BEHINDERTENBEAUFTRAGTER DES LANDES NIEDERSACHSEN. Forderungen behinderter Menschen in Niedersachsen

BEHINDERTENBEAUFTRAGTER DES LANDES NIEDERSACHSEN Forderungen behinderter Menschen in Niedersachsen Ergebnisse der Fachkonferenz Expo 2000 Inhalt Be...
Author: Victor Hertz
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BEHINDERTENBEAUFTRAGTER DES LANDES NIEDERSACHSEN

Forderungen behinderter Menschen in Niedersachsen Ergebnisse der Fachkonferenz Expo 2000

Inhalt Begrüßung: Dietrich Heimann Einleitung: Karl Finke Bericht der Arbeitsgruppe 1 Behindertengerechter Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zur EXPO 2000 Bericht der Arbeitsgruppe 2 Behindertenangepaßter Ausbau der EXPO-Siedlung und des Stadtteils Kronsberg und Das Fokus-Konzept als Verbindung von Wohnen und Assistenz Bericht der Arbeitsgruppe 3 Einbeziehung der Lebenswelt behinderter Menschen in den EXPO-Themenpark Bericht der Arbeitsgruppe 4 Stadt und Region als Exponat Verabschiedung: Karl Finke Bericht des NDR vom 5.09.1992 Bericht des NDR vom 7.09.1992 Die Arbeitspapiere Behindertengerechter Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zur EXPO 2000 Behindertenangepaßter Bau der EXPO-Siedlung und des Stadtteils Kronsberg Einbeziehung der Lebenswelt behinderter

Menschen in den EXPO Themenpark

Stadt und Region als Exponat

Begrüßung: Dietrich Heimann, Direktor der VHS Hannover Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, daß diese Veran-staltung hier im Hause der Volkshochschule Hannover stattfindet, macht doch alleine diese Tatsache schon deutlich, daß die Behindertenarbeit eine wichtige Aufgaben-stellung der Volkshochschule hier in Hannover ist. Persönlich darf ich sagen, daß sie es ist, hat die VHS nicht zuletzt den beiden Kollegen zu danken, die heute diese Veranstaltung verantworten. nämlich dem Behindertenbeauftragten des Landes Nieder-sachsen und seinem Referenten. Ich begrüße Herrn Finke und Herrn Jähnert in ihren alten Diensträumen sehr herzlich. Darüber hin-

aus begrüße ich viele von Ihnen, die in den vielfältigsten Funktionen und Teilnahmeformen an den Veranstaltungen der Volkshochschule für behinderte und nichtbehinderte Menschen teilnehmen. Die Weiterbildung in der Volkshochschule erhebt den Anspruch, für alle Teilnehmer/innen offen zu sein und der Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluß der ersten Bildungsphase sowie der persönlichen Orientierung in allen Lebensbereichen zu dienen. Der Anspruch, daß die Angebote der VHS für alle offen sind, bezieht, wenn er ernst gemeint ist, natürlich auch die behinderten Menschen mit ein. Und in der Tat stehen grundsätzlich alle Kurse der VHS Hannover auch den behinderten Menschen offen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß durch das allgemeine Bildungsangebot spezifische Interessen der behinderten Menschen bzw. deren Eltern nicht angesprochen werden. Auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen in den verschiedenen Behinderteneinrichtungen waren nicht Inhalt des VHS-Angebotes. Um diesen Mangel zu beheben, wurde vor rund 10 Jahren die "Abteilung für Behinderte und Nichtbehinderte" eingerichtet.Natürlich haben sich die Arbeitsschwerpunkte dieser Abteilung in den letzten 10 Jahren verändert, so wie sich die Bedürfnisse der Adressaten geändert haben. Der Anspruch, mit den Angeboten die Integration der behinderten Menschen zu unterstützen, ist jedoch geblieben und wird auch in Zukunft Schwer-punkt der Arbeit sein. Ein neuer Schwerpunkt der Arbeit liegt im Bereich der Selbsthilfe Betroffener. Die VHS bietet Selbsthilfegruppen die Möglichkeit, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Strategien zur Veränderung der eigenen Situation zu entwickeln. Damit ist die VHS zu einem Informationsforum für Selbsthilfegruppen geworden. Die VHS muß mit ihrem Angebot erreichbar sein für alle Bevölkerungsgruppen mit einem Angebot, das allen Bedürfnissen und Ansprüchen im Grundsatz gerecht wird. Deshalb muß ihr Angebot inhaltlich, sozial und regional so gestaltet sein, daß dieser Anspruch auch realisiert werden kann. Das ist nicht immer möglich, die finanziellen Möglichkeiten lassen dies nicht immer zu. Wir denken trotzdem, daß Betriebskostenrechnungen im Bildungsbereich durchgängig jedenfalls nicht angemessen sind. Bildungsinvestitionen haben ihre eigene Rentabilität, auch ihre eigene Rationalität. Erwachsenenbildung ist kein Luxusangebot, ist keine verzichtbare freiwillige Größe im kommunalen Bereich. Sie kommen hier zusammen zu einem Thema "EXPO 2000 - Forderungen der behinderten Menschen in Niedersachsen", und Sie wollen sich heute in Arbeitsgruppen mit Fragen und Forderungen zu dieser Thematik auseinandersetzen. Lassen Sie mich auf eines hinweisen: Seit altersher waren Ausstellungen und Messen die Orte, die ganz konkret das Plündern und Rauben verboten haben. Es waren Orte des inneren Friedens, auch wenn der äußere Frieden nicht gewährleistet war. Wir haben die Aufgabe, in den heutigen Tagen dies zu bedenken, wenn in Deutschland wieder Fremde, die bei uns Schutz suchen, verfolgt werden, ihres Lebens nicht mehr sicher sind, Häuser angesteckt werden und Bürger applaudierend daneben stehen. Es finden gerade (gestern und heute) in Hannover Veranstaltungen des "Bündnisses gegen Ausländerhaß und Fremdenfeindlichkeit" statt. Wie wir der Presse entnehmen können, leider fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die VHS hat Ihre Tradition in der Aufklärung, die Ausgangspunkt von Demokratie und Emanzipation des einzelnen und der Gesellschaft war. Erwachsenenbildung ist ohne diese Tradition nicht denkbar. Sie hat ihren Beitrag zu leisten, bei der Gewährleistung von Humanität und Achtung der Menschenrechte und Menschenwürde. In diesem Sinne wünsche ich der Tagung einen guten Verlauf.

Dietrich Heimann

Herr Heimann, meine Damen und Herren, liebe Freunde aus Behindertenverbänden und Selbsthilfegruppen! Ich begrüße Sie zur heutigen Tagung "EXPO 2000 - Forderungen behinderter Menschen in Niedersachsen" Wir wollen mit dieser Tagung die unterschiedlichen Interessen und Vorschläge behinderter Menschen zur geplanten EXPO besprechen, die vorgelegten Materialien erörtern und Politikern, Verwaltung und der anderen Öffentlichkeit signalisieren, daß wir Behinderte unsere Interessen zur EXPO einbringen werden. In Arbeitsgruppen wollen wir heute die vorgelegeten Unterlagen diskutieren, weiter entwickeln und zu einer gemeinsamen Aussage zu den aufgezeigten Punkten kommen. Wir stehen heute vor der Situation, daß sich die Bürger von Hannover und Laatzen in einer Bürger-befragung für die EXPO ausgesprochen haben, die jeweiligen Stadträte und das Land haben nochmals deutlich für die EXPO 2000 in Hannover votiert. Bereits seit den Planungen und Besprechungen zur ersten EXPO-Entscheidung zugunsten Hannovers im Jahre 1989 in Paris und den Voten im Juni 1992 haben von der Verwaltung einberufene EXPO-Arbeitskreise zu den Bereichen - Städtebauliche Konzeption Kronsberg - Weltausstellungssiedlung - Verkehrserschließung - Stadt als Exponat - Sozialverträglichkeit (und ökologische Risiken) der Planung - Leitideen für Inhalt und Programm - Formen der Bürgerbeteiligung sowie das EXPO-Forum regelmäßig getagt. Auf Initiative Behinderter waren in diesen Gremien bereits behinderte Menschen beteiligt und haben darauf hingewirkt, daß die Belange der ca. 600.000 Behinderten in Niedersachsen, davon ca. 70.000 in Hannover, schon in dieser Phase einbezogen wurden. Der EXPO-Lenkungsausschuß, bestehend aus Vertretern von Stadt, Land und Bund, hat im März 1992 das EXPO-Rahmenkonzept vorgelegt. Dieses Konzept war Ausgangssituation und Bezugspunkt für das Bürgervotum wie auch von Rat und Landtag. Obwohl der Bund nicht vor der Situation steht, sich um die EXPO zu bewerben, sondern eine bereits erfolgreiche Bewerbung wieder zurückzugeben, hat sich der Bund nicht im Laufe des Sommers endgültig zur Frage EXPO 2000 in Hannover geäußert, so daß hier noch eine Entscheidung aussteht. Der erste EXPO-Planungswettbewerb ist bereits gelaufen. Nach meinem Kenntnisstand sollten die besonderen Belange und Interessen behinderter Menschen zwischen dem 1. und 2. Wettbewerb,

der jetzt vorbereitet wird, eingebracht werden, also jetzt, also genau der richtige Zeitpunkt, daß die sich hier getroffenen aktiven Behinderten-Verbände und -Selbsthilfegruppen sowie weitere an einer Behinderten-angepaßten EXPO interessierte Bürger tagen und ihre Forderungen an eine EXPO 2000 formulieren. Gerade für die EXPO, die neue Formen der Bürgerbeteiligung erproben will, ist Partizipation unabdingbar. Daher: Wir wollen mitgestalten und nicht gestaltet werden. D.h. konkret: - Beteiligung behinderter Menschen bei allen Planungen und Gremien in möglichst frühem Stadium - eine nicht nur umweltfreundliche, sondern auch Behinderten-angepaßte EXPO. Dies bezieht sich auf alle EXPO-Bereiche, das sind Themenpark, EXPO-Siedlung, Stadt und Region als Exponat, internationale Projekte. In allen EXPO-Bereichen müssen sich Projekte widerspiegeln, die einer vollen gesellschaftlichen Teilhabe behinderter Menschen entsprechen. Über die Realisierung einer Behindertenangepaßten EXPO soll in Hannover den Bürgern der Stadt sowie den Besuchern aus aller Welt erfahrbar gemacht werden, daß die reale Utopie einer vollen Teilhabe behinderter Menschen durch eine Planung ohne Hemmnisse und Barrieren eine EXPO für alle Bevölkerungsgruppen sichert und über die Projekte und den Kontakt untereinander Vorurteile abbaut. Wie erreichen wir nun die aufgezeigten Ziele? Erst einmal dadurch, daß behinderte Menschen aus ganz Niedersachsen, z.B. aus Braunschweig, Osnabrück, Seesen, Oldenburg und auch aus Baden-Württemberg, sich heute hier treffen, um ihre Forderungen zu formulieren. Darüber hinaus ist es wichtig, daß neben den in den EXPO-Gremien bereits tätigen behinderten Menschen, Behindertenverbänden und Selbsthilfegruppen in ganz Niedersachsen Arbeitsgruppen sich bilden und schon jetzt aktiv an der EXPO-Planung beteiligen und ihre regionalen und landesbezogenen Interessen einbringen. Hierzu bedarf es einer regelmäßigen Koordination und Abstimmung zwischen denjenigen, die in den Regionen aktiv sind, und denjenigen, die in den entsprechenden Arbeitskreisen tätig sind. Für mich selbst kann ich sagen, ich brauche diese regelmäßige Abstimmung auch für meine Arbeit, damit sich das Maß der Deformationen infolge abgehobener Gremienarbeit durch den ständigen Austausch mit behinderten Menschen in Grenzen hält. Ebenfalls ist diese Koordination erforderlich, damit die Chancen der EXPO für alle Teile Niedersachsens genutzt werden. Die Aufgabe für uns alle sehe ich darin, die Ergebnisse und Forderungen von heute mit behinderten Menschen in allen Teilen Niedersachsens zu diskutieren und sich aktiv in die EXPO-Gestaltung einzuschalten. Ebenso müssen wir gemeinsam darauf achten, daß die Papiere, die von Stadt, Land und Bund vor den Voten vorgelegt wurden, nicht reine Werbepapiere bleiben, sondern sich Punkt für Punkt in der Realität widerspiegeln. Unsere Aufgabe besteht darin, mit dazu beizutragen, daß keine Lücke zwi-

schen den Reden der Politiker und dem Handeln der Bürokraten entsteht. Hier würde erneut Glaubwürdigkeit an "die da oben" wegbrechen. Ich gehe davon aus, daß die heutige Veranstaltung dazu beiträgt, daß allen deutlich wird, daß wir Behinderte unsere politischen Ziele, die sich u.a. orientieren an Partizipation und Selbstbestimmung, nicht nur fordern, sondern auch gewillt sind, uns an diesen Zielen orientierend an der EXPOGestaltung konkret zu beteiligen. Wie viele Bürger unseres Landes werden wir auch hier von unserem Bundespräsidenten unterstützt, der einmal gesagt hat: "Das Maß gelebter Demokratie bemißt sich daran, wie sich die Gesellschaft gegenüber ihren Benachteiligten und Behinderten verhält". Ich wünsche der Tagung einen erfolgreichen Verlauf und allen Mut, Kraft und Energie, damit die angekündigte Richtungsänderung der Sozialpolitik der neuen Landesregierung sich beim Projekt EXPO 2000 in allen EXPO-Facetten wiederfindet. Karl Finke Behindertenbeauftragter des Landes Niedersachsen

Arbeitsgruppe 1: Behindertengerechter Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zur EXPO 2000 Moderator: Karl Finke

Zu Beginn unserer Arbeit haben wir uns zuächst einmal verdeutlicht, welche Vorstellungen zu einem behindertengerechten ÖPNV vorliegen. Darüber hinaus haben wir erörtert, ob es Konkurrenzen in der Finanzierung des ÖPNV zur Erweiterung des Streckennetzes (Garbsen, Hemmingen, Misburg) und der Konzentration auf die Zubringerdienste zur Messe gibt. Parallel hierzu wurde das Thema der Arbeitsgruppe sofort auf den MOTORISIERTEN INDIVIDUALVERKEHR (MIV) erweitert, da ein Teil der Behinderten weiterhin auf den MIV angewiesen sein wird und durch Mobilitätshürden nicht vom Besuch der EXPO ausgeschlossen werden darf. Unter dem Aspekt "Stadt und Region als Exponat" waren wir uns darüber einig, daß die Forderung eines behindertengerechten ÖPNV für das gesamte Streckennetz der ÜSTRA gelten muß. Um Behinderten aus dem hannoverschen Umfeld ein höheres Maß an Mobilität zu sichern, müssen die Bahnhöfe, die im Streckenverzeichnis der DB enthalten sind und innerhalb derer behinderte Menschen mit einer Wertmarke frei fahren können, auch behindertengerecht umgebaut werden (ca. 50 km im Umkreis). Wie von der Verwaltung angekündigt, sollen die verbleibenden Parkplätze am Messegelände für behinderte Besucher zur Verfügung stehen. Hierbei ist darauf zu achten, daß diese Parkplätze problemlos für behinderte Menschen zu erreichen sind sowie günstig zu den Eingängen liegen. Die Nutzungsberechtigung sollte nicht nur auf den Personenkreis mit dem Kennzeichen "aG", sondern auch auf Personen mit bestimmten Behinderungsarten, die lediglich das Kennzeichen "G" haben, erweitert werden.

Ein gesonderter Behinderten-Service, der behinderte Menschen, die mit Pkw zur EXPO fahren, behilflich ist, sollte auch für den Bereich der Parkplätze vorgehalten werden. An den geplanten Park- and Ride-Plätzen, die mit entsprechenden Behinderten-Parkplätzen auszustatten sind, sowie dem EXPO-Bahnhof sind Busse und Minibusse durchgängig mit der neuesten Hilfstechnik (z.Z. Niederflur- und Hubtechnik) vorzuhalten, um das Umsteigen attraktiv und nicht zur Qual werden zu lassen. Wichtig ist dabei, daß alle geplanten Bahnhöfe behindertengerecht gebaut werden und behinderte Menschen nicht erneut die Erfahrung machen, baut Mercedes einen überbreiten PKW, werden selbstverständlich sofort die Auto-Reisezüge verbreitert. Plant die Bahn einen ICE, werden behinderte Menschen wegen technischer Probleme nicht bedacht. Im weiteren Verlauf wurde uns das City-Bus-System aus Ostfriesland vorgestellt. Das sind kleine VW-Busse mit Niederflurtechnik, die mit einem Bus-Ruf-System ausgestattet sind. Sie fahren zu Tarifen des ÖPNV und haben auch keinen höheren Zuschußbedarf. Dieses System oder der dann jeweils neuste technische Stand sollte auf der EXPO erprobt und bei Bewährung sowohl als Innenstadtbus wie auch als Bussystem für dünner besiedelte Regionen eingesetzt werden. In den Bahnen selbst müssen noch mehr Stellplätze für Rollstuhlfahrer vorgesehen werden sowie die in den vorliegenden Materialien erwähnten Punkte für Sinnesgeschädigte, Kleinwüchsige und Greifbehinderte umgesetzt werden. Dies heißt konkret, daß höhenverstellbare Sitze, Entwerter, Signalknöpfe und Haltegriffe niedriger angebracht, optische und akustische Hilfen für Sinnesgeschädigte mit eingeplant werden. Wie bereits erwähnt, gibt es für den ÖPNV drei zentrale Punkte: Der geplante EXPO-Bahnhof, der Hauptbahnhof sowie der Flughafen. Alle drei Stationen müssen dem neuesten Standard entsprechend behindertengerecht ausgestattet und aufeinander abgestimmt sein. Der EXPO-Bahnhof sollte sich in unmittelbarer Nähe des EXPO-Geländes befinden. Der vorgesehene Fahrdienst sollte für eine zügige Beförderung auch behinderter Menschen zur EXPO sorgen. Hier wurde insbesondere auf den behindertengerechten Umbau der Bahnhöfe in Düsseldorf und Köln hingewiesen. Breiten Raum für unsere Diskussion nahm die Frage ein, sollen beim behindertengerechten ÖPNV laufende Programme zu Ende geführt oder neue als besser angesehene Modelle parallel eingeführt werden. Hierbeigeht es insbesondere um die Frage, durchgängig Einführung der Niederflurtechnik oder Fortsetzung Hochbahnsteigprogramm bei den Stadtbahnen. Einhellig waren wir der Meinung, daß die Bus- und evtl. Straßenbahnsysteme auf die neue Niederflurtechnik umgerüstet werden sollten. Bei der Stadtbahn sollten weiterhin Hochbahnsteige gebaut werden. Offen blieb die Frage, wie der Umstieg zwischen Bussen in Niederflurtechnik in Stadtbahnen mit Hochbahnsteigen für behinderte Menschen ohne Hemmnisse zu gewährleisten ist. Die von uns angesprochenen Punkte verstehen sich als Ergänzung des vorgelegten Papieres und müssen weiter diskutiert und aktualisirt werden. Wir sind jedoch der Auffassung, wenn diese Forderungen in der EXPO-Planung berücksichtigt werden und die EXPO-Planer die Absicht des behindertengerechten ÖPNV und MIV weiter beachten und neue Erkenntnisse in ihre Planungen mit

einbeziehen, daß dann behinderte Menschen ein Mehr an Mobilität haben und ohne bauliche Barrieren zur EXPO gelangen können.

Diskussion: Ergänzung: Es wurde in unserer Gruppe festgestellt, daß zur Zeit der 7. Stadtbahnvertrag gültig ist, der für die behindertengerechte Ausstattung des ÖPNV 70 Millionen DM zur Verfügung stellt. Es dürfte Übereinstimmung darüber herrschen, daß mit der Ausgabe dieser Mittel nicht bis zur EXPO gewartet werden soll, sondern daß die Mittel sofort eingesetzt werden müssen. Ergänzung: Ich will noch darauf hinweisen, daß wir den ÖPNV in unserer Arbeitsgruppe um den Bereich motorisierter Individualverkehr ergänzt haben. Damit haben wir uns auch der Frage gewidmet, wie behinderte Menschen, die ein Auto haben, zur EXPO kommen können.

Arbeitsgruppe 2: Behindertenangepaßter Ausbau der EXPO-Siedlung und des Stadtteils Kronsberg Moderator: Prof. Ingolf Österwitz

Wir haben uns Gedanken gemacht über Wohnen - Wohnen im Gegensatz zu dem Begriff Unterbringung - und haben herausgearbeitet, daß eigentlich der wesentliche Unterschied vom Wohnen zu Unterbringung der ist, daß man (Herr oder Frau) in seiner eigenen Wohnung ist, d.h., Hausrecht hat, daß dieses Hausrecht durch das Grundgesetz abgesichert ist, daß man einen Raum hat, eben Freiraum hat, den man selber gestalten kann, wo man sein Privatleben ausleben kann, wo man den Tagesablauf selbst bestimmt. Das, was mit dem Begriff Wohnen verbunden ist, kann man kaum ausleben, wenn man untergebracht ist, untergeordnet in einem Heim oder in einer ähnlichen Einrichtung. Das hat ja auch in der Vergangenheit schon dazu geführt, daß es eine Reihe von neuen Formen des Lebens gibt außerhalb der Heimunterbringung, wobei man immer dazu sagen muß, daß für viele Behinderte das Wohnen in der normalen Wohnung so einfach nicht möglich ist. In vielen Fällen wird Assistenz benötigt, Assistenz hier abgegrenzt zur Pflege meint Unterstützung bei der Mobilität, bei der Arbeit im Haushalt, zur Pflege. Assistenz bei der Kommunikation mit anderen, aber als Abgrenzung zu dem reinen Pflegebegriff, den wir heute so kennen. Dieser Assistenzbegriff mit dem Anspruch auf Wohnen im Gegensatz zur Unterbringung hat dazu geführt, daß wir neue Formen des Zusammenlebens entwickelt haben. Als Beispiel soll nur kurz genannt werden: Wohngemeinschaften, die es im Raum Hannover etwa seit 1975 gibt, oder das holländische Fokusmodell. Als Videofilm haben wir ein Beispiel gesehen, ein dänisches Projekt, in dem behinderten Menschen ein persönliches Budget gewährt wird, aus dem sie den Mehraufwand, der z.B. durch die vielfältigen Formen der Assistenz anfällt, begleichen können. Ein weiteres Beispiel wären Wohngemeinschaften, wie sie z.B. von den Grauen Panthern bekannt sind. Nach der grundsätzlichen Diskussion haben wir überlegt, was dies mit der EXPO zu tun haben könnte. Wir begreifen die EXPO, insbesondere den neuen Stadtteil Kronsberg und die EXPOSiedlung, als Chance, solche neuen Formen des Wohnens zu planen, zu realisieren und leiten daraus die Forderung ab, daß die EXPO-Siedlung und der neue Stadtteil Kronsberg so gestaltet werden,

daß alle Wohnungen und öffentlichen Gebäude barrierefrei errichtet werden. Barrierefrei meint in diesem Zusammenhang nicht nur schwellenlos, damit Rollstuhlfahrer/innen hineinkommen, barrierefrei bezieht sich hier auf alle Behinderungen, also auch z.B. Einrichtungen für Sehbehinderte, damit diese sich auf dem Gelände orientieren können. Barrierefrei auch für die Infrastruktur, barrierefrei auch die öffentlichen Wege, barrierefreier Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine weitere Forderung schließen wir an: Wir wollen in der EXPO-Siedlung und dem Stadtteil Kronsberg keine Schlafstadt, sondern es soll ein lebendiger Stadtteil entstehen, eine urbane Infrastruktur. Es muß Einkaufsmöglichkeiten geben, ein Kulturzentrum, Gaststätten, Schulen und Kindergärten. Dies erst ermöglicht ein Leben im Stadtteil und verhindert, daß der Lebensmittelpunkt ins Zentrum der Stadt Hannover verlagert werden muß. Dazu benötigt der Stadtteil eine "Sozial"station neuen Typs, die Assistenzdienste anbietet. Diese sollte möglichst von ortsansässigen Selbsthilfegruppen organisiert werden. Bauliche Voraussetzungen neben der Barrierefreiheit ist, daß entsprechend viele behindertengerechte Wohnungen geschaffen werden, um vielfältige Wohn- und Lebensformen zu ermöglichen. Dazu gehören z.B. große Wohnungen mit vielen Zimmern, um die Möglichkeit zu schaffen, selbstbestimmte Wohngruppen einrichten zu können. Darüber hinaus sollte hier ein Fokus-Projekt installiert werden (zu Fokus-Projekten siehe auch "Das Fokus-Konzept als Verbindung von Wohnen und Assistenz"). Ganz wichtig scheint uns zu sein, daß die zukünftigen Bewohner bei der Planung und Realisierung beteiligt werden und mitentscheiden können. Wie kann man diese Forderungen realisieren und durchsetzen? Wir schlagen vor, eine Arbeitsgemeinschaft zu gründen, die von vornherein bei der Planung und Realisierung die Interessen behinderter Menschen mit einbringt. Wir denken, diese Arbeitsgruppe sollte durch Mitarbeiter/innen des Landesbeauftragten für Behinderte koordiniert werden. Darüber hinaus sollte die Arbeitsgruppe Kontakte zur holländischen Fokus-Bewegung knüpfen, um in einen Erfahrungsaustausch zu treten und aus deren Erfahrung zu lernen. Kontakte sollten auch zu anderen Gruppen, die sich mit der EXPO beschäftigen, bestehen, z.B. zu der Bürgerinitiative Kronsberg. Diskussion: Hinweis: Ich habe erst im nachhinein einen Artikel in der EXPO-Broschüre gelesen "Was wird aus den Mieten?", und da steht geschrieben "Heute sind die Vorstellungen andere. Häuser sollen sich der Landschaft anpassen aus gesunden einheimischen Baustoffen, sie sollen Sonnenwärme nutzen und keine Energie verschwenden. Sie sollen den Abfall minimieren und praktisch sein. Sie sollen den Kontakt unter Nachbarn fördern, in der Nähe der Arbeitsstelle liegen und außerdem noch schön aussehen. Wir können gespannt sein: 2500 solcher Traumwohnungen werden in einer kleinen EXPO-Stadt auf dem Kronsberg gebaut von den besten Architekt/en/innen der Welt. 1000 davon werden sogar als Sozialwohnungen vermietet." Das nur zum Hinweis nochmal, daß das, was wir als Forderungen aufgestellt haben, auf dem schnellsten Wege den Planungsgruppen mitgeteilt werden muß, was hier umgesetzt werden soll. Frage: Inwieweit stehen die Korrespondenzstandorte für die geplanten Fokus-Projekte bereits fest?

Antwort (K. Finke): Die Korrespondenz-Standorte stehen noch nicht fest. Ob und wo sie realisiert werden, wird davon abhängen, ob sich Betroffene finden, die die Realisierung vorantreiben. Der Vorschlag zu einer solchen Arbeitsgruppe ist ja bereits gemacht worden. Anregung: Ich denke, es wird wichtig sein, daß die, die sich mit der Planung von FokusProjekten beschäftigen, versuchen, die ersten Projekte bereits vor der EXPO zu realisieren. Dann könnte sowohl der Prozeß als auch das Ergebnis bereits auf der EXPO vorgestellt werden. Anregung: Wenn in diesen Fokus-Wohnungen auch Hörbehinderte wohnen sollen, dann ist es wichtig, daß deren Bedürfnisse bei der Planung berücksichtigt werden. Entsprechende Vorschläge sind in der Tagungsmappe dokumentiert. Hinweis : Normalerweise wohnen in Fokuswohnungen körperlich behinderte Menschen, die einen Bedarf an Assistenz haben. Wenn jemend körperlich behindert und zusätzlich hörbehindert ist, so kann er die Vorteile einer Fokus-Wohnung natürlich nutzen.

Ingolf Österwitz

Das Fokus-Konzept als Verbindung von Wohnen und Assistenz 1.0 Fokus-Wohnen Das wohl bekannteste Wohnkonzept für körperlich behinderte Menschen sind die Fokusprojekte in Holland. Sie sind über das ganze Land verteilt, ein Projekt besteht aus bis zu 15 angepaßten und zugänglichen Wohnungen unterschiedlicher Größe (oft 3-Zimmer-Wohnungen) und einer Assistenz-Zentrale in der räumlichen Mitte des Projektes, die rund um die Uhr mit Assistenten/innen, nachts mit einer Kraft besetzt ist. Die Wohnungen liegen zumeist verstreut in einem Neubaugebiet oder Sanierungsgebiet in einer Entferniung von maximal 300 Metern zur Zentrale. Zwischen Zentrale und Wohnungen besteht eine Sprechfunkverbindung, die Helfer/innen verfügen außerdem über ein mobiles Sprechfunkgerät, so daß sie auch während eines Einsatzes erreichbar sind und Nachricht geben können, wann sie kommen können. 1.1 Bewohner und ATL-Assistenz Die Bewohner/innen sind körperlich behinderte Menschen mit einem Bedarf an ATLAssistenz (sinngemäß Aktivitäten des täglichen Lebens). Bei uns würde man sagen, sie sind pflegeabhängig. Alle möglichen Behinderungen sind vertreten, entscheidend ist der Bedarf an ATLAssistenz, die bis zu 30 Stunden pro Woche in Anspruch genommen werden kann. ATL-Assistenz umfaßt in der Regel körper-bezogene Hilfen; sie umfaßt keine Haushaltshilfe, wie Putzen der Wohnung oder die Zubereitung von Nahrung. Die Assistenten/innen suchen eine Wohnung nur dann auf, wenn eine Anfrage seitens der Bewohner/innen kommt. Es gibt keine Kontrollgänge, ob jemand Hilfe braucht oder ob irgendwelche Regeln nicht beachtet worden sind. Es gibt sie nicht. Jede/r Bewohner/in hat einen Mietvertrag mit der Wohnbau-Gesellschaft, die Eigentümerin der Wohnungen ist. Es sind somit die vollen Rechte und Pflichten eines Mieters/einer Mieterin gegeben. Eine Fokus-Wohnung kann nur mieten, wer Assistenzbedarf hat und ihn auch artikulieren kann. Die Anleitungskompetenz, d.h., die Art und Weise, wie die Hilfe gegeben werden soll, liegt

ebenfalls bei der Bewohnerin/dem Bewohner. Es erfolgt keine Pflege wie im Krankenhaus nach dem fachlichen Selbstverständnis der "Schwestern", sondern nach den Vorstellungen und Gewohnheiten des Bewohners/der Bewohnerin. Diese Regelung ist ein Prinzip bei allen Projekten, um die Privatheit und Unabhängigkeit zu sichern. Es sollen sich keine traditionellen Betreuungsverhältnisse einschleichen. Bewohner/inen können Einzelpersonen oder Familien mit einem behinderten Mitglied sein. Die Assistenten/innen kommen aus verschiedenen Berufen, sie erhalten Grundkurse in Hebetechniken und über die "Philosophie" der Fokus-Idee. Es wird vorausgesetzt, daß Behinderte für sich selbst Verantwortung übernehmen wollen und können. (An dieser Stelle sei auf andere Wohntrainings-Projekte verwiesen, die es ermöglichen, ein selbstbestimmtes Wohnen und Leben zu erlernen. Auch in Deutschland sind von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung Körperbehinderter in Hannover bereits 1976 solche Trainingswohnungen eingerichet worden.

1.2 Abrechnung der Leistungen Die ATL-Assistenz wird zu Abrechnungszwecken in einem Viertelstundentakt dokumentiert, wobei jede angefangene 1/4 Stunde als Einheit gilt. Diese Zeiten werden summiert und monatlich der Stiftungszentrale zur Abrechnung gemeldet. Diese stellt der Bewohnerin/dem Bewohner die Kosten in Rechnung oder in Form der Abtretung direkt der dafür zuständigen Volksversicherung. Die ATL-Leistungen werden von dem Allgemeinen Erwerbsunfähigkeitsgesetz (AAW) (siehe Infoblatt in dt. Sprache, herausgegeben vom Ministerie van Soziale Zaken en Werkgelegenheid) einkommensunabhängig gewährt. Vergleicht man diese Leistungen mit den Pflegeleistungen bei uns, so schneidet unser Nachbarland deutlich besser ab. Ein/e berufstätige/r Schwerstpflegebedürftige/r ohne Ansprüche nach dem BSGH erhält von der KK maximal 20 Pflegestunden pro Monat oder ersatzweise 400 DM. Würde er/sie in den Niederlanden leben, so könnten monatlich 120 Stunden an reiner Pflege-leistung in Anspruch genommen werden, ohne Rücksicht auf das Einkommen. In den letzten Monaten ist durch Änderung des Gesetzes eine minimale Eigenbeteiligung eingeführt worden, der Kern der Leistung ist nicht verändert worden. Die Finanzierung der Assistenz in Deutschland ist durch die einschlägigen Gesetze möglich. Probleme ergeben sich für diejenigen Behinderten, die voll berufstätig sind und wegen der Nachrangigkeit des BSHG unter Umständen keine Ansprüche geltend machen können.

1.3 Management und Organisation Die gesamten Fokus-Projekte werden von einer Zentrale (Sitz der Stiftung) aus geleitet. Sie ist für die Abrechnung der geleisteten Assistenz, für die Beratung der Bewohner/innen, für die Einstellung von Assistenten/innen, für größere Konfliktregelungen zwischen allen Beteiligten und die Planung und Errichtung neuer Projekte zuständig. Knappe 40 Projekte, über das ganze Land verteilt, sind errichtet worden, etwa 500 angepaßte Wohnungen stehen damit zur Verfügung. Die Geschäftsführung der Stiftung ist einem Vorstand, der mehrheitlich aus Betroffenen besteht, rechenschaftspflichtig. Außerdem gibt es eine Mitgliederversammlung der Stiftung, die jährlich tagt. Die Stiftung ist konsumenten-orientiert, der Selbstbestimmung der Betroffenen verpflichtet und sorgt für Kontinuität und gute Qualität der Assistenz. Es werden auch Seminare und Workshops organisiert, bei denen Betroffene ihre Kompetenz für ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen erweitern können.

Die Fokus-Idee ist eine gelungene Verbindung von barrierefreier Stadtteilplanung, angepaßtem Bauen und Assistenz nach den zeitlichen und inhaltlichen Vorstellungen der Bewohner/innen.

Arbeitsgruppe 3: Einbeziehung der Lebenswelt behinderter Menschen in den EXPO-Themenpark Moderator: Detlev Jähnert Unsere Gruppe hatte den Vorteil oder den Nachteil, je nachdem, wie man es sehen will, daß wir kein so ganz konkretes Thema hatten, - im Rahmen der in den EXPO-Papieren vorgeschlagnenen" weltumfassenden Infobörse" konnten wir uns mehr theoretisch um das "Elend der Welt kümmern", und haben dies auch getan. Das bereitet jetzt allerdings Schwierigkeiten, einen Bericht zu geben. Wir haben uns in der Gruppe geeinigt, daß wir hier nur einige Forderungen vorstellen werden. Die erste Forderung lautet, daß behinderte Menschen viel stärker, als dies in dem vorgelegten EXPO-Papier deutlich wird, an der Vorbereitung beteiligt werden müssen. Wir haben das konkretisiert und waren der Ansicht, daß eine Expertengruppe behinderter Menschen an der Vorbereitung der EXPO beteiligt werden muß. Diese Gruppe sollte integraler Bestandteil und Beratungsstab der EXPO-Planungsgruppe in der Staatskanzlei werden. An dem vorgelegten Papier wurde kritisiert, daß die Personengruppe der schwerstbehinderten und die Gruppe der geistigbehinderten Menschen nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Hier muß noch mal nachgedacht werden, wie diese behinderten Menschen ihre spezifischen Interessen besser in die Vorbereitung zur EXPO einbringen können. Als nächstes möchten wir anregen, daß im Rahmen der geplanten/geforderten weltumfassenden Infobörse nicht nur dargestellt wird, was ist, sondern auch was wir an Zukunftsentwicklungen haben wollen. Für unsere Gruppe war ganz wichtig, festzustellen, daß alle Forderungen dieser Fachtagung natürlich auch unabhängig von der EXPO ihre Gültigkeit haben. Kritisch angemerkt wurde in unserer Gruppe, daß wir immer darüber reden, daß wir unsere Ziele in die EXPO einbringen wollen, aber wir bis heute nicht wirklich geklärt haben, was denn eigentlich unsere Ziele sind. Hier wurde speziell an der Behindertenbewegung kritisiert, daß sich diese immer ein aktuelles Thema raussucht, fürchterlich aufgeregt reagiert, möglichst zwei Presseerklärungen produziert und dann ist es das gewesen. Was fehlt, ist eine durchgängige Zielbestimmung. Ich zitiere: "Wir reden schon über die Dekoration der Tische zur EXPO, haben aber die Inhalte noch nicht geklärt." Im zweiten Teil unserer Gruppenarbeit hat dann jede/r die fünf Punkte aufgeschrieben, die für ihn/sie wichtig wären, wenn er/sie die weltumfassende Infobörse vorbereiten müßte. Ich will diese Punkte hier nicht referieren. Deutlich wurde aber dabei, daß wir alle Probleme hatten, uns darauf einzulassen, von den Problemen der anderen zu lernen. Aufgeschrieben wurden überwiegend Probleme, die wir hier haben, über den Tellerrand zu gucken fällt eben sehr schwer. Dabei ist uns auch

aufgefallen, daß diese Probleme, verglichen mit denen, die Menschen in der dritten Welt haben dürften, Luxusprobleme sind und Gäste aus z.B. Somalia unsere Probleme wohl kaum verstehen würden. Wir müssen uns davor hüten, unsere Erfahrungen ungeprüft auf die Situation in der dritten Welt zu übertragen. In der Gruppe bestand Einigkeit, daß wir hier noch sehr viel mehr Sensibilität entwickeln müssen. In diesem Zusammenhang stellt sich z.B. die Frage (und wir haben da sehr große Bedenken), ob z.B. eine Werkstatt für Behinderte für die dritte Welt empfehlenswert ist.

Diskussion: Ergänzung: In unserer Gruppe wurde deutlich,, daß sehr vieles im Zusammenhang mit der EXPO im Vorfeld bearbeitet werden muß, über Tagungen, über Zusammenkünfte oder auch Kongresse, die für die verschiedenen Bereiche der EXPO Anregungen entwickeln . Hier muß sehr viel Wissen gebündelt werden, wir wissen nicht alles, andere wissen auch viel, das zusammengefaßt kann dann ein gutes Ergebnis werden. Auch für die sog. Dritte Welt können wir nur über die geplante Infobörse Hilfen anbieten, in dem wir möglichst viel Material zur Verfügung stellen. Anregung: Ich möchte doch dringend bitten, daß die Ergebnisse der heutigen Fachtagung veröffentlicht werden. Damit wären wir schon einen erheblichen Schritt weiter. Dann hätten die EXPO-Planer die Forderungen der behinderten Menschen schwarz auf weiss und könnten sich auch daran orientieren. Ergänzung: In unserer Gruppe ist auch überlegt worden, daß im Anschluß an diese Tagung an den Themen weitergearbeitet werden muß, aber das wurde ja auch schon von den anderen Gruppen gefordert.

Arbeitsgruppe 4: Stadt und Region als Exponat Moderator: Reinhard Mechow Wir haben zunächst einmal in der Gruppe versucht, abzuklären, mit welchen Erwartungen sind die Teilnehmer/innen in die Arbeitsgruppe gegangen. Dabei hat sich herausgestellt, es geht den Teilnehmer/n/innen einerseits um Kreativität und Kunst behinderter Menschen, internationaler Austausch und Partizipation behinderter Menschen an Entscheidungen sowie nicht nur den Raum Hannover, sondern auch die Umgebung Hannovers mit zu betrachten. Wir haben dann zu den einzelnen Punkten einige konkrete Vorstellungen entwickelt, die ich jetzt vortragen möchte: Zum internationalen Bereich wurde gesagt, daß es dringend erforderlich ist, in Hannover bis zur EXPO kontinuierlich mehr behindertenfreundliche Unterkünfte bereitzustellen. Das, was bisher vorhanden ist, wird zur Durchführung der EXPO mit ca. 50 Millionen Besucher/n/innen bei weitem nicht ausreichen. Es wurde auch ein konkreter Vorschlag in der Gruppe gemacht: Es wurde der Vorschlag von "Disability Art" begrüßt, zum Bereich der Kreativität einen internationalen Kongreß durchzuführen und dies nicht mit dem Hintergrund, was wir hier "Tolles" geleistet haben, sondern auch von anderen Ländern zu lernen, wie es dort gemacht wurde und wird. Das gleiche soll passie-

ren zum Themenbereich "Internationales Jahr der Behinderten - 1981" . Das wird dann zwar schon sehr lange zurückliegen, bietet aber dennoch die Möglichkeit, im internationalen Rahmen eine Bestandsaufnahme herzustellen. Was ist bisher von den damals ausgesprochenen Empfehlungen in den verschiedenen Ländern erreicht worden, und was muß noch getan werden? Als nächstes haben wir uns mit dem Bereich "Lebensqualität behinderter Menschen" beschäftigt. Es ging uns darum, exemplarisch an bestimmten Beispielen dieses Thema in der Stadt und der Region vorzustellen. Es kam der Vorschlag, Stadtteile bis zur EXPO behindertengerecht umzugestalten und dabei die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen beispielhaft vorzuleben. Wir haben dann ein Modell entwickelt, das wir "Zentrum für selbstbestimmtes Leben" genannt haben. Dieses Zentrum soll verschiedene Bausteine beinhalten, u.a. den Baustein "Beratung", hier Beratung durch Betroffene, den Baustein "unabhängige Hilfsmitttelberatung", gekoppelt mit dem Verleih von Hilfsmitteln und einem Service für Hilfsmittel. Es ist eigentlich unfaßbar, daß es selbst in einer Großstadt wie Hannover keinen Pannendienst , z.B. für Rollstuhlfahrer, gibt. Bestandteil dieses Zentrums sollten darüber hinaus mehrere Veranstaltungs- ,Beratungs- und Büroräume sein, damit dieses Zentrum auch als Selbsthilfezentrum genutzt werden kann, welches in Hannover immer noch fehlt. Wir haben dann im Zusammenhang mit dem Thema der EXPO "Mensch, Natur, Technik" festgestellt, daß gerade der Bereich Naherholung für Menschen mit Behinderungen einen großen Stellenwert hat, und empfehlen daher, insbesondere den Bereich Steinhuder Meer behindertengerechter zu gestalten. Der nächste Schwerpunktbereich unserer Arbeitsgruppe "Partizipation" setzt voraus, eine Analyse zu erstellen, was gibt es bisher an Beteiligungsmöglichkeiten von behinderten Menschen in dieser Stadt und Region, um dann die Ergebnisse der Analyse dazu zu nutzen, von einer informellen zu einer formellen, zu einem konkreten Vetorecht, wie es auch anderen Minderheiten zugestanden wird, zu gelangen. Partizipation muß sich aber auch widerspiegeln in Verbänden, z.B. Wohlfahrtsverbänden. Auch hier müssen Menschen mit Behinderungen an Entscheidungen beteiligt werden. Diese Partizipation kann durch einen Beirat, durch Behindertenbeauftragte oder eben auch durch Zusammenschlüsse von Selbsthilfegruppen realisiert werden und muß die drei Entscheidungsbereiche - Politik, Administration und Verbände- betreffen. Ein weiterer Punkt, den wir anregen möchten, in die Planung zur EXPO aufzunehmen, ist eine Soll/Ist-Analyse über den sozialen Status der sozialen Hilfssysteme in Hannover im Vergleich zu anderen europäischen oder Weltstädten, um deutlich zu machen, wo stehen wir, wo müssen wir hin, was muß noch getan werden. Wichtig ist, zu betonen, daß alle diese Punkte, gerade auch in Bezug auf die EXPO, Punkte sind, die die Weiterentwicklung der Stadt bedeuten, sprich: Stadtplanungs/Entwicklungspolitik sind und auch ohne EXPO einen wichtigen Rang haben und weiterbearbeitet werden müssen. Es ist dann noch einmal die Frage gestellt worden, wie die Weiterarbeit nach dieser Tagung aussehen soll. Wir schlagen vor, eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zu gründen, die sich um die Themen kümmert, die heute auch hier besprochen wurden. Diese Arbeitsgruppe muß Kontakt halten zur EXPO-Gesellschaft und zu den bereits tagenden Arbeitsgruppen. Eine Anbindung dieser Gruppe an den Landesbeauftragten für Behinderte halten wir für sinnvoll.

Diskussion:

Hinweis: Ich gehe davon aus, daß das ganze läuft wie zur Hannover-Messe, daß etwa ein halbes Jahr vorher ein Katalog gedruckt wird. In diesem Katalog wird dann mit Sicherheit aufgeführt sein das Deutsche Rrote Kreuz und Anlaufstellen von Kirchen. Ich halte es für dringend erforderlich, daß in diesem Katalog dann auch die Anlaufstelle für Behinderte genannt wird. Eine andere Frage ist, ähnlich wie zur Hannover-Messe, laufen auf der Hannover-Messe junge Leute mit einem Fragebogen herum? So könnte u.a. auf der EXPO ermittelt werden, wieviele Behinderte sind denn tatsächlich zur EXPO gekommen? Frage: 1993 fängt das neue Europa an. Haben wir bis zur EXPO noch eine Gleichschaltung der sozialen Gesetze zu erwarten, oder wird es weiterhin nationale Behindertengesetze geben? Hinweis:Es ist eine Harmonisierung des Sozialgesetzbereiches in der EG geplant, und ich würde dringend empfehlen, daß vom Landesbehindertenbeauftragten zu diesem Thema eine Tagung angeboten wird. Hinweis: Zur Durchführung der bereits angesprochenen Arbeitsgruppen brauchen wir ein ständiges Sekretariat. Ich möchte anregen, daß dies vom Büro des Landesbehindertenbeauftragten übernommen wird. Einwand: Bei der weiteren Verfolgung der hier bisher genannten Ziele haben wir die behinderten Kinder völlig ausgeschlossen. Bei der weiteren Arbeit müssen wir deren Bedürfnisse ebenfalls berücksichtigen. Frage: Ich will noch einmal grundsätzlich auf die EXPO zu sprechen kommen, hier insbesondere die Finanzierung. Ich finde, daß dies noch ein ziemlich ungeklärtes Projekt ist und gerade, wenn wir unseren Bereich sehen, müssen wir Klarheit darüber schaffen, welche finanziellen Mittel uns eigentlich zur Verfügung stehen. Hier würde ich Herrn Finke bitten, dieser Frage nachzugehen. Zweitens sollte unbedingt geklärt werden, was passiert eigentlich nach der EXPO?. Die Stadt Hannover ist heute schon pleite. Was soll denn nach der EXPO sein? Hat sie dann mehr Geld zur Verfügung oder wird in der Folge der Sozialetat noch mehr zusammengestrichen? Kann das heißen, daß Projekte nach der EXPO eingestellt werden müssen, weil kein Geld für Personal mehr da ist? Die gleiche Frage stellt sich natürlich auch für das Land Niedersachsen. Diese Fragen müssen wir vorher klären, damit unsere Konzepte nicht nur Konzepte zum Vorzeigen auf der EXPO werden, sondern sich in der Praxis konkret umsetzen. Einwand: Ich will an dieser Stelle einmal ein anderes Beispiel nennen: Vorhin wurde vorgeschlagen, das Hilfsmittellager zu einem Pannendienst auszubauen. Die Realität ist aber, daß das städtische Hilfsmittellager z.Z. wegen Geldmangel geschlossen werden soll. Ich fürchte, wir sehen hier nur das Positive und blenden die Realität aus. Einwand: Ich gebe zu bedenken, daß die Bildung eines behindertengerechten Stadtteiles einer Ghettobildung gleichkommt, und das würde ich ablehnen.

Verabschiedung Meine Damen und Herren,

die Arbeitsgruppen haben Ihre Ergebnisse vorgetragen. Sie sind breit diskutiert worden. Finanzpolitische Krisenzenarien wird es immer geben. Wir wissen, daß, wenn wir uns zu unseren Vorstellungen nicht äußern, diese auch nicht realisiert werden.Meine Aussage, wir wollen die Politiker daran messen, was sie vor der Bürgerbefragung gesagt haben, war auch darauf gemünzt, daß vor der Bürgerbefragung keiner vom Finanzchaos gesprochen hat und nach der Bürgerbefragung das Chaos auf einmal groß gezeichnet wurde. Dahinter können ja auch Interessen stecken. Wir haben schon gesagt, daß das, was an Anregungen zu den von uns vorgelegten Papieren gekommen ist, diese ergänzt. Alle von uns vorgelegten Papiere haben weiterhin Bestand und werden um die heutigen Anregungen ergänzt werden müssen. Für unsere Arbeit habe ich insbesondere zwei Vorschläge mitgenommen: 1. Wir werden eine Arbeitsgruppe einrichten, die an der Realisierung von Fokus-Projekten in Niedersachsen arbeitet; Federführung wird Detlev Jähnert haben und ich hoffe, Prof. Ingolf Österwitz wird uns unterstützen. 2. Wir werden ein Plenum einrichten von Betroffenen, die sich mit den verschiedenen Facetten der EXPO befassen und die sich an der Vorarbeit zu den EXPO-Arbeitskreisen beteiligen. Ich denke, es muß Auftrag dieser Gruppe sein, aus informeller eine formelle Mitarbeit zu machen. Diese Gruppe werde ich koordinieren. Zum Schluß möchte ich Sie alle bitten, die über diese Tagung erstellte Dokumentation, die wir ihnen in einigen Wochen zuschicken werden, in Ihrer Region zu verbreiten und zu diskutieren, um so zu ermöglichen, daß Mitbestimmung und Partizipation behinderter Menschen sich auch in der EXPO-Realisierung widerspiegeln. Dasd deckt sich dann mit unserem Arbeitsschwerpunkt für das nächste Jahr. Wir werden 1993 Veranstaltungen zur Stärkung der Partizipation behinderter Menschen in der Region durchführen.Ich möchte mich bei allen bedanken, die heute mitgearbeitet haben und auch zukünftig mit uns zusammenarbeiten. Mir hat es neue Erkenntnisse gebracht und Freude gemacht; ich hoffe, Ihnen auch. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Heimweg. Karl Finke

Norddeutscher Rundfunk – Radio Niedersachsen Mitschnitt eines Ruundfunkberichtes vom 5. September 1992 Die EXPO neuen Typs, die Hannover im Jahre 2000 veranstalten will, erfordert eine große Beteiligung aller Bürger. Dazu gehören auch die etwa 600 000 behinderten Menschen in Niedersachsen. Wie sie an der Weltausstellung mitwirken wollen, welche Forderungen sie stellen, das war heute Thema einer Fachtagung in Hannover unter dem Motto "EXPO 2000 - Forderungen der behinderten Menschen in Niedersachsen".

Martin Reckweg berichtet: "Möglichst viele Behinderte aus ganz Niedersachsen sollen sich an den Planungen zur Weltausstellung beteiligen." So wünscht es sich der Landesbeauftragte, Karl Finke. Die Tagungsteilnehmer kamen nicht nur aus Hannover, wo 70 000 Behinderte leben, sondern auch aus Osnabrück, Oldenburg, Braunschweig und anderen Teilen des Landes. Schon seit 1989 arbeiten Behinderte in den verschiedensten EXPO-Gruppen mit. "Die Weltausstellung müsse", so Finke, "in allen Bereichen behindertenangepaßt sein". Finke: "Dies muß sich widerspiegeln in den vorgelegten Themenschwerpunkten der EXPO, sei es im Bereich -Stadt und Region als Exponat - sei es im Bereich internationaler Projekte, sei es in der EXPO-Siedlung oder sei es auch im Themenpark". Eine Aufgabe der Behinderten sei es, darauf zu achten, daß das Konzept der Weltausstellung kein Werbepapier sei, dem die Bürger nur zustimmen dürften. Die Mitbestimmungsrechte von Behinderten, auch in politischen Gremien, gelte es auszubauen. Die EXPO 2000 ist lt. Finke keine Sache für Hannover allein, sondern ein Projekt, in dem sich die soziale Landschaft in Niedersachsen widerspiegelt und mit dessen Hilfe auch die soziale Landschaft verändert werden kann. In Arbeitsgruppen wurde an ganz konkreten Forderungen gearbeitet. Stichwort: "Wohnen": Beim Bau der EXPO-Siedlung und beim neuen Stadtteil Kronsberg sollen die Wohnungen barrierefrei sein. Außerdem können in mehreren Städten Niedersachsens neue Formen des Zusammenlebens erprobt werden wie das Projekt "Fokus". Behinderte und Nichtbehinderte leben dabei in der gleichen Wohnanlage. Individuelles Wohnen und Pflege sind miteinander verbunden. Die Behinderten können jederzeit Unterstützung von einer Zentrale anfordern. Ein Selbsthilfezentrum in Hannover, daß z.B. auch eine Pannenhilfe anbietet, wäre ein Projekt zum Thema "Stadt und Region als Exponat". Neben diesen ganz konkreten Fragen soll es bei der EXPO auch um den weltweiten Erfahrungsaustausch für behinderte Menschen auf der ganzen Welt gehen.

Norddeutscher Rundfunk - Radio Niedersachsen Abschrift eines Ruindfunkbwerichtes vom 7. September 1992 Eine Weltausstellung neuen Typs soll es im Jahr 2000 in Hannover geben. Widersprüche und Konflikte sollen nicht ausgeklammert werden. Auch für die 600 000 Behinderten in Niedersachsen ist die EXPO ein Thema. Sie wollen sich einmischen, mitreden und mitgestalten. Welche Wünsche und Forderungen sie im einzelnen haben, war Thema einer Tagung am Wochenende in Hannover, zu der der Landesbeauftragte der Behinderten , Karl Finke, eingeladen hatte. Martin Reckweg war für uns dabei: Kaum eine andere Gruppe außerhalb der Gesellschaft außerhalb von Politik und Wirtschaft hat sich so eindringlich beim Thema "EXPO" zu Wort gemeldet wie die Behinderten. Das überrascht wohl diejenigen, die Behinderte wohl eher an den Rand der Gesellschaft drängen möchten, doch dem treten die Betroffenen energisch entgegen.

"Wir möchten gerne als Teil der Stadt betrachtet werden und deshalb auch an der Weiterentwicklung der Stadt in Richtung EXPO mitarbeiten, weil schließlich 12% der Bevölkerung Hannovers auch Behinderte sind, und diese Menschengruppen darf man einfach nicht außen vorlassen. Deshalb haben wir von Anfang an, als es um die EXPO ging, gesagt, wir möchten daran beteiligt werden und keine EXPO ohne unsere Beteiligung. " "Möglichst viele Behinderte aus Niedersachsen sollen sich an der EXPO-Planung beteiligen", hofft Karl Finke, der Landebeauftragte. Für ihn ist die Weltausstellung auch ein großes soziales Projekt. Finke: "Die EXPO 2000 ist kein Projekt für Hannover, sondern ist ein Projekt, in dem sich die soziale Landschaft in Niedersachsen in bestimmten Projekten widerspiegeln kann und in der man verdichtet über die EXPO auch die soziale Landschaft innerhalb Niedersachsens und darüber hinaus deutlich verändern kann." Unter dem Stichwort "Partizipation/Teilhabe" wollen die Behinderten für mehr Mitbestimmung kämpfen. Bisher gibt es keine gesetzlich geregelte Form für eine solche Beteiligung auch in politischen Gremien, und darin besteht eine gedankliche Verbindung zur Weltausstellung. Die EXPO als Vehicle, um mehr politische Mitsprache zu erreichen, so, wie es die Frauen auch geschafft haben. Die Behinderten arbeiten daneben an sehr konkreten Projekten, die im Zusammenhang mit der EXPO umgesetzt werden sollen. "Ein Selbsthilfezentrum in Hannover paßt in eine Weltausstellung, bei der nicht nur das Gelände, sondern auch Stadt und Region Teil der EXPO sind", meinte ein Tagungsteilnehmer, und "es könnte folgende Aufgaben übernehmen: z.B. für die Selbsthilfegruppen administrative Unterstützungen oder z.B.dort ansiedeln, so etwas wie eine Art "Pannenhilfe" zu organisieren. Es gibt nämlich in der Stadt Hannover z.Z. keine Pannenhilfe, d.h., wenn Sie mit einem Platten in der Stadt irgendwo liegenbleiben, müssen Sie sehen, wie Sie nach Hause kommen. Entweder haben Sie einen, der Sie holt, oder Sie stehen halt da. Das wären so einige, auch praktische, Punkte für einen Bereich, den es tatsächlich gibt, nämlich Mobilität in der Stadt, aber eben noch nicht so ausgebaut und in dieser Form sicher auch in anderen Städten noch nicht praktiziert ." Wenn auf dem Ausstellungsgelände, dem Kronsberg bei Hannover, eine EXPO-Siedlung und ein neuer Stadtteil entstehen, dann müssen die Wohnungen barrierefrei gebaut werden, d.h., ohne Hindernisse für Rollstuhlfahrer, mit Aufzügen, mit akustischen und optischen Hilfen für Blinde und Gehörlose, - so lautet die Forderung, und - neue Formen des Zusammenlebens können erprobt werden. Professor Ingolf Österwitz aus Hildesheim erklärt, wie das "Fokus-Projekt" funktioniert: Zu einem Fokus-Projekt, wie es in Holland und Schweden verwirklicht ist, gehören in der Regel bis zu 15 Wohnungen, die verstreut in einem Wohngebiet liegen, und zu diesen 15 Wohnungen, die individuell von behinderten Leuten angemietet sind, gehört eine sog. Fokus-Zentrale, wo Hilfskräfte rund um die Uhr zur Verfügung stehen, um individuelle Hilfestellungen oder auch Pflege (nennen wir es ruhig so) zu leisten." Ein Modellprojekt, das neben Hannover auch in anderen Städten des Landes eingerichtet werden könnte. Beim Stichwort "Verkehr" geht es vor allem um behindertenfreundliche Bahnhöfe, Parkplätze, Busse und Zufahrten zum Ausstellungsgelände. Dies ist weniger ein Problem bei neuen Anlagen als bei

den schon bestehenden. Der Hauptbahnhof in Hannover gilt für viele als Negativbeispiel, weil hier behinderte Menschen nicht selbständig zurechtkommen. Und auch die Behindertenparkplätze auf dem Messegelände sind viel zu weit weg. Die Ergebnisse der Tagung sollen ausgewertet und dann in die konkreten EXPO-Planungen eingearbeitet werden.

Behindertengerechter Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zur EXPO 2000 1. EXPO 2OOO - WAS WILL SIE? •

"Die EXPO 2000 wird ein Fest der Weltgemeinschaft sein, zu dem sich vertraute und fremde Kulturen treffen in gegenseitigem Respekt und gemeinsamer Freude.



Die EXPO 2000 wird ein Signal für Menschen, Unternehmen,Organisationen und Nationen sein, gemeinsam über alle staatlichen Grenzen hinweg an den globalen Herausforderungen der Menschheit zu arbeiten.



Die EXPO 2000 soll das weltweite Forum sein, um über eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft unserer Erde zu reden.



Die EXPO 2000 ist für die Bundesrepublik Deutschland die Chance, sich als Partner und Moderator des weltweiten Gesprächs über unsere Zukunft zu bewähren.D



Die EXPO 2000 wird ein wichtiges Ereignis sein, um die politische und ökonomische Kompetenz und Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen.



Die EXPO 2000 bringt der Bundesrepublik Deutschland aber auch handfeste ökonomische Vorteile (...)" (aus Konzeption EXPO 2000 in Hannover, zur Vorlage für den Lenkungsausschuß, 1992, Seite 13).

2. WAS WOLLEN DIE BEHINDERTEN MENSCHEN? •

Mitfeiern - also ein Fest, das weder Behinderte (z.B. durch Barrieren) oder Benachteiligte (z.B. über den Eintrittspreis)ausschließt. Wir wollen fremde und vertraute Kulturen treffen; dazu brauchen wir Gebärdendolmetscher, in Blindenschrift geschriebene Programme, Ausstellungen, die "ertastbar" sind, und vor allem für uns geeigneten Raum zur Begegnung.



Mitarbeiten an den Lösungen für die globalen Herausforderungen, vor allem, um zu verhindern, daß wir, egal in welchem Land und bei welcher Entwicklung, ausgeschlossen werden.



Verdeutlichen, daß zur Zukunft der Erde auch behinderte Menschen gehören, daß deren Integration in allen Lebensbereichen auch zur Zukunft gehört.



Das Gespräch ausweiten und weltweit die Erfahrungen, Schwierigkeiten und Ausgrenzungen behinderter Menschen problematisieren.



Dafür Sorge tragen, daß die ökonomische und politische Kompetenz auch dafür eingesetzt wird, die Lebenssituation behinderter Menschen ständig zu verbessern.

3. WIE SIND UNSERE CHANCEN? Das ist schwer einzuschätzen, dürfte aber wesentlich davon abhängen, wie stark wir darauf pochen, an den Planungen zur EXPO 2000 unmittelbar und direkt beteiligt zu werden. Wir müssen die Kompetenz, die wir für unsere Bedürfnisse am besten selbst vertreten können, einbringen und die Planer zwingen, auf unsere Bedürfnisse einzugehen. 4. IST DAS WIRKLICH NOTWENDIG? Folgendes Zitat belegt, wie wichtig dieses ist: "Grundelemente des Umsetzungskonzeptes (...) Eine Verkehrsinfrastruktur, die den mit der Weltausstellung verbundenen Verkehr umweltfreundlich bewältigt und gleichzeitig für eine sinnvolle Nachnutzung zur Verfügung steht" (Konzept EXPO 2000, Seite 14). Also umweltfreundlich und nachnutzbar ist angesagt - aber wo bleiben die behinderten Menschen? Warum nicht umweltfreundlich, behindertengerecht und nachnutzbar? 5. FORDERUNGEN AN EIN BEHINDERTENGERECHTES VERKEHRSKONZEPT ZUR EXPO 2000 Bei der Planung eines Verkehrskonzeptes für die EXPO 2000 ist aus unserer Sicht zu fordern, daß dieses Konzept so beschaffen sein muß, daß alle Mobilitätsbehinderten berücksichtigt werden. Auch wenn es sich scheinbar widersprechende Ziele gibt, ist zu beachten, daß die Teilnahme am ÖPNV unnötig erschwert wird: wenn für Rollstuhlfahrer/innen -

der Einstieg in Züge, Busse und Bahnen so hoch liegt, daß die Fahrzeuge nicht ohne Hilfen zu erreichen sind

-

die Einstiegsbreite der Türen zu schmal ist oder durch in der Mitte angebrachte Einstiegshilfen geteilt wird

-

kein Stellplatz zur Verfügung steht, der einen sicheren Stand für Rollstühle gewährleistet

-

Rufanlagen oder Halteknöpfe zu hoch angebracht sind.

wenn für kleinwüchsige Menschen -

nicht entsprechend niedrig montierte Sitze vorhanden sind

-

nicht entsprechend niedrig angebrachte Bedienungselemente und Haltegriffe zur Verfügung stehen.

wenn für hörbehinderte Menschen

-

Durchsagen nur akustisch und nicht gleichzeitig auch visuell angeboten werden.

wenn für blinde Menschen -

weiterhin Informationen über Fahrpläne usw. nur optisch angeboten werden

-

Durchsagen, z.B. über die nächste Haltestelle , in der heute noch üblichen schlechten Akustik gestaltet werden.

wenn für gehbehinderte Menschen -

unnötig hohe Stufen zum Einstieg in die Fahrzeuge zu überwinden sind

-

die Mittelstange im Eingangsbereich die Mitnahme von Gehhilfen erschwert

-

die Höhe der Sitze zu niedrig ist

-

keine geeigneten Haltegriffe vorhanden sind.

Bei Vermeidung dieser Hinderungsgründe ergibt sich ein Verkehrssystem, das durch alle Mobilitätsbehinderten genutzt werden kann.

6. WAS IST ALSO ZU TUN? "Bis zu 300.000 Menschen werden täglich zur EXPO 2000 anreisen. Der wesentliche Teil dieses Verkehrs wird nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln ökonomisch und ökologisch sinnvoll abgewickelt werden können, und zwar mit Fern- und Regionalzügen der Eisenbahn, mit der S-Bahn und der Stadtbahn sowie mit Sonderzügen " (EXPO 2000 Konzept, Seite 27).

Folgende Schienenstrecken des Nahverkehrs sollen nach der jetzigen Planung gebaut werden: -

"S-Bahn Mellendorf-Langenhagen mit oberirdischer Stichstrecke zum Flughafen Hannover/Hbf. - Messe/EXPO-Laatzen

-

Stadtbahnlinie D Hannover/Innenstadt-Kronsberg/EXPO"

Um den Anspruch, eine EXPO neuen Typs zu sein, zu verdeutlichen, ist zu fordern, daß alle neugebauten Strecken uneingeschränkt von Mobilitätsbehinderten genutzt werden können. Dazu ist es notwendig, daß für die Stadtbahnlinie D und die S-Bahnlinie •

an jeder Haltestelle, an der kein ebenerdiger Zustieg möglich ist, ein Hochbahnsteig eingerichtet wird



sollten sie teilweise unterirdisch geführt werden, an jeder Haltestelle ein Aufzug eingerichtet wird



um einen ungehinderten Zugang für ältere Menschen, für Personen mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer/innen zu er-möglichen, auf die Mittelstange verzichtet wird



das Informationssystem an den Haltepunkten und in den Zügen sowohl akustisch wie optisch und kontrastreich gestaltet wird. Dabei muß zur besseren Orientierung für Menschen, die nicht lesen können, zusätzlich mit Symbolen gearbeitet werden.



in den Zugabteilen geeignete Standplätze für Rollstühle und Kinderwagen vorhanden sind



für Kleinwüchsige, Kinder und Rollstuhlfahrer/innen Entwerter, Haltegriffe und Bedienungselemente entsprechend tiefer angebracht werden



für Kleinwüchsige eine ausreichende Anzahl an niedrigeren Sitzplätzen eingeplant wird



für blinde Menschen neben den akustischen Informationen auch solche in Punktschrift angeboten werden.

7. UND DER ÜBRIGE VERKEHR? •

Selbstverständlich gelten die obigen Forderungen auch für Busse, die zur EXPO fahren. Hier sind ausschließlich Niederflurbusse einzusetzen.



Alle Forderungen gelten auch für die Verkehrsmittel, die den Verkehr innerhalb der EXPO gewährleisten.



Da nicht nur auswärtige Besucher zur EXPO wollen, ist anhand der in diesem Papier genannten Kriterien der gesamte ÖPNV im Großraum Hannover behindertengerecht umzugestalten.

Hannover, im Mai 1992

Behindertenangepaßter Bau der EXPO-Siedlung

1. EXPO 2OOO - WAS IST GEPLANT? •

• •

"Die EXPO-Siedlung in unmittelbarer Nähe des Ausstellungsgeländes, in der zunächst die für die Vorbereitung und Durchführung der Weltausstellung benötigten Arbeitskräfte wohnen und die in der Nachnutzungsphase als zusätzlicher Wohnraum für den hannoverschen Wohnungsmarkt zur Verfügung steht." (EXPO Konzept, Seite 14) "EXPO-Siedlung Auch die in unmittelbarer Nähe des EXPO-Geländes vorgesehene EXPO-Siedlung mit 2.500 Wohnungen für die im Rahmen der EXPO 2000 beschäftigten Arbeitskräfte ist als Umsetzung des EXPO-Themas in konkrete Planung zu verstehen. Hier sollen nicht nur Wohnungen neu gebaut werden (was nach der EXPO 2000 dem örtlichen Wohnungmarkt zugute kommt), sondern es geht darum, beispielhafte Projekte zu realisieren:

- moderne Stadt und Landschaftsplanung, - ökologisches Bauen, - sparsamer Flächenverbrauch, - innovative Formen der Erschließung und der Ver- und Entsorgung, - musterhafte architektonische Lösungen für Wohngebäude und Infrastruktureinrichtungen, - neue Modelle sozialen Lebens." (EXPO Konzept, Seite 27 und 28)

* "EXPO-Siedlung Mit der EXPO-Siedlung werden zwei Ziele verfolgt: • Die Thematik der EXPO 2000 "Mensch - Natur - Technik" im Bereich "Wohnen" unter ökonomischen, ökologischen, sozialen, und kulturellen Gesichtspunkten beispielhaft zu präsentieren • für die bei der Vorbereitung und Durchführung der EXPO 2000 Beschäftigen - insbesondere das Personal der Teilnehmer - Wohnungen in unmittelbarer Nähe des Ausstellungsgeländes bereitzustellen." (EXPO Konzept, Seite 66)“ • • Es ist darüber hinaus erklärtes Planungsziel, daß die EXPO-Siedlung nach 2000 verschiedenen sozialen Gruppen Wohnraum bieten soll. (...) Insgesamt wird in der EXPOSiedlung ein Anteil von 1000 öffentlich geförderten Wohnungen angestrebt." (EXPO Konzept, Seite 66) • Folgende Wohneinheiten sind in der EXPO-Siedlung geplant: 1.250 Wohnungen im Geschoßwohnungsbau 1.000 Wohnungen im verdichteten Einfamilienhausbau 250 Wohnungen im freistehenden Einfamilienhausbau (siehe hierzu EXPO Konzept, Seite 67)

2. WAS ERWARTEN DIE BEHINDERTEN MENSCHEN? Ausgangslage: Der Wohnungsmarkt in Hannover ist überfordert. Gelingt es schon so nur mit großer Mühe, eine der freiwerdenden Wohnungen zu ergattern, so ist dies für behinderte Menschen um ein vielfaches schwieriger, ja wenn nicht gar unmöglich. Wir fordern: Eine behindertenangepaßte EXPO-Siedlung, d.h. gleich bei der Planung sind mindestens 10% der Wohnungen behindertengerecht vorzusehen. Dabei sind bei allen Planungen behinderte Menschen als zukünftige Nutzer dieser Wohnungen zu beteiligen. Ausgangslage: Die Möglichkeit, in einer eigenen Wohnung zu leben, bedeutet für viele behinderte Menschen den ersten Schritt zu wirklicher Selbständigkeit. Natürlich findet das Leben behinderter Menschen nicht nur in der eigenen Wohnung statt. Freunde und Bekannte gehören ebenso dazu. Der Besuch dieser Bezugspersonen in deren Wohnungen ist oft nicht möglich, da diese nicht barrierefrei gebaut sind. Wir fordern:

Die EXPO-Siedlung ist so zu planen, daß alle Wohnungen barrierefrei zu erreichen sind, d.h.: • bei mehrgeschoßiger Bauweise sind alle Häuser mit ausreichend großen Aufzügen zu versehen • bei Einfamilienhäusern sind ebenerdige Zugänge einzuplanen • alle Eingangstüren, Haustüren usw. müssen ein lichtes Maß von einem Meter Breite haben • Aufzüge müssen durch Punktschriftinformationen auch blinden Menschen die Orientierung ermöglichen. Ausgangslage: Die Landeshauptstadt Hannover hat in den letzten Jahren vielfältige Bemühungen unternommen und sich dabei von Betroffenen beraten lassen, um behinderten Menschen ein barrierefreies Leben zu ermöglichen. So wurden Bordsteine abgesenkt, Ampeln mit akustischen Signalen eingeführt, Schwerhörigenanlagen installiert und schrittweise öffentliche Gebäude barrierefrei gestaltet. Wir fordern: Die hier gewonnen Erfahrungen müssen in die Planung der EXPO-Siedlung einfließen, um die Infrastruktur der EXPO-Siedlung so zu gestalten, daß behinderte Menschen barrierefrei in der Siedlung leben und sich bewegen können. Das gilt für die geplante Grundschule, für die Kindertagesstätten, die Jugend-, Freizeit- und Sporteinrichtungen und für die Geschäfte und Restaurants. Ausgangslage: Für die EXPO-Siedlung ist eine Kurzzeitpflegestation geplant. Wir begrüßen dies außerordentlich, geben aber zu bedenken, daß dies nicht ausreichend ist. Zahlreiche behinderte Menschen leben heute nur noch deshalb im Elternhaus oder im Heim, weil ihnen die notwendige Hilfestellung und Assistenz zum selbständigen Leben nicht angeboten wird. Wir fordern: Die Einrichtung von 3 Fokus-Wohnprojekten in der EXPO-Siedlung und an anderen Orten (siehe hierzu auch Pkt. 3 dieses Diskussionspapieres). Ausgangslage: Viele behinderte Menschen in Städten und Gemeinden nicht nur Niedersachsens werden deshalb in ihren Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt, weil an ihre Bedürfnisse in Planungsphasen nicht gedacht wurde, nicht genug behindertengeeigneter Wohnraum geplant wurde und die Bereitstellung von ambulanten Hilfen nicht vorgesehen ist. Wir fordern: An allen Planungen zur EXPO-Siedlung (selbstverständlich auch für das Ausstellungsgelände) sind behinderte Menschen aller Behinderungsarten zu beteiligen, um Planungsfehler zu vermeiden. Dieser gemeinsame Planungsprozeß muß von Beginn an dokumentiert und später in Form eines Erfahrungsberichtes veröffentlicht werden, um so die Erfahrungen behinderten Menschen in anderen Städten und Gemeinden zur Verfügung stellen zu können.

3. Fokus - Wohnprojekte in den neuen Bundesländern und in Stadt und Region 3.1 Vorbemerkung

Es ist integraler Bestandteil der EXPO 2000 Konzeption, mit der EXPO auch den Blick auf die neuen Bundesländer zu richten und die ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Veränderungen zum Gegenstand einer Zwischenbilanz zu machen. "Neben den Projekten in der Welt wird es daher dezentrale EXPO-Projekte in den neuen Bundesländern geben, die bis zum Jahr 2000 laufend dokumentiert, begleitet und dann auf dem zentralen EXPO-Gelände vorgestellt werden." (EXPO Konzept, Seite 25) In der näheren Umgebung Hannovers wird es eine "Reihe von Projekten geben, die im engen Bezug zu den Themenfeldern der EXPO 2000 stehen." (EXPO Konzept, Seite 26) In Verbindung mit den EXPO-Themen "Projekte in den neuen Bundesländern" und "Stadt und Region als Exponat" schlagen wir vor, die Einrichtung von Fokus-Wohnprojekten nicht nur in Hannover, sondern parallel an verschiedenen Korrespondenzstandorten, wie z.B. -

Emden Hildesheim Magdeburg Osnabrück

zu realisieren.

3.2 Was ist ein Fokus-Wohnprojekt? An diesem Punkt des Diskussionspapieres kann es natürlich nicht darum gehen, ein abgeschlossenes Konzept für die verschiedenen Fokus-Projekte vorzugeben. Die letztendliche Ausgestaltung wird in Zusammenarbeit mit "Fokus" in den Niederlanden geschehen müssen. Im folgenden sollen nur einige Grundüberlegungen zu einer möglichen Gestaltung angerissen werden. An dieser Stelle ist Prof. Dr. Oesterwitz, Fachhochschule Hildesheim, für die Unterstützung zu danken. Fokus-Wohnprojekte sind vor allem in den Niederlanden bekannt. Sie sind so organisiert, daß jeder, der von Fokus betreut werden will, in einer eigenen behindertengerechten Wohnung lebt. Notwendige Hilfe bzw. Assistenz wird durch die Mitarbeiter/innen der Fokus-Zentrale geleistet. Diese ist in unmittelbarer Nähe der Wohnung untergebracht, so daß eine angeforderte Dienstleistung in der Regel innerhalb von 5 Minuten erbracht werden kann. In jeder vom Fokus-Dienst betreuten Wohnung ist eine Sprechanlage zur Zentrale installiert. Die eingesetzten Assistenz-kräfte besitzen keinen Schlüssel zur Wohnung (Intimität wahren), sondern müssen sich über die Sprechanlage anmelden, und ihnen wird dann vom Wohnungsinhaber geöffnet. In der Zentrale sind in der Zeit von 7 - 24 Uhr mindestens 2 Personen anwesend, der Nachtdienst wird von einer Kraft sichergestellt. Von der Fokus-Zentrale werden für jeden Behinderten Bewohner bis zu 30 Std. Hilfeleistungen in der Woche erbracht. Die Zeit wird in Einheiten von 15 Minuten abgerechnet, was eine hohe Flexibilität in der Hilfegewährung sicherstellt. Diese Hilfe wird selbst-verständlich auch für behinderte Menschen, die mit einem nichtbehinderten Partner zusammenleben , sowie für Familien mit einem behinderten Kind erbracht, da es ein Fokusprinzip ist, daß die persönliche Assistenz die Partner zu sehr belasten kann. Dadurch, daß die Wohnungen, die zu einem Fokus-Projekt gehören, zwar dicht beieinanderliegen, aber über die gesamte Wohnanlage verteilt sind, sind optimale Voraussetzungen zur Integration, zu guten Nachbarschaftsbeziehungen und durch die fehlende Verantwortung für Hilfeleistungen auch zur Partnerschaft gegeben.

Als Voraussetzung zur Teilnahme an einem Fokus-Projekt ist zu nennen die Notwendigkeit von Assistenz und die Fähigkeit, die notwendige Hilfe auch benennen und koordinieren zu können. Dabei ist der Bewohner Experte für seine Behinderung. Den Tagesablauf bestimmt er, und er ist für sich selbst verantwortlich. Besonders wichtig: Kein Beteiligter am Fokus-Projekt versucht, pädagogisch, therapeutisch oder auf eine andere Weise auf die "Kunden" einzuwirken. Evtl. auftretende Konflikte werden in einem offenen Diskussionsprozeß gelöst. "Fokus" als Organisation stellt lediglich ausreichend geeignetes Personal zur Verfügung. Dieses Personal hält sich nur zur unmittelbaren Assistenz in der Wohnung auf, um die Privatheit der Bewohner zu wahren. Mitarbeiter von Fokus-Projekten betreten die Wohnungen der Assistenzsuchenden nur auf Wunsch. Die Selbstbestimmung fängt in der eigenen Wohnung an, und dort haben die Bewohner/innen alle Verantwortlichkeiten, denn nur so entwickeln sich neue soziale Fähigkeiten. Hannover, im Mai 1992

Einbeziehung der Lebenswelt behinderter Menschen in den EXPO Themenpark

1. EXPO 2OOO - WAS IST GEPLANT? * "Ein Weltausstellungsgelände umfaßt traditionell zwei Gruppen von Ausstellungsgeländen: Zum einen die Pavillons der Teilnehmernationen und -organisationen, zum anderen die Themenpavillons, die vom Veranstalter errichtet werden und in denen er selbst das jeweilige EXPO-Thema präsentiert. Für Hannover ist zur Darstellung der inhaltlichen Schwerpunkte ein Themenpark mit 90.000 qm Ausstellungsfläche vorgesehen, in dem die Leitthemen der EXPO 2000 in einer für ein Millionenpublikum attraktiven Weise präsentiert werden." (EXPO Konzept, Seite 21) * “Die EXPO 2000 wird, ausgehend von ihrem Thema "Mensch - Natur - Technik", eine Bilanz der Chancen und Risiken gegenwärtiger En wicklungen ziehen und den Ausblick auf eine in gemeinsamer Verantwortung gestaltete Zukunft eröffnen " (EXPO Konzept, Seite 22) * Inhaltliche Schwerpunkte des Themenparks gruppieren sich um das Motto: "Der Mensch und seine Lebenswelt". Als Einzelthemen sind dementsprechend natürliche Umwelt, Ernährung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Gemeinschaft und Gesellschaft vorgesehen. Damit werden innerhalb des Themenparks zentrale Leitthemen der EXPO 2000 aufgenommen. (EXPO Konzept, Seite 23)

2. WAS ERWARTEN DIE BEHINDERTEN MENSCHEN? Ausgangslage: • "Mehr als eine halbe Milliarde Menschen mit Behinderungen stellen weiterhin auf dieser Welt die größte, die am stärksten isolierte, die ärmste und am heftigsten unterdückte Minderheit dar. Der kürzlich veröffentlichte Bericht der Vereinten Nationen zu Menschenrechten und Behinderung verweist auf erschreckende Verletzungen selbst der Grundrechte der Behinderten".(Justin Dart, Mai 1982)



"Ich bin überzeugt, daß wir uns in der Phase einer ethischen und poltitischen Katharsis befinden, die von uns klare konzeptionelle Überlegungen für ein Zusammenleben Behinderter und Nichtbehinderter abverlangt. Wir müssen dabei ethische Grundpositionen und politische Forderungen stärker verbinden.Dies kann m.E. mit einer umfassenden Diskussion um ein Antidiskriminierungs-/Gleichstellungsgesetz erreicht werden. (...) Mit einem ntidiskriminierungsgesetz müssen die anderen begründen, warum sie uns diese zusätzlichen Belastungen zumuten. Verkehrsträger haben dann zu begründen, warum ihre Busse und Bahnen von den behinderten Fahrgästen nicht genutzt werden können. (...) Nicht die ermüdende Diskussion über das ´warum´ der Integration, sondern nur noch über das ´wie´ steht dann zur Debatte". (Horst Frehe, Mai 1992)

Zur Situation: Die beiden Zitate belegen, daß die durch die EXPO 2000 angestrebte "neue und verantwortliche Balance der Entwicklungschancen in Ost und West, Süd und Nord" (Expo Konzept, Seite 15) auch für die behinderten Menschen dieser Welt bisher nicht ansatzweise verwirklicht werden konnte. Während auf der einen Seite unvorstellbare Armut und damit verbundenes Elend den Lebensalltag behinderter Menschen bestimmen, werden bei relativer Absicherung durch Sozialgesetze diese von vielen als diskriminierend, weil bevormundend erlebt.

Wir schlagen vor: Der Themenpark der EXPO 2000 muß zum ersten Mal die Möglichkeit eines weltweiten Erfahrungsaustausches für die behinderten Menschen dieser Welt bieten. Im Sinne einer weltumfassenden Infobörse müssen die behinderten Menschen aus allen Ländern dieser Welt die Möglichkeit erhalten, ihre Lebensituation darzustellen. Dies muß durch inanzielle Unterstützung der Delegationen aus den ärmeren Ländern abgesichert werden, auch um sicherzustellen, daß diese Informationen unabhängig von der jeweiligen Regierung des Landes vorgestellt werden können. Um über den reinen Ausstellungscharakter hinauszukommen, sollten neben der Darstellung der Lebensbedingungen behinderter Menschen auch umfangreiche Arbeitsgemeinschaften, Diskussionforen und Workshops organisiert werden, die alle dem Ziel dienen, gegenseitig voneinander zu lernen und gemeinsame Strategien zur Verbesserung der jeweiligen Lebenssituation behinderter Menschen zu entwickeln.

Wir fordern: Um sicherzustellen, daß die unterschiedlichen Lebensformen der behinderten Menschen integraler Bestandteilaller Planungen zur EXPO 2000 werden, daß behinderte Menschen in den internationalen Beirat (International Advisory Board) zur EXPO 2000, der die Fortschreibung und Konkretisierung des Konzeptes begleiten soll, sowie in allen sonstigen Vorbereitungsgremien (international und national) vertreten sind. Hannover, im Juni 1992

Stadt und Region als Exponat

1. EXPO 2OOO - WAS IST GEPLANT? * "In Hannover und seiner näheren Umgebung wird es eine Reihe von Projekten geben, die in engem Bezug zu den Themenfeldern der EXPO 2000 stehen. Sie ergänzen die auf dem zentralen Ausste lungsgelände gelieferte Information durch unmittelbare Anschauung. Darüber hinaus wird dem EXPO-Besucher deutlich gemacht,daß die Weltausstellung kein isoliertes Ereignis ist, sondern mit lebendigen Entwicklungsprozessen in Stadt und Region verwoben ist." (EXPO Konzept, Seite 26) * „Die EXPO 2000 wird ihrem Thema entsprechend nicht nur technischen Fortschritt präsentieren, sondern bringt Mensch, Natur und Technik so miteinander in Einklang, daß das menschliche Leben in seiner Vielfalt erkennbar wird. Unverzichtbarer und untrennbarer Bestandteil eines zukünftig durch noch mehr Freizeit und Kreativität geprägten Lebens sind Kunst und Kultur. Will man sie in ihrer wirklichen Bedeutung erfassen, so darf man sie nicht nur in einem abgegrenzten Ausstellungsgelände isoliert darstellen, sondern muß sie auch dort ansiedeln und aufsuchen, wo sie hingehören: in der Lebenswelt der Stadt bzw. der Region." (EXPO Konzept, Seite 26)

2. WAS ERWARTEN DIE BEHINDERTEN MENSCHEN? Daß der Anspruch Mensch, Natur und Technik so in Einklang gebracht wird, daß erkennbar ist, daß zur Vielfalt des menschlichen Lebens auch das Leben be-hinderter Menschen gehört, und zwar nicht an den Rand gedrängt, sondern mittendrin.

Wir haben unsere Forderungen an die EXPO formuliert. Das waren im wesentlichen:

- Durch die behindertenangepaßte Gestaltung der EXPO diese selbst zum EXPOnat zu machen, das für andere Städte in Niedersachsen oder in anderen Ländern als Modell gelten kann. - Durch die Beteiligung der behinderten Menschen in allen Planungs-phasen und auf allen ebenen Planungsfehler bei der behindertengerechten Ausgestaltung der EXPO zu vermeiden. - Durch die Schaffung eines barrierefreien öffentlichen Personennah-verkehrs in der EXPOStadt Möglichkeiten aufzuzeigen, wie durch richtige Planung und Realisierung die Teilhabe behinderter Menschen sichergestellt werden kann. - Durch die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen bei der Gestaltung der EXPO-Siedlung und natürlich des neu zu bauenden Stadtteils Kronsberg aufzuzeigen, daß bei entsprechender Planung Wohnraum entsteht, der behinderte Menschen nicht länger vor unüberwindliche Barrieren stellen muß. - Durch die Schaffung von Fokus-Wohnprojekten in der EXPO-Siedlung und in den Städten Emden, Hildesheim, Magdeburg und Osnabrück zu verdeutlichen, daß schwerbehinderte Menschen in einen Stadtteil eingegliedert werden können und die notwendige Pflege ohne Bevormundung selbstbestimmt sichergestellt werden kann. - Durch die Nutzung der EXPO als Forum, die Möglichkeit zu einem weltweiten Erfahrungsaustausch und zu gegenseitigem Lernen aller behinderten Menschen voneinander zu bieten. So

kann eine gemeinsame Strategie zur Verbesserung der jeweiligen Lebenssituation behinderter Menschen entwickelt werden.

3. UNSERE VORSCHLÄGE ZU "STADT UND REGION ALS EXPONAT" Ideen-Wettbewerb 1 Projekte zur Partizipation, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit

Das Konzept zur EXPO 2000 geht richtigerweise davon aus, daß es neben der zentralen Ausstellung eine Reihe von Projekten geben soll, die in der näheren Umgebung vorgestellt werden. Aus unserer Sicht bieten sich dafür der behindertengerechte Personennahverkehr, die barrierefreie EXPO-Siedlung und der neue Stadtteil Kronsberg sowie die vorgeschlagenen Fokus-Wohnprojekte an. Darüber hinaus regen wir an, rechtzeitig einen entsprechenden Ideen-Wettbewerb auszuloben. Ziel dieses Wettbewerbes sollte es sein, Projekte, die bis zur Durchführung der EXPO innovative Modelle in Richtung Selbstbestimmung, Unabhängigkeit oder Partizipation behinderter Menschen entwickeln, zu unterstützen. Dabei kann es neben neuen Ideen auch darum gehen, bestehende Sondereinrichtungen in diese Richtung zu verändern, so daß diese als Exponate geeignet sind. Die ausgewählten Projekte müssen die Gewähr bieten, daß das angestrebte Ziel verwirklicht wird und daß der Prozeß dorthin dokumentiert wird. Diese Dokumentation wird im Themenpark ausgestellt, und das Projekt kann während der EXPO vor Ort besichtigt/erlebt werden.

Ideenwettbewerb 2 Kultur und Kunst behinderter Künstler/Kulturschaffender Die EXPO 2000 will nicht nur eine Weltausstellung herkömmlicher Art sein, sie soll auch ein kulturelles Ereignis werden. In ihrer wirklichen Bedeutung erfaßt man Kunst und Kultur nur, wenn sie auch außerhalb des abgegrenzten Ausstellungsgeländes stattfinden, in der Stadt oder Region. Diesen programmatischen Anspruch der Planer möchten wir gerne anreichern. Kunst und Kultur auf einer Weltausstellung müssen das ganze Spektrum von Künstlern und Kulturschaffenden umfassen. Dies beinhaltet dann auch das breite Angebot von behinderten Künstlern und Kulturschaffenden, und zwar vom Laiendarsteller bis zum professionellen Aktiven. Um sicherzustellen, daß die behinderten Kulturschaffenden einen angemes-senen Raum im Rahmen der EXPO finden, regen wir an, einen Ideen-Wettbewerb auszuschreiben, der diese Mitwirkung sicherstellen soll. Ziel dieses Wettbewerbes sollte es sein, ein Konzept vorzulegen, welches sicherstellt, daß behinderte Künstler aus der ganzen Welt bei allen zentralen Kulturveranstaltungen der EXPO einen angemessenen Rahmen finden. Hiermit wird gewährleistet, daß sie mit ihrer Kunst/Kultur dort auftreten (können), wo sie hingehören (EXPO Konzept), in der Stadt und/bzw. der Region. So tragen sie dazu bei, die Begegnung behinderter und nichtbehinderter Menschen zu ermöglichen. Veranstaltungsort kann der Stadtteilladen, die Stadthalle, die Werkstatt für Behinderte oder das Wohnheim sein. So werden diese Orte im Rahmen der Begegnung zu Exponaten.

Hannover, im Juli 1992

Herausgegeben vom Behindertenbeauftragten des Landes Niedersachsen Postfach 141, 3000 Hannover 1 Dezember 1992 Herstellung: Sponholtz Druckerei Schriftenreihe Band 3 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

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