Bericht zu den Prtifungen im November 1997 und im November 1998 iiber Mathematik der Schadenversicherung (Grundwissen)

Bericht zu den Prtifungen im November 1997 und im November 1998 iiber Mathematik der Schadenversicherung (Grundwissen) Christian Hipp, Martin Morlock ...
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Bericht zu den Prtifungen im November 1997 und im November 1998 iiber Mathematik der Schadenversicherung (Grundwissen) Christian Hipp, Martin Morlock (Karlsruhe)

Zu jedem der Gebiete Grundlagen, Pr~rtienkalkulation, Solvabili~t, Risikoteilung und Reservierung wurde jeweils eine Aufgabe gestellt. Dazu gab es eine Zusatzaufgabe, welche nur gewertet wurde, wenn eine der anderen Aufgaben nicht bearbeitet worden war. Als Hilfsmittel war die klassische Formelsammlung sowie ein nicht programmierbarer Taschenrechner zugelassen. Die Zahl am Ende der Aufgabenstellung gibt jeweils die maximal erreichbare Punktzahl an. Die Klausur wurde als bestanden gewertet, wenn 1997 mindestens 36 der 90 mOglichen Punkte und 1998 mindestens 36 von 85 der mt~glichen Punkte erreicht wurden. In der Klausur 1997 waren folgende Aufgaben gestellt worden:

Aufgabe 1. Was versteht man unter dem Ausgleich im Kollektiv? Wie entsteht er, und wie kann man ihn quantifizieren? (15)

l_,6sung : Ausgleich im Kollektiv bedeutet, daB die Schwankungen des Schadenverlaufs in einem wachsenden Bestand von Versicherungsvertr~gen nicht proportional zur Zahl der Vertr~ige, sondern nur (grob) proportional zur Wurzel der Zahl der Vertr~ige w~ichst. Die Gesamtschwankungen, auf den einzelnen Vertrag verteilt, werden kleiner. Der Ausgleich im Kollektiv entsteht durch die (angenommene) Unabh~ingigkeitdes Schadenverhaltens in den einzelnen Vertr~gen: dadurch ergibt sich die Varianz des Gesamtschadens als Summe der Varianzen der Sch~idenin den einzelnen Vertr~igen. Messung des Risikos mit dem Variationskoeffizienten: dieser wird klein bei wachsendem Bestand gleichartiger, unabhfingiger Risiken. Messung mit Ruinwahrscheinlichkeiten: Das (fUr die Einhaltung einer gegebenen Ruinwahrscheinlichkeit bei einem unendlichen Planungshorizont) notwendige Risikokapital am Anfang w~ichst nicht mit der GrtiBe des Bestandes.

Aufgabe 2. a) Welche Schadenht~henverteilungen kann man zur Modellierung von GroBsch~iden benutzen? Geben Sie zwei Beispiele an. b) Geben Sie eine Verteilung an, die zwar einen endlichen Erwartungswert, aber keine endliche Varianz besitzt. (15)

L6sung: a) Schadenht~henverteilungen mit Heavy Tails, also etwa solche, deren Tails nicht exponentiell gegen Null konvergieren wie z.B. der Lognormalverteilungen oder der Loggammaverteilungen. b) Eine Pareto-Verteilung mit einem Parameter a zwischen 1 und 2.

Aufgabe 3. a) Erl~iutern Sie die Begriffe ,,Volumenmal3", ,,Tarifierungsmerkmal" und ,,Schadenbedarg'. Geben Sie zu jedem Begriff ein Anwendungsbeispiel an. 401

b) Welche statistischen Methoden setzt man bei der Tarifierung ein? c) Welche speziellen Probleme treten bei Pramienrabatten (z. B. Nichtraucher- oder Wenigfahrer-Rabatten) auf? (15)

L6sung: a) 1. Volumenmage benutzt man, um unterschiedliche Varianzen bei Beobachtungen zu beriicksichtigen. Benutzt werden: Zahl der Schiiden oder Pramiensumme. 2. Tarifiemngsmerkmale sind Grti6en, die Einflu6 auf die H6he der Versicherungsprarnie haben. Bei der Kraftfahrtversicherung z.B. die Typklasse des versicherten Fahrzeuges. 3. Schadenbedarf ist der Erwartungswert (theoretisch oder empirisch) der Summe flier Schaden pro Periode in einem Vertrag. In der Kraftfahrtversicherung ergibt sich z.B. bei einer Schadenfrequenz von 0,1 und einer durchschnittlichen Schadenh6he von 5.000 DM ein Schadenbedarf von 500 DM. b) Multivariate Verfahren, also z.B. Lineare Modelle, verallgemeinerte Lineare Modelle. c) Daten-Probleme (es liegen keine Verbands-Informationen Uber das Todesfallrisiko der Nichtraucher vor; der Zusammenhang yon Schadenbedarf und Wenigfahren ist statistisch nicht gesichert); Abh~ingigkeit (Wie wirken zwei rabattausl6sende Merkmale gemeinsam auf den Schadenbedarf? Ist die Akkumulation der Rabatte gerechtfertigt?); Finanziemng (Ist der Rabatt durch Erhtihung der Basispramie finanziert?).

Aufgabe 4. Ein Kollektiv eines Versicherungsuntemehmens (VU) bestehe aus folgenden unterschiedlichen Risiken, bei denen Schaden stochastisch unabhangig eintreten: Risikoart

Anzahl

Versicherungssumme VS

A B C

1 2 7

9 18 50

Die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Schadens S eines Risikos sei: Risikoart

A

B

C

S=0

0,7

0,7

0,9

S=I/3VS S=~3VS S=VS

0,1 0,1 0,1

0,1 0,1 0,1

0 0 0,1

a) Berechnen Sie jeweils die Nettofisikopramie fur ein Risiko der Art A, B und C. b) Beurteilen Sie die Risikoarten A, B und C anhand des Variationskoeffizienten des Schadens. c) Wie grog ist der Variationskoeffizientdes (Gesamt-)Schadenaufkommens des Kollektivs? d) Das VU schlieBt (als Erstversicherer (EV)) einen Summenexzedenten-Rilckversicherungsvertrag ab. Der Selbstbehah des EV betriigt 6. Bestimmen Sie die (faire) Aufteilung der Nettorisikopr~imien zwischen dem VU und dem RUckversicherer (RV). Wie veriindert sich der Variationskoeffizient des (Gesamt-)Schadenaufkommens des VU durch die Riickversicherung (Berechnung)? Geben Sie ohne Rechnung eine (gute) untere Schranke fur den Variationskoeffizienten des vom RV zu regulierenden (Gesamt-)Schadenaufkommens an. 402

e) Das Risiko des Riackversicherers andert sich in Abh~ingigkeit des Selbstbehalts SB des Erstversicherers. Wie grog ist das Maximum des Variationskoeffizienten des vom RV tibemommenen (Gesamt-)Schadenaufkommens im vorliegenden Fall? (30)

LOsung: a) Nettorisikopr~imie fur Risiko der Art A: B: C: b) Variationskoeffizient V

0,3 + 0,6 + 0,9 = 1,8 1,8.2 =3,6 0,1.50 =5,0

Risikoart A : f f ~ - / #

= ,~(32 + 62 + 92 ). 0,1 - 1,82/~t = 9x/9~,36/1,8 = 1,700

Risikoart B : f f ~ - / p

= ~/(2.1,8)

= 1,700

Risikoart C: ~ / ~ t

= -]502. 0 , 1 - 5 2 / 5 = 2-/r2-~/5

=3

Folgerung:

A und B sind gleich gef~hrlich; C ist ein gefahrlicheres Risiko.

c) V des (Gesamt-)Schadenaufkommens: Aus der Unabh~ingigkeit der Schadenereignisse folgt: Gesamtvarianz = Summe der Einzelvarianzen V=

,/9,36 + 2. (4.9,36) + 7. 225 1,8+2.3,6+7.5

= 0,926

d) Nettorisikopr~imie bei einem SB des EV von 6: bei Risikoart A: beim EV 2/3 9 1,8 = 1,2, B: beim EV 1/3 9 3,6 = 1,2 C: beim EV 6/50.5 = 0,6

beim RV 1/3.1,8 =0,6 2/3 - 3,6 = 2,4 44/50.5 = 4,4

V des (Gesamt-)Schadenaufkommens des EV: Varianz des beim EV verbliebenen Einzelrisikos der Risikoart A: (2/3) 2 99,36 B: (1/3) 2 . 4 . 9 , 3 6 C: (6/50) 2 9 225

= 4,16 =4,16 = 3,24

Damit ergibt sich V = '/4'16+2"4'16+7"3'24 1,2+2.1,2+7.0,6

=0,76

Das Risiko wird also geringer. Der Variationskoeffizient des vom RV tibemommenen Schadens steigt monoton mit dem SB des EV. Er ist am kleinsten bei SB = 0, d.h., in diesem Fall Ubemimmt der RV den gesamten Schaden und sein V ist gleich dem V des (Gesamt-)Schadenaufkommens von Aufgabenteil c). Damit ist 0,926 die gr68te untere Schranke for den Variationskoeffizienten des vom RV Ubemommenen Schadens. e) Der Variationskoefflzient des vom RV Ubemommenen Schadens w~chst mit dem SB des EV. Obersteigt der SB den Wert 18, ist nur noch die Risikoart C von der Rtickversicherung betroffen. Bei der Summenexzedenten-Rtickversicherung haben wires jeweils mit einer proportionalen Risikoaufteilung innerhalb der einzelnen Risikoarten zu tun. Bei einer proportionalen Risikoteilung ~indert sich aber der Variationskoeffizient bekanntlich nicht. 403

Formal erh~iltman fur 50 > SB > 18: Erwartungswert des vom RV iibemommenenSchadens eines Einzelrisikos: (50- SB).0.1 Varianz des vom RV tibemommenen Schadens eines Einzelrisikos: (50 - SB)2. 0,1 - [(50- SB). 0,1]2 Variationskoeffizient des vom RV tibemommenen (Gesamt-)Schadenaufkommens: V= aJ7"((50-SB)2 " 0 ' 1 - [ ( 5 0 - S B ) ' 0 ' 1 1 2 ) = a J 7 ' ( 0 ' l - 0 ' 1 2 ) =1,134 7. ( 5 0 - SB).0,1 7.0,1 unabh~ingigyon 50 > SB > 18.

Aufgabe 5. Die kumulierten Schadenaufwendungen Cik der Anfalljahre 1991 bis 1996 und der Abwicklungsjahre 1991- 1996 sind in dem folgenden Abwicklungsdreieck eingetragen: Abwicklungsjahr

k=l

2

3

4

5

6

242 253 255 315 370 450

352 369 383 476 510

402 424 447 551

442 470 500

472 504

482

Anfalljahr i (Pr~imie) 1991 1992 1993 1994 1995 1996

1 2 3 4 5 6

(500) (600) (730) (900) (1100) (1300)

a) Berechnen Sie die IBNR-Reserve fur die Anfalljahre 1992 und 1993 mit dem Chain-Ladder-Verfahren. b) Berechnen Sie mit dem Chain-Ladder-Verfahren eine Sch~itzungfur die (nicht kumulierten) Schadenaufwendungendes Anfalljahres 1993 in den Jahren 1997 und 1998. c) Ltisen Sie a) mit dem Verfahren der (anfalljahrunabh~ingigen)Schadenquotenzuw~ichse(AUSQZ). (15)

L6sung: Aus dem Abwicklungsdreieck der Cik Abwicklungsjahr

k=l

2

3

4

5

6

242 253 255 315 370 450

352 369 383 476 510

402 424 447 551

442 470 500

472 504

482

Anfalljahr i (Pramie) 1991 1992 1993 1994 1995 1996 404

1 2 3 4 5 6

(500) (600) (730) (900) (1100) (1300)

erhalten wir:

482 = 1,021 f5 = ~ f4

--

472 + 50__4_ 1,070 442 + 470

und als IBNR-Reserve ftir das Anfalljahr 1992 I~2 = (f5 - 1). C25 = (1,021 - 1). 504 = 10,584 und ftir das Anfalljahr 1993 0"3 = (f4" f s - 1). C34 = (1,070. 1,021 - 1). 500 = 46,235. b) Als Sch~itzung der Schadenaufwendungen $35 lungsjahre 1997 bzw. 1998 erh~ilt man: 235 = C35 - C34 = f4" C34 - C34

bzw.

S36 des Anfalljahres 1993 fiir die Abwick-

=1,070. 5 0 0 - 500

= 35

536 = C36 - C35 = f4" f5 " C34 - f4C34 = 1 , 0 7 0 . 1,021 9 5 0 0 - 1,070. 500 = 11,235

c) Mit den Schadenquotenzuwachsen s s = 50030+34=0'058+ 600

und

~6 = 51-~ = 0,020

ftir k = 5 und k = 6 erh~lt man als Sch~tzung fur die Schadenreserve des Anfalljahres 1992 bzw. 1993 1~2= s6 ' 600 = 12 und 1~3= (s5 + s6)" 730 = 56,94.

Zusatzaufgabe. a) Beschreiben Sie das kollektive Modell. Wo kann man es einsetzen? b) Welche Funktion hat die Schwankungsrtickstellung in der Schadenversicherung? c) Welche Nachteile hat die heute gtiltige Bestimmung tiber die Solvabilitatsspanne in der Schadenversichemng? (15)

L6sung: a) Das kollektive Modell leitet die Gesamtschadenverteilung eines Versicherungsbestandes ab aus der Verteilung der Schadenzahl und der Schadenhtihen. Hierbei bleiben Informationen tiber die Bestandsstruktur unberticksichtigt: Der Bestand wird als black box aufgefafSt, das Schadengeschehen nur mit obigen Gr61~enbeschrieben. Es kann demnach tiberall dort eingesetzt werden, wo eine Inhomogenit~it des Bestandes durch die Verwendung von Tarifmerkmalen oder anderen Kovariaten berticksichtigt werden kann. b) Die Schwankungsreserve soil zur Gl~ittung des technischen Ergebnisses eines Versicherungsunternehmens beitragen: durch Entnahme bei hohen und Zuftihrung bei niedrigen Gesamtschadensummen. c) Die Solvabilit~itsspanne ist volumenbezogen, die Risikostruktur wird nur ungentigend beriicksichtigt. In der Klausur 1998 wurden folgende Aufgaben gesteltt:

Aufgabe 1. Im Rahmen des kollektiven Modells wird in drei Versicherungsbest~inden die Anzahl der Sch~iden a) mit einer Poissonverteilung, b) mit einer Negativen Binomialverteilung und c) mit einer Binomialverteilung modelliert. Ftir alle drei Best~inde haben wir dieselbe Schadenh6henverteitung und dieselbe Nettorisikopramie. 405

Kann man sagen, dab der Versicherungsbestand b) risikoreicher als a) ist und dab der Bestand a) risikoreicher als c) ist? Begriinden Sie Ihre Antwort! (15) L6sung:

Der Gesamtschaden S im Versicherungsbestand wird mit der Schadenanzahl N und den Schadenh6hen Xl, X2.... modelliert, wobei die Schadenh6hen in den Fallen a), b) und c) alle dieselbe Verteilung besitzen und die Schadenanzahl die angegebenen Verteilungen aufweisen. Wegen E[S] = E[N] E[XI] mtissen die Erwartungswerte von N in den drei Fallen a), b) und c) tibereinstimmen. Zum Vergleich der Risiken betrachten wir die Varianz yon S. Fiir diese gilt Var(S) = Var(X 0 E[N] + Var(N) (E[XI]) 2.

(1)

Um die F~ille a), b) und c) unterscheiden zu k6nnen, bezeichnen wir den Gesamtschaden jeweils mit S~, S b und Sc sowie die Schadenanzahl jeweils mit N a, N b und N c. Es gilt also E[Sa] = E[Sb] = E[Sc] und damit auch E [Na] = E [Nb] = E [No]. Somit ist der erste Term auf der rechten Seite von (1) in allen drei Fallen derselbe. Wegen E [ N j = Var(N~) und E[Nb] < Var(N b) gilt Var(Na)< Var(Nb), und damit ist auch die Varianz im Falle b) gr61]er als im Falle a): Var(S a) < Var(Sb). Versichemngsbestand b) ist also risikoreicher als Versicherungsbestand a). Wir erhalten ftir den Fall c) ebenso Vat(No) < E[Nc] = E[Na] = Var(Na). und damit Var(S~) < Var(S~). Versicherungsbestand a) ist also risikoreicher als Versichemngsbestand c). Aufgabe 2.

Bei einem Versicherungsvertrag sei der Gesamtschaden pro Versicherungsperiode gegeben durch eine poissonverteilte Schadenanzahl N mit Mittelwert 0,1 und Schadenh/~hen X l, X 2..... die eine Exponentialverteilung mit dem Mittelwert 1000 besitzen. Es ist eine Selbstbeteiligung in H6he von 693 .pro Schaden vereinbart. FUr diesen Versicherungsvertrag wird eine Basispramie c entsprechend dem Aquivalenzprinzip verlangt. Wenn der Versicherer w~rend der Periode keine Schadenzahlung zu leisten hat, dann erfolgt eine Beitragsriickgewahr in H/Jhe der Halfte der Basispramie an den Versicherungsnehmer. Berechnen Sie c[ Verwenden Sie hierbei die Approximation In (2) = 0,693 und die Reihe

iX n

exp (x) = a~o n!

'

(25) l_Asung :

Die Basispriunie c wird nach dem .~quivalenzprinzip berechnet, so dab die erwartete Leistung des Versicherungsuntemehmens der erwarteten Pr~imienzahlung des Versicherungsnehmers entspricht. Zinsen und Kosten werden hier nicht berticksichtigt. 406

Die Wahrscheinlichkeit, dal3 eine Schadenh6he X:=X 1 die Selbstbeteiligungsh6he nicht Uberschreitet, ist 693 1 P{X0,4 den Weft 1 an, da keine gr6geren Sch~iden als 0,4 auftreten; sie verbleiben bei einer Abzugsfranchise ab 0,4 alle beim VN. Der Verlauf der Funktion berechnet sich (eine Berechnung war nicht verlangt) gemal3 1 dx+a(l_ l ) i x 0,4 ~ 0,4 a r(a) = o 0,4 I x 1 dx 0 0,4

2,51a2+a-2,5a 2 2 510,42 '

2

2

0,8a-a 2 0,t6

fur 0_