Bezirk Kloten-Glattbrugg Gottesdienst: 18.03.2012

Thema: Jeremia – sein Leben in der Berufung

Text: Jeremia (versch.)

Martina Wüest

Wir denken oft, bei einer prophetischen Begabung müsse man ganz besondere Visionen, Bilder, Träume haben. Jeremia hat mich aber gelehrt, dass zur Prophetie eine ganz starke Persönlichkeit gehört. Wenn Gott diese Persönlichkeit mit der richtigen Begabung ergänzt, dann wird eine erschütternde Stimme hörbar – eben, die Stimme eines Propheten. Das Amt des Propheten ist in der Bibel ein ganz zentrales! Und was Gott einem Propheten schenkt, ist in erster Linie ein absolut klarer Blick. Vielleicht stutzt ihr jetzt, weil ihr denkt: Aber ein Prophet hat doch Träume, Bilder Visionen… Kann sein. Aber sie sind nur Mittel zum Zweck. Sie dienen nur dazu, die Botschaft eines Propheten zu verdeutlichen und für alle verständlich zu machen. Denn was ist die Kernaufgabe eines Propheten? Ich will euch das aufzeichnen:

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Ziel Gottes

Offenbarungen Gottes

Entwicklung bisher

Wir heute

Warnruf: Wenn ihr nicht umkehrt!

Zielverfehlung

So, das ist mal die Grundaufgabe des Propheten: Erinnern an Gottes Ziele. Und deutlich machen, ob wir darauf hinsteuern oder davon weg driften. Das ist eine Aufgabe, die viel Persönlichkeit fordert! Darum will ich vier Eigenschaften von Jeremia mit euch anschauen: - Seine Ehrlichkeit - Seine Bereitschaft mit dem Volk zu leiden - Seinen Mut - Seine Hoffnung

- Seine Ehrlichkeit Jeremia hatte den Mut, Dinge beim Namen zu nennen und die Menschen zu konfrontieren. Er sprach das Offensichtliche aus: 4 Glaubt nicht, dass es euch etwas hilft, wenn ihr ständig wiederholt: Dies ist der Tempel des Herrn, dies ist der Tempel des Herrn, hier wohnt der Herr! Damit betrügt ihr euch selbst! 5 Nein, ihr müsst euer Leben und Tun gründlich ändern! (...) 10 Und dann kommt ihr und stellt euch hier in meinem Haus vor mich hin und sagt: Uns kann nichts geschehen! Dabei tut ihr weiterhin alles, was ich verabscheue. 11 Ist denn dieses Haus, das doch mein Eigentum ist, in euren Augen ein Versteck für Räuber geworden?3 Gut, dann werde auch ich es so ansehen. Das sage ich, der Herr. 12 Geht doch nach Schilo, wo ich früher meinen Tempel hatte, die Wohnstätte meines Namens!4 Seht euch an, wie ich ihn verwüstet habe, weil die Leute von Israel so viel Böses taten. (…) 14 Darum will ich jetzt mit dem Haus, das mein Eigentum ist und auf das ihr euer Vertrauen setzt, verfahren wie mit Schilo. Ich werde diesen Tempel, in dem ich euch und euren Vorfahren nahe sein wollte, genauso dem Erdboden gleichmachen. Für diese Worte gegen den Tempel wurde Jeremia beinahe umgebracht. Woher hatte er die Entschlossenheit, Wahrheiten so klar auszusprechen? Auf die Gefahr hin, dass sie ihm selbst zum Verhängnis würden? Die Voraussetzung zu seiner Ehrlichkeit gab ihm Gott selbst. Er versprach ihm ganz zu Beginn folgendes: 1.8 Vor den Menschen brauchst du keine Angst zu haben, denn ich werde immer bei dir sein und dich retten. Das verspreche ich, der Herr.« Und in der Tat: Gott hat ihn öfter aus einer brenzligen Lage wieder befreit. Sein Vertrauen in Gott hatte er bekräftigt, als er sich entschied: „Für mich soll nur das wegweisend sein, was Gott denkt. Aber was Menschen denken, soll mich nicht leiten!“ Dabei tut ein ehrlicher Blick auch durchaus mal weh! Wenn wir auf Jesus schauen – Wie ehrlich, wie entlarvend er war! Manchmal mausern wir uns in schweigende Lügen. Dass wir doch genug tun, um von Gott geliebt zu werden. All diese Lügen hat auch Jesus uns wie eine Maske weggenommen. Aber wenn er darunter Schwachheit oder Versagen sah – hat er sich dann abgewendet? Nein! Überhaupt nicht. Aber dazu gleich mehr. Ich finde, auch uns tun ehrliche Stimmen sehr gut. Auch dann, wenn sie einmal weh tun. Denn Ehrlichkeit deckt das Wesentliche auf. Sätze dir mir hier in den Ohren sind:

- Seit langem gibt es keinen grosser Zulauf mehr zur Gemeinde. Aber für uns haben wir ja ein buntes Gemeindeprogramm, das noch funktioniert. Damit sind ja viele zufrieden. Man fühlt sich wohl, solange es für uns selber stimmt. Aber daran ist doch etwas faul? - Viel Ehrlichkeit höre ich auch in einer Aussage wie dieser: Ich denke, Menschen von heute fragen nicht mehr nach Gott. Aber wissen kann ich es nicht. Ich spreche nämlich selber nie jemand darauf an. Ehrlich Dinge auszusprechen, ist dann dran, wenn es mich selber auch schmerzt. Ehrlichkeit kann nie heissen, anderen Schuld in die Schuhe zu schieben. Nein, wir müssen es wie Jesus tun. Er zieht den Menschen trügerische Masken ab. Aber was auch immer er darunter erblickte, liess ihn nicht kalt. Er streckte seine Hand aus und war bis ins Äusserste bereit, die Last mitzutragen. Je, er trägt sie schliesslich bis ans Kreuz, um uns zu neuem Leben zu befreien. - Seine Bereitschaft mit dem Volk zu leiden Da sind wir direkt bei der zweiten Eigenschaft des Propheten Jeremia angekommen. Hört diese Worte: 18 Mein heiteres Gesicht verbirgt meinen Kummer. Er lastet auf mir und macht mich krank. 19 Aus dem ganzen Land höre ich mein Volk verzweifelt schreien: »Ist denn der Herr nicht mehr auf dem Zionsberg? Wohnt unser König nicht mehr dort?« (...) 22 Gibt es denn in Gilead keine Salbe mehr und ist dort kein Arzt zu finden? Gibt es für mein Volk5 keine Heilung? Die Wunde will sich nicht schließen. 23 Wäre doch mein Kopf ein Brunnen, wären meine Augen Tränenquellen! Dann könnte ich Tag und Nacht weinen über die vielen aus meinem Volk, die erschlagen wurden! Wer von Gott prophetisch begabt wird, dem schenkt er auch eine unbändige Liebe für seine eigenen Leute. Ein Prophet kommt nie und schlägt mit seinem Urteil alles kurz und klein. Nein, wenn ein Prophet Missstände aufdeckt, dann weiss er: Ich bin ein Teil davon. Der Prophet leidet, ihn zerreisst es förmlich, bis sein Volk – oder auch seine Gemeinde, seine Kirche, seine Mitchristen und seine Mitmenschen – nicht wieder auf den guten Weg zurückfinden. Das Mitleiden geht uns etwas an! Es muss uns doch schmerzen, wenn wir keine Sprache mehr finden, um über Gott zu reden. Wenn wir den Graben zwischen Kirche und Gesellschaft haben wachsen lassen durch unsere fehlende Bereitschaft, etwas Ungewöhnliches zu tun. Mir zerreisst es das Herz, wenn ich Gemeinden sehe, die nach und nach in der Bedeutungslosigkeit versinken, nur weil sie ihren Formen mehr vertrauen als Gott. Aber gerade Jeremia lehrt uns, dass Gott sogar Undenkbares, wie

einen ausländischen König für seine Zwecke nutzen kann. Gott war schon immer ein Genie, eine innovative Person voller Kreativität. In einer Zeit, in der Familien noch so froh sind, wenn sie Sonntags ausschlafen können… Sind wir da bereit, uns neu in unsere Zeit hinein stellen zu lassen? Teil zu sein von dieser Welt, die Jesus auf den Schultern trägt? Gottes Herz war zu Jeremia Zeiten gebrochen über die Kluft die zwischen ihm und dem Volk Israel entstanden war. Das ist heute nicht anders. Können wir beten: „Herr, dein Herz ist gebrochen, weil so viele Menschen um uns herum dich gar nicht suchen. Brich mein Herz so, dass es darin leidet wie deines.“? Darf uns Gott neue Wege schenken, um Gemeinde zu sein? Ob ein Prophet mitleidet an der Situation oder nicht, zeigt im Kern, wie aufrichtig und verlässlich er ist. Und Jeremia litt bis zuletzt mit am Schicksal und Weg seines Volkes. - Seinen Mut Jeremia brauchte ein Sondermass an Mut. Denn, auch wenn jemand mitleidet, das beeindruckt uns leider oft zu wenig. Sobald wir eine Kritik nur ahnen, fahren wir die Stacheln aus. So wurde Jeremia mehrmals beinahe ermordet. Und dann Jesus am Kreuz. War der Weg ans Kreuz nicht der mutigste Weg, den je ein Mensch gegangen ist? Jesus hat eine ganze Nacht Blut uns Schweiss gelitten. Er musste den ganzen Mut von Himmel und Erde in dieser Nacht erbeten haben, um diesen Weg in die Gottverlassenheit zu schaffen. Das macht mich sehr nachdenklich. Es ist schön, dass in den Gemeinden ein stärkeres Bewusstsein für Begabungen und Berufungen gewachsen ist. Aber gleichzeitig ist diese Fokussierung auch zur Ausrede geworden. Muss es uns denn immer wohl sein, wenn wir Jesus nachfolgen? War es denn für ihn immer einfach? Er wurde zeitweise so bedrängt. Jesus sehnte sich damals nach etwas Ruhe. Und liess sich doch immer wieder rufen. Wir sind in erster Linie berufen. Und in zweiter Linie begabt. Ich sage euch jetzt: Ich bin keine Evangelistin. Hier stehen und so sprechen, das kann ich gut. Aber die Strasseneinsätze? Ich bete Tage voraus, dass Gott mir den Mut gibt, mich nicht zu drücken. Ich bin froh, wenn ich mit jemandem mitlaufen kann. Mir wird mulmig, wenn ich denke, ich sollte jetzt auf die Menschen zu. Aber: Ich weiss, es ist etwas Richtiges! Ich weiss, es tut uns als Gemeinde extrem gut! Ich sehe, wie Gott Menschen unter uns sogar dafür begabt hat! Und da sind Menschen auf der Strasse, an denen Gott

am arbeiten ist – und da hat Gott uns mit eingeplant. Es ist nur die Frage: Lassen wir uns gebrauchen oder nicht? Ich weiss, ich kann Menschen dorthin mitnehmen – halleluja! Ich weiss, diese Menschen machen tiefe Glaubenserfahrungen – halleluja! Ich weiss, Gott will mich herausfordern – oweh! Aber es ist das Beste, was mir seit langem passiert ist. Wenn wir bereit sind, uns mutig aufzumachen, raus aus der bequemen Zone, dann sind wir viel mehr auf Gott angewiesen. Und ich sage euch: Zu erleben, wie er DANN trägt…! Ich hab selten so eine tiefe Freude in mir, wie nach einem dieser Strasseneinsätze. Und das ist es wert. Wir sind nicht berufen, dass es uns wohl ist. Wir sind berufen, Jesus nachzufolgen. Und ihm war längst nicht immer wohl – und auch er brauchte viel Mut! - Seine Hoffnung Und wisst ihr, was in dem allem besonders trägt? Der Blick nach vorne. Der Blick in die Ewigkeit. Der Blick auf Gott, der über allem steht. Der alles im Griff hat und sich immer wieder erbarmen wird. Das verkündet auch der Prophet Jeremia: Jer 31, 32b Diesen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war! 33 Der neue Bund mit dem Volk Israel wird ganz anders aussehen: Ich schreibe mein Gesetz in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. (…) 35b Ich lasse die Wellen des Meeres tosen, denn ich bin der Herr, der allmächtige Gott. 36 Ich sage: So wie diese feste Ordnung für immer besteht, wird auch Israel für immer mein Volk sein. 37 Und wie man die Weite des Himmels und die Fundamente der Erde niemals ermessen kann, so werde ich Israel nicht verstoßen trotz allem, was es getan hat. Darauf gebe ich, der Herr, mein Wort!" So felsenfest stehen die Naturgesetze. So unbegreiflich sind sie. Und genauso unbegreiflich und genauso felsenfest bleibt Gott bei seiner Treue. Niemand hat es je verdient. Aber Gott steht zu seinem Treueversprechen. Aber Jesus ist auch nicht von dieser Welt gegangen, um uns einfach warten zu lassen, bis wir selber das Ewige segnen. Nein, ihm war so wichtig, dass wir nicht nur den Himmel anstaunen. Wir leben im Zeitalter des Heiligen Geistes. Er ist da, er will uns leiten, prägen, herausfordern, trösten… schlicht: uns auf dem Weg der Nachfolge an der Hand nehmen. Jesus will, dass sich die Welt jetzt schon ändert – und dass wir unsere Hoffnungen wahr sehen werden! Wir wissen doch: Gott hätte noch etwas vor mit uns! Mit der EMK, mit den Kirchen in der Schweiz! Mit den Christen in Europa. Worauf hofft Gott? Wohin lockt er uns? Es steht nirgends in der Bibel, dass Menschen durch

einen 9.45-Gottesdienst zu Gott finden. Was hofft denn Gott, was wir jetzt, nach all der Kirchengeschichte, nach all den gewachsenen Traditionen tun sollen, als Christen, hier und heute? Was sind die neuen Wege, die Gott hier in der Schweiz mit uns gehen will? Auf Gott hoffen heisst, Gott vertrauen. Jesus vertraute Gott, in allem. Im Widerlichsten. Im Absurdesten. Mitten am Kreuz. Niemals wäre je ein Israelit auf den Gedanken gekommen, dass Gott selbst am Kreuz stirbt. Schon gar nicht im Körper eines Menschen. Aber Gottes Hoffnung, seine Leidenschaft ist so stark, dass er ALLES tun würde, um uns zu erreichen. Wenn er alles tun würde, was können wir heute tun, um neue Werkzeuge für ihn zu sein…? Hier schliesst sich der Kreis. Denn hier sind wir wieder bei der Ehrlichkeit. Hier muss gesagt sein: Wir können mit Gott hoffen, mit ihm leiden, in ihm Mut finden. Aber: Wir können auch wegschauen, mutlos sein, nichts Grosses hoffen. Wir haben die Wahl. Er lässt uns frei. Dass Menschen umkehren, sich neu in Gottes Licht und Willen stellen, war auch Jeremias Sehnsucht. Im wissen, Gott wird es gut machen. Und die Frage an dich und mich lautet: Will ich ein Teil in dieser Geschichte sein oder nicht? Denn wenn uns die Erfahrung etwas lehrt, dann das: Gott kommt zu seinem Ziel. Über kurz oder lang. Wir müssen nur entscheiden: Will ich an der Geschichte Gottes teilhaben oder nicht? Nicht nur Jeremia – sondern vor allem Jesus sagte sehr eindeutig und immer wieder: Dich – ich will dich dabei haben! Amen.