Bakkalaureatsarbeit. Eva-Maria Agaton Matrikelnummer Titel. Scheidungskinder

Bakkalaureatsarbeit Eva-Maria Agaton Matrikelnummer 0612862 Titel Scheidungskinder Medizinische Universität Graz Gesundheits- und Pflegewissenschaft...
Author: Ulrich Kramer
15 downloads 7 Views 749KB Size
Bakkalaureatsarbeit Eva-Maria Agaton Matrikelnummer 0612862

Titel

Scheidungskinder Medizinische Universität Graz Gesundheits- und Pflegewissenschaft

Begutachterin Mag.a Sabine Franziska Seiberl Eichendorffstraße 48 3100 St.Pölten

Lehrveranstaltung Gesundheitspsychologie und geschlechtsspezifisches Gesundheitshandeln

Abgabetermin September 2010

Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bakkalaureatsarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet

habe

und

die

den

benutzten

Quellen

wörtlich

oder

inhaltlich

entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Weiters erkläre ich, dass ich

diese

Arbeit

in

gleicher

oder

ähnlicher

Form

noch

keiner

anderen

Prüfungsbehörde vorgelegt habe.

Längdorf, September 2010

Eva-Maria Agaton

1

Inhaltsverzeichnis

Abstract................................................................................................................... 5

1. Einleitung........................................................................................................... 6

2. Trennung und Scheidung ............................................................................ 7 2.1 Statistische Daten ................................................................................................. 7 2.2 Die Bedeutung von Trennung für Kinder .............................................................. 9 2.3 Die Belastbarkeit einer Trennung für Kinder ....................................................... 12 2.4 Veränderung für die Eltern.................................................................................. 14

3. Phasen der Trennung ................................................................................. 15 3.1 Phase der Ambivalenz ........................................................................................ 15 3.2 Phase der Destabilisierung ................................................................................. 16 3.3 Phase der Stabilisierung ..................................................................................... 16

4. Der Trauerprozess nach der Trennung ................................................. 17 4.1 Verleugnung ....................................................................................................... 17 4.2 Ärger ................................................................................................................... 18 4.3 Verhandeln ......................................................................................................... 19 4.4 Depression ......................................................................................................... 19 4.5 Annahme ............................................................................................................ 20

2

5. Reaktionen von Kindern auf Trennung ................................................. 21 5.1 Reaktionen in der frühen Kindheit ...................................................................... 21 5.2 Reaktionen im Vorschulalter ............................................................................... 22 5.3 Reaktionen im Grundschulalter .......................................................................... 22 5.3 Reaktionen im mittleren Schulalter ..................................................................... 23 5.4 Reaktionen im Jugendalter ................................................................................. 23 5.5 Geschlechtsspezifische Reaktionen ................................................................... 24

6. Probleme nach der Trennung ................................................................... 26 6.1 Seelsorgerliche Probleme................................................................................... 26 6.2 Problem der Selbstanklage................................................................................. 26 6.3 Problem der Veränderung .................................................................................. 27 6.4 Problem der Rollenübernahme ........................................................................... 27

7. Auswirkungen der Trennung .................................................................... 28 7.1 Positive Auswirkungen........................................................................................ 28 7.2 Negative Auswirkungen ...................................................................................... 29 7.3 Kurzfristige Auswirkungen .................................................................................. 30 7.4 Langfristige Auswirkungen.................................................................................. 30

3

8. Hilfestellungen ............................................................................................... 31 8.1 Mediation ............................................................................................................ 31 8.2 Verhalten der Eltern ............................................................................................ 34 8.3 Gruppentherapie ................................................................................................. 36 8.3.1 Scheidungsbewältigung von Kindern – das Linzer Modell ............................... 36 8.4 Bundesverein Rainbows ..................................................................................... 38 8.4.1 Ziele von Rainbows ......................................................................................... 38 8.4.2 Arbeit von Rainbows ........................................................................................ 39

9. Zusammenfassung ....................................................................................... 40

10. Literaturverzeichnis ................................................................................... 42

11. Quellenverzeichnis .................................................................................... 44

12. Abbildungsverzeichnis ............................................................................. 46

4

Abstract

Scheidungskinder In

der

vorliegenden

Bachelorarbeit

beschäftige

ich

mit

dem

Thema

„Scheidungskinder“. Zuerst wird darin erklärt, was eine Trennung der Eltern für das Kind überhaupt bedeutet. Dann gehe ich auf die verschiedenen Phasen der Trennung ein und beschreibe auch, wie der Trauerprozess abläuft. Weiters beschreibe ich die verschiedenen Reaktionen im Zusammenhang mit ihrem Alter und erläutere auch die Probleme und Auswirkungen, die nach einer Trennung auftreten können. Abschließend stelle ich noch einige Hilfestellungen vor, die Kinder in dieser schwierigen Zeit unterstützen können.

Children of divorced parents In the following bachelor thesis I keep myself busy with children of divorced parents. First the meaning of divorce for children is explained, followed by the different sections of divorce and the grieving process. Also the different reactions which differ according to the age of the children, and the problems which could appear after a divorce of parents are defined. I conclude by presenting some types of help which can support children in such a difficult situation.

5

1. Einleitung Immer wieder kann man in Zeitungsberichten lesen, dass heute jede zweite Ehe geschieden wird. Diese Trennung oder Scheidung zweier Partner mag die verschiedensten Gründe haben. Was aber in den diversen Zeitungsberichten nicht dargelegt wird ist, welche Bedeutung oder welche Folgen diese Trennung für die aus dieser Partnerschaft entstandenen Kinder haben. Genau deswegen war es mir ein Anliegen, mich mit diesem Thema näher zu beschäftigen. Ich persönlich kann zu diesem Thema nämlich nicht viel sagen. Meine Eltern sind seit 27 Jahren verheiratet. Man kann natürlich nicht sagen, dass jeder Tag „Eitel Wonne“ ist, denn das „Streiten“ gehört ja bekanntlich zu einer Partnerschaft dazu. Demnach kann ich nicht beurteilen wie es ist, wenn ein Teil aus der Familie herausgerissen wird und nichts mehr so ist wir vorher. Dies brachte mich auch zu der Forschungsfrage, die dieser Arbeit zugrunde liegt, nämlich: „Was bedeutet die Trennung der Eltern für Kinder und welche Probleme resultieren daraus?“ Im ersten Kapitel möchte ich mich allgemein damit beschäftigen, welche Bedeutung die Trennung sowohl für das Kind, als auch für die Eltern hat. In den weiteren Teilen meiner Arbeit werde ich dann spezifisch auf die Phasen der Trennung eingehen und mich auch damit befassen, wie sich der Trauerprozess nach der Trennung abspielt. Ein weiterer Teil meiner Arbeit wird davon handeln, wie Kinder in verschiedenen Altersstufen auf die Trennung der Eltern reagieren und welche Probleme und Auswirkungen auftreten können. Im letzten Kapitel werde ich noch einige Hilfestellungen

vorstellen,

die

von

der

Unterstützung

der

Eltern

bis

zur

professionellen Hilfe von Therapeuten reichen und den Bundesverein „Rainbows“ vorstellen, auf den ich während meiner Literaturrecherche gestoßen bin. Allgemein möchte ich noch sagen, dass ich bei meiner Arbeit die Begriffe „Trennung“ und „Scheidung“ nicht immer gemeinsam anführen werde, hier aber beide die Beendigung einer Beziehung, von der auch Kinder betroffen sind, bedeuten. 6

2. Trennung und Scheidung Statistische Daten zeigen, dass die Zahl der Trennungen und Scheidungen – sowohl mit als auch ohne Kinder – in den letzten Jahren allgemein zugenommen hat. Von Trennung spricht man, wenn eine Beziehung auseinandergeht, während eine Scheidung das Ende einer Ehe bedeutet. Egal ob Trennung oder Scheidung, beide bringen nicht nur eine Veränderung für die Eltern, sondern vor allem auch für die Kinder mit sich. In den folgenden Punkten möchte ich statistische Daten aufzeigen und allgemein darlegen, welche Bedeutung eine Trennung oder Scheidung haben kann.

2.1 Statistische Daten Während die Zahl der Scheidungen in den Jahren zwischen 1980 und 1990 bei rund 16.000 bis 18.000 pro Jahr lag, steigerte sich diese vom Jahr 2000 bis 2009 bis zu circa 20.500 Scheidungen pro Jahr. Es ist somit eine klare Zunahme an Scheidungen festzustellen (vgl. Statistik Austria, Internet URL: Juli 2010).

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Bundesland Burgenland Kärnten Niederösterreich Oberösterreich Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien

461 1.125 3.545 2.405 1.040 2.485 1.155 827 5.469

551 1.070 3.818 2.622 1.154 2.567 1.250 849 5.671

588 1.199 4.039 2.761 1.124 2.682 1.326 991 5.872

558 1.176 4.000 2.752 1.115 2.722 1.285 841 5.469

500 1.087 3.788 2.710 1.214 2.419 1.260 851 5.237

535 997 3.781 2.793 1.104 2.565 1.246 775 5.794

558 998 3.652 2.665 1.057 2.516 1.127 769 6.111

605 1.111 3.827 2.707 1.105 2.490 1.237 808 6.446

513 1.089 3.798 2.801 1.148 2.822 1.237 812 6.296

556 1.136 3.863 2.678 1.055 2.616 1.223 822 5.752

539 1.080 3.736 2.667 1.053 2.580 1.234 807 5.110

Abbildung 1: Scheidungsstatistik 1999-2009 (Internet URL: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/scheidungen/index.html) September 2010

7

Den absoluten Rekordwert an Scheidungen gab es im Jahr 2007 mit einer Scheidungsrate von 49,5%. Im Jahr 2009 wurden 46,0% aller Ehen geschieden. Davon waren 38,5% kinderlos, 25,1% hatten ein Kind, 27,4% der Paare hatten zwei Kinder und 9,0% drei oder mehr Kinder. Betrachtet man die Scheidungsrate im Bundesländervergleich lässt sich feststellen, dass Paare im Jahr 2009 in Wien mit 53,8% am häufigsten vor dem Scheidungsrichter standen, gefolgt von Niederösterreich (48,3%) und Vorarlberg (47,4%). Im Österreichschnitt liegen die Steiermark mit 44,0%, das Burgenland (42,8%), Kärnten (42,3%) und Salzburg mit 41,8%. Die niedrigsten Scheidungsraten gab es in Oberösterreich mit 39,9% und Tirol mit 38,0% (vgl. Statistik Austria, Internet URL: Juli 2010). Die Zahl der Kinder unter 18 Jahren, die 2009 von den Scheidungen ihrer Eltern betroffen waren, liegt bei 20,3% (vgl. Statistik Austria, Internet URL: Juli 2010). Diese Prozentanzahl scheint im ersten Moment nicht viel, man darf aber dabei nicht vergessen, dass die Zahl der Trennungen – das heißt der nicht verheirateten Paare – bei dieser Statistik nicht berücksichtigt wird und somit die Zahl der Kinder, die mit der Trennung ihrer Eltern konfrontiert sind, deutlich höher liegt.

8

2.2 Die Bedeutung von Trennung für Kinder Grundsätzlich ist es so, dass Kinder die Welt ganz anders wahrnehmen als Erwachsene. Ihre Vorstellung von Liebe, Ehe und Trennung unterscheidet sich wesentlich von der, der „Großen“. Für ein Kind ist Liebe eine innere Notwendigkeit, weil es von seinen Eltern physisch und psychisch abhängig ist. Somit stellt es die Qualität der Betreuung der Eltern nicht in Frage, selbst wenn es misshandelt wird. Erst mit circa 15 Jahren entwickelt sich die Gedankenwelt der Kinder in eine Gedankenwelt der Erwachsenen. Deshalb ist es für Kinder schlicht unverständlich wieso sich die Eltern, die sich einmal sehr geliebt haben, plötzlich nicht mehr lieben (vgl. Largo/Czernin, 2003, S. 35 f.). Kinder fühlen aber, dass sich irgendetwas verändert hat, denn sie waren es gewohnt in einer vertrauten Welt mit Mutter und Vater zu leben, die es aber nach der Trennung nicht mehr gibt. Kinder entwickeln eine eigene kindliche Perspektive von der Trennung der Eltern. Sie bemerken schon früh, dass irgendetwas nicht stimmt, denn oft sind sie Zeugen von Auseinandersetzungen oder bemerken eine veränderte Stimmung bei gemeinsamen Aktivitäten. Für Kinder ist es dabei wichtig, dass ihre Vermutungen und Wahrnehmungen von den Eltern bestätigt werden, obwohl man sich als Mutter oder Vater davor scheut, um seinem Kind so viel wie möglich zu ersparen. Denn wenn Kinder die Bestätigung ihrer Eltern bekommen, können sie diese Veränderung in ihrem Leben Schritt für Schritt verstehen lernen und somit besser bewältigen. Zusätzlich suchen sie auch nach Situationen, die für die Veränderung der familiären Lage verantwortlich sein könnten. Dazu gehören beispielsweise eine negative Schularbeit, oder dass man sein Zimmer nicht aufgeräumt hat. Genau diese Suche führt aber zu der Entwicklung von Schuldgefühlen, was weiters dazu führt, dass sie sich für die Trennung der Eltern verantwortlich fühlen (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 14 ff.).

9

Sie versuchen darauf Mutter und Vater wieder zu versöhnen, um alles wieder gut zu machen. Ein Beispiel hierfür wäre, dass Kinder eine Krankheit vorspielen, da sich ja bei dieser Mama und Papa gemeinsam um sie gekümmert haben. Da dieser Versöhnungsversuch nicht funktioniert, fühlen sie sich erneut schuldig. Da die Trennung jedoch unumgänglich ist, kommt es dann zu einem Prozess des „Abschied-nehmens“, unter welchem der Abschied einer vertrauten Beziehung, der Abschied von bekannten Regeln, der Abschied vom gewohnten Alltag und der Abschied von vielem mehr verstanden wird. Erst später entwickelt sich dieser Abschied vom alten Gewohnten zu einem vertrauten Neuen (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 16 ff.). Da ja Kinder, wie schon erwähnt, eine andere Sichtweise auf Liebe, Ehe und Trennung haben als Erwachsene, sehen sie die Trennung der Eltern als massiven persönlichen Verlust und nehmen diese Trennung als Trennung von sich selbst wahr. Plötzlich werden Entscheidungen getroffen, ohne auf die Kinder zu achten. Dadurch kommt es oft dazu, dass Kinder von ihrer derzeitigen Entwicklungsstufe wieder in eine vorige zurückgehen, was beispielsweise bedeutet, dass sie wieder Hilfe bei der Hausübung benötigen oder den Schnuller zum Einschlafen. Die Kinder befinden sich in einer Lebenskrise und vermitteln dem verbleibenden Elternteil, dass sie vermehrt Sicherheit und Vertrauen benötigen. Kinder, die die Trennung ihrer Eltern miterleben, entwickeln

eine Angst vor

Konflikten und befürchten auch, dass wenn sie schon Papa verlassen hat, dies auch Mama tun könnte, weil Kinder eben eine Beziehung zwischen Eltern und Kind und eine Beziehung zwischen Frau und Mann noch nicht unterscheiden können (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 18 f.). Wenn die Eltern dann schon getrennt leben ist es für Kinder sehr schwierig, denn sie müssen es schaffen sich in zwei verschiedenen Welten zurechtzufinden. Da ist einerseits die Mutter, bei der die meisten Kinder bleiben und andererseits der Vater, bei dem man am Wochenende zu Besuch ist, den man aber danach wiederum schwer verlässt. Doch Kinder gewöhnen sich mit der Zeit an diese neue Situation und können mithilfe der Liebe, dem Verständnis und der Unterstützung beider Elternteile sehr gut lernen damit umzugehen (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 19).

10

Eine Trennung der Eltern trägt aber nicht nur Negatives mit sich. Es ist für die Kinder meist auch erleichternd und erneuernd, denn die andauernden Streitigkeiten haben ein Ende und Kinder, die von der Trennung oder Scheidung der Eltern betroffen waren oder sind, entwickeln mehr Selbstständigkeit und Autonomie (vgl. Sartori, Internet URL: Mai 2010).

11

2.3 Die Belastbarkeit einer Trennung für Kinder Wie belastbar die Trennung der Eltern für die Kinder ist, möchte ich am Beispiel von „Sabine“ und „Joachim“ aus dem Buch „Glückliche Scheidungskinder“ – „Trennungen und wie Kinder damit fertig werden“ von Largo und Czernin zeigen. „Das Haus lasse ich euch nicht“, hörten die Kinder den Vater zur Mutter sagen. Seit zwei Stunden saßen die Eltern nun schon in der Küche, ab und zu, wenn ihre Stimmen lauter wurden, hörten Sabine und Joachim die Auseinandersetzungen bis in ihre Schlafzimmer hinauf. Das würde jetzt wieder die halbe Nacht so weitergehen, dachte die vierzehnjährige Sabine und holte sich bei ihrem sechzehnjährigen Bruder ein paar CDs. „Hast du das gehört?“, fragte sie ängstlich. „Ja, die streiten schon wieder. Mach dir nur ja nichts draus, die sind halt so“, versuchte Joachim Sabine zu beruhigen. „Ja, aber das mit dem Haus!“ „Du glaubst doch selbst nicht, dass die sich wirklich scheiden lassen würden. Dazu sind sie doch viel zu feige.“ Joachim spielte den coolen älteren Bruder. Er fand die Ehe seiner Eltern geradezu lächerlich schlecht. Wie sie sich seit Jahren zankten, vor allem um die Erziehung der Kinder. Zunehmend affig war das. Früher war er schluchzend in sein Zimmer gerannt. Daran konnte sich Sabine noch gut erinnern. Wieso spielte er jetzt den Unverletzbaren? Sie hingegen hatte für beide Eltern Verständnis und war deshalb jedes Mal von neuem betroffen. Sie wusste auch nicht, wie es mit ihren Eltern weitergehen sollte, hatte auch keine Lösung für das, was alle in der Familie wussten. Dass die beiden einander einfach nicht mehr ausstehen konnten. Anderentags, als Joachim und Sabine aus der Schule kamen, wurden sie von ihrer Mutter vor vollendete Tatsachen gestellt. Es sei nun endgültig so weit, sie würde sich von Vater trennen und ausziehen. Ihnen, den Kindern, würde sie es freistellen, bei wem sie nun wohnen wollten, allerdings wüssten sie ja selbst, wie wenig Zeit ihr Vater für sie aufbringen könnte, schließlich wäre da ja seine zeit- und kraftraubende Arbeit in der Firma. Die Kinder entschieden sich, ohne zu zögern, für die Mutter und zogen mit ihr in eine Wohnung um die Ecke. Die Umgebung, die Freunde, die Schulwege änderten sich nicht. Sie sahen ihren Vater regelmäßig, und die Eltern kamen nun nach den jahrelangen Konflikten sichtlich besser miteinander aus. Trotzdem hatte die Mutter all die Jahre das Gefühl, dass „kaputtgegangen“ sei. Sie war überzeugt, dass ihre Kinder unter der Trennung „sehr gelitten“ hatten, besonders Sabine, die völlig aus 12

dem Gleichgewicht geriet. Jahrelang machte Sabine ihrer Mutter Vorwürfe. Wegen ihr hätte sie ihr Zuhause verloren, wegen ihr sei alles so schwierig geworden, und sie sei schuld daran, dass nun das Verhältnis zwischen ihr und Sabine so angespannt sei.“ (Largo/Czernin, 2003, S. 61 f.). Dieses Beispiel zeigt, wie belastend die andauernden Streitereien für Kinder sein können. Im Gegensatz zu den meisten anderen Scheidungskindern, können Sabine und Joachim jedoch in der vertrauten Umgebung bleiben, das heißt, es gerät nicht ihr gesamtes Lebensumfeld aus dem Lot. Bei vielen anderen Kindern die von der Trennung ihrer Eltern betroffen sind, ändert sich das gesamte Leben, denn das Kind verliert einen geliebten Elternteil und die vertraute Lebensumwelt, die sich sowohl aus Freunden, Bekannten als auch dem gewohnten Ort

zusammensetzt.

Womöglich müssen sie sich an einen neuen

Partner eines Elternteils, der möglicherweise selbst auch Kinder hat gewöhnen. Weiters werden sie oft von den zuständigen Behörden unter Druck gesetzt, aber auch von den Eltern, die noch nach Jahren der Trennung um das Kind kämpfen. Durch die Streitigkeiten der Eltern, kann auch die Entwicklung des Selbstwertgefühls des Kindes geschädigt werden. Ist ein Kind von vielen dieser Faktoren betroffen, kann dies zu einer Überforderung und Fehlanpassung führen (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 37).

13

2.4

Veränderung für die Eltern

Anders wie beim „Zusammenkommen“ oder bei der Eheschließung, wird der Entschluss sich zu trennen, meist nicht von beiden Partnern gefasst. Dies führt einerseits dazu, dass der Partner, der die Entscheidung getroffen hat, besser darauf vorbereitet ist, aber gleichzeitig auch mehr Schuldgefühle empfindet. Der Partner, der verlassen wird, hat Gefühle der Verletzung und des nicht mehr geliebt Werdens, die sich zu depressiven Verstimmungen entwickeln können (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 35). Eine weitere Folge, die mit einer Trennung einhergeht, sind die finanziellen Probleme. Häufig muss das, was gemeinsam erworben wurde, verkauft werden und das weitere Leben gestaltet sich als finanziell schwierig. Der Elternteil, der von den Kindern getrennt ist leidet sehr darunter, aber auch die Desorientierung der nun alleinstehenden Partner macht sie hilflos und unsicher. Sie kommen als Single nur schwer zurecht, aber auch die Vorstellung in einer erneuten Ehe glücklich zu sein/werden erweist sich nicht als einfach, denn oft müssen Unterhaltszahlungen für die Kinder geleistet werden, was in der neuen Partnerschaft wiederum zu Konflikten führen kann (vgl. CEF e.V., Internet URL: Mai 2010). Betrachtet man das Leben des Partners, bei dem die Kinder geblieben sind, zeigt sich oft, dass dieser die Kinder vermehrt zu beschützen versucht. Die Erziehung wird oft inkonsequent, da der Elternteil von Schuldgefühlen geplagt wird, aber auch Angst davor hat, nicht mehr geliebt zu werden. Sie vergessen dabei oft ihre eigenen Bedürfnisse, nur um immer für das Kind da zu sein und das wieder gut zu machen, was man glaubt zerstört zu haben. Wichtig wäre es, ein Gleichgewicht zwischen dem Wohl des Kindes und den eigenen Bedürfnissen

und Gefühlen zu finden. Dies

gestaltet sich jedoch als schwierig, da sich der erziehungsberechtigte Elternteil selbst in einer schweren und veränderten Situation befindet (vgl. Pfleger, Internet URL: Mai 2010).

14

3. Phasen der Trennung Eine Trennung ist ein Prozess, der verschiedene Phasen – die nicht genau voneinander abgegrenzt werden können –

durchläuft und über einen längeren

Zeitraum andauern kann. In der Ambivalenzphase – darunter versteht man die Zeit vor der Scheidung – entscheiden sich die Eltern für oder gegen eine Trennung. Entscheiden sie sich für die Trennung, tritt die Phase der Destabilisierung ein, also die Zeit während der Trennung. Dieser folgt die Phase der Stabilisierung, in der man etwas Neues aufbaut und sich an diese Situation zu gewöhnen versucht (vgl. Demmler, 1999, S. 30).

3.1 Phase der Ambivalenz Die Ambivalenzphase ist jene Phase, in der es zu wiederholten Konflikten zwischen den Elternteilen kommt. Diese können verbal, aber auch durch körperliche Misshandlungen ausgetragen werden. In dieser Phase wird eine mögliche Trennung jedoch noch nicht offen ausgesprochen (vgl. Jaede et al., 1996, S. 3). Eltern sind meist der Meinung, dass ihre Kinder von diesen Konflikten nichts mitbekommen. Dies jedoch nicht der Fall. Denn Kinder bekommen diese Veränderungen schon sehr früh mit. Sie merken einfach, dass etwas zwischen Mama und Papa nicht stimmt. Es verändert sich der gesamte Umgang untereinander, die Kinder fühlen sich in der Familie plötzlich nicht mehr geborgen. Wird die Vorahnung bestätigt, empfinden Kinder häufig, dass sie an den Streitereien und der Trennung Schuld tragen (vgl. Demmler, 1999, S. 30).

15

3.2 Phase der Destabilisierung Hierbei handelt es sich um die Phase der tatsächlichen Trennung der Eltern. Diese sollten dabei offen mit ihren Kindern darüber reden, warum es so weit gekommen ist. Die Phase der Destabilisierung bringt eine Reihe von Veränderungen mit sich. Man trennt sich von einem Elternteil, zieht womöglich in eine neue Stadt, muss seine alten Freunde verlassen und neue finden. Das heißt, dass es zu einer gesamten Neuorientierung im Leben des Kindes kommt. Natürlich sind von der Trennung auch die Eltern selbst betroffen, die es in dieser Situation oft nicht schaffen dem Kind das zu geben, was es gerade am meisten braucht, nämlich Geborgenheit und Verständnis (vgl. Bauers, 1993, S. 49).

3.3 Phase der Stabilisierung In dieser Phase kommt es zu einer Stabilisierung der neuen Situation. Die Kinder verarbeiten in dieser Phase die Trennung der Eltern und müssen lernen, diese zu akzeptieren. Gerade deswegen ist es in dieser Zeit wichtig, dass sie Liebe und Zuwendung bekommen und über Gefühle offen sprechen können. Gesprächspartner muss dabei nicht der Elternteil selbst sein, sondern es können auch Menschen – zum Beispiel Verwandte – sein, die in diese Situation integriert sind. Diese dritte Phase kann sich über längere Zeit erstrecken. Sie hängt von den Umständen und vom persönlichen Stand der Verarbeitung des Kindes ab (vgl. Demmler, 1999, S. 33 ff.).

16

4. Der Trauerprozess nach der Trennung Jeder, der schon einmal Trauer erlebt hat weiß, wie enorm uns dieses Gefühl trifft. In der Literatur wird der Begriff Trauer „als gesunde, lebensnotwendige und kreative Reaktion auf Trennungs- und Verlusterlebnisse“ erklärt. Es handelt sich dabei nicht um einen einfachen Gefühlsausdruck, sondern das Zusammentreffen verschiedener Symptome. Auf emotionaler Ebene äußert sich diese als Angst, Hilflosigkeit, Zorn, Hass, Sehnsucht, Schuld und Verzweiflung. Zu den körperlichen Symptomen zählen etwa: Beklemmungen, Herzklopfen, Zittern, Gefühle der Leere, Müdigkeit und Schwindelgefühle (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 44). All diese Gefühle sind nach einer Trennung normal. Diese findet man in den verschiedenen Phasen des Trauerprozesses, den ich im Folgenden beschreiben werde, wieder (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

4.1 Verleugnung In der Phase der Verleugnung äußern Kinder Aussagen wie zum Beispiel: „Es geht mir gut. So wie es jetzt ist, ist es am besten.“ Nach außen zeigen sie sich stark, doch wie es im Inneren aussieht, weiß keiner (vgl. Stover, Internet URL: 2010). Sie empfinden körperlich wenig, kommen sich eher wie ein ferngesteuerter Roboter vor und befinden sich in einem Gefühlsschock (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 50). Die Kinder verleugnen, das heißt sie wollen es nicht zugeben, dass es ihnen schlecht geht. Man will in dieser Situation einfach nicht wahrhaben, dass nichts mehr so ist wie vorher und dass man sich schlecht fühlt. Am Anfang einer Trennung der Eltern ist dies eine normale Reaktion, nur mit der Zeit muss das Kind akzeptieren, dass die Trennung Wirklichkeit ist (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

17

4.2 Ärger Nachdem sich Kinder mit der Trennung ihrer Eltern auseinandergesetzt haben, tritt bei ihnen die Phase ein, bei der sie ihre Gefühle äußern. Diese können Ärger, Wut, Schuld,

Ängste,

etc.

sein.

In

weiterer

Folge

führen

diese

Gefühle

zu

Stimmungsschwankungen und allgemeiner Reizbarkeit gegenüber ihrem Umfeld (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 51). Die Phase, in der Kinder über die Entscheidung ihrer Eltern Ärger und andere Gefühle empfinden, wird den Mitmenschen häufig deutlich klar gemacht. Sind Kinder zornig, so schmeißen sie Sachen wild um sich, oder beschimpfen die Menschen im Umkreis, denn so können sie es auch schaffen, ihren Ärger klar auszudrücken. Oft unterdrücken sich Kinder selbst. Sie fressen dabei alles in sich hinein oder verletzen sich selbst, um sich dadurch weh zu tun. Manche Kinder bringen ihren Ärger dadurch zum Ausdruck, dass sie zu den jeweiligen Menschen gehen über die sie sich ärgern, und ihnen dies klar ins Gesicht sagen. Man spricht dabei von Entschlossenheit und dadurch können sie lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Eine weitere Möglichkeit seinen Ärger herauszulassen ist die Umleitung. Um sich abzureagieren sucht man sich irgendeine Beschäftigung, wie zum Beispiel Sport, Musik oder irgendein anderes Hobby. Kinder können durch diese Möglichkeiten lernen, mit ihren Gefühlen besser umzugehen, denn Kurzschlussreaktionen machen die Situation nicht besser (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

18

4.3 Verhandeln Kinder, die sich gerade in der Phase des Verhandelns befinden, versuchen durch Änderung ihres Verhaltens, oder dem Vorspielen einer Krankheit ihre Eltern wieder zusammenzubringen (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 51). Typische Aussagen, die sie in dieser Zeit auch von sich geben sind zum Beispiel: „Der Papa ist noch interessiert an dir, denn er fragt mich oft nach dir.“ Oder: „Wenn du und Mama wieder zusammenkommt, werde ich immer mein Zimmer aufräumen.“ Kinder lügen in dieser Situation für einen guten Zweck, denn sie wollen mit allen Mitteln das Zusammenkommen der Eltern erreichen, auch wenn ihnen das nicht möglich ist (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

4.4 Depression Eine typische Reaktion von Kindern, die sich in der Phase der Depression befinden wäre: „Das Leben hat keinen Sinn mehr, wenn es nicht wieder so wird wie es einmal war.“ Sie bemerken, dass der Versuch die Eltern wieder zusammenzuführen nicht funktioniert hat und erreichen im Trauerprozess den Tiefpunkt (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010). Diese depressive Phase führt bei manchen Kindern zu aggressivem Verhalten, während sich andere von der Außenwelt abkapseln. Sie fühlen sich leer, und niedergeschlagen. Genau diese Gefühle sind aber bei der Bewältigung von Problemen wichtig (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 52).

19

4.5 Annahme In dieser letzten Phase des Trauerprozesses erkennen Kinder, dass sich in ihrem Leben etwas verändert hat und dass diese Veränderung nun zu ihrem Leben dazugehört. Sie versuchen damit umzugehen und es zu akzeptieren. Sie haben nun Bewältigungsmechanismen entwickelt und gelernt, dass es wichtig ist Hilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. Jellenz-Siegel, 2005, S. 52).

20

5. Reaktionen von Kindern auf Trennung Kinder reagieren nicht nur von ihrem Wesen her unterschiedlich auf die Trennung der Eltern. Zwei sehr wichtige Faktoren, sind das Alter und der Entwicklungsstand des Kindes während dieses Trennungsprozesses, denn diese sind für die Bewältigung der Situation ausschlaggebend (vgl. Niesel, 1998, S. 49).

5.1 Reaktionen in der frühen Kindheit Wenn ein Kind auf die Welt kommt, beginnt für dieses ein andauernder Lernprozess. Es

beginnt

Beziehungen

aufzubauen

und

erkennt

bald,

wer

zu

den

Vertrauenspersonen zählt und wer nicht. Die Personen, die das Kind andauernd umgeben, geben dem Kind Stabilität und Sicherheit. Kommt es nun in dieser Lebensphase zu einer Trennung der Eltern, so wird diese Stabilität gestört (vgl. Niesel, 1998, S. 50). Es kann zu einer Vernachlässigung des Kindes durch die Mutter kommen, die ja selbst an der Trennung leidet. All diese Veränderungen können bewirken, dass das Kind wieder in eine frühere Entwicklungsphase zurückfällt, dass es an Ess- und Schlafstörungen leidet oder vermehrt gereizt reagiert. Kleinkinder reagieren auf die Trennung ihrer Eltern aber auch dahingehend, dass sie sich besser fühlen, wieder mehr essen oder besser schlafen können, da die beunruhigenden Streitigkeiten der Eltern wegfallen (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 43 f.).

21

5.2 Reaktionen im Vorschulalter Kinder zwischen vier und sechs Jahren befinden sich in einem Alter, in welchem sie über das, was geschehen ist, nachdenken. Sie geben sich oft selbst die Schuld daran, dass Mutter oder Vater sie verlassen hat (vgl. Niesel, 1998, S. 52). Weiters befürchten sie, dass sie der andere Elternteil auch verlassen könnte. Kinder reagieren in diesem Alter damit, dass sie zum Beispiel erneut Einnässen, Einkoten oder an Wutausbrüchen oder Schlafstörungen leiden. Sie leiden oft an depressiven Verstimmungen und denken, dass sich die Eltern aufgrund der Streitigkeiten, die wegen des Kindes entstanden sind, getrennt haben (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 44).

5.3 Reaktionen im Grundschulalter Kinder

zwischen

dem

sechsten

und

zehnten

Lebensjahr

können

bereits

einigermaßen verstehen, dass sie nicht Schuld an der Trennung der Eltern tragen und können verstehen, dass sich ab diesem Zeitpunkt in ihrem Leben einiges verändern wird (vgl. Niesel, 1998, S. 54). Sie fürchten sich vor allem davor, dass sie den Elternteil der sie verlässt nicht mehr sehen dürfen, und dass sie von diesem nicht mehr geliebt werden. Die Reaktionen darauf äußern sich vor allem durch abfallende Leistungen in der Schule, Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und Stimmungsschwankungen (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 44). Im Gegensatz zu jüngeren Kindern, haben Kinder im Grundschulalter Probleme, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie ziehen sich aufgrund dessen eher zurück und fressen vieles in sich hinein (vgl. Niesel, 1998, S. 54).

22

5.3 Reaktionen im mittleren Schulalter Im Alter von 10 bis 13 Jahren trauern Kinder und wissen nun aber auch was der Grund für diese Trauer ist. Es ist ihnen möglich etwas vorzuspielen, obwohl sie sich in ihrem Inneren anders fühlen (vgl. Niesel, 1998, S. 56). Im Inneren habe sie die Angst ihr sicheres Umfeld zu verlieren, haben Gefühle der Wut und fühlen sich gleichzeitig einsam. Sie befinden sich inmitten der Trennungsstreitigkeiten der Eltern und werden von diesen oft auch aufgehetzt, was ihre Situation zusätzlich verschlimmert. Aufgrund dieses Drucks sind psychosomatische Beschwerden, wie Bauch- oder Kopfschmerzen, oft typische Reaktionen (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 44).

5.4 Reaktionen im Jugendalter Jugendliche, die von der Trennung ihrer Eltern betroffen sind, reagieren auf diese heftig. Sie befinden sich gerade in der Phase des Ablösens von zuhause und werden darin aber durch eine gestörte Familienstruktur gestört. Sie fühlen sich von den Eltern vernachlässigt und haben selbst Angst davor, dieselben Fehler wie ihre Eltern zu begehen. Einige der Jugendlichen sind schon früher sexuell aktiv, andere hingegen ziehen sich eher zuhause zurück und verhalten sich vorbildhaft, um auf das unmoralische Verhalten ihrer Eltern zu reagieren (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 44 f.).

23

5.5 Geschlechtsspezifische Reaktionen Betrachtet man das Verhalten von Mädchen und Jungs die von der Trennung ihrer Eltern betroffen sind, erscheint es, dass Knaben aufgrund ihres aggressiven Verhaltens mehr unter dieser leiden. Mädchen ziehen sich eher zurück und verhalten sich ruhig, was uns darauf schließen lässt, dass diese mit der elterlichen Trennung besser zurechtkommen. Lange Zeit wurde dies auch angenommen, heute weiß man jedoch, dass beide gleichermaßen darunter leiden (vgl. Niesel, 1998, S. 45). Das extrovertierte Verhalten der Jungs ergibt sich laut der Scheidungsforscherin Hetherington daraus, dass Knaben

weniger Zuwendung von ihren Müttern

bekommen, da diese mit der körperlichen, sprich männlichen Anwesenheit ihrer Söhne weniger gut umgehen können als mit der Anwesenheit ihrer Töchter (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 45).

Abbildung 2: Extrovertierter Junge/Introvertiertes Mädchen (Internet URL: http://www.praxis-familienberatung.de/images/fotos/junge-zwille.jpg; http://www.durchblick-filme.de/paulas_geheimnis/bilder/p04_Paula_traeumt.jpg) September 2010

24

Was jedoch die geschlechtsspezifische Verarbeitung und Anpassung der Kinder für das spätere Leben betrifft, ist es meist umgekehrt. So fällt es Mädchen im späteren Leben schwerer Beziehungen aufzubauen und Partnerschaften zu führen. Diese Anpassung hängt vom jeweiligen Entwicklungsstand während der Trennung der Eltern ab. Jungs versuchen sich meist als Einzel- und Wettkämpfer, während Mädchen während der Zeit der Trennung eher den Kontakt zu anderen suchen. Ob sich die Kinder wirklich so verhalten, oder womöglich genau umgekehrt, ist natürlich von Familie zu Familie verschieden (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 45 f.). Auch was die Verarbeitung der Trennung betrifft zeigt sich, dass Mädchen Probleme eher introvertiert verarbeiten. Sie leiden dadurch oft an psychosomatischen Beschwerden – Beschwerden, die keine körperlichen Ursachen haben – wie zum Beispiel Kopf- oder Bauchschmerzen. Knaben verarbeiten ihre Konflikte hingegen nach außen hin, zeigen sich aggressiv und am Kontakt mit Mitmenschen desinteressiert. Oft liegt dieses Verhalten daran, dass Kinder hauptsächlich bei ihren Müttern bleiben. Ihnen – sowohl Mädchen als auch Jungs – fehlt aber der Vater, denn gewisse Werte können nur durch ihn vermittelt werden (vgl. Petri, Internet URL: September 2010).

25

6. Probleme nach der Trennung Nach der Trennung der Eltern können bei Kindern verschiedene Probleme auftreten. Sicherlich ist nicht jedes Kind im selben Ausmaß davon betroffen, da ja auch jede Trennung anders abläuft. Fakt ist jedoch, dass jedes Kind leidet, wenn sich Mama und Papa voneinander trennen.

6.1 Seelsorgerliche Probleme Scheidungskinder leiden oft unter seelsorgerlichen Problemen, weil sie selbst nie die Möglichkeit hatten eine harmonische Beziehung zu erleben. Diese sogenannten Probleme der Seele äußern sich dahingehend, dass diese Kinder im späteren Leben Beziehungsprobleme und Angst vor einer Heirat und dem Eltern werden haben. Sie haben einfach Angst davor dasselbe zu erleben, wie schon ihre Eltern. Sie bauen in ihrem Leben schwer Vertrauen auf, denn genau dieses wurde von den Eltern missbraucht. Scheidungskinder neigen im späteren Leben dazu, dass sie für alles womit sie nicht zurechtkommen, die Trennung der Eltern verantwortlich machen (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

6.2 Problem der Selbstanklage Wie in anderen Punkten schon erwähnt, geben sich Kinder nach einer Trennung oft selbst die Schuld an dieser. Dazu ein Zitat von einem sechzehnjährigen Mädchen: „Ich habe mich lange Zeit heimlich beschuldigt für unser kaputtes Zuhause. Ich glaubte, ich hätte meinen Vater veranlaßt, unsere Familie zu verlassen. Ich war nicht die perfekte Sechzehnjährige, die er sich wünschte. Ich dachte, ich hätte versagt.“ (Stover, Internet URL: Mai 2010) In solchen Situationen ist es sehr wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern darüber reden und ihnen klar machen, dass sich diese nicht wegen den Kindern, sondern aus persönlichen Gründen voneinander getrennt haben (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010). 26

6.3 Problem der Veränderung Jeder weiß wie schwer es ist, wenn man nach der Volksschule an eine andere Schule kommt, und plötzlich von seinem besten Freund oder der besten Freundin getrennt ist. Das „Schule gehen“ ist nicht mehr so wie vorher, denn in der Klasse fehlt einfach ein besonderer Teil. Eine Trennung bringt nicht nur eine Veränderung mit sich, sondern viele. Man zieht in eine andere Stadt, besucht eine andere Schule, trennt sich von seinen Freunden und muss nun neue Kontakte aufbauen. Häufig haben alleinerziehende Mütter oder Väter auch finanzielle Probleme, wodurch es ihnen unmöglich ist, viele Wünsche ihrer Kinder zu erfüllen. Die Kinder sind auch öfter alleine zuhause und müssen sich ab diesem Zeitpunkt auch gewöhnen, im Haushalt mit anzupacken (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

6.4 Problem der Rollenübernahme Kinder haben nach der Trennung ihrer Eltern das Problem, dass sie sich für den Elternteil, bei dem sie geblieben sind, verantwortlich fühlen. Söhne, die bei der Mutter geblieben sind, übernehmen zum Beispiel oft die Rolle des Vaters. Dabei nehmen sie die Rolle so ein, wie sie es sich von ihrem Vater gewünscht hätten. Dieses Verhalten lässt sich nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch schon bei Kindern im Grundschulalter feststellen. Sie wollen dadurch die Verantwortung des fehlenden Elternteils übernehmen. Manche Kinder, die früh Verantwortung übernehmen müssen, sind mit der Situation oft überfordert und beklagen sich später darüber, dass sie nie wirklich „Kind sein“ konnten. Das Positive an dieser Rollenübernahme ist jedoch, dass jene Kinder selbstständiger sind und leichter Entscheidungen treffen können (vgl. Stover, Internet URL: Mai 2010).

27

7. Auswirkungen der Trennung Wie schon in den vorigen Punkten geschildert, leiden Kinder sehr unter der Trennung ihrer Eltern. Im Folgenden möchte ich darlegen, welche Auswirkungen solch eine Trennung auf die betroffenen Kinder haben kann.

7.1 Positive Auswirkungen Natürlich stehen mit einer Trennung der Eltern hauptsächlich negative Folgen im Mittelpunkt. Es gibt aber auch einige positive Auswirkungen. Betrachtet man nämlich die traditionelle Familienform, ist die Mutter für die Kindererziehung und den Haushalt verantwortlich und der Vater hat durch die Arbeit nur wenig Zeit für seine Kinder. Nach einer Trennung verändert sich dieses Verhalten, denn der Vater hat an regelmäßigen Wochenenden das Besuchsrecht und muss dieses nun mit seinen Kindern gestalten. In manchen Familien ist es tatsächlich so, dass die Kinder nach einer Trennung mehr von ihrem Vater haben als davor. Im Gegensatz dazu muss die Mutter meist arbeiten gehen, um finanziell über die Runden zu kommen. Die positive Folge davon ist, dass Kinder dadurch lernen ihre Zeit einzuteilen. Weiters entwickeln Kinder getrennter Eltern mehr Selbstständigkeit und lernen auch sich durchzusetzen, was in vielen späteren Situationen von Vorteil sein kann. Auch ein

erhöhtes

Einfühlungsvermögen

und

eine

geringere

Fixierung

auf

die

verschiedenen Rollenverteilung in der Familie – sie erkennen, dass auch Papa einen Staubsauger benutzen kann, oder dass auch Mama ein Regal zusammenbauen kann – zählen zu den positiven Auswirkungen einer Elterntrennung (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 39 f.).

28

7.2 Negative Auswirkungen Wenn von den negativen Auswirkungen einer Trennung gesprochen wird, muss man sich Klarheit verschaffen, durch was den Kindern ein Schaden zugefügt werden kann. Dazu möchte ich im Folgenden drei Ebenen der Schädigung erläutern. o Die Restfamilie als unvollständige Familie Durch eine Trennung der Eltern wird die Familie in einen unvollständigen Zustand überführt. In diesem Zustand kommt es zu einem Mangel an sozialisatorischen Funktionen. Hierbei fragt man sich, ob das Kind bei einem Elternteil ausreichend für die weibliche oder männliche Lebenswelt sozialisiert wird. o Die ökonomische Ebene Bei der ökonomischen Ebene handelt es sich um die finanziellen Belastungen einer Familie. Diese entstehen dadurch, dass nun zwei Haushalte finanziert werden müssen, was für die Kinder negative Auswirkungen auf die Ernährungs- und Gesundheitsversorgung und Ausbildungsförderung haben kann. o Der Konflikt- oder Beziehungsaspekt Diese Ebene ist die bedeutendste der drei Ebenen und besagt, dass die elterlichen Konflikte, die oft auch nach der Trennung bestehen bleiben, der kindlichen Entwicklung mehr schaden, als die Trennung an sich. Eine Studie von Hetherington (2003) zeigt, dass sich 20-25% der Eltern sechs Jahre nach der Trennung noch immer streiten (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 40 f.).

29

7.3 Kurzfristige Auswirkungen Die erste Zeit nach der Trennung ist für die Kinder am meisten belastend. In dieser Zeit fallen sie besonders in der Schule auf, indem sie keine Hausübung machen, geistig abwesend sind oder oft gar zu spät kommen. Zuhause sind sie aggressiv, gereizt und ungehorsam, um auf diese Weise herauszubekommen, wie weit sie beim verbliebenen Elternteil gehen können. Dieses Verhalten kurz nach der Trennung hält aber bei den meisten nur für einige Zeit an und verschwindet nach spätestens ein bis zwei Jahren danach wieder (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 42 f.).

7.4 Langfristige Auswirkungen Was die langfristigen Folgen einer Trennung sein können und wie diese entstanden sind, lässt sich nicht leicht sagen. Es ist schwer zu behaupten, dass das Verhalten eines Kindes nur auf die Elterntrennung zurückzuführen ist. Oft kann dieses auch aufgrund der Erziehung der Eltern entstanden sein (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 47). Studien über die langfristigen Auswirkungen zeigen, dass Scheidungskinder ein höheres Risiko dazu haben, psychisch zu erkranken. Sie leiden oft an Depressionen, Essstörungen oder Zwangserkrankungen. Weiters ist erkennbar, dass Kinder, die von der Trennung ihrer Eltern betroffen sind, die Schule schlechter abschließen und generell ein geringeres Ausbildungsniveau haben, als Kinder, die aus einer intakten Familie kommen. Außerdem zeigt sich ein vermehrtes antisoziales und selbstgefährdendes Verhalten, welches mit Drogenmissbrauch und risikohaftem Sexualverhalten in Zusammenhang steht (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 47 f.).

30

8. Hilfestellungen Nach der Trennung der Eltern empfinden Kinder ein Gefühl der Irritation. Ihr psychisches Gleichgewicht ist gestört und sie antworten darauf mit verschiedenen Reaktionen, die sich bezüglich Alter, Entwicklungsstand, der persönlichen Stabilität, aber auch vom unterschiedlichen Verlauf der Trennung unterscheiden (vgl. JellenzSiegel, 2005, S. 160). In dieser Situation sollten Kinder vor allem durch ihre Eltern unterstützt werden. Reicht dies nicht aus, oder sind die Eltern aufgrund der eigenen Belastung durch die Trennung selbst nicht in der Lage, ist es ratsam professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

8.1 Mediation Der Begriff Mediation stammt ursprünglich aus dem lateinischen und bedeutet so viel wie „friedensstiftende, versöhnende Vermittlung“. Bei diesem Verfahren hilft eine neutrale Person – der sogenannte Mediator – einen Konflikt zwischen zwei Parteien zu lösen. Der Mediator versucht dabei die Probleme zu finden, die zum Konflikt geführt haben um diese dann gemeinsam zu erarbeiten und zu lösen. Mediation wird sowohl von Anwälten als auch

von Psychotherapeuten durchgeführt. Die

Voraussetzungen für eine Mediation sind: Freiwilligkeit, Akzeptanz, Offenheit und Vertraulichkeit (vgl. Bärnreuther, Internet URL: September 2010).

31

Abbildung 3: Kommunikationswege in der Meditation (Internet URL: http://www.regelschule-schlossvippach.de/bilder/mediation_grafik.jpg) September 2010

Scheidungsmediation zählt zu der bekanntesten Präventionsmöglichkeit von negativen Scheidungsauswirkungen. Der Mediator hilft der Familie dabei, das Gespräch

über

die

gegenseitigen

Standpunkte,

Forderungen,

Wünsche,

Befürchtungen und Stärken zu erleichtern. Dadurch kann man zu Lösungen bezüglich des Unterhalts, der Kinderbetreuung oder des Sorgerechts kommen. Die Mediation, bei der auch oft die Kinder mit integriert werden hilft dabei, die familiäre Neuorientierung zu erleichtern. Das Scheidungsmediationsverfahren verläuft dabei in vier Phasen: 1. Orientierungsphase Hierbei wird das Mediationskonzept vorgestellt und eine Atmosphäre des Vertrauens zwischen den konflikttragenden Parteien hergestellt. 2. Phase der Festlegung und der Verhandlungspunkte Es handelt sich dabei um die Identifizierung der sachlichen und emotionalen Probleme (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 53 f.). 32

3. Verhandlungsphase Der Mediator sucht nach gemeinsamen Nennern, um eine Annäherung der gegensätzlichen Parteien zu erzielen. Dabei werden Vor- und Nachteile diskutiert, sowie nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. 4. Festlegungsphase In dieser werden die Übereinkommen, die getroffen wurden, festgehalten. Verstößt

einer

der

Parteien

gegen

diese,

kommt

es

zu

weiteren

verpflichtenden Mediationssitzungen (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 54). Studien zeigen, dass Mediation ein gutes Werkzeug ist, um Konflikte zu lösen. Es verbessert die Kommunikation und führt auch dazu, dass Menschen lernen, die gesamte Situation von einem anderen Blickwinkel aus zu sehen. Mediation hat aber auch seine Grenzen. Bei Paaren mit hohem Konfliktniveau, geringer Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft führt sie meist nicht zum gewünschten Erfolg. Auch bei Menschen mit geringem Einkommen und bei solchen, wo bereits ein Gerichtsbeschluss besteht, gestaltet sich dieses Verfahren als schwierig (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 54).

33

8.2 Verhalten der Eltern Vor allem die Eltern können den Kindern die Zeit während und nach der Trennung erleichtern. Jene brauchen während dieser Zeit nämlich viel Liebe, emotionale Unterstützung und Zuneigung. Wichtig dabei ist vor allem, dass der Elternteil, bei dem die Kinder hauptsächlich wohnen, nicht nur für die Erziehungsangelegenheiten verantwortlich ist, sondern mit den Kindern auch Aktivitäten unternimmt, die Freude machen (vgl. Textor, Internet URL: September 2010). Hier sind einige Tipps, wie man sein Kind unterstützen kann: o Zeigen Sie ihrem Kind gegenüber viel Verständnis und Einfühlungsvermögen, und helfen Sie diesem dabei über Gefühle und Probleme offen zu sprechen. o Helfe Sie ihrem Kind die elterliche Trennung zu akzeptieren, um es so bei der psychischen und emotionalen Verarbeitung zu unterstützen.

o Informieren Sie ihr Kind immer genau darüber, wie es zurzeit mit der Trennung steht. Nur dadurch können eigene Vermutungen und Fantasien des Kindes vermieden werden.

o Achten Sie darauf, dass Ihr Kind keine Schuldgefühle entwickelt. Erklären Sie dem Kind, dass für die Trennung ausschließlich Sie und ihr Partner verantwortlich sind.

o Halte Sie ihr Kind aus den Konflikten und den persönlichen Problemen und Belastungen heraus. Machen Sie ihrem Kind klar, dass sie mit diesen selbst fertig werden und es sich nicht darum kümmern muss.

o Helfen Sie ihrem Kind dabei, mit den unterschiedlichen Regeln, Erwartungen und Einstellungen von zwei Haushalten umzugehen.

34

o Beobachten Sie ihr Kind genau, ob sich dessen Verhalten ändert. Bleibt diese Veränderung über einen längeren Zeitraum bestehen, so scheuen Sie sich nicht davor, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

o Kommen Sie bald wieder zu einem routinierten Alltag. Setzen Sie klare Verhaltensziele und verzichten Sie aufgrund von Schuldgefühlen nicht auf Strafen. Kinder bekommen durch Normen und Regeln Sicherheit in ihrem Leben.

o Ermöglichen Sie Ihrem Kind viel Zeit bei Verwandten und Großeltern zu verbringen, da sie von diesen zusätzlichen Trost, zusätzliche Liebe und das Gefühl von Geborgenheit bekommen.

o Wenn Sie mehrere Kinder haben, fördern Sie die Geschwisterbeziehungen untereinander (vgl. Textor, Internet URL: September 2010).

35

8.3 Gruppentherapie Die Gruppentherapie hat den Vorteil, dass Kinder erkennen, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind und dass auch andere Kinder von einer Trennung der Eltern betroffen sein können. Gruppentherapien unterscheiden sich bezüglich der Anzahl der Einheiten, der Gruppengröße und im Ausmaß des Einbezugs der Eltern. Die Kinder haben die Möglichkeit über ihre Ängste zu sprechen, lernen Strategien zu entwickeln und bestimmte Wünsche – bezügliche der Trennung – an die Eltern zu äußern (vgl. Staub/Felder, 2004, S. 60 f.).

8.3.1 Scheidungsbewältigung von Kindern – das Linzer Modell In diesem Punkt möchte ich ein Modell, auf welches ich während meiner Literaturrecherche gestoßen bin, vorstellen. Das Linzer Modell „Trennung-Scheidung-Neubeginn“ wurde im Jahre 1995 aufgrund der zunehmenden Scheidungsfälle am Institut für Familien- und Jugendberatung der Stadt Linz entwickelt. Dieses Modell beinhaltet ein Gruppenangebot für Kinder, welches auf bestimmte Themen abgestimmt ist und eine zusätzlich parallel laufende Elternteilgruppe. Die Ziele dieses Modells liegen darin, dass Kinder in ihrem Selbstwert gestärkt werden, dass sie ihre Gefühle zulassen können und vermittelt bekommen, wie man dramatische Situationen verarbeiten kann. Weiters lernen sie verschiedene Bewältigungsstrategien kennen, lernen

die positiven Aspekte der Scheidung

wahrzunehmen und wie man die Beziehung zu beiden Elternteilen stärkt. Die Ziele der Erwachsenenarbeit liegen in der Unterstützung der neuen Lebenssituation und in der Stärkung der Elternkompetenz. Den Eltern wird dabei die kindliche Ansicht einer Scheidung verdeutlicht. Auch sie haben hier die Möglichkeit, sich mit anderen Eltern auszutauschen (vgl. Schön/Spranger, Internet URL: September 2010). 36

Diese Art der

Scheidungsbewältigung ist für Kinder zwischen dem achten und

zwölften Lebensjahr möglich. Die Zielgruppen sind Kinder, deren Familie sich in der Nachscheidungsphase befindet, Kinder mit auffälligem Verhalten, Kinder die gruppenfähig sind und Eltern, die bereit sind, an einer Erwachsenengruppe teilzunehmen. Das Programm findet achtmal, jeweils eineinhalb Stunden pro Woche statt und in einer Gruppe befinden sich maximal sechs Kinder. Der Ablauf dieses Gruppenangebots beginnt mit einem Erstgespräch mit dem Elternteil, wo herausgefunden wird, ob dieses Programm für das Kind einen Sinn hat. Stellt sich das Kind als „geeignet“ heraus, wird ihm in einem weiteren Gespräch der genaue Inhalt, das Ziel und der Ablauf erklärt. Jedes Treffen hat dabei die gleiche Struktur. Am Anfang wird über Gefühle und die allgemeine Befindlichkeit in der letzten Woche gesprochen. Danach wird ein inhaltlicher

Schwerpunkt

gesetzt,

welcher

sich

zum

Beispiel

um

das

Besuchswochenende oder den neuen Partner von Mama oder Papa drehen kann. Um das gesamte Programm aufzulockern werden auch Bewegungsspiele eingesetzt und abschließend wird noch eine themenzentrierte Geschichte entwickelt. Die Erwachsenengruppe erarbeitet Themen, die die Eltern selbst ansprechen, oder auch Themen, die der Gruppenleiter/die Gruppenleiterin von der beruflichen Erfahrung her, als wichtig erachtet (vgl. Schön/Spranger, Internet URL: September 2010).

37

8.4 Bundesverein Rainbows Die Institution Rainbows hilft Kindern in Ausnahmesituationen. Dazu zählen die Trennung oder Scheidung der Eltern oder auch der Tod naher Bezugspersonen. Bei Rainbows können Kinder über all ihre Gefühle und Probleme sprechen, die sie zuhause oft unterdrücken. Auch hier werden Gruppentreffen veranstaltet, in welchen die Kinder die Möglichkeit haben mit Gleichaltrigen über ihr Schicksal

zu

sprechen

und

in

welchen sie erkennen lernen, dass auch andere Kinder davon betroffen sind (vgl. Rainbows Broschürenheft, 2009, S. 7). Abbildung 4: Bundesverein Rainbows (Internet URL: http://familienevent.heimat.eu/rainbows.jpg) September 2010

8.4.1 Ziele von Rainbows Mit der Institution Rainbows stehen Begriffe wie Hoffnung, Optimismus, Vielfalt und Buntheit in einer stürmischen „Regenzeit“ in Zusammenhang. Der Verein hilft den Kindern Selbstvertrauen und Mut zu entwickeln, um ihre Bedürfnisse in Zeiten der Trennung wahrzunehmen und auch zu äußern. Bei der Arbeit mit den Kindern stehen Professionalität und Qualität an erster Stelle. Die altershomogenen Gruppen treffen sich über einen Zeitraum von einem halben Jahr für eineinhalb Stunden, um durch die gemeinsame Arbeit nachhaltige Erfolge erzielen zu können. Der Ablauf des Treffens weist eine gewisse Struktur auf, aber auch Zeit für Spiel und aktuelle Probleme und Fragen kommen dabei nicht zu kurz. Kinder bekommen von den Mitarbeiter/innen Respekt, Achtung und Verständnis und es wird ihnen eine positive Lebenseinstellung vermittelt. Auch bei dieser Institution werden die Eltern oft in die Arbeit mit integriert und somit unterstützt und entlastet (vgl. Rainbows Broschürenheft, 2009, S. 15 f.). 38

8.4.2 Arbeit von Rainbows Die Zielgruppe beim Verein Rainbows sind Kinder und Jugendliche zwischen dem vierten und siebzehnten Lebensjahr, welche von einem Trennungs- oder Verlusterlebnis betroffen sind. Es wird in kleinen altershomogenen Gruppen gearbeitet, in welchen sich vier bis sieben Kinder im Zeitraum von einem halben Jahr vierzehnmal treffen. Diese vierzehn Treffen gliedern sich in zwei Blöcke, um nach den ersten sieben Wochen das Erlebte zu verarbeiten. Die einzelnen Treffen dauern eineinhalb Stunden. Nach einer vierwöchigen Pause, werden dann die restlichen sieben Treffen abgehalten. Rainbows arbeitet damit, dass die Institution die Themen, die für eine Verarbeitung eines Trennungs- oder Verlusterlebnisses relevant sind, altersgerecht aufbereitet und mit passenden Methoden bearbeitet. Die Kinder haben nach einer Schnupperstunde selbst die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie die Gruppe besuchen möchten oder nicht (vgl. Rainbows Broschürenheft, 2009, S. 17).

39

9. Zusammenfassung Obwohl die Scheidungsrate in Österreich nach dem erreichten Höchstpunkt im Jahre 2007 wieder leicht gesunken ist, lässt sich in den letzten Jahren eine allgemeine Steigerung erkennen. Viele Menschen vergessen bei dem Thema Scheidung und Trennung auf die entstandenen Kinder. Diese haben im Gegensatz zu den Erwachsenen eine ganz andere Vorstellung von der gesamten Welt und genau deshalb ist es für sie so schwierig zu verstehen, warum sich die Eltern plötzlich nicht mehr lieb haben und getrennte Wege gehen. Kinder bemerken relativ früh, dass sich zwischen ihren Eltern irgendetwas verändert hat. Ihnen fällt auf, dass sich die Eltern vermehrt streiten und sie fühlen sich plötzlich nicht mehr so wohl, wie sie es einst getan haben. Nach dieser Ambivalenzphase und der Zeit der Trennung kommt es bei den Kindern zu zahlreichen Veränderungen, wie zum Beispiel einem Wohnort- oder Schulwechsel oder zur Trennung eines geliebten Elternteils und es kann einige Zeit dauern, bis sich die Kinder an die neue Situation gewöhnen. Im sogenannten Trauerprozess verarbeiten Kinder

ihre Gefühle, die im

Zusammenhang mit der Trennung der Eltern stehen. Zuerst versuchen sie zu verleugnen, was passiert ist. Nach dem sie aber erkennen, dass die Trennung der Eltern Realität ist, empfinden sie einen enormen Ärger über deren Entscheidung. Auf diese Phase des Ärgerns folgt schließlich die Phase des Verhandelns, in welcher Kinder noch einmal alles versuchen, um ihre Eltern wieder zusammenzubringen. Da ihnen das aber nicht gelingt fallen sie in eine Depression, in welcher sie das Leben als sinnlos empfinden. Schließlich und endlich erkennen die Kinder aber, dass es in ihrem Leben zu einer Veränderung gekommen ist und versuchen diese anzunehmen.

40

Während der gesamten Zeit vor, während und nach der Trennung können Kinder unterschiedlich

auf

die

gegebene

Situation

reagieren.

Diese

Reaktionen

unterscheiden sich vor allem bezüglich des Alters und des Entwicklungsstandes und auch das Geschlecht spielt dabei eine Rolle. Während die jüngeren Kinder noch nicht verstehen können warum sich die Eltern trennen und auf die Situation noch nicht bewusst reagieren können, äußert sich das Verhalten bei Jugendlichen teils ziemlich heftig. Oft spielen sie Gefühle vor, was das Erkennen von einem möglichen Bedarf an Hilfe erschwert. Die Probleme und Auswirkungen einer Trennung können für Kinder nicht nur zum Zeitpunkt der Trennung belastend sein. Nein, diese können das Kind sein Leben lang begleiten. Scheidungskinder leiden häufig an psychischen Erkrankungen und das Führen einer Beziehung oder die Entscheidung für eine Ehe und Kinder gestaltet sich für sie als schwierig. Für Eltern ist es wichtig, die Gefühle des Kindes zuzulassen und trotz der eigenen schwierigen Situation auf das Kind einzugehen und Liebe und Geborgenheit zu schenken. Erkennt der erziehungsberechtigte Elternteil jedoch, dass die eigene Unterstützung nicht reicht, wäre es wichtig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Verein, der sich speziell auf Kinder in „stürmischen Zeiten“ spezialisiert hat, ist die Institution Rainbows. Für mich war es wichtig in dieser Arbeit aufzuzeigen, wie sehr Kinder an der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern leiden. Meiner Meinung nach wären viele Trennungen unnötig, wenn sich Menschen in dieser schnelllebigen Zeit noch zuhören und ausreden könnten. Ich verurteile meine Großmutter zwar immer für die Aussage: „Früher hat’s das nicht gegeben.“, aber es ist glaube ich tatsächlich so, dass aufgrund der heutigen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Menschen vieles unversucht bleibt. Ich hoffe für mich selbst, dass ich nie ein Scheidungskind werde, denn ich denke mich würde das selbst im Alter von 23 Jahren treffen, und dass ich aus meinen Kindern nie Scheidungskinder machen werde.

41

10. Literaturverzeichnis BAUERS, Bärbel (1993): Psychische Folgen von Trennung und Scheidung für Kinder. In: MENNE, Klaus (Hrsg.): Kinder im Scheidungskonflikt: Beratung von Kindern und Eltern bei der Scheidung. Weinheim, München: Juventa Verlag. S. 39 – 61. BOJDUNYK-RACK Dagmar (2009): Rainbows. Für Kinder und Jugendliche in stürmischen Zeiten. Broschürenheft. Rainbows Bundesverein. Herausgeber und Verleger: Business Data Consulting GmbH im Auftrag von Rainbows. DEMMLER, Michaela (1999): Pädagogische Hilfe für Scheidungskinder. Horte und Tagesheime als familienergänzende Institution. München: Kopäd Verlag. JAEDE,

Wolfgang;

WOLF,

Jürgen;

ZELLER-KÖNIG,

Barbara

(1996):

Gruppentraining mit Kindern aus Trennungs- und Scheidungsfamilien. Weinheim: Beltz Verlag. JELLENZ-SIEGEL, Birgit (2005, 2. Auflage): Wie Kinder die Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erleben. In: BOJDUNYK-RACK, Dagmar; JELLENZ-SIEGEL, Birgit; PRETTENTHALER, Monika; TUIDER, Silvia (Hrsg. im Auftrag des Bundesvereins RAINBOWS): … UND WAS IST MIT MIR? Kinder im Blickpunkt bei Trennungs- und Verlusterlebnissen. Graz: Steirische Verlagsgesellschaft. S. 14 – 20. JELLENZ-SIEGEL, Birgit (2005, 2. Auflage): Trauer von Kindern und Jugendlichen. In: BOJDUNYK-RACK, Dagmar; JELLENZ-SIEGEL, Birgit; PRETTENTHALER, Monika; TUIDER, Silvia (Hrsg. im Auftrag des Bundesvereins RAINBOWS): … UND WAS IST MIT MIR? Kinder im Blickpunkt bei Trennungs- und Verlusterlebnissen. Graz: Steirische Verlagsgesellschaft. S. 44 – 53.

42

JELLENZ-SIEGEL, Birgit (2005, 2. Auflage): … und wer schaut auf uns? – RAINBOWS mit dem Blick auf die Kinder und Jugendlichen. In: BOJDUNYK-RACK, Dagmar; JELLENZ-SIEGEL, Birgit; PRETTENTHALER, Monika; TUIDER, Silvia (Hrsg. im Auftrag des Bundesvereins RAINBOWS): … UND WAS IST MIT MIR? Kinder im Blickpunkt bei Trennungs- und Verlusterlebnissen. Graz: Steirische Verlagsgesellschaft. S. 160 – 167. LARGO, Remo H.; CZERNIN, Monika (2003): Glückliche Scheidungskinder. Trennungen und wie Kinder damit fertig werden. München und Zürich: Piper Verlag. NIESEL, Renate (1998): Scheidungskinder. Mit Kindern Trennungen bewältigen. Wie Eltern ihren Kindern in familiären Extremsituationen helfen können. Mit den neuen Regelungen zum gemeinsamen Sorgerecht. München: Südwest Verlag. STAUB, Liselotte; FELDER, Wilhelm (2004): Scheidung und Kindeswohl. Ein Leitfaden zur Bewältigung schwieriger Übergänge. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber.

43

11. Quellenverzeichnis BÄRNREUTHER, Lothar (Rechtsanwälte in überörtlicher Sozietät): Mediation und Konfliktmanagement. Internet URL: http://www.ra-baernreuther.de/2766/mediation.html (12. September 2010) CEF e.V. (Verein für Christliche Ehe- und Familienarbeit): Die Folgen von Scheidung. Zusammenfassung verschiedener Studien der aktuellen Scheidungsforschung 12/2004. Internet URL: http://www.cef-ev.de/index.html?/folgen_von_scheidung/folgen_von_scheidung.html (03. Mai 2010) PETRI, Horst: Manche Werte können nur Väter vermitteln. Internet URL: http://www.erziehungstrends.de/Vaeter/Werte (12. September 2010). PFLEGER,

Astrid

(wecarelife.at



Bewusst

leben.

Einfach

wohl

fühlen.):

Scheidungskinder. Wie Kinder die Trennung ihrer Eltern erleben. Internet URL: http://www.wecarelife.at/index.php?type=99&id=4490 (03.Mai 2010) SARTORI, Alexandra: Schulpsychologie Neunkirchen. Trennung der Eltern. Internet URL: http://schulpsychologie.lsr-noe.gv.at/downloads/trennung_scheidung.pdf (03. Mai 2010) SCHÖN, Elke; SPRANGER, Barbara: Workshop „Scheidungsbewältigung von Kindern – das Linzer Modell“. Institut für Familien- und Jugendberatung Linz. Internet URL: http://stangl-taller.at/50JAHRE/REFERENTEN/schoenspranger.html (12. September 2010) STATISTIK Austria: Ehescheidungen. Internet URL: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/scheidungen/index.html

(15.

Juli 2010)

44

STOVER, Jason (www.scheidungskinder.com): Scheidungskinder. Hilfe im Umgang mit Jugendlichen deren Eltern geschieden oder getrennt sind. Internet URL: http://www.scheidungskinder.com/ (03. Mai 2010) TEXTOR, Martin R.: Nach der Trennung: Wie soll ich mich meinen Kinder gegenüber verhalten? Das Familienhandbuch des Staatsinstituts für Frühpädagogik. Internet URL: http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_aktuelles/a_trennung_scheidung/s_595.htm l (12. September 2010)

45

12. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Scheidungsstatistik 1999-2009 .............................................................. 7 Abbildung 2: Extrovertierter Junge/Introvertiertes Mädchen ..................................... 24 Abbildung 3: Kommunikationswege in der Meditation .............................................. 32 Abbildung 4: Bundesverein Rainbows ...................................................................... 38

46

Suggest Documents