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Industrial Biotechnology Bericht – Forum Life Science Vortragsreihe „Industrial Biotechnology“ Bioökonomie in Europa Kaffeekapseln aus biobasiertem K...
Author: Inken Bösch
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Bericht – Forum Life Science Vortragsreihe „Industrial Biotechnology“ Bioökonomie in Europa Kaffeekapseln aus biobasiertem Kunststoff, Getränkeflaschen aus 100 % biobasierten Materialien und Kleidungsstücke hergestellt aus Garnen, die ohne chemische Verfahren direkt aus Holzfasern gewonnen werden – neue Technologien aus Industrie und Wissenschaft gefördert durch entsprechende staatliche Rahmenbedingungen machen solche Innovationen im Bereich der Bioökonomie möglich. Nicht nur die Bundesregierung hat sich mit der Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 (www.bmbf.de/pub/biooekonimie.pdf) die biobasierte Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben, weltweit verfolgen Staaten Aktivitäten im Bereich der Bioökonomie und Regierungen entwerfen politische Strategien zur effizienten und nachhaltigen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. In den vergangenen Jahren haben die führenden Industrienationen (z.B. Deutschland, Finnland, Schweden, Niederlande, Island, USA) eigene Strategien entwickelt und zahlreiche Länder (Frankreich, Belgien, Irland, Großbritannien, Spanien, Italien, Brasilien, u.v.m.) erstellen eigene Road Maps oder Teilstrategien. Gerade große Staaten wie USA, Brasilien und China setzen stark auf die Bioökonomie und streben an, mit großen Investitionen Weltmarktführer zu werden.

Quelle: Bioökonomierat (www.biooekonomierat.de/biooekonomie/international.html)

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Im Rahmen der Bioökonomie können Lösungen für die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Zukunft entwickelt werden. Die Herausforderungen sind vielfältig, von der Ernährungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung, über die nachhaltige Gewinnung und Nutzung von Biomasse für die Produktion von Energie, Treibstoffen, Materialien und Produkten bis zum Klima- und Umweltschutz. Die Basis hierfür bieten biotechnologische Verfahren, nachwachsende Rohstoffe und Innovationen. Um dies leisten zu können, müssen aber neue Wertschöpfungsketten geschaffen werden, Produktionsanlagen entstehen, Finanzierungs- und Geschäftsmodelle entwickelt sowie gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Rahmenbedingungen und Strategien In Europa sind die nationalen Strategien eingebettet in die Initiativen der Europäischen Kommission (EC). Laut EC werden mit biobasierten Produkten und Biokraftstoffen bereits 57 Milliarden Euro verdient und 300.000 Arbeitsplätze wurden geschaffen. „Für die nächsten fünf Jahre sind zweistellige Wachstumsraten prognostiziert. Bis 2030 wird erwartet, dass 30% aller Chemikalien aus der Bioökonomie geliefert werden, bis 2022 soll es weltweit ca. 1800 Bioraffinerien geben“, erläuterte Dr. Waldemar Kütt, Head of Unit F.2, DG Research and Innovation, Europäische Kommission. Die EC hat verschiedene Maßnahmen gestartet, um private Investitionen zu ermöglichen und geeignete Rahmenbedingungen zur Förderung der hierzu notwendigen Technologieentwicklungen und Innovationen in Europa zu schaffen. Dazu gehören u. a. das „InnovFin – EU Finance for Innovators“ Programm der EC, der Europäischen Investitionsbank und des Europäischen Investitionsfonds, durch das im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsaktivitäten von kleinen wie großen Unternehmen gefördert werden sollen oder das „Public-Private Partnership (PPP) on Bio-based Industries“ zwischen der EU und dem Bio-based Industry Consortium (BIC) mit einem Investitionsvolumen von 3,7 Milliarden Euro. Das Bio-based Industry Consortium (BIC; http://biconsortium.eu/) wurde 2012 gegründet, besteht aus derzeit 77 Vollmitgliedern und 137 assoziierten Mitglieder und vertritt die Unternehmensseite in diesem PPP. Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Bereichen wie Land-und Forstwirtschaft, Biotechnologie, Chemie und Energie. Das Ziel von BIC ist es die europäischen Potenziale zu nutzen, indem die einzelnen Sektoren zusammengeführt werden. Denn Rohstoffe, Technologien und erste biobasierte Produkte sind vorhanden. Um die Bioökonomie besser zu etablieren und global konkurrenzfähig zu machen, müssen neue

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Wertschöpfungsketten entstehen, erklärte Dr. Dirk Carrez, Executive Director, Bio-based Industry Consortium. Biobasierte Polyamide auf Basis nachwachsender Rohstoffe Auch große Unternehmen aus der Chemie sehen in der Bioökonomie eine große Chance zum Wachstum, für einzelne Unternehmen wie für die gesamte EU. Bioökonomie wird als einer der Treiber für eine ressourceneffiziente und nachhaltige Wirtschaft gesehen. Dr. Achim Marx, VP Bioeconomy Strategy & Innovation Excellence, Evonik Industries AG betonte, dass die Industrielle Biotechnologie dabei die Schlüsseltechnologie ist. Von aktuell zwölf Wachstumsprojekten der Evonik sind acht im Bereich Bioökonomie angesiedelt. Evonik setzt vor allem auf Investitionen in Megatrends der Chemie mit starkem Wachstum wie die Herstellung von Aminosäuren (Lysin und Methionin), Katalysatoren für Biodiesel oder Consumer Specialties. Kooperationen mit Partnern wie Cargill spielen eine besondere Rolle. So werden in der Bioraffinerie in Blair/USA seit 2012 jährlich 280.000 Tonnen Mais umgesetzt und die daraus gewonnenen Kohlenhydrate für die Lysinproduktion bei Evonik verwendet. Das Geschäftssegment Nutrition & Care ist ein starkes Standbein der Evonik und die produzierten Aminosäuren tragen zu einer nachhaltigeren Nahrungssicherung bei. So ersetzt beispielsweise ein Kilogramm Methionin 54 kg Fischmehl. In Forschung und Entwicklung der Biotechnologie fließen mehr als 10 % des F&E Budgets. Neben der biotechnologischen Herstelllung von Aminosäuren setzt Evonik vor allem auf biobasierte Polyamide auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie Rizinus oder Palmkernöl. Mit Hilfe eines Fermentationsverfahrens wird im Werk in der Slowakei seit 2013 PA12 im Pilotmaßstab produziert. Um die Bioökonomie weiter voranzutreiben setzt man auf Kooperation und Vernetzung: Evonik will biobasierte Grundstoffe von Zulieferern beziehen und die Anlagen zu deren Herstellung nicht selber betreiben. Dazu werden neue Standards entwickelt.

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Biokraftstoffe der 2. Generation und algenbasiertes Flugkerosin Die Luftverkehrswirtschaft hat sich selbst dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Seit 2010 wird die Energieeffizienz pro Jahr um 1,5 % gesteigert. Für 2020 wird angestrebt ein CO2-neutrales Wachstum zu erreichen. Die Lufthansa setzt dabei auf technische Kooperationen, um die Effizienz zu steigern. Da dies allein nicht ausreichend ist, sollen Biokraftstoffe langfristig Kerosin ersetzen. In den vergangenen fünf Jahren sind die CO2 Emissionen um weniger als 5 % Prozent gewachsen, während die Lufthansa im gleichen Zeitraum ein Wachstum von über 20 % erfahren hat.

Quelle: www.bdl.aero/de/bdl-reports/energieeffizienzreport/

Kooperationen bei der Entwicklung von Biokerosin Für die Fluggesellschaften ist es wichtig, dass Biokerosin zu kompetitiven Preisen erhältlich ist. Die ist derzeit nicht der Fall, da der Preis von Biokerosin bei US$ 2000/Tonne im Vergleich zu US$ 600/Tonne von konventionellem Kerosin pro Tonne liegt. Verträge zur Abnahme von Biokerosin zwischen Hersteller und Fluggesellschaft können eine größere Produktion ermöglichen. Dr. Alexander Zschocke, Senior Manager Aviation Biofuel, Deutsche Lufthansa AG, führte als Best Practice Beispiel die Vereinbarung zwischen British Airways und Solena an, in dem sich British Airways verpflichtet hat, jedes Jahr 50.000 Tonnen Kerosin abzunehmen. Mit Hilfe des Fischer-Tropsch-Verfahrens wird das Kerosin aus energiereichen Abfällen der Stadt London gewonnen. Damit ist die Wirtschaftlichkeit gegeben. Solche Einzelprojekte helfen, die Produktion von Biokerosin weiter zu entwickeln,

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trotzdem ist man von einer Massenproduktion weit entfernt. Dazu kommt, dass Biokerosin hohe technische Anforderungen erfüllen muss. Bisher hat Lufthansa in zwei Projekten den Einsatz von Biokerosin evaluiert. Bei burnFAIR wurde vom finnischen Unternehmen Neste Oil geliefertes Biokerosin über sechs Monate auf der Strecke Hamburg – Frankfurt im Airbus A321 erfolgreich getestet. In Kooperation mit Total wurden in der HBBA Studie (www.hbba.eu) die Eigenschaften von Treibstoffen mit beigemischtem Biokerosin analysiert. Die verwendete Farnesan Beimischung führte zu einer Reduktion der Rußemissionen und verursachte keine Motorprobleme. Der erste europäische Flug mit diesem Blend fand im Herbst 2014 statt. Alternativen für die Produktion von biobasierten Kraftstoffen Verschiedene Alternativen wie Ethanol, Fettsäuremethylesther (FAME), Biomass to Liquid (BTL) Verfahren oder hydrierte Pflanzenöle können prinzipiell als Ersatz für Kerosin in Betracht gezogen werden. Allerdings gibt es auch Nachteile. So haben Ethanol und FAME einen wesentlich geringeren Energiegehalt, konventionelles Biodiesel verfestigt sich bei Temperaturen von -30°C und BTL wird als Insellösung angesehen. Eine vielversprechende Alternative könnte die Umwandlung einer ölreichen Algenbiomasse in Biokerosin darstellen. Das Potenzial der Mikroalgen steckt in ihren Eigenschaften: zwölfmal schnelleres Wachstum als Pflanzen, dreißigfach höhere Lipidausbeute pro Hektar, Wachstum in Salz- und Abwasser und CO2 Fixierung. Bisher werden nur zehn Stämme in Massenkultur genutzt. Dem gegenüber stehen 150.000 uncharakterisierte Arten, darunter solche, die unter extremen Bedingungen wachsen können (extremophile und halophile Algen). Im Rahmen des „AlgenFlugKraft“-Projekts arbeiten EADS und die Technische Universität München eng zusammen, um dieses Potenzial für eine Kerosin-Bioraffinerie nutzbar zu machen. Am Innovationscampus in Ottobrunn wurde dazu ein „Algentechnikum“ errichtet, das Prof. Dr. Thomas Brück, Fachgebiet Industrielle Biokatalyse, Technische Universität München vorstellte. Dort sollen Wachstumsbedingungen und Algengewinnung untersucht und Machbarkeitsstudien unter verschiedenen klimatischen Bedingungen durchgeführt werden. Auf 1500 m2 können unterschiedliche klimatische Bedingungen inklusive Temperatur, Feuchtigkeit und Sonnenlicht simuliert werden. Die Lipide aus den Algen werden direkt in Biokerosin umgewandelt, die Algenrestbiomasse wird einer energetischen Verwertung in einer Biogasanlage zugeführt, um CO2-neutrale Prozessenergie und Methan für die thermokatalytische Konversion der Algenlipide in

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Biokerosin zu generieren. Die Herstellung von algenbasierten Treibstoffen steht nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, da die Kultivierung keine landwirtschaftlichen Flächen oder Trinkwasser benötigt. Auch das Spezialchemie-Unternehmen Clariant setzt auf Biotechnologie. Mit der Übernahme der Südchemie und der dort entwickelten Technologie zur Nutzung von Agrarreststoffen für die Produktion von Bioethanol wurde ein wichtiger Baustein für die Unternehmensstrategie in Bezug auf Nachhaltigkeit dazugewonnen. Seit 2011 steht in Straubing die Demonstrationsanlage für die Gewinnung von Zellulose-Ethanol. Dieser wird aus landwirtschaftlichen Abfällen wie Stroh gewonnen. Der Prozess ist energieneutral und benötigt keine fossile Energie. Wichtige Alleinstellungsmerkmale des Verfahrens sind seine Flexibilität bezüglich der verwertbaren Rohstoffe und die im Prozess integrierte Herstellung der darauf optimierten Enzyme für die Hydrolyse des Strohs vor dem eigentlichen Fermentationsschritt. Laut Prof. Dr. Andre Koltermann, Senior Vice President, Group Biotechnology, Clariant GmbH ist es möglich, durch den Sunliquid Prozess bis zu 880 Millionen Tonnen Biokraftstoffe aus der theoretisch nutzbaren LignozelluloseBiomasse aus Agrarreststoffen zu erzeugen. Ausgehend von den C5 und C6 Zuckern oder dem Ethanol können darüber hinaus auch weitere biobasierte Chemikalien hergestellt werden. In einem gemeinsamen Pilotprojekt mit Haltermann und Mercedes-Benz wurde 2014 Zellulose-Ethanol als Beimischung für E20 Kraftstoff in Serienfahrzeugen von MercedesBenz getestet. Die Ergebnisse sind vielversprechend. So sind keine Anpassungen an den Fahrzeugen notwendig, die Motoreffizienz ist erhöht und die Partikelemissionen konnten verglichen mit E10 um 50% reduziert werden.

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Von der Bioraffinerie zum Produkt – Lösungsansätze für eine nachhaltige Industrieproduktion Um eine wachsende Weltbevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln, Energie und Rohstoffen zu versorgen, dabei die Umwelt zu schonen und CO2-Emissionen zu reduzieren, sind innovative Lösungen notwendig. Bioraffinerien können zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise einen großen Beitrag leisten. Unterschiedliche Bioraffineriekonzepte sind in der Entwicklung. Eine Bioraffinerie basiert auf einem integrativen Konzept, um aus dem Rohstoff „Biomasse“, der unterschiedlicher Herkunft sein kann, ein Spektrum an stofflichen Produkten zur Verfügung zu stellen. Diese reichen von Nahrungs- und Futtermitteln bis zu Grund- und Feinchemikalien für Anwendungen in der Chemie, Kunststoffverarbeitung, im Material-, Konsumgüter- oder Kosmetikbereich sowie Bioenergie. Um eine möglichst vollständige und ressourceneffiziente Nutzung aller Rohstoffkomponenten zu erreichen werden unterschiedliche Verfahren und Technologien integriert. Lignozellulose, Agrarreststoffe wie Stroh oder Bagasse sowie Gras sind einige Beispiele für verwertbare Rohstoffe. Die intelligente Nutzung der Biomasse hat hohe Priorität und die Verwendung zur Nahrungsmittelerzeugung steht vor der Herstellung von hochwertigen Produkten und der Nutzung als Quelle für Kraftstoffe und Energie.

Quelle: Roadmap Bioraffinerie, BMBF, www.bmbf.de/pub/RoadmapBioraffinerien_2014_bf_1.pdf

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Nutzung lokaler Voraussetzung für die integrierte Bioraffinerie Das italienische Unternehmen Novamont entwickelt die sogenannte Bioraffinerie der dritten Generation. Ziel ist es, unter Nutzung regionaler Rohstoffe und für die Landwirtschaft ungeeigneter Böden, Chemikalien zu produzieren. Dabei soll die Agrarwirtschaft als Partner eingebunden, eine lokale Wertschöpfungskette aufgebaut, umweltverträgliche Technologien genutzt, eine Reindustrialisierung ermöglicht und so letztlich auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein Erfolgsbeispiel ist die im Rahmen des Joint Ventures zwischen Novamont und Versalis erfolgte Umrüstung einer stillgelegten Erdölraffinerie in eine Bioraffinerie auf Sardinien (www.matrica.it/). Als Rohstoff dienen Disteln, die keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellen, Reste aus der Olivenöl-Produktion und gebrauchtes Speiseöl. Daraus werden verschiedene Grundchemikalien wie Glycerin, Fettsäuren, Pelargonsäure und Azelainsäure gewonnen, die u.a. zu Polymeren, Estern, Additiven, Weichmachern und Schmierstoffen umgewandelt werden und Anwendungen in der Chemie, Kunststoffverarbeitung, im Konsumgüter- und Kosmetikbereich finden. Die Produktionskapazität für Monomere aus Pflanzenöl beträgt 35.000 Tonnen pro Jahr. Ein Teil des Pflanzenöls und der Proteinfraktion aus den Disteln werden als Tierfutter verwendet. Mit dem Anbau der Disteln und der dafür notwendigen Produktion der Samen sowie der Entwicklung spezieller Erntemaschinen ist die Integration der regionalen Landwirte geglückt, wie Stefano Facco, New Business Development Director, Novamont, berichtete. Organosolvverfahren in der Lignocellulose Bioraffinerie Ein weiteres Beispiel einer Bioraffinerie ist das Pilotprojekt zur Lignocellulose Bioraffinerie in Leuna, ein Kooperationsprojekt, das vom Fraunhofer-Zentrum für ChemischBiotechnologische Prozesse CBP und Linde Engineering durchgeführt wird. Dr. Moritz Leschinsky, Fraunhofer CBP und Jens-Peter Mendelsohn, Linde Engineering GmbH, stellten die Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Organosolv-Verfahrens zur Fraktionierung von Buchenholz vor. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) fördert die Entwicklung dieser Bioraffinerie über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Im Projektkonsortium sind darüber hinaus auch Unternehmen wie Wacker, Evonik, Bayer und Tecnaro aktiv. Hauptziel der zweiten Projektphase ist die Weiterentwicklung des Organosolvprozesses zur vollständigen Nutzung alle Lignozellulosekomponenten und die Errichtung der Pilotanlage.

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Innerhalb des Spitzenclusters BioEconomy hat man begonnen, basierend auf den Erkenntnissen aus der Pilotanlage, Wertschöpfungsketten für die Bioraffinerieprodukte aufzubauen. So soll die Non-Food-Biomasse in der Holzerzeugung genutzt werden, aus Holzfasern sollen Polymere erzeugt werden, durch den Organosolv-Prozess Chemiegrundstoffe gewonnen werden und Reststoffe energetisch genutzt werden. Lignin aus dem Organosolvverfahren könnte in die Produktion von Carbonfasern, Klebstoffen oder Polyurethan einfließen und die Zuckerfraktion kann zu Itakonsäure und Bernsteinsäure verarbeitet werden. Im Fokus der Phase 2 „Biomasse Aufschluss“ des Spitzencluster steht nun die Konzeption einer Demonstrationsanlage. Ein Vorteil des Konzepts ist die Flexibilität des Kernprozesses, wodurch ein Betrieb an verschiedenen Standorten möglich werden soll. Technologischen Entwicklungen bei PLA Neben biobasiertem PET ist PLA einer der am häufigsten eingesetzten biobasierten Kunststoffe. Vor allem im Catering und als Verpackungsmaterial findet es breiten Einsatz. PLA verbindet beide Eigenschaften, die mit Biokunststoffen assoziiert werden: es basiert auf nachwachsenden Rohstoffen und ist bioabbaubar. Zudem hat es im Vergleich zu anderen Kunststoffen einen relativ kleinen CO2-Footprint. Das Unternehmen NatureWorks war bisher der einzige globale Hersteller, der PLA in großen Menge produziert hat (Produktionskapazität 150.000 Tonnen). Im Jahr 2012 belief sich der weltweite Anteil der Produktionskapazitäten für PLA bei den Biokunststoffen auf 13,4 %. Corbion Purac ist bisher als Hersteller der Milchsäuremonomere aufgetreten, errichtet aber nun in Thailand ein Produktionswerk für PLA mit einer Kapazität von 75.000 Tonnen pro Jahr. Es wird erwartet, dass die globalen Produktionskapazitäten auf 600.000 Tonnen bis 2025 ansteigen werden.

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Quelle: European Bioplastics/ IfBB, Hannover

PLA ist durch die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre für viele Unternehmen als Werkstoff interessant geworden. Neue Homopolymere und die Mischung mit Copolymeren und Additiven ermöglichen vielfältige technische Anwendungen. „Mit Hilfe der Technologie von Corbion kann Hochtemperatur-PLA hergestellt werden, das PS, PP oder ABS Materialien ersetzten kann“, erklärte Floris Buijzen, Corbion Purac. Corbion setzt auf strategische Partnerschaften mit einer Reihe von Unternehmen im Kunststoffbereich. So wurde mit Biotec oder FKuR gemeinsam Compounds für Spritzgießen und Extrusion, mit Kuender das erste Gehäuse aus PLA für ein Touchscreen Computer, mit Huhtamaki Kunststoffbecher für Kaffee, mit Röchling Automotive Gehäuse für Luftfilter, bei denen das PLA mit Naturfasern verstärkt wurde, mit Labre Filamente und non-woven Fasern für Wischtücher und Taschen und mit colorFabb PLA für den 3D Druck entwickelt. Mass-Balance-Verfahren Auch die BASF stellt sich auf Geschäftspartner und Endkunden ein, die sich zunehmend für Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen und biobasierte Materialien interessieren. Mit dem zertifizierten "Mass-Balance-Verfahren" bietet die BASF ihren Kunden eine Möglichkeit, erneuerbare Rohstoffe im bestehenden Produktionsverbund zu nutzen. Dabei wird Biomasse, z. B. Biogas aus organischem Abfall oder Bio-Naphtha aus Pflanzenund Abfallölen, anstelle fossiler Ressourcen am Anfang der Wertschöpfungskette als Rohstoff eingespeist und kann damit später den jeweiligen Produkten definiert zugeordnet werden. Für jedes Produkt der Verbund-Produktion kann so ein prozentualer Anteil an Rohstoff bestimmt werden, der aus erneuerbaren Quellen kommt, erklärte Dr. Marianna Pierobon, Global Business Unit Hygiene, Global Marketing, BASF SE. Lösungsansätze zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Auch wenn es noch viele Herausforderungen in Bezug auf die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen gibt, für Unternehmen und Verbraucher bietet sich eine Vielzahl von vorteilhaften Eigenschaften: neue Funktionalitäten, geringere Abhängigkeit von Erdöl, verbesserter CO2-Fußabdruck, Nutzung nachwachsender Rohstoffe, Bioabbaubarkeit, nachhaltigere Ökobilanz etc. Diese Eigenschaften spielen für Unternehmen eine wichtige Rolle, wenn Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie implementiert werden soll. Auch globale Konzerne wie Procter & Gamble arbeiten daran ihre Produkte nachhaltiger zu machen. P&G ist eines der weltweit größten Unternehmen im Konsumgüterbereich und

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erreicht mit seinen Produkten 4,8 Milliarden Menschen. Unter Nachhaltigkeit versteht P&G ökologische aber auch soziale Aspekte und integriert Nachhaltigkeit als ein Element der Wertschöpfung. Man hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt, die man bis 2020 erreichen will, indem man auf wissenschaftsgetriebene Innovation entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Material über Produktion, Verpackung, Transport und Nutzung bis zur Entsorgung setzt. So sollen u.a. Energieverbrauch und CO2-Emissionen an den Standorten und der Einsatz von Verpackungen um 20 % reduziert, Anlagen mit 30 % erneuerbarer Energie betrieben und 25 % der Rohstoffe auf Erdölbasis durch nachhaltig gewonnene erneuerbare Materialien ersetzt werden. Mit der „Zero Waste“ Strategie wird das Ziel verfolgt, keinen Produktionsabfall auf Mülldeponien entsorgen zu müssen. Erste Erfolge konnten schon erzielt werden. So wurde zwischen 2010 und 2013 die Abfallmenge um 56 %, der Verbrauch von Wasser um 14 %, von Energie um 8 % und der Ausstoß von CO2 um 11 % gesenkt. Dr. Katharina Marquardt, Science Communication, Procter & Gamble, zeigte die Erfolge anhand des Beispiels Pampers auf. Windeln verursachen ein großes Abfallaufkommen. Daher ist der größte Hebel für die Verbesserung der Umweltfreundlichkeit der Einsatz und die Menge der Rohmaterialien. In den letzten 20 Jahren wurden Pampers um ca. 50% leichter, 95 % des Abfalls wiederverwendet oder zur Energiegewinnung genutzt und 28 % CO2-Emissionen wurden eingespart. Leichtere und dünnere Windeln benötigen weniger Ausgangsmaterial und es fällt weniger Abfall an. Bei der Verpackung wurden 70% eingespart, was zudem auch den Transport verringerte. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie setzt Procter & Gamble stark auf Partnerschaften, einerseits mit Einrichtungen wie dem WWF, andererseits mit anderen Konzernen, die sich ähnliche Ziele gesetzt haben. So kooperiert P&G mit Coca Cola, Heinz, Ford und Nike in der Plant PET Technology Collaborative und der Bioplastic Feedstock Alliance. Zudem setzt P&G mit „Connect & Develop“ auf Open Innovation und baut auf Technologiepartnerschaften mit Universitäten wie der FAU Erlangen-Nürnberg. Außerdem engagiert sich das Unternehmen in EU-Projekten.

Enzyme als Helfer in der Produktion von Textilien und Pharmazeutika In der Nachmittagsession wurden drei unterschiedliche Wege aufgezeigt, wie sich mittels Biokatalyse oder biologischen Systemen industriell genutzte Enzyme herstellen lassen. Eine Möglichkeit stellt die Proteinsynthese über zellfreie biologische Systeme dar (Dr. Stefan Kubick; Fraunhofer IZI, Leipzig). Vorteile sind eine schnellere, automatisierte

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Produktion, einfache Entkoppelung des Lysats, cytotoxische Zwischenschritte sind irrelevant und die Gesamtausbeute lässt sich drastisch steigern. Die Proteine lassen sich gezielt und in reiner Form herstellen, sogar Membranproteine wie G-Protein gekoppelte Rezeptoren, tetramere Ionenkanäle und Glykoproteine, wie z. B. EPO. Durch eukaryotische Zellextrakte sowie Kombinationen aus prokaryotischen wie eukaryotischen Synthetasen lässt sich die Produktion in verschiedenen Parametern optimieren. Bei der Biokatalyse mit ganzen Zellen liegt die Optimierung des Prozesses in der Reduktion der erforderlichen Syntheseschritte. Am Beispiel der Ursodeoxychol-Säure (Bärengalle; chinesisches Heilmittel zur Auflösung von Gallensteinen), vorgestellt von Prof. Dr. Dirk Weuster-Botz, TU München, konnte die in sieben Schritten ablaufende chemische Synthese als ein 3-Enzym-System in einer Zelle konstruiert werden. Vorteile sind dabei eine sehr hohe Ausbeute von 99 Prozent und Kostenersparnis, da benötigte Coenzyme von den Zellen gleich mitgeliefert werden. Aus spezialisierten Mikroorganismen isolierte Enzyme sind die dritte Möglichkeit für biokatalytische Prozesse, z. B. die Funktionalisierung von Polymeren. Am Beispiel PETHydrolasen zeigte Dr. Thorsten Eggert, evocatal deren Einsatzgebiete als Anti-Pillingund Anti-Grauschleier-Zusätze in Waschmitteln oder im Textilfinishing. Hier spielen z. B. permanente Hydrophilierung, schnellere Trocknung oder die Entfernung störender Grauschleier vor Färbeprozessen eine Rolle. Mikrobielle Cellulasen werden etwa zur Glättung von technischen Textilien eingesetzt.

Biotechnologische Werkzeuge zur Gewinnung von Metallen und wichtigen Rohstoffen Wasser, fruchtbare Böden und fossile Ressourcen stehen der wachsenden Weltbevölkerung nicht unbegrenzt zur Verfügung. So wird z. B. Phosphat zusehends knapp, ist aber als Bestandteil von Dünger wichtig in der Landwirtschaft. Das gilt auch für Seltene Erden, die für die Herstellung von High-Tech-Materialien in Produkten wie Flachbildschirmen, Windrädern und Hybridfahrzeugen benötigt werden. Europa ist großteils von Importen abhängig. Abhilfe können neue Verfahren und biotechnologische Methoden schaffen, welche wertvolle Rohstoffe aus Abwässern und Abfällen rückgewinnen. Bioleaching zu Gewinnung von strategischen Metallen und Phosphat Am sogenannten „Green Mining“ etwa arbeitet die Strategische Allianz „ZeroCarbFP“, an der die Firma B.R.A.I.N. Biotechnology beteiligt ist. Dr. Guido Meurer stellte die Strategie

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vor, aus Abfallströmen z. B. der Müllverbrennung mit Hilfe selektierter Mikroorganismen bzw. funktioneller Biomasse strategische Metalle oder andere Wertprodukte zu gewinnen. BRAIN bedient sich dabei einer eigens aufgebauten Bioarchivs mit 53.000 Stämmen, die aus entsprechenden Standorten isoliert wurden. Diese Organismen sind metall-tolerant und besitzen die Fähigkeit zur Metall-Bindung. Insbesondere die Elemente Germanium, Gallium, Indium, Platin, Palladium, Silber und Gold sowie die Seltenen Erden stehen im Fokus. Eine Herausforderung stellt dabei das industrielle Scale-Up dar. In einer Kooperation mit Seltenerden Storkwitz AG wurden bereits Scandium-bindende Organsimen isoliert, die hocheffizient (99 %) aus Laugenlösung filtern konnten. Phosphat ist ein lebensnotwendiges Element und ebenfalls begrenzt verfügbar. Die Fritzmeier Umwelttechnik GmbH aus Großhelfendorf hat das sog. P-bac®-Verfahren zur Phosphat-Rückgewinnung durch Bioleaching entwickelt. Dr. Maxime Dossin stellte den mikrobiell basierten Prozess vor, in welchem Bakterien aus Klärschlammasche Polyphosphate bilden. Darüber hinaus lassen sich Fe(III)phosphate ausfällen. Kombiniert man beide Prozesse, lassen sich mit diesem Verfahren ca. 30-45 % P2O5 gewinnen. Der Eisengehalt ist jedoch noch zu hoch; daher ist eine Prozessoptimierung erforderlich. Nutzung pflanzlicher Proteine Einen dritten Ansatz verfolgt die Innovationsallianz TeFuProt mit acht Partnern, darunter Animox, Clariant, FH-IVV und die Hochschule München. Dr. Axel Höhling von ANiMOX, Berlin und Rolf Luther, Fuchs Europe Schmierstoffe, Mannheim stellten ihr Vorhaben zur Gewinnung pflanzlicher Proteine als Chemierohstoff aus Ölsaaten wie Lein, Raps oder Sonnenblumen vor. Proteinmodifikate sollen dann u. a. als Schmierstoffe eingesetzt werden. Diese hätten dann den Vorteil, biologisch abbaubar und biogen, unabhängig von der Petrochemie und von bestimmten Stoffströmen zu sein und regulatorischen Aspekten (Stichwort REACH), etc. zu genügen. Dies alles sind Anforderungen, die der Kunde neben der Leistungsfähigkeit und geringen Kosten als „Add-on“ fordert.

Fachlicher Ansprechpartner: Dr. Tobias Schwarzmüller [email protected]

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