Bericht zur Vernichtung von Stimmzetteln Bericht an den Regierungsrat zur Vernichtung der Stimmzettel der kantonalen Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 in 29 Gemeinden

Kurzfassung Am 13. Februar 2011 fand die Volksabstimmung über die Teilrevision des Gesetzes über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge statt. Der Vorlage des Grossen Rates stand ein Volksvorschlag gegenüber. Die Stimmberechtigten hiessen beide Vorlagen gut. Bei der Stichfrage obsiegte der Volksvorschlag mit einem knappen Mehr von 363 Stimmen. Der Regierungsrat erklärte das Ergebnis als gültig zustandegekommen. Der Beschluss wurde im Amtsblatt vom 2. März 2011 publiziert. Gegen das knappe Abstimmungsergebnis gingen zwei Beschwerden beim kantonalen Verwaltungsgericht ein. Diese Beschwerden verlangten eine Nachzählung. Die Staatskanzlei informierte die Regierungsstatthalter zuhanden der Gemeinden am 4. März 2011 über die eingereichten Beschwerden. Die Gemeinden wurden gebeten, die Ausweiskarten und die Stimmzettel bis nach der rechtskräftigen Erledigung der Beschwerden gesondert verpackt und versiegelt an einem sicheren Ort aufzubewahren. Am 22. Juni 2011 ordnete das Verwaltungsgericht eine Nachzählung an. Am 6. Juli 2011 legte der Regierungsrat die Nachzählung auf den 26./27. August 2011 fest. Es stellte sich heraus, dass zahlreiche Gemeinden die Stimmzettel vernichtet hatten. Schliesslich fehlten 17'800 Stimmzettel in 29 Gemeinden. Am 17. August 2011 ordnete der Regierungsrat eine Wiederholung der Volksabstimmung an. Zugleich beauftragte er die Staatskanzlei, eine Untersuchung zur Vernichtung der Stimmzettel in den Gemeinden durchzuführen. Bereits am 15. August 2011 hatte Herr Grossrat Luc Mentha eine Motion mit dem Titel „Korrekte Volksabstimmung im Kanton Bern sicherstellen“ eingereicht. Der Grosse Rat überwies die Motion am 21. November 2011 in der Form des Postulats. Dies führte zu einer Erweiterung des Auftrags im Rahmen der im Vorstoss enthaltenen Prüfaufträge. Die Untersuchung hat ergeben, dass in keiner der 29 Gemeinden die Stimmzettel absichtlich vorzeitig vernichtet wurden. Organisatorische Mängel, unzureichende Informationsflüsse und unsorgfältiges Verhalten von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gemeinden führten zur vorzeitigen Vernichtung der Stimmzettel. Es stellte sich die Frage, ob die Vorkommnisse zu strafrechtlichen, haftungsrechtlichen oder organisatorischen Konsequenzen führen müssten. Die Staatskanzlei kommt zum Schluss, dass es in erster Linie darum geht, mit gezielten Massnahmen künftige Fehler zu vermeiden. Nachfolgend werden die einzelnen Aspekte kurz beleuchtet: 1.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gemeinden sowie Mitglieder von Gemeindebehörden und von Stimmausschüssen, die vorsätzlich oder grobfahrlässig Amtspflichten verletzen, können mit Busse bestraft werden. Gestützt auf die vorhandenen Informationen beantragt die Staatskanzlei, es sei davon abzusehen, gegen die verantwortlichen Personen eine Strafanzeige einzureichen.

2.

Die Gemeinden und andere Träger öffentlicher Aufgaben haften für den Schaden, den ihre Organe bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten widerrechtlich verursachen. Zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Schaden muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Ob die schädigenden Handlungen im vorliegenden Fall auch widerrechtlich im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Staatshaftung sind, ist fraglich. Unabhängig von der Frage der Widerrechtlichkeit sieht der Regierungsrat auch aus staatspolitischen Gründen davon ab, gegenüber den Gemeinden die Durchsetzung von Haftungsansprüchen überprüfen zu lassen. Im Vordergrund des Interesses steht die Vermeidung künftigen Fehlverhaltens.

3.

In organisatorischer Hinsicht sind verschiedene Massnahmen angezeigt: 2

3.1

Die Gemeinden sollten angewiesen werden, die Abläufe bei der Vorbereitung und Durchführung von Abstimmungen und Wahlen zu überprüfen und zu verbessern. Es sind Checklisten für alle Abläufe zu erstellen. Die personellen Verantwortlichkeiten sind festzulegen. In den entscheidenden Phasen bei Wahlen und Abstimmungen sollen der Gemeindeschreiber oder die Gemeindeschreiberin oder ihre Stellvertretung persönlich anwesend sein. Abstimmungs- und Wahlunterlagen sind zu kennzeichnen und an sicheren Orten aufzubewahren. Alle wichtigen Handlungen – auch die Vernichtung von Abstimmungs- und Wahlunterlagen – sind zu protokollieren.

3.2

Die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter sollen die Vorbereitung und die Durchführung von Abstimmungen und Wahlen in den Gemeinden regelmässig nach einem bestimmten Plan kontrollieren. Die zeitgerechten Informationsflüsse zwischen dem Kanton und den Gemeinden sind sicherzustellen.

3.3

Die Staatskanzlei soll beauftragt werden, auf ihrer Homepage eine Rubrik einzurichten, unter der die relevanten Informationen über den Eingang von Beschwerden sowie über die Rechtskraft von Abstimmungs- und Wahlergebnissen veröffentlicht werden und angegeben wird, ob die Abstimmungs- und Wahlunterlagen vernichtet werden können. Zusätzlich soll im Regierungsratsbeschluss, der die nächstfolgende Abstimmung anordnet, festgehalten werden, wie mit den Unterlagen der letzten Abstimmung zu verfahren ist.

Abschliessend ist festzuhalten, dass das Vertrauen der Stimmberechtigten in die demokratischen Verfahren nicht leichtfertig gefährdet werden darf. Die betroffenen Personen in den Gemeinden haben demokratiepolitischen Schaden angerichtet. Solche Vorkommnisse sollen durch geeignete Massnahmen in Zukunft vermieden werden.

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Inhaltsverzeichnis

1

Ausgangslage.......................................................................................................................6 1.1 1.2

2 3 4 5

Sachverhalt.........................................................................................................................................6 Rechtliches .........................................................................................................................................7

Auftrag ..................................................................................................................................8 Motion Mentha......................................................................................................................8 Interpellation Blank..............................................................................................................9 Berichte der Regierungsstatthalterämter und Gemeinden im Einzelnen.......................10 5.1 Fragestellung....................................................................................................................................10 5.2 Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli................................................................................10 5.3 Zum Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli gehörige Gemeinden ....................................10 5.3.1 Gründlischwand .......................................................................................................................10 5.3.2 Gemeinde Habkern..................................................................................................................11 5.3.3 Gemeinde Lauterbrunnen........................................................................................................11 5.3.4 Gemeinde Wilderswil ...............................................................................................................11 5.3.5 Gemeinde Ringgenberg...........................................................................................................11 5.4 Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne ..............................................................................................12 5.5 Zum Regierungstatthalteramt Biel/Bienne gehörige Gemeinden.....................................................12 5.5.1 Gemeinde Schwadernau .........................................................................................................12 5.5.2 Gemeinde Leubringen .............................................................................................................12 5.6 Regierungsstatthalteramt Emmental ................................................................................................12 5.7 Zum Regierungsstatthalteramt Emmental gehörige Gemeinden.....................................................13 5.7.1 Gemeinden Alchenstorf und Willadingen ................................................................................13 5.8 Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland........................................................................................13 5.9 Zum Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland gehörige Gemeinden.............................................13 5.9.1 Gemeinde Allmendingen .........................................................................................................13 5.9.2 Gemeinde Limpach..................................................................................................................14 5.9.3 Gemeinde Riggisberg ..............................................................................................................14 5.10 Regierungsstatthalteramt Obersimmental-Saanen......................................................................14 5.11 Zum Regierungsstatthalteramt Obersimmental-Saanen gehörige Gemeinden ..........................15 5.11.1 Gemeinde Zweisimmen ...........................................................................................................15 5.12 Regierungsstatthalteramt Oberaargau.........................................................................................15 5.13 Zum Regierungsstatthalteramt Oberaargau gehörige Gemeinden .............................................15 5.13.1 Gemeinde Attiswil ....................................................................................................................15 5.13.2 Stadt Langenthal......................................................................................................................16 5.13.3 Gemeinde Niederönz...............................................................................................................16 5.13.4 Gemeinde Rütschelen .............................................................................................................16 5.13.5 Gemeinde Thunstetten ............................................................................................................17 5.14 Regierungsstatthalteramt Seeland...............................................................................................17 5.15 Zum Regierungsstatthalteramt Seeland gehörige Gemeinden ...................................................17 5.15.1 Gemeinde Müntschemier.........................................................................................................17 5.15.2 Gemeinde Oberwil bei Büren ..................................................................................................17 5.16 Regierungsstatthalteramt Jura bernois ........................................................................................17 5.17 Zum Regierungsstatthalteramt Jura bernois gehörige Gemeinden.............................................18 5.17.1 Gemeinde Cormoret ................................................................................................................18 5.17.2 Gemeinde Courtelary...............................................................................................................18 5.17.3 Gemeinde La Heutte................................................................................................................18 5.17.4 Gemeinde Loveresse...............................................................................................................18 5.17.5 Gemeinde Perrefitte.................................................................................................................18 5.17.6 Gemeinde Rebévelier ..............................................................................................................19 5.17.7 Gemeinde Sornetan.................................................................................................................19 5.17.8 Gemeinde Souboz ...................................................................................................................19 5.17.9 Gemeinde Tramelan ................................................................................................................19 5.17.10 Gemeinde Saint-Imier .........................................................................................................19

6

Zusammenfassung und Beurteilung der Berichte der Gemeinden ................................20 6.1 Zusammenfassung...........................................................................................................................20 6.1.1 Aufbewahrungsart....................................................................................................................20 6.1.2 Aufbewahrungsfrist ..................................................................................................................20

6.1.3 Gründe für die Vernichtung .....................................................................................................20 6.1.4 Kenntnisstand über die hängigen Beschwerden ....................................................................20 6.1.5 Massnahmen der Gemeinden zur Verhinderung solcher Vorkommnisse...............................20 6.1.6 Empfehlungen der Gemeinden................................................................................................21 6.2 Beurteilung der Berichte der Gemeinden durch die Staatskanzlei ..................................................21 6.3 Strafbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden nach Artikel 96 Absatz 1 GPR ..22

7

Zusammenfassung und Beurteilung der Berichte der Regierungsstatthalterämter .....23 7.1 Zusammenfassung...........................................................................................................................23 7.1.1 Aufsichtspflicht.........................................................................................................................23 7.1.2 Massnahmen für die Zukunft ...................................................................................................24 7.1.3 Anregungen und Bemerkungen...............................................................................................24 7.2 Beurteilung durch die Staatskanzlei .................................................................................................24

8 9 10 11

Haftung ...............................................................................................................................25 Schlussfolgerungen der Staatskanzlei .............................................................................26 Untersuchungskosten .......................................................................................................27 Antrag .................................................................................................................................27

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Bericht der Staatskanzlei an den Regierungsrat vom 8. Dezember 2011 Amtliche Untersuchung gemäss Artikel 84 und Artikel 85 GPR1 zur Vernichtung der Stimmzettel der kantonalen Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 in 29 Gemeinden 1

Ausgangslage 1.1 Sachverhalt Am 13. Februar 2011 fand die Volksabstimmung über die Teilrevision des Gesetzes über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge statt. Der Vorlage des Grossen Rates stand ein Volksvorschlag gegenüber. Die Vorlage des Grossen Rates wurde mit 172'427 Ja-Stimmen gegenüber 154'792 Nein-Stimmen, der Volksvorschlag mit 166'860 Ja-Stimmen gegenüber 164'325 NeinStimmen angenommen. In der Stichfrage zogen die Stimmberechtigten den Volksvorschlag mit 165'977 Stimmen der Vorlage des Grossen Rates vor, welche 165'614 Stimmen erhielt. Das Ergebnis wurde vom Regierungsrat mit Regierungsratsbeschluss (RRB) Nr. 0295 vom 23. Februar 2011 erwahrt. Der Beschluss wurde im Amtsblatt vom 2. März 2011 eröffnet. Am 21. Februar und am 2. März 2011 wurden gegen das äusserst knappe Ergebnis mit einer Differenz von lediglich 363 Stimmen bei der Stichfrage beim kantonalen Verwaltungsgericht zwei Abstimmungsbeschwerden eingereicht und eine Nachzählung gefordert. Die Staatskanzlei informierte die Regierungsstatthalterämter mit Schreiben vom 4. März 2011 über die eingegangenen Beschwerden und gab ihnen den Auftrag, das Schreiben an die Gemeinden weiterzuleiten. Das Schreiben wurde per Post und E-Mail versandt. Um eine mögliche Nachzählung durchführen zu können, wurden die Gemeinden in diesem Schreiben gebeten, die Ausweiskarten und Stimmzettel entsprechend Artikel 42 Absatz 3 VPR2 gesondert verpackt und versiegelt bis nach der rechtskräftigen Erledigung der Beschwerden bei den jeweiligen Gemeindeverwaltungen an einem sicheren Ort aufzubewahren. Mit Urteil vom 22. Juni 2011 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die beiden Beschwerden gut und ordnete eine Nachzählung an. Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 an die Regierungsstatthalterämter, das zur Weiterleitung an die Gemeinden bestimmt war, informierte die Staatskanzlei über das Urteil des Verwaltungsgerichts und bat die Gemeinden erneut, die Ausweiskarten und die Stimmzettel gemäss Artikel 42 Absatz 3 VPR bis nach der rechtskräftigen Erledigung aller Beschwerden gesondert verpackt und versiegelt aufzubewahren. Der Regierungsrat legte die Nachzählung gemäss RRB Nr. 1139 vom 6. Juli 2011 auf den 26./27. August 2011 fest. Mit Kreisschreiben vom 6. Juli 2011 an die Regierungsstatthalterämter und zuhanden der Gemeinden gab die Staatskanzlei den Beschluss über die Nachzählung bekannt und legte die Modalitäten der Nachzählung im Detail fest. Nach der Veröffentlichung des Urteils des Verwaltungsgerichts hatte der Gemeindeschreiber von Ringgenberg den Fachdiensten der Staatskanzlei mitgeteilt, dass er nicht mehr über das versiegelte Couvert mit den Zetteln verfüge; es seien nur noch das Formular 61 (Auszählliste-Zusammenzug) und die Schachtel mit den Ausweiskarten vorhanden. Dieser Einzelfall einer kleinen Gemeinde konnte nach Auffassung der Staatskanzlei keinen Grund für den Nicht-Vollzug des Verwaltungsgerichtsurteils darstellen. Hier ist festzuhalten, dass für das weitere Vorgehen mehrere Lösungsmöglichkeiten geprüft wurden. Noch anfangs August 2011 wurde im Rahmen verwaltungsinterner Abklärungen auch eine Variante erwogen, die darin bestanden hätte, die Nachzählung in denjenigen Gemeinden durchzuführen, die über die Stimmzettel verfügten, und in den anderen Gemeinden die Abstimmung zu wiederholen. Nachdem der Beschluss des Regierungsrates vom 6. Juli 2011 kommuniziert worden war, wurden der Staatskanzlei weitere Fälle zur Kenntnis gebracht, in denen Gemeinden nicht mehr über die Stimmzettel verfügten. Dies veranlasste die Staatskanzlei, die Regierungsstatthalter zu beauftragen, die erforderlichen Abklärungen vorzunehmen: Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 wies die Staatskanzlei die Regierungsstatthalter an, ihr bis am 4. August 2011 Bericht zu erstatten, ob in ihren Verwaltungskreisen Gemeinden nicht mehr im Besitz der Stimmzettel seien. Bis am 10. August 2011 wurden der Staatskanzlei 30 Gemeinden gemeldet, die ihre Stimmzettel (Total: 18'095 Stimmzettel) vernichtet hatten. Infolge der Vernichtung der Stimmzettel war eine korrekte Nachzählung nicht mehr möglich. Am 2. September 2011 teilte die Gemeinde Oberwil bei Büren 1 2

Gesetz vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte; BSG 141.1 Verordnung vom 10. Dezember 1980 über die politischen Rechte; BSG 141.112 6

mit, dass sie die Stimmzettel wieder aufgefunden habe. Es fehlen somit insgesamt 17'800 Stimmzettel in 29 Gemeinden. Mit RRB Nr. 1304 vom 17. August 2011 ordnete der Regierungsrat die Wiederholung der Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 zur Teilrevision des Gesetzes über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge an. Als neuen Abstimmungstermin legte der Regierungsrat den 11. März 2012 fest. Mit gleichem Beschluss beauftragte der Regierungsrat die Staatskanzlei, eine Untersuchung betreffend die Vernichtung der Stimmzettel durchzuführen. Mit Schreiben vom 7. September 2011 eröffnete die Staatskanzlei im Auftrag des Regierungsrates eine amtliche Untersuchung und forderte die Regierungsstatthalterämter auf, bei den in Frage stehenden Gemeinden einen Bericht über die Vorfälle einzuholen, die zur Vernichtung der Stimmzettel geführt hatten. Zudem wurden die Regierungsstatthalterämter aufgefordert, Auskunft über die Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion gemäss Artikel 69 Absatz 3 GPR und über geplante Massnahmen zur künftigen Verhinderung solcher Vorfälle zu geben. Bis am 19. Oktober 2011 sind sämtliche Berichte der Gemeinden und Regierungsstatthalterämter bei der Staatskanzlei eingegangen. Gegen den RRB Nr. 1304 vom 17. August 2011 betreffend Wiederholung der Volksabstimmung sind beim Bundesgericht zwei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht worden. Die Beschwerdeführer fordern, Ziffer 6 und 7 des RRB Nr. 1304 seien aufzuheben, auf die Wiederholung der Abstimmung demnach zu verzichten und das Abstimmungsergebnis vom 13. Februar 2011 sei als rechtmässig anzuerkennen. Die Entscheide des Bundesgerichts – insbesondere auch über die Frage der aufschiebenden Wirkung – sind noch ausstehend. Zudem wurde beim Verwaltungsgericht ein Revisionsgesuch eingereicht, das die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2011 verlangt. Das Verwaltungsgericht entschied mit Urteil vom 1. Dezember 2011, auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten. Es gilt nun, die Rechtskraft des Revisionsentscheides des Verwaltungsgerichts abzuwarten. 1.2 Rechtliches Die Gemeinden sind zuständig für die Durchführung von Abstimmungen und Wahlen (Art. 70 ff. GPR). Die Regierungsstatthalterin oder der Regierungsstatthalter überwacht die Vorbereitung und die Durchführung der Abstimmungen und Wahlen in ihrem Verwaltungskreis und erteilt den Gemeinden Rechtsauskünfte und Weisungen (Art. 69 Abs. 3 GPR und Art. 1 VPR). Bei eidgenössischen und kantonalen Abstimmungen und Wahlen sind die Regierungsstatthalter und Regierungsstatthalterinnen von der Staatskanzlei in ihren Aufgaben zu unterstützen (Art. 68 GPR). Die Oberaufsicht über die eidgenössischen und kantonalen Abstimmungen und Wahlen übt der Regierungsrat aus. Er erlässt die zum Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Verordnungen und Weisungen, setzt die Abstimmungs- und Wahltage fest und erwahrt die Ergebnisse der Abstimmungen und Wahlen, soweit hierfür nicht andere Behörden zuständig sind (Art. 67 Abs. 1 und 2 GPR). Gelangen dem Regierungsrat Unregelmässigkeiten bei einer Abstimmung oder Wahl oder einem Volksbegehren zur Kenntnis, ordnet er von sich aus eine amtliche Untersuchung an (Art. 84 Abs. 1 GPR). Das Untersuchungsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen des VRPG3 (Art. 85 Abs. 1 GPR). Die Untersuchungskosten können ganz oder teilweise den Gemeinden überbunden werden, deren Organe die Unregelmässigkeiten verursacht haben (Art. 85 Abs. 2 GPR). Die Bestimmungen betreffend Aufbewahrung der Wahl- und Abstimmungsunterlagen befinden sich in Artikel 41 und 42 VPR. Gemäss Artikel 41 VPR werden die Ausweiskarten und Antwortcouverts versiegelt und anschliessend der Gemeindeschreiberei zugestellt, welche sie solange unter Siegel hält, bis das Ergebnis der Abstimmung oder Wahl erwahrt ist. Artikel 42 Absatz 3 VPR lautet: „Die Zettel werden für jede Kategorie gesondert verpackt, versiegelt und, die Nationalratswahlen ausgenommen, bei der Gemeindeverwaltung an einem sicheren Ort aufbewahrt. Nach der rechtskräftigen Erledigung allfälliger Beschwerden können die Zettel vernichtet werden.“ Sowohl Artikel 41 als auch 42 Absatz 3 VPR richten sich an die Gemeinden und sind von ihnen direkt anzuwenden. Gemäss kantonalem Recht beurteilt das Verwaltungsgericht Abstimmungs- und Wahlbeschwerden (Art. 87 f. GPR) sowie Stimmrechtsbeschwerden (Art. 86 GPR) in kantonalen Angelegen-

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Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege; BSG 155.21 7

heiten (Art. 74 Abs. 2 Bst. a VRPG bzw. Art. 92 Abs. 1 Bst. a und Art. 93 Abs. 1 GPR)4. Abstimmungs-, Wahl- und Stimmrechtsbeschwerden sind innert drei Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes, spätestens aber drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Abstimmung oder Wahl, einzureichen (Art. 89 Abs. 2 GPR). Für den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ergebnisse ist auf die Publikation im Amtsblatt abzustellen (vgl. dazu Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. Juni 2011 Erw. 1.3). Abstimmungs- und Wahlbeschwerden sind unzulässig gegen Akte des Grossen Rates und des Regierungsrates (Art. 93 Abs. 2 GPR). Der Erwahrungsbeschluss des Regierungsrates kann daher nur mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht weitergezogen werden (Art. 82 Bst. c i.V.m. Art. 88 Abs. 1 Bst. a BGG5). Die Frist für die Beschwerde ans Bundesgericht beträgt 30 Tage nach Eröffnung des Beschlusses (Art. 100 Abs. 1 BGG). Auch hier ist für die Eröffnung auf die Publikation im Amtsblatt abzustellen. 2 Auftrag Der Regierungsrat erteilte der Staatskanzlei mit RRB Nr. 1304 vom 17. August 2011 den Auftrag, eine Untersuchung betreffend die Vernichtung der Stimmzettel der kantonalen Abstimmung vom 13. Februar 2011 durchzuführen. Im Rahmen dieser Untersuchung soll ermittelt werden, aus welchen Gründen die Stimmzettel vernichtet wurden und es soll aufgezeigt werden, welche Massnahmen zur Verhinderung solcher Vorfälle getroffen werden können. Bereits am 15. August 2011 hatte Herr Grossrat Luc Mentha eine Motion mit dem Titel „Korrekte Volksabstimmungen im Kanton Bern sicherstellen“ eingereicht (vgl. dazu nachfolgend Ziffer 3). Am 12. September 2011 erklärte sich der Regierungsrat bereit, den Vorstoss in der Form des Postulats entgegenzunehmen. Der Grosse Rat überwies den Vorstoss am 21. November 2011 in der Form des Postulats. Dies führte zu einer Erweiterung des Auftrags im Rahmen der im Vorstoss enthaltenen Prüfaufträge. 3 Motion Mentha Am 15. August 2011 reichte Luc Mentha (Liebefeld, SP) die Motion „Korrekte Volksabstimmung im Kanton Bern sicherstellen“ ein. Der Motionär forderte, der Regierungsrat sei zu beauftragen: 1. die neue Abstimmung über die Motorfahrzeugsteuer an einem offiziellen Abstimmungs-Wochenende durchzuführen und den fehlbaren Gemeinden die Kosten des Kantons aufzuerlegen, 2. für den Fall einer Abstimmung an einem Sonderdatum dafür zu sorgen, dass die fehlbaren Gemeinden die aus dieser Abstimmung entstehenden Kosten dem Kanton und den sich korrekt verhaltenden Gemeinden zurückerstatten müssen, 3. eine Untersuchung nach Artikel 84 GPR einzuleiten, 4. zu prüfen, ob Strafanzeige gegen unbekannt einzureichen ist wegen Verletzung von Amtspflichten (Art. 96 GPR), 5. zu überprüfen, ob im Falle einer Beschwerde alle Gemeinden genügend informiert werden, damit sie ihrer Aufbewahrungspflicht (Art. 42 Abs. 3 VPR) nachkommen; soweit nötig ist die Kommunikation zu verbessern und/oder die Gesetzgebung anzupassen, 6. zu überprüfen, ob Gemeinden, in denen Amtspflichten verletzt worden sind, für Vermögensschäden – beispielsweise die Kosten einer erneuten Abstimmung – haften; soweit nötig sei die Gesetzgebung anzupassen und zum Schutz der sich korrekt verhaltenden Gemeinden eine entsprechende Haftung einzuführen. Der Regierungsrat führte in seiner Antwort vom 26. Oktober 2011 aus, der neue Abstimmungstermin sei auf den 11. März 2012, den ersten ordentlichen Abstimmungstermin im neuen Jahr, festgelegt worden. Aus Sicht des Regierungsrates könne dieser Zeitplan eingehalten werden, 4

Seit der Umsetzung der Rechtsweggarantie im bernischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (i.K. seit dem 1. Januar 2009) beurteilt der Regierungsrat nur noch Abstimmungs- und Wahlbeschwerden sowie Stimmrechtsbeschwerden in eidgenössischen Angelegenheiten (Art. 94 GPR). 5 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz); SR 173.110 8

soweit nicht das gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2011 anhängig gemachte Revisionsgesuch6 oder die gegen RRB Nr. 1304 vom 17. August 2011 beim Bundesgericht eingereichten Beschwerden eine Neubeurteilung der Situation nötig machten. Zur Frage der Haftung der Gemeinden für die dem Kanton zusätzlich entstehenden Kosten erklärte der Regierungsrat, das weitere Vorgehen werde nach Abschluss der Untersuchungen der Staatskanzlei zu entscheiden sein (vgl. dazu nachstehend Ziff. 8). Die geforderte Untersuchung habe der Regierungsrat in RRB Nr. 1304 angeordnet. Auch ob gestützt auf Artikel 96 GPR Anzeigen einzureichen seien, werde im Rahmen der Untersuchung zu prüfen sein (vgl. nachstehend Ziff. 6.3). Zu Punkt 5 der Motion führte der Regierungsrat in seiner Antwort aus, die Staatskanzlei habe mit Schreiben vom 4. März 2011 an die Regierungsstatthalterämter zuhanden der Gemeinden über die eingereichten Beschwerden informiert und darauf hingewiesen, dass die Ausweiskarten und die Stimmzettel bis nach der rechtskräftigen Erledigung aller Beschwerden gesondert verpackt und versiegelt bei den jeweiligen Gemeindeverwaltungen an einem sicheren Ort aufzubewahren seien. Ob die Kommunikation in diesem Bereich noch verbessert werden könne, werde nach der Auswertung der Berichte der Regierungsstatthalterämter zu prüfen sein (vgl. dazu nachstehend Ziff. 6.2 Schluss, 7.2 Schluss und 9.). Ebenfalls die in Punkt 6 der Motion aufgeworfene Haftungsfrage bilde Gegenstand der amtlichen Untersuchung (vgl. nachstehend Ziff. 8). Der Grosse Rat hat am 21. November 2011 die Motion Mentha als Postulat überwiesen. 4 Interpellation Blank Am 24. November 2011 reichte Andreas Blank, (Aarberg SVP), die Interpellation „Verschwundene Stimmzettel: Wann wusste der Kanton Bern davon? ein. Der Interpellant stellt unter anderem die Frage, weshalb der Regierungsrat nicht schon vor dem Entscheid über die Nachzählung überprüft habe, ob die Stimmzettel noch in allen Gemeinden vorhanden seien. In seiner Antwort stellt der Regierungsrat fest, dass er dazu keine Veranlassung hatte, da, wie oben dargelegt, die Gemeinden aufgrund der VPR verpflichtet sind, die Stimmzettel aufzubewahren. Der Regierungsrat wurde an der ersten Sitzung nach der Sommerpause, am 17. August 2011, erstmals mit der Frage der nicht mehr vorhandenen Stimmzettel in einzelnen Gemeinden befasst. Noch anfangs August 2011 wurden verschiedene Varianten geprüft. Es wurde geprüft, ob beim Verwaltungsgericht ein Revisionsgesuch betreffend das Urteil vom 22. Juni 2011 gestellt werden soll. Geprüft wurde auch, ob die Nachzählung in denjenigen Gemeinden hätte durchgeführt werden können, die noch über die Stimmzettel verfügten, und ob nur in den anderen Gemeinden eine Wiederholung der Abstimmung hätte angeordnet werden können. Nach der Prüfung aller Handlungsmöglichkeiten kam der Regierungsrat zum Schluss, dass die Gesamtheit der Stimmberechtigten ein Staatsorgan ist, das sich nicht aufteilen lässt. Die Willensäusserung in Volksabstimmungen steht der gesamten Stimmbürgerschaft zu. Alle Stimmberechtigten müssen sich gleichzeitig und unter den gleichen Voraussetzungen zu einer Sache äussern können. Eine Wiederholung der Abstimmung bloss in einzelnen Gemeinden wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Deshalb kam der Regierungsrat zum Schluss, dass gestützt auf Artikel 34 BV7 eine Wiederholung der Volksabstimmung im ganzen Kanton unausweichlich ist. Nach dem Versand des Regierungsratsbeschlusses vom 6. Juli 2011 betreffend die Nachzählung kam es zu verschiedenen Mitteilungen an die Staatskanzlei, wonach einzelne Gemeinden nicht mehr über die Stimmzettel verfügten. Deshalb wollte sich die Staatskanzlei eine Gesamtübersicht verschaffen. Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 beauftragte die Staatskanzlei die Regierungsstatthalter, ihr bis am 4. August 2011 Bericht zu erstatten, ob in ihren Verwaltungskreisen Gemeinden nicht mehr im Besitz der Stimmzettel seien. Die Behandlung der Interpellation Blank ist für die Januarsession 2012 vorgesehen.

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Das Verwaltungsgericht entschied mit Urteil vom 1. Dezember 2011, auf das Revisionsgesuch nicht einzutreten. Es gilt nun, die Rechtskraft dieses Entscheides abzuwarten. 7 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999; SR 101 9

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Berichte der Regierungsstatthalterämter und Gemeinden im Einzelnen 5.1 Fragestellung Den Regierungsstatthaltern wurden mit Schreiben der Staatskanzlei vom 7. September 2011 folgende Fragen gestellt: • Wie nehmen Sie konkret Ihre Aufsichtsfunktion gemäss Artikel 69 Absatz 3 GPR wahr? • Welche Massnahmen werden Sie treffen, damit künftig solche Vorkommnisse verhindert werden? • Welche weiteren Bemerkungen und Anregungen haben Sie anzubringen? An die Gemeinden wurden folgende Fragen gerichtet: • Wie werden die Stimm- und Wahlzettel nach einer Abstimmung aufbewahrt? • Wie und wann werden die Stimm- und Wahlzettel im Normalfall vernichtet? • Welche Gründe haben dazu geführt, dass die Stimmzettel der Abstimmung vom 13. Februar 2011 entsorgt wurden? • Wie war der Kenntnisstand betreffend die hängigen Beschwerden? • Wann genau ging das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011, welches via Regierungsstatthalteramt an die Gemeinden gerichtet wurde, ein? • Durch welche konkreten Massnahmen kann verhindert werden, dass ein solches Ereignis künftig auf kommunaler Ebene nochmals vorkommt? 5.2 Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli Das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli gibt an, die Gemeinden mittels regelmässiger Schreiben auf kommende Abstimmungen und Wahlen vorzubereiten. Bei den Gemeindeinspektionen würden Abstimmungen und Wahlen generell ausführlich thematisiert und besprochen. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 habe man den Gemeinden mittels E-Mail zukommen lassen. Obwohl von allen Gemeinden eine Lesebestätigung eingegangen oder auf Nachfrage hin der Eingang des Schreibens bestätigt worden sei, habe sich gezeigt, dass E-Mails nicht überall korrekt verarbeitet würden. Das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli hat deshalb beschlossen, den Gemeinden solche Schreiben künftig zusätzlich auch per Briefpost zukommen zu lassen. Zudem würden Abstimmungen und Wahlen noch intensiver thematisiert und auch an einer geplanten Weiterbildungsveranstaltung für die Gemeindeorgane zum Gegenstand gemacht werden. Das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 4. August 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. 5.3 Zum Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli gehörige Gemeinden 5.3.1 Gründlischwand Die Unterlagen zur Abstimmung vom 13. Februar 2011 befanden sich in einer mit einer Plombe aus verzinktem Draht versiegelten Urne. Sie hätten vor der nachfolgenden Abstimmung vom 15. Mai 2011 ins Archiv umgelagert werden sollen. Zu dieser Zeit fanden in der Gemeindeverwaltung umfangreiche Archivierungs- und Aufräumarbeiten statt, anlässlich derer diverse Akten zu schreddern und zu vernichten waren. Der Gemeinderat geht davon aus, dass die Abstimmungsunterlagen vom 13. Februar 2011 versehentlich zu den zu vernichtenden Unterlagen gelegt wurden. Ausser ihnen fehlten keine weiteren Akten. Das Mail des Regierungsstatthalteramtes Interlaken-Oberhasli mit dem Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 habe man am 7. März 2011 erhalten, ausgedruckt und mit Eingangsstempel versehen. Per Post sei das Schreiben der Staatskanzlei erst später eingetroffen. Künftig werde die Gemeinde Gründlischwand Abstimmungs- und Wahlunterlagen nicht mehr versiegelt in der Urne aufbewahren, sondern direkt im Archiv in Couverts ablegen. Dadurch solle verhindert werden, dass die Unterlagen bei einer hängigen Beschwerde mehrmals umgelagert werden müssten. Zur Reduktion des Risikos einer versehentlichen Vernichtung von Unterlagen solle zudem bei Archivierungsarbeiten von nun an immer ein Vernichtungsprotokoll erstellt wer10

den, das durch die Gemeindeverwaltung sowie durch eine Person des Gemeinderates zu unterzeichnen sei. 5.3.2 Gemeinde Habkern Die Abstimmungsunterlagen waren in Couverts verpackt, versiegelt und in einem Tresor aufbewahrt worden. Die Räumlichkeiten sind ausserhalb der Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung mit einer Alarmanlage gesichert. Nach dem Abstimmungssonntag vom 15. Mai 2011 habe der Gemeindeschreiber – der noch nicht lange im Amt gewesen sei – in der Hektik nicht daran gedacht, dass die Unterlagen hätten aufbewahrt werden sollen. So gelangten die Unterlagen in den Aktencontainer mit den zur Vernichtung bestimmten Akten. Die Gemeinde Habkern sei vom Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli mit E-Mail vom 7. März 2011 und vom 30. Juni 2011 über die hängigen Beschwerden informiert worden. Die jeweiligen Schreiben der Staatskanzlei (vom 4. März und vom 28. Juni 2011) seien als Anhang beigelegt gewesen. Die für die Vernichtung bestimmten Akten würden jeweils von einer externen Firma abgeholt und entsorgt. Leider seien die Akten wenige Tage vor Eintreffen des Schreibens der Staatskanzlei vom 28. Juni 2011 abgeholt und vernichtet worden. Der Gemeinde Habkern sei klar, dass die Couverts mit den Abstimmungsunterlagen vom 13. Februar 2011 nach Erhalt des Schreibens der Staatskanzlei vom 4. März 2011 hätten gekennzeichnet werden müssen. In Zukunft werde dies so gehandhabt. Den Versand von solch wichtigen Schreiben wie desjenigen der Staatskanzlei vom 4. März 2011 lediglich per E-Mail erachte man als problematisch. Seitens des Regierungsstatthalteramtes hätte man schliesslich eine Bestätigung einfordern können, dass die Unterlagen zur Aufbewahrung gekennzeichnet worden seien. 5.3.3 Gemeinde Lauterbrunnen Die Abstimmungsunterlagen seien gesondert verpackt, versiegelt und in einem feuersicheren Schrank im Archiv der Gemeindeverwaltung eingelagert worden. Anlässlich der Abstimmung vom 15. Mai 2011 habe der Gemeindeschreiber den Auftrag erteilt, die älteren Abstimmungsunterlagen zur Vernichtung bereitzustellen. Dabei habe er unterlassen, explizit darauf hinzuweisen, dass die Unterlagen vom 13. Februar 2011 nicht vernichtet werden dürften. Über die hängigen Beschwerden sei man informiert gewesen. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 habe man am 7. März 2011 per E-Mail erhalten. Die Gemeinde Lauterbrunnen habe nun die Abstimmungsorganisation überprüft. Um solche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern, sei die Checkliste so ergänzt worden, dass vor jeder Entnahme von Wahlmaterial aus dem Schrank die Erwahrung des Abstimmungsresultates (+60 Tage) geprüft werden müsse und in die Liste einzutragen sei. 5.3.4 Gemeinde Wilderswil Die Abstimmungsunterlagen werden jeweils versiegelt in der Urne im Gemeindearchiv aufbewahrt. Wenn die Urnen für die nächste Abstimmung gebraucht werden, entsorgt die Gemeinde Wilderswil die sich darin befindlichen Unterlagen. Dabei sei nicht daran gedacht worden, dass noch eine Beschwerde hängig sei. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 habe man am 7. März 2011 per E-Mail erhalten, die E-Mail jedoch gelöscht. In Zukunft wolle man solche Vorkommnisse mit einem Gefahrensignal „Achtung Beschwerde“ verhindern. 5.3.5 Gemeinde Ringgenberg Die Stimm- und Wahlzettel würden jeweils zusammen mit den anderen wichtigen Unterlagen versiegelt und pro Abstimmung in einer angeschriebenen Archivschachtel im Materialraum bis mindestens zur nächsten Abstimmung, d.h. bis zur Rechtskraft/Erwahrung des Resultates aufbewahrt, in der Regel gar mindestens ein Jahr. Das Couvert mit den Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 sei wohl in die falsche Aufbewahrungsschachtel gelangt und irrtümlicherweise am 25. Mai 2011 entsorgt worden. Die Gemeinde Ringgenberg informierte die Staatskanzlei mit E-Mail vom 23. Juni 2011 über das Fehlen der Stimmzettel. Der Gemeindeschreiber habe Kenntnis von den hängigen Beschwerden gehabt. Man könne nicht mehr genau sagen, wann man das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 erhalten habe, die Zettel seien jedoch deutlich später vernichtet worden. In Zukunft würden die versiegelten Stimm- und Wahlzettel während mindestens eines Jahres aufbewahrt. 11

5.4 Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne Das Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne habe bisher die korrekte Aufbewahrung des Wahl- und Abstimmungsmaterials anlässlich der Gemeindeinspektionen geprüft. Man werde künftig von den Gemeinden eine Meldung über die getroffenen organisatorischen Massnahmen einfordern und diese auch überprüfen. Das Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne merkt zudem an, dass auch auf kommunaler Ebene Abstimmungen und Wahlen schriftlich erfolgten und auch dieses Material aufzubewahren sei, bis die Beschwerdefristen abgelaufen und allfällige Beschwerdeverfahren rechtskräftig abgeschlossen seien. Das Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 3. August 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. 5.5 Zum Regierungstatthalteramt Biel/Bienne gehörige Gemeinden 5.5.1 Gemeinde Schwadernau Die Gemeinde Schwadernau gibt an, dass die Stimm- und Wahlzettel in versiegelten Couverts in einem Schrank der Gemeindeverwaltung aufbewahrt würden. Jeweils ein- bis zweimal pro Jahr würden sie entsorgt. Die Abstimmungsunterlagen vom 13. Februar 2011 seien wohl nicht ausreichend ersichtlich getrennt von den übrigen Unterlagen aufbewahrt worden. Deshalb seien sie fälschlicherweise zusammen mit nicht mehr benötigen Akten und Abstimmungsunterlagen vernichtet worden. Das Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne habe ausreichend über die hängigen Beschwerden informiert. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei am 14. März 2011 eingetroffen. Künftig werde man die Unterlagen von Abstimmungen und Wahlen klar getrennt von den übrigen Dossiers im Tresor aufbewahren, damit sich solch ein Fehler nicht wiederhole. 5.5.2 Gemeinde Leubringen Die Abstimmungsunterlagen würden in einer plombierten Urne aufbewahrt und jeweils am Freitag vor der nächsten Abstimmung entsorgt. Da am 6. März 2011 die Stichwahl für den Ständerat stattgefunden habe, habe man die Unterlagen vom 13. Februar 2011 fälschlicherweise wohl bereits am 4. März 2011 entsorgt, bevor man Kenntnis vom Schreiben der Staatskanzlei gehabt habe. Dieses sei ebenfalls am 4. März 2011 per E-Mail eingegangen. Über die hängigen Beschwerdeverfahren sei man informiert gewesen. Die Gemeinde Leubringen habe nun vier zusätzliche Urnen bestellt. In Zukunft werde man den Vermerk „nicht öffnen/nicht entsorgen“ anbringen und die Unterlagen während eines Jahres aufbewahren. Zudem werde der Gemeindeschreiber künftig vor jeder Entsorgung von Abstimmungsunterlagen einen Vermerk auf einem Kontrollformular anbringen. 5.6 Regierungsstatthalteramt Emmental Das Regierungsstatthalteramt Emmental prüfe die Organisation von Abstimmungen und Wahlen regelmässig im Rahmen der Gemeindeinspektionen. Zahlreiche Diskussionen hätten gezeigt, dass das Wissen und die nötige Sorgfalt in allen Gemeinden des Verwaltungskreises Emmental vorhanden seien. Um solche Vorkommnisse künftig zu verhindern, hat der Regierungsstatthalter die Gemeinden im Vorfeld der Wahlen vom 23. Oktober 2011 ausdrücklich über ihre Verantwortlichkeiten informiert. Er wird zudem ein separates Schreiben zur sorgfältigen und sicheren Aufbewahrung des Abstimmungs- und Wahlmaterials verfassen. Weiter werde man einmal jährlich, am besten zusammen mit der jeweiligen Bekanntgabe der Abstimmungsdaten für das Folgejahr, die Gemeinden auf die wichtigsten Bestimmungen und insbesondere auf die sichere Aufbewahrung des Abstimmungsmaterials bis zur Erwahrung hinweisen. Das Regierungsstatthalteramt Emmental beantragt zudem, dass die Staatskanzlei in Zukunft die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter nach Erwahrung der Abstimmungs- und Wahlergebnisse schriftlich informieren und darauf hinweisen solle, dass die Akten nun vernichtet werden könnten. Die Regierungsstatthalterämter würden dann diese Information an die Gemeinden weiterleiten. Das Wahl- und Abstimmungsmaterial dürfe künftig erst vernichtet werden, wenn die Gemeinden von den Regierungsstatthalterämtern über die Erwahrung informiert worden seien.

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Das Regierungsstatthalteramt Emmental informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 29. Juli 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. 5.7 Zum Regierungsstatthalteramt Emmental gehörige Gemeinden 5.7.1 Gemeinden Alchenstorf und Willadingen Da beide Gemeinden keine eigene Gemeindeverwaltung führen, wird jeweils das gesamte Abstimmungsmaterial nach Auszählung der Stimmen auf die Gemeindeverwaltung Koppigen gebracht. Dort wird das Material separat gebündelt, versiegelt und im Safe aufbewahrt. Die Akten werden üblicherweise, und wenn keine Beschwerde eingegangen ist, kurz vor der nächsten Abstimmung vernichtet. Bei Eingang einer Beschwerde wird das Material bis zur endgültigen Erwahrung des Ergebnisses aufbewahrt. In der Zeit um die Abstimmung vom 13. Februar 2011 war im Materialraum der Gemeinde Koppigen sehr viel zu vernichtendes Material gestapelt. Die Unterlagen der Abstimmung wurden in der Gemeinde Koppigen am 14. Februar 2011 entgegengenommen und zur Aufbewahrung im Safe bereitgestellt. Die zuständige Mitarbeiterin wurde jedoch durch einen Telefonanruf bei ihrer Arbeit unterbrochen. Während sie am Telefon war, begab sich eine Lernende in den Materialraum um – entsprechend der ständigen Weisung – nicht ausgefüllte Zeit dazu zu nutzen, Akten zu vernichten. Als die zuständige Mitarbeiterin dies bemerkte, das Telefongespräch unterbrach und sofort in den Materialraum ging, war es bereits zu spät und die Abstimmungsunterlagen der Gemeinden Alchenstorf und Willadingen vernichtet. Die Unterlagen der Gemeinde Koppigen dagegen konnten noch gerettet werden. Als das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 am 7. März 2011 bei der Gemeinde Koppigen eintraf, waren die Akten bereits vernichtet. Die Gemeinde Koppigen hat nun insbesondere die Weisung erlassen, dass Abstimmungs- und Wahlmaterial nur noch mit der ausdrücklichen Zustimmung des Gemeindeschreibers vernichtet werden darf. Das Abstimmungs- und Wahlmaterial wird künftig räumlich getrennt von den übrigen Akten aufbewahrt. Es wird deutlich beschriftet, bis wann es aufzubewahren ist. Die Aufbewahrungsfrist wird zudem von heute drei bis vier Monaten auf ein Jahr, in jedem Fall jedoch bis zur Erwahrung, verlängert. 5.8 Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland Das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland organisiert jeweils die Verpackung und den Versand des Abstimmungsmaterials und informiert die verantwortlichen Personen schriftlich über den Ablauf am Wahlsonntag. Im Rahmen der mindestens alle vier Jahre durchgeführten Kontrollbesuche werde ausdrücklich auf die Aufbewahrungspflicht gemäss Artikel 42 Absatz 3 VPR hingewiesen und die Einhaltung kontrolliert und protokolliert. Bis jetzt habe kein Anlass zur Annahme bestanden, dass die gesetzlichen Vorschriften über die politischen Rechte von den Gemeinden nicht befolgt würden. Künftig werde das Regierungsstatthalteramt in seinem Schreiben zum Ablauf des Abstimmungssonntages ausdrücklich auf Artikel 42 Absatz 3 VPR hinweisen. Es schlägt zudem vor, dass die Staatskanzlei die zehn Regierungsstatthalterämter zuhanden der Gemeinden über das Eintreffen von Beschwerden informiere. Die Gemeinden würden dann von den Regierungsstatthalterämtern aufgefordert, die Stimmzettel so lange aufzubewahren, bis sie ausdrücklich zur Vernichtung freigegeben würden. Von der Staatskanzlei werde in jedem Beschwerdefall von Amtes wegen eine Mitteilung erwartet, wenn das Abstimmungsresultat rechtskräftig geworden sei. Das Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 2. August 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. 5.9 Zum Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland gehörige Gemeinden 5.9.1 Gemeinde Allmendingen Das Abstimmungsmaterial wird jeweils gebündelt im feuersicheren Schrank im Büro des Gemeindeschreibers während mindestens 30 Tagen, in der Regel jedoch bis kurz vor der nächsten Abstimmung, aufbewahrt. Davon abweichend waren die Unterlagen vom 13. Februar 2011 nicht gebündelt und wurden vom Gemeindeschreiber zusammen mit dem Stimmmaterial vom 28. November 2010 am 27. März 2011 fälschlicherweise entsorgt. Die Stimmausweise sind noch vorhanden. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 traf am 7. März 2011 per Mail bei 13

der Gemeinde ein. Der Gemeindeschreiber wusste jedoch bereits vorher aus der Presse von den Beschwerden. Künftig werde das Material gebündelt und während der gesetzlich vorgeschriebenen Frist in einem feuersicheren Schrank aufbewahrt. 5.9.2 Gemeinde Limpach Die Stimm- und Wahlzettel werden jeweils zusammen mit den Stimmausweisen in einem verschlossenen Couvert im Kassenschrank des Sitzungszimmers der Gemeinde aufbewahrt und etwa halbjährlich entsorgt. Die Gemeindeschreiberin hat in Kenntnis der hängigen Beschwerden die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 irrtümlicherweise entsorgt. Die Gemeinde Limpach informierte die Staatskanzlei per E-Mail vom 14. Juli 2011 über das Fehlen der Stimmzettel. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ging am 7. März 2011 bei der Gemeinde Limpach ein. Künftig werden die Abstimmungsunterlagen in angeschriebenen Couverts aufbewahrt werden. Allfällige Mitteilungen wie diejenige vom 4. März 2011 zu Beschwerden werden vorne an die Couverts geheftet. 5.9.3 Gemeinde Riggisberg Die Stimm- und Wahlzettel werden jeweils in beschrifteten und versiegelten Couverts bis nach der nächsten Abstimmung im Archiv aufbewahrt. Bis dahin sei in der Regel bekannt, ob Beschwerden eingegangen seien. Die Vernichtung der Unterlagen vom 13. Februar 2011 sei am 16. Mai 2011, also einen Tag nach der nächsten Abstimmung, erfolgt. Die Gemeinde Riggisberg informierte die Staatskanzlei erstmals mit E-Mail vom 6. Juli 2011 über das Fehlen der Stimmzettel. Der Brief der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei bis dahin vergessen gegangen und die Couverts seien lediglich mit dem Abstimmungsdatum, nicht aber mit dem Abstimmungsthema beschriftet gewesen. Zur Vernichtung habe vielleicht auch die Pressemitteilung des Kantons Bern beigetragen, in welcher es geheissen habe, dass die Ergebnisse der Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 und der Ständeratswahlen erwahrt seien8. Wann das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 eingegangen sei, könne nicht mehr rekonstruiert werden, vermutlich aber am 7. März 2011. Künftig würden die Couverts auch mit dem Abstimmungsthema beschriftet und während mindestens eines Jahres aufbewahrt. Nach Kenntnisnahme allfälliger Beschwerden werde man die diesbezüglichen Informationsschreiben zu den Couverts legen oder einen Vermerk anbringen, damit gewährleistet sei, dass die Couverts nicht versehentlich vernichtet würden. Zudem werde der Entscheid über die Vernichtung von alten Abstimmungsakten künftig immer von zwei Personen gefällt. Zusätzlich werde sich die Gemeinde Riggisberg bei der Staatskanzlei versichern, dass keine Beschwerde hängig sei. Die relevante Checkliste sei um die entsprechenden Punkte ergänzt worden. 5.10 Regierungsstatthalteramt Obersimmental-Saanen Das Regierungsstatthalteramt Obersimmental-Saanen übergibt jeweils das aufbereitete Wahlund Abstimmungsmaterial persönlich den Gemeinden und macht sie dabei auf allfällige Besonderheiten aufmerksam. Es setzt sich eine Woche vor dem Abstimmungs- oder Wahltermin mit jeder Gemeinde in Kontakt und erkundigt sich über den Stand der Vorarbeiten. Die Gemeinden haben Ansprechspersonen bekannt zu geben, mit denen sich das Regierungsstatthalteramt jederzeit in Kontakt setzen können muss. Künftig würden alle von der Staatskanzlei erhaltenen EMails zusätzlich zum Weiterversand per Mail sicherheitshalber auch per Post zugestellt und eventuell gar telefonisch informiert. Das Regierungsstatthalteramt Obersimmental-Saanen informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 25. Juli 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in nachfolgend aufgeführter Gemeinde.

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Bei der genannten Pressemitteilung handelt es sich um eine Medienmitteilung des Regierungsrates vom 23. Februar 2011. Es wurde darin mitgeteilt, dass der Regierungsrat die definitiven Ergebnisse der Abstimmungen und der Ständeratsstichwahl vom 13. Februar 2011 erwahrt habe. Weiter wurde erwähnt, der Regierungsrat habe ein Gesuch um Nachzählung im Abstimmungskreis Thun abgewiesen. 14

5.11 Zum Regierungsstatthalteramt Obersimmental-Saanen gehörige Gemeinden 5.11.1 Gemeinde Zweisimmen Die Abstimmungs- und Wahlunterlagen werden üblicherweise mindestens bis nach der Erwahrung der Ergebnisse, meistens sogar bis nach einer neuen Wahl oder Abstimmung aufbewahrt. Der Gemeindeschreiber befand sich in der Woche vom 7. März 2011 in den Ferien. Bei seiner Rückkehr übersah er die E-Mail des Regierungsstatthalteramtes, welche entsprechend nachträglicher Recherchen am 7. März 2011 eingetroffen sei. Deshalb habe er der Verwaltung keine Anweisungen über die Aufbewahrung der Stimmzettel erteilt. Die Stimmzettel wurden am 13. Mai 2011 entsorgt. Künftig werde die Aufbewahrungsfrist auf ein Jahr ausdehnt. Der Gemeindeschreiber empfiehlt zudem wichtige Mitteilungen auch in Papierform zu übermitteln. 5.12 Regierungsstatthalteramt Oberaargau Das Regierungsstatthalteramt Oberaargau hält im Rahmen seiner Aufsichtspflicht zweimal jährlich Beiratsversammlungen und zusätzlich Fachtagungen ab. An diesen werden die Gemeinden regelmässig auf die gesetzlichen Bestimmungen und aktuelle Probleme im Zusammenhang mit Abstimmungen und Wahlen aufmerksam gemacht. An den Inspektionen der Einwohnergemeinden wird zudem jeweils die Aufbewahrung von Wahl- und Abstimmungsmaterial thematisiert. Das Regierungsstatthalteramt Oberaargau weist darauf hin, dass in der kantonalen Checkliste zu den Gemeindeinspektionen durch die Einwohnergemeinden die Frage zu beantworten sei, ob die Ausweiskarten, die Antwortcouverts und die Abstimmungszettel versiegelt und bis zur Erwahrung der Resultate aufbewahrt würden. Daraus könne eventuell fälschlicherweise abgeleitet werden, dass die Stimmzettel nach der Erwahrung der Resultate vernichtet werden könnten und nicht noch überprüft werden müsse, ob Beschwerden hängig seien. Das Regierungsstatthalteramt Oberaargau wird sich dieser Problematik annehmen. Vor den einzelnen Abstimmungen und Wahlen wird jeweils regelmässig mit dem Gemeinden korrespondiert, wobei die Gemeinden auf die gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen und entsprechend instruiert werden. Auch in einer Informationsmail der Staatskanzlei vom 22. Februar 2011 an die Regierungsstatthalterämter und Gemeinden zu den Abstimmungen und Wahlen vom 13. Februar 2011 befinde sich ein Hinweis auf die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen. Das Regierungsstatthalteramt Oberaargau regt an, dass die Gemeinden zukünftig instruiert werden, das Wahl- und Abstimmungsmaterial erst dann zu vernichten, wenn sie vom Regierungsstatthalteramt dazu aufgefordert werden. Dafür wäre eine Mitteilung der Staatskanzlei an das Regierungsstatthalteramt über die Erwahrung und die rechtskräftige Beurteilung von Beschwerden nützlich. Sollte dieser Vorschlag nicht als tauglich erachtet werden, so unterstützt das Regierungsstatthalteramt Oberaargau den Vorschlag der Stadt Langenthal, wonach die Staatskanzlei auf ihrer Homepage eine Liste der Wahl- und Abstimmungsresultate publizieren solle, die in Rechtskraft erwachsen sind. Künftig wird zudem an den Gemeindeinspektionen klar auf Artikel 42 Absatz 3 VPR hingewiesen werden. Das Regierungsstatthalteramt Oberaargau wird diesbezüglich auch beim Amt für Gemeinden und Raumordnung beantragen, die Checkliste entsprechend anzupassen. Schliesslich weist das Regierungsstatthalteramt Oberaargau darauf hin, dass die gesetzlichen Bestimmungen zu den Abstimmungen und Wahlen für die Gemeinden nicht immer leicht zu finden seien, zumal neben GPR und VPR auch das DPR9 zu konsultieren sei. Eine einheitliche Ordnung würde diesem Problem Abhilfe verschaffen. Das Regierungsstatthalteramt Oberaargau informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 2. August 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. Die Gemeinde Thunstetten wurde am 9. August 2011 nachgemeldet. 5.13 Zum Regierungsstatthalteramt Oberaargau gehörige Gemeinden 5.13.1 Gemeinde Attiswil Die Stimm- und Wahlzettel werden in Couverts verpackt, versiegelt und in einem Schrank der Gemeindekanzlei aufbewahrt. Vernichtet werden sie erst, wenn die Ergebnisse erwahrt sind. Beim Eintreffen des Wahlmaterials für die Ständeratsstichwahl vom 6. März 2011 hat die Gemeindeschreiberin irrtümlicherweise die Couverts mit den Akten vom 13. Februar 2011 vernich9

Dekret vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (DPR); BSG 141.11 15

ten lassen. Die Gemeindeschreiberin hat aus den Medien von den hängigen Beschwerden erfahren. Das Schreiben der Staatskanzlei ging am 10. März 2011 in Briefform auf der Gemeindeverwaltung ein. In Zukunft wird das Vernichten von Stimm- und Wahlzetteln durch eine Zweitperson begleitet, die ebenfalls kontrolliert und abklärt, ob das Ergebnis erwahrt ist und keine Beschwerden hängig sind. Bei Unklarheiten wird beim Regierungsstatthalteramt nachgefragt. 5.13.2 Stadt Langenthal Die Stimm- und Wahlzettel werden in gekennzeichneten und versiegelten Archivschachteln im Handarchiv der Einwohnerdienste der Stadt Langenthal aufbewahrt. Gemäss Artikel 24 Absatz 2 des Wahl- und Abstimmungsreglementes der Stadt wird das Material nach unbenutztem Ablauf der Beschwerdefrist oder nach der rechtskräftigen Beurteilung allfälliger Beschwerden vernichtet. In der Praxis werden die Unterlagen jedoch jeweils bis ins Folgejahr aufbewahrt. Im Rahmen einer Aktion zur Lösung des Platzproblems bei der Ablage der Akten der Einwohnergemeinde wurde am 30. Mai 2011 vorgeschlagen, die ca. 15 Schachteln mit den Wahl- und Abstimmungsunterlagen vom 13. Februar 2011 zu entsorgen. Auf diesen Vorschlag hin konsultierte der verantwortliche Mitarbeiter die Homepage der Staatskanzlei und stiess dabei auf folgende Medienmitteilung: “Der Regierungsrat des Kantons Bern hat die definitiven Ergebnisse der kantonalen Abstimmungen und der Ständeratswahl vom 13. Februar 2011 zur Kenntnis genommen und erwahrt. Eine Korrektur hat sich bei der Stichfrage zum Gesetz über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge ergeben. Ein Gesuch von Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, das eine Nachzählung der Stimmzettel im Abstimmungskreis Thun forderte, hat der Regierungsrat abgewiesen10.“ Gestützt darauf nahm der Mitarbeiter an, dass die Resultate rechtskräftig seien und die Unterlagen vernichtet werden könnten. Die Stadt Langenthal habe das Regierungsstatthalteramt Oberaargau bereits am 1. Juli 2011, kurz nachdem das Fehlen der Stimmzettel innerhalb der Stadtverwaltung erkannt worden sei, informiert. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 wurde vom Regierungsstatthalteramt am 7. März 2011 weitergeleitet und traf am 11. März 2011 beim Präsidialamt der Stadt Langenthal ein. Der Leiter der Einwohnerdienste, der für die Aufbewahrung der Archivschachteln zuständig war, erhielt keine Kenntnis des Schreibens. Neu werden nun die aufbewahrten Archivschachteln in einem schriftlichen Inventar erfasst. Vor dem Entscheid über die Vernichtung von Archivschachteln ist künftig das Einverständnis des Stadtschreibers oder dessen Stellvertreterin einzuholen. Die Stadt Langenthal schlägt der Staatskanzlei zudem vor, auf ihrer Homepage eine Liste der in Rechtskraft erwachsenen Wahl- und Abstimmungsresultate zu publizieren. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Medienmitteilung auf der Homepage der Staatskanzlei massgeblich zur Vernichtung der Unterlagen beigetragen habe. 5.13.3 Gemeinde Niederönz Die Stimm- und Wahlzettel werden in verschlossenen Urnen im Schrank des Abstimmungslokales aufbewahrt. Im Rahmen der Vorbereitungen für die nächste Wahl oder Abstimmung werden die Unterlagen entsorgt. Der Gemeindeschreiber hat aus der Presse vom Erwahrungsbeschluss Kenntnis erhalten. Zudem hat er dem Presseartikel entnommen, dass der Regierungsrat die Beschwerden abgewiesen habe. Daraus habe er geschlossen, dass das Abstimmungsergebnis rechtskräftig sei11. Daraufhin wurden die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 am 2. oder 3. März 2011 anlässlich der Vorbereitungen für die Ständeratsstichwahl vom 6. März 2011 entsorgt. Der Gemeindeschreiber hat am 7. März 2011, also erst nach der Vernichtung der Unterlagen, vom Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 und damit von den Beschwerden erfahren. Das Schreiben ging am 10. März 2011 per Post ein. Künftig wird das Wahl- und Abstimmungsmaterial nicht mehr in den Urnen, sondern in versiegelten Schachteln aufbewahrt. Diese werden im Archiv eingelagert, damit verhindert werden kann, dass das Material der letzten Abstimmung bei kurz aufeinander folgenden Abstimmungen vernichtet wird. In Zukunft wird mit der Vernichtung bis zum unbenutzten Ablauf der Beschwerdefrist gewartet. 5.13.4 Gemeinde Rütschelen Die Stimm- und Wahlzettel werden jeweils in versiegelten Couverts im Archiv aufbewahrt. Nach der Ausmittlung der nächsten Abstimmung werden die Unterlagen entsorgt. Im Juni 2011 habe 10 11

Vgl. Ziff. 5.9.3 FN 8. Vgl. Ziff. 5.9.3 FN 8. 16

die zuständige Mitarbeiterin aus unerklärbaren Gründen entschieden, die Abstimmungsunterlagen vom 13. Februar 2011 zu vernichten. Die Gemeinde Rütschelen hatte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den hängigen Beschwerden. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ging am 10. März 2011 bei der Gemeinde ein. In Zukunft wird eine Kopie des Schreibens über den Eingang von Beschwerden an die betroffenen Abstimmungs- oder Wahlunterlagen geheftet. Vor der Vernichtung der Unterlagen wird die verantwortliche Mitarbeiterin oder der verantwortliche Mitarbeiter mit der Gemeindeschreiberin Rücksprache nehmen. 5.13.5 Gemeinde Thunstetten Die Stimm- und Wahlzettel werden versiegelt in einem separaten Abteil im Archiv der Gemeindeverwaltung aufbewahrt und beim Archivieren der Unterlagen der darauf folgenden Abstimmung vom Gemeindeschreiber geschreddert. Die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 wurden infolge einer Verwechslung nach der Abstimmung vom 15. Mai 2011 vernichtet. Die dafür verantwortliche Person ging davon aus, dass die Beschwerden erledigt seien. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ging am 10. März 2011 auf der Gemeindeverwaltung ein. Künftig werden alle Stimm- und Wahlzettel mindestens für ein Jahr im Archiv aufbewahrt. Die Gemeinde Thunstetten wünscht sich vom Kanton eine regelmässigere Information über den Stand der Beschwerdeverfahren. 5.14 Regierungsstatthalteramt Seeland Das Regierungsstatthalteramt Seeland nimmt seine Aufsichtspflichten unter anderem im Rahmen der periodischen Kontrollbesuche zur Überprüfung der Gemeinden wahr. Es regt an, dass die Staatskanzlei das Regierungsstatthalteramt zuhanden der Gemeinden regelmässig über eingegangene Wahl- und Abstimmungsbeschwerden informieren solle. Zusätzlich könne im RRB über die Anordnung einer Abstimmung oder Wahl darauf hingewiesen werden, dass die Stimmund Wahlzettel des vorgängigen Urnengangs vernichtet werden könnten. Das Regierungsstatthalteramt Seeland informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 4. August 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. 5.15 Zum Regierungsstatthalteramt Seeland gehörige Gemeinden 5.15.1 Gemeinde Müntschemier Die versiegelten Couverts mit den Stimmzetteln werden im Schalterschrank der Gemeindeschreiberei aufbewahrt und jeweils bei der nächsten Abstimmung vernichtet. In der Annahme, die Sache mit der Abstimmung über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge habe sich längst erledigt, entschloss sich eine Verwaltungsangestellte nach der Abstimmung vom 15. Mai 2011, die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 zu vernichten. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ist der Gemeinde Müntschemier am 9. März 2011 per E-Mail des Regierungsstatthalteramtes zugegangen, wurde von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Gemeindschreiberei gelesen und im Team besprochen. Um solche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden, hat die Gemeinde Müntschemier beschlossen, alle Stimmzettel und -ausweise während zwei Jahren im Archiv aufzubewahren. 5.15.2 Gemeinde Oberwil bei Büren Der Gemeindeschreiber bewahrte das Stimmmaterial wie immer im Gemeindearchiv auf, jedoch an einem anderen Ort als üblich. Deshalb fand er das Material zuerst nicht wieder und meldete es bei der Staatskanzlei als nicht auffindbar. Das Wiederauffinden der Stimmzettel kommunizierte der Gemeindeschreiber dem Regierungsstatthalter und dem Staatsschreiber am 2. September 2011 telefonisch. 5.16 Regierungsstatthalteramt Jura bernois Das Regierungsstatthalteramt Jura bernois nimmt seine Aufsichtspflicht durch verschiedene Massnahmen wahr. Es steht für Fragen der Gemeinden zur Verfügung, interveniert auf Anzeige von Bürgern bei Unregemässigkeiten, organisiert Informationssitzungen, gibt schriftlich Auskünfte, führt alle vier Jahre Inspektionen durch und ist Beschwerdeinstanz bei Gemeindeabstimmungen und -wahlen. Nach jeder Wahl und Abstimmung informiert sich das Regierungsstatthalteramt über den Eingang allfälliger Rechtsmittel und leitet die Information an die Gemeinden 17

weiter. Künftig wird man bei den Inspektionen vermehrt Augenmerk auf die Aufbewahrung der Wahlunterlagen richten. Das Regierungsstatthaleramt Jura bernois stellt fest, dass in seinem Verwaltungskreis in verhältnismässig mehr Gemeinden die Unterlagen vernichtet wurden als in den übrigen neun Verwaltungskreisen. Die Ausübung der Aufsichtspflicht müsse deshalb ernsthaft überprüft werden. Von der Staatskanzlei wünscht sich das Regierungsstatthaleramt Jura bernois nach jeder Wahl oder Abstimmung eine Meldung darüber, ob die Ergebnisse definitiv sind oder ob Beschwerden eingegangen sind und wenn ja, ob diese rechtskräftig beurteilt sind. So könne die entsprechende Meldung an die Gemeinden erfolgen. Das Regierungsstatthalteramt Berner Jura informierte die Staatskanzlei auf deren Schreiben vom 20. Juli 2011 hin mit Datum vom 10. August 2011 über das Fehlen der Stimmzettel in den nachfolgend aufgeführten Gemeinden. 5.17 Zum Regierungsstatthalteramt Jura bernois gehörige Gemeinden 5.17.1 Gemeinde Cormoret Die Abstimmungs- und Wahlunterlagen werden üblicherweise in versiegelten Couverts bis zur Erwahrung der Resultate in einem Schrank der Gemeindeverwaltung aufbewahrt. Ende Februar 2011 hat der Gemeindeschreiber die Unterlagen versehentlich im Rahmen von Aufräumarbeiten entsorgt. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ging via Regierungsstatthalter am 11. März 2011 bei der Gemeinde Cormoret ein. Künftig werde die Aufbewahrung der Wahl- und Abstimmungsunterlagen noch sorgfältiger gehandhabt. Die Gemeinde Cormoret würde es für nützlich erachten, wenn die Staatskanzlei den Gemeinden die Erwahrung der Resultate zusätzlich zur Publikation im Amtsblatt direkt mitteilen würde. 5.17.2 Gemeinde Courtelary Die Abstimmungsunterlagen werden in Kartons in einem Büroschrank aufbewahrt. Da es dort nur Platz für zwei Kartons hat, werden die Unterlagen jeweils anlässlich der dritten Abstimmung vernichtet. Diese fand im Juni 2011 statt. Um Platz zu schaffen wurden die Unterlagen der letzten beiden Abstimmungen vernichtet. Das Schreiben der Staatskanzlei ist zwischen dem 12. und 15. März 2011 eingegangen. Leider wurde an den Karton mit den Unterlagen keine Kopie des Schreibens der Staatskanzlei geheftet. Künftig wird dies in analogen Fällen immer getan werden. 5.17.3 Gemeinde La Heutte Die Wahl- und Abstimmungsunterlagen werden in einem Tresor aufbewahrt und üblicherweise einmal pro Jahr zur Vernichtung freigegeben. Die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 wurden im Rahmen von Aufräum- und Umgestaltungsaktionen des Büros vernichtet. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ging am 7. März 2011 bei der Gemeinde ein. Künftig würden die Unterlagen aufbewahrt, bis sicher sei, dass die Ergebnisse definitiv seien und keine Beschwerden vorlägen. Idealerweise würde das Regierungsstatthalteramt die Gemeinden direkt über die Erwahrung der Ergebnisse informieren. 5.17.4 Gemeinde Loveresse Die Abstimmungs- und Wahlunterlagen werden in Couverts bis zum nächsten Urnengang aufbewahrt, damit also ungefähr drei Monate. Leider wurden die Couverts mit den Unterlagen der Abstimmung des 13. Februars 2011 fälschlicherweise zusammen mit dem Altpapier entsorgt. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 ging am 15. März 2011 bei der Gemeinde Loveresse ein, die Abstimmungsunterlagen wurden zwei Tage vorher vernichtet. Künftig werde die Gemeindeverwaltung beim Vorliegen von Beschwerden vorsichtiger sein und die Unterlagen so lange aufbewahren, bis die Beschwerdeverfahren rechtskräftig abgeschlossen seien. 5.17.5 Gemeinde Perrefitte Die Wahl- und Abstimmungsunterlagen werden in Couverts in einem verschlossenen Schrank bis am Tag nach der nächsten Abstimmung aufbewahrt. Nach der Abstimmung vom 15. Mai 2011 wurden die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 aus Platzgründen entsorgt. Die Gemeinde war über die hängigen Beschwerden informiert, das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei spätestens am 10. März 2011 bei der Gemeinde Perrefitte eingegangen. Die Unterlagen seien insbesondere deshalb vernichtet worden, da nach der Information vom 4. März 2011 während zwei Monaten keine weitere Meldung mehr eingegangen sei. Die zweite Meldung des Regierungsstatthalteramtes datierend vom 16. Mai 2011 sei zu spät gekommen. 18

5.17.6 Gemeinde Rebévelier Die Abstimmungs- und Wahlunterlagen werden jeweils bis zum nächsten Urnengang aufbewahrt. Die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 wurden anlässlich der nächsten Wahl vernichtet. Über die hängigen Beschwerden sei die Gemeinde informiert gewesen, das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei Mitte März bei der Gemeinde Rebévelier eingetroffen. Künftig werde überprüft werden, ob die Beschwerdefrist unbenützt abgelaufen sei. 5.17.7 Gemeinde Sornetan Die Abstimmungs- und Wahlunterlagen werden versiegelt in einem speziell gesicherten Schrank bis zum nächsten Urnengang aufbewahrt. Die Unterlagen vom 13. Februar 2011 wurden nach Erhalt des Materials für die Abstimmung vom 6. März 2011 vernichtet. Über die hängigen Beschwerden sei die Gemeindeverwaltung informiert gewesen. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei am 14. März 2011 bei der Gemeinde eingegangen. Künftig würden Wahlund Abstimmungsunterlagen länger aufbewahrt werden. 5.17.8 Gemeinde Souboz Die Unterlagen werden jeweils bis zur nächsten Abstimmung versiegelt in der Urne aufbewahrt. Die erst seit dem 1. Januar 2011 im Amt stehende Gemeindeschreiberin hat die Unterlagen der Abstimmung vom 13. Februar 2011 am 4. März 2011 fälschlicherweise und mangels Erfahrung im Rahmen der Vorbereitungen für die Wahl vom 6. März 2011 entsorgt. Nun werde das Material aufbewahrt, bis das Regierungsstatthalteramt die Gemeinde über die Erledigung allfälliger Beschwerden informiert habe. Über die hängigen Beschwerden war die Gemeinde informiert, das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei am 14. März 2011 eingegangen. Spezielle Massnahmen für die Zukunft seien nicht zu treffen. Die schlechte Erfahrung werde reichen, damit künftig die relevanten Vorschriften aufmerksam beachtet würden. 5.17.9 Gemeinde Tramelan Die Abstimmungsunterlagen werden versiegelt in Kartons bis zur Publikation der definitiven Resultate im Amtsblatt resp. bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist aufbewahrt. Die Unterlagen vom 13. Februar 2011 seien versehentlich von einem Auszubildenden, der die Unterlagen von vorangehenden Abstimmungen entsorgen sollte, vernichtet worden. Über die hängigen Beschwerden sei die Gemeinde informiert gewesen, das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei aber nicht auffindbar. Die Gemeinde Tramelan ist der Ansicht, dass die aktuellen Aufbewahrungsmodalitäten genügend seien und findet, dass die Kosten der erneuten Abstimmung keinesfalls den Gemeinden auferlegt werden dürften, die die Abstimmungsunterlagen vernichtet hätten. Vielmehr sei nur in diesen Gemeinden erneut abzustimmen. 5.17.10 Gemeinde Saint-Imier Die Wahl- und Abstimmungsunterlagen werden verpackt und versiegelt bis zur nächsten Wahl aufbewahrt. Im vorliegenden Fall sei mit der Vernichtung gar bis zur Abstimmung vom 15. Mai 2011 gewartet worden. Das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 sei nicht auffindbar. Die Gemeinde habe weder von diesem, noch von den Schreiben des Regierungsstatthalteramtes vom 16. Mai 2011 bzw. demjenigen der Staatskanzlei vom 28. Juni 2011 Kenntnis gehabt. Sie habe eine Kopie angefordert, nachdem sie aus der Presse von den Problemen erfahren habe. Wenn die Gemeinde rechtzeitig vom Brief Kenntnis gehabt hätte, wäre umgehend die Anweisung erlassen worden, die Unterlagen vom 13. Februar 2011 nicht zu entsorgen. Von den Beschwerden habe die Gemeinde Saint-Imier aus dem Kreisschreiben der Staatskanzlei vom 6. Juli 2011 erfahren, welches dem Verantwortlichen nach seinen Ferien am 25. Juli 2011 zugegangen sei. Künftig werde die Gemeinde beim Regierungsstatthalteramt eine Bestätigung der Erwahrung der Ergebnisse anfordern, bevor die Unterlagen vernichtet würden. Die Tatsache, dass die Stimmzettel in 30 Gemeinden vernichtet worden seien, zeige eine gewisse Unsicherheit der Gemeinden hinsichtlich der Aufbewahrung solcher Unterlagen, für die sie nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Die Gemeinde Saint-Imier werde es zudem nicht akzeptieren, wenn die Kosten einer allfälligen erneuten Abstimmung den Gemeinden auferlegt würden.

19

6

Zusammenfassung und Beurteilung der Berichte der Gemeinden 6.1 Zusammenfassung 6.1.1 Aufbewahrungsart Die meisten Gemeinden bewahren die Stimmzettel, wie von Artikel 42 Absatz 3 VPR vorgeschrieben, versiegelt und gesondert verpackt an einem sicheren Ort auf. In den Gemeinden Allmendingen, Limpach, Courtelary, Loveresse und Perrefitte werden die Stimmzettel zwar gesondert verpackt aufbewahrt, es werden jedoch keine Angaben zur Versiegelung gemacht. Die Gemeinde Sornetan gibt zwar an, die Unterlagen zu versiegeln, es geht jedoch aus ihrem Bericht nicht hervor, ob sie sie auch gesondert verpackt. Die Gemeinden Zweisimmen, La Heutte und Rebévelier machen weder zur Versiegelung, noch zur Verpackung Angaben. 6.1.2 Aufbewahrungsfrist Die überwiegende Mehrheit der Gemeinden gibt an, die Stimmzettel jeweils mindestens bis zur nächsten Abstimmung aufzubewahren. Die Gemeinden Schwadernau, Limpach und La Heutte entsorgen die Stimmzettel halbjährlich oder jährlich. Die Gemeinden Zweisimmen, Ringgenberg, Attiswil und Cormoret geben an, die Zettel bis mindestens zur Erwahrung aufzubewahren. Einzig die Gemeinden Alchenstorf und Willadingen, die Stadt Langenthal sowie die Gemeinde Tramelan sagen in ihren Berichten aus, mit der Vernichtung der Stimmzettel – wie von Artikel 42 Absatz 3 VPR verlangt – bis zum unbenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. der rechtskräftigen Beurteilung allfälliger Beschwerden zu warten. 6.1.3 Gründe für die Vernichtung In allen Gemeinden haben individuelle Fehler des Gemeindeschreibers resp. der Gemeindeschreiberin oder von Mitarbeitenden, teils in Kombination mit organisatorischen Mängeln, zur Vernichtung der Stimmzettel geführt. Die Gemeinden führen wiederholt als Grund für die Vernichtung an, die verantwortliche Person habe nicht an die Beschwerden gedacht oder angenommen, sie seien bereits erledigt. Ebenfalls mehrmals wird angeführt, die Stimmzettel seien versehentlich zu den falschen Unterlagen gelegt oder nicht getrennt von den übrigen Unterlagen aufbewahrt worden sowie die Couverts mit den Unterlagen seien nicht genügend gekennzeichnet gewesen. Die Gemeinden Riggisberg und die Stadt Langenthal führen an, dass auch eine Pressemitteilung des Kantons Bern zur versehentlichen Vernichtung beigetragen habe. Gemäss der Stadt Langenthal stützte sich ihr Mitarbeiter bei der Entsorgung auf eine Medienmitteilung der Staatskanzlei, die er am 30. Mai 2011 auf der Homepage der Staatskanzlei eingesehen habe. Dieser habe er entnommen, dass der Regierungsrat die definitiven Ergebnisse der Abstimmung vom 13. Februar 2011 erwahrt habe und sich eine Korrektur bei der Stichfrage zum Gesetz über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge ergeben habe. In dieser Mitteilung habe weiter gestanden, dass ein Gesuch von Stimmbürger/innen betreffend Nachzählung der Stimmzettel im Stimmkreis Thun vom Regierungsrat abgewiesen worden sei. Die Gemeinde Niederönz weist auf einen Presseartikel hin, dem entnommen worden sei, dass der Regierungsrat die Beschwerden abgewiesen habe12. Gestützt darauf seien die Stimmzettel entsorgt worden. 6.1.4 Kenntnisstand über die hängigen Beschwerden Einzig die Gemeinde Saint-Imier gibt an, weder über die Beschwerden informiert gewesen zu sein, noch die Informationsschreiben der Staatskanzlei und des Regierungsstatthalteramtes erhalten zu haben. Erst am 6. Juli bzw. am 25. Juli 2011 habe die Gemeinde von den Beschwerden erfahren. Die Gemeinde La Heutte findet zwar das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 nicht mehr, ist aber über die Beschwerden informiert gewesen. Alle anderen Gemeinden haben das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 spätestens bis zum 15. März 2011 erhalten und geben teils an, von den Beschwerden bereits vor Erhalt des Schreibens gewusst zu haben. 6.1.5 • • 12

Massnahmen der Gemeinden zur Verhinderung solcher Vorkommnisse

Organisatorische Verbesserungen (Verbesserung Ablagesystem, bessere Kennzeichnung der Unterlagen, Verbesserung interner Checklisten, konsequentes „Vieraugenprinzip“); Vernichtungsprotokoll mit Zweifachunterschrift; vgl. Ziff. 5.9.3. FN 8. 20

• • • • • • •

Generelle Verlängerung der Aufbewahrungsfrist auf 1 bis 2 Jahre; Festlegung klarer Zuständigkeiten für die Entsorgung; Beachten der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist; Vor Vernichtung Rücksprache mit Staatskanzlei oder Regierungsstatthalteramt. 6.1.6 Empfehlungen der Gemeinden Wichtige Mitteilungen wie solche der Staatskanzlei vom 4. März 2011 immer auch per Briefpost; Publikation der in Rechtskraft erwachsenen Wahl- und Abstimmungsergebnisse auf der Homepage der Staatskanzlei; Regelmässigere Information durch das Regierungsstatthalteramt oder die Staatskanzlei über Erwahrung und Beschwerdeverfahren.

6.2 Beurteilung der Berichte der Gemeinden durch die Staatskanzlei Vorab ist festzuhalten, dass in keiner der Gemeinden die Stimmzettel absichtlich vernichtet wurden. Überall haben Fehler von Einzelpersonen, teils in Kombination mit organisatorischen Mängeln, zur Vernichtung der Stimmzettel geführt. Und dies trotz der Tatsache, dass gemäss eigenen Angaben sämtliche Gemeinden – von einer Ausnahme abgesehen – Kenntnis von den eingegangenen Beschwerden hatten. Bezüglich der Aufbewahrungsfrist ist auffallend, dass mehrere Gemeinden davon auszugehen scheinen, die „Erwahrung“ der Ergebnisse einer Abstimmung oder Wahl sei gleichbedeutend mit „Rechtskraft“ der Ergebnisse. Mehrere Gemeinden sagen aus, die Unterlagen bis zur Erwahrung aufzubewahren (vgl. Ziff. 6.1.3). Die Gemeinden Alchenstorf und Willadingen geben an, bei Eingang einer Beschwerde werde das Material „bis zur endgültigen Erwahrung aufbewahrt“ und die Gemeinde Riggisberg weist darauf hin, eine Pressemitteilung des Kantons Bern, wonach die Ergebnisse der Abstimmung vom 13. Februar 2011 „erwahrt seien“ habe zur Vernichtung beigetragen13. Mehrere Gemeinden geben zudem an, künftig die Unterlagen bis nach der Erwahrung aufbewahren zu wollen. Die Verwechslung der Begriffe „Erwahrung“ und „Rechtskraft“ hat in einigen Fällen denn auch dazu beigetragen, dass die Abstimmungsunterlagen zu früh entsorgt wurden. Mit Erwahrung ist der entsprechende Beschluss des Regierungsrates gemeint, der vorliegendenfalls am 23. Februar 2011 erfolgte. Mit diesem Beschluss werden die Abstimmungs- und Wahlergebnisse amtlich festgestellt – was aber nicht bedeutet, dass die Ergebnisse und der Erwahrungsbeschluss bereits rechtskräftig sind. Auch nach Publikation des Erwahrungsbeschlusses können noch Abstimmungs- und Wahlbeschwerden eingehen und auch der Erwahrungsbeschluss selbst kann angefochten werden. Die Stimmzettel sind bis nach der rechtskräftigen Erledigung allfälliger Beschwerden aufzubewahren (Art. 42 Abs. 3 VPR). Die Stimmrechts-, Abstimmungs- und Wahlbeschwerden sind alle innert drei Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes, spätestens aber drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Abstimmung oder Wahl beim bernischen Verwaltungsgericht einzureichen (Art. 89 Abs. 2 GPR). Der Erwahrungsbeschluss selbst kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des Beschlusses beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 100 Abs. 1 BGG). Sowohl für die Veröffentlichung der Ergebnisse, als auch für die Eröffnung des Erwahrungsbeschlusses ist auf die Veröffentlichung der definitiven Ergebnisse im Amtsblatt abzustellen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. Juni 2011 Erw. 1.3.). Die Rechtskraft der Ergebnisse tritt demnach frühestens drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im Amtsblatt ein, diejenige des Erwahrungsbeschlusses sogar erst 30 Tage nach der Veröffentlichung. Den Postweg einberechnend, können sich die Gemeinden frühestens 35 Tage nach Eröffnung im Amtsblatt beim Bundesgericht über allfällige Beschwerden informieren, beim Verwaltungsgericht der Beschwerdefrist entsprechend früher. Die Abstimmungs- und Wahlunterlagen sind damit mindestens bis 35 Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im Amtsblatt aufzubewahren, bei Eingang von Beschwerden bis zum rechtskräftigen Abschluss der Be13

Vgl. Ziff. 5.9.3. FN 8. 21

schwerdeverfahren. Auch über den Abschluss der Beschwerdeverfahren müssten sich die Gemeinden selbst informieren. Zur Unklarheit betreffend der Aufbewahrungsfrist beigetragen haben könnte zudem, dass die Ausweiskarten und Antwortcouverts im Gegensatz zu den Stimmzetteln gemäss Artikel 41 VPR „bis zur Erwahrung des Ergebnisses“ aufzubewahren sind. Auch hier muss aber der Eintritt der Rechtskraft der Erwahrung resp. die Behandlung allfälliger Beschwerden gegen den Erwahrungsbeschluss abgewartet werden, nicht aber die rechtskräftige Beurteilung allfälliger Beschwerden nach den Artikeln 86 bis 88 GPR. Ebenfalls zur Verunsicherung beigetragen haben könnte, dass der Regierungsrat gemäss der bis 31.12.2008 gültigen Fassung von Artikel 18 Absatz 2 und 3 GPR die Ergebnisse einer kantonalen Abstimmung nur erwahrte, sofern dagegen keine Beschwerde erhoben worden war. Andernfalls erwahrte der Grosse Rat die Ergebnisse im Beschwerdeentscheid (vgl. GS 1980 S. 65). In der zurzeit laufenden Totalrevision der Gesetzgebung über die politischen Rechte ist vorgesehen, wieder auf die Bestimmung zurückzukommen, wonach der Regierungsrat das Ergebnis einer Abstimmung oder Wahl erst amtlich feststellt, sobald feststeht, dass keine Beschwerden eingegangen sind oder sobald über diese entschieden ist (vgl. Art. 33 Entwurf des Gesetzes über die politischen Rechte [PRG] und Vortrag des Regierungsrat an den Grossen Rat zur Totalrevision des PRG vom 31. August 2011, S. 15, Ziff. 2.5.3.) Die Gesetzesrevision wird voraussichtlich im Jahre 2014 in Kraft treten. Damit wird die Regelung auch derjenigen im Bundesrecht entsprechen. Gemäss Artikel 15 BPR14 erwahrt der Bundesrat das Abstimmungsergebnis, sobald feststeht, dass beim Bundesgericht keine Abstimmungsbeschwerden eingegangen sind oder sobald über diese entschieden worden ist. Es fällt zudem auf, dass sowohl die Stadt Langenthal, als auch die Gemeinde Niederönz darauf hinweisen, eine Medienmitteilung der Staatskanzlei bzw. ein Presseartikel, wonach der Regierungsrat ein Gesuch resp. eine Beschwerde abgewiesen habe, habe zur Vernichtung beigetragen15. Dies lässt darauf schliessen, dass ev. immer noch von einer Zuständigkeit des Regierungsrates für Abstimmungs- und Wahlbeschwerden in kantonalen Angelegenheiten ausgegangen wird. Der Regierungsrat war denn auch bis zur Revision des VRPG vom 10. April 2008 für Abstimmungs- und Wahlbeschwerden in kantonalen Angelegenheiten zuständig, wenn Vorbereitungshandlungen, nicht aber die Ergebnisse, angefochten wurden. Zur Umsetzung der Rechtsweggarantie in Stimmrechtssachen wurde im Rahmen der Revision auch Artikel 93 GPR dahingehend geändert, dass das Verwaltungsgericht neu als einzige Instanz im Kanton Abstimmungs- und Wahlbeschwerden sowie Stimmrechtsbeschwerden in kantonalen Angelegenheiten beurteilt (vgl. Vortrag des Regierungsrates vom 12. Dezember 2007 an den Grossen Rat betreffend die Revision des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG], Tagblatt des Grossen Rates, 2008, Beilage 11, S. 20 f.). Beim von Niederönz und Langenthal erwähnten Entscheid des Regierungsrates ging es um die Behandlung eines Gesuches um Nachprüfung der Stimm- und Wahlzettel im Abstimmungskreis Thun gemäss Artikel 83 GPR. Die Frist für ein solches Gesuch beträgt drei Tage seit einer Abstimmung oder Wahl. Daraus konnte nicht geschlossen werden, dass keine Rechtsmittel gegen den Erwahrungsbeschluss oder gegen das Ergebnis der Abstimmung erhoben würden. Schliesslich kann festgehalten werden, dass die Staatskanzlei ihr Informationsschreiben über die Beschwerden vom 4. März 2011 bereits vor Ablauf der Beschwerdefristen an die Regierungsstatthalterämter versandte und damit alle Beteiligten rechtzeitig auf die hängigen Beschwerden aufmerksam gemacht wurden. Dies obwohl die Staatskanzlei zu dieser Information gesetzlich nicht verpflichtet wäre. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb das Schreiben von einigen Regierungsstatthalterämtern nicht unverzüglich weitergeleitet wurde und deshalb bei den Gemeinden sehr spät, in gewissen Fällen sogar erst am 15. März 2011, eintraf. 6.3

Strafbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden nach Artikel 96 Absatz 1 GPR Die Zuständigkeit für die Beurteilung der Strafbarkeit der Gemeindemitarbeitenden liegt bei der Strafgerichtsbarkeit. Gegenstand dieses Berichts kann deshalb nur eine vorläufige Einschätzung sein, ob eine Strafbarkeit gemäss Artikel 96 Absatz 1 GPR grundsätzlich überhaupt in Frage 14 15

Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte; SR 161.1 Vgl. Ziff. 5.9.3. FN 8. 22

kommen könnte. Gestützt auf diese vorläufige Einschätzung wird der Regierungsrat darüber zu entscheiden haben, ob er gegen die fehlbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden Anzeige erheben will. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gemeinden sowie Mitglieder von Gemeindebehörden und von Stimmausschüssen, die vorsätzlich oder grobfahrlässig Amtspflichten verletzen, welche ihnen gemäss GPR oder den zugehörigen Ausführungsbestimmungen obliegen, werden mit Busse bestraft (Art. 96 Abs. 1 GPR). Die Aufbewahrungspflicht gemäss Artikel 42 Absatz 3 VPR ist eine Amtspflicht. Es handelt sich um einen Übertretungsstraftatbestand. Die Regeln des allgemeinen Teils des schweizerischen Strafgesetzbuches sind mit gewissen Ausnahmen anwendbar (vgl. Art. 103 StGB16). Die Beurteilung des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit richtet sich nach Artikel 12 StGB. Vorsätzlich begeht eine Tat, wer sie mit Wissen und Willen in Kauf nimmt. Es handelt bereits vorsätzlich, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Fahrlässig begeht eine Tat, wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt ausser acht lässt, die jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen, 2008, RN 23). In allen Gemeinden wurden die Stimmzettel infolge eines Versehens oder Irrtums von Einzelpersonen, kombiniert mit organisatorischen Mängeln, vernichtet. Den betroffenen Personen in den Gemeinden kann nicht vorgeworfen werden, die Stimmzettel absichtlich vernichtet und damit eine vorsätzliche Verletzung der Amtspflichten begangen zu haben. In den meisten Fällen kann dagegen eine fahrlässige Verletzung der Amtspflichten durch die zuständigen Mitarbeitenden nicht ausgeschlossen werden. Die ordnungsgemässe Durchführung von Abstimmungen und Wahlen, wozu auch die Aufbewahrung des Stimmmaterials gehört, ist eine grundlegende Voraussetzung für das Funktionieren des direktdemokratischen Systems. Es ist deshalb an die Sorgfaltspflicht ein hoher Massstab anzulegen. Von den für die Vernichtung verantwortlichen Mitarbeitenden konnte in der entsprechenden Situation erwartet werden, dass sie die Stimmzettel so ablegen, dass eine versehentliche Vernichtung ausgeschlossen ist. Sie hätten sich vor der Entsorgung noch einmal versichern müssen, ob die Ergebnisse der Abstimmung auch wirklich rechtskräftig sind. Einzig die Gemeinde Langenthal gibt an, der zuständige Mitarbeiter habe sich vor der Entsorgung der Stimmzettel nochmals über die Rechtslage zu informieren versucht. Die Vernichtung der Stimmzettel in Langenthal beruhte auf einer Fehlinterpretation der Informationen auf der Homepage der Staatskanzlei. Diese Informationen hätten jedoch nicht als Widerruf des Schreibens der Staatskanzlei vom 4. März 2011 interpretiert werden dürfen. Die Fehlinterpretation wäre bei pflichtgemässer Vorsicht zu vermeiden gewesen. Die Stadt Langenthal hätte sich durch eine einfache telefonische Rückfrage über den korrekten Sachverhalt informieren können. Ob die für die Vernichtung der Stimmzettel in den Gemeinden verantwortlichen Personen sich eine grobfahrlässige Amtspflichtverletzung zu Schulden haben kommen lassen, müsste in jedem Einzelfall näher geprüft werden. Eine solche Prüfung kann – wie bereits vorgängig erwähnt – nicht im Rahmen dieser Berichterstattung erfolgen, sondern müsste von den Strafjustizbehörden vorgenommen werden. Zudem geht es aus Sicht der Staatskanzlei bei dieser Untersuchung in erster Linie darum, künftiges Fehlverhalten zu vermeiden. Im Vordergrund muss die Verbesserung der Abläufe in den Gemeinden stehen. 7

Zusammenfassung und Beurteilung der Berichte der Regierungsstatthalterämter 7.1 Zusammenfassung 7.1.1 Aufsichtspflicht Die meisten Regierungsstatthalterämter geben an, die Aufsichtspflichten gemäss Artikel 69 Absatz 3 GPR im Rahmen der periodischen Kontrollbesuche wahrzunehmen und weisen zudem darauf hin, dass bei diesen die Organisation der Abstimmungen und Wahlen geprüft oder gar ausdrücklich auf die Aufbewahrungspflicht gemäss Artikel 42 Absatz 3 VPR hingewiesen werde. 16

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937; SR 311.0 23

Ebenfalls geben die meisten Regierungsstatthalterämter an, die Gemeinden mittels schriftlicher oder mündlicher Auskünfte auf die einzelnen Urnengänge vorzubereiten. Einige Regierungsstatthalterämter organisieren gar die Verpackung des Abstimmungsmaterials selbst Ein Regierungsstatthalteramt gibt an, sich nach jeder Wahl oder Abstimmung über den Eingang allfälliger Rechtsmittel zu informieren und diese Information an die Gemeinden weiterzuleiten. 7.1.2 Massnahmen für die Zukunft Folgende Massnahmen werden von den Regierungsstatthalterämtern zur künftigen Vermeidung von Vorkommnissen wie solchen nach der Abstimmung vom 13. Februar 2011 vorgeschlagen: • Versand von wichtigen Informationen wie des Schreibens der Staatskanzlei vom 4. März 2011 nicht nur per E-Mail, sondern immer auch per Briefpost; • Noch intensivere Thematisierung von Abstimmungen und Wahlen z.B. an Weiterbildungsveranstaltungen und expliziter Hinweis auf Artikel 42 Absatz 3 VPR vor jedem Urnengang und/oder an jedem Kontrollbesuch; • Forderung einer Meldung der Gemeinden über die getroffenen organisatorischen Massnahmen und Überprüfung dieser Massnahmen. 7.1.3 Anregungen und Bemerkungen Die Regierungsstatthalterämter geben an die Staatskanzlei, den Regierungsrat und das Amt für Gemeinden und Raumordnung folgende Empfehlungen ab: • Nach jeder Wahl bzw. Abstimmung Mitteilung der Staatskanzlei an die Regierungsstatthalterämter über die Erwahrung, den Eingang von Beschwerden und deren rechtskräftige Beurteilung. Gestützt darauf können die Regierungsstatthalterämter den Gemeinden die entsprechende Mitteilung betreffend Aufbewahrung resp. Vernichtung der Unterlagen machen; • Anpassung der kantonalen Checkliste für Kontrollbesuche in den Gemeinden: Aus einer der Fragen könne fälschlicherweise abgeleitet werden, dass die Stimmzettel nach der Erwahrung der Resultate vernichtet werden könnten und nicht noch überprüft werden müsse, ob Beschwerden hängig sind; • Publikation einer Liste der Wahl- und Abstimmungsergebnisse, die in Rechtskraft erwachsen sind, auf der Homepage der Staatskanzlei; • Kodifizierung der Bestimmungen von GPR und VPR sowie des DPR in einem einzigen Erlass; • Aufnahme einer Bestimmung im RRB über die Anordnung einer Abstimmung oder Wahl, die darauf hinweist, dass die Stimm- und Wahlzettel des vorgängigen Urnengangs vernichtet werden können. 7.2 Beurteilung durch die Staatskanzlei Hinsichtlich der Aufsichtspflicht ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nur von Relevanz, ob sie durch die Regierungsstatthalter dadurch verletzt wurde, dass sie die Gemeinden nicht genügend klar auf die Aufbewahrungspflicht gemäss Artikel 42 Absatz 3 VPR hingewiesen haben und deshalb für die Vernichtung der Stimmzettel mitverantwortlich gemacht werden können. Entscheidend ist dabei, dass sich Artikel 42 Absatz 3 VPR – wie bereits unter Ziff. 1.2 erwähnt – an die Gemeinden richtet und von diesen direkt anzuwenden ist. Die Regierungsstatthalterämter müssen die Gemeinden nicht vor jeder Wahl oder Abstimmung darauf aufmerksam machen. Es reicht aus, wenn die Regierungsstattalterämter die Gemeinden periodisch auf die massgeblichen Rechtsgrundlagen und die daraus resultierenden Pflichten hinweisen. Sämtliche Regierungsstatthalterämter geben an, dies entweder im Rahmen der periodischen Kontrollbesuche oder gar direkt vor anstehenden Wahlen oder Abstimmungen zu tun. Es bestehen anhand der Berichte keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre Aufsichtspflicht in Bezug auf die hier zu beurteilende Frage verletzt hätten. Im Regierungsstatthalteramt Emmental bestehen Missverständnisse bezüglich der Begriffe „Erwahrung“ und „Rechtskraft“ der Ergebnisse von Abstimmungen. Das Regierungsstatthalteramt will die Gemeinden künftig auf „die sichere Aufbewahrung des Abstimmungsmaterials bis zur Erwahrung hinweisen“ und beantragt bei der Staatskanzlei, dass diese „in Zukunft die Regie24

rungsstatthalter nach Erwahrung der Abstimmungs- und Wahlergebnisse schriftlich informiere und darauf hinweise, dass die Akten nun vernichtet werden könnten“. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis des Regierungsstatthalteramtes Oberaargau auf eine missverständliche Frage in der kantonalen Checkliste zu den Gemeindeinspektionen von Bedeutung (vgl. dazu auch Ziff. 5.12). Das Regierungsstatthalteramt wird beim Amt für Gemeinden und Raumordnung beantragen, die Checkliste entsprechend anzupassen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011 von einigen Regierungsstatthalterämtern nicht unverzüglich weitergeleitet wurde und deshalb bei den Gemeinden spät, in gewissen Fällen sogar erst am 15. März 2011, eingetroffen ist. 8 Haftung Falls der Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2011 betreffend das Revisionsgesuch unangefochten bleiben und das Bundesgericht die hängigen Beschwerden ebenfalls abweisen sollte, wäre die Abstimmung vom 13. Februar 2011 definitiv ungültig und die vom Regierungsrat angeordnete Wiederholung der Abstimmung müsste durchgeführt werden. Die von Kanton, Gemeinden sowie von an der Abstimmung beteiligten Dritten (z.B. Abstimmungskomitees) für die Abstimmung vom 13. Februar 2011 getätigten Aufwendungen werden dadurch bedeutungslos. Für die Wiederholung der Abstimmung werden erneut Kosten anfallen. Dem Kanton, den Gemeinden und allfälligen Dritten entsteht bei einer Wiederholung der Abstimmung ein Schaden. Gegenstand des vorliegenden Untersuchungsberichtes bildet jedoch nur die Prüfung der haftungsrechtlichen Ansprüche des Kantons gegenüber den fehlbaren Gemeinden und nicht die Ansprüche der Gemeinden oder Dritter. Der Kanton und andere Träger öffentlicher Aufgaben haften für den Schaden, den ihre Organe bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeiten widerrechtlich verursachen (Art. 71 Abs. 1 KV17) Soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht, unterliegen die Gemeinden den gleichen Haftungsbestimmungen wie der Kanton (Art. 111 Abs. 2 KV). Gemäss Artikel 84 Absatz 1 GG18 gelten für die Gemeindehaftung sinngemäss die für den Kanton geltenden Haftungsbestimmungen. Diese befinden sich in Artikel 100 ff. PG19. Gemäss Artikel 100 Absatz 1 PG müssen die folgenden Voraussetzungen gegeben sein, damit eine Haftung der Gemeinde vorliegt: dem oder der Dritten muss ein Schaden entstanden sein, das Verhalten der Organe oder des Gemeindepersonals, das den Schaden verursacht hat, muss widerrechtlich sein, zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Schaden muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen, und der Schaden muss im Rahmen einer amtlichen Tätigkeit verursacht worden sein (vgl. dazu JÜRG W ICHTERMANN, Kommentar zum Gemeindegesetz des Kantons Bern, Bern 1999 [nachfolgend: WICHTERMANN GG], Art. 84 Rz. 14). Um eine Haftung zu begründen, genügt auch eine nebenamtliche Tätigkeit von Gemeindemitarbeitenden (vgl. JÜRG W ICHTERMANN in: Markus Müller/Reto Feller [Hrsg.], Bernisches Verwaltungsrecht, Bern 2008 [nachfolgend: W ICHTERMANN Bernisches Verwaltungsrecht], S. 112, Rz. 50). Durch die Wiederholung der kantonalen Abstimmung vom 13. Februar 2011 werden für den Kanton und die Gemeinden Aufwendungen entstehen, die ohne die Vernichtung der Stimmzettel nicht entstanden wären. Es wird damit ein vermögensrechtlicher Schaden eintreten. Das verantwortliche Gemeindepersonal hat durch die Vernichtung der Stimmzettel Artikel 42 Absatz 3 VPR verletzt. Ob die schädigende Handlung auch widerrechtlich im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Staatshaftung ist, ist jedoch fraglich. Das Bundesgericht verlangt für die Bejahung der Widerrechtlichkeit, dass ein Verstoss gegen ein Gebot oder Verbot der Rechtsordnung vorliegt, welches dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dient (WALTER HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 2248). Artikel 42 Absatz 3 VPR dient nicht dem Schutz des Vermögens des Kantons. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vor, wenn das Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen und daher der Eintritt dieses Erfolges durch die konkrete Tatsache allgemein als 17

Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993; BSG 101.1 Gemeindegesetz vom 16. März 1998; BSG 170.1 19 Personalgesetz vom 16. September 2004; BSG 153.01 18

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begünstigt erscheint (W ICHTERMANN GG, Art. 84 Rz., 19). Durch Artikel 42 Absatz 3 VPR soll gewährleistet werden, dass das Resultat von Abstimmungen und Wahlen im Rahmen allfälliger Beschwerdeverfahren überprüft und die Stimmzettel nachgezählt werden können. Dies wird verunmöglicht, wenn die Stimmzettel zu früh entsorgt werden. Die Vernichtung von Stimmzetteln ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet, eine Nachzählung zu verhindern und damit zu einer Wiederholung des Urnengangs zu führen. Sie war damit adäquat kausal für die Verursachung des Schadens. In allen Gemeinden wurde zudem der Schaden in Ausübung der amtlichen Tätigkeit verursacht. Bis auf die Widerrechtlichkeit, die fraglich ist, sind die Voraussetzungen für eine Haftung der fehlbaren Gemeinden für den beim Kanton durch die Wiederholung der Abstimmung eintretenden Schaden gegeben. Um den Haftungsanspruch durchzusetzen, muss ein Begehren an die zu belangende Gemeinde gerichtet werden (vgl. W ICHTERMANN Bernisches Verwaltungsrecht, S. 126, Rz. 89). Die belangte Gemeinde hat daraufhin in einer anfechtbaren Verfügung über das Begehren zu entscheiden (Art. 84 Abs. 2 GG). Die Verfügung der Gemeinde kann mit Beschwerde bei der Regierungsstatthalterin oder dem Regierungsstatthalter angefochten werden (Art. 63 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Bst. b VRPG). Gegen deren Entscheid steht die Beschwerde ans Verwaltungsgericht offen (vgl. RUTH HERZOG/MICHEL DAUM in BVR 2009 S. 1 ff, Die Umsetzung der Rechtsweggarantie im bernischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, insbes. S. 34). Gegen Urteile des Verwaltungsgerichts in Staatshaftungssachen steht die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss Artikel 113 BGG an das Bundesgericht offen, mit welcher allerdings lediglich die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann (W ICHTERMANN Bernisches Verwaltungsrecht, S. 128, Rz. 95). Die Kosten für die Abstimmung vom 13. Februar 2011 beliefen sich für den Kanton auf ca. 80'000 bis 120'000 Franken, dies insbesondere für den Druck von Stimmrechtsausweisen (Vordrucke) und Stimmzetteln, den Versand des Abstimmungsmaterials an die Regierungsstatthalterämter, den Druck der Botschaft sowie für die Personalkosten. Die Widerrechtlichkeit des Verhaltens von Gemeindebehörden kann nur angenommen werden, wenn die in Frage stehende Rechtsnorm dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dient. Artikel 42 Absatz 3 VPR dient nicht dem Schutz des Vermögens des Kantons. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob der Kanton gegenüber den fehlbaren Gemeinden Schadenersatzansprüche durchsetzen könnte. Unabhängig von der haftungsrechtlichen Beurteilung gibt es überwiegende staatspolitische Gründe, die es als angezeigt erscheinen lassen, auf Ansprüche des Kantons gegenüber den Gemeinden zu verzichten. Das bedeutet nicht, dass das Verhalten der betroffenen Personen entschuldigt werden kann. Das Vertrauen der Stimmberechtigten in die demokratischen Verfahren darf nicht leichtfertig gefährdet werden. Die betroffenen Personen haben demokratiepolitischen Schaden angerichtet. Aus der Sicht der Staatskanzlei ist der Zweck der Untersuchung zukunftsgerichtet: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass bei künftigen Wahlen und Abstimmungen korrekte Abläufe sichergestellt werden können. 9 Schlussfolgerungen der Staatskanzlei Der Regierungsrat übt die Oberaufsicht über eidgenössische und kantonale Abstimmungen und Wahlen aus (Art. 67 Abs. 1 GPR). In Wahrnehmung dieser Aufsichtsfunktion hat er mit RRB Nr. 1958 vom 8. November 2006 den Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthaltern das Kreisschreiben des Bundesrates vom 31. Mai 2006 an die Kantonsregierungen über Massnahmen zur Qualitätssicherung der brieflichen Stimmabgabe (BBl 2006 5225) weitergeleitet, das verschiedene mögliche Schwachstellen und Probleme bei der Durchführung von Abstimmungen und Wahlen thematisierte und entsprechende Massnahmen vorschrieb. In diesem Kreisschreiben wurde unter anderem angeordnet, dass im Zusammenhang mit dem Einsammeln, dem Aufbewahren und dem Auswerten der Stimmen zu eidgenössischen Urnengängen keine Amtshandlung durch eine einzige Person und ohne Protokollierung vorgenommen werden dürfe. Bei der vorliegend zur Diskussion stehenden Vernichtung der Stimmzettel handelte meist eine Einzelperson ohne Protokollierung. Die Staatskanzlei ist der Ansicht, dass die unrechtmässige Vernichtung von Stimmzetteln in 29 Gemeinden vom Regierungsrat zum Anlass für die Anordnung von organisatorischen Verbesse26

rungen bei der Durchführung von Abstimmungen und Wahlen genommen werden sollte, und zwar in Bezug auf sämtliche Gemeinden im Kanton Bern. So muss künftig gewährleistet sein, dass bei der Vernichtung von Abstimmungs- und Wahlunterlagen immer eine hierarchisch hochrangige Person, in der Regel die Gemeindeschreiberin oder der Gemeindeschreiber, anwesend ist und die Verantwortung übernimmt. Die Vernichtung ist stets zu protokollieren. Wichtig ist insbesondere auch eine konsequente Verbesserung der Ablagesysteme der Gemeinden sowie eine exakte Kennzeichnung der Abstimmungs- und Wahlunterlagen – dies auch, um Artikel 42 Absatz 3 VPR („gesondert verpackt“) genüge zu tun. Wichtig ist zudem die Einführung von internen Checklisten. Schliesslich muss sichergestellt sein, dass der Informationsfluss zwischen Staatskanzlei, Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthaltern sowie Gemeinden funktioniert, damit Meldungen rechtzeitig zugestellt werden und gegebenenfalls innert Frist reagiert werden kann. Es geht nicht an, dass in verschiedenen Gemeinden – wie dies insbesondere im Verwaltungskreis Berner Jura der Fall war – infolge Ferienabwesenheiten niemand erreichbar ist. Die Gemeinden haben während der Ferien die nötigen Vertretungen zu bestellen. Die Realisierung der organisatorischen Verbesserungen ist von den Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthaltern zu überprüfen. Die Staatskanzlei wird zur besseren Instruktion der Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthaltern ein Informationsschreiben zur Verfügung stellen, in welchem sie die relevanten gesetzlichen Begriffe erklärt und die verschiedenen Rechtsmittel und Rechtswege im Zusammenhang mit der Anfechtung von Abstimmungs- und Wahlergebnissen darlegt. Wie unter Ziffer 6.2 festgestellt wurde, bestehen in vielen Gemeinden und auch bei einem Regierungsstatthalteramt (vgl. Ziff. 7.2) Unklarheiten betreffend die rechtliche Bedeutung der Begriffe „Erwahrung“ und „Rechtskraft“, was zur Vernichtung der Stimmzettel beigetragen hat. Die Staatskanzlei beabsichtigt deshalb, auf ihrer Homepage eine Rubrik einzurichten, unter der sie die relevanten Informationen über die Erwahrung, den Eingang von Beschwerden sowie über die Rechtskraft von Abstimmungs- und Wahlergebnissen veröffentlichen und angeben wird, ob die Unterlagen vernichtet werden können. Zusätzlich soll künftig im Regierungsratsbeschluss, der die nächstfolgende Abstimmung anordnet, festgehalten werden, wie mit den Unterlagen der letzten Abstimmung zu verfahren ist. Wie unter den Ziffern 6.2 und 7.2 festgehalten wurde, ist das Schreiben der Staatskanzlei vom 4. März 2011, in welchem über den Eingang der Beschwerden informiert wurde, bei den Gemeinden relativ spät – in gewissen Gemeinden gar erst am 15. März 2011 – eingetroffen. Künftig sind die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter gehalten, alle Informationen des Regierungsrates und der Staatskanzlei unverzüglich sowohl elektronisch als auch schriftlich an die vorgesehenen Adressaten weiterzuleiten.

10 Untersuchungskosten Gemäss Artikel 85 Absatz 2 GPR können die Untersuchungskosten ganz oder teilweise der Gemeinde überbunden werden, deren Organe die Unregelmässigkeiten verschuldet haben. Da für die Erstellung des Untersuchungsberichts lediglich Personalkosten in der Staatskanzlei, nicht aber externe Kosten – wie etwa solche für Gutachten – angefallen sind, beantragt die Staatskanzlei dem Regierungsrat, von der Überbindung der Untersuchungskosten an die Gemeinden abzusehen. 11 Antrag Zustimmung zum Regierungsratsbeschluss betreffend „Bericht der Staatskanzlei an den Regierungsrat vom 8. Dezember 2011. Amtliche Untersuchung gemäss Artikel 84 und 85 des Gesetzes vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (GPR; BSG 141.1) zur Vernichtung der Stimmzettel der kantonalen Volksabstimmung in 29 Gemeinden.“

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Bern, 8. Dezember 2011

Der Staatsschreiber:

Dr. Kurt Nuspliger

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