Bündnis gegen Ämterschikane

Göttingen, August 2008

Blick in eine Feudalstaatsnische ? Erwerbslose bewerten ihr Job-Center

Befragung von Hartz-IV-BezieherInnen zur Arbeit ihrer LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen beim Job-Center Göttingen in der Zeit vom 31.1.2008 bis 31.7.2008

Kontakt : [email protected] www.die-soziale-bewegung.de/2008/zahltag_begleitschutz/goettingen.html

Verantwortlich : Gloria Dohm, Angelika Bartusch, Göttingen

3

Inhaltsverzeichnis Kurzfassung Fragebogen

Seite

4 5/6

1.

Ausgangspunkt und Ziel der Befragung

7

2.

Methodik der Befragung

7

3.

Ergebnisse der Befragung (in Reihenfolge des Fragebogens)

9

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

Fachkenntnisse und Informationsvermittlung Sorgfalt bei Antragsbearbeitung/ im Vermittlungsgespräch Persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen Persönliches Verhalten bei der Kostenregelung Persönliches Verhalten bei der Arbeitsvermittlung Gesamtbewertung der Arbeitsleistung der Beschäftigten Blick in eine Feudalstaatsnische ? Erwerbslose nennen Erfahrungen mit Beschäftigten des Job-Centers Göttingen

9 9 10 12 14 15 15

4.

Zusammenfassung, Stellungnahme und Schluss

20

5.

Anhang 1: Grafiken Grafik 1 : Fachkenntnisse und Informationsvermittlung Grafik 2 : Fachkenntnisse und Informationsvermittlung (summiert) Grafik 3 : Sorgfalt bei der Antragsbearbeitung Grafik 4 : (Fehl-)Verhalten bei der Antragsbearbeitung Grafik 5 : Vermittlungsgespräch durch ArbeitsvermittlerInnen Grafik 6 : Persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen Grafik 7 : Persönliches Verhalten bei der Kostenregelung Grafik 8 : Persönliches Verhalten bei der Arbeitsvermittlung Grafik 9 : Gesamtbewertung der Arbeitsleistung Grafik 10 : Gesamtbewertung (summiert)

23 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

6.

Anhang 2 : Flyer

33

7.

Literaturverzeichnis

35

4

Fragebogenaktion des Bündnisses gegen Ämterschikane beim Job-Center Göttingen in der Zeit vom 31.1. 2008 bis 31.7.2008 Kurzfassung Göttingen (Stadt und Landkreis) ist eine von insgesamt 69 sogenannten Optionskommunen, d.h. Stadt und Landkreis betreuen und vermitteln Langzeiterwerbslose seit 2005 in Eigenregie, wobei die Stadt Göttingen die Betreuungs- und Vermittlungsaufgaben im Auftrag des Landkreises erfüllt. Ausgangspunkt der vorliegenden Befragung war die Erfahrung zahlreicher Erwerbsloser in Göttingen, dass ihnen im Job-Center der Stadt nicht in der Weise geholfen wird wie man dies von einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes und insbesondere von einer Sozialeinrichtung erwarten können müsste. Betroffene machten die Erfahrung, dass im Job-Center Göttingen teils überaus engagiert gearbeitet wird, teils aber auch drangsaliert, schikaniert und rechtswidrig gehandelt wird. Es stellte sich die Frage, ob die unguten Praktiken zufällig und Ausnahmeerscheinungen sind (These) oder System haben. Zur Klärung der Frage haben Hartz-IV-Betroffene Erwerbslose nach ihren Erfahrungen im Job-Center Göttingen, insbesondere nach den Verhaltensweisen der LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen befragt. Ziel der Befragung war es, Langzeiterwerbslose über ihre Ansprüche/Rechte sowie über konkrete Praktiken im Job-Center Göttingen zu informieren, Druck auf das Job-Center auszuüben, damit Erwerbslosen respektvoll begegnet wird und damit Erwerbslose rechtmäßige und den Entscheidungen der Sozialrechtsprechung entsprechende Bescheide erhalten. Zudem sollte die Position derjenigen Beschäftigten gestärkt werden, die ihre Arbeit – wenn auch lediglich im Rahmen der HartzIV-Gesetzgebung – schon heute so gut wie möglich zu machen versuchen. Es wurden in einem Zeitraum von sechs Monaten Langzeiterwerbslose vor dem Job-Center Göttingen befragt (n = 200), ihre Einschätzungen, Noten zur Arbeitsqualität und zum Verhalten der Beschäftigten sowie persönliche Bemerkungen festgehalten, ausgewertet und dokumentiert. Kernpunkte der Befragung waren (siehe Fragebogen) : -

Fachkenntnisse und Informationsvermittlung der Beschäftigten Sorgfalt bei der Antragsbearbeitung, persönliches Verhalten der Beschäftigten im Umgang mit Erwerbslosen, persönliches Verhalten der Beschäftigten bei der Kostenregelung, persönliches Verhalten der Beschäftigten bei der Arbeitsvermittlung.

Schlagwörter : Hartz IV, Langzeiterwerbslose, Befragung, Verhalten der Beschäftigten im Job-Center, Beratungsqualität, Qualität der Antragsbearbeitung, Qualität der Arbeitsvermittlung

Bewertungsbogen für LeistungssachbearbeiterInnen (Bitte kreuzen Sie alle Kästchen an, die zutreffen)

Name (SachbearbeiterIn): _______________ 1.

Fachkenntnisse und Informationsvermittlung  sehr gut

2.

 gut

 zufrieden stellend

 unzulänglich

 grottenschlecht

Sorgfalt bei Antragsbearbeitung  arbeitet absolut umsichtig, zuverlässig, schnell und richtig (im Rahmen von Hartz IV)  arbeitet zufriedenstellend, ohne besondere Höhen und Tiefen  arbeitet - was Sorgfalt/Kommunikation anbelangt - unzulänglich *  macht auf Rechtsansprüche ungefragt und gezielt aufmerksam  lässt sich Unterlagen mehrfach vorlegen  lässt sich Erklärungen mehrfach unterschreiben  verliert Unterlagen, bis hin zu ganzen Akten  lehnt mündlich vorgetragene Anträge schon mal auf der Stelle ab  versucht, schriftliche Anträge zu unterbinden  Bearbeitungsdauer (von Antragstellung bis Bewilligung): _____Tage_____Wochen_____Monate *  bearbeitet Anträge manchmal überhaupt nicht  lässt sich schriftlich erklären, dass sie/er zusätzl. persönliche Daten der/des Arbeitslosen erheben darf

3. Persönliches Verhalten im Umgang mit Arbeitslosen  ist interessiert, respektvoll, freundlich, engagiert  zeigt Verständnis für, Einfühlungsvermögen in die prekäre Lage von Arbeitslosen  ist über Ursachen und Verursacher sowie Profiteure/Nutznießer der Arbeitslosigkeit informiert *  ist entgegenkommend und auch mal kurzfristig/ohne Termin zu erreichen  gibt sich besondere Mühe wenig Mühe im Umgang mit arbeitslosen MigrantInnen *  berät ausschließlich nach Termin bzw. besteht auf schriftlichem Kontakt *  versieht Einladungen (auch erbetene) stets mit Androhung einer Regelsatzkürzung bei Nichterscheinen *  lehnt es ab, Arbeitslose in Begleitung zu beraten  erscheint desinteressiert, handelt respektlos (bis hin zur persönlichen Beleidigung)  droht schnell mit Leistungskürzungen (selbst wenn sie unzulässig sind)  hat bereits eine/mehrere Leistungskürzung(en) ausgesprochen  mutmaßt bei Arbeitslosen schon mal Arbeitsscheu, Unfähigkeit, Asozialität  versucht einzuschüchtern, wird lautstark, schreit Arbeitslose auch mal an  scheint sich nicht als DienstleisterIn, sondern eher als ErzieherIn, Vormund, „DompteurIn“ zu betrachten

4. Persönliches Verhalten bei der Kostenregelung von ALG II  schöpft die rechtlichen Möglichkeiten zum Vorteil von Arbeitslosen voll aus (auch Ermessen)  ist bemüht, problemadäquat und korrekt zu entscheiden  entschuldigt sich bei fehlerhafter Entscheidung und korrigiert sie umgehend  lässt sich bei Antragstellung regelhaft Kontoauszüge für mehrere Monate vorlegen  verletzt den Datenschutz (verlangt z.B. für Mietnachweis Unterschrift des Vermieters)  reagiert restriktiv bei hohen Mietkosten (droht z.B. Kürzung vor Ablauf von 6 Monaten an)  zahlt bei Umzug nur die geringere Miete, auch wenn die neue Miete im Limit liegt  lehnt Kostenübernahme (Heizung, Warmwasser) in voller Höhe ab (bewilligt erst nach Widerspruch/Klage)  scheint bemüht zu sein, möglichst wenig an arbeitslose MigrantInnen zu zahlen *  scheint bemüht zu sein, möglichst wenig an Arbeitslose zu zahlen  hat meiner Meinung nach bereits einmal zuwenig gezahlt  lässt Arbeitslose auf Leistungen schon mal länger, als es nötig zu sein scheint, warten

5. Besondere Vorkommnisse, Erfahrungen, persönliche Bemerkungen, Sonstiges __________________________________________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________________________________________

6. Gesamtbewertung:

1

2

(Bitte kreuzen Sie eine Gesamtnote/Zensur an)

3

4

5

6

Bündnis gegen Ämterschikane, Göttingen

Bewertungsbogen für ArbeitsvermittlerInnen (Bitte kreuzen Sie alle Kästchen an, die zutreffen)

Name (ArbeitsvermittlerIn): _______________ 1. Fachkenntnisse und Informationsvermittlung  sehr gut

 gut

 zufrieden stellend

 unzulänglich

 grottenschlecht

2. Sorgfalt bei Antragsbearbeitung/ im Vermittlungsgespräch  arbeitet absolut umsichtig, zuverlässig, schnell und richtig – im Rahmen von Hartz IV  arbeitet zufriedenstellend, ohne besondere Höhen und Tiefen  arbeitet - was Sorgfalt/Kommunikation anbelangt – unzulänglich *  macht auf Rechtsansprüche ungefragt und gezielt aufmerksam  erfragt berufliche Interessen und Stärken nach Selbsteinschätzung der/des Arbeitslosen *  gibt Tipps und Ratschläge zu möglichen/neuen Arbeitgebern und Arbeitsfeldern * ⇒ besteht auf „Eingliederungsvereinbarung“, die für Arbeitslose  spezif. Pflichten, die  Zustimmung zu Regelsatzkürzung (bis 100%) und  Schadensersatzleistung (bis 30%; bei Nichtantritt/Abbruch einer Bildungsmaßnahme) enthalten, für Vermittler lediglich Aufgaben (ohne Sanktionen), für die er ohnehin bezahlt wird * ⇒ bewilligt zuverlässig Kostenerstattung für 52 schriftliche Bewerbungen à 5 Euro/Bewerb.  ja  nein *  lässt sich schriftlich erklären, dass sie/er persönliche Daten der/des Arbeitslosen weitergeben darf *

3. Persönliches Verhalten im Umgang mit Arbeitslosen  ist interessiert, respektvoll, freundlich, engagiert  zeigt Verständnis für, Einfühlungsvermögen in die prekäre Lage von Arbeitslosen (ermutigt/ tröstet z.B. bei Misserfolgen)  ist über Ursachen und Verursacher sowie die Profiteure/Nutznießer der Arbeitslosigkeit informiert *  ist entgegenkommend und auch mal kurzfristig/ohne Termin zu erreichen  berät ausschließlich nach Termin bzw. besteht auf schriftlichem Kontakt *  versieht Einladungen (auch erbetene) stets mit Androhung einer Regelsatzkürzung bei Nichterscheinen *  entschuldigt sich bei fehlerhafter Entscheidung und korrigiert sie umgehend  lehnt es ab, Arbeitslose in Begleitung zu beraten  erscheint desinteressiert, handelt respektlos (bis hin zur persönlichen Beleidigung)  droht schnell mit Leistungskürzungen (selbst wenn sie unzulässig sind)  hat bereits eine/mehrere Leistungskürzung(en) ausgesprochen  mutmaßt bei Arbeitslosen schon mal Arbeitsscheu, Unfähigkeit, Asozialität  versucht einzuschüchtern, wird lautstark, schreit Arbeitslose auch mal an  scheint sich nicht als DienstleisterIn, sondern eher als ErzieherIn, Vormund, „DompteurIn“ zu betrachten

4. Persönliches Verhalten bei der Arbeitsvermittlung  unterstützt engagiert und unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitslosen die Arbeitsaufnahme – im Rahmen ihrer/seiner Möglichkeiten  macht beruflich passende/interessierende Weiterbildungsangebote  vermittelt in existenzsichernde sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze  vermittelt lediglich in ABM, 400-Euro-Jobs, 1-Euro-Jobs, Praktika  vermittelt in 400-Euro-Jobs, die keine Perspektive auf eine existenzsichernde Stelle aufweisen  vermittelt auch in 1-Euro-Jobs, wenn keine gesundheitlichen/sozialen Einschränkungen vorliegen  vermittelt in Stellen, die eher ab- als weiterqualifizieren  vermittelt gezielt dorthin, wohin der Arbeitslose nicht will (z.B. wegen Familienbindung)  schickt Schein-Arbeitsangebote zu und lässt sich über Bewerbungsmisserfolge (schriftlich) berichten  macht keine Arbeitsangebote, aber Vorwürfe wg. Arbeitslosigkeit/vorgeblich mangelhafter Eigenbemühungen  mutmaßt schon mal persönliche, gesundheitliche/psychische/Alkohol-/Drogenprobleme, obgleich es hierfür keine Anhaltspunkte gibt

5. Besondere Vorkommnisse, Erfahrungen, persönliche Bemerkungen, Sonstiges __________________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________________

6. Gesamtbewertung:

1

(Bitte kreuzen Sie eine Gesamtnote/Zensur an)

2

3

4

5

 6

Bündnis gegen Ämterschikane, Göttingen

Reichtum kommt von von Armut 1. Ausgangspunkt und Ziel der Befragung Göttingen (Stadt und Landkreis) ist eine von insgesamt 69 sogenannten Optionskommunen, d.h. Stadt und Landkreis betreuen und vermitteln Langzeiterwerbslose seit 2005 in Eigenregie, wo-. bei die Stadt Göttingen die Betreuungs- nund Vermittlungsaufgaben im Auftrag des Landkreises erfüllt. Ausgangspunkt der folgenden Befragung war die Erfahrung zahlreicher Erwerbsloser in Göttingen, dass ihnen im Job-Center der Stadt nicht in der Weise geholfen wird wie man dies von einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes und insbesondere von einer Sozialeinrichtung erwarten können müsste. Betroffene machten die Erfahrung, dass im Job-Center Göttingen teils überaus engagiert gearbeitet wird, teils aber auch drangsaliert, schikaniert und rechtswidrig gehandelt wird. Es stellte sich die Frage, ob die unguten Praktiken zufällig und Ausnahmeerscheinungen sind (These) oder System haben. Aus diesem Grund hat sich Anfang 2008 das Bündnis gegen Ämterschikane gegründet, das aus Betroffenen bzw. Menschen mit Hartz-IV-Erfahrung besteht. Eine der Arbeitsgruppen (AG) dieses Bündnisses ist die AG « Bewertung/SachbearbeiterInnen-Verzeichnis ». Sie hatte sich zur Aufgabe gesetzt, Erwerbslose nach ihren Erfahrungen mit den LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen zu befragen und eine Liste zu erstellen, die Benotungen und individuelle Einschätzungen der Arbeitsqualität der Beschäftigten sowie Hinweise zum persönlichen Verhalten der Beschäftigten gegenüber Erwerbslosen enthalten sollte. Ziel der Befragung war es im Detail, 1. Langzeiterwerbslose in Göttingen über ihre Ansprüche/Rechte sowie über konkrete Praktiken bzw. wünschenswerte Verhaltensweisen im Job-Center Göttingen zu informieren (Flyer des Bündnisses gegen Ämterschikane, Info-Material von unabhängigen Beratungsstellen, Info-Material der Gewerkschaften, Fragen/Antwortmöglichkeiten des Fragebogen), 2. die persönlichen Erfahrungen von Erwerbslosen mit ihren LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen aufzulisten und zu quantifizieren (Fragebogen), 3. Druck auf das Job-Center auszuüben, damit Erwerbslose respektvoll behandelt werden, 4. Druck auf das Job-Center auszuüben, damit dort rechtmäßig und den Entscheidungen der Sozialrechtsprechung gemäß gearbeitet wird, 5. durch Überprüfung der Arbeit des Job-Centers sowie Präsentation der Ergebnisse der Befragung die Position derjenigen Beschäftigten zu stärken, die ihre Arbeit – wenn auch lediglich im Rahmen der Hartz-IV-Gesetzgebung – schon heute so gut wie möglich zu machen versuchen (siehe Kap. 3.7 und Kap. 5., Anhang 1).

2. Methodik der Befragung Es wurden in der AG « Bewertung » (siehe Flyer, Kap. 6, Anhang 2) Fragebögen zum Verhalten und zur Arbeitsweise der Beschäftigten des Job-Centers Göttingen auf der Basis der persönlichen Erfahrungen der Mitglieder des Bündnisses gegen Ämterschikane entwickelt, in verschiedenen Erwerbslosengruppen getestet (Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe GALG, Erwerbslosengruppe verdi, Bündnis gegen Ämterschikane) und in den ersten Wochen der Befragung kontinuierlich erweitert. Die Antwortmöglichkeiten im Fragebogen enthalten sowohl positive wie negative Erfahrungen von Erwerbslosen. Zudem enthalten sie Antworten, die Erwerbslosen eine Idee davon vermitteln sollen, wie in einem Job-Center unserer Meinung nach gearbeitet werden sollte, z.B. absolut umsichtig, zuverlässig, schnell und richtig.

8 Die Befragung ist anonym. Auf die Erfassung sozialer Inikatoren haben wir zur Sicherung der Anonymität und im Bemühen, möglichst viele Erwerbslose für die Befragung zu gewinnen (Erwerbslose, die positive wie negative Erfahrungen beim Job-Center Göttingen gemacht haben), verzichtet. Es wurden lediglich die Namen der zuständigen SachbearbeiterInnen bzw. ArbeitsvermittlerInnen festgehalten. Die Befragung fand vor dem Job-Center Göttingen statt. Wir haben die unabhängigen Beratungsstellen in Göttingen über die beabsichtigte Befragung informiert (u.a. durch Übermittlung des Fragebogens) und sie gebeten, bei Erwerbslosen für die Teilnahme an der Befragung zu werben. Die Befragung wurde durch jeweils zwei InterviewerInnen durchgeführt : Ein(e) InterviewerIn hat Informationen angeboten, z.B. Einladungs- und Veranstaltungsflyer des Bündnisses, Informationsmaterial zum Thema Hartz-IV, zu unabhängigen Beratungsstellen etc., die/der zweite InterviewerIn hat befragt. Den Befragungen gingen nicht selten Gespräche voraus, in denen insbesondere die/der InterviewerIn, die/der Informationsmaterial angeboten hat, die eigene Betroffenheit durch Hartz IV, die Vorgeschichte und Intention der Befragung sowie die Absichten des Bündnisses gegen Ämterschikane dargelegt hat. Zudem haben wir zeitgleich mit den Befragungen Begleitung beim Besuch der LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen angeboten. Den in dieser Weise beschriebenen Weg haben wir gewählt, um das Vertrauen der Erwerbslosen zu gewinnen, da uns zu Beginn der Befragung niemand kannte. Es wurden in einem Zeitraum von 6 Monaten 200 Erwerbslose zu ihren LeistungsachbearbeiterInnen (LS) befragt, 66% von ihnen konnten zusätzlich auch zu ihren ArbeitsvermittlerInnen (AV) befragt werden, jeder dritte bis vierte Erwerbslose gab an, noch keine ArbeitsvermittlerIn zu haben, sie/ihn lediglich namentlich zu kennen oder nicht gut genug zu kennen (Erstgespräch), um eine qualifizierte Bewertung abgeben zu können. Bei den AV wurde deshalb bis auf 75% nachbefragt (LS : n = 200 bzw. AV : n = 150). Die Befragung wurde von den Mitgliedern der AG « Bewertung » sowie von weiteren Mitgliedern des Bündnisses gegen Ämterschikane, insgesamt 10 Personen, an allen Wochentagen und zu verschiedenen Öffnungszeiten des Job-Centers durchgeführt. Die Auswertung der Befragung (Datenbasis : Erwerbslose) erfolgte durch die Mitglieder der AG « Bewertung », ebenso Text und Grafik. Der nachfolgende Auswertungstext orientiert sich an der Reihenfolge der gestellten Fragen/vorgegebenen Antwortmöglichkeiten des Fragebogens (siehe Seiten im Vorspann). Fragen bzw. Antwortmöglichkeiten, die im Fragebogen mit einem Stern (*) gekennzeichnet sind, wurden (erst) im Zuge der Befragung in den Fragebogen aufgenommen und haben ein spezifisches n (LS : n < 200 ; AV : n < 150). Wir haben nicht alle zusätzlich eingeführten Antwortmöglichkeiten in die Auswertung einbeziehen können. Diejenigen, deren Ergebnisse wir grafisch darstellen und kommentieren, sollen zumindest einen Eindruck von der Häufigkeit der Nennung geben bzw. die unterschiedlichen Bewertungen von LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen in den spezifischen Fragebereichen deutlich machen. Zu Beginn der Befragung war offen, ob erwerbslose Hartz-IV-BezieherInnen bereit sein würden, sich vor dem Job-Center Göttingen befragen zu lassen. Wir sind auf Erwerbslose getroffen, die sich trotz Zusicherung von Anonymität nicht entschließen konnten, unsere Fragen zu beantworten. Einige von ihnen gaben an, sie befürchteten, die erhobenen Daten könnten auf irgend einem Wege in die Hände ihrer SachbearbeiterInnen/ArbeitsvermittlerInnen gelangen und die gegen sie gerichteten Schikanen verstärken und schlugen vor, den Fragebogen ohne Angabe von Beschäftigten-Namen auszufüllen. Wir haben uns entschieden, in solchen Fällen nicht zu befragen. Insgesamt konnten wir aber feststellen, dass viele Erwerbslose keine Bedenken gegen eine anonyme Befragung hatten, dass nicht wenige im Gegenteil froh waren, ihre Erfahrungen anderen Betroffenen (Bündnismitgliedern) mitteilen und an der Verbesserung der Situation im Job-Center aktiv mitwirken zu können. Gegen Ende der Befragung haben uns Erwerbslose von sich aus ange-

9 sprochen und explizit darum gebeten, sich an der Befragung beteiligen zu dürfen, damit sich die Situation im Job-Center Göttingen zu ihren Gunsten ändert.

3. Ergebnisse der Befragung 3.1 Fachkenntnisse und Informationsvermittlung (Grafiken 1, 2) Grafik 1 zeigt, dass Fachkenntnisse wie auch Informationsvermittlung der LS und AV von der überwiegenden Zahl der Erwerbslosen im Bereich von zufriedenstellend bis sehr gut eingeordnet, die genannten Indikatoren bei den LS aber von rund einem Drittel der Erwerbslosen (32,5%), bei den AV von mehr als einem Viertel der Erwerbslosen (26%) mit unzulänglich oder grottenschlecht bewertet werden (Grafik 2). Die Grafik zeigt zudem, dass die Fachkenntnisse und Informationsvermittlung von LS und AV unterschiedlich eingestuft werden : Während die Zahl der Erwerbslosen, die die Leistungen der LS mit gut und sehr gut beurteilen (besser als zufriedenstellend) bei 43% liegt, beurteilen Erwerbslose die gleichen Leistungen bei AV zu 54% mit der genannten Wertung. Im Bereich der schlechten Noten dagegen übertrifft die Zahl der Erwerbslosen, die ihre LS mit schlechter als zufriedenstellend bewerten, die der AV : 32,5%/26%.

3.2 Sorgfalt bei der Antragsbearbeitung/im Vermittlungsgespräch (Grafiken 3, 4, 5) Insbesondere mit der Antwortvorgabe arbeitet umsichtig, zuverlässig, schnell und richtig, aber auch mit der Antwortmöglichkeit arbeitet zufriedenstellend wollten wir den von uns befragten Erwerbslosen eine Vorstellung davon geben, welche Haltung sie im Job-Center erwarten können müssen, da diese Antwortmöglichkeiten jedoch häufig, da unzutreffend, nicht angekreuzt wurden, haben wir zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich die Antwortmöglichkeit arbeitet – was Sorgfalt/Kommunikation anbelangt – unzulänglich aufgenommen. Sie konnte lediglich für zwei Drittel (AV) bzw. drei Viertel (LS) der Fragebogen ausgewertet werden. Die Zahlen zu den erstgenannten Antwortmöglichkeiten zeigen, dass die Arbeitsleistung im Bereich von Sorgfalt bei der Antragsbearbeitung/im Vermittlungsgespräch bei den LS von rund 40% der befragten Erwerbslosen (39,5%) und für die Gruppe der AV von 50% der befragten Erwerbslosen als absolut umsichtig zuverlässig schnell und richtig eingeschätzt wird, 30,5% der Erwerbslosen sehen die Leistung der LS als zufriedenstellend an (AV : 26% der Erwerbslosen). 30% der zu den LS befragten Erwerbslosen und 24% der zu den AV befragten Erwerbslosen haben die vorgegebenen Antworten im Fragebogen nicht angekreuzt bzw. haben bei erweiterter Antwortmöglichkeit zu 26,5%* (LS) bzw. 18,5%* (AV) mit unzulänglich gestimmt. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass ein erheblicher Anteil der Befragten die Arbeit der LS und AV im Bereich von Antragsbearbeitung/im (Erst-) Vermittlungsgespräch als nicht zufriedenstellend oder gut erlebt. Einen Hinweis auf die Ursachen des großen Anteils derjenigen Erwerbslosen, die sich nicht für die vorgegebenen positiven Kategorien im Fragebogen entscheiden konnten, kann zumindest für die Gruppe der LeistungssachbearbeiterInnen Grafik 4 geben, die die Mängel bei der Antragsbearbeitung benennt (im Folgenden keine Addition, da Mehrfachnennungen): So wird nicht einmal jeder 5. Erwerbslose (19%) von den LS und jeder zweite Erwerbslose von den AV (45%, vgl. Grafik 5) ungefragt und gezielt auf Rechtsansprüche aufmerksam gemacht, und dies, obgleich beide Berufsgruppen rechtlich dazu verpflichtet sind, Erwerbslose nicht allein über ihre Pflichten, sondern auch über ihre Rechte umfassend zu informieren (§14 ff. SGB I ; vgl. auch Sozialgericht Düsseldorf, Az. S 35 AS 6/05 ER). Eine erhebliche Anzahl von Erwerbslosen gab an, Schlampereien und Schikanen bei der Antragsbearbeitung durch die LS erlebt zu haben. Rund ein Drittel der Erwerbslosen (35%) musste bei Antragstellung auf Hartz-IV-Leistungen Unterlagen mehrfach vorlegen, jeder siebte Erwerbslose (14,5%) musste Erklärungen mehrfach unterschreiben, bei mehr als jedem zehnten (11%) « gingen Unterlagen verloren » (dazu drei Zitate von Erwerbslosen, im Fragebogen unter Besondere Vorkommnisse, Erfahrungen, persönliche Bemerkungen, Sonstiges notiert, vgl. auch Kap. 3.7 : « In den

10 Hausbriefkasten geworfene Briefe erreichen Herrn L. nicht.» « Frau O. hat mir mehrfach geschrieben, es fehlten drei Unterlagen für die Bearbeitung meines Antrags, ich solle sie endlich nachreichen. Ich hab mir meine Akte schließlich selbst angeschaut und siehe da, alle drei Unterlagen waren da. Dazu Frau O. : « Ach so… ». « Ich musste bei Frau V., obgleich ich über 25 Jahre alt und beruflich ausgebildet bin (keine Unterhaltspflicht von Eltern), mehrmals erklären, dass meine Eltern tot sind. Auch der Hinweis, dass ich bereits über 6o Jahre alt bin, drei Berufsausbildungen habe und meine Eltern, wenn sie denn noch lebten, 100 und 102 Jahre alt wären, hat Frau V. nicht davon abhalten können, sich eine eigens vorbereitete dritte Erklärung zum Tod meiner Eltern unterzeichnen zu lassen .»). Fast 30% der Erwerbslosen (29,5%) haben bereits einmal erlebt, dass mündlich vorgetragene Leistungs-Anträge schon mal auf der Stelle abgelehnt wurden bzw. dass versucht wurde, schriftliche Anträge zu unterbinden (22,5%) und mehr als jeder vierte Erwerbslose (27%) ist der Meinung, dass sie/er länger als nötig auf Leistungen warten musste. 6% der Erwerbslosen haben berichtet, dass Anträge manchmal überhaupt nicht bearbeitet wurden, obgleich die LS hierzu rechtlich verpflichtet sind. Im Bereich der Arbeitsvermittlung (Grafik 5) hat uns fast jeder zweite Erwerbslose (45%) erklärt, das AV ihn ungefragt und gezielt auf Rechtsansprüche aufmerksam machen, ihre beruflichen Interessen und Stärken nach Selbsteinschätzung erfragen (69%*) sowie Tipps und Ratschläge zu möglichen neuen Arbeitgebern und Arbeitsfeldern geben (55,5%*). Dies bedeutet freilich im Umkehrschluss, dass rund 30% der Befragten nicht angeben konnten, dass ihre beruflichen Interessen und Stärken erfragt werden und dass fast jeder zweite Erwerbslose nicht berichten konnte, dass ihm Tipps und Ratschläge zu neuen Arbeitgebern und Arbeitsfeldern gegeben werden. 51%* der Befragten erklärten, dass ihre Bewerbungskosten vom Job-Center erstattet würden. Eine erhebliche Anzahl von Erwerbslosen sagte uns jedoch, dass sie über die Möglichkeit einer Kostenerstattung gar nicht informiert seien. 44%* der befragten Erwerbslosen berichteten, dass sie eine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben hätten. Niemand der von uns befragten Erwerbslosen wusste oder war von den AV darauf hingewiesen worden, dass diese Praxis laut Sozialgericht Hildesheim nicht zulässig ist, da AV beim Amt für Beschäftigungsförderung angestellt sind, nicht aber bei der Stadt Göttingen und insofern keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen dürfen (Az. S 33 AS 1015/07 ER, Beschwerde beim Landessozialgericht anhängig). Gleiches dürfte für die Androhung und Verhängung von Sanktionen durch AV gelten, die ebenfalls nur von Beschäftigten der Stadt Göttingen ausgesprochen werden dürfen, nicht aber von Beschäftigten einer Fördergesellschaft (siehe Kap. 3.3). Bei der Frage nach dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung erinnerten vergleichsweise wenig Erwerbslose, dass sie hierin auch die Erklärung unterzeichnet hatten, dass ihre persönlichen Daten weitergegeben werden dürfen (19,5%). Nach unserem Eindruck sind sie nicht darauf hingewiesen worden, dass sie diese Erklärung, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, auch ablehnen können.

3.3 Persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen (Grafik 6) Da im Vorfeld der Befragung immer wieder über unhöfliches bis entwürdigendes Verhalten insbesondere der LS des Job-Centers Göttingen, aber auch einiger AV berichtet wurde, haben wir eine Reihe von Antwortmöglichkeiten in den Komplex « Persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen » aufgenommen, die diesen Bereich abfragen (keine Addition, da Mehrfachnennungen). Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass lediglich 28% der befragten Erwerbslosen das Verhalten der LS als interessiert, respektvoll, freundlich und engagiert einschätzen, d.h. den LS ein Verhalten attestieren, dass in einer Hilfseinrichtung wie einem Job-Center eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Im Bereich Arbeitsvermittlung beurteilen immerhin mehr als zwei Drittel der Erwerbslosen das Verhalten ihrer AV in dieser Hinsicht als positiv (69%). Auf der anderen Seite schätzt fast ein Drittel (32%) der Erwerbslosen das Verhalten der LS als dezidiert desinteressiert bzw. respektlos ein, wohingegen das Verhalten der AV von 14% der befragten Erwerbslosen als

11 desinteressiert, respektlos eingeschätzt wird, beides Zahlen, die insbesondere für Menschen in einer Notlage (Erwerbslosigkeit) eine zusätzliche Belastung ihrer (gesundheitlichen) Befindlichkeit darstellen dürften. Auch die Fähigkeit, Verständnis für und Einfühlungsvermögen in die prekäre Lage von Erwerbslosen zu zeigen, wird LS nur von 27,5% der Erwerbslosen attestiert, während bei den AV 53% der Befragten davon ausgehen, dass diese Fähigkeiten vorhanden sind. 30% der befragten Erwerbslosen gaben an, ihre LS seien auch mal ohne vorherige Terminabsprache zu erreichen (AV : 47%). Die Mehrzahl der Befragten (65%*) erklärte jedoch, ihre LS würden ausschließlich nach Termin beraten, über AV sagte dies gut jeder dritte Erwerbslose (37%*). Immerhin 6% der Befragten erklärten, der/die LS lehne es ab, Erwerbslose in Begleitung eines Beistands zu beraten, obgleich sie hierzu verpflichtet sind ; auch über AV (2%) wurde ein solches Verhalten berichtet (durch Rechtsprechung geklärt, vgl. §13 Abs. 4 SGB X). Mehr als jeder zehnte Erwerbslose (13%) gab an, sein LS mutmaße bei ihr/ihm schon mal Arbeitsscheu, Unfähigkeit, Asozialität (AV : 9%) und fast jeder sechste Erwerbslose (16%) berichtete im Fragebogen, dass sie/er vom LS eingeschüchtert wird, dass der LS lautstark wird oder sie/ihn anschreit. Auch bei den AV ist nach Angaben der befragten Erwerbslosen das letztgenannte Verhalten anzutreffen (8%). Mehr als jeder vierte von Hartz-IV-Betroffene (28,5%) sagt, dass LS schnell mit Leistungskürzungen drohen (AV 13%) und fast jeder siebte (14%) gibt an, dass er bereits einmal eine Leistungskürzung vom LS erhalten habe (AV : 6% ). Die letztgenannten Zahlen korrespondieren über einen Zeitraum von 3 1/5 Jahren in etwa mit den Angaben des Job-Centers Göttingen, dass bei 1,35% aller Erwerbslosen Sanktionen in Form von Leistungskürzungen/Regelsatzstreichungen für jeweils drei Monate angeordnet hat. Sie machen deutlich, welches Drohpotential auch mit einer geringen Sanktionsrate aufgebaut werden kann, wenn sie nur lange genug angewandt wird und wenn die Grundgesamtheit der Betroffenen nicht wechselt : Es muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Betroffene aktuell ebenso erwerbslos sind wie 2005, dass sie zwischenzeitlich allenfalls eine « Maßnahme » absolviert oder eine zeitlich befristete Stelle innegehabt haben (ABM, Ein-Euro-Job, Praktikum, Bewerbungstraining, 400-Euro-Job etc.). Auch der Bundesrechnungshof geht in seinem aktuellen Bericht zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende davon aus, dass jeder Vierte, der aus Hartz IV in Arbeit kommt, nach drei Monaten wieder Hartz IV bezieht, nach einem Jahr gilt dies bereits für jeden Zweiten (Bundesrechnungshof, 2008, zit. n. Bericht des Bundesrechnungshofs, 2008). Insgesamt gibt jede(r) vierte Erwerbslose (26%) an, sie/er habe den Eindruck, der LS verstehe sich nicht als DienstleisterIn von Erwerbslosen, sondern eher als deren ErzieherIn, Vormund oder « DompteurIn » . Auch bei den AV liegt dieser Eindruck mit 17% der Erwerbslosen sehr hoch (vgl. hierzu die Anmerkungen von Erwerbslosen in Kap. 3.7). Mit der Antwortmöglichkeit « LS /AV sind über Ursachen und Verursacher sowie die Profiteure/Nutznießer von Arbeitslosigkeit informiert » wollten wir Erwerbslose anregen, die üblichen Erklärungsmuster für Arbeitslosigkeit (Globalisierung, Rationalisierung, mangelnde Qualifikation von Erwerbslosen, Arbeitsscheu) in Frage zu stellen, mit der eigenen Einschätzung zu dieser Frage abzugleichen bzw. ihre LS und AV in Hinblick auf diese Frage zu testen. Die Sichtung der Ergebnisse der – zu einem späteren Zeitpunkt in die Befragung aufgenommenen – Antwortmöglichkeit, zeigt, dass weniger Erwerbslose (21%*) von ihren LS annehmen, dass sie über Ursachen und Verursacher von Arbeitslosigkeit informiert sind, als von ihren AV (47*), dass Erwerbslose beide Berufsgruppen, insbesondere aber die LS, offenbar für ökonomisch und politisch nicht sonderlich gebildet halten, dass Ursachen, Verursacher und Profiteure von Erwerbslosigkeit jedenfalls kein wesentliches Thema im Job-Center Göttingen sind.

12

3.4 Persönliches Verhalten bei der Kostenregelung, LeistungssachbearbeiterInnen (Graf. 7) Lediglich gut jeder zehnte Erwerbslose (12%) hat den Eindruck, dass sein LS die rechtlichen Möglichkeiten (einschließlich Ermessen) zum Vorteil von Erwerbslosen voll ausschöpft, 41,5% der Erwerbslosen sind immerhin noch der Meinung, dass sich ihre LS bemühen, korrekt zu entscheiden. Die übrigen Erwerbslosen (46,5%) und damit fast die Hälfte der Befragten fand keine der beiden Kategorien passend. Ein hoher Prozentanteil der befragten Erwerbslosen (59,5%) ist der Meinung, dass in ihrem/ seinen Fall das Recht auf Datenschutz verletzt wird (im Folgenden keine Addition der Ergebnisse, da Mehrfachnennungen). Dies wird u.a. damit begründet, dass im vom Job-Center Göttingen entwickelten Antragsvordruck Mietbescheinigung (nicht autorisiert, keine Vordrucksnummer) z.B. die Unterschrift des Vermieters verlangt wird (« Ich hab mich geweigert, die Mietbescheinigung von meinem Vermieter unterschreiben zu lassen, der erfährt ja sonst, dass ich Hartz-IV kriege. Ich hab stattdessen den Datenschutzbeauftragten in Hannover eingeschaltet. Da lief es auch ohne Unterschrift. », siehe Kap. 3.7). 8,5% der Erwerbslosen erinnerten, und zwar ausschließlich diejenigen, die ablehnend reagiert hatten, ihre LS hätten versucht, von ihnen eine schriftliche Erklärung dahingehend zu erhalten, dass sie zusätzliche persönliche Daten erheben dürfen (« Ich verzichte doch nicht freiwillig auf meinen Datenschutz. », siehe Kap. 3.7). Darüber hinaus geben zwei Drittel der Erwerbslosen (66,5%) an, sie müssten bei jeder Antragstellung (Erstantrag, Verlängerungsantrag) Kontoauszüge für mehrere Monate vorlegen (zumeist für drei Monate). Diese Praxis würde im Vordruck des Erstantrags verlangt. Auch dieser Vordruck (der aktuelle enthält nicht mehr die Aufforderung, Belege für drei Monate beizubringen) ist nicht amtlich autorisiert (keine Vordrucksnummer), sondern wurde offenbar vom Job-Center Göttingen, wie andere Vordrucke auch, abweichend von im Internet erhältlichen Vordrucken für Hartz-IV-Anträge selbst erstellt. Landessozialgerichte haben die Frage nach der Berechtigung der Kontokontrolle bisher unterschiedlich beurteilt : Das Landessozialgericht Hessen hat entschieden, es sei beim Erstantrag nicht zulässig, grundsätzlich Kontoauszüge zu verlangen. Dies sei nur dann möglich, wenn die Behörde (Job-Center, ARGE) einen Verdacht auf Sozialmissbrauch nachweisbar begründen könne (Az. L7 AS 32/05 ER), das Landessozialgericht Baden-Württemberg urteilte, ein Bezieher von Alg II sei im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht zur Vorlage von Kontoauszügen verpflichtet, selbst wenn kein Verdacht auf Leistungsmissbrauch bestehe (Az. L13 AS 4282/07). Eine Entscheidung des Bundessozial- gerichts in dieser Frage steht noch aus (ver.di-public, 06-07, 2008, S. 22). Das Bundesverfassungs- gericht hält die Vorlage von Kontoauszügen nur bei Hinweis auf Leistungsmissbrauch für gerecht- fertigt (vgl. BVerfG 12.5.05, Az. 1 BvR 569/05). Die Mitglieder des Bündnisses gegen Ämterschikane vertreten die letztgenannte Meinung und finden die Praxis der regelhaften Überprüfung darüber hinaus unverhältnismäßig : Bei zahlreichen, vom Job-Center Göttingen betreuten Erwerbslosen werden innerhalb von 12 Monaten die Kontobewegungen von 6 Monaten lückenlos kontrolliert, große Wirtschaftsunternehmen dagegen werden im Durchschnitt alle fünf Jahre, mittlere alle 12 Jahre, kleine Unternehmen alle 30 Jahren steuerlich überprüft, und das heißt bei etlichen Unternehmen: Überhaupt nicht, denn viele Unternehmen existieren keine 30 Jahre. Wir finden die 6-monatige Kontrolle der Kontoauszüge von Erwerbslosen insbesondere deshalb überzogen und zusätzlich sonderbar, weil Hartz-IV-BezieherInnen – als Langzeiterwerbslose – zumeist arm sind, während dies von Wirtschaftsunternehmen in der Regel nicht gesagt werden kann. Es ist darüber hinaus bekannt, dass im Bereich von Wirtschaftsunternehmen Steuerhinterziehung in beträchtlichem Umfang betrieben wird (geschätzt : 30 bis 100 Mrd. Euro/Jahr, vgl. Bund der Steuerzahler, zit. n. Kuhr, 2008, Gruppe memo der Universität Bremen, zit. n. Kühn, 2008, Lieb, 2008, Berg, 2008 ). Erwerbslosen konnte Betrug bisher hingegen nicht in nennenswertem Umfang nachgewiesen werden. Bereits der niedrigste Schätzbetrag für Steuerhinterziehung (Bund der Steuerzahler : 30 Mrd. Euro) ist fast ebenso hoch wie das vom Staat im Jahr insgesamt gezahlte Arbeitslosengeld II (Grundsicherung : 36 Mrd. Euro). Trotzdem werden Unternehmen steuerlich

13 privilegiert (geringe Kontrolldichte), Erwerbslose aber müssen ihre Einkünfte im Detail und mehrfach belegen (siehe Anmerkungen von Erwerbslosen « Sorgfalt bei Antragsbearbeitung », Kap. 3.7) und werden zusätzlich halbjährig über ihre Kontoauszüge kontrolliert. Während im Bereich der Geldanrechnung bei Erwerbslosen sehr rigide vorgegangen wird, ist das Job-Center Göttingen im Bereich der Geldleistungen überaus zurückhaltend. 1,5 % der Erwerbslosen gaben an, dass nach einem Umzug weiterhin die geringere vorherige Miete gezahlt werde, obgleich die neue Miete im Limit liege (bei einer Einzelperson bis 325 Euro). 11% der Erwerbslosen berichteten, dass auch in anderer Weise bei den Mietkosten restriktiv reagiert werde : so werde die Miete, wenn sie nur geringfügig über dem Limit liege, nicht in voller Höhe gezahlt (vgl. hierzu Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Az. L 7 AS 182/08 ER zur Akzeptanz höherer Mietkosten im Umfang von 10%). Bei der Antwortmöglichkeit « lehnt Kostenübernahme (Heizung, Warmwasser) zumeist in voller Höhe ab etc. » wurden ausschließlich die Bescheide zu den Heizkosten moniert. Jeder fünfte Erwerbslose (20%) hat in diesem Bereich angegeben, dass die Heizkosten nicht in voller Höhe vom Amt übernommen wurden, obgleich das Amt hierzu verpflichtet ist, es sei denn, es kann Erwerbslosen nachweisen, dass sie « zum Fenster heraus heizen»; die Rechtslage ist von nahezu allen Landessozialgerichten geklärt. Dennoch finanzieren zahlreiche LS offenbar nicht die realen Heizkosten der Erwerbslosen. Erwerbslose, die sich gegen diese Entscheidungen rechtlich zur Wehr setzen (vor dem Sozialgericht Hildesheim klagen) erhalten Recht, andere wiederum bekommen weiterhin Bescheide, die nicht die vollen Heizkosten berücksichtigen, d.h. Entscheidungen unterliegen der Willkür der jeweiligen LS, die Urteile des Sozialgerichts bleiben unbeachtet (« Ich habe nicht den Eindruck, dass Herr U. korrekt entscheidet. Er gibt mir z.B. indirekt zu verstehen, dass sein Vorgesetzter nicht will, dass er so viel Heizkosten zahlt. », siehe Kap. 3.7). 29% der Erwerbslosen geben dementsprechend auch an, sie hätten den Eindruck, dass ihre LS bemüht zu sein scheinen, möglichst wenig an Arbeitslose zu zahlen und mehr als jede(r) dritte (35,5%) gibt an, es sei ihr/ihm auch bereits einmal zuwenig gezahlt worden. Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass seit dem 1.7.2008 im Zuge der Rentenerhöhung und der zeitgleich erfolgten Hartz-IV-Erhöhung vom Job-Center Göttingen die Warmwasser- und Kochfeuerungspauschale erhöht wurde, so dass Erwerbslosen, deren Wasser über die Heizungsanlage erwärmt wird, drei der vier Euro Hartz-IV-Erhöhung gleich wieder abgezogen werden. Die für viele unzulängliche Situation bei der Leistungssachbearbeitung wird komplettiert durch die Angabe von lediglich 23,5% der Erwerbslosen, dass sich ihre LS bei Fehlentscheidungen entschuldigten und den Fehler umgehend korrigierten, Kap. 3.7: « Herr Z. erteilt zunächst falsche Bescheide, die er erst kurz vor der Verhandlung im Prozess zu meinen Gunsten korrigiert ». Da uns dies im Gespräch mit Erwerbslosen öfter berichtet wurde, schließen wir nicht aus, dass das JobCenter Göttingen insbesondere die im Zitat beschriebene Praxis übt, um zu erreichen, dass die Zahl der verloren gegangenen Prozesse – trotz einer u.U. beträchtlichen Anzahl von Widersprüchen als Folge von Fehlentscheidungen (siehe Grafik 7) – gering ausfällt; dies würde auch mit den Angaben der Sozialstadträtin der Stadt Göttingen (Schlapheit-Beck) sowie des Sozialdezernenten des Landkreises Göttingen (Wucherpfennig) korrespondieren, die in öffentlichen Veranstaltungen stets darauf hinweisen, dass nur wenige Verfahren gegen Erwerbslose verloren würden. Mehr als jeder vierte Erwerbslose (27%) hat darüber hinaus erleben müssen, dass sie/er länger als nötig auf die Auszahlung der Geldleistung des Job-Centers Göttingen warten musste.

14

3.5 Persönliches Verhalten bei der Arbeitsvermittlung (Grafik 8) Mehr als die Hälfte der Erwerbslosen (57%) sehen sich durch die AV bei ihren Versuchen, ins Arbeitsleben (zurück) zu gelangen, engagiert unterstützt, 43% konnten sich jedoch nicht für diese Einschätzung entscheiden (im Folgenden Mehrfachnennungen). Jeder zweite befragte Erwerbslose (50%) gab an, dass sie/er beruflich passende und interessierende Weiterbildungsangebote vom AV erhalte, die zweite Hälfte der Befragten fand diese Antwort nicht zutreffend. 29% der Erwerbslosen berichteten von Angeboten im ABM-, 400-Euro-Job-, Ein-Euro-Job- und Praktika-Bereich, wobei 13 % der Erwerbslosen angaben, selbst dann in Ein-Euro-Jobs vermittelt worden zu sein, wenn bei ihnen keine gesundheitlichen oder sozialen Einschränkungen vorgelegen haben (eine der rechtlichen Voraussetzungen für die Vermittlung in Ein-Euro-Jobs). Die Zahl verdeutlicht, dass es in Göttingen eine missbräuchliche Nutzung von Ein-Euro-Jobs gibt, die nach Recherchen des Bundesrechnungshofs im übrigen eher Arbeitsplätze vernichten als Erwerbslose fit für den Arbeitsmarkt machen (Bericht des Bundesrechnungshofs, 2008, Knebel, 2008 ; hierzu ein Beispiel aus Göttingen : das Umzugsunternehmen der « Brockensammlung » arbeitet ausschließlich mit jungen, gesunden, männlichen Ein-Euro-Jobbern). Uns ist aber auch immer wieder berichtet worden, dass ABM, Fortbildungen und Umschulungen abgelehnt bzw. gestoppt wurden (Kap. 3.7 : « Ich würde mich freuen, wenn ich eine ABM bekäme, mir wird aber keine gegeben. » » Ich hatte die Zusage von einem Arbeitgeber für einen Arbeitsplatz, wenn ich eine spezifische Fortbildung mache, sie wurde aber nicht bewilligt. » » Ich hatte eine aussichtsreiche Umschulung vorgeschlagen, sie wurde abgelehnt. »). Fast jeder zehnte Erwerbslose gab an, in Stellen vermittelt zu werden, die eher ab- als weiterqualifizieren (9%) bzw. dass AV versucht hätten, sie gezielt dorthin zu vermitteln, wohin sie/er (z.B. wegen Familienbindung) nicht wollen (7%) (Kap. 3.7 : « Als ich endlich eine schöne Wohnung in Göttingen gefunden hatte, hat Frau O. nur noch nach Stellen außerhalb gesucht. »). Eine Erwerbslose berichtete, dass ihre AV ihr Schein-Arbeitsangebote zugeschickt habe und sich über die Bewerbungsmisserfolge habe schriftlich berichten lassen (Angabe überprüft), 3 weitere berichteten, dass sie sich auf regionale Stellenangebote, angezeigt auf der Anschlagtafel bzw. auf dem Monitor im Eingangsbereich des Job-Centers, beworben hätten und hätten feststellen müssen, dass es diese Stellen laut befragten ArbeitgeberInnen gar nicht gab (insg. 2,7%). Eine nicht unerhebliche Anzahl der Erwerbslosen (13%) erklärten, dass ihre AV keine Arbeitsangebote, aber Vorwürfe wegen Erwerbslosigkeit, mangelnder Eigenbemühungen machen, 6% der Erwerbslosen berichten, dass ihre AV persönliche/psychische Probleme/Drogenprobleme bei ihnen vermuten, obgleich es hierfür keine Anhaltspunkte gebe. Fast ebenso viele Erwerbslose wie im Fall der LS (23,5%) berichteten auch über AV, dass sie sich bei Fehlentscheidungen entschuldigten und Fehler umgehend korrigierten (22%). Davon, existenzsichernde sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze angeboten zu bekommen, die sie realiter auch annehmen können bzw. schon einmal erhalten haben, z.B. eine befristete Stelle, berichteten lediglich 12% der Erwerbslosen (Kap. 3.7 : « Im Erstgespräch hat mir meine Arbeitsvermittlerin gleich gesagt : « Einen Arbeitsplatz hab ich natürlich nicht für Sie. »). Die Vermittlung in diese Art von Arbeitsplätzen ist jedoch Hauptaufgabe der AV, sie kann – mangels einer ausreichenden Anzahl von Arbeitsplätzen auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt – freilich nicht in erforderlichem Umfang wahrgenommen werden. Die positiven wie negativen Ergebnisse der Befragung zu den AV müssen jeweils vor dem Hintergrund der Tatsache bewertet werden, dass mehr als jeder vierte Erwerbslose seine(n) AV gar nicht kannte bzw. lediglich ein erstes Treffen mit dem AV gehabt hatte (zu den AV musste nachbefragt werden, um auf eine Stichprobengröße von 150 zu kommen). D.h. jeder dritte bis vierte Erwerbslose hat angegeben, keinen oder bisher nur einen Kontakt mit einem AV gehabt zu haben. Von intensiver Betreuungs- und Vermittlungsarbeit durch die AV kann unseres Erachtens deshalb keine Rede sein.

15

3.6 Gesamtbewertung der Arbeitsleistung der LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen des Job-Centers (Grafiken 9, 10) Bei der Gesamtbewertung der Arbeitsleistung fällt auf, dass rund die Hälfte der Erwerbslosen die Arbeit der LS im Bereich der Noten drei und besser ( 51,5%) angesiedelt sieht (Grafik 9). Bei den AV liegt dieser Anteil mit 76% erheblich höher. Bei Differenzierung der Noten nach « besser als drei » bzw. « schlechter als drei » (siehe Grafik 10) ordnen nur 28% der Erwerbslosen ihre LS den guten und sehr guten Zensuren zu, während 47,5% der Erwerbslosen die LS dem schlechten Leistungsbereich zuordnen (1% keine Angaben). Bei den AV verhält es sich genau umgekehrt : 52% der Erwerbslosen schätzen die Leistung der AV mit besser als drei ein, 24% mit schlechter als drei. Für jede Berufsgruppe (LS, AV) wurde mehrmals die Note 6 (durch nichts auszugleichen) vergeben, für LS 14 Mal, für AV 8 Mal. Hierzu ein Erwerbsloser stellvertretend für andere in Kap. 3.7 : « Herr Y. ist in seinem Job im Grunde nicht richtig untergebracht. Er braucht einen Job, in dem er nichts mit Menschen zu tun hat, z.B. Schlachter. » Die Arbeit der ArbeitsvermittlerInnen (siehe Grafiken) wird insgesamt deutlich positiver bewertet als die Arbeit der LS. Wir können nur vermuten, dass es sich hierbei nicht allein um das Ergebnis einer realiter besseren Arbeitsleistung handelt, sondern zudem um Sympathiewerte der Erwerbslosen, die schon deshalb vergeben werden, weil sich das persönliche Verhalten der AV im Umgang mit Erwerbslosen statistisch belegbar positiv (und damit wohltuend) von dem der LS unterscheidet (weniger häufig unhöfliches bis entwürdigendes Verhalten) und weil die Erwerbslosen zudem sehr wohl wissen, dass die Arbeitsplätze, die sie benötigen, gar nicht vorhanden sind, unter Beibehaltung der zutiefst ungerechten Steuer-, Abgaben- und damit Verteilungspolitik in Deutschland auch zukünftig nicht geschaffen werden und ihnen von den AV deshalb auch nicht vermittelt werden können (vgl. hierzu z.B. Butterwegge, 2006 ; Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 2008,) .

3.7 Blick in eine Feudalstaatsnische ? Erwerbslose nennen Erfahrungen mit Beschäftigten des Job-Centers Göttingen Vor einer Zusammenfassung von und Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Befragung sollen im Folgenden Anmerkungen von Erwerbslosen aus dem Bereich Besondere Vorkommnisse, Erfahrungen, persönliche Bemerkungen, Sonstiges des Fragebogens vorgestellt werden. Es handelt sich um eine Auswahl von Angaben, die in gleicher oder ähnlicher Form jeweils mehrfach vorkommen. Zum Schutz der Erwerbslosen vor möglichen negativen Folgen (Schikanen) wurden die Bemerkungen in der Weise zusätzlich anonymisiert, dass sie nicht mehr den konkreten LS oder AV zugeordnet werden. Die Initialen der Anreden von LS und AV stimmen nicht mit den realen Namen überein. Persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen : LeistungssachbearbeiterInnen 1. Frau A. fällt es leicht, zuzuhören und auf meine Bedürfnisse einzugehen. 2. Herr B. war für mich sogar bis 23.00 Uhr zu erreichen. 3. Frau C. lacht nicht viel, ist aber kompetent. Sie hat mir wegen eines Umzugs engagiert zur Seite gestanden und sich mehr eingebracht als sie es hätte tun müssen. 4. Herr D. ist ein ganz Lieber. 5. Frau E. hat keine Ahnung von den Ursachen der Arbeitslosigkeit, das interessiert sie nicht. 6. Herr F. ist telefonisch nicht zu erreichen. 7. Für Frau G. bin ich angeblich tel. nicht zu erreichen. Ich kann aber doch nicht den ganzen Tag neben dem Telefon sitzen. 8. Herr H. redet kaum mit mir, er lässt mich ohne Erklärung lange vor seiner Tür warten. 9. Frau I. hat mich mal 50 Minuten warten lassen und ist dann zum Essen gegangen. 10. Herr J. hat mich mal drei Stunden vor seiner Tür warten lassen und mich dann weggeschickt, weil Feierabend war.

16 11. Ich hab mal ohne Termin angeklopft, daraufhin hat Frau K. mir gesagt, wenn das nochmal passiert, krieg ich Ärger. 12. Herr L. schließt seine Bürotür ab, damit niemand außer der Zeit hereinkommen kann. 13. Frau M. hat mir schon einmal die Tür vor der Nase zugeschlagen. 14. Herr N. sagt bei Terminen weder guten Tag noch auf Wiedersehen, er schaut mich im Gespräch nicht an, wirkt lustlos und übellaunig. 15. Frau O. hat eine patzige Art und lässt ihre schlechte Laune an mir aus. Ich muss mir Sprüche anhören, die einfach nicht in Ordnung sind, wie : « Für Sie muss der Steuerzahler aufkommen ». 16. Herr P. kann sich nicht entschuldigen. Er ist arrogant und tut so, als ob er den Regelsatz aus seiner Tasche zahlen müsste. 17. Frau Q. ist unfreundlich und grimmig. Sie macht unberechtigte Schuldzuweisungen. Es ist zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde gekommen. 18. Herr R. wollte Daten über meine Eltern wissen, obgleich ich über 25 Jahre alt bin, eine abgeschlossene Berufsausbildung habe und meine Eltern deshalb nicht mehr unterhaltspflichtig sind. 19. Herr S. ist meiner Meinung nach eine autoritäre Persönlichkeit. 20. Frau T. beschimpft und beleidigt Erwerbslose in Gegenwart von Zeugen (Dienstaufsichtsbeschwerde eingeleitet). 21. Ich hab Herrn U. eine Dienstaufsichtsbeschwerde angedroht, weil er mich als Rumtreiber beschimpft hat. 22. Frau V. hat auf eine Nachfrage von mir mal gesagt : »Haben Sie es jetzt verstanden oder muss ich es Ihnen reinprügeln ? » 23. Kreuzen Sie mal alles an, was schlecht ist. Das passt zu Herrn W. Er arbeitet miserabel, spielt seine Macht gegenüber Erwerbslosen aus und wenn er sich nicht durchsetzen kann, weil er nicht im Recht ist, haut er auf den Tisch und zittert vor Wut. 24. Frau X. behandelt Erwerbslose wie den letzten Dreck, schikaniert mit überflüssigen Kontrollen und Verwaltungsaufwand. 25. Herr Y. ist in seinem Job im Grunde nicht richtig untergebracht. Er braucht einen Job, in dem er nicht mit Menschen zu tun hat, z.B. Schlachter.

Persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen : ArbeitsvermittlerInnen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Frau A. ist freundlich, aber fordernd. Herr B. ist menschlich sympathisch, von ihm könnte es mehr geben. Frau C. ist eine tolle Frau, man kann sich beglückwünschen, wenn man sie als Arbeitsvermittlerin hat. Herr D. ist der freundlichste Arbeitsvermittler des Amtes. Frau E. macht einen lustlosen Eindruck, sie scheint überlastet und unzufrieden zu sein. Herr F. hat einmal einen Termin unentschuldigt nicht eingehalten. Frau G. hat einmal einen Termin mit mir nicht eingehalten, weil sie « in Urlaub » war… Herr H. ist arrogant und behandelt mich von oben herab. Er sieht Fehler, die er selbst gemacht hat, nicht ein und bestreitet sie selbst dann noch, wenn ich sie ihm durch Unterlagen belege. Ich besuche ihn deshalb nur noch in Begleitung von Zeugen. Gespräche mit Frau I. sind langatmig und anstrengend. Energischer Eigensinn hat zur Verbesserung der Situation geführt. Herr J. telefoniert während der Beratung privat, er spricht dann eine Fremdsprache, damit ich nichts verstehe (Sprache der AG « Bewertung » bekannt). Frau K. behandelt mich wie ein kleines Kind, sie lässt mich nicht aussprechen und geht nicht auf mich ein, ich trau mich manchmal gar nicht, nach zu fragen. Herr L. ist komplett verständnislos. Frau M. hört nicht zu, sie ist rechthaberisch und unterstellt Falsches zu ihren Gunsten und zu meinen Lasten, sie kann persönliche Aversionen nicht von fachlichen Sachen trennen. Wenn ich sie anrufe, legt sie schon mal einfach den Hörer auf. Das Verhalten von Herrn N. geht in Richtung « Erzieher », er versucht, mich einzuschüchtern. Als ich einmal anderer Meinung als Frau O. war, meinte sie nur, ich sei ja krank im Kopf . Herr P. scheint nicht wirklich an seiner Arbeit interessiert zu sein, Hauptsache, er selbst hat einen Job. Ich hab mich über Frau Q. schon einmal so geärgert, dass ich losgeschrien habe. Herr R. hat sich mir gegenüber einmal derart unverschämt verhalten, dass ich auf der Straße in Tränen ausgebrochen bin. Ich muss ihm immer wieder versichern, dass ich wirklich arbeiten will.

17 Sorgfalt bei der Antragsbearbeitung : LeistungssachbearbeiterInnen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Herr A. arbeitet korrekt ! Frau B. bearbeitet die Anträge professionell und richtig. Herr C. bearbeitet Anträge manchmal in nur 2 Stunden. Ich kann Herrn D. in der Dienstzeit tel. nicht befragen, weil er nie zu erreichen ist. Bei Frau E. habe ich bei Informationsanrufen das Gefühl, ich belästige sie. Ich weiß nicht, ob ich von Herrn F. umfassend informiert werde. Frau G. ist überhaupt nicht auskunftsfreudig, von sich aus sagt sie nichts. Beratung findet bei Herrn H. nicht statt. Die meisten Fachkenntnisse musste ich mir selbst aneignen, Frau I. sagt nur: „Schmeißen Sie alles in den Briefkasten.“ 10. Auf meinen Hinweis, Herr J. sei verpflichtet, mir Auskunft zu geben, antwortete er: „Ich bin doch kein Rechtsanwalt.“ 11. In öffentliche Briefkästen geworfene Post kommt bei Frau K. nicht an. 12. In den Hausbriefkasten des Job-Centers geworfene Briefe erreichen Herrn L. nicht. 13. Bei Frau M. liegen bei Beratungsgesprächen die Akten nicht vor. 14. Herr N. hat bei Beratungsgesprächen schon mal die falsche Akte vor sich liegen. 15. Frau O. hat mir mehrfach geschrieben, es fehlten drei Unterlagen für die Bearbeitung meines Antrags, ich solle sie endlich nachreichen. Ich hab mir meine Akte schließlich selbst angeschaut und siehe da, alle drei Unterlagen waren da. Dazu Frau O. : « Ach so… »). 16. Herr P. hat meinen ersten Antrag auf Hartz-IV abgelehnt, weil ich drei Unterlagen nicht schnell genug einreichen konnte (hatte sie noch nicht von meinem letzten Arbeitgeber erhalten). 17. Frau Q. ist knallhart, sie setzt Fristen so kurz, dass sie nicht einzuhalten sind. 18. Bei Herrn R. waren meine kompletten (Bewerbungs-)Unterlagen nicht mehr aufzufinden. 19. Bewerbungsunterlagen und Kontoauszüge sind bei Frau S. schon mal verloren gegangen. 20. Als mein Rechtsanwalt meine Akte angefordert hat, war sie angeblich nicht mehr da. 21. Herr T. bemüht sich, korrekt zu entscheiden, solange er keinen Ärger mit seinem Vorgesetzten bekommt. 22. Ich hab mich geweigert, die Mietbescheinigung von meinem Vermieter unterschreiben zu lassen, der erfährt ja sonst, dass ich Hartz-IV kriege. Ich hab stattdessen den Datenschutzbeauftragten in Hannover eingeschaltet. Da lief es auch ohne Unterschrift. 23. Ich musste bei Frau V., obgleich ich über 25 Jahre alt und beruflich ausgebildet bin, mehrmals erklären, dass meine Eltern tot sind. Auch der Hinweis, dass ich bereits über 6o Jahre alt bin, drei Berufsausbildungen habe und meine Eltern, wenn sie denn noch lebten, 100 und 102 Jahre alt wären, hat Frau V. nicht davon abhalten können, sich eine eigens vorbereitete dritte Erklärung zum Tod meiner Eltern unterzeichnen zu lassen (wg. angeblicher Unterhaltspflicht). 24. Ich habe nicht den Eindruck, dass Herr U. korrekt entscheidet. Er gibt mir z.B. indirekt zu verstehen, dass sein Vorgesetzter nicht will, dass er so viel Heizkosten zahlt. 25. Ich musste drei Widersprüche und eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen, bis Frau W. meinen Antrag komplett bearbeitet hat. 26. Wenn man Herr X. Sachen zuschickt und es ist ein kleiner Fehler enthalten, macht er gar nichts, wenn man dann kommt, sagt er: „Machen Sie alles neu.“ Ich hab immer das Gefühl, er kriegt eine Prämie für jeden, den er abweist. 27. Frau Y. könnte einen Antrag zumindest erst einmal bearbeiten und dann erst ablehnen. 28. Bei Herrn Z. hab ich dreimal Leistungen beantragt und keine Antwort erhalten.

Sorgfalt im Vermittlungsgespräch, bei der Arbeitsvermittlung : ArbeitsvermittlerInnen 1. Frau A. ruft mich immer an, wenn sie Fragen hat. Sie schreibt keine Briefe, weil sie befürchtete, dass das womöglich böse klingen könnte (wg. üblicher Sanktionsandrohung im Schreiben). 2. Herr B. hat gutes Fachwissen und kann kompetent Ratschläge zur Arbeitsvermittlung erteilen. 3. Wenn Frau C. etwas nicht genau weiß, recherchiert sie, informiert mich und nennt passende Stellenangebote. 4. Herr D. macht halt so seine Arbeit. 5. Frau E. macht meiner Meinung nach « Dienst nach Vorschrift ». 6. Herr F. macht weniger als « Dienst nach Vorschrift », er tut nur, was er unbedingt muss. 7. Frau G. umgeht Fragen, bietet keine Aufklärung an.

18 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.

Herr H. nutzt meiner Meinung nach meine Unwissenheit aus. Frau I. hat mich nicht über die Möglichkeit der Bewerbungskostenerstattung informiert. Herr J. hat Bewerbungsunterlagen unvollständig gemacht und zerfleddert. Frau K. hat mir einmal einen benötigten Infozettel weggenommen, weil ich nicht sofort auf ihren Vorschlag eingegangen bin. Sie wird dann regelrecht bockig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass manche Stellen, die im Job-Center Göttingen ausgehängt oder im Computer angezeigt sind (bei denen ich meinen Arbeitsberater dann um die Anschrift des Arbeitgebers bitten muss), entweder längst vergeben sind oder überhaupt nicht existieren. Frau L. kriegt anscheinend zuviel Arbeit aufgebürdet, wodurch für meine Vermittlung zu wenig Zeit bleibt. Ich hatte die Zusage von einem Arbeitgeber für einen Arbeitsplatz, wenn ich eine spezifische Fortbildung mache, sie wurde aber nicht bewilligt. Ich hatte eine aussichtsreiche Umschulung vorgeschlagen, sie wurde abgelehnt. Ich würde mich freuen, wenn ich eine ABM bekäme, mir wird aber keine gegeben. Meine ABM ist Mitte 2007 nach einem Jahr beendet worden. Sie hätte rein rechtlich drei Jahre dauern können, zwei Jahre waren geplant. Angeblich war aber kein Geld mehr da. Ich hab meine Arbeit deshalb halbfertig abbrechen müssen. Die für 1 Jahr bewilligt ABM eines Kollegen wurde Mitte 2007 nach nur 10 Monaten abgebrochen. Begründung : Geld ist alle. Herr M. geht bei der Vermittlung nicht auf meine persönliche Lebenssituation ein, er engagiert sich an falscher Stelle. Frau N. hat versucht, mich in eine Stelle zu vermitteln, die eher ab- als weiterqualifiziert, ich hab das verhindern können. Als ich endlich eine schöne Wohnung in Göttingen gefunden hatte, hat Frau O. nur noch nach Stellen außerhalb gesucht. Herr P. unternimmt meines Erachtens Pseudobemühungen für mich, damit er seine Tätigkeit belegen kann, von ihm kommt nichts Sinnvolles. Im Erstgespräch hat mir meine Arbeitsvermittlerin gleich gesagt : « Einen Arbeitsplatz hab ich natürlich nicht für Sie. Bei Frau Q. hatte ich das Gefühl, dass es weniger um meine Vermittlung als vielmehr darum geht, mich aus der Statistik zu kriegen. Herr R. zeigt bei älteren Arbeitnehmern kein Interesse mehr. Ich soll möglichst bald in Rente gehen. Ich hab keine Arbeitsangebote zugeschickt bekommen. Von Frau S. hab ich seit 2 ½ Jahren nichts gehört, kein Anschreiben, kein Arbeitsangebot, Nichts. Ich bekomme seit 2 ½ Jahren Hartz-IV und hab noch nie etwas von einem AV gehört. Ich mach das mit der Arbeitssuche praktisch allein.

Persönliches Verhalten bei der Kostenregelung (mögliche Rechtsverletzungen) 1. Herr A. hat versucht, sich von mir schriftlich erklären zu lassen, dass er zusätzliche Daten über mich erheben darf. Ich habe das abgelehnt: Ich verzichte doch nicht freiwillig auf meinen Datenschutz. 2. Ich habe den Datenschutzbeauftragten in Hannover einschalten müssen, um zu verhindern, dass Frau B. meinen Datenschutz verletzt (Angabe überprüft). 3. Herr C. hat mir einen Widerspruch, den ich einlegen wollte, ausgeredet, das werde doch nichts. Ich wollte Akteneinsicht haben, das hat er abgelehnt. 4. Ich wohne in einer Wohnung, in der sich Einbaumöbel befinden. Deshalb bekomme ich monatlich einen Betrag vom Regelsatz abgezogen. 5. Mir wird ein Betrag für Kücheneinbauten und einen Kühlschrank abgezogen, die ich beide übernehmen musste. 6. Wegen zu hoher Mietkosten im Umfang von wenigen Euro wurde ich aufgefordert, umzuziehen, mein Vermieter hat meine Miete daraufhin verringert. 7. Ich wollte aus einer mit Ungeziefer verseuchten Wohnung ausziehen. Frau D. hat dies nicht als Umzugsgrund anerkannt. Sie meinte, da gehören Sie hin (geprüft). 8. Herr E. hat von mir verlangt, ein ärztliches Attest vorzulegen, dass ich meine Möbel beim Umzug nicht selber tragen kann. Das habe ich vorgelegt, er hat den Umzug aber trotzdem nicht gezahlt. 9. Mir wurde die Übernahme der Umzugskosten verweigert, da meine neue Wohnung im Pendlereinzugsbereich von Göttingen läge.

19 10. Ich bin, weil ich mir eine Fortbildung erhofft habe, nach Göttingen gekommen. Da hat mich Frau F. gefragt, was mir einfallen würde, einfach hierher zu ziehen. 11. Herr G. hat die Mietkaution für meine neue Wohnung lediglich als Darlehen gezahlt und zieht sie mir monatlich in Teilbeträgen vom Regelsatz ab. 12. Frau H. hat mir zuwenig Heizkosten gezahlt und die Entscheidung trotz Widerspruch nicht korrigiert. 13. Herr I. hat einen Antrag auf Nachzahlung von Heizkosten erst mündlich abgelehnt, nach schriftlichem Antrag dann mehrere 100 Euro nachgezahlt. 14. Frau J. ist ein Teufel. Sie lehnt alles erst einmal grundsätzlich ab. Ich bin chronisch krank und habe einen Anspruch auf Zulagen und sie bewilligt sie mir nicht. 15. Herr K. hat mir Essensgeld vom Regelsatz abgezogen, als ich im Krankenhaus war . 16. Frau L. hat mir keinen Vorschuss, sondern lediglich Lebensmittelgutscheine gegeben. 17. Herr M. hatte aus eigenem Verschulden mein Geld zu spät überwiesen. Als ich deshalb von ihm eine Barauszahlung wollte, hat er mir stattdessen Lebensmittelgutscheine gegeben. 18. Ich arbeite zu und Herr N. schätzt mein Einkommen immer höher ein als es ist. Er zieht den Teilbetrag schon ab, bevor ich mein Einkommen erhalten habe. 19. Ich habe einige Monate lang ein geringes Einkommen gehabt, davon wurde mir ein Teilbetrag abgezogen. Obgleich ich jetzt kein Einkommen mehr habe, was Frau O. weiß, zieht sie mir weiterhin den Teilbetrag ab. 20. Herr P. hat mein letztes Einkommen, das verspätet ausgezahlt wurde, voll auf den Regelsatz angerechnet. 21. Frau Q. hat das Einkommen eines Freudes auf meinen Regelsatz angerechnet, obgleich ich keine Lebensgemeinschaft mit ihm habe. 22. Ich habe mir aus Not Geld bei Freunden geliehen und versuche, es zurückzuzahlen. Frau R. hat daraufhin unter Hinweis auf das geliehene Geld angefangen, Teilbeträge von meinem Regelsatz abzuziehen. 23. Ich habe eine Altersvorsorge, die Hartz-IV-geschützt ist und Herr S. hat alles daran gesetzt, um an das Geld zu kommen. Ich musste einen Anwalt einschalten, um dies zu verhindern. 24. Frau T. hat mir eine Leistungskürzung ausgesprochen, die nicht rechtens war, ein Anwalt wurde eingeschaltet. 25. Ich hab Herrn U. gefragt, ob er noch Unterlagen von mir braucht, er hat daraufhin NEIN gesagt – und wegen fehlender Unterlagen eine Leistungskürzung verhängt. 26. Von Frau V. hab ich eine Leistungskürzung bekommen, weil ich eine Unterlage einen Tag zu spät abgegeben hatte. 27. Ich hab von Herrn W. einmal ohne Begründung eine Leistungskürzung bekommen, nach Beschwerde kam wieder der volle Regelsatz. 28. Frau X. hat eine Leistungskürzung ausgesprochen, gegen die ich mich erfolgreich mit einem Anwalt gewehrt habe. Sie musste mir das Geld mit Zinsen zurückzahlen. 29. Ich hab einmal den Folge-Antrag zu Hartz-IV zu spät gestellt, da ich nicht wusste, dass er halbjährig zu wiederholen ist. Meine Miete hat Herr Y. daraufhin voll bezahlt, aber mein Regelsatz ist um 100 Euro gekürzt worden. 30. Ich hab mal drei Monate lang kein Geld bekommen mit der Begründung, es liege ein Computerfehler vor, nach drei Monaten bekam ich dann wieder Geld, aber nur, weil ich immer wieder zum Amt gegangen bin. 31. Ich muss, wenn ich mit Hartz-IV aufstocken will, immer wieder den Klageweg beschreiten : Herr Z. erteilt zunächst falsche Bescheide, die er erst kurz vor der Verhandlung im Prozess zu meinen Gunsten korrigiert. 32. Meine Sachbearbeiterin berücksichtigt nicht die aktuellen Sozialgerichtsentscheidungen und hält sich nicht an die Sozialrechtsprechung.

20

4. Zusammenfassung, Stellungnahme und Schluss Durch die Befragung von Erwerbslosen vor dem Job-Center Göttingen in der Zeit vom 31.1.2008 bis 31.7.2008 ist belegt geworden, was zahlreiche Betroffene persönlich und täglich erfahren, bisher jedoch für eine Ausnahmeerscheinung oder « persönliches Pech » gehalten haben : Die Arbeit im Job-Center Göttingen funktioniert nicht so wie sie in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat funktionieren sollte. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich sowohl die LS des Job-Centers Göttingen wie auch die AV in vielerlei Hinsicht fehlerhaft verhalten, persönlich, fachlich und rechtlich und eine beträchtliche Anzahl von Rechtsbrüchen begehen. Sowohl das persönliche Fehlverhalten (Desinteresse, Verständnislosigkeit, Drohgebaren, Ausagieren von Vorurteilen, Aggressivität, unhöfliches bis entwürdigendes Verhalten bis hin zur mangelnden Bereitschaft, sich bei Fehlern zu entschuldigen und sie umgehend zu korrigieren), das fachliche Fehlverhalten (Erwerbslose müssen gleichlautende Erklärungen mehrfach abgeben, identische Unterlagen mehrfach vorlegen, Post kommt nicht an, Aktenunterlagen gehen verloren, das unnötige Wartenlassen auf Geldleistungen, das Nichtgenehmigen von Weiterbildungen, Umschulungen, ABM, obgleich Gelder hierfür vorhanden sind u.a.m.) wie auch die festgestellten Rechtsverletzungen (Verletzung der Informationspflicht, Unterbinden von schriftlichen Anträgen, Nichtbearbeitung von Anträgen, Verletzung des Datenschutzes, Vorenthalten von zustehenden Geldern ; genannt sei an dieser Stelle auch die Nichtachtung sozialgerichtlicher Entscheidungen bis hin zu Entscheidungen des Bundessozialgerichts) treten in einer derart gehäuften Anzahl auf, dass nicht mehr von versehentlichem Fehlverhalten der LS oder AV ausgegangen werden kann. Es muss vielmehr angenommen werden, dass persönliches Fehlverhalten der LS und AV im JobCenter Göttingen in nicht geringem Umfang tägliche Realität ist und ebenso wie fachliche Mängel und Rechtsverletzungen sowie das Nichtrespektieren von Sozialgerichtsentscheidungen von der Amtsleitung geduldet (oder gar angeordnet ?) werden (zur Unzulänglichkeit der Betreuung in JobCentern vgl. auch Bericht des Bundesrechnungshofs, 2008 ; Erwerbslosen Forum Deutschland, 2008). Dies scheint in besonderer Weise für Rechtsverletzungen zu gelten, die Mitteleinsparungen zur Folge haben. Mehr als jeder dritte Erwerbslose hat in der Befragung angegeben, er sei der Meinung, die/der LS habe bereits einmal zuwenig gezahlt (35,5% ; vgl. Kap. 3.4). D.h. wir gehen davon aus, dass die durch die Befragung im Job-Center Göttingen festgestellten Mängel « System haben » ; dessen Ziel scheint es zu sein : Möglichst wenig an Erwerbslose zahlen.

Und :

Im Zweifel gegen Erwerbslose.

So hat die Optionskommune Göttingen/Landkreis im Jahr 2007 z.B. 800.000 Euro an Geldern der Arbeitsvermittlung ungenutzt an den Bundesfinanzminister zurückgegeben (Mittel zur Integration von Erwerbslosen). Gleichzeitig wurden ABM nicht bewilligt oder verlängert, von Erwerbslosen vorgeschlagene aussichtsreiche Umschulungen abgelehnt und Fortbildungen nicht zugebilligt (vgl. Kap. 3.5, 3.7: « Meine ABM ist Mitte 2007 nach einem Jahr beendet worden. Sie hätte rein rechtlich drei Jahre dauern können, zwei Jahre waren geplant. Angeblich war aber kein Geld mehr da. Ich hab meine Arbeit deshalb halbfertig abbrechen müssen. » « Die für 1 Jahr bewilligte ABM eines Kollegen wurde Mitte 2007 nach nur 10 Monaten abgebrochen. Begründung : Geld ist alle. »). Wir schätzen, dass nicht nur bei der Arbeitsvermittlung, sondern auch bei der Leistungsverwaltung ein u.U. hoher Betrag pro Jahr zu Lasten von Erwerbslosen « eingespart » wird, und zwar dadurch, dass zustehende Gelder in umfänglicher Höhe nicht gezahlt werden (Beispiele siehe Kap. 3.7: Vorenthalten von Geldern für Heizkosten, Umzüge, Miete, Mietkaution, Ernährungszulagen bei chron. Krankheit, Anrechnung von Verpflegungskostenersparnissen bei Krankenhausaufenthalt, vgl. zu Letzterem Bundessozialgericht, Az. B14 AS 22/07 R, unrechtmäßige Sanktionen, befristete Regelsatzstreichungen, Hartz-IV-Streichungen u.a.m.). Auf eine Anfrage beim Landkreis Göttingen zur Höhe der durch Sanktionen « eingesparten » Gelder erhielten wir die Antwort : Es seien zur Zeit etwa 300 Sanktionen (Regelsatzkürzungen) gegen Erwerbslose verhängt. Dies entspricht auch der Zahl der Sanktionen der Stadt Göttingen, allerdings bei größerer Erwerbslosenzahl. Im ersten Halbjahr 2008 seien hierdurch 48.000 Euro

21 eingespart worden. Hierdurch werde vor allem der Bundesetat (Bundesfinanzministerium) entlastet. Bei 100%-igen Sanktionen, d.h. bei Streichung auch der Kosten der Unterkunft (Hartz-IV-Streichung), werde auch der Kreishaushalt entlastet. Diejenigen Fälle, die den Kreishaushalt entlasteten, würden statistisch jedoch nicht erfasst. Wir nehmen an, dass dies auch für die Stadt Göttingen gilt (Landkreis Göttingen, 2008 : Schreiben des Sozialdezernenten Wucherpfennig vom 31.7.2008). Dem Haushalt des Landkreises Göttingen kommen neben den Einsparungen durch Hartz-IVStreichungen auch alle Kürzungen im Bereich der Mietkosten (Kosten der Unterkunft, KdU) zugute. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass gerade in diesem Bereich zahlreiche Rechtsverletzungen festgestellt wurden, vgl. insbesondere die Nichtübernahme der vollen Heizkosten. In diesen Bereich gehört auch die Nichtakzeptanz von Mietkosten, die bis zu 10% über dem Limit liegen (vgl. Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Az. L 7 AS 182/08 ER), die Kürzung der Mietkosten wegen Einbaumöbeln, Kühlschrank des Vermieters (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.6.2005, L 9 B 23/5 AS ER – Abzug nicht gestattet, Verfahren vor dem LSG Niedersachsen-Bemen anhängig ; siehe Kap. 3.7, mögliche Rechtsverletzungen) und die Zahlung von Mietkautionen als Darlehen. Wir halten es deshalb für unabdingbar, die entsprechenden Bescheide der Stadt Göttingen (und des Landkreises) zu den genannten Ausgabenbereichen auszuweisen/statistisch zu erfassen, damit die Vorgehensweise des Job-Centers transparent, überprüfbar und damit korrigierbar gemacht wird. Uns wurde mitgeteilt, dass es für fehlerhaft verhängte Sanktionen/Hartz-IV-Streichungen weder Schmerzensgeld- noch Schadensersatzleistungen gibt. Der entsprechende Bescheid werde lediglich korrigiert, da das SGB II « keine Wiedergutmachungen bei fehlerhaften Sanktionen und befristeten Regelsatzstreichungen » vorsehe (Landkreis Göttingen, 2008). Angesichts dieser Sachlage sind wir erschrocken, mit welcher Selbstverständlichkeit und in welcher Häufigkeit über einen längeren Zeitraum gerechnet laut Befragung mit Sanktionen gedroht und real sanktioniert wird, und dies uneingedenk der Tatsache, dass Erwerbslose hierdurch unter das Existenminimum gedrückt werden bzw. ihnen die Existenzgrundlage gänzlich entzogen wird. Wir wundern uns zudem darüber, dass es Stadt und Landkreis Göttingen nicht interessiert, wie vielen Erwerbslosen Hartz-IV (befristet) gestrichen wird. Wir sind der Meinung, dass Sanktionen in Anbetracht der Tatsache, dass Harz-IV-BezieherInnen mit dem aktuellen Regelsatz von 351 Euro monatlich laut Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands schon heute unter dem Existenzminimum liegen, grundsätzlich unzulässig sein müssen (Der Paritätische, 2008) und verweisen in diesem Zusammenhang auf die Artikel 1 und 2 des deutschen Grundgesetzes (Würde des Menschen, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit), auf das Sozialstaatsgebot und das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit ( vgl. hierzu Berlit, 2007, SGB II, § 31 RdNr. 14 . m.w.N. ; Müller, 2008, SGB II, §15 RdNr. 21). Der Landkreis Göttingen hat aktuell zwei Stellen ausgeschrieben, mit denen der Leistungsmißbrauch bei Hartz-IV-BezieherInnen bekämpft werden soll, und dies, obgleich Hartz-IV-BezieherInnen bisher kein Leistungsmissbrauch in nennenswertem Umfang nachgewiesen werden konnte (im Gegensatz zur Steuerhinterziehung von Unternehmen, vgl. z.B. Lieb, 2008). Es haben uns im Zuge der Befragung zahlreiche Erwerbslose berichtet, dass sie sich mit Hilfe von RechtsanwältInnen erfolgreich gegen Sanktionen und die Vorenthaltung von Geldern durch das Job-Center gewehrt haben. Bundesweit liegt die Höhe der erfolgreich angefochtenen Sanktionen bei bis zu 40%. Dennoch zielt die Missbrauchsdebatte zu Hartz-IV-Leistungen seit Jahren ausschließlich auf Erwerbslose ab. Vor dem Hintergrund der bisher bekannten Daten über diesen Bereich wie auch der Befragungsergebnisse ist unseres Erachtens eine Blickwende erforderlich, fort von den LeistungsbezieherInnen hin zu den LeistungssachbearbeiterInnen und ArbeitsvermittlerInnen, d.h. eine Kontrolle der Kontrolleure. Es kann nicht akzeptiert werden, dass Erwerbslose, und damit in der Regel bettelarme Menschen, durch das rechtswidrige Verhalten insbesondere von LeistungssachbearbeiterInnen (Vorenthalten von Geldern, fehlerhaftes Anrechnen von Geldern, Sanktionen, Hartz-IV-Streichungen) faktisch zu unfreiwilligen Sponsoren des Bundesfinanzministers, des Landkreises

22 und der Stadt Göttingen gemacht werden. D. h. es kann nicht hingenommen werden, dass die Optionskommune Göttingen Mittel, die der Deutsche Bundestag bzw. der niedersächsische Landtag für Erwerbslose bewilligt hat, durch Vorenthalten von ABM, Fortbildungen und Umschulungen bzw. durch (bewusste ?) Fehlentscheidungen im Bereich der Mietkosten (KdU) und durch Sanktionen/Hartz-IV-Streichungen in den Haushalt von Bund, Landkreis und Stadt zurücklenkt. Die LS und AV wurden in der vorliegenden Befragung unserer Meinung nach im Schnitt zu gut beurteilt. Die Durchschnittsnote, die Erwerbslose ihren LS und AV gaben, liegt für LS bei 3,6 (3-4), für AV bei 2,8 (3+ ; für die Vielzahl der Sechsen wurden LS 0,2% Punkte abgezogen, AV 0,1% Punkt). Selbst bei schlampiger Arbeit, bei entwürdigendem Verhalten und gravierenden Rechtsverletzungen haben nicht wenige der befragten Erwerbslosen zufriedenstellende bis – sogar – sehr gute Noten vergeben. Wir haben deshalb den Eindruck gewonnen, dass die Notengebung für die LS und AV auch ein Ergebnis der individuellen psychischen Befindlichkeit von Erwerbslosen war. Viele Erwerbslose haben schlechte Leistungen schlecht benotet, andere Erwerbslose zeigten sich bereit, akzeptable bis sehr gute Noten zu erteilen, wenn nur ihr Geld ausgezahlt wird. Wir führen dieses Verhalten auf die allgegenwärtige Bedrohung durch Sanktionen und Hartz-IV-Streichungen zurück. Wir wünschen uns deshalb, dass Erwerbslose zukünftig mehr forden und Beschäftigte des JobCenters mehr fördern, dass letztere nicht allein fachlich versiert, engagiert sowie rechtlich einwandfrei arbeiten (siehe Fragebogen), sondern vor allem menschenfreundlich mit Erwerbslosen umgehen. Uns erscheint insbesondere die Arbeit der AV wie die Tätigkeit eines Bäckers, der – im günstigsten Fall – interessiert, freundlich, respektvoll und engagiert auf seine Kunden zugeht, absolut umsichtig, zuverlässig, schnell und richtig zu arbeiten versucht, Verständnis und Einfühlungsvermögen für die Wünsche und Bedürfnisse seiner KundenInnen aufbringt, den Kauf von Waren engagiert und unter Berücksichtigung der Interessen der Kunden unterstützt – jedoch keine Backwaren anzubieten hat. Wir begrüßen es, dass die MitarbeiterInnen des Job-Centers Göttingen aktuell ein Training zur Verbesserung ihrer kommunikativen Fähigkeiten absolvieren, wir sind nach Durchsicht der Befragungsergebnisse allerdings der Meinung, dass dies nicht reicht : Es geht nach unserem Eindruck bei den LS und AV weniger um mangelnde Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation, obgleich auch diese festgestellt wurden (siehe Kap. 3.7), es geht vielmehr um schlampige Arbeit und konkrete Rechtsbrüche und um ein persönliches Verhalten im Umgang mit Erwerbslosen, das auf ein « grottenschlechtes » Menschenbild einer erheblichen Zahl der Beschäftigten des Job-Centers, insbesondere der LeistungssachbearbeiterInnen, schließen lässt. Dieses ist u. E. nicht mit einem Kommunikationstraining zu beheben, sondern allenfalls durch eine problemadäquate Leitung des Bereichs « Job-Center », durch Wahrnehmung der Aufsichtspflicht und Unterbindung von Amtsmissbrauch, durch Schulungen zum Thema Rechte von Erwerbslosen und Pflichten der LS und AV, durch disziplinarische Maßnahmen und auch durch Kündigungen. Wir haben die Vorstellung, dass ein Job-Center eine Art Hilfsorganisation für Menschen in Not ist (Erwerbslose), in dem wir ein dementsprechend hohes Engagement der Beschäftigten erwarten. Wir sind der Meinung, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes den BürgerInnen zu dienen haben und nicht BürgerInnen den Beschäftigten. Ein Job-Center ist in jedem Fall keine Behörde zur Demütigung von Erwerbslosen, zur Abreaktion andernorts verursachter Aggressionen, zur Nichtbeachtung von Recht und Rechtssprechung und zur Sortierung von Erwerbslosen in Arbeitswillige und Arbeitsscheue. Es sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, dass nicht nur Erwerbslose, sondern auch LS und AV von Steuergeldern bezahlt werden. Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle ausdrücklich bei denjenigen Beschäftigten des JobCenters Göttingen, die in dem geschilderten problematischen Arbeitsumfeld trotzdem engagierte Arbeit leisten. Wir kennen als Folge der Befragung ihre Namen, wir haben sie ebenso wie die Namen der entwürdigenden, schlampig arbeitenden und rechtsverletzenden Beschäftigten aufgelistet und werden sie Erwerbslosen weitersagen.

23

5. Anhang 1 : Grafiken

Fachkenntnisse und Informationsvermittlung LeistungssachbearbeiterInnen Angaben in % der Befragten

ArbeitsvermittlerInnen

30

28 28

26

23,5

25 20

18

15

18 14

15

14,5

12

10 5

2 0

s eh r gu

1 t

gut

z uf ried

Grafik 1

ens t d.

gro

tten k sch eine A lec ng. ht

24

Fachkenntnisse und Informationsvermittlung Angaben in % der Befragten

54

60 50

LeistungssachbearbeiterInnen ArbeitsvermittlerInnen

43

32,5

40

26 30 20 10 0 besser als zufriedenstellend

Grafik 2

schlechter als zufriedenstellend

25

Sorgfalt bei der Antragsbearbeitung / im Vermittlungsgespräch aus Sicht der Befragten 60

50 LeistungssachbearbeiterInnen

50

ArbeitsvermittlerInnen

39,5 40 30,5

30

26

26,5 18,5

20 10 0

arbeitet umsichtig, zuverlässig, schnell und richtig

arbeitet zufriedenstellend

Angaben in % der Befragten

Grafik 3

*arbeitet unzulänglich

26

(Fehl-)Verhalten bei der Antragsbearbeitung LeistungssachbearbeiterInnen macht auf Rechtsansprüche ungefragt u. gezielt aufmerksam

19

35

lässt sich Unterlagen mehrfach vorlegen

lässt sich Erklärungen mehrfach unterschreiben

14,5

11

verliert Unterlagen (bis hin zur ganzen Akte)

lehnt mündlich gestellte Anträge schon mal auf der Stelle ab

29,5

versucht, schriftliche Anträge zu unterbinden

22,5

lässt Arbeitslose länger als nötig auf Leistungen w arten

27

6

bearbeitet Anträge manchmal überhaupt nicht

0

5

10 15

20 25 30

35 40

Angaben in % der Befragten

Grafik 4

27

Antragsaufnahme / Vermittlungsgespräch durch ArbeitsvermittlerInnen Angaben in % der Befragten

macht auf Rechtsansprüche ungefragt u. gezielt aufmerksam

45

*erfragt berufl. Interessen u. Stärken nach Selbsteinschätzung der/des Arbeitslosen

69

*gibt Tipps u. Ratschläge zu mögl. neuen Arbeitgebern u. -feldern

55,5

*bewilligt Kostenerstattung für 52 Bewerbungen/Jahr

51

*schließt Eingliederungsvereinbarung ab, die Pflichten/Sanktionen für Arbeitslose enthält, für AV nur Aufgaben, für die sie ohnehin bezahlt werden

44

*lässt sich schriftlich erklären, dass sie/er persönl. Daten der Arbeitslosen weitergeben darf

19,5

0

10 20 30 40 50 60 70 80

Grafik 5

28

Persönliches Verhalten im Umgang mit Ewerbslosen Angaben in % der Befragten

28

ist interessiert, respektvoll, freundlich, engagiert

69 32

erscheint desinteressiert, handelt respektlos

14

30

ist auch mal ohne Terminabsprache zu erreichen

47

65

*berät nur nach Termin

37

zeigt gegenüber Arbeitslosen Einfühlungsvermögen, Verständnis für deren prekäre Lebenslage

27,5 53

6

lehnt es ab, Arbeitslose in Begleitung zu beraten

2

versieht Einladungen stets mit Androhung einer Regelsatzkürzung bei Nichterscheinen

43,5 45,5

13

mutmaßt schon mal Arbeitsscheu...

LeistungssachbearbeiterInnen

9

ArbeitsvermittlerInnen 16

versucht, einzuschüchtern, wird lautstark, schreit an

8

28,5

droht schnell mit Leistungskürzung

13

hat bereits eine/mehr. Leistungskürzungen ausgesprochen

14 6

scheint sich nicht als DienstleisterIn, sondern eher als ErzieherIn, Vormund, "DompteurIn" zu betrachten

26 17

*ist über Ursachen/Verursacher/Profiteure von Arbeitslosigkeit informiert

21 47

0

10

20

30

Grafik 6

40

50

60

70

80

29

Persönliches Verhalten bei der Kostenregelung LeistungssachbearbeiterInnen Angaben in % der Befragten: schöpft die rechtl.Möglichkeiten zum Vorteil von Arbeitslosen voll aus

12

ist bemüht, korrekt zu entscheiden

41,5

verletzt Datenschutz (verlangt für Mietnachweis Unterschrift des Vermieters)

59,5

*lässt sich schriftl. erklären, dass sie/er zusätzliche persönl. Daten erheben darf

8,5

lässt sich bei Antragstellung stets Kontoauszüge für mehrere Monate vorlegen

zahlt bei Umzug nur vorherige Miete, auch wenn die neue im Limit liegt

66,5

1,5

reagiert restriktiv bei hohen Mietkosten (droht z.B. Kürzung vor Ablauf von 6 Monaten an)

11

lehnt Kostenübernahme (z.B. Heizung) in voller Höhe ab

20

scheint bemüht zu sein, möglichst wenig zu zahlen

29

35,5

hat bereits einmal zuwenig gezahlt

entschuldigt sich bei fehlerhafter Entscheidung und korrigiert umgehend

23,5

lässt Arbeitslose länger als nötig auf Leistungen warten

0

27 10

20

Grafik 7

30

40

50

60

70

30

Persönliches Verhalten bei der Arbeitsvermittlung Angaben in % der Befragten

unterstützt engagiert u. unter Berücksichtigung der Interessen des A rbeitslo sen die A rbeitsaufnahme

57

macht berufl. passende/interess. Weiterbildungsangebo te

50

vermittelt in A BM , 400-Euro -Jo bs, 1-Euro -Jo bs, Praktika

29

vermittelt in 1-Euro -Jo bs, o bgleich keine gesundh. Einschränkungen vo rliegen

13

vermittelt in 400-E.-Jo bs, die keine P erspektive auf exist.-sichernd. Arbeit aufweisen

5

vermittelt in Stellen, die eher ab- als weiterqualifizieren

9

vermittelt gezielt do rthin, wo hin A rbeitslo se(r) nicht will

7

2,7

schickt Schein-Arbeitsangebo te zu

macht keine A rbeitsangebo te aber Vo rwürfe wg. Arbeitslo sigkeit

13

mutmaßt o hne Grund persö nl./gesundh./Dro genpro bleme

6

entschuldigt sich bei fehlerhafter Entscheidung u. ko rrigiert umgehend

22

vermittelt in existenzsichernde so zialversicherungspflichtige Jo bs

12 0

10

20

Grafik 8

30

40

50

60

31

Geamtbewertung der Arbeitsleistung LeistungssachbearbeiterInnen

Angaben in % der Befragten

ArbeitsvermittlerInnen

28 30

24

24

25

23,5

21

19

20

19,5

15 10

9,3 9

9,3 7

5

5,3 0

0

1 Note 1

Note 2

Note 3

Note 4

Note 5

Grafik 9

Note 6

keine Ang.

32

Gesamtbewertung der Arbeitsleistung

52

60

LeistungssachbearbeiterInnen ArbeitsvermittlerInnen 47,5

50 40

28 24

30 20 10 0

besser als Note drei schlechter als Note drei Angaben in % der Befragten

Grafik 10

6. Anhang 2

(Textversion, Beispiel)

Ämterwillkür – es reicht! Schluss mit den Schikanen des Jobcenters!  Ist Ihr Antrag oder sind Ihre eingereichten Unterlagen im Jobcenter schon mal verloren gegangen?  Wurde Ihnen die Leistung gekürzt oder gestrichen, und Sie verstehen nicht warum?  Wurden Ihre Anliegen schon einmal mündlich abgelehnt und Sie hatten das Gefühl, dass die SachbearbeiterInnen damit schriftliche Anträge vermeiden und Sie abwimmeln wollten, um Sie um Ihr Recht zu bringen?  Bekommen Sie Arbeitsangebote, die für Sie keinen Sinn ergeben? Wo Sie nichts dazu lernen, wo die Bezahlung mies ist, wo Sie kaum die Fahrtkosten zur Arbeit wieder heraus bekommen? Viele Erwerbslose haben mittlerweile erkannt, dass die willkürlichen und illegalen Praktiken und Drangsalierungen des Jobcenters nicht zufällig sind, son-. dern System haben. Immer wieder sind lautstarke Auseinandersetzungen zwischen Angestellten und Erwerbslosen zu hören. Anfang Februar 2007 randalierten in der Arbeitsagentur Herne 100 Hartz-IV-Empfänger_innen so lange, bis ihnen ihr fehlendes Geld ausgezahlt wurde. Immer mehr Erwerbslose versuchen sich gegenseitig zu unterstützen und sind nicht mehr bereit, Unrecht in Form von Sanktionen oder sinnlosen Maßnahmen hinzunehmen.

Göttingen: Aktionstag am 3. April 2008. Wir wollen gegen die Schikanen vorgehen und Wege suchen, dass jede und jeder das ihm zustehende Geld vom Amt bekommt. Es sind nun erste Arbeitsgruppen (AGs) eingerichtet: AG Beistand/Begleitschutz

Wenn wir nicht alleine zum/r Sachbearbeiter/in gehen, sondern mit einer oder mehreren Personen gemeinsam, herrscht im Amtszimmer schon eine ganz andere Stimmung. Unter ZeugInnen ist nicht mehr jede Unverschämtheit denkbar, die für uns sonst leider an der Tagesordnung ist. Nicht mehr isoliert und hilflos da zu stehen, schafft im “Beratungsgespräch” den nötigen Respekt und gibt uns Rückhalt. Wie an einem besonderen Aktionstag Alg-II-EmpfängerInnen auf Wunsch auch mit mehreren Personen zum Sachbearbeiter/Fallmanager gehen können – damit will sich diese AG befassen.

34

In Köln haben an solchen Aktionstagen, aber auch an weiteren Tagen, die „KundInnen“ durch solche Form von Solidarität einiges durchsetzen können: ☺ Auszahlung von vorenthaltenen Geldern, ☺ Löschungen von Daten, die gegen den Willen der „KundIn“ aufgeschrieben wurden oder gespeichert gehalten wurden, ☺ einige „KundInnen“ des Jobcenters konnten gemeinsam verhindern, dass ihnen ein 1-€-Job zugewiesen wurde, und Sie bekamen keine Sanktionen. AG Bewertung/Unser SachbearbeiterInnen-Verzeichnis Es gibt sehr unterschiedliche SachbearbeiterInnen. Gegen einige laufen schon Beschwerden, weil sich Betroffene wehren. Sie ändern aber ihr Verhalten nicht und werden durch die Amts-Leitung gedeckt. Andere verhalten sich respektvoll und versuchen, den „KundInnen“ einen guten Service zu bieten. Wir möchten einen Katalog erstellen, so dass wir einen Überblick darüber bekommen, wie sich welche SachbearbeiterIn verhält. Jede und jeder würde ihre/seine Erfahrungen mit bestimmten SachbearbeiterInnen beitragen. Es gibt einen ersten Entwurf für einen Fragebogen. Wir wollen in unserer AG auch über andere Ideen und das weitere Vorgehen sprechen. AG Dokumentation „Ämterwillkür, Schikanen“ Auch wenn ein Betroffener sein Recht gerichtlich durchgesetzt hat, versucht das Amt in an- deren genauso gelagerten Fällen, anderen Betroffenen das Recht trotzdem vorzuenthalten. Um die „Einzelfall“-Lüge zu demaskieren, wollen wir Informationen sammeln und dokumen- tieren. AG „Belagerung“/Phantasievolles Zusammensein am Jobcenter Der Alg-II-Regelsatz von 347,- € reicht vorne und hinten nicht. Wir fordern ein Einkommen, von dem wir in dieser Gesellschaft gegebenenfalls auch ohne Arbeit und ohne Arbeitszwang (1-€-Job, Praktika, „Maßnahmen“) menschenwürdig leben können. Wir könnten uns an einem solchen Tag auch gemeinsam ins Foyer des Jobcenters oder des Neuen Rathauses begeben, um gegen den höhnisch niedrigen Regelsatz zu protestieren: Wir nutzen den Strom in der Behörde zum Radio hören, zum Waschen unserer Wäsche… Wir fordern Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln zum Nulltarif für alle Menschen mit niedrigem Einkommen. AG „Verklagen des Landkreises“ Auch diese Idee tauchte beim letzten Nächstes Treffen aller Aktiven und Treffen auf, und die AG hat sich Interessierten: gegründet. Gemeinsam sind auch die Donnerstag, 27. März 2008 „Schwachen“ stark. (Friedrich Schiller) 18.30 Uhr Kommt einfach zu den bekannten Terminen oder sprecht unsere im Haus der Gewerkschaft ver.di VerteilerInnen am Amtshaus an, Groner Tor Straße 32 (Nähe Groner Tor) wenn Ihr an einer AG teilnehmen Bündnis gegen 1-Euro-Jobs möchtet.

35

7. Literaturverzeichnis : ZS= Zeitschrift

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2008) : Memorandum 2008, Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht, Alternativen zur Bedienung der Oberschicht, Köln : PapyRossa Berg, Hans (2008) : Das fiskalische Bermudadreieck, www.memo.uni-bremen.de/docs/m2905.pdf Bericht des Bundesrechungshofs (2008) : Ein-Euro-Jobs werden missbraucht, ZS FAZ.NET, 8.5.08 Berlit, Uwe-Dietmar (2007) : § 31 RdNr. 14. In : Münder, Johannes (Hg.) : LPK-Sozialgesetzbuch II, 2. Auflage Bundesrechnungshof (2008) : Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, Bericht an den Arbeits- und Sozialausschuss des Deutschen Bundestags Butterwegge, Christoph (2006) : Krise und Zukunft des Sozialstaats, 3. erw. Auflage, Wiesbaden : Verlag für Sozialwissenschaften Erwerbslosen Forum Deutschland (2008) : Hartz IV : Bundesregierung und große Koalition bleiben Antwort schuldig, Pressemitteilung vom 29.7.2008, www.erwerbslosenforum.de Knebel, Bernd (2008) : Massiver Missbrauch mit Ein-Euro-Jobs, ZS Hannoversche Allgemeine, 24.7.2008 Kühn, Wolfgang (2008) : Einer trage des anderen Last : Zur gegenwärtigen Debatte um die Verteilung der Steuerlast in Deutschland, www.memo.uni-bemen.de Kuhr, Daniele (2008) : Steuerhinterziehung in Deutschland : Das große Milliardenrätsel, Süddeutsche Zeitung, 18.2.2008 Landkreis Göttingen (2008) : Antwort auf drei Anfragen in der Kreistagssitzung vom 9.7.2008, Sozialdezernent Wucherpfennig, 31.7.2008 – Az. 50 11 00, Amt für Arbeit und Soziales Lieb, Wolfgang (2008) : Steuerhinterziehung – ein Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse, in : Das kritische Tagebuch, 17.3.2008, www.nachdenkseiten.de Müller, Imme (2008) : § 15 RdNr. 21. In : Hauck, Noftz (Hg.) Sozialgesetzbuch II, Gesamtkommentar, Bd. 1, Berlin : Erich Schmidt Verlag Der Paritätische (2008) : Paritätischer fordert Sofortmaßnahmen gegen eklatanten Armutsanstieg, Pressemeldung vom 25.6.2008 (Anhebung von Hartz-IV um 25%) VER.DI PUBLIK (2008) : ZS Ausgabe Juni-Juli 2008 Gerichtsentscheidungen : Bundessozialgericht, Az. B14 AS 22/07 R (zur Anrechnung von Verpflegungskosten bei Krankenhausaufenthalt) Bundessozialgericht, Az. B 14 AS 46/07 R (zur Anrechnung von Verpflegungskosten im Fall von Essen bei den Eltern) Bundesverfassungsgericht, BVerfG - 12.05.05 - Az. 1 BvR 569/05 (zur Vorlage von Kontoauszügen) Landessozialgericht Baden-Württemberg, Az. L 13 AS 4282/07 ER (zur Vorlage von Kontoauszügen) Landessozialgericht Hessen, Az. L 7 AS 32/05 ER (zur Vorlage von Kontoauszügen) Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Az. L 7 AS 182/08 ER (zur Akzeptanz höherer Mietkosten) Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.05, L 9 B 23/05 AS ER (zur Minderung des Regelsatzes bei Einbaumöbeln) Sozialgericht Düsseldorf Az. S 35 AS 6/05 ER (zur Informationspflicht der Sozialleistungsträger nach §14 SGB I) Sozialgericht Hildesheim, Az. S 33 AS 1015/07 ER (zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch Beschäftigte einer Fördergesellschaft)