BDH Stellungnahme zur geplanten Schulgesetznovelle

Berufsverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen Landesverband Niedersachsen BDH – Stellungnahme zur geplanten Schulgesetznovelle Die öffentlichen Sc...
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Berufsverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen Landesverband Niedersachsen

BDH – Stellungnahme zur geplanten Schulgesetznovelle Die öffentlichen Schulen in Niedersachsen sind gem. § 4,1 des Nds. Schulgesetzes inklusive Schulen, indem sie allen Schülerinnen und Schülern "Barrierefreiheit und gleichberechtigen Zugang" ermöglichen. Damit sind auch alle Förderzentren mit dem Schwerpunkt "Hören" inklusiv unabhängig von der Frage der Trägerschaft. So sind neben den entsprechenden Förderschulen in Hannover und Lingen die Landesbildungszentren für Hörgeschädigte (LBZH) in Trägerschaft des MS überregionale Förderzentren mit einem umfassenden Aufgabenspektrum, zu dem das MS gerade in einer ausführlichen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage Stellung genommen hat (s. Schreiben MS vom 23.10.2014). Zu den Aufgaben des "Kompetenzzentrums Hören“1 gehören demnach folgende Bereiche: "Pädagogische Audiologie, (Haus)frühförderung, Kindertagesstätte, allgemeinbildende Schule ..., Mobiler Dienst, berufsbildende Schulen sowie berufliche Rehabilitation.“ In dem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass Kinder und Jugendliche mit einer Hörbeeinträchtigung durch ihre Schädigung in mehrfacher Hinsicht betroffen sind, d.h. in ihrem Hör- Spracherwerb, in der Wahrnehmung der akustischen Umgebung und in der Verwendung der Sprache als Kommunikationsmedium im sozialen Umfeld. Auf diese Weise sind sie in besonderer Weise von Behinderung bedroht. Bei ausbleibender früher Diagnose, individueller Förderung und guten akustischen Rahmenbedingungen können sich erhebliche negative Auswirkungen auf ihre emotionale, soziale und kognitive Entwicklung ergeben. An dieser Aussage des Runderlasses des MK vom 1.2.2005 hat sich inhaltlich weiterhin nichts geändert. Bereits jetzt befindet sich ein höherer Prozentsatz (60 %) hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher in Regeleinrichtungen als an Förderschulen „Hören“- die Entscheidung wurde und wird in allen Fällen von den Eltern getroffen (s. NSchG § 4,2). Allerdings ist das Ergebnis der „integrativen/inklusiven“ Bemühungen weiterhin noch vom persönlichen Engagement der Eltern, den personellen und sächlichen Ressourcen der Regelschulen sowie den betreuenden Fachpädagogen abhängig. Der quantitativ hohe Anteil inklusiv beschulter Schülerinnen und Schüler sagt jedoch wenig über die Qualität der Inklusion aus. Auf Grund mangelnder Informationen und unzureichender Betreuung – entstehend durch fehlende personelle Ressourcen – gelangen mögliche negative psychosoziale und kognitive Auswirkungen der „unsichtbaren“ Behinderung nicht in den Fokus der Überlegungen von Eltern und Regelschullehrkräften. Oftmals wünschen sie eine inklusive Beschulung vor Ort – auch wenn die Rahmenbedingungen kaum geeignet sind. Somit kommt es immer wieder zu einer „Separation“ in der Inklusion sowie fehlerhaften Zuschreibungen seitens der Lehrkräfte. Eine Vielzahl von Aspekten muss noch verbessert werden, um diesem Zustand entgegen zu wirken. Abhängig bleibt die Qualität der inklusiven Beschulung grundsätzlich von den Rahmenbedingungen, d.h. den räumlichen Voraussetzungen der Schule (Raumakustik etc.), der Klassengröße, den fachlichen Kompetenzen der unterrichtenden Lehrkräfte, dem Unterstützungsbzw. Beratungsintervall der Mobilen Dienste, der hörtechnischen Betreuung (u.a. durch die Pädagogische Audiologie), der fachpädagogischen Verantwortung für die Vernetzung dieser Bereiche etc. Hier sind somit besonders die inklusiven (überregionalen) Förderzentren "Hören" mit ihrer hohen ganzheitlich gebündelten Fachkompetenz gefragt.

1 Das Sozialministerium bezeichnet die Landesbildungszentren als „Kompetenzzentren Hören“ (vgl. Antwort vom 23.10.2014 auf die Anfrage des AfSFFGuM vom 09.10.2014 „Vermerk über den aktuellen Sachstand und die Konzepte zur weiteren Entwicklung der LBZH zu Kompetenzzentren sowie Auswirkungen auf die Personal- und Sachkosten“

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Daher nimmt der BDH Niedersachsen wie folgt zur Änderung des § 14, Absatz 3, innerhalb der Schulgesetznovelle Stellung: 1. Die überregionalen Kompetenzzentren „Hören“ müssen als inklusiv arbeitende Einrichtungen mit dem bisher bewährten Aufgabenspektrum (s.o.) erhalten bleiben. 2. Qualitätssicherung: - Personelle und dienstrechtliche Anbindung aller Mobilen Dienste „Hören“ an die überregionalen Kompetenzzentren „Hören“ - Kooperation der Mobilen Dienste „Hören“ mit den regionalen Leitstellen, aber keine personelle Anbindung 3. Übertragung der Planstellen für den Mobilen Dienst „Hören“ Zuständigkeitsbereich der LBZH ins Sozialministerium zur „Reibungsverlusten“ mit der Landesschulbehörde

im überregionalen Vermeidung von

4. Personeller Ausbau der Stellen für den Mobilen Dienst „Hören“ auf der Basis landeseinheitlicher Regelungen mit einem definierten Personalschlüssel - orientiert an den tatsächlichen Kinderzahlen 5. Erteilung der Förderstunden im Rahmen der „Zuschläge für Zusatzbedarf“ im Fall von hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern durch vom Mobilen Dienst „Hören“ intensiv betreute und fortgebildete Regelschullehrkräfte 6. Alternativen im Bereich „Hören“ zu den Regionalen Leitstellen für Inklusion: Dezentrale Außenstellen der Kompetenzzentren Hören mit Außenklassen, Mobilen Dienst „Hören“ und Frühförderung „Hören“ an Schwerpunktschulen „Hören“

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Begründungen Landeseinheitliche Regelung der Stellen für den Mobilen Dienst „Hören“ und Anbindung an die überregionalen Kompetenzzentren „Hören“ Wie u. a. dem Erlass zur Sonderpädagogische Förderung (SVBl 2/2005) zu entnehmen ist, wird die Beratung und Unterstützung der hörgeschädigten Schülerinnen und Schüler in Regeleinrichtungen durch die Mobilen Dienste gewährleistet. Dabei ist das Tätigkeitsfeld des Mobilen Dienstes ist sehr vielfältig. Zu den Aufgaben gehören neben der Beratung und Fortbildung (Lehrkräfte, Schulträger, Eltern, Schülerinnen und Schüler, diverse Ämter, Schulträger, Akustiker, Integrationshelfer, Ärzte usw.) unter anderem auch die Durchführung der Kontrolle der Hörtechnik, Hör- und Sprachförderung, die Vermittlung von Kommunikationstaktiken und von Inhalten der Hörgeschädigtenkunde, Information über hörtechnische Fragestellungen, die Durchführung von Eltern-Kind-Tagen, Durchführung von Schülertreffen usw. Dringend notwendig sind eine landeseinheitliche Verfahrensweise und eine vergleichbare Weiterentwicklung der Organisation der Mobilen Dienste. Hierbei sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: • Scheinbar ist die personelle Kooperation der Landesschulbehörde mit den Landesbildungszentren schwierig. Dringend erforderliches Personal wird immer noch nicht in vollem und erforderlichem Umfang von den Regionalabteilungen der Landesschulbehörden an die Landesbildungszentren zugewiesen. Somit kommt es zu enormen Reibungsverlusten auf Grund der unterschiedlichen Auffassungen und Interpretation von Vorschriften. Verlierer hierbei sind die hörgeschädigten Schülerinnen und Schüler, die dadurch in manchen Regionen völlig unzureichend durch Hörgeschädigtenpädagogen betreut werden können. Als Konsequenz hieraus sollte das Personal für die Mobilen Dienste im Bereich der LBZH nur vom MS und nicht durch beliebige Abordnungen des MKs zur Verfügung gestellt werden! Bei diesem Modell sollten die Landesbildungszentren ihren Personalbedarf halbjährlich an das Landesamt melden. Die Zuordnung der personellen Ressourcen sollte pauschal ca. drei Lehrerstunden pro bekanntem Kind und Woche beinhalten. Durch den so ermittelten Stundenpool sollte dann das Zeitkontingent pro Kind je nach individuellem Beratungsbedarf durch die Mitarbeiter des Mobilen Dienstes entschieden werden – wie auch in einigen anderen Bundesländern. • Hörgeschädigtenpädagogen des Mobilen Dienstes „Hören“ dürfen keinesfalls ohne personelle und dienstrechtliche Anbindung an ein überregionales Kompetenzzentrum „Hören“ arbeiten. Ein Konstrukt, bei welchem der Mobile Dienst „Hören“ an die regionalen Leitstellen für Inklusion angegliedert werden, ist aus Sicht des BDH aus Gründen des massiven Qualitätsverlustes nicht akzeptabel. Folgende Gründe sollen dies erläutern: Die Hörgeschädigtenpädagogen haben bei diesem Modell keine verlässliche Möglichkeit, sich regelmäßig vor Ort fachlich mit anders spezialisierten Hörgeschädigtenpädagogen auszutauschen, d.h. mit Kollegen in den Pädagogisch-Audiologischen Beratungszentren, in der Frühförderung, im Kindergarten, in der Grundschule, in der Hauptschule, in der Realschule, in der Berufsschule, im Schwerhörigen- und Gehörlosenzweig, im schulinternen schulpsycholgogischen Dienst, im schulinternen sozialpädagogischen Dienst und im Internat. Es gäbe bei diesem Modell keinen fachlichen Austausch im Rahmen von Dienstbesprechungen mit anderen Hörgeschädigtenpädagogen des Mobilen Dienstes „Hören“ (die als positiver Nebeneffekt evtl. auch in anderen Abteilungen des Kompetenzzentrums „Hören“ arbeiten und auch dieses Fachwissen mit einbringen können). Bei geplanten ca. 50 regionalen Leitstellen für Inklusion gäbe es in vielen Fällen sicherlich maximal 1 Hörgeschädigtenpädagoge pro Leitstelle. Dieser müsste als Einzelkämpfer ohne fachlichen Austausch bzgl. des Bereiches Mobiler Dienst „Hören“ arbeiten. Fachwissen könnte so kaum aufrechterhalten werden, Großveranstaltungen von Eltern-Kind-Tagen, Seminare für Hörgeschädigtenkunde, Fortbildungsveranstaltungen für Eltern usw. könnten nicht alleine organisiert werden. Fachfremde Mitarbeiter der Leitstellen für Inklusion können

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sich nicht in die verschiedenen hörgeschädigtenspezifischen Themen einarbeiten. Es bedarf im Mobilen Dienst „Hören“ eines Teams von mehreren ausgebildeten und stets kooperierenden Hörgeschädigtenpädagogen. Das Arbeitsfeld des Hörgeschädigtenpädagogen ist so umfassend (siehe vorherigen Punkt), dass man sich innerhalb des Berufsfeldes „Hören“ spezialisieren und Schwerpunkte setzen muss. Ein partielles zusätzliches Arbeiten in einer regionalen Leitstelle für Inklusion in anderen Förderschwerpunkten wie z. B. GE, ES, L, KB, S usw. würde zu massiven Qualitätsverlusten und Überforderungen der Fachkräfte führen. Ein Beispiel: allein um stets auf dem neuesten Stand der technischen Entwicklung von Hörgeräten, CI, FM-Anlagen, Raumakustik usw. zu sein, ist viel Zeit für Austausch und Fort- und Weiterbildung erforderlich. Die Vernetzung (z. B. mit Akustikern, Ämtern, HNO- und Kinderärzten, CI-Rehazentren usw.) sowie das Fachwissen um die unterschiedlichen Formen von Hörschädigungen und ihren Auswirkungen sind so umfangreich, dass der zeitnahe unbürokratische Austausch mit weiteren Hörgeschädigtenpädagogen vor Ort im überregionalen Kompetenzzentrum „Hören“ unerlässlich ist, um qualitativ hochwertig und mit der notwendigen Beratungskompetenz arbeiten zu können. Auch eigene Unterrichtserfahrungen mit Hörgeschädigtenklassen sind aus Sicht des BDH für die Mitarbeiter im Mobilen Dienst „Hören“ unerlässlich, um eine fachkompetente offene Beratung an den Regelschulen und bei den Eltern zu ermöglichen: 1. Auffälligkeiten (psychosoziale, kognitive usw.) im Unterricht bzw. in der Freizeit können besser frühzeitig erkannt werden. 2. Aufgrund eigener Erfahrungen im Unterricht mit Hörgeschädigten ist es viel leichter möglich, sich kritisch reflektierend mit den spezifischen Anforderungen dieses Unterrichts auseinanderzusetzen. 3. Durch parallele Unterrichtserfahrungen erlebt man als Hörgeschädigtenpädagoge, wie hörgeschädigte Kinder und Jugendliche wieder Selbstbewusstsein aufbauen, Lerndefizite und Verhaltensauffälligkeiten abbauen, wenn sie den Wechsel von der Regelschule zur überregionalen Förderschule „Hören“ und damit in ein förderpädagogisches Setting vollzogen haben. 4. Hörgeschädigtenpädagogen erwerben bei diesem Modell elementare und vielfältige Erfahrungen in beiden „Systemen“ und können diese im wechselseitigen Verhältnis produktiv einbringen. 5. Elementare Kenntnisse verschiedener Kommunikationsmodalitäten (Gebärden- und Handzeichensysteme, UK etc.) können nur durch kontinuierlichen und vielfältigen Einsatz von den Hörgeschädigtenpädagogen aufrechterhalten werden. Die zentrale Lagerung von medialen Materialien (Demo-Hörgeräte und Batterien, Stethoclips, Lärmpegelmessgeräte, Mobile Audiometer, Nachhallzeit-Messgeräte, CIDemomodelle, Ohrmodelle, Demofachliteratur für die Regelschulkollegen, Ohrschutz zum „Vertäuben“, Lärmampel, Beispielmaterien für Akustikdecken usw.) ist beim Modell der regionalen Leitstellen für Inklusion im wünschenswerten Umfang kaum möglich. Es müssen arbeitsaufwendige und teure Mehrfachanschaffungen getätigt werden oder weite Fahrtwege in Kauf genommen werden, um die für eine fachkompetente Beratung notwendigen Materialien zu bekommen. Die Anbindung an das Kompetenzzentrum „Hören“ bzw. die Zusammenarbeit der Mobilen Dienste innerhalb des Kompetenzzentrums „Hören“ mit den Pädagogisch-audiologische(n) Beratungszentrum ist zwingend erforderlich, um eine regelmäßige Überprüfung des Hörstatus sowie der Hörhilfen (gem. Erlass SVBl 2/2005) gewährleisten zu können. Nur auf dieser Basis können die Voraussetzungen für den individuellen Unterstützungsbedarf an den Regelschulen fachorientiert und wirkungsvoll geschaffen werden.

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Fachwissen und überregionale Netzwerkstrukturen (Elternverbände, Betroffenenverbände, Hilfe für Hörgeschädigte, Pädakustiker, Uniklinken, CI-Rehazentren usw.) der Hörgeschädigtenpädagogik würden durch eine Anbindung des Mobilen Dienstes „Hören“ an kleine regionale Leitstellen für Inklusion verloren gehen! Ohne Anbindung an ein fachkompetentes überregionales Kompetenzzentrum „Hören“ mit regelmäßigen Dienstbesprechungen inwürde ein überfordertes „Einzelkämpfertum“ entstehen, welches mit erheblichen fachlichen Qualitätsverlusten einhergeht! Synergieeffekte könnten nicht mehr ausreichend genutzt werden. Auch dies hat der Förderbereich „Sehen“ bedauerlicherweise bereits offenbart. Solche Fehler sollten nicht wiederholt werden! Aus Sicht des BDH ermöglichen überregionale Kompetenzzentren „Hören“ eine effiziente Netzwerkarbeit und garantieren die nötige Infrastruktur für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche. Gerade das „Hand in Hand arbeiten“ macht dieses Modell so erfolgreich, wie Niedersachsen, aber auch andere Bundesländer zeigen. So ist bspw. ein Austausch beim Übergang von hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern von der hörgeschädigtenspezifischen Frühförderung in den Zuständigkeitsbereich des Mobilen Dienstes unter Mitwirkung der Pädagogischen Audiologie zwischen den zuständigen Kolleginnen und Kollegen jederzeit im überregionalen Kompetenzzentrum „Hören“ möglich. Der täglich mögliche und kontinuierliche Austausch ist für die Qualität dieser Arbeit unerlässlich. Möglich wären Kooperationen zwischen den regionalen Leitstellen für Inklusion und den überregionalen Kompetenzzentren „Hören“, wobei Hörgeschädigtenpädagogen jedoch stets in der personellen und dienstrechtlichen Zuständigkeit der überregionalen Kompetenzzentren „Hören“ verbleiben müssen (wie in der Regel und nicht ohne Grund auch in den anderen Bundesländern oder im Ausland).

Landeseinheitliche Regelung der „Zuschläge für Zusatzbedarf“ Voraussetzung für eine gleichwertige und effektive schulische Förderung (Aufarbeitung schulischer Lerninhalte in Kleingruppen oder Einzelförderung in ruhigen und separaten Gruppenräumen) hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher in Regeleinrichtungen ist eine landesweit einheitliche Umsetzung der rechtlichen Regelung „Zuschläge für Zusatzbedarf“ im Rahmen des Klassenbildungserlasses2. Laut Aussage des MK soll das Personal im Rahmen der „Zuschläge für Zusatzbedarf“ zukünftig fachadäquat durch Hörgeschädigtenpädagogen erteilt werden. Auf Grund der geringen Ausbildungsquote gibt es derzeit allerdings nahezu keine Hörgeschädigtenpädagogen in Niedersachsen für diese Aufgabe. Allein im Einzugsgebiet des LBZH Osnabrück kämen bspw. bei ca. 320 (Stand Oktober 2014) zu betreuenden Schülerinnen und Schülern in der Inklusion ein Bedarf von ca. 39 zusätzlichen Hörgeschädigtenpädagogen hinzu. Dem enorm hohen personellen Mehrbedarf an Hörgeschädigtenpädagogen wird im Rahmen eines Aufbaustudiums des MKs entgegengewirkt (vgl. die Stellungnahme des BDH zum Thema „Ausbildung von Hörgeschädigtenpädagogen in Niedersachsen“, 9/2014). Das MK schickt seit diesem Wintersemester erstmals Aufbaustudenten (3 pro Ausbildungsjahrgang) zum Aufbaustudium an die Universität Hamburg und hatte hierfür eine landesweite Ausschreibung im Schulverwaltungsblatt (vgl. 3/2014, S. 18 f.) getätigt.

2 [RdErl. d. MK v. 7.7.2011 - 15-84001/3 (SVBl 8/2011 S.268), geändert durch RdErl. vom 31.7.2012 (SVBl. 9/2012 S.461; ber. S.522) und 7.5.2013 (SVBl. 6/2013 S.219) - VORIS 22410 - Bezug: Bezug: RdErl. d. MK v. 9.2.2004 (SVBl. S.128) - VORIS 22410 -]

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Hierzu nimmt der BDH wie folgt Stellung: Bei der Berechnung des Bedarfs des Personals im Rahmen der Zuschläge für Zusatzbedarf müssen natürlich derzeit noch die Punkte „Festgestellter Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung“ und „Inklusive bzw. Nicht-Inklusive Jahrgänge“ berücksichtigt werden. Es ist damit zu rechnen, dass nun im Rahmen des neuen Schulgesetzes zu Recht bei vielen hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung festgestellt wird. Nach altem Schulgesetz wurde die Arbeit eines Verfahrens oft eingespart, da sie ohnehin keine Veränderung in den personellen, räumlichen und sächlichen Rahmenbedingungen bewirkt hätte. Der Personalbedarf wird zukünftig also enorm steigen. Aufgrund der häufig viel zu hohen Klassengrößen an den Regelschulen (diese erzeugen einen für Hörgeschädigte zu hohen Störschallpegel, so dass das auditive Erfassen von Lerninhalten aufgrund mangelhaften Sprachverstehens erschwert ist), der unzureichenden räumlichtechnischen Voraussetzungen, dem starken Bedürfnis der Hörgeschädigten nach einer Peergroup, der derzeit noch stetig wachsenden Anzahl von spät entdeckten Hörschädigungen (durch Aufklärung, Sensibilisierung und besserer Diagnostik), der stetig wachsenden Anzahl von Meldungen hörgeschädigter Kinder (Regelschulen wissen nun immer häufiger, dass Förderschulen „Hören“ für die Betreuung hörgeschädigter Kinder zuständig sind.) usw. geht der BDH davon aus, dass die Schülerzahlen an den Förderschulen „Hören“ auch durch die bessere Betreuung in der Inklusion in Form von „Rucksackstunden“ nicht besonders stark sinken werden. Dies ist auch in anderen Bundesländern zu beobachten, wo die 3 Förderstunden bereits durch Hörgeschädigtenpädagogen erteilt werden. Es kann aus Sicht des BDH also nicht davon ausgegangen werden, dass zukünftig Hörgeschädigtenpädagogen in einem erwähnenswerten Maße von den Förderschulen „Hören“ an die Regelschulen abgezogen werden können. Vereinzelte Beispiele zeigen bereits, dass es zu Zuständigkeitsproblemen zwischen Hörgeschädigtenpädagogen im Rahmen der „Zuschläge für Zusatzbedarf“ (angegliedert an die regionalen Förderzentren) und Hörgeschädigtenpädagogen des Mobilen Dienstes (angegliedert an die Kompetenzzentren „Hören“) kommen kann. Grund: Es gibt keine klare Trennung der Aufgabenbenbereiche. Wer schreibt die Gutachten, wer hält den Kontakt zu den Eltern, wer ist für die Inhalte der Hörgeschädigtenkunde zuständig usw.? Diese Reibungsverluste sind ineffizient, zeitraubend und beinhalten ein hohes Konfliktpotential! Wenn auf Dauer tatsächlich das Personal im Rahmen der Zuschläge für Zusatzbedarf flächendeckend mit Hörgeschädigtenpädagogen ersetzt werden sollte, muss auch aus diesen Gründen eine Verlagerung der entsprechenden Planstellen an die überregionalen Kompetenzzentren „Hören“ erfolgen. Alternativ zum angestrebten Konzept schlägt der BDH eine kostengünstigere und effizientere Lösung vor: Das Personal im Rahmen der „Zuschläge für Zusatzbedarf“ für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche sollte generell, wie derzeit auch noch sehr häufig üblich, durch Regelschullehrkräfte erteilt werden. Die Aufarbeitung der durch mangelnde Rahmenbedingungen an Regelschulen nicht gehörter Unterrichtsinhalte kann am besten durch die Lehrkräfte vor Ort erfolgen, die das Kind aus dem eigenen Unterricht kennen. Die fachlichen Qualitätsstandards müssen jedoch durch die Betreuung und Fortbildung dieser Lehrkräfte durch die Mobilen Dienste der überregionalen Kompetenzzentren „Hören“ erhöht werden. Die derzeit häufig völlig unzureichenden Betreuungsintervalle der Mobilen Dienste „Hören“ müssen also intensiviert werden, auch um die inklusiv beschulten Schülerinnen und Schüler vor psychosozialen oder kognitiven Beeinträchtigungen bewahren zu können.

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Alternative Perspektiven Das MS erarbeitet zurzeit in Zusammenarbeit mit dem Landesamt und den betroffenen Einrichtungen eine perspektivische Konzeption mit dem Titel "Zukunftsoffensive Inklusion mit den LBZH", für das der BDH als fachlicher Ansprechpartner gerne seine Überlegungen einbringen würde (s. Grafik unten). Unerlässlich sind jedoch dabei regelmäßige Absprachen mit dem KuMi (auch LSB), um schulgesetzliche Regelungen und fachpädagogische Voraussetzungen für inklusiven Unterricht an Regelschulen und an Förderzentren zu koordinieren. Die inklusive Einzelbeschulung ist auf Grund der fehlenden „Peer-Group“, des hohen Anpassungsdrucks und der daraus resultierenden „Verheimlichung/Verharmlosung“ (Hörgeräte werden häufig trotz Notwendigkeit nicht getragen, FM-Anlagen werden nicht benutzt usw.) der Hörschädigung nicht immer das zu bevorzugende Modell! Die folgenden Modelle stellen weitere Möglichkeiten der inklusiven Beschulung Hörgeschädigter dar, die insbesondere die Peer-GroupBildung und eine qualitativ hochwertige Beschulung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher ermöglichen und von der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten vorgeschlagen werden3. Hieraus leitet der BDH folgenden Vorschlag für Niedersachsen ab, der ebenfalls lange Fahrtzeiten für die Frühförderung und die Mobilen Dienste reduzieren würde: Hörgeschädigtenspezifische Alternative zu den regionalen Leitstellen für Inklusion

Beispiele für solche Modelle finden sich bspw. in NRW (Hörgeschädigtenschule Bielefeld mit einer Außenklasse in Minden) oder Baden-Württemberg (z. B. Hörgeschädigtenschule Stegen mit diversen Außenklassen). Nebenbei bieten Modelle mit Außenklassen auch die unkomplizierte Einführung des dringend benötigen und immer noch fehlenden Gymnasialzweiges für Hörgeschädigte in Niedersachsen. Für den BDH-Landesverband Niedersachsen

Osnabrück, im Dezember 2014

Carsten Gregor und Jürgen Harke 3

Vgl. auch Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten: Inklusion in der Bildung – Gemeinsames Positionspapier der Verbände der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten – Selbsthilfe und Fachverbände e.V. 2010, 7ff.

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