Bindung von Anfang an
Diplomarbeit von Agnes Maria Winkler
Inhaltsverzeichnis Vorwort .......................................................................................................................................................................................... 3 Sein oder Nicht-‐Sein? ............................................................................................................................................................... 4 Was ist Bonding? ....................................................................................................................................................................... 5 Die vorgeburtliche Zeit ...................................................................................................................................................... 5 Die ideale Mutter .................................................................................................................................................................... 10 Die Vater-‐ Kind-‐Bindung ..................................................................................................................................................... 11 Ideale Geburtsatmosphäre ................................................................................................................................................. 12 Ein Baby erblickt das Licht der Welt -‐ Selbstanbindung ....................................................................................... 12 Durch diese gesunde Selbstanbindung entwickelt der Säugling ....................................................................... 14 Bindungstheorie ...................................................................................................................................................................... 15 Bindung bedeutet Bedürfnisse zu erfüllen .................................................................................................................. 16 Bindung und Anbindung ..................................................................................................................................................... 18 Gesunde Anbindung bedeutet ...................................................................................................................................... 18 Arten der Bindung .................................................................................................................................................................. 19 Bindungsstörungen ............................................................................................................................................................... 21 Die undifferenzierte Bindungsverhalten ................................................................................................................. 21 Übersteigertes Bindungsverhalten ............................................................................................................................ 21 Gehemmtes Bindungsverhalten .................................................................................................................................. 22 Aggressives Bindungsverhalten .................................................................................................................................. 22 EEH – Emotionelle Erste Hilfe .......................................................................................................................................... 23 Schmetterlinsbabymassage .......................................................................................................................................... 24 Cranio Sacral Therapie ................................................................................................................................................... 24 Heilgespräch, Heilbad, Herzfaden .............................................................................................................................. 24 Fallbeispiel ............................................................................................................................................................................... 26 Schlussfolgerung .................................................................................................................................................................... 27 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................................. 28
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VORWORT
Ich habe mich bei meiner Diplomarbeit für das Thema Bindung entschieden, weil ich durch die Ausbildung zur Familienmentorin erkannt habe, wie wichtig eine Bindung schon in den ersten neun Monaten der Schwangerschaft, bei der Geburt und in den ersten Jahren danach ist. Ich habe gelernt, welche Auswirkungen emotionaler Stress und Unsicherheit der Mutter auf das Kind ein Leben lang haben können. Jetzt kann ich manche Verhaltensweisen und Handlungen meines Sohnes, mittlerweile schon 23 Jahre alt, besser verstehen.
Meine Schwangerschaft verlief bis zur 36. Schwangerschaftswoche soweit normal. Mit einer Gestose (Schwangerschaftsvergiftung) kurz vor der Geburt hat der Stress begonnen. Die Geburt wurde mit Wehen fördernden Mitteln eingeleitet, denn die Ärzte waren der Meinung, mein Baby sei schon zu groß. Auf meine Fragen bekam ich keine ausreichenden Informationen, was bei mir Unsicherheit und Angst auslöste. Leider glaubte mir niemand, dass ich bereits von Montag bis Freitag ständig Wehen hatte, denn der Wehenschreiber zeigte nichts Auffälliges an. Natürlich verließ man sich auf die Elektronik und nicht auf die Empfindungen der Mutter, was zu erneuter Unsicherheit führte. Der Geburtsverlauf verlief dann, dank der Hebamme, die mich sehr unterstützt hat, ohne Komplikationen. Das Wissen über richtiges „Bonding“ war damals leider noch nicht verbreitet, und so wurde auch meinem Sohn und mir nicht die Zeit dafür gegeben. Die Babys waren zu dieser Zeit auch noch im Kinderzimmer untergebracht und sind nur zum Stillen zur Mutter getragen worden. Mein Sohn hat also ein Trauma nach dem anderen erlebt, wen wundert es da noch, dass er ein Schreibaby wurde. Durch Gespräche mit Schwangeren hab ich das Gefühl, dass es vielen Müttern nicht bewusst ist, welche Verantwortung sie schon von Beginn an haben, welche Entwicklungsstufen das Baby in den ersten neun Monaten der Schwangerschaft durchlebt, wie entscheidend und prägend diese Zeit schon für eine gute Mutter-‐Vater-‐ Kind-‐Bindung ist und welche Möglichkeiten sie haben ein gutes Bonding nachzuholen.
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SEIN ODER NICHT-‐SEIN?
Wie ein Kind gezeugt wurde, wie die Schwangerschaft erlebt wird, wie ein Kind geboren wird – all das hinterlässt Spuren und gehört zur Lebensgeschichte eines jeden Menschen. Franz Renggli beschreibt in dem Buch „Auf die Welt gekommen“ drei mögliche urtraumatische Situationen von Psychiater und Theologe Franke Lake: 1. Die Zeugung, die natürlich kein Trauma zu sein braucht. Wenn wir jedoch bedenken, wie viele Kinder bei uns ungewollt, unter schwierigen Bedingungen oder ohne Einwilligung eines Elternteiles entstehen, dann wird die Zeugung als Trauma sofort verständlich. 2. Sieben oder acht Tage später nistet sich der Embryo in der Gebärmutter ein. Es ist nicht die Mutter, welche das winzige Menschenkind festhält, sondern es selbst entscheidet sich, bei diesen Eltern zu bleiben. Die pränatale Psychotherapie hat herausgefunden, dass diese Einnistung bei vielen Menschen mit einer Nahtoderfahrung verbunden ist. 3. Ein dritter möglicher traumatischer Moment im Leben der Menschen ist der Zeitpunkt, wenn die Eltern erkennen, dass die Frau schwanger ist. Ich brauche nicht zu betonen, dass dies natürlich auch einen höchst glücklichen Moment darstellen kann. Wenn wir jedoch bedenken, dass weltweit nahezu ein Viertel aller Schwangerschaften abgebrochen werden, so können wir daraus vielleicht erahnen, welches Elend ein Baby zu diesem Zeitpunkt erleben kann. Die bange Frage von Sein oder Nicht-‐Sein hängt Tage, ja unter Umständen wochenlang über ihm. Ein Baby hat hart zu tragen an der zwiespältigen und negativen Einstellung seiner Eltern. Umgekehrt ist es wichtig, dass werdende Eltern ihre negativen, das Kind ablehnenden Gefühle, zulassen können und nicht verdrängen müssen. „Der Embryo und der Fötus entwickeln sich über den Weg des Geruchs und Geschmacks, über Formen, Farben, Strukturen und Tönen.“ Caraka Samhita
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WAS IST BONDING?
Das englische Wort „Bonding“ ist in viele Sprachen übernommen worden. Damit ist die innere Gefühlsverbindung gemeint, die Eltern zu ihrem Baby entwickeln. Die Mutter und der Vater verlieben sich regelrecht in ihr Baby. Diese Verliebtheit ist die Basis für eine dauerhafte einzigartige Beziehung, die in dem Moment beginnt, in dem die Eltern erfahren, dass sie ein Kind erwarten.
DIE VORGEBURTLICHE ZEIT Bevor sich eine Frau an den Gedanken gewöhnt hat Mutter zu werden, ist der wesentliche Entwicklungsschritt im Leben ihres Kindes bereits abgeschlossen. Das Baby hat von Anfang an einen lebendigen Organismus, der sich an die gegebenen Umstände anpasst und sie meistert. Während seiner ersten neun Monate im Mutterleib lernt das Kind vermutlich mehr als im Verlauf seines gesamten Lebens. Die Mutter kann schon während der Schwangerschaft viel für die körperliche und seelische Gesundheit ihres Kindes tun und eine liebevolle und innige Beziehung zu ihrem Kind entwickeln. Die vorgeburtliche Zeit ist daher für das Leben von wichtiger Bedeutung. Gefühle, Lebenseinstellungen, Ängste, Sehnsüchte können mit den Erfahrungen dieser Zeit zusammenhängen. Positive wie auch negative Ereignisse und Gefühle während der Schwangerschaft werden vom Baby über die Plazenta wahrgenommen. Der Mutterkuchen ist das erste Liebesobjekt eines Kindes, mit dem das Baby auf sehr intime Weise die ersten neun Monate seines Lebens verbringt. Neben der Plazenta sind die Nabelschnur zusammen mit der Gebärmutter die wichtigsten Organe für das Überleben des Kindes, weil sie die Verbindung zwischen Embryo und Mutter herstellen. Der Mutterkuchen versorgt das Kind mit Sauerstoff, Nährstoffen, Flüssigkeit und sie steuert die Ausschüttung von Hormonen. Er nimmt im Laufe der Schwangerschaft verschiedene Antikörper aus dem Blutkreislauf der Mutter auf und gibt sie dem Kind weiter. Durch dünne Membrane, die als Filter dienen, werden Giftstoffe teilweise zurückgehalten.
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Alkohol, Medikamente, Nikotin und andere Umweltgifte gelangen jedoch ungehindert über die Nabelschnur zum Kind und können so zu Entwicklungsstörungen oder sogar zu einer Fehlgeburt führen. Das Kind im Mutterleib kann nicht zwischen belastenden Stoffen und seiner mütterlichen Lebensumwelt unterscheiden. Darum besteht die Gefahr, dass es zum Vereinen zwischen dem mütterlichen Organismus und den vorhandenen Bedrohungen kommt. Hat das Baby bereits negative Reize erfahrenen, wird es sich daran erinnern und zieht sich zurück, um den Schwierigkeiten zu entgehen.
DIE ENTWICKLUNG Das Ungeborene entwickelt sich nicht nur körperlich, wie viele meinen, sondern auch geistig und seelisch. Durch „Bonding“ kann man den Lernprozess und die Erfahrung, die das Baby in den neun Monaten der Schwangerschaft macht, unterstützen und den Fötus auf die Welt außerhalb des Mutterleibs vorbereiten. Man kann sich das als eine Art „Einstudieren“ vorstellen. Wenn das Nervensystem entwickelt ist, werden Informationen zum Gehirn geschickt, dort interpretiert, verarbeitet, gespeichert und schließlich miteinander verknüpft. Ebenso die Sinne -‐ Tasten, Schmecken, Riechen und Sehen sind in ständiger Wechselwirkung miteinander. Die positiven und negativen Informationen bilden eine Datenbank, die sich nach und nach zu seiner seelischen Struktur entwickelt.
Quelle: Bild: http://www.zawaj.com/wp-‐content/uploads/2010/04/fetus-‐sucking-‐thumb.jpg
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GEHIRNENTWICKLUNG Schon ab dem ca. 20. Tag funktioniert das kleine Gehirn und es entsteht bereits ein winziges Herz, das Blut durch den Körper zu pumpen beginnt. Das Gehirn wird damit gut versorgt und die Zellen können sich schnell vermehren. Ab der siebenten Woche werden Nachrichten zwischen den Nervenfasern übermittelt. So entsteht das wundersame Netzwerk des Gehirns.
DIE SINNESORGANE Gleichzeitig werden Sinnesorgane geschaffen, die für die Wahrnehmung und Erfahrung Voraussetzung sind. Durch die Entstehung dieser Organe wird das Baby ständig mit neuen Eindrücken versorgt. Über Rezeptoren wird die innere Welt, wie Blutdruck, Temperatur oder Schmerz wahrgenommen. Die Rezeptoren in den Muskeln, den Gelenken und den Gleichgewichtsorganen sammeln Daten über die innere und äußere Welt. Es kommt zu einer Verknüpfung dieser Informationen, die im Gehirn entsteht. Die Entwicklung der Sinnesorgane ist also sowohl von der Gehirnentwicklung als auch von den Sinneseindrücken abhängig. Das zeigt, wie wichtig der Austausch zwischen Mutter und Baby ist.
DIE HAUT Die Haut ist das erste Sinnesorgan, welches seine Funktion aufnimmt und deren Rezeptoren durch Berührungsimpulse aktiviert werden. Die Mutter spürt die Bewegungen ihres Kindes etwa im vierten oder fünften Monat, obwohl sich das Kind auch schon vorher bewegt. Das Baby kann die Berührung empfinden und darauf reagieren, wenn die Mutter mit der Hand über den Bauch streicht. In der Gebärmutter gibt es viele Berührungsmöglichkeiten, die das Kind schon ab der 14. Woche am ganzen Körper wahrnehmen kann: Die Gebärmutterwand, die Nabelschnur, die Plazenta, Haltung oder Lageveränderung der Mutter. Die Haut ist also das Organ, das den Körper für Empfindungen sensibilisiert. Körperliche Wahrnehmungen und seelisches Fühlen werden miteinander verknüpft und haben Einfluss darauf, wie wir uns fühlen.
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DER GERUCHS-‐ UND GESCHMACKSINN Nach acht Wochen beginnt sich auch der Geruchs-‐ und Geschmacksinn zu entwickeln. Die Babys im Mutterleib sehen zwischen diesen Sinnen aber keinen Unterschied. Das Kind kann das Fruchtwasser probieren und ab der zwölften Woche sogar trinken. Es schmeckt salzig und etwas bitter. Das Baby hat eine Vorliebe für süßes, bei saurem Geschmack verzieht es dagegen das Gesicht und trinkt weniger. Auch Alkohol und Nikotin lehnt es ab. Das Kind erkennt nach der Geburt seine Mutter am Geruch der Muttermilch wieder, welche süß schmeckt. Die Mutter kann also durch die Ernährung die späteren Essgewohnheiten ihres Kindes beeinflussen.
DER GEHÖRSINN/SEHEN Das Baby wird über Ereignisse aus seiner Außenwelt informiert, und braucht für seine Entwicklung die Stimulation von außen, insbesondere die Stimme der Mutter. Die Hörerfahrung, die das Kind im Mutterleib macht, beeinflusst seine emotionale Befindlichkeit. Schon ab der 14. SSW ist der Gehörsinn ausgebildet. Es summt im Mutterleib vor Geräuschen und auch aus der Welt draußen dringen Geräusche ein, wodurch das Baby ab der 20. SSW deutlich die Stimme der Mutter erkennen kann. Es reagiert mit Bewegungen und veränderten Herzschlag darauf. Wenn bestimmte Laute, Lieder oder Worte immer wiederholt werden, kann das Baby sich nach der Geburt daran erinnern. Ab der 16. Woche reagiert der Fötus bereits empfindlich auf Licht, obwohl er erst 2 Wochen später die Augen öffnen kann. Die Sehfähigkeit setzt allerdings erst nach der Geburt ein.
DIE GEFÜHLE Im vierten Schwangerschaftsmonat verfügt das Kind über ein eigenes Kreislaufsystem, welches zwar von der Mutter abhängig ist, aber eigenständig funktioniert. Es nimmt die Gefühle wie Stress, Angst aber auch Entspannung und Wohlbehagen der Mutter wahr. Alles Erlebte wird in den Nervenzellen, die über den ganzen Körper verteilt sind aufgenommen und dort gespeichert. Schon diese Emotionen können sich auf seine spätere Gefühlsentwicklung auswirken.
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Das Erlernte vor der Geburt ist offenbar ganz entscheidend dafür, was es später noch hinzulernen kann. Ein auf Lernen ausgerichtetes Gehirn braucht Reize von außen, um sich entwickeln zu können und sein Potenzial zu entfalten.
BELASTUNGEN FÜR DAS BABY Trinkt die Mutter Kaffee, verändert sich Atmung und Puls des Kindes. Bei Alkohol in der Schwangerschaft erhöht sich die Stressbelastung bei Ungeborenen, ein Wodka-‐Orange kann sogar die Atembewegung des Kindes stilllegen, obwohl es sich im Blut der Mutter nicht nachweisen lässt. Es kann zu einer Schädigung des Zentralen Nervensystems kommen zu Konzentrations-‐ und Wahrnehmungsstörungen. Rauchen in der Schwangerschaft kann zu Atemwegserkrankungen, Vorzeitigem Blasensprung und Missbildung führen. Es beeinflusst das Wachstum und Verhalten des Kindes, außerdem kann es zu Unaufmerksamkeit und Gleichgültigkeit im späteren Leben führen.
STRESS Babys, die in der Schwangerschaft großen Stress haben, sind höchst wahrscheinlich schwieriger, überempfindlicher und stressanfälliger, wenn sie auf die Welt kommen. Sie reagieren intensiver auf Lärm, Licht, Hunger und Durst als andere Babys. Sie brauchen auch mehr Liebe und Zuwendung um ausgeglichen zu sein. Die Mutter ist in jeder Hinsicht verantwortlich für eine gesunde Entwicklung des Kindes.
BELASTUNGEN FÜR DIE MUTTER Lang andauernder Stress durch ständige Überlastung oder Probleme auf der Gefühlsebene, wie zum Beispiel das Verlassen werden vom Kindsvater, Verlust des Partners oder eines nahe stehenden Menschen durch Tod, Unfall oder Krankheit in der Familie, frühere Fehlgeburten, die Angst das Kind zu verlieren und Depressionen, bedeuten Stress für Mutter und Kind. Beide können emotionale Narben aus solcher Schwangerschaft davon tragen. Oft wird ein Kind nicht belastet weil es der Mutter schlecht geht, sondern weil sie aus Liebe zum Kind versucht, die negativen Gefühle zu verdrängen oder zu unterdrücken. Durch die Unterdrückung entsteht aber noch mehr innerer Druck bei der Mutter.
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Deshalb sollte sie mit ihrem Kind sprechen, wie z.B.: „ Mir geht es nicht gut, aber es hat nichts mit dir zu tun.“
http://www.google.at/imgres?q=babybauch&hl=
DIE IDEALE MUTTER Das Baby braucht keine ideale Mutter, die immer nur gut gelaunt ist. Normaler Stress, seelische Hochs und Tiefs schaden dem Kind nicht. Es braucht aber genügend Erfahrungen von Sicherheit, Wohlbehagen und Entspannung. Die „Mutter“ ist eine Frau die atmet, isst, trinkt, die Belastungen und Herausforderungen ausgesetzt ist und Hormone ausschüttet. Die angespannt oder entspannt ist, die gesund oder krank sein kann, manchmal gereizt, wütend, ängstlich oder ruhig und zufrieden ist. Eine Frau, die eine ganze Palette an menschlichen Gefühlen in sich spürt und in erwachsener Weise für sich nutzt, fördert die grundlegende Ebene der emotionalen Entwicklung für ihr ungeborenes Kind.
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DIE VATER-‐ KIND-‐BINDUNG Auch der Vater gehört zur Umwelt des Babys, denn ohne Vater gibt es kein Kind. Für das vorgeburtliche Kind steht dieser jedoch noch im Hintergrund. Der Vater erlebt die Schwangerschaft aus einer anderen Perspektive und entwickelt ganz andere Gefühle als die werdende Mutter, aber auch er ist mit Ängsten und Sorgen beschäftigt. Wenn in der Partnerschaft Sicherheit und Vertrauen herrscht, kann es sehr bereichernd
und
spannend
sein
-‐
eine
neue
Herausforderung im Leben eines Mannes. Er ist seiner Partnerin gegenüber im Nachteil, weil er keine direkte Verbindung zu seinem Baby hat. Trotzdem kann er Kontakt aufnehmen, indem er seine Frau durch sein fürsorgliches Verhalten unterstützt, denn auch das Erleben von Vater und Kind geht über die Mutter. Er tritt mit seinem Kind gefühlsmäßig in Kontakt, indem der seiner Frau über den Bauch streicht und einfühlsam mit seinem Baby spricht. Wenn es gelingt, fühlt sich das Kind von seinem Vater geliebt und gewollt. Zeigt der Vater in der Schwangerschaft, bei der Geburt und in der ersten Zeit danach genug Einfühlungsvermögen, ist dies die Basis für eine sichere Bindung zu seinem Kind. Wenn es etwas älter ist, wird es sich von der Mutter lösen und an den Vater wenden, der ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Hintergrund steht. Das Spielen und Entdecken mit dem Vater im Kleinkindalter hat genau so viel Bedeutung, wie die Feinfühligkeit der Mutter im Säuglingsalter. Die sichere Bindung wird durch die Feinfühligkeit beim Spielen gefördert. Der Vater sollte das Kind dabei herausfordern, es aber nicht unter-‐ oder überfordern. Es ist auch wichtig zu erkennen, ob es Hilfe und Unterstützung braucht, und das Kind zu beruhigen, wenn es Trost sucht.
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IDEALE GEBURTSATMOSPHÄRE •
Das Baby entscheidet selbst, wann es auf die Welt kommt, es schickt dabei seinem Hormonsystem eine Botschaft.
•
Ein ruhiger, warmer Raum mit gedämpfter Beleuchtung
•
Musik zur Entspannung, die die Mutter vielleicht schon aus der Schwangerschaft kennt
•
Die Mutter sollte ganz auf ihr Körpergefühl und ihren eigenen Instinkt vertrauen
•
Ideal wäre es, wenn eine vertraute Hebamme bei der Geburt dabei ist
•
Wenn es möglich ist, keine Medikamente einnehmen
•
Das Herz-‐CTG des Kindes sollte nur sporadisch kontrolliert werden „Wir können die Welt nicht verändern, ohne die Art und Weise zu ändern, wie Kinder geboren werden.“ Dr. Michael Odent
EIN BABY ERBLICKT DAS LICHT DER WELT Macht das Baby seinen ersten Schrei, erleben die Eltern einen Sturm an Gefühlen. Die Aufregung, die Freude, die Erschöpfung -‐ dies alles überwältigt sie. Sie sind schon sehr aufgeregt und neugierig darauf, ihr Baby endlich zu sehen, zu hören, zu berühren und sich zu vergewissern, dass es gesund ist. Es wäre ideal die Nabelschnur auspulsieren zu lassen, denn wenn man sie sofort trennt, wird das Kind einem Trennungsstress ausgesetzt. Der Körper des Babys wird, mit Ausnahme der Hände, mit einem warmen Tuch abgetrocknet und danach auf den Bauch der Mutter gelegt. Zusätzlich deckt man es mit einem warmen Handtuch zu. Der Übergang vom Mutterleib in das Leben fällt ihm dadurch leichter. Es erkennt den Geruch und die Stimme der Mutter wieder und fühlt sich sicher und geborgen.
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Es ruht sich ein wenig von der Anstrengung der Geburt aus. Da ein Baby genau weiß was es zu tun hat, beginnt es nach kurzer Zeit zur mütterlichen Brust hinauf zu krabbeln und hebt dabei wackelig sein Köpfchen, damit es seine Mutter sehen kann. Der Augenblick, in dem sich die beiden Blicke zum ersten Mal treffen, ist von großer Bedeutung. Es löst dies eine starke Emotion und eine neue Phase der Mutter-‐Kind-‐Bindung aus. Wenn das Baby an der Brust angelangt ist, beginnt es kräftig zu saugen. In dieser Zeit weinen Babys so gut wie nie. Mit dem Blickkontakt beginnt auch die Verbindung von emotionaler und kognitiver Wahrnehmung. Es sucht in den Augen der Mutter das „Ja zum Glück des eigenen Seins“. Die Augen, die Genuss ausdrücken, den es selbst beim Stillen findet. Somit kann man sagen, dass ein Säugling der Spiegel seiner Mutter ist. Die erste Zeit nach der Geburt ist eine sensible Phase und sehr kostbar, denn eine gute Anbindung führt zu einer gesunden Bindung auf somatischer, neuropsychologischer und psychologischer Ebene. Die Mutter und das Baby stehen beide noch unter dem Einfluss von Hormonen, die während der Entbindung ausgeschüttet wurden. Das Hormon Oxytocin (das auch bei Liebe und Zärtlichkeit ausgeschüttet wird) erreicht bei der Mutter einen Hochstand, sie bringen Euphorie und Verbundenheit. Die Anbindung ist ein Teil des Geburtsrecht von Mutter und Kind. Die Geburt ist zu Ende, wenn sich das Kind gut angebunden hat. Die Erlebnisse in der Bondingphase bedeuten für ein Kind die zentrale Prägung der psychischen-‐, emotionalen-‐ und kognitiv-‐ethischen Entwicklung. Diese Erfahrungen werden gespeichert, sind aber nicht rational, sondern nur emotional abrufbar.
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DURCH EINE GESUNDE SELBSTANBINDUNG ENTWICKELT DER SÄUGLING: • Emotionale Ausgeglichenheit • Mut die Welt zu erforschen • Die Fähigkeit neue Erfahrungen mit Leichtigkeit zu lernen • Ein gesundes Saugverhalten • Gute Verdauungsfunktionen • Ein gesundes Schlafverhalten • Koordinierte und integrierte Bewegungen • Gute Grob-‐ und Feinmotorik • Eine gesunde Immunfunktion • Einen gesunden Körper Nicht immer sind eine natürliche Geburt und das darauffolgende Bonding möglich. Wenn es vor oder während der Geburt zu Komplikationen kommt, zum Beispiel durch Notfallsituationen, kann das Gleichgewicht durch äußere oder innerpsychische Prozesse gestört werden. Alle medizinischen Maßnahmen können das Kind, die Mutter und auch den Vater längerfristig belasten. Natürlich sind sie manchmal notwendig um Leben zu retten. In solchen Fällen sollte die Mutter versuchen, dem Baby auch die Gründe eines solchen Eingriffs zu erklären und ihm sagen, dass der Arzt eingreift, weil es notwendig ist und er sein Leben retten will. Wie ein Baby auch geboren wird, es muss sich vielen Veränderungen anpassen, denn viele körperliche Prozesse kommen in Gang. Körperlich und emotional ist dieser Übergang für jedes Kind eine tiefgreifende Erfahrung und Umstellung. Nach einer schwierigen Geburt entstehen traumatische Erlebnisse und Stress. Es fehlt das Gefühl der körperlichen Nähe und Wärme. In diesem Fall ist es möglich, dass der Vater die schöne Aufgabe des „Bondings“ übernimmt, dem Baby Wärme und Geborgenheit gibt, bis die Mutter dazu in der Lage ist. „Doch es ist nie zu spät“, meint die Schweizer Hebamme und Craniosacral Therapeutin Brigitte Meissner, verlorene Nähe, Geborgenheit, Zuwendung, Sicherheit und Liebe nachzuholen und die Mutter-‐Kind-‐ Bindung zu heilen.
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BINDUNGSTHEORIE Der englische Psychoanalytiker John Bowlby gilt als Begründer der Bindungstheorie. Bindung ist seiner Definition nach ein unsichtbares, emotionales Band, das zwei Menschen über Raum und Zeit miteinander verbindet. Der Säugling kommt mit einem angeborenen Bedürfnis zur Welt, sich an eine vertraute Person zu binden, die ihm Schutz, Zuwendung und emotionale Sicherheit bietet. Die Entwicklung des Bindungsverhaltens beginnt nach der Geburt. Es zeigt sich im Suchen nach der Bindungsperson, im Nachlaufen, Weinen, Festhalten an der Mutter. Es wird durch die Trennung von der Bindungsperson sowie durch Schmerz, Gefahr oder Bedrohung aktiviert. Beim Verlassenwerden kommt es zu Ärger, Trauer, Resignation und emotionalem Rückzug. Wenn Babys diesen Menschen vermissen, können sie nicht von einer anderen fremden Person beruhigt werden, auch wenn sich diese viel Mühe gibt. Denn das emotionale Band, das ein Baby mit seiner Mutter verbindet, kommt nur durch die emotionale Erfahrung mit seiner Bindungsperson zustande. Dieses Verhalten entwickelt sich je nach Erfahrung des Kindes mit seiner Bezugsperson zu unterschiedlichen Bindungsqualitäten. Zusätzlich
zum
Bindungsverhalten
entwickelte
Bowlby
den
Begriff
Explorationsverhalten. Wenn sich Kinder sicher fühlen, erkunden sie die Welt. Sie entfernen sich von der Mutter, denn auch das ist eine wichtige Vorrausetzung für die Entwicklung des Kindes. Allerdings braucht es immer eine Bezugsperson als sichere Basis. http://www.anjaroehl.de/
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BINDUNG BEDEUTET BEDÜRFNISSE ZU ERFÜLLEN
Die Bedürfnisse eines Babys, die erfüllt werden müssen, damit es sich entwickeln kann sind: • Physiologische Bedürfnisse: ausreichend Nahrung, genug zu Trinken, ausreichend Schlaf, viel frische Luft zum Atmen und Hygiene. Auf diese Bedürfnisse kann ein Baby nicht verzichten, denn es braucht sie um gesund aufwachsen zu können • Bindungsbedürfnisse: Ein Baby hat von Geburt an das Bedürfnis sich an eine Person zu binden, die ihm Schutz und Sicherheit bietet. Es will in den Arm genommen werden, kuscheln, sich anschmiegen. Im Idealfall wird dieses Bedürfnis von der/den Mutter/Eltern befriedigt. Der Säugling orientiert sich aber auch an anderen Personen, die sein Bindungsbedürfnis nach emotionalem und Körperlichem Schutz und seine Sicherheit befriedigen (Pflegeeltern, Adoptiveltern). Auch das Sprechen mit dem Baby stellt einen intensiven Kontakt dar und beeinflusst die Entstehung der Bindung. Eltern gebrauchen dabei meist instinktiv die Ammensprache, das heißt sie sprechen höher, deutlicher, melodischer und mit vielen Wiederholungen. Das Baby reagiert auf das Sprechen der Mutter, indem es sie anlächelt, den Blickkontakt hält, strampelt und sich über diesen Austausch freut. Der Säugling lässt sich auf ein wechselseitiges Spiel mit seiner Mutter ein und versucht sie zu imitieren. Das Baby möchte auch mit allen Sinnen wahrnehmen, es will das Spielzeug fühlen, es in den Mund nehmen und schmecken, daran riechen, hören und es sehen. Am liebsten würde das Kind die Welt in der Nähe seiner Mutter erkunden. Wenn sein Bindungsbedürfnis befriedigt wird, kann der Säugling seinen Drang, die Welt zu erkunden und zu erforschen, nachgehen und sich ruhig neuen Erfahrungen widmen. Kinder, bei denen das Bindungssystem aktiviert ist, können nicht gleichzeitig konzentriert und aufmerksam spielen bzw. lernen. Sie sind damit beschäftigt ihr Bindungsbedürfnis durch die Suche nach der Mutter zu beruhigen. Die Mutter ist auch Zuflucht bei Schmerz, Angst, Schrecken und wenn es unbekannten Situationen ausgesetzt ist. Die Anwesenheit fremder Personen empfindet es als Bedrohung, die Nähe der Mutter hingegen ist wieder Sicherheit, Schutz und Fürsorge.
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Entscheidend für die Entwicklung ist es, wie die Mutter auf die aktuellen Bedürfnisse des Kindes reagiert. Mary Ainsworth, die amerikanische Entwicklungspsychologin nennt das ideale Verhalten der Mutter ihrem Kind gegenüber „Feinfühligkeit“, welches eine wesentliche Grundlage für den Bindungsaufbau des Säuglings ist. Die vier Kriterien für das Verhalten einer feinfühligen Mutter sind: • Wahrnehmung • Interpretation • prompte Reaktion • angemessene Reaktion Die Feinfühligkeit der Mutter ist auch Voraussetzung dafür, auf die Signale ihres Kindes richtig reagieren zu können. Dazu beobachtet sie das Kind und seine unterschiedlichen Verhaltensweisen. Jedoch reicht Wahrnehmen und Beobachten alleine nicht aus, denn sie muss die Signale auch richtig interpretieren und prompt reagieren können. Zum Beispiel die Bedeutung des Weinens erkennen, ob es friert, Hunger hat oder müde ist. Das muss sie auch unabhängig von ihrer eigenen Lage bewerten und sich in die Situation des Kindes versetzen können. Sollte sie ihre eigenen Gefühle auf das Kind projizieren, reagiert sie unangemessen. Vor allem durch die schnelle Reaktion der Mutter lernt das Kind bald, wie sich sein Verhalten auswirkt, denn Säuglinge und Kleinkinder lernen sehr stark durch sofortige Reaktion. Durch angemessenes Reagieren der Mutter beruhigt sich das Kind wieder. Trotzdem sollte man dem Kind nur das geben, was es auch wirklich braucht oder benötigt. So lässt sie das Kind gewähren, bevormundet es nicht und respektiert die kindliche Autonomie. Ist das Kind in bedrohlichen Situationen getrennt von seiner Mutter, reagiert es mit Weinen, Wut oder Kummer und ist auf der Suche nach ihr, da diese es auf Grund seiner Erfahrung, am besten beruhigen kann. Wenn es sie nicht finden kann, wendet es sich an eine Ersatzperson, z.B. den Vater, an Großeltern oder die Tagesmutter, welche eine emotionale Bindungsbeziehung zum Kind aufgebaut haben. Das Kind wird sich nur langsam beruhigen lassen, aber diese Menschen werden als Ersatz für die Hauptbindungsperson akzeptiert, wenn die Mutter bei einem angstvollen Ereignis nicht verfügbar ist.
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BINDUNG UND ANBINDUNG
Im Buch „Auf die Welt gekommen“ von Thomas Harms beschrieb Raymond Catellion in seinem Artikel, dass Marshall Klaus, John Kenell und Phyllis Klaus Bindung und Anbindung wie folgt definieren: Der Begriff Bindung (Bonding) bezieht sich auf das emotionale Einlassen der Eltern auf ihr Kind. Dieser Prozess entsteht und wächst mit wiederholten, bedeutungsvollen und freudigen Erlebnissen. Gleichzeitig entwickelt sich ein entsprechendes Band im Kleinkind gegenüber den Eltern und anderen, die es versorgen, genannt „Anbindung“. Aus dieser emotionalen Anbindung heraus entwickeln Kinder ein Gefühl, wer sie sind. Von hier aus kann sich ein Kind entfalten und hinaus in die Welt gehen. Die emotionale Bindung der Mutter (Bindungsperson) ist nicht einfach nur das Interesse zu stillen, Windel zu wechseln oder zu trösten, es ist auch das Gefühl, sich in das Kind hineinzuversetzen, seine Bedürfnisse zu erspüren und darauf zu antworten, seien sie körperlich oder emotional. Der Säugling wird von diesem emotionalen Einlassen entscheidend geprägt. (1995,S.193)
GESUNDE ANBINDUNG BEDEUTET • Urvertrauen • Selbständigkeit, hohe Selbstachtung • Emotionale Ausgeglichenheit • Einen Emotionalen Polster • Förderung der kognitiven Entwicklung • Den vollen Fluss der Lebensenergie • Offene und klare Kommunikation • Liebende Verbindung in Beziehungen • Die Fähigkeit, Grenzen in Beziehungen aufrecht erhalten zu können • Spontan und Kreativ zu sein • Möglichkeiten zu spüren und zu erkennen • Sich selbst zu behaupten • Im Moment präsent zu sein und zu bleiben auch unter Schmerzen • Kooperativ und gut in einem Team zu arbeiten
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ARTEN DER BINDUNG DER SICHERE BINDUNGSSTIL Auf die Trennung von der Bindungsperson reagiert das Kind mit lautem Protest, es weint und ruft der Mutter hinterher. Wenn diese nach kurzer Zeit wiederkehrt, hat es den Wunsch nach Körperkontakt, denn es möchte auf den Arm genommen und getröstet werden. Es lässt sich nach wenigen Minuten wieder beruhigen, sein Bindungsbedürfnis ist damit befriedigt. Es kann nun seine Mutter als sichere Basis nutzen und seine Umgebung weiter erforschen. Dieses Kind hat im Laufe seiner Entwicklung eine feinfühlige Mutter erlebt, die emotional verfügbar war und auf Signale ihres Kindes adäquat und prompt geantwortet hat. Dieser kleine Mensch hat eine selbstsichere Beziehungserfahrung von Schutz, Unterstützung und emotionaler Feinfühligkeit der Mutter erlebt. Dadurch haben sie einen guten Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und können im späteren Leben mit Krisen, Problemen und Stress besser umgehen.
DER UNSICHER-‐VERMEIDENDE BINDUNGSSTIL Das Kind zeigt bei einer Trennung von seiner Bindungsperson, im Vergleich zu einem sicher gebundenen Kind, wenig oder kaum Protest. Es bleibt am Platz, schaut kurz auf und spielt weiter. Es reagiert nach außen ausgesprochen „cool“ und ignoriert die Trennung von der Mutter geradezu. Kehrt die Mutter zurück, wird sie nicht begrüßt, das Kind zeigt keine Freude, hat keinen Wunsch nach Körperkontakt. Es reagiert mit Ablehnung und vergrößert die Distanz. Dieses Kind hat im Laufe seiner Entwicklung keinen Schutz, keine Sicherheit und keinen Körperkontakt in stressvollen Situationen erlebt. Zudem sind seine Signale mit Zurückweisung und Ablehnung beantwortet worden. Mit der Zeit lernt das Kind negative Gefühle gegenüber der Mutter nicht mehr zu zeigen, denn es ist vorhersehbar, dass sie von dieser zurückgewiesen und nicht positiv beantwortet werden. Um den positiven Kontakt zur Mutter aufrecht zu erhalten, versuchen sie sich selbst zu beruhigen, sie sind höflich und wollen gefallen. Je weniger das Kind sagt, umso geringer ist die abwertende Reaktion der Mutter.
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UNSICHER -‐AMBIVALENTER BINDUNGSSTIL Dieses Kind zeigt in Trennungssituationen oder bei Angst sehr deutlich seinen Stress. Es protestiert, ruft und weint sehr laut, und das schon bei einer kurzen Trennung von der Mutter. Kommt diese zurück, kann sie das Kind nur schwer wieder beruhigen und es braucht daher viel Zeit, um wieder zu seinem Spiel zurückfinden. Die Signale sind sehr widersprüchlich -‐ einerseits sucht es die Nähe der Mutter, andererseits zeigt es aggressives Verhalten und Distanzierung. In diesem Fall wusste das Kind nie, wann und in welcher Weise die Mutter reagieren wird. Es war für das Kind nicht vorhersehbar, ob die Bindungsperson mit Zurückweisung oder Schutz auf die Bindungswünsche antworten würde. Aus diesem Grund kann auch die Erkundungsfreude des Kindes gebremst werden, weil es Angst hat, dass etwas schief gehen könnte und die Mutter einerseits mit Trost, gleichzeitig aber auch mit schimpfen reagiert. Es bekommt auch keine weitere Ermutigung.
DESORGANISIERTER BINDUNGSSTIL Bei einem desorganisiert gebundenen Kind lässt sich keine zielgerichtete Bindungsstrategie erkennen. Das Kind kann kein stabiles Verhalten zu seiner Bindungsperson aufbauen. Dieses Trauma kann bei misshandelten, missbrauchten und vernachlässigten Kindern auftreten, oder in Familien, in denen Eltern ähnliche Erfahrungen gemacht haben, bzw. es eine Tot-‐ oder Fehlgeburt gegeben hat und diese Traumen nicht verarbeitet werden konnten. Die Eltern können nicht feinfühlig mit ihrem Kind umgehen, wenn sie an ihre eigenen Traumen und die Gefühle daraus erinnert werden. Das Kind spürt in deren Verhalten Angst, Bedrohung, Ohnmacht, Hilflosigkeit. Dies ist für Kinder sehr beunruhigend und beängstigend. In anderen Situationen wiederum reagieren die Eltern wieder fürsorglich und schützend. Die Bindungsperson vermittelt dem Kind widersprüchliche Botschaften. Das Kind kann sich dadurch kein einheitliches Bild von Bindungssicherheit machen und entwickelt ein desorganisiertes Verhalten.
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Merkmale sind: Das Nähe suchen zur Mutter, das kurz vor dem Körperkontakt abgebrochen wird, plötzliche Erstarrung, zielloses Umherirren, im Kreis drehen, Schaukeln. Das Bindungsmuster, welches das Kind zu seiner ersten Bindungsperson aufbaut, bleibt über das ganze Leben hinweg relativ stabil und beeinflusst die gesamte Entwicklung und Persönlichkeit. Zusätzlich können diese Muster von Generation zu Generation weitergegeben werden. Laut Gloger-‐Trippel sind die Bindungsmuster wie folgt verteilt: 44.9% Sicher gebundene Kinder, 27,7% unsicher-‐ vermeidend gebundene Kinder, 6,9% unsicher-‐ambivalent gebundene Kinder und 19,9% desorganisiert gebunden Kinder. (Vgl. Gloger-‐Trippel et al. 2000.S 92)
BINDUNGSSTÖRUNGEN Störungen bei der Bindung können auftreten, wenn das Kind in den ersten Lebensjahren körperliche oder sexuelle Gewalt, emotionale und körperliche Vernachlässigung, Kränkung oder eine Trennung erlebt hat. UNDIFFERENZIERTES BINDUNGSVERHALTEN
Man findet es oft bei Kindern, die in emotionaler Vernachlässigung aufwachsen. Sie haben keine spezielle Bindungsperson, die emotional verfügbar ist und auf ihre Signale feinfühlig reagiert. Fremden gegenüber verhalten sie sich freundlich und distanzlos. Sie nehmen wahllos zu jeder Person Körperkontakt auf, als ob sie eine vertraute Bindungsperson wäre. Dabei wollen sie auf den Arm genommen werden und versuchen Schutz und Sicherheit zu finden. Manche Kinder haben auch ein ausgeprägtes Risikoverhalten und sind oft in Unfällen mit Selbstgefährdung und Selbstverletzung verwickelt.
ÜBERSTEIGERTES BINDUNGSVERHALTEN Diese Kinder zeigen starke Trennungsängste und extremes Klammern. Außerdem lassen sie sich nur von ihrer Mutter beruhigen und wollen sie nicht verlassen. Zudem sind sie
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nur in der absoluten Nähe mit ihr ruhig und ausgeglichen. Dieses Verhalten tritt bei Kindern auf, deren Mütter unter extremen Verlustängsten leiden. Sie benützen ihre Kinder als sichere emotionale Basis, um sich selbst psychisch zu stabilisieren. Zeigt dieses Kind selbständiges Verhalten, geraten sie in Panik.
GEHEMMTES BINDUNGSVERHALTEN Diese Kinder setzen einer Trennung nur wenig oder keinem Widerstand entgegen. Ihr Bindungsbedürfnis wurde nicht mit Feinfühligkeit und Schutz beantwortet, sonder mit Zurückweisungen, Gewalt, Androhungen und Misshandlungen. Neben der Mutter wirken sie sehr gehemmt, sie zeigen übermäßiges Anpassen, sie befolgen Wünsche und Befehle ohne Protest. Ist die Mutter nicht anwesend, zeigt das Kind sich allerdings fremden Personen gegenüber weniger angespannt und gehemmt. Sie sind vorsichtig mit ihren eigenen Wünschen. Sie stehen oft unter großem Stress, weil sie Angst vor der Bindungsperson haben, in der Not aber sich an sie wenden müssen.
AGGRESSIVES BINDUNGSVERHALTEN Dieses Kind hat gelernt, den Wunsch nach Nähe und Schutz in aggressiver Weise auszudrücken, und versucht damit eine befriedigende Antwort zu verhindern. Sie wachsen häufig in einem aggressiven Familienklima auf. Auf ihren Bindungswunsch wurde mit Zurückweisung und aggressivem, verbalem und non-‐verbalem Verhalten reagiert. Diese Spannung wird in der Familie oft gar nicht wahrgenommen oder nach außen verleugnet. Eltern mussten in ihrer Kindheit vielleicht selbst viel weinen, weil sie allein gelassen wurden und sie niemand getröstet hat, wenn sie in Gefahr waren oder es ihnen schlecht ging. Durch das weinen ihres Babys werden diese Gefühle von Schmerz, Angst und Alleinsein wieder wachgerufen. Sie können ihr Verhalten nicht mehr kontrollieren und geraten vor Wut, Angst und Schmerz in Panik. Sie kommen dadurch in einen anderen Bewusstseinszustand und beginnen ihr Kind anzuschreien, zu vernachlässigen oder zu schlagen, entgegen ihrer guten Vorsätze. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern ihre eigenen Kindheitserfahrungen, wenn diese nicht so gut waren, aufarbeiten.
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EEH – EMOTIONELLE ERSTE HILFE
Die
EEH
wurde
in
den
90er-‐
Jahren
von
dem
Psychologen
und
Körperpsychotherapeuten Thomas Harms entwickelt. Sie fördert und unterstützt die Bindung zwischen Eltern und ihrem Baby. Was geschieht, wenn die kindlichen Bedürfnisse nach Halt und Sicherheit nicht ausreichend erfüllt werden? Nicht jede Mutter versteht die Signale ihres Kindes und kann sie richtig deuten. Manche warten schon ängstlich auf die nächste Schreiphase ihres Babys. Die Bindungsbereitschaft wird durch das ständige Schreien geschwächt. Die Mutter befindet sich in einer Stresssituation, der sympathische Zweig unseres ANS (= Autonomes Nervensystem) wird aktiviert und führt zu einer flachen Atmung, zu Desorientierung, dauernder Anspannung und ständiger Handlungsbereitschaft. Die Mutter kann, auch wenn der Säugling schläft und sich erholt, keine Entspannung finden. Sie bleibt im handlungsbereiten und aktiven Modus. Sie befindet sich in einer Stresslage und verliert somit nicht nur den emotionalen Zugang zu ihrem Kind, sondern auch die eigene Körperwahrnehmung. EEH versucht die Eltern wieder an ihren Körper rückzubinden. Die Aufmerksamkeit wird auf die Bauchatmung verlagert. Die Mutter soll spüren, wie sich ihre Bauchdecke an den Rücken ihres Babys schmiegt. Durch die Aufmerksamkeitsverlagerung
und
die
zentrierte
Bauchatmung
wird
der
Parasympathische Zweig unseres ANS aktiv. Er wirkt immer dann, wenn wir uns sicher und geborgen fühlen, uns entspannen und unseren Energiespeicher auffüllen. Wenn sich die Mutter wieder selbst körperlich wahrnehmen kann, bekommt sie ein Gefühl der inneren Sicherheit, der Fokus auf die Bauchatmung hilft ihr, das belastende Schreien ihres Kindes auszuhalten. Durch die Rückanbindung an ihren Körper entwickelt die Mutter mehr Einfühlungsvermögen für die Signale ihres Kindes. „Um andere zu spüren , musst du dich selbst spüren!“
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SCHMETTERLINSBABYMASSAGE Nach Eva Reich Sie ist eine schmetterlingsleichte, achtsame, sehr sanfte und rücksichtsvolle Berührung des ganzen Körpers. Die Bewegungen sind liebevoll, streichend, kreisend und vibrierende. Die Massage wirkt an der Hautoberfläche und in den tiefsten Schichten des Muskelgewebes. Sie stellt eine Verbindung zwischen dem körperlichem Befinden und dem seelischen Erleben her. Die Spannungen können sich lösen und es kommt zu einer emotionalen und körperlichen Stärkung. Sie kräftigt und stärkt die emotionale Bindung zwischen Mutter und Baby.
CRANIO SACRAL THERAPIE Diese Therapie ist eine sanfte manuelle Form der Körperarbeit. Der Schwerpunkt liegt in dem Bereich Schädel (Cranium) entlang der Wirbelsäule und am Kreuzbein (Sacrum). Mit einem minimalen Impuls und zielgerichteten Bewegungen bekommt der Körper den Impuls Blockaden zu lösen und einen neuen gesunden Rhythmus herzustellen.
HEILGESPRÄCH, HEILBAD, HERZFADEN Brigitte Renate Meissner, Hebamme und Craniosacral Therapeutin, entwickelte drei Schritte zur Verminderung emotionaler Narben. Sie schreibt: 1. Das Heilgespräch Ein Gespräch bei dem Mütter ihrem Baby mit einfachen Worten die Situation der Schwangerschaft oder Geburt erklären. Sie nehmen ihr Kind in den Arm und erzählen ihm ehrlich und einfühlsam, warum es zu einer Stresssituation gekommen ist und was vorgefallen ist. Das Baby versteht sie nicht rational, sondern emotional mit seinem Herzen. Mutter und Kind sollen Gefühle und Tränen zulassen, denn sie sind heilsam. Für das Baby ist es die einzige Möglichkeit von seinem Schmerz zu erzählen. Und das Kind versteht auf diesem Weg auch besser, dass auch die Mama schwer gekämpft hat. Weiter schreibt Meissner: „Es ist egal, ob das Kind klein oder schon erwachsen ist. Wenn du merkst, dass es dich berührt und alte Gefühle, die verschüttet oder unterdrückt waren, nun an die Oberfläche kommen und du das Bedürfnis hast mit deinem Kind die Geschehnisse zu besprechen oder zu erklären – so tue dies. Es ist nie zu spät.“
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2. Babyheilbad – Mutter-‐Kind-‐Heilbad
Sie schreibt, dass der Sinn und Hintergrund eines Heilbades der ist, dass man den weichen, warmen, nackten, wenn möglich auch noch nassen, kleinen Körper des Babys auf der Haut spürt. Diesen Vorgang verbindet die Frau mit tiefsten Instinkten der Mütterlichkeit, denn bei der natürlichen Vaginalgeburt nimmt die Frau ihr Baby wegen des Fruchtwassers auch noch komplett nass in den Arm. Dies berührt sie und das Baby gefühlsmäßig tief. Gleich nach einem Kaiserschnitt, einer schweren Geburt oder einer Trennung kann man dieses Gefühl mit einem Mutter-‐Kind-‐Heilbad nachholen. Dies geschieht dadurch, indem das Baby gebadet wird und danach sanft und vor allem nass und nackt, Haut auf Haut, der Mutter auf den Bauch oder die Brust gelegt und beide mit warmen kuschligen Tüchern oder Decken zugedeckt werden. So kann ein heilsamer Prozess beginnen. Es ist also eigentlich ein therapeutisches Bad mit Tiefenwirkung. Das Mutter-‐Kind-‐Heilbad schenkt dem Kind die Geburt und die Geborgenheit bei der Mama neu und erhält damit eine tiefe, positive Unterstützung für das Urvertrauen.
3. Der rosarote Herzfaden oder Liebesfaden Der Liebesfaden ist eine bildhafte, aber gefühlvolle und zärtliche Verbindung zum Kind, die mit und ohne Worte hergestellt werden kann. Schließe einen Moment lang deine Augen. Spüre dich zu deinem Kind hin. Wenn du magst, sprich dabei innerlich mit ihm oder fühl einfach nur zu ihm hin. Nun stelle dir vor, wie sich von deinem Herzen zu seinem Herzchen ein rosaroter Liebesfaden oder – wenn du dieses Bild lieber magst – eine rosa Herzensschnur hin zieht oder hin fließt. Die Farbe kann auch rot oder gold sein, oder aber eine, die in deiner Vorstellung spontan auftaucht. Behalte dieses Bild in deiner Vorstellung – du bist so immer in Verbindung mit deinem Kind.
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Fallbeispiel Die Geburt war für Tobias und seine Mutter sehr anstrengend und hat sehr lange gedauert. Nach 12 Stunden Wehen ist er mit Kaiserschnitt auf die Welt geholt worden. Es gab kein Bonding und es wurde auch nicht nachgeholt. Tobias, mittlerweile 5 Jahre alt, war ein Schreibaby und ständig in Bewegung. Er wollte am Abend nicht alleine ins Bett und schon gar nicht in seinem Zimmer schlafen, sondern bei seinen Eltern. Auf meine Empfehlung hin hat die Mutter ein Heilgespräch mit ihm geführt. Beim Anschauen der Babybilder hat sie ihm einen Teil von der gemeinsamen Geburt erzählt. Tobias hat zuerst interessiert zugehört und Tage später hat er plötzlich die Mutter wieder darauf angesprochen und nachgefragt. Ich habe der Mutter auch gezeigt, wie man eine Schmetterlingsmassage anwendet und sie darauf hingewiesen, dass sie besonders auf die Bauchatmung achten soll, damit sie und Tobias im Parasympathischen Zustand gelangen. Sie hat dann angefangen, die Massage bei Tobias vor dem Schlafengehen durchzuführen. Der Kleine kann sich dabei sehr gut entspannen. Zusätzlich gab ich ihr die Noreia Essenz „Schutz und Erdung“ zum sprühen. Mittlerweile schläft Tobias in seinem eigenen Zimmer und hat auch beim Einschlafen keine Probleme mehr.
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Schlussfolgerung Es gibt für ein Kind nichts Schöneres, als eine sichere Bindung zu seinen Eltern. Es kann dadurch eine hohe Selbstachtung entwickeln und im späteren Leben Probleme und Schwierigkeiten besser meistern. Ich möchte gerne Mütter dabei unterstützen, in der Schwangerschaft eine gute Bindung zu ihrem Baby aufzubauen, denn es ist sehr wichtig, sich ausreichend zu informieren, sowohl über die Schwangerschaft als auch über die verschiedenen Geburtsmöglichkeiten. Dabei sollte man aber darauf achten, dass man sich nicht nur nach genauen Maßstäben und Regeln richtet, sondern auch seinen eigenen Gefühlen und Intuitionen vertraut. Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten das „Bonding“ nachzuholen, die Bindungsbeziehung auch nach einer schwierigen Geburt aufzubauen und zu vertiefen, und sie bei Problemen mit dem Baby zu stärken. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man in Stresssituationen kein Gefühl mehr für die eigene Körperwahrnehmung hat. Gerade deshalb möchte ich Müttern mit Schreibabys Halt und Unterstützung geben. Nur wenn die Mutter selbst gefestigt ist, kann sie ihrem Baby körperlich und emotional Halt geben. Drobollach, am 6. Mai 2012
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LITERATURVERZEICHNIS Titelbild: baby-bonding.jpg- sanfteweise.wordpress.com http://www.baby-‐und-‐familie.de/Entspannung/Shiatsu-‐fuer-‐Babys-‐27292.html
Das Geheimnis der ersten neun Monate
Gerald Hüther, Inge Krens
Die Seele fühlt von Anfang an Bettina Alberti
Auf die Welt gekommen Thomas Harms (Hreg.)
Emotionelle Erste Hilfe Thomas Harms
Ich bekomme ein Baby Miriam Stoppard
Das Wunde der ersten Lebenswochen Marshall H. Klaus
Phyllis H. Klaus
Safe
Karl Heinz Brisch
Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen Brigitte Renate Meissner
Unterlagen FamilienmentorIn Martin Selinger-‐Sourek
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