bzw. wer seine wichtigsten Kunden sind. Ein Unternehmen kann verschiedene Kunden haben,
die
in
verschiedene
Segmente
mit
gemeinsamen
Bedürfnissen,
gemeinsamen Verhaltensweisen oder anderen Merkmalen unterteilt werden. Dabei ist es wichtig zu entscheiden, welche Segmente ein Unternehmen bedienen und welche es ignorieren will. Osterwalder/Pigneur
unterscheiden
zwischen
folgenden
Arten
von
Kundensegmenten: •
Massenmarkt (große Gruppe von Kunden mit weitgehend ähnlichen Bedürfnissen und Problemen, z.B. Bereich Unterhaltungselektronik),
•
Nischenmarkt (spezifische, spezialisierte Kundensegmente mit besonderen Anforderungen, z.B. Hersteller von Autoteilen),
•
Segmentiert (Marktsegmente mit leicht unterschiedlichen Wünschen und Problemen, z.B. Kunden einer Bank werden unterteilt in: Kunden mit Privatvermögen bis 100.000 EUR, und Kunden mit Privatvermögen größer als 100.000 EUR),
•
Diversifiziert (zwei nicht miteinander zusammenhängende Kundensegmente mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen und Problemen),
•
Multi-sided
Platforms
(zwei
oder
mehr
voneinander
abhängende
Kundesegmente, z.B. Gratiszeitung: großer Lesekreis, um Anzeigenkunden 20
Quelle: Leimeister (2015), S. 200. Vgl. dazu im Wesentlichen Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 24ff.
21
9
anzulocken,
und
Anzeigenkunden,
um
Produktion
und
Vertrieb
zu
finanzieren).
3.3.2. Wertangebote (Value Propositions) Unter diesem Baustein versteht man das Paket von Produkten und Dienstleistungen, das für ein bestimmtes
Kundensegment
Wert
schöpft.
Dieser Wert löst ein Kundenproblem oder erfüllt ein Kundenbedürfnis. Das Wertangebot ist der Grund, warum Kunden sich eher dem einen Unternehmen zuwenden als dem anderen. Unternehmen müssen sich fragen, welchen Wert sie dem Kunden vermitteln,
welche
Kundenbedürfnisse
erfüllen
sie,
welche
Produkt-
und
Dienstleistungspakete werden angeboten usw. Einige Wertangebote sind innovativ, während andere vielleicht bestehenden Marktangeboten ähneln, jedoch über zusätzliche Merkmale und Eigenschaften verfügen. So können sich Wertangebote in einem völlig neuen Produkt (z.B. Handys), in
einer
Erleichterung
der
Arbeit
der
Kunden
(z.B.
Rolls-Royce
und
Herstellung/Wartung von Düsenflugzeuge), in einer Marke/Status (z.B. das Tragen von Rolex weist meistens auf Reichtum hin) oder in der Anwenderfreundlichkeit (z.B. iPod und iTunes haben das Komfort beim Suchen, Kaufen, Downloaden und Hören von digitaler Musik gebracht) widerspiegeln.
3.3.3. Kanäle (Channels) Dieser
Baustein
(Kommunikations-,
Distributions- und Verkaufskanäle) hat eine Schnittstellenfunktion
inne,
da
er
das
Unternehmen mit seinen Kunden verbindet. Ein Unternehmen muss sich gut überlegen, über welche Kanäle es seine Kundensegmenten erreichen möchte, welche funktionieren am besten, welche sind am kosteneffizientesten usw. 10
Osterwalder/Pigneur unterscheiden dabei zwischen fünf verschiedenen Kanaltypen: •
Verkaufsabteilungen,
•
Internetverkauf,
•
Eigene Filialen,
•
Partnerfilialen und
•
Großhändler.
Das Ziel ist es, richtige Balance zwischen den verschiedenen Kanaltypen zu finden.
3.3.4. Kundenbeziehungen (Customer Relationships) Dieser Baustein beschreibt die Arten von Beziehungen,
die
ein
Unternehmen
mit
bestimmten Kundensegmenten eingeht. Diese können von persönlich bis zu automatisiert reichen. Dabei soll sich jedes Unternehmen überlegen, welche Art von Beziehungen jedes Kundensegment sich erwartet, wie kostenintensiv sie sind, wie sie in das Geschäftsmodell integriert sind usw. Diese Überlegungen und Entscheidungen sind enorm wichtig, da sie sich schließlich auf Kundenakquise, Kundenpflege, Verkaufssteigerung und Kundenerfahrung auswirken.
3.3.5. Einnahmequellen (Revenue Streams) Einnahmequellen
zeigen
Unternehmen
Umsätze
Osterwalder
und
Einnahmequellen Geschäftsmodells
und
unterscheiden
dabei
auf,
zwischen
ein
erwirtschaftet.
Pigneur als
wodurch
beschreiben
Arterien zwei
Arten
eines von
Einnahmequellen: •
Transaktionseinnahmen aus einmaligen Kundenzahlungen und
11
•
Wiederkehrende Einnahmen aus fortlaufenden Kundenzahlungen (z.B. Mitgliedschaftsgebühren,
Nutzungsgebühren,
Maklergebühren,
Lizenzgebühren usw.). In Zusammenhang mit diesem Baustein müssen sich Unternehmen fragen, wie viel Kunden für ihre Wertangebote zu bezahlen bereit sind, wie sie gerne bezahlen würden, wie viel jede Einnahmequelle zum Gesamtumsatz beiträgt usw.
3.3.6. Schlüsselressourcen (Key Resources) Schlüsselressourcen
stellen
die
wichtigsten
Wirtschaftsgüter, die für das Funktionieren eines Geschäftsmodells notwendig sind. Sie sind erforderlich, um Kunden Wertangebote anbieten zu
können
und
ermöglichen
es
einem
Unternehmen, ein Wertangebot zu schaffen und zu unterbreiten, diverse Märkte zu bedienen, seine Beziehungen zu Kundensegmenten aufrechtzuerhalten und schließlich Einkünfte zu generieren. Osterwalder/Pigneur unterscheiden zwischen Schlüsselressourcen physischer (z.B. Maschinen), finanzieller (z.B. Kauffinanzierung), menschlicher (z.B. Wissenschaftler bei einem Pharmaunternehmen) oder intellektueller (z.B. Marken) Natur. Dabei ist es irrelevant, ob sich die Schlüsselressourcen im eigenen Besitz des Unternehmens befinden, von ihm geleast oder von Schlüsselpartner gekauft wurden.
3.3.7. Schlüsselaktivitäten (Key Activities) Schlüsselaktivitäten bestimmen den Erfolg eines Unternehmens. Das sind die wichtigsten Dinge, die ein Unternehmen tun muss, damit sein Geschäftsmodell
funktioniert.
Die
schon
erwähnten Schaffung und Unterbreitung von
12
Wertangeboten, die Pflege von Kundenbeziehungen, die Entwicklung der eigenen Marke sowie die Erwirtschaftung von Gewinnen zählen dazu. Für ein Produktionsunternehmen ist es vor allem wichtig, sein Produkt in maßgeblichen Mengen und von hoher Qualität herzustellen. Bei Beratungsfirmen auf der anderen Seite ist die Problemlösung die wichtigste Schlüsselaktivität. Für Unternehmen wie z.B. Microsoft und Visa, bei denen eine Plattform die Schlüsselressource darstellt, beziehen sich die Schlüsselaktivitäten auf das Plattformmanagement, das Anbieten von Dienstleistung und das Bewerben der Plattform.
3.3.8. Schlüsselpartnerschaften (Key Partnerships) Dieser Baustein beschreibt das Netzwerk von Lieferanten und Partnern, die zum Gelingen des Geschäftsmodells beitragen. Partnerschaften zwischen
Unternehmen
werden
aus
verschiedenen Gründen eingegangen. Dadurch können Geschäftsmodelle optimiert, Risiken minimiert oder Ressourcen akquiriert werden. Osterwalder/Pigneur unterscheiden zwischen vier Arten von Partnerschaften: •
Partnerschaften zwischen Nicht-Wettbewerbern (stehen nicht in direkter Konkurrenz zueinander),
•
Strategische Partnerschaften zwischen Wettbewerbern,
•
Joint Ventures zur Entwicklung neuer Geschäfte,
•
Käufer-Anbieter Beziehungen (zur Sicherung zuverlässiger Versorgung).
Partnerschaften spielen eine wichtige Rolle beim Erfolg eines Unternehmens. Durch geschickte Auswahl der Partner kann ein Unternehmen Kosten und Risiken reduzieren, von Mengenvorteilen profitieren und Anspruch auf zusätzliches KnowHow erhalten. In einigen Branchen ist es sogar nicht unüblich, dass Unternehmen
13
auf einem Gebiet eine strategische Allianz gründen, während sie auf einem anderen Gebiet rivalisieren.
3.3.9. Kostenstruktur (Cost Structure) Unter diesem Baustein werden alle Kosten, die bei der Ausführung eines Geschäftsmodells anfallen, erfasst. Unternehmen müssen sich fragen, welche Kosten sind am wichtigsten bzw. welche Schlüsselressourcen und -aktivitäten sind
am
teuersten,
um
kostspieliger
als
eine
optimale
Kostenstruktur zu erzeugen. Manche
Geschäftsmodelle
sind
allerdings
andere.
Einige
Unternehmen – wie z.B. Luxushotels – konzentrieren sich mehr auf erstklassige Wertangebote, während andere einen Schwertpunkt auf Minimieren der Kosten setzten – wie z.B. Billigfluglinien. Bei der Kostenstruktur ist noch wichtig zwischen Fixkosten, die gleich ungeachtet der produzierten Menge oder Dienstleistungen bleiben, und variablen Kosten, die sich proportional zum Umfang der produzierten Waren oder Dienstleistungen verändern, zu unterscheiden.
3.4.
Pro und Cons
3.4.1. Vorteile Nach Osterwalder/Pigneur soll das Business Model Canvas als ein design- und innovationsorientiertes
Instrument
zur
Visualisierung
und
Entwicklung
von
Geschäftsmodellen etwas Neues darstellen. Dieses Instrument soll mit Hilfe von unterschiedlichen Visualisierungs-Tools und -Techniken eine Klarheit in die Analysephase der bestehenden Geschäftsmodelle vermitteln, und einen innovativen Ausgangspunkt für die kreative Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bilden.
14
Zu den Vorteilen des Business Model Canvas zählt vor allem seine übersichtliche Form, mit der auf nur einer Seite die wichtigsten Prozesse, Strukturen und Abläufe eines Unternehmens dargestellt werden können. Um das zu schaffen, empfehlen Osterwalder/Pigneur diverse Techniken für die Gestaltung von Geschäftsmodellen zu verwenden. Eine davon ist die so genannte Empathie-Karte22, ein nützliches Tool um Kunden und ihre Bedürfnisse bzw. Wünsche besser zu verstehen. Bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells ermöglicht das einem Unternehmen, sein Geschäft aus der Kundenperspektive zu betrachten und so das Umfeld, das Verhalten und die Motivlage eines typischen Kunden auszuleuchten. Eine weitere Technik ist das so genannte visuelle Denken23. Dabei geht es darum, Skizzen, Bilder, Diagramme und Klebezettel (Post-Its) als Möglichkeit der Veranschaulichung zu nutzen. Hier liegt der wichtigste Vorteil des Business Model Canvas. Eine Visualisierung sorgt für mehr Übersichtlichkeit und führt den Diskurs meistens vom Abstrakten zum Konkreten, was die Qualität der Auseinandersetzung deutlich erhöht. Ein Team, das ein Geschäftsmodell für sein Unternehmen entwickeln will, braucht am Beginn lediglich nur ein unausgefülltes Canvas (siehe Abbildung 1). Durch das einfache Einfügen und Verschieben von Post-Its entsteht eine Diskussion, welche wiederum das weitere Ausfüllen des Modells unterstützt. Dabei werden bestehende Geschäftsmodelle identifiziert bzw. Möglichkeiten aufgezeigt, wie neue Modelle entwickelt und umgesetzt werden können. 24 Diese Technik ist besonders wichtig, da sich oft erst durch eine bildhafte Auflösung das Große und Ganze eines Geschäftsmodells verdeutlichen lässt. Weitere Vorteile kann das Business Model Canvas bringen, wenn man mit der Technik Prototyping (Prototypen)
25
arbeitet. Das ist ein starkes Tool zur
Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsmodelle. Das Ziel ist – genau wie beim visuellen
Denken
–
abstrakte
Konzepte
begreifbar
zu
machen.
Ein
Geschäftsmodellprototyp kann alles sein, von der groben Skizze einer Idee auf einer Serviette über das detaillierte Business Model Canvas bis hin zu einem markttestfähigen Geschäftsmodell. Das Business Model Canvas bietet dabei eine 22
Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 135. Vgl. ebenda, S 150. 24 Vgl. Leimeister, J.M. (2015): Einführung in die Wirtschaftsinformatik, 12. Auflage, S. 202. 25 Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 164. 23
15
Struktur, um die Erforschung zu erleichtern. Es ist sinnvoll für ein Geschäft mehrere Geschäftsmodelle zu entwickeln, um die Vorteile und Nachteile jedes Modells zu analysieren. In diesem Zusammenhang stellen die Autoren Osterwalder/Pigneur in ihrem Buch „Business Model Generation“ acht Geschäftsmodellprototypen für eine Buchveröffentlichung
dar.
26
Die
Prototypen
reichen
von
dem
klassischen
„Verleger“ (keine Sorgen für den Autor, aber auch wenig Freiheit und kleinere Einnahmen) über dem „Print on Demand“ (keine Sorgen, dass das Buch vom Verleger abgelehnt wird, da es nur nach der Bestellung ausgedruckt wird) bis hin zum „Do-It-Yourself“ (höhere Kosten, aber dafür muss der Autor die Einnahmen nicht teilen). Diese Technik ermöglicht es einem Unternehmen, anhand von verschiedenen Geschäftsmodellen das optimale für sein Geschäft zu entwickeln. Im Mittelpunkt der Arbeit mit dem Business Model Canvas steht das Brainstorming als Technik Ideen zu generieren. Der Vorteil ist, dass die Gedanken direkt und ohne Formalisierung in das Canvas eingetragen werden können. Es ist vorerst keine Beschränkung bezüglich der Realisierung solcher Ideen gegeben, sodass alle Gedanken in das Canvas eingetragen werden können.27 Des Weiteren sehen viele Autoren die Arbeit mit Klebezetteln und weiteren Tools, die Business Model Canvas ermöglicht, sehr positiv, da eine visuelle Botschaft eines Sketches weitaus mehr aussagen kann, als ein einzelnes Wort.28 Ebenso vorteilhaft ist der von Osterwalder/Pigneur vorgeschlagene Prozess zur Business
Model
Gestaltung.
29
Dieser
Prozess
zur
Entwicklung
neuer
Geschäftsmodelle besteht aus fünf verschiedenen Phasen. Am Anfang ist es wichtig, das Projektteam zu mobilisieren. Dieses Team soll die Verantwortung für die Geschäftsmodellentwicklung tragen. In der zweiten Phase wird eine genaue Analyse des Unternehmens und anderer Faktoren, die einen Einfluss auf das Geschäft haben, durchgeführt. Dabei werden das Wettbewerbsumfeld, die aktuelle Marktsituation und die potenziellen Kunden ausführlich analysiert. Die dritte Phase zeichnet sich durch 26
Vgl. ebenda, S. 170. Vgl. Simmert, B.; Ebel, P. & Bretschneider, U. (2014): Empirische Erkenntnisse zur Nutzung des Business Model Canvas. In: Working Paper Series, Nr. 5, Kassel, Germany, S. 18. 28 Vgl. Fritcher, B.; Pigneur, Y. (2010): Supporting Business Model Modelling: A Compromise between Creativity and Constraints. In: D. England et al. (Eds), S 33. Internet-Quelle: http://www2.hec.unil.ch/wpmu/ypigneur/wp-content/uploads/sites/15/2010/03/10_Tamodia.pdf, Stand 01.06.2016 29 Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 252. 27
16
das oben erwähnte Prototyping aus. Hier beginnt die eigentliche Gestaltung des neuen Geschäftsmodells. Dabei werden mehrere Geschäftsmodelle entwickelt und erprobt. Anschließend wird der optimale Prototyp ausgewählt. Den Gegenstand der vierten Phase bildet die Implementierung des neuen Geschäftsmodells am Markt. Die letzte Phase umfasst das Steuern und Anpassen des Business Models aus.30 Obwohl die Autoren Osterwalder/Pigneur mit ihrem Business Model Canvas die Welt nicht neu erfunden haben, hat sich dieses Geschäftsmodell als besonders hilfreich für das Denken in Geschäftsmodellen erwiesen. 31 Zolnowski nennt als wichtigste Vorteile die weitverbreitete Anwendung in der Praxis und Forschung, einfache Anwendung in einem Management-Workshop und einen Ansatz, der leicht zu erlernen ist. 32 Weitere Autoren beschreiben das Business Model Canvas als ein einfaches,
leicht
verständliches
Visualisierungs-Tool,
das
Kreativität
und
Kommunikation bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells fördert. Simmert/Ebel/Bretschneider haben 11 Interviews mit Experten durchgeführt, um die gewonnenen Erkenntnisse aus der Literatur aufzugreifen. Die Experten zeichneten sich dadurch aus, dass sie das Business Model Canvas bereits angewandt haben oder aktuell mit dem Business Model Canvas gearbeitet haben. Die Ergebnisse wurden in ihrer Publikation „Empirische Erkenntnisse zur Nutzung des Business Model Canvas“ veröffentlicht. Als Vorteil dieses Geschäftsmodells wurde unter anderem angeführt, dass es eine Loslösung von der täglichen Arbeit und die Einnahme
einer
übergeordneten
Position
zur
Betrachtung
des
eigenen
Unternehmens darstellt, was eine vertiefende Analyse des Geschäfts ermöglicht.33 Des Weiteren wird auch von Experten das Business Model Canvas als PrototypingTool angesehen, anhand dessen verschiedene Varianten von Business Models erstellt werden können. Außerdem wurde vom größten Teil der Experten betont, dass 30
Vgl. Schallmo, D. (2013): Geschäftsmodell-Innovation: Grundlagen, bestehende Ansätze, methodisches Vorgehen und B2B-Geschäftsmodelle, S. 89. 31 Vgl. Furger, I.: Die erweiterte Business Model Canvas. In: Controller Magazin, CM September/Oktober 2013, Internet-Quelle: http://www.furger-partner.com/wpcontent/uploads/2013/08/VCW_CM5-13_RZ_S74-77_Einzel.pdf, Stand: 03.06.2016, S. 74. 32 Vgl. Zolnowski, A. (2015): Instrument Business Model Canvas, Publikation im Rahmen des Projekts „Produktivitätsmanagement für industrielle Dienstleistungen stärken“ (PROMIDIS), Internet-Quelle: https://www.inf.uni-hamburg.de/de/inst/ab/itmc/research/completed/promidis/instrumente/businessmodel-canvas, S. 1. 33 Vgl. Simmert, B.; Ebel, P. & Bretschneider, U. (2014): Empirische Erkenntnisse zur Nutzung des Business Model Canvas. In: Working Paper Series, Nr. 5, Kassel, Germany, S. 31.
17
das Business Model Canvas am vorteilhaftesten ist, wenn man es im Team verwendet. Dabei gilt es die Gruppendynamik zu nutzen, um Vorteile und Nachteile vorgeschlagener Geschäftsmodelle herauszukristallisieren. 34 Nicht weniger wichtig ist die Feststellung, dass ein mit Hilfe von Business Model Canvas entwickeltes Geschäftsmodell nur dann erfolgreich sein kann, wenn es ständig angepasst und überarbeitet wird. Neben zahlreichen Vorteilen sind in der Literatur bzw. in der Praxis auch diverse Schwächen und Verbesserungsvorschläge zu finden. Diese werden im Folgenden dargestellt.
3.4.2. Schwächen – was fehlt dem Business Model Canvas? Das Buch „Business Model Generation“, in dem vor allem das Business Model Canvas beschrieben wird, hat den Autoren Osterwalder/Pigneur viel Erfolg gebracht. Über 400 Unternehmen weltweit waren über eine Plattform direkt an der Entstehung des Buches beteiligt. Mittlerweile wurde das Buch in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Über 5.000.000 Menschen nutzen heute das Business Model Canvas.35 Obwohl das Business Model Canvas mit seiner praktischen Anwendbarkeit viel Positives in die Geschäftswelt gebracht hat, sind einige Schwächen und Verbesserungsvorschläge zu erkennen. Das Grundmodell des Business Model Canvas ist nicht schwer zu verstehen, die praktische Anwendung in der Praxis ist jedoch ein anspruchsvolles Vorhaben. Besonders komplex kann die Anwendung sein, wenn ein Unternehmen mehrere unterschiedliche Kundensegmente mit heterogenen Zielen hat. Als Beispiel kann man die Non-Profit Organisationen nennen, wo unterschiedliche Erwartungen bei Politik, Verwaltung und den unmittelbaren Anspruchsgruppen gegeben sind.36 Außerdem besteht beim Business Model Canvas die Gefahr einer reinen Status quo-Beschreibung, wenn man nicht präzise arbeitet.
34
Vgl. ebenda, S. 32. Daten wurden folgender Seite entnommen: www.businessmodelhub.com, Stand: 03.06.2016. 36 Vgl. Nagel, R. & Wimmer, R. (2009): Systemische Strategieentwicklung, Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider, 5. Aufl., S. 47. 35
18
In der schon erwähnten Untersuchung von Simmert/Ebel/Bretschneider37 haben die befragten Experten einige Verbesserungsvorschläge angeführt. Einer dieser Verbesserungsvorschläge ist, dass die bestehenden Verbindungen zwischen den einzelnen Bausteinen im Business Model Canvas noch nicht ausreichend berücksichtigt werden und einer genaueren Erläuterung bedürfen. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Fehlen von Einbindung der Unternehmensumwelt in das Business Model Canvas. Es werden keine externen Faktoren berücksichtigt, die eine erhebliche Auswirkung auf das Geschäft eines Unternehmens haben können. Hier wird vor allem auf das Umfeld, in dem sich das Unternehmen befindet, und die relevanten rechtlichen Rahmenbedienungen gedacht. Des Weiteren wird im Business Model Canvas nicht auf die Konkurrenzsituation des Unternehmens eingegangen. Es wäre sinnvoll, Ableitungen von der Konkurrenz zu generieren und die Veränderungen im Markt zu berücksichtigen.38 Ein weiterer Autor, Ignaz Furger, ist der Meinung, dass Business Model Canvas zwar eine Bereicherung im Bereich der Geschäftsmodelle darstellt, aber noch nicht vollständig ist. 39 Laut ihm fehlen in diesem Geschäftsmodell zwei Bausteine. Der erste wäre für das „lösungsunabhängige Kundenproblem“, und steht für das Kundenproblem, das ein Unternehmen lösen will. Dieser Baustein muss vom Produkt oder von der angebotenen Dienstleistung klar getrennt werden. Osterwalder/Pigneur gehen zwar teilweise mit dem Baustein „Wertangebote“ und mit der Empathiekarte40 auf die Kundenperspektive ein, dies ist aber aus Sicht von Furger nicht ausreichend. Der zweite Baustein heißt „Lösungstechnologien“ und steht für die technischen Lösungen, die hinter einem Produkt oder einer Dienstleistung stehen. Dieser Baustein wäre vor allem deswegen wichtig, da Technologien meist einen bestimmten Lebenszyklus haben und nach einer gewissen Zeit von neuen Technologien, die ein Kundenproblem besser und günstiger lösen, abgelöst werden.41
37
Siehe Kapitel 3.4.1. Vgl. Simmert, B.; Ebel, P. & Bretschneider, U. (2014): Empirische Erkenntnisse zur Nutzung des Business Model Canvas. In: Working Paper Series, Nr. 5, Kassel, Germany, S. 48. 39 Vgl. Furger, I.: Die erweiterte Business Model Canvas. In: Controller Magazin, CM September/Oktober 2013, Internet Quelle: http://www.furger-partner.com/wpcontent/uploads/2013/08/VCW_CM5-13_RZ_S74-77_Einzel.pdf, Stand: 03.06.2016, S 74ff. 40 Siehe Kapitel 3.4.1. 41 Vgl. Furger, I.: Die erweiterte Business Model Canvas. In: Controller Magazin, CM September/Oktober 2013, Internet Quelle: http://www.furger-partner.com/wpcontent/uploads/2013/08/VCW_CM5-13_RZ_S74-77_Einzel.pdf, Stand: 03.06.2016, S. 77. 38
19
Jeroen Kraaijenbrink, ein weltweit anerkannter holländischer Professor, sieht das Business Model Canvas als ein sehr nützliches Tool bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen, stellt aber auch drei Mängel fest.42 Seiner Meinung nach, fehlen im Business Model Canvas essenzielle Komponenten, die in jedem Geschäftsmodell berücksichtigt werden müssen. Die erste fehlende Komponente ist das Fehlen vom Unternehmenszweck. Es wird nicht berücksichtigt, was die Vision bzw. der Zweck des Unternehmens ist. Das Geschäftsmodell nimmt generell an, dass jede Unternehmung als primäres Ziel die Gewinnerzielung bzw. die Gewinnmaximierung hat. Diese Annahme ist bei vielen Unternehmen richtig, aber es ist bei weitem nicht das ultimative Ziel aller Unternehmen bzw. Organisationen. Das trifft vor allem auf Non-Profit Organisationen und Regierungsorganisationen, aber auch auf einige „normale“ Unternehmen zu. Der zweite Mangel laut Kraaijenbrink ist das Fehlen von Einbindung der Konkurrenzsituation des Unternehmens. Das Business Model Canvas orientiert sich nur an das Unternehmen und wie es Geld verdient. Konkurrenz ist eine wesentliche Komponente im Leben jedes Unternehmens und sollte daher bei der Entwicklung des Geschäftsmodells berücksichtigt werden. Wenn man z.B. ein Geschäftsmodell für ein Kino entwickeln möchte, ist es von essenzieller Bedeutung, die direkten Konkurrenten im Umfeld zu analysieren, besonders weil die potenziellen Kunden Produkte bzw. Dienstleistungen mehrerer Unternehmen vergleichen, bevor sie sich entscheiden. Die letzte fehlende Komponente ist, dass nicht alle neun Bausteine das gleiche Abstraktionsniveau haben. Die Konsequenz ist,
dass einige Bausteine –
wie
z.B.
die
Schlüsselressourcen und die
Schlüsselaktivitäten – mehr betont werden, weil sie in kleinere Elemente zersetzt wurden. Nach Kraaijenbrink können diese Bausteine zusammengefügt werden, ohne dabei das erkennbare Konzept des Business Model Canvas zu verlieren. Auch andere Autoren bestätigen die Wichtigkeit der oben dargestellten fehlenden Komponenten im Business Model Canvas. So betonen Brandenburger und Stuart, dass es wichtig ist, die strategischen Ziele eines Unternehmens bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen zu berücksichtigen.43 Magretta schreibt über die Bedeutung von Konkurrenten. 44 Auch wenn man das Business Model Canvas mit einigen 42
http://kraaijenbrink.com/2012/07/shortcomings-of-the-business-model-canvas/, Stand: 04.06.2016. Vgl. Brandenburger, A.M., & Stuart, H.W. (1996), Value Based Strategy. In: Journal of Economics & Management Strategy, 5 (1), S. 23. 44 Vgl. Magretta, J. (2002): Why business models matter. Harv Bus Rev, 80 (5), S. 89. 43
20
alternativen Geschäftsmodellen vergleicht, sind einige Stärken und Schwächen zu erkennen. Diese werden in 4.2. dargestellt.
3.5.
Praxisbeispiele
In diesem Kapitel werden zwei Beispiele aus der Praxis mit Hilfe von Business Model Canvas dargestellt. Dabei handelt es sich um zwei weltbekannte Dienstleistungen bzw. Produkte – Skype und Wii. Skype ist ein kostenloser Instant-Messaging-Dienst, der seit 2011 im Besitz von weltbekanntem Unternehmen Microsoft steht. Skype ermöglicht das kostenlose Telefonieren zwischen Skype-Kunden via Internet. Dieses Service hat die ganze Telekommunikationsbranche durcheinandergewirbelt. Das zweite Praxisbeispiel ist eine vom japanischen Unternehmen Nintendo entwickelte Spielkonsole Wii. Diese in 2006 veröffentlichte Spielkonsole hat vieles verändert, da sie mit einer speziellen Fernbedienung ausgestatten ist, durch die der Spieler die Handlung anhand von Körperbewegungen steuern kann.
3.5.1. Skype
Abbildung 2: Business Model Canvas von Skype 45
45
Quelle: www.businessmodelgeneration.com
21
Skype wurde im Jahr 2003 eingeführt und ist ein überzeugendes Beispiel für ein Freemium 46 -Muster. Skype hat eine gleichnamige Software entwickelt, die auf Computer oder Smartphones installiert werden kann. Diese Software ermöglicht ihren Anwender kostenlose Telefonanrufe von einem Gerät auf das andere vorzunehmen. Nur die Anrufe auf Festnetz- und Mobiltelefonen sind nicht gebührenfrei. Dafür hat Skype ein Premiumservice namens SkypeOut entwickelt, das sehr geringe Gebühren verlangt. Nach Auskunft von Skype gibt es mehr als 400 Millionen registrierte Nutzer. Am Anfang konnten viele Telefongesellschaften nicht verstehen, warum Skype kostenlose Telefonate anbot, und haben das Unternehmen nicht ernst genommen. Heute ist Skype nach Angaben des TelekommunikationsForschungsunternehmens
Teleography
der
weltgrößte
Anbieter
von
grenzüberschreitenden Telefondienstleistungen.47 Es ist daher interessant zu sehen, wie das Geschäftsmodell von Skype anhand von Business Model Canvas darzustellen
ist,
welche
Unterscheide
gegenüber
einer
klassischen
Telefongesellschaft es ausweist und was es so erfolgreich macht. Wie man der Abbildung 2 entnehmen kann, hat Skype mehrere Arten von Kunden: weltweite Internetnutzer, die nur gratis telefonieren möchten, Menschen, die zusätzlich auch Telefonanschlüsse anrufen wollen und Unternehmen, die an günstigen internationalen Anrufen interessiert sind. Die Wertangebote von Skype sind vor allem kostenlose Internet- und Videotelefonate, und zusätzlich billige Telefonate auf Festnetz- und Mobiltelefone. Skype.com und diverse HeadsetPartnerschaften stellen die Kanäle dar. Die Kundenbeziehungen werden vor allem durch das kostenlose Downloaden von Software und Kundenservice aufgebaut. 90 Prozent der Skype-Anwender zahlen keinerlei Gebühren. Nur geschätzte 10 Prozent der User sind zahlende Kunden. Gemeinsam mit Hardwareverkäufen stellen sie die Einnahmequellen von Skype dar. Die Schlüsselressourcen von Skype sind die Softwareentwickler, Softwareentwicklung
das
Software
ist
die
selbst wichtigste
und
die
Marke
Skype.
Schlüsselaktivität.
Zu
Die den
Schlüsselpartnerschaften zählen neben dem Besitzer Microsoft, noch diverse Provider
für
Zahlungsabwicklung,
Hardwarehersteller
und
Telekommunikationspartner, die die Anrufe auf Festnetz- und Mobiltelefone 46
Der Begriff „Freemium“ wurde von Jarid Lukin geprägt und steht für Geschäftsmodelle, die kostenlose Grunddienste mit bezahlten Premiumdiensten verbinden. 47 Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 102, 103.
22
ermöglichen. Die Kostenstruktur setzt sich aus Kosten für Softwareentwicklung, Marketing, Beschwerdemanagement und Gebühren für Partnerschaften zusammen. Der letzte Baustein ist der Grund, warum Skype gebührenfreie Telefonanrufe anbieten konnte. Seine Kostenstruktur unterscheidet sich vollkommen von der einer Telefongesellschaft. Da die Gratistelefonate komplett über das Internet durchgeführt werden, muss Skype nicht sein eigenes Netzwerk wie eine Telefongesellschaft verwalten und hat daher nur geringe Kosten für die Unterstützung zusätzlicher User. Die Schlüsselressourcen und –aktivitäten von Skype ähneln mehr denen einer Softwarefirma und daher hat Skype sehr niedrige Infrastrukturkosten. Neben Servern, welche die Nutzer-Accounts hosten, benötigt Skype nur sehr wenig seiner eigenen Infrastruktur. Weitere Unterschiede zwischen den Geschäftsmodellbausteinen von Skype und denen eines traditionellen Anbieters sind, dass die Kanäle und Kundenbeziehungen bei Skype hochgradig automatisiert sind. Sie benötigen praktisch keine menschliche Intervention, was zusätzliche Kosten erspart. Des Weiteren unterliegt Skype keinen Beschränkungen
traditioneller
Telekommunikationsnetzwerke,
weil
seine
Dienstleistung über das Internet vertrieben wird. Sein Geschäft ist hochgradig skalierbar.48 Skype ist ein gutes Beispiel, wie mit Hilfe von neuen Technologien – in diesem Fall das Internet – eine schon existierte Dienstleistung auf eine andere Art erfolgreich angeboten werden kann. Durch das rechtzeitige Erkennen dieser Möglichkeit, konnte Skype immer mehr Kunden für sich gewinnen, wodurch eine der lukrativsten Einnahmequellen der traditionellen Betreiber abgegraben wurde. Das beweist, wie wichtig es ist, ein Geschäftsmodell ständig zu überarbeiten und an die Veränderungen im Unternehmensumfeld anzupassen.
48
Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 160.
23
3.5.2. Wii
49
Abbildung 3: Business Model Canvas von Wii
Bevor Nintendo die Spielkonsole Wii im Jahr 2006 veröffentlicht hat, wurde der Spielkonsolenmarkt durch die Spielkonsolen Play Station von Sony und Xbox von Microsoft dominiert. Die Hersteller von diesen Konsolen zielten auf passionierte Spieler ab, für welche Grafik- und Spielqualität sowie Prozessorleistung die Hauptauswahlkriterien waren. Infolgedessen entwickelten sie extrem komplizierte und teure Konsolen und verkauften sie jahrelang mit Verlust, wobei sie die Hardware mit zwei anderen Einnahmequellen – durch Verkauf von eigenen Spielen und durch Tantiemen von anderen Spielentwicklern – subventionierten.50 Die finanzielle Situation von Nintendo vor der Einführung der Wii war sehr schlecht. Das Unternehmen verlor rapide Marktanteile und befand sich am Rande des Bankrotts. Die Wii hat alles verändert und hat das Unternehmen in die Marktführerposition katapultiert. Obwohl es sich bei der Spielkonsole Wii um das gleiche Muster (Double-sided-Platform-Geschäft 51 ) wie bei Play Station und Xbox 49
Quelle: www.businessmodelgeneration.com Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 86. 51 Bei Double-sided-Platforms handelt es sich um Plattformen, die zwei verschiedene, aber voneinander abhängige Kundegruppen zusammenbringen. Sie schöpfen Wert als Vermittler, indem sie diese Gruppen miteinander verbinden. Der Schlüssel liegt darin, dass die Plattform alle Gruppen gleichzeitig anziehen und bedienen muss, um Wert zu schöpfen. Z.B. eine Spielkonsole zieht nur dann Käufer an, wenn genügend Spiele für die Plattform verfügbar sind. Andererseits stellen 50
24
handelt, hat die Wii ein anderes Geschäftsmodell. Die Zielkunden von Wii waren nicht wie gewöhnt die Spielbesessenen, die einen kleineren, „traditionellen“ Markt darstellen, sondern die gelegentlichen Spieler, die deutlich in Überzahl sind. Mit relativ preiswerten Geräten und einer speziellen Fernbedienung, die eine Neuartigkeit war und Spaß bereitete, zog Wii eine enorme Anzahl von Gelegenheitsspielern
an.
Während
Sony
und
Microsoft
auf
brandaktuelle
Technologie setzte, die sich an passionierte Spieler richtete, fokussierte sich Nintendo auf ein Marktsegment, das weitaus weniger auf technologische Leistungsstärke achtete. Das war eine weitaus preiswertere technologische Innovation im Vergleich zu den neuen, leistungsstärkeren Chipsätzen, was dem Unternehmen Nintendo ermöglichte, auf verkaufsfördernde Subventionen zu verzichten. Im Unterschied zu den Konkurrenten Sony und Microsoft macht Nintendo Gewinn an jeder an Kunden verkauften Konsole und streicht die Tantiemen der Spieleentwickler ein.52 Die neun Bausteine des Business Model Canvas von Wii sind in der Abbildung 3 dargestellt. Wie man sehen kann, ist besonders im Baustein Kundensegmente ein anderer
Schwerpunkt
als
bei
„traditionellen“
Spielkonsolen.
Das
Hauptkundensegment von Wii sind nicht die Spielbesessene, sondern die Gelegenheitsspieler und Familien. Die Wii ist ein exzellentes Beispiel dafür, dass es keine „bewährte“ Lösung für einen vorhandenen Markt gibt. Wenn man bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells alle Faktoren gut analysiert und Mittel zur Steigerung der Kreativität – wie z.B. das Business Model Canvas – verwendet, können leicht neue unkonventionelle Ideen entstehen, die einen bestehenden Markt durcheinanderwirbeln können.
Spieleentwickler nur dann Spiele für eine neue Spielkonsole her, wenn sie bereits von einer maßgeblichen Zahl von Spielern benutzt wird. (Quelle: Business Model Generation, S. 82) 52 Vgl. Osterwalder, A. & Pigneur, Y. (2010): Business Model Generation, S. 87.
25
4
BUSINESS MODEL CANVAS VS. ALTERNATIVE GESCHÄFTSMODELLE
Neben dem schon dargestellten Business Model Canvas sind in der Literatur weitere Geschäftsmodelle vorhanden, die zur Beschreibung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens oder zur Entwicklung von neuen Geschäften dienen. In diesem Kapitel werden einige alternative Geschäftsmodelle dargestellt und anschließend mit dem Business Model Canvas verglichen.
4.1.
Alternative Geschäftsmodelle
4.1.1. Das wertbasierte Geschäftsmodell Das wertbasierte Geschäftsmodell ist ein universelles Geschäftsmodell, das auf verschiedene Organisationstypen und Branchen anwendbar ist. 53 Nach diesem Geschäftsmodell ist das primäre Ziel eines jeden Unternehmens die Schaffung von monetären
und
nicht-monetären
Werten
für
die
Anspruchsgruppen
des
Unternehmens (Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Kapitalgeber, Öffentlichkeit usw.) und das Unternehmen selbst. 54 Das wertbasierte Geschäftsmodell setzt sich aus sechs Dimensionen zusammen: 1. Das Leistungskonzept (Value Proposition) – was bietet eine Organisation an, das von Wert für Kunden ist? 2. Das Wertschöpfungskonzept (Value Creation) – wie werden Werte in einem Organisationssystem geschaffen? 3. Die Kanäle (Value Communication and Transfer) – wie werden die geschaffenen Werte dem Kunden kommuniziert und übertragen? 4. Das Ertragsmodell (Value Capture) – wie werden die geschaffenen Werte in Form von Erträgen durch das Unternehmen „eingefangen“? 5. Die Wertverteilung (Value Dissemination) – wie werden die Werte in der Organisation und an Anspruchsgruppen verteilt?
53
Vgl. Bieger, T.; zu Knyphausen-Aufseß, D. & Krys, C. (2011): Innovative Geschäftsmodelle, Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und unternehmerische Praxis, S. 31. 54 Vgl. ebenda, S. 32.
26
6. Das Entwicklungskonzept (Value Development) – wie wird die Grundlogik der Schaffung
von
Wert
weiterentwickelt,
um
die
Nachhaltigkeit
des
Geschäftsmodells in der Zukunft sicherzustellen?
Abbildung 4: das wertbasierte Geschäftsmodell
Dieses
Geschäftsmodell
ermöglicht
sowohl
den
55
statischen
Vergleich
von
Zeitpunktaufnahmen von Geschäftsmodellen als auch das Beschreiben ihrer dynamischen Entwicklung. Es kann auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen angewandt werden: auf der Ebene von ganzen Industrien, auf der Ebene von Unternehmen,
oder
für
einzelne
Geschäftseinheiten
oder
Produkte
eines
Unternehmens.56
4.1.2. Blue Ocean Strategy Ein Tool, das bei der Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen hilft und häufig verwendet wird, ist die Blue Ocean Strategie. Sie beschreibt einen systematischen Weg, wie man neue Geschäftsmodelle bzw. Märkte kreiert, die neue Nachfrage erzeugen und profitables Wachstum in Aussicht stellen.57
55
Quelle: Innovative Geschäftsmodelle, S. 33. Vgl. Bieger, T.; zu Knyphausen-Aufseß, D. & Krys, C. (2011): Innovative Geschäftsmodelle, Konzeptionelle Grundlagen, Gestaltungsfelder und unternehmerische Praxis, S. 60. 57 Vgl. Simmert, B.; Ebel, P. & Bretschneider, U. (2014): Empirische Erkenntnisse zur Nutzung des Business Model Canvas. In: Working Paper Series, Nr. 5, Kassel, Germany, S. 41. 56
27
Die Blue Ocean Strategie wurde von W. Chan Kim und Renee Mauborgne in 2005 entwickelt. Nach Blue Ocean Strategie wird der Markt in Red Oceans und Blue Oceans unterteilt. Unter Red Oceans versteht man die Gesamtheit der bestehenden Wirtschaftstätigkeit. Das sind vorhandene Märkte, wo es darum geht, die Konkurrenz zu schlagen und die bestehende Nachfrage zu nutzen. Unternehmungen orientieren und messen sich an direkten Konkurrenten, kopieren Neuerungen und Innovationen, was dazu führt, dass sie immer gleicher werden.58 Auf der anderen Seite beschreiben die Blue Oceans neue, zukünftige, durch ein Unternehmen selbst geschaffene Märkte, wo es noch keine oder kaum Konkurrenz gibt und dadurch eine neue Nachfrage geweckt wird. Der Sinn dahinter ist, Kunden und Nicht-Kunden einen neuen Nutzen anzubieten und Wettbewerbsvorteile für sich zu schaffen. Der Fokus dabei liegt auf dem Aufbau von neuen Markträumen, die wettbewerbsfrei sind und hohe Gewinne erlauben. Die Blue Ocean Strategie verwendet eine Reihe von Werkzeugen, mit deren Hilfe Unternehmen Blue Oceans erarbeiten können.59 Das Konzept der Blue Ocean Strategie ist relativ einfach und hat große Potenziale. Begonnen werden sollte mit der Analyse des gegebenen Marktes (Wo wird investiert? Was sind die Faktoren, die den Markt bestimmen? Welche Angebote am Markt sind schon vorhanden?). Danach müssen die wichtigsten Merkmale aus Kundenperspektive
erarbeitet
werden.
Deren
Ausprägungen
bei
den
Wettbewerbern bzw. ähnlichen Produkten wird eruiert und in der so genannten Wertkurve dargestellt.
58
Vgl. Magretta, J. (2002): Why business models matter. In: Harvard Business Review, Vol. 80 Nr. 5, S. 77. 59 Vgl. ebenda, S. 78.
28
60
Abbildung 5: Wertkurve – Beispiel aus der Autobranche
Die Erstellung einer eigenen Wertkurve hilft dem Unternehmen zu erkennen, was seine relative Leistung bezüglich der Wettbewerbsfaktoren im Vergleich zum Markt ist. Aufgebaut darauf werden im nächsten Schritt – das „Vier-Aktionen-Format“ – die innovativen Geschäftsmodelle entwickelt.61 Beim oben genannten Format werden die Kernelemente in vier Richtungen angepasst. Wertinnovation wird durch Eliminierung (welche der Faktoren, die in einer Branche als gegeben betrachtet werden, können weggelassen werden?), Reduzierung (welche Faktoren sollten deutlich unter den Branchenstand reduziert werden?), Steigerung (welche Faktoren sollten deutlich über den Branchenstandard erhöht werden?) und Kreierung (welche Faktoren sollten geschaffen werden, die von der Branche noch nie angeboten wurden?) erreicht.62
60
Quelle: Scheuss, R. (2012): Handbuch der Strategien. 220 Konzepte der weltbesten Vordenker, S. 305. 61 Vgl. ebenda, S. 306. 62 Vgl. ebenda, S. 308.
29
Abbildung 6: das Eliminiere-Reduziere-Erhöhe-Erschaffe Gitter
63
Die Abbildung 6 zeigt ein ergänzendes Analyseinstrument zum „Vier-AktionenFormat“, das hilft, zusätzlich zu den oben dargestellten Fragen Unternehmen dazu zu bringen, auch in allen vier Bereichen zu handeln, um eine neue Wertkurve zu erstellen. Die Blue Ocean Strategie verschafft mehrere Vorteile. Sie bringt Unternehmen dazu, gleichzeitig Differenzierungen von Konkurrenten und Niedrigkostenstrategie zu verfolgen. Ihre Anwendung ist leicht und führt zu einem großen Grad an Engagement. Des Weiteren ermöglicht sie Unternehmen, sich auf alternative Angebotsbereiche – die von der Konkurrenz noch nicht in Anspruch genommen wurde – zu fokussieren und somit die Chance auf Erfolg zu erhöhen.
4.1.3. Komponente eines Business Models anhand von Nespresso In der Zeit des sich ständig verändernden Wettbewerbsumfelds ist es von essentieller Bedeutung, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, mit dem man sich von anderen Konkurrenten differenzieren kann. Die Globalisierung und das Internet haben viele Veränderungen in die Unternehmenswelt gebracht. Je nachdem ob ein
63
Quelle: Scheuss, Ralph: Handbuch der Strategien. 220 Konzepte der weltbesten Vordenker, S 309.
30
Unternehmen rechtzeitig und richtig auf sie reagiert, können sie seine Zukunft entscheidend bestimmen.64 Für eine erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation sind folgende fünf Aspekte wichtig: Positionierung des Unternehmens am Markt (Positioning), Nutzungsfaktor (Product and service logic), Wertfaktor (Value creation logic),
Marketing-
Vertriebsfaktor (Marketing and sales logic) und Ertragsfaktor (Profit formula).65
Abbildung 7: Komponente eines Geschäftsmodells
66
Die Basis für eine erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation bildet die einzigartige und innovative Positionierung des Unternehmens am Markt. Kunden sollen sowohl materiellen als auch emotionellen Nutzen mit diesem Unternehmen bzw. seinen Produkten/Dienstleistungen verbinden. Nur so werden die Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens für sie unikal und nicht austauschbar. Die zweite Komponente stellt der Nutzungsfaktor dar und ist eng verbunden mit dem ersten Aspekt. Produkte und Dienstleistungen dienen als Tool, mit dem sich ein Unternehmen am Markt positioniert. Der Wertfaktor ist der nächste wichtige Aspekt bei der Geschäftsmodellinnovation. Es beschreibt, wie ein Unternehmen seine Aktivitäten und Prozesse gestaltet, um ein Produkt bzw. eine Dienstleistungen herzustellen und zu
vermarkten.
Dabei
muss
das
Unternehmen
entscheiden,
was
seine
Kernaktivitäten und –prozesse sind und welche davon will es alleine durchführen und 64
Vgl. Matzler, K.; Bailom, F.; von den Eichen, S.F. & Kohler, T. (2013). Business model innovation: coffee triumphs for Nespresso. In: Journal of Business Strategy, Vol. 34 No.2, S. 30. 65 Vgl. ebenda, S. 33. 66 Quelle: Matzler, K.; Bailom, F.; von den Eichen, S.F. & Kohler, T. (2013). Business model innovation: coffee triumphs for Nespresso. S 33.
31
welche an andere Partner auslagern. Besonders in heutiger Zeit, in der es dank Globalisierung keine industriellen Grenzen mehr gibt, macht es Sinn, einige Aktivitäten in Billiglohnländer auszulagern, um somit Kosten zu ersparen. Bei dem Marketing-Vertriebsfaktor sollte überlegt werden, wie man Kunden anlockt und langfristig behält. Diese Komponente muss in Übereinstimmung mit anderen Aspekten stehen. Der Ertragsfaktor stellt die letzte Komponente bei der Entwicklung eines innovativen Geschäftsmodells dar und setzt sich aus Einnahmequellen und Kostenstruktur zusammen. Es erklärt, wie ein Unternehmen Geld verdient.67 Ein gutes Beispiel, wie eine Geschäftsmodellinnovation erfolgreich implementiert werden kann ist das vom Schweizer Lebensmittelkonzern Nestle eingeführte Kaffeesystem Nespresso. Nespresso ist ein typisches Beispiel für ein „Razorblade“ Modell. 68 Alle fünf oben dargestellten Komponenten wurden innoviert, was Nespresso zum am schnellsten wachsenden Geschäftsbereich von Nestle gemacht hat.69 Der
Hauptgrund
für
den
Erfolg
von
Nespresso
war
die
Anpassung
an
Kundenwünsche. Mit einer speziellen Espresso-Maschine und einem Kapselsystem waren die Kunden in der Lage, Espresso in Restaurantqualität bequem zu Hause herstellen zu können. Außerdem konnte man einen individuellen Kaffee herstellen, in dem man zwischen verschiedenen Aromen wählen konnte. Dies alle führte zur unikalen Positionierung von Nespresso am Markt. Die zweite Komponente – der Nutzungsfaktor – steht ideal im Einklang mit der ersten Komponente. Mit ihrem Kapselsystem, das verschiedene Aromen ermöglicht und dafür sorgt, dass der Kaffee lange frisch bleibt, und dem exklusiven Kundenservice distanzierte sich Nespresso von anderen Anbietern. Auch der Wertfaktor spielt beim Erfolg von Nespresso eine wichtige Rolle. Da sich Nestle vor allem durch Herstellung und Marketing von Lebensmitteln auszeichnet, lagerte das Unternehmen die Herstellung
67
Vgl. Matzler, K.; Bailom, F.; von den Eichen, S.F. & Kohler, T. (2013). Business model innovation: coffee triumphs for Nespresso. In: Journal of Business Strategy, Vol. 34 No.2, S. 33. 68 Das „Razor-blade“ Modell oder das „Rasierklinge“ Modell beschreibt ein Modell, bei dem ein Produkt zum relativ angemessenen Preis angeboten wird (z.B. ein Rasierer) und der meiste Umsatz mit dem Verkauf vom zweiten Produkt (Rasierklinge), ohne dem das erste Produkt nutzlos ist, erzielt wird. Das Modell ist nach King Gillette, der bekannte Gillette Rasierer und Rasierklinge entwickelt hat, benannt. 69 Vgl. Matzler, K.; Bailom, F.; von den Eichen, S.F. & Kohler, T. (2013). Business model innovation: coffee triumphs for Nespresso. In: Journal of Business Strategy, Vol. 34 No.2, S. 34.
32
von Kaffeemaschinen an externe Partner und Spezialisten. Somit konnte sich Nestle voll auf die Weiterentwicklung des Nespresso Systems, Herstellung von diversen Kaffeearomen und Vermarktung konzentrieren. Was den Marketing-Vertriebsfaktor betrifft, führte auch hier Nespresso ein paar Neuigkeiten ein. Internet-Bestellungen (mit direkten Hauszustellungen), exklusive Kaffeeshops mit direktem Kundenkontakt, Werbungen mit Prominenten („Nespresso. What else?“ mit George Clooney) und ein Nespresso-Klub mit mehr als sieben Millionen Mitglieder verschaffen dem Unternehmen ein einzigartiges Image. Der Ertragsfaktor basiert – wie bereits erwähnt – auf dem „Razor-blade“ Modell. Nespresso verdient das Geld primär durch den Verkauf von Kapseln und nicht von Kaffeemaschinen.70 Die fünf dargestellten Komponenten der Geschäftsmodellinnovation können einem Unternehmen helfen, sich von seinen Konkurrenten zu differenzieren. Dabei ist wichtig,
jede
Komponente
ausführlich
zu
analysieren
und
nach
den
unkonventionellen Ideen zu suchen. Das Beispiel Nespresso zeigt, dass mit innovativen Ansätzen auch auf einem bestehenden Markt eine unikale Positionierung erreicht werden kann. Obwohl die Idee Kaffee in Kapseln zu verkaufen mehrmals kopiert worden ist, konnte keine andere Unternehmung Nespresso in Gefahr bringen, weil Nespresso ein einzigartiges Geschäftsmodell entwickelt hat, das sehr schwierig zu kopieren ist.
4.2.
Vergleich mit dem Business Model Canvas
Allgemein kann festgestellt werden, dass sowohl das Business Model Canvas als auch die restlichen hier dargestellten Geschäftsmodelle positive Auswirkungen bei der Analyse und/oder Entwicklung von neuen Geschäften haben können. Das Business Model Canvas bietet Unternehmen viele Möglichkeiten, ihr Geschäft zu analysieren, an die Veränderungen im Umfeld anzupassen und kreative neue Wege einzuschlagen. Mit diversen Tools – wie z.B. Empathie Karte, visuelles Denken und Prototypen – sind Unternehmen imstande, sich in die Lage der Kunden zu versetzen, bestehende Geschäftsmodelle von einer anderen Perspektive zu sehen und Kreativität bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu fördern. Dazu eignet sich 70
Vgl. Matzler, K.; Bailom, F.; von den Eichen, S.F. & Kohler, T. (2013). Business model innovation: coffee triumphs for Nespresso. In: Journal of Business Strategy, Vol. 34 No.2, S 34ff.
33
besonders die Arbeit mit Klebezetteln und Skizzen, die von Osterwalder/Pigneur empfohlen wird. Des Weiteren punktet das Business Model Canvas mit dem Prozess zur Business Model Gestaltung. Bestehend aus fünf verschiedenen Phasen ist es ein nützlicher Begleiter bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen. Vergleicht
man
das
Business
Model
Canvas
mit
anderen
alternativen
Geschäftsmodellen, sind einige Schwächen dieses Geschäftsmodells zu erkennen. Obwohl das Grundmodell nicht schwer zu verstehen ist, ist die praktische Anwendung in der Praxis ein anspruchsvolles Vorhaben und endet manchmal in einer reinen Status quo-Beschreibung. Des Weiteren erkennt man beim Business Model Canvas das Fehlen von Einbindung der Unternehmensumwelt, was zur NichtBerücksichtigung von externen Faktoren führt. Besonders wichtig wäre die Berücksichtigung von relevanten rechtlichen Rahmenbedienungen, da das eine erhebliche Auswirkung auf das Geschäft eines Unternehmens haben kann. Außerdem wird der betroffene Markt im Business Model Canvas nicht dargestellt. Es ist von essenzieller Bedeutung sich zu fragen, auf welchem Markt investiert werden soll, was sind die Faktoren, die den Markt bestimmten, welche Angebote bestehen schon am Markt usw. Das sind klare Nachteile im Vergleich zur Blue Ocean Strategie, die Unternehmen dazu bringt, ihr Umfeld und ihre Konkurrenten zu analysieren, um ein ganz neues oder alternatives Angebot verbreiten zu können. Auch die fünf Komponenten eines Geschäftsmodells dargestellt in 4.1.3. gehen auf die Konkurrenzsituation ein und beschäftigen sich mit der Fragen, wie sich ein Unternehmen am Markt zu seinen Konkurrenten differenzieren kann. Außerdem fehlt beim Business Model Canvas die Kundenperspektive. Mit der Empathie-Karte und mit dem Baustein „Wertangebote“ gehen Osterwalder/Pigneur zwar teilweise auf die Kundenperspektive ein, dies ist aber nicht ausreichend und im Modell selbst nicht klar dargestellt. Diesbezüglich eignet sich das im Kapitel 4.1.1. erläuterte wertbasiere Geschäftsmodell besser, weil es sich in seinen sechs Dimensionen mehr auf die Kundenwünsche und –bedürfnisse fokussiert. Besonders in den Dimensionen „Leistungskonzept“ und „Wertverteilung“ wird auf das „Kundenproblem“, das Unternehmen versuchen zu lösen, eingegangen.
34
Wenn man das Business Model Canvas mit den fünf Komponenten einer Geschäftsmodellinnovation vergleicht, ist es ersichtlich, dass sich das von Osterwalder/Pigneur beschriebene Modell nicht mit dem Unternehmenszweck beschäftigt. Es wird nicht berücksichtigt, was die Vision bzw. der Zweck des Unternehmens ist und welche Wege es in Zukunft einschlagen möchte. Dieser Aspekt wird in der ersten Komponente – Positionierung des Unternehmens am Markt – berücksichtigt und sollte die Basis eines jeden Geschäftsmodells bilden. Der Zweck eines Unternehmens und seine Vision müssen sich in jedem Aspekt des Geschäftsmodells widerspiegeln und somit das ganze Geschäftsmodell bestimmten. Dieser kurze Vergleich zeigt, dass das Business Model Canvas zwar eine gelungene Innovation in der Welt von Geschäftsmodellen darstellt und die Möglichkeit für neue Impulse schafft, aber auch gleichzeitig, dass es nicht vollständig ist und einige Schwächen hat.
35
5
CONCLUSIO
Durch die Globalisierung von Zulieferer- und Absatzmärkten und die steigende Technologisierung beschleunigte sich der Wandel verschiedenster Faktoren in der Unternehmenswelt.
Das
führte
zur
permanenten
Veränderung
von
Wettbewerbsvorteilen, zur verkürzten Lebenszyklen von Produkten und einem sich ständig verändernden Unternehmensumfeld. Für den Erfolg reicht nicht mehr aus, nur eine innovative Geschäftsidee zu haben. Vielmehr müssen Unternehmen in der Lage sein, sich ständig an verändernde Rahmenbedienungen anzupassen. Und dafür ist ein gut strukturiertes Geschäftsmodell von essentieller Bedeutung. Ein gut strukturiertes Geschäftsmodell zu entwickeln ist aber nicht einfach. Es müssen
viele Aspekte bedacht und analysiert
werden:
betroffener Markt,
Konkurrenzsituation, Kunden und ihre Bedürfnisse, Partnerschaften, rechtliche Rahmenbedienungen am betroffenen Markt, Trends und zukünftige Veränderungen. Für Bailom/Anschober ist besonders der letzte Aspekt für den Erfolg entscheidend: „Strategisches Denken ist in einem Kern antizipatives Denken. Antizipation setzt voraus, dass man imstande ist, möglichst konkrete Vorstellungen über die Zukunft zu entwerfen. Dies impliziert, dass die Zeichen der Zeit gesehen, verstanden und im Kontext unternehmerischen Tuns richtig interpretiert werden.“ 71 Und genau dieser Aspekt bereitet vielen Unternehmen am meisten Schwierigkeiten. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das von Autoren Osterwalder/Pigneur entwickelte Business Model Canvas erläutert. Dieses Geschäftsmodell stellt eine innovative Erneuerung in der Unternehmenswelt dar und hilft Unternehmen, bestehende Geschäftsmodelle zu identifizieren, anzupassen und neue zu entwickeln. Anhand von neun grundlegenden Bausteinen soll beschrieben werden, aufgrund welcher Logik ein Unternehmen Geld verdient bzw. verdienen möchte. Diese Bausteine decken die vier wichtigsten Bereiche eines Unternehmens ab: Kunden, Angebot, Infrastruktur und finanzielle Aspekte. Das Business Model Canvas – mit Hilfe von unterschiedlichen Visualisierungs-Tools und Techniken – vermittelt eine Klarheit in die Analysephase der bestehenden 71
Bailom, F. & Anschober, M. (2010). Zukunft gestalten…Überdenken Sie Ihr Denkmodell. IMP Perspektives 02, 2010/11, S. 16.
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Geschäftsmodelle und bildet einen innovativen Ausgangspunkt für die kreative Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Zu den Vorteilen zähen vor allem seine übersichtliche Form und diverse kreative Tools, um sich mit den wichtigsten Bereichen eines Unternehmens auseinanderzusetzen. Außerdem ist es ein guter Ausgangspunkt für weitere Diskussionen über den Status quo eines Unternehmens und seine Entwicklung in der Zukunft. Es fördert die Kreativität und ermöglicht eine vertiefende Analyse des Geschäfts. Anhand von zwei Praxisbeispielen – Skype und Wii – wurde gezeigt, wie eine schon existierende Dienstleistung auf eine andere Art angeboten werden kann und dass es keine „bewährte“ Lösung für einen vorhandenen Markt gibt. Wenn bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells alle Faktoren gut analysiert und Mittel zur Steigerung der Kreativität – wie z.B. das Business Model Canvas – verwendet werden, können neue unkonventionelle Ideen entstehen, die einen bestehenden Markt durcheinanderwirbeln können. Des Weiteren wurden ein paar alternative Geschäftsmodelle dargestellt und anschließend mit dem Business Model Canvas verglichen. Dieser Vergleich hat einige Schwächen des Business Model Canvas gezeigt. Bei der Anwendung dieses Geschäftsmodells besteht manchmal die Gefahr einer reinen Status quoBeschreibung des Unternehmens. Des Weiteren wird dieses Modell für NichtEinbindung von Unternehmensumwelt und externen Faktoren, die eine erhebliche Auswirkung auf den Erfolg von Unternehmen haben können, kritisiert. Als Schwächen werden außerdem die fehlende Kundenperspektive und die NichtBerücksichtigung vom Unternehmenszweck bzw. –vision angeführt. Im Business Model Canvas wird generell angenommen, dass jede Unternehmung als primäres Ziel die Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung hat, was bei vielen Unternehmen richtig ist, aber bei weitem nicht das ultimative Ziel aller Unternehmen bzw. Organisationen ist. Dennoch hatten die Autoren des Buches „Business Model Generation, in dem das Business Model Canvas dargestellt wurde, viel Erfolg. Obwohl Alexander Osterwalder und Yves Pigneur mit ihrem Geschäftsmodell die Welt nicht neu erfunden haben, hat sich dieses Geschäftsmodell als besonders hilfreich in 37
Unternehmenswelt erwiesen. Es ist eine gelungene Innovation und kann – trotz aller Schwächen – bei der Analyse der vorhandenen bzw. bei der Entwicklung der neuen Geschäftsmodelle neue Impulse setzen. In dieser Forschungsarbeit möchte ich nun einen Schritt weitergehen und ein aus meiner Sicht optimales Geschäftsmodell darstellen. Die zwei Hauptfelder meines Modells bilden das „Value Propositions“ und das „Corporate Purpose“, da jedes Unternehmen gleich zu Beginn wissen sollte was sein Ziel und seine Vision ist, und mit welchen Produkten es einen bestimmten Markt erobern will. Die weiteren wichtigen Bausteine auf der rechten Seite meines Modells – wie beim Business Model Canvas – sind „Customer Segments“ und „Channels“. Mit dem Baustein „Competition & Environment“ soll der Fokus mehr auf die Konkurrenz und das Umfeld des Unternehmens gelegt werden. Konkurrenz und Umfeld sind wesentliche Komponenten im Leben jedes Unternehmens und sollten daher bei der Entwicklung des Geschäftsmodells berücksichtigt werden. Eine vertiefende Analyse in diesem Zusammenhang ist von essenzieller Bedeutung, da auch
die
potenziellen
Kunden
Produkte
bzw.
Dienstleistungen
mehrerer
Unternehmen vergleichen, bevor sie sich entscheiden. Dieser Baustein sollte Unternehmen helfen, sich am Markt zu seinen Konkurrenten zu differenzieren. Die Bausteine „Revenue Streams“ und „Cost Structure“ würde ich unverändert übernehmen, da sie zeigen sollen, ob ein Unternehmen profitabel agiert bzw. wie es seine Kosten reduziert und Einnahmen erhöht werden kann. Auf der linken Seite meines Geschäftsmodells würde ich zu den „Key Partnerships“, die zum Erfolg jedes Unternehmens beitragen, zwei weitere neue Bausteine hinzufügen. Mit dem Feld „Problem & Solution“ sollten Unternehmen rechtzeitig erkennen können, was zu der Zeit am Markt nachgefragt wird und wie sie diese Nachfrage
befriedigen
können.
Hier
muss
sich
ein
Unternehmen
in
die
Kundenperspektive versetzten und versuchen zu erkennen, was der Kunde will und wofür er bereit zu bezahlen ist.
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Ein weiterer wichtiger Baustein in meinem Geschäftsmodell ist die „Technology“. Dieses Feld sollte Unternehmen dazu bringen, die aktuellen und kommenden Technologien zu untersuchen, um den Bedarf nach bestimmten Produkten und Dienstleistungen frühzeitig zu erkennen.
Abbildung 8: Business Model Hibic
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Literaturverzeichnis
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