AUSWIRKUNG VON POSTNATALEM STRESS AUF DIE REELIN- EXPRESSION IM HIPPOCAMPUS DER MAUS

Aus der Klinik für Neurochirurgie, AG Experimentelle Epilepsieforschung, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau AUSWIRKUNG VON POSTNATAL...
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Aus der Klinik für Neurochirurgie, AG Experimentelle Epilepsieforschung, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

AUSWIRKUNG VON POSTNATALEM STRESS AUF DIE REELINEXPRESSION IM HIPPOCAMPUS DER MAUS

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

vorgelegt 2009 von Marie Katrin Scheller geboren in Dachau

Dekan: Prof. Dr. C. Peters 1. Gutachterin: Prof. Dr. C. A: Haas 2. Gutachter: Prof. Dr. K. Lieb Jahr der Promotion: 2009

Meinen Eltern und S.F.

Teile dieser Arbeit wurden veröffentlicht:

Poster: 31. Neurobiologie Konferenz , 29. März – 01. April 2007 in Göttingen C.M. Gross, A. Flubacher, A. Heyer, M. Scheller, S. Tinnes, I. Herpfer, M. Frotscher, K. Lieb, C.A. Haas Early Experience Alters Hippocampal Reelin Gene Expression in a GenderSpecific Manner

Drei Länder Symposium für Biologische Psychiatrie 2008 C.M. Gross, A. Flubacher, A. Heyer, M. Scheller, I. Herpfer, M. Frotscher, K. Lieb, C.A. Haas Regulation of Reelin Gene Expression by an Early Separation Paradigm

INHALTSVERZEICHNIS

I

INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS

I

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

III

TABELLENVERZEICHNIS

III

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

IV

1 EINLEITUNG

1

1.1

Der Hippocampus 1.1.1 Aufbau 1.1.2 Funktionelle Organisation 1.1.3 Entwicklung

1 1 3 4

1.2

Reelin

5

1.3

Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse 1.3.1 Funktion 1.3.2 Rolle des Hippocampus in der Stressantwort 1.3.3 Einfluss der Umwelt auf die Regulation der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse

7 7 8 8

1.4

Stressmodelle 1.4.1 Einführung 1.4.2 Auswirkungen der Stressmodelle

9 9 11

1.5

Psychiatrische Parallelen 1.5.1 Vulnerabilitäts-Stress-Modell 1.5.2 Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse bei psychischen Erkrankungen 1.5.3 Änderungen der Hippocampusmorphologie bei psychischen Erkrankungen 1.5.4 Reelin und psychische Erkrankungen

12 12

1.6

Geschlechtsdifferenzen in Morphologie und Physiologie des Gehirns

16

1.7

Fragestellung der Arbeit

17

13 14 15

2 MATERIAL UND METHODEN

19

2.1

Versuchstiere

19

2.2

Stressmodelle

19

2.3

Herstellung der Gewebeproben 2.3.1 Transkardiale Perfusion 2.3.2 Herstellung von Gewebeschnitten (Vibratomschnitte) 2.3.3 Native Gehirnpräparation

23 23 24 24

2.4

Morphologische Färbung (Nissl-Färbung) 2.4.1 Färbung 2.4.2 Auswertung

25 25 26

2.5

Proteinnachweise 2.5.1 Immunhistochemie (Avidin-Biotin-Methode) 2.5.2 Immunhistochemie (Immunfluoreszenz) 2.5.3 Auswertung der Immunhistochemie 2.5.4 Western Blot 2.5.5 Densitometrische Auswertung der Western Blots

26 26 27 27 29 33

INHALTSVERZEICHNIS

II

2.6

Molekularbiologische Methode (quantitative real time RT-PCR) 2.6.1 RNA-Isolierung, Reverse Transkription und quantitative PCR

34 34

2.7

Statistische Auswertung

35

2.8

Verwendete Reagenzien und Chemikalien

36

2.9

Verwendete Antikörper

36

2.10 Zusammensetzung häufig verwendeter Lösungen

37

2.11 Verwendete Geräte und Software

38

3 ERGEBNISSE

39

3.1

Veränderungen der Genexpression nach Stressbehandlung 3.1.1 Stressbedingte Veränderung der BDNF-Expression 3.1.2 Reelin mRNA-Expression abhängig vom Alter 3.1.3 Reelin mRNA-Expression abhängig vom Geschlecht 3.1.4 Einfluss der Stressparadigmen auf die Reelin mRNA-Expression im Alter von 15 Tagen 3.1.5 Geschlechtsunterschiede in der Reelin mRNA-Expression der Kontrollgruppe 3.1.6 Auswirkung der Separationsart auf die Reelin-Expression im adulten Hippocampus

39 40 41 41

Auswirkung der Stressmodelle auf die Reelinprotein-Expression 3.2.1 Zelldichte Reelin-produzierender Zellen in den Hippocampi der gestressten Tiere 3.2.2 Reelingehalt in den Hippocampi der gestressten Tiere

44 45 48

3.3

Unveränderte Hippocampusmorphologie nach allen vier Stressparadigmen

50

3.4

Kolokalisation von Glukokortikoidrezeptoren und Reelin im Hippocampus

51

3.2

42 43 44

4 DISKUSSION

52

4.1

BDNF-Expression durch verwendete Stressparadigmen beeinflussbar

52

4.2

Stress führt zu Reduktion der Reelin mRNA-Expression im Hippocampus junger Mäuse 53

4.3

Die Reelinexpression im adulten Hippocampus wird durch postnatalen Stress nicht beeinflusst

56

4.4

Geschlechtsunterschiede bei NH und MS

58

4.5

Auswirkungen auf das Reelinprotein 4.5.1 Stress beeinflusst die hippocampale Proteinexpression nicht 4.5.2 Reelinprotein im adulten Tier

60 60 61

4.6

Regelrechte Morphologie nach Stressbehandlung

62

4.7

Reelin-produzierende Zellen exprimieren den Glukokortikoidrezeptor

63

5 ZUSAMMENFASSUNG

64

6 LITERATURVERZEICHNIS

65

7 DANKE

75

8 LEBENSLAUF

76

INHALTSVERZEICHNIS

III

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1:

Schematische Darstellung des Hippocampus

3

Abb. 2:

Cajal-Retzius-Zellen im embryonalen Cortex (a) und Hippocampus (b)

6

Abb. 3:

Schematische Darstellung von Handling

20

Abb. 4:

Schematische Darstellung von Non-Handling

20

Abb. 5:

Schematische Darstellung von Maternal Separation

20

Abb. 6:

Schematische Darstellung von Early Deprivation

21

Abb. 7:

Versuchsaufbau und Zeitachse

22

Abb. 8:

Regions of interest im Hippocampus an P15

28

Abb. 9:

Ergebnisse RT-PCR von BDNF

41

Abb. 10:

Ergebnisse RT-PCR von Reelin P15

43

Abb. 11:

Ergebnisse RT-PCR von Reelin P15 Kontrolltiere

43

Abb. 12:

Ergebnisse RT-PCR von Reelin P70

44

Abb. 13:

Ergebnisse Zellzahlen P15 und P70 gesamter Hippocampus

46

Abb. 14:

Ergebnisse Zellzahlen der einzelnen ROIs und Beispielschnitte P15 und P70 (a-e)

47

Abb. 15:

Ergebnisse Western Blot der einzelnen Reelinbanden an P15 und P70 (a-d)

49

Abb. 16:

Nisslfärbung eines Handling-Tieres an P15

50

Abb. 17:

Doppelimmunhistochemie

51

TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1:

Gesamtgruppengrößen

23

Tabelle 2:

Reelin-Antikörper in der Immunhistochemie

27

Tabelle 3:

Verwendete Antikörper in der Reelin/GR-Doppelimmunhistochemie

27

Tabelle 4:

Verwendete Antikörper im Western Blot

32

Tabelle 5:

Verwendete Primer bei der real time RT-PCR

35

Tabelle 6:

Reagenzien und Chemikalien

36

Tabelle 7:

Verwendete Antikörper allgemein

36

Tabelle 8:

Geräte und Software

38

Tabelle 9:

Gruppengrößen bei der real time RT-PCR

40

Tabelle 10: Gruppengrößen der immunhistochemischen Versuche

45

Tabelle 11: Gruppengrößen der Western Blot-Analysen

48

INHALTSVERZEICHNIS

IV

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ACTH

Adrenocorticotropes Hormon

ANOVA

Analysis of Variance, Varianzanalyse

ApoER2

Apolipoprotein-Rezeptor

BCA

Bicinchonic acid, Bicinchoninsäure

BDNF

Brain-derived neurotrophic factor

bidest.

Bidestillatus, zweifach destilliert

BSA

Bovines Serumalbumin

CA

Cornu ammonis, Ammonshorn

cDNA

Copy deoxyribonucleic acid, kopierte Desoxyribonukleinsäure

CO2

Kohlendioxid

CR

Cajal-Retzius-Zellen

CRH

Corticotropin Releasing Hormone, Kortikotropin-freisetzendes Hormon

2+

Cu

Kupfer

DAB

3,3`-Diaminobezidin

DNA

Deoxyribonucleic acid, Desoxyribonukleinsäure

dsDNA

Doppelstrang-DNA

DTT

Dithiothreitol

E

Embryonaler Tag

ED

Early Deprivation

EH

Early Handling

ERC

Entorhinaler Cortex

GABA

Gamma-Aminobutyric acid, Gamma-Aminobuttersäure

GAD-67

Glutamic acid Decarboxylase 67, Glutamatdekarboxylase 67

GD

Gyrus Dentatus

GR

Glukokortikoid-Rezeptor

H2O

Wasser

H2O2

Wasserstoffperoxid

H

Handling

HC

Hippocampus

HHN

Hypothalamus-Hypophyse-Nebenniere

ICC

Immunocytochemistry, Immunzytochemie

kDa

Kilo-Dalton

mM

Millimolar, 10 Mol pro Liter Lösung

min.

Minuten

MR

Mineralokortikoidrezeptor

mRNA

Messenger RNA, Boten-RNA

MRT

Magnetresonanztomographie

MS

Maternal Separation

NH

Non-Handling

-6

INHALTSVERZEICHNIS

V

NNR

Nebennierenrinde

P

Postnataler Tag

p

p-Wert, Irrtumswahrscheinlichkeit

PBS

Phosphate buffered saline, Phosphat-gepufferte Kochsalzlösung

PFA

Paraformaldehyd

PVDF

Polyvinylidenfluorid

PVN

Paraventrikulärer Nukleus

RNA

Ribonucleic acid, Ribonukleinsäure

RNase

RNA-spaltendes Enzym

ROI

Region of interest, definierte zu untersuchende Region

rpm

Rounds per minute, Umdrehungen pro Minute

RT-PCR

Reverse-transcriptase Polymerase chain reaction, RT-Polymerase-Kettenreaktion

V

Volt

VLDLR

Very low density lipoprotein receptor

EINLEITUNG

1

1 EINLEITUNG In der neuropsychiatrischen Forschung wird der Einfluss früher postnataler Stressfaktoren

auf

die

regelrechte

Entwicklung

von

Psyche,

Emotionalität,

Stressreaktivität und Verhalten immer stärker diskutiert (Levine, 2005; Fumagalli et al., 2007). Dabei gelten vor allem chronische Stresssituationen mit langanhaltend hohen Stresshormonspiegeln in der Kindheit als besonders einschneidend für die spätere psychische Integrität (Kap. 1.5.1). Der Hippocampus, als die wichtigste Hirnregion, die an Lernen, Erinnern und Emotion beteiligt ist, befindet sich in diesem früh postnatalen Zeitraum noch in seiner Entwicklung (Stanfield und Cowan, 1979). Hierbei spielt das extrazellulär aktive Protein Reelin eine entscheidende Rolle in der korrekten Positionierung wandernder Neurone und deren dauerhaften „Verankerung“ an ihrer Zielposition. Gerade dieses Protein ist jedoch bei einigen psychiatrischen Krankheitsbildern in seiner Expression verändert und anatomische Auffälligkeiten, wie kleinere Hippocampi und Amygdalae sind nachweisbar. Außerdem lassen sich bei psychiatrischen Patienten dauerhaft gestörte Stressreaktionen feststellen (Kap.1.5.2). Die vorliegende Arbeit nutzt etablierte Tiermodelle für postnatalen chronischen Stress,

um

mögliche

Änderungen

der

Reelin-Expression

und

der

Hippokampusmorphologie bei Mäusen zu untersuchen.

1.1

Der Hippocampus

1.1.1 Aufbau In den Neurowissenschaften hat der Hippocampus einen großen Stellenwert. Auf Grund seiner im Gegensatz zu anderen Hirnregionen relativ einfachen morphologischen Struktur wurde er in den letzten Jahrzehnten oft als Grundlage neuroanatomischer, -physiologischer und -chemischer Untersuchungen verwendet. So hat sich der Hippocampus der Ratte als eine der am besten auf Aufbau und Funktion hin untersuchten Hirnregionen herausgebildet. Daher werden sich die folgenden Beschreibungen auf die gut fundierten Kenntnisse über den RattenHippocampus beziehen. Sie sind im Wesentlichen auf die Maus, die in dieser Arbeit als Versuchstier verwendet wurde, übertragbar, da sich Aufbau und Funktion der Hippocampi bei verschiedenen Nagetierspezies sehr ähneln.

EINLEITUNG

2

Die ersten und im Wesentlichen noch heute akzeptierten Erkenntnisse über Struktur und Funktionalität des Hippocampus lieferte Ramon y Cajal 1911 mit ausgiebigen Golgi-Studien. Seitdem haben sich mit Hilfe weiterentwickelter neuroanatomischer und elektrophysiologischer Methoden die Daten über seinen Aufbau und die funktionelle Organisation stetig vermehrt. Hierzu soll an Hand der zusammenfassenden Darstellung von Amaral und Witter (Amaral und Witter, 2004) nun ein kurzer Überblick gegeben werden. Der Hippocampus der Nager zieht sich in beiden Hemisphären als eine lang gezogene C-förmig gebogene Struktur von rostral-dorsal von den Septumkernen nach kaudal-ventral in den Temporallappen. Als Teil des Archicortex besteht er im Gegensatz zum Neocortex lediglich aus 3 Schichten. Er setzt sich aus den folgenden Anteilen zusammen: Gyrus dentatus (GD), Hippocampus proper oder Cornu ammonis (CA) mit seinen drei Unterteilungen (CA 1, 2 und 3), dem Subiculum, Präsubiculum, Parasubiculum und dem Entorhinalen Cortex (ERC) (Amaral und Witter, 2004). Der Begriff Hippocampus wird in der Literatur sehr unterschiedlich verwendet. Im Folgenden soll die auch als Hippocampusformation bezeichnete Einheit aus GD und CA als Hippocampus (HC) bezeichnet werden.

Die dreischichtige Gliederung des Hippocampus ist in allen Anteilen gleichförmig. Eine Schicht aus Prinzipalzellen (Pyramidenzellen im CA und Körnerzellen im GD) wird von beiden Seiten von einer zellarmen Schicht umgeben, welche im Wesentlichen vielgestaltige, meist hemmende Interneurone, sowie Axone und Dendriten der Prinzipalzellen enthält. Der GD erhält seine wichtigsten Afferenzen aus dem ERC, welcher aus den verschiedensten Cortexarealen gespeist wird. Von einigen Autoren wird er daher auch als „Tor zum Hippocampus“ bezeichnet (Bähr und Frotscher, 2003). Die Axone der Neurone aus Schicht II des ERC ziehen in Form des Tractus perforans zu den Dendriten der Körnerzellen in der Molekularschicht des GD. Des Weiteren kommen hier subkortikale Fasern aus dem medialen Septum, vorderen Thalamus und Teilen des Hirnstamms (v.a. Formatio reticularis) via Fornix an. Die einzige Efferenz des GD besteht

aus

den

Moosfasern

(Axone

der

Körnerzellen),

die

über

die

Polymorphzellschicht (auch Hilus) in die CA3 Region des Cornu ammonis (Ammonshorn) projizieren.

EINLEITUNG

3

Das Cornu ammonis (CA) wird in drei Teile unterteilt; CA 1, 2 und 3. Auf Grund seiner morphologisch schwierigen Abgrenzbarkeit in Standardfärbungen wird die CA2-Region häufig vernachlässigt und der CA3-Region zugerechnet. Die wichtigste Afferenz erhält das CA über die Moosfasern, die nach CA3 projizieren. Die bedeutendste Efferenz verläuft von CA1 über das schwer abgrenzbare Präsubiculum zum Subiculum. Ein großer Teil der Fasern verlässt den HC über den Fornix. Eine Schicht aus locker angeordneten Pyramidenzellen gibt hier ihre Dendriten einerseits Richtung Cortex (v.a. präfrontal, orbitofrontal, prä- und infralimbisch) und andererseits in subkortikale Gebiete, wie Corpora mamillaria, Amygdala und Septumkerne ab.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Hauptinformationsflusses im Hippocampus (nach Praxinos und Franklin 2001). Exemplarisch sind eine Körnerzelle in der Körnerzellschicht, sowie je eine Pyramidenzelle in CA1 und CA3 dargestellt.

1.1.2 Funktionelle Organisation Die oben beschriebenen Faserverläufe innerhalb des Hippocampus haben lange zu der Annahme geführt, dass es sich um einen unidirektionalen trisynaptischen Informationsfluss handelt. Die Unidirektionalität ergibt sich aus der Tatsache, dass die wichtigsten Faserbahnen innerhalb des HC nicht, wie in anderen Hirnregionen, auch reziprok verlaufen. Im trisynaptischen Erregungsweg erhält der HC seinen Haupt-Input aus dem ERC und den genannten subkortikalen Regionen in Form von Synapsen mit den Körnerzellen des GD (1. Synapse). Die zweite Synapse wird von den Moosfasern mit den Pyramidenzellen in CA3 gebildet. Diese wiederum geben die Information nach CA1 über die sog. Schaffer-Kollateralen ab (3. Synapse). An dieser Stelle verlässt schließlich der Informationsfluss über den Fornix den HC.

EINLEITUNG

4

Alle genannten Synapsen sind exzitatorisch und werden von den GABAergen hemmenden Interneuronen des HC kontrolliert. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass es zusätzliche parallele neuronale Verbindungen zu diesem hippocampalen Kreislauf ebenso, wie interhemisphärische, afferente und efferente Verbindungen der verschiedenen Teile des HC gibt. Dies legt nahe, dass der unidirektionale Hauptinformationsfluss nicht unbeeinflusst bleibt (Amaral und Witter, 2004). Auf Grund seiner afferenten und efferenten Verbindungen zu entscheidenden kortikalen und subkortikalen Regionen wird der HC zum limbischen System gezählt. Dieses besteht aus dem HC, Cortex piriformis, Gyrus cinguli, entorhinalem Cortex, Medialem Septum, Indusium griseum, Corpus amydaloideum und den Corpora mamillaria. Mit Hilfe elektrophysiologischer und anatomischer Daten konnte auch hier ein konstanter Erregungskreis definiert werden. Er ist nach seinem Beschreiber Papez benannt. Es ist bekannt, dass zahlreiche weitere Hirnregionen mit dem limbischen System zusammenspielen. Auf diese Weise kann festgestellt werden, dass der HC durch seine vielgestaltige Konnektivität an vielen Hirnleistungen beteiligt ist. Durch die Besonderheit des mehrheitlich unidirektionalen Informationsflusses scheint er eine Art Integrationsorgan im Gehirn zu sein. Dabei beeinflusst er durch seine Verbindungen zu Hypothalamus, Septum und Amygdala v.a. endokrine, viszerale und emotionale Geschehen. Ihm wird außerdem auch eine wichtige Rolle bei Lernund Gedächtnisprozessen zugesprochen. 1.1.3 Entwicklung Die Entwicklung des HC der Maus findet in der Embryonalzeit und der frühen postnatalen Phase statt. V.a. der Gyrus dentatus erfährt erst postnatal wichtige Entwicklungschritte. So findet man auch das für eine korrekte Entwicklung notwendige Protein Reelin bereits am embryonalen Tag 8,5 (E 8,5) im noch unverschlossenen Neuralrohr der Maus (Ikeda und Terashima, 1997). An E 14 ist die Anlage des HC mit drei Schichten erkennbar. Ab E 15 zeichnet sich der Gyrus dentatus ab. Ausreifung und Organisation der Schichten laufen bis in die postnatale Lebenszeit fort. Ausgehend von der Ventrikulärzone findet Zelldifferenzierung und Migration statt. Hierbei gelangen jüngere Neurone in die äußeren Schichten, wie das Stratum pyramidale des HC und ältere verbleiben im Bereich des Stratum oriens. Dadurch ergibt sich die typische Schichtung des HC, welche bei der Reeler-Maus

EINLEITUNG

5

(Kap.1.2) auf Grund des Reelindefizits aufgehoben ist (Stanfield und Cowan, 1979). Dem Hippocampus der Reeler-Maus fehlt eine kompakte Körnerzellschicht. Stattdessen finden sich hier ein doppeltes Pyramidenband und eine aufgelöste Körnerzellschicht. Bis in die frühen 60er Jahre arbeitete man mit der Hypothese von Ramon y Cajal, dass im erwachsenen Gehirn keine Neubildung von Nervenzellen möglich sei. 1965 konnten Altman und Das jedoch nachweisen, dass Neurogenese im HC von erwachsenen Säugern stattfindet (Altman und Das, 1965). Dem folgte 1998 Eriksson mit dem Nachweis der Neurogenese im menschlichen adulten HC (Eriksson et al., 1998). Diese Entdeckungen hatten zur Folge, dass sich weltweit Arbeitsgruppen mit den Charakteristika der Neurogenese auseinanderzusetzen begannen. Besonders interessant sind hierbei die Einflüsse von Lebensumständen und Umwelt. So scheint es eine anhaltende, aber im Alter abnehmende Neurogenese bei Ratten und Menschen zu geben (Kuhn et al., 1996; Fahrner et al., 2007), welche bei Nagern durch eine stimulusreiche Umgebung (im Gegensatz zur StandardTierhaltung) (Kempermann et al., 1998) und durch physische Aktivität in einem Laufrad (Van Praag et al., 1999) gesteigert werden kann. Kortikosteroide wirken sich dagegen negativ auf die hippocampale Neurogenese aus (Cameron und Gould, 1994; Gould und Tanapat, 1999). Ebenso lässt sich eine verminderte Anzahl neu gebildeter Zellen im Hippocampus nach Konfrontation mit einem Geruch eines natürlichen Feindes (Tanapat et al., 1998), sowie bis zu einer Woche nach 14-tägiger täglicher 3-stündiger Trennung des Wurfes vom Muttertier (Mirescu et al., 2004) nachweisen.

1.2

Reelin Reelin ist ein ca. 400 kDa großes sezerniertes Glykoprotein (D´Arcangelo et

al., 1997). Im sich entwickelnden und im adulten Gehirn wird es von Neuronen im Neocortex, Cerebellum, Hippocampus (Archicortex), Bulbus olfactorius, in der Retina und im Spinalkanal gebildet (Alcántara et al., 1998). Im Folgenden wird besonders auf die Funktion von Reelin im Hippocampus eingegangen. Reelin wird während der embryonalen Cortexentwicklung von Cajal-RetziusZellen (CR) sezerniert (D´Arcangelo et al., 1995). Diese befinden sich ausschließlich in der Marginalzone, der zukünftigen äußersten Schicht des Cortex und Hippocampus (s. Abb. 2 a, b). Postnatal verschwinden die meisten CR

EINLEITUNG

6

physiologischerweise durch Apoptose (Del Río et al., 1996). Im adulten HC wird Reelin dann hauptsächlich von GABAergen Interneuronen im Hilus, von den restlichen CR-Zellen an der hippocampalen Fissur, sowie im Stratum oriens gebildet (Pesold et al., 1998; Haas et al., 2000).

a

b

Abb. 2: a, Reelin mRNA exprimierende Cajal-Retzius-Zellen in der Marginalzone des embryonalen (E18) Cortex, b, Hippocampus, Maßstab jeweils 250 µm (Haas und Frotscher, 2004)

Mutationen des humanen Reelin-Gens führen zur Entwicklungsstörung Lissenzephalie vom Norman-Roberts-Typ mit Cerebellumhypoplasie, kognitiven Defiziten und schweren epileptischen Anfällen (Hong et al., 2000). An Hand des homozygoten Reelin-Mutanten, der Reeler-Maus, konnten bedeutende Funktionen des Proteins aufgeklärt werden. Die Reeler-Maus zeichnet sich durch Ataxie, Tremor, Gleichgewichtsstörungen und dem Reeler-Gang (engl. to reel = schwanken, taumeln) aus. Diese Störungen sind mit einer Hypoplasie des Cerebellums und einer gestörten Schichtung von Cortex, Cerebellum und Hippocampus assoziiert (Falconer, 1951; Goffinet et al., 1984; De Rouvroit und Goffinet, 1998). Hierbei fehlt im Neocortex die gewohnte inside-out-Anordnung zu Gunsten einer outside-in-Schichtung. Im Hippocampus dagegen finden sich typischerweise über den gesamten GD verteilte Körnerzellen und zwei Schichten von Pyramidenzellen in CA1 (Stanfield und Cowan, 1979; Rakic und Caviness, 1995). Diese charakteristischen Zytoarchitekturstörungen weisen auf die Wirkung von Reelin auf radiale Glia und Neuronen des sich entwickelnden HC hin. Die radialen Glia bilden ein Gerüst für die von der Ventrikulärzone auswandernden neu gebildeten Neurone, deren Migrationsverhalten davon abhängt (Förster et al., 2002). Und schließlich

gibt

Reelin

den

wandernden

Neuronen

offenbar

eine

Art

Abtrennungssignal im Bereich ihrer zukünftigen Position (Pearlman et al., 1998). Das

EINLEITUNG

7

z. B. bei der Reeler-Maus fehlende Reelinsignal führt zu einer Dysorganisation radialer Glia und neu gebildeter Neurone im Bereich der Subgranulärzone (Frotscher et al., 2003; Weiss et al., 2003). Weitere Untersuchungen zeigen, dass Reelin auch im adulten HC für den Erhalt der Schichtung wichtig ist (Heinrich et al., 2006). Die in der adulten Maus stattfindende Neurogenese im HC ist bei Reeler-Mäusen vermindert; gleichzeitig differenzieren neue Zellen vermehrt zu Astrozyten (Zhao et al., 2007). Den Reeler-Mäusen ähnliche Migrationsstörungen zeigen Knockout-Mäuse für die beiden Lipoproteinrezeptoren ApoER2 und VLDLR (Trommsdorff et al., 1999). Sie befinden sich auf Neuronen und radialen Gliazellen jeweils in der Nähe Reelinproduzierender Schichten. Es wird angenommen, dass das Reelinsignal in Interaktion mit dem Disabled-1-Adapterprotein über diese Rezeptoren weitergeleitet wird (Howell et al., 1997; Förster et al., 2002). Der Reelinsignalweg wird auch mit synaptischer Plastizität im HC und damit dem Zustandekommen von Erinnerung und Lernen (Weeber et al., 2002) assoziiert.

1.3

Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse

1.3.1 Funktion Eine intakte Reaktionsfähigkeit auf Stresssituationen ist entscheidend für das Überleben

eines

Lebewesens

und

dessen

Anpassung an

die Welt.

Die

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHN-Achse) ist der zentrale neuroendokrine Kreislauf zur Vermittlung von Stress im Körper. Die Empfindung von physischem

oder

emotionalem

Stress

verläuft

über

mehrere

serielle

Zwischenstationen und resultiert in der Ausschüttung von Glukokortikoiden (Kortison beim Menschen, Kortikosteron bei Nagern) aus der Nebennierenrinde (NNR). Beginn und Ende dieser Stressantwort bedürfen einer genauen Regelung. Durch Mechanismen in Form von positiver oder negativer Rückkopplung sind sie als Teil dieses Kreislaufs reguliert. Die neuronale Vermittlung der Stresssituation an den Beginn dieses final pathway, den Hypothalamus, ist noch wenig verstanden. Eine entscheidende Rolle scheinen

jedoch

katecholaminerge

Projektionen

des

Hirnstamms

und

Projektionsbahnen aus dem limbischen System zu spielen. Diese werden u.a. vom hypothalamischen paraventrikulären Nukleus (PVN) integriert und in den StressKreislauf eingespeist (Herman und Cullinan, 1997). Einmal stimuliert, sezernieren die

EINLEITUNG

8

Neurone des PVN v.a. das Corticotropin Releasing Hormon (CRH) in den Portalkreislauf

des

Hypophysenvorderlappens,

was

zur

Ausschüttung

von

Adrenocorticotropem Hormon (ACTH) aus der Hypophyse ins Blut führt. ACTH wiederum bewirkt in der Nebennierenrinde die Sekretion von Glukokortikoiden, als Endhormone dieses Kreislaufs und Effektoren der Stresssituation an Zielorganen im gesamten Körper. Ein negatives Feedback der Glukokortikoide an NNR und Hypophyse verhindert überschießende Reaktionen und erhält die Homöostase. 1.3.2 Rolle des Hippocampus in der Stressantwort Neben

diesen

Feedbackmechanismen

greifen

auch

neuronale

suprahypothalamische Hemmmechanismen in den neuroendokrinen Stresskreislauf ein. So konnte bei Läsionsstudien am HC eine basale Hypersekretion von Glukokortikoiden bei Primaten festgestellt werden (Sapolsky et al., 1991). Eine hemmende Funktion des HC auf die HHN-Achse wurde mit diesen Erkenntnissen postuliert. Diese Hypothese ist zwar noch umstritten, wird jedoch dadurch gestärkt, dass der HC die Hirnregion mit den meisten Kortikosteroidrezeptoren ist. Die höchste Dichte besitzen die Mineralokortikoidrezeptoren (MR), welche auch die höchste Affinität zu Kortikosteron/Kortison besitzen. Der zweite Rezeptortyp ist der Glukokortikoidrezeptor

(GR).

Glukokortikoidspiegeln,

also

Auf

Grund

während

eines

ihrer

erst

bei

sehr

hohen

Spitzenspiegels

unter

Stress,

stattfindenden Absättigung wird ihnen eine große Rolle in der Stressantwort zugeschrieben (proaktives negatives Feedback der MR vs. reaktives negatives Feedback der GR) (De Kloet et al., 1998). Die Beendigung der Stressantwort ist im Wesentlichen von der Zahl der GR im Hippocampus abhängig (Sapolsky et al., 1984). Ein endokrines negatives Feedback wird daher auch hier angenommen. Übereinstimmend ist die Erkenntnis, dass der HC eine der Hirnregionen ist, die bei akutem Stress zuerst aktiviert werden (López et al., 1999). Dass diese Abläufe durch chronischen Stress dysreguliert werden können, haben viele Untersuchungen gezeigt. Näheres wird in den folgenden Kapiteln erläutert. 1.3.3 Einfluss der Umwelt auf die Regulation der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse Zahlreiche Studien haben sich bisher mit den Auswirkungen der Umwelt auf die Integrität der HHN-Achse beschäftigt. Sie haben zu einer Ansammlung von

EINLEITUNG

9

breitem Wissen über die Regulationsmöglichkeiten dieses neuroendokrinen Systems geführt. Die direkte Umgebung und Erfahrungen während der ersten Lebenswochen spielen bei Säugetieren eine entscheidende Rolle für deren Entwicklung. So ist die Stimulation der Jungtiere durch den Kontakt mit Mutter und Geschwistern in der Zeit der Nestreifung essentiell für eine natürliche Entwicklung. Abweichungen z.B. im Verhalten der Mutter gegenüber den Jungtieren haben in dieser Zeit großen Einfluss auf die sich entwickelnde HHN-Achse. So weisen Tiere, deren Mütter sie öfter ablecken und putzen, sowie auf eine für die Jungtiere besonders angenehme Art und Weise füttern, als erwachsene Tiere eine HHN-Achse mit effektiverer GlukokortikoidFeedbackhemmung nach Stresssituationen auf, als Tiere deren Mütter dies weniger tun (Francis und Meaney, 1999). Sie zeigen auch ein ähnliches Verhalten wie Tiere, die nach dem Early-Handling-Prinzip (s. nächster Abschnitt) behandelt wurden. Im Gegensatz dazu haben (wiederholte) stressvolle Situationen einen negativen Einfluss auf die spätere Funktion der HHN-Achse. Hierbei geht man davon aus, dass durch Stress dauerhaft erhöhte Glukokortikoidspiegel zum einen eine schädigende Wirkung auf die HHN-Achse selbst haben, zum anderen aber auch andere Strukturen, wie das kardiovaskuläre und Immunsystem, und die Reproduktion beeinträchtigen (Sapolsky et al., 2000). Um dies genauer zu differenzieren, wurden zahlreiche Stressmodelle entwickelt und deren Auswirkung auf die Regulation der HHN-Achse untersucht. Die gängigen Stressverfahren und ihre Auswirkungen werden in den folgenden Abschnitten erläutert.

1.4

Stressmodelle

1.4.1 Einführung Psychische

Erkrankungen

stellen

die

Wissenschaft

vor

eine

große

Herausforderung. Wahrnehmung, Bewusstsein und Verhalten eines Menschen entstehen aus dem konzertierten Zusammenspiel meist noch unbekannter Prozesse im Gehirn. Diese zu untersuchen haben sich viele Forschergruppen zum Ziel gesetzt und so vor allem im Laufe der letzten 50 Jahre eine Vielzahl an Methoden, Modellen und Hypothesen entwickelt. Eine davon bedient sich der aus epidemiologischen Studien gewonnenen Erkenntnis, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen nicht selten widrige Kindheitserfahrungen (adverse life events) gemacht haben. Diese sollen durch Tiermodelle nachgestellt werden, um mögliche Auswirkung auf

EINLEITUNG

10

Neurobiologie und -verhalten untersuchen zu können (Newport et al., 2002). Es wurden verschiedene Paradigmen entwickelt, die in der Regel einen Stressor applizieren und dessen Auswirkung auf Verhalten, Lernfähigkeit oder Entwicklung des Versuchstieres untersuchen. Der

unspezifische

physische

Stress

beinhaltet

dabei

Methoden

der

körperlichen Manipulation. So werden die Tiere zum Beispiel kurzzeitig extremen Temperaturen, Schwimmtests (Kavushansky et al., 2006), Elektroschocks (Shors et al., 1989) oder einer zeitlich begrenzten Immobilisation (Alfarez et al., 2003) ausgesetzt. Psychosoziale Stressmodelle zielen dagegen auf die Interaktion des Tieres mit seiner Umwelt ab. Die meist als sozialer Stress bezeichnete Konfrontation eines Tieres mit einem natürlichen Feind ist eine Möglichkeit, eine Stressreaktion auszulösen (Tanapat et al., 2001). Bei den Modellen der Manipulation der MutterKind-Interaktion wird die Umwelt des Tieres noch stärker in den Versuchsaufbau miteinbezogen. Hierbei findet Stress in Form von Trennung und damit kurzzeitiger Isolation von der Mutter inklusive einer dadurch bedingten veränderten Interaktion statt. Bei Säugetieren ist die Mutter-Kind-Interaktion von entscheidender Bedeutung für die kindliche Entwicklung (Newport et al., 2002). Dieses Paradigma frühkindlichen Stresses spiegelt am ehesten die oben erwähnten life events wider und ist daher auch Grundlage der vorliegenden Arbeit. Wegweisende Konzepte wurden bereits in den 60er Jahren von Seymour Levine entwickelt. In dessen Modell postnataler Manipulation wurden die beiden Interventionen early handling (EH) und non-handling (NH) eingeführt und verglichen. Hierbei wurden Jungtiere entweder täglich für einige Minuten vom Muttertier getrennt (EH) oder andererseits in kompletter Abwesenheit menschlicher Behandlung (NH) gehalten. Dies wurde über die gesamte Postnatalperiode von der Geburt bis zum Zeitpunkt des Entwöhnens vom Muttertier bei Geschlechtsreife durchgeführt. Die Tiere wurden schließlich im Erwachsenenalter auf Verhalten und neurobiologische Fragestellungen hin untersucht und verglichen (Levine et al., 1967). Die NH-Gruppe galt dabei als Kontrolle. Die Weiterentwicklung dieses Modells zeigt sich in den beiden zusätzlichen Separationsarten bestehend aus maternal separation (MS) und early deprivation (ED). Bei dem MS-Verfahren wird der intakte Wurf täglich für eine oder mehrere Stunden vom Muttertier getrennt gehalten. ED besteht in der Isolation der einzelnen Jungtiere für einige Stunden. Beide Verfahren finden je nach Ansatz

EINLEITUNG

11

an mehreren postnatalen Tagen hintereinander statt. Diese beiden Modelle wurden in der Erwartung, ein stärkerer Stressor als EH zu sein, entwickelt (Pryce und Feldon, 2003). Kriterium für eine vergleichbare Kontrollgruppe sollte nach den aktuellen Erkenntnissen täglicher standardisierter menschlicher Kontakt in der Art tierpflegerischer Maßnahmen sein. 1.4.2 Auswirkungen der Stressmodelle Wie nachfolgend dargestellt, lag bisher der Schwerpunkt der Forschung mit diesen

Stressmodellen

Parameter

der

auf

HHN-Achse,

stressinduzierten

Änderungen

des

der

Verhaltens,

neuroendokriner

Hirnmorphologie,

sowie

verschiedener neuronaler Rezeptoren. In den NH-EH-Studien von Levine zeigten die erwachsenen EH-Ratten eine veränderte Aktivität der HHN-Achse. So findet sich ein niedrigerer KortikosteronPeak auf einen Stressor (5 min. Immobilisierung) und eine schnellere Rückkehr zu basalen Titern. Die basalen Titer jedoch unterscheiden sich nicht zwischen NH und EH (Levine et al., 1967; Meaney et al., 1989). Die schnellere Reaktion auf das endogene

Kortikosteron

konnte

durch

eine

höhere

Bindungskapazität

der

hippocampalen GR erklärt werden (Meaney et al., 1989). Diese neuroendokrinen Befunde stimmen auch mit dem Verhalten von EH-Ratten überein. Sie zeigen in standardisierten Verhaltenstest ein weniger ängstliches Verhalten als die NH-Tiere (Caldji et al., 2000). Die Befunde legen jedoch nahe, dass hier das Modell des EH nicht als Manipulation, sondern die NH-Behandlung als Unterstimulation betrachtet werden muss (Pryce und Feldon, 2003). Dies wird umso klarer, wenn die Gruppen NH und MS miteinander verglichen werden. Der vermeintlich stärkere Stressor MS im Gegensatz zu NH und EH zeigt keinen Unterschied in Verhalten und endokriner Stressantwort im Vergleich zu NH (Caldji et al., 2000). Werden jedoch MS-behandelte Mäuse mit solchen, die unter natürlichen Tierstallbedingungen (Käfigwechsel usw.) aufgewachsen waren, verglichen, so zeigen sie ein deutlich ängstlicheres Verhalten (Romeo et al., 2003). Ein ähnliches Verhalten und signifikant erhöhte Kortikosteronwerte nach akutem Stress zeigen MSRatten im Gegensatz zu einer EH-Behandlung (Plotsky und Meaney, 1993). Beispielhaft sollen hier die veränderten Zahlen an GABAA- und zentralen Benzodiazepin-Rezeptoren in MS- und NH-Ratten (Caldji et al., 2000), die beeinträchtigte Funktion des GABAergen Systems nach Stressbehandlung (Hsu et al., 2003), sowie die verminderte Dichte an serotonergen Transportern und

EINLEITUNG

12

serotonergen 1-A-Rezeptoren im Hippocampus gestresster Ratten (Vicentic et al., 2006) genannt werden. Die aufgezeigten Rezeptorsysteme werden alle mit psychischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. MS-behandelte Ratten zeigen außerdem eine reduzierte Moosfaserdichte im HC. Eine gleichzeitige Volumenminderung des HC tritt jedoch nicht auf (Hout et al., 2002). Ratten, die einer ED-Behandlung unterzogen wurden, wiesen dieselben basalen Kortikosterontiter wie die der anderen Behandlungsgruppen auf. Auf eine kurze Stresssituation oder einen konditionierten Reiz hin zeigen sie leicht höhere Kortikosteronwerte als EH-Tiere, jedoch signifikant niedrigere Werte als NH-Ratten. Auch bei den Verhaltens- und Kognitionstests erzielen sie Ergebnisse ähnlich der EH-Gruppe und bessere als die NH-Tiere (McIntosh et al., 1999). Die aufgezeigten Auswirkungen der Stressmodelle sollen nun in der vorliegenden Arbeit mit Bezug auf das Protein Reelin untersucht werden.

1.5

Psychiatrische Parallelen

1.5.1 Vulnerabilitäts-Stress-Modell Es gilt mittlerweile als eindeutig erwiesen, dass genetische Belastung einen wichtigen Beitrag zur Ätiologie verschiedener psychiatrischer Erkrankungen darstellt. Vor allem durch Zwillingsstudien konnten entscheidende Erkenntnisse über die genetische Determination von Entwicklung, Ausprägung und Verlauf von z.B. Depression, Schizophrenie und auch von Persönlichkeitsstörungen gewonnen werden. Deutlich wurde dabei aber auch, dass die Genetik nur bedingt, je nach Krankheitsbild

mehr

oder

weniger,

zu

deren

Pathogenese

beiträgt.

Die

Vererbungsmodi sind noch unklar und polygene Vererbung und Heterogenie wahrscheinlich.

Zwillingsstudien

haben

auch

gezeigt,

dass

die

genetische

Prädisposition eine erhöhte Vulnerabilität verursacht, die in Kombination mit bestimmten

Auslösefaktoren

das

Auftreten

einer

psychischen

Erkrankung

wahrscheinlicher machen oder sogar bedingen (Kendler et al., 1993). Als besonders pathogene Auslösefaktoren werden traumatisierende Erlebnisse in der Kindheit, so genannte early adverse/stressfull life events, angesehen. So konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen life events, wie körperlicher oder sexueller Misshandlung, Scheidung oder Trennung, Verlust einer nahe stehenden Person, Verlust der Arbeit, Konflikten mit dem Gesetz und der Entwicklung einer Depression nachgewiesen

EINLEITUNG

13

werden (Kendler et al., 1999). Der frühe Verlust eines oder beider Elternteile erhöht die Wahrscheinlichkeit später an einer Depression, Bipolaren Störungen oder Schizophrenie zu erkranken (Agid et al., 1999). Frauen mit einem in ihrer Vergangenheit erlebten sexuellen Missbrauch begehen nicht nur häufiger einen Suizidversuch,

sondern

entwickeln

auch

häufiger

eine

Depression

im

Erwachsenenalter (Bifulco et al., 1991; DeBellis et al., 1994; McCauley et al., 1997). Wiederholter Missbrauch und Missbrauch durch einen dem Opfer bekannten Täter erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer späteren Angst- oder Posttraumatischen Belastungsstörung (Molnar et al., 2001). Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gelten neben dem weiblichen Geschlecht auch sexueller Missbrauch durch einen männlichen Erziehungsberechtigten, emotionale Ablehnung

durch

diesen,

sowie

inkonsistente

Behandlung

der

weiblichen

Bezugsperson (Zanarini et al., 1997). Der Faktor - sexueller Missbrauch in der Kindheit - macht einen Suizidversuch bei Borderlinepatienten sogar zehn Mal wahrscheinlicher (Soloff et al., 2002). 1.5.2 Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse bei psychischen Erkrankungen Analog der in Tiermodellen für Stress gefundenen Dysregulation der HHNAchse sowohl akut, als auch chronisch finden sich bei psychisch erkrankten Patienten ähnliche Charakteristika. So sind bei depressiven Patienten über den ganzen

Tag

bestehend

erhöhte

Plasmakortison-Spiegel,

sowie

erhöhte

Noradrenalinwerte im Liquor messbar; Plasma-ACTH und CRH jedoch befinden sich im Normbereich (Wong et al., 2000). Erwachsene Frauen mit einer Misshandlung in der Kindheit und diagnostizierter Depression reagieren mit einer erniedrigten ACTHAntwort auf die intravenöse Applikation von exogenem CRH. Einem standardisierten Stressor ausgesetzt, reagieren sie mit einer erhöhten HHN-Aktivität. Die als Kinder misshandelten Frauen mit späterer Depression leiden häufiger an posttraumatischer Belastungsstörung als jene ohne diagnostizierte Depression (Heim et al., 2000; Heim et al., 2001). Auch bei Schizophrenie-Patienten korrelieren die Höhe des KortisolSpiegels und die schwere der Symptomatik positiv (Walder et al., 2000). Auch bei den beim Menschen gefundenen Dysregulationen der HHN konnten Ursache und Wirkung noch nicht vollständig aufgeklärt werden. Gegenwärtig akzeptierte

Meinungen

gehen

jedoch

davon

aus,

dass

ein

bestehender

Hyperkortisolismus depressiogene Effekte besitzt und daher zur Aufrechterhaltung

EINLEITUNG

14

einer Depression beiträgt. Dies wiederum geschieht durch Störungen im Bereich der Feedbackmechanismen

dauerhaft

überbeanspruchter

Kortikosteroidrezeptoren.

Untermauert wird diese Theorie mit dem Anstieg von MR im Hippocampus und GR im Hypothalamus unter Einfluss verschiedener Antidepressiva in Tierversuchen (Berger, 2004). 1.5.3 Änderungen der Hippocampusmorphologie bei psychischen Erkrankungen Eine Erschwernis der neurobiologischen Forschung ist die Tatsache, dass der Untersucher nur beschränkten Einblick in Anatomie und Funktionalität des Gehirns von Patienten hat. Mit den modernen Bildgebungsmethoden ist man dem „in vivo Blick“ ins Gehirn jedoch einen bedeutenden Schritt näher gekommen. Mit Hilfe magnetresonanztomograpischer

(MRT)

Bilder

und

deren

volumetrischer

Aufarbeitung konnten verschiedene neuroanatomische Auffälligkeiten bei psychisch Erkrankten entdeckt werden. Übereinstimmend konnte in mehreren Studien festgestellt werden, dass Patienten mit einer Depression einen signifikant kleineren Hippocampus aufweisen (Neumeister et al., 2005). In einer Studie war dieser Befund im linken Hippocampus stärker ausgeprägt (Bremner et al., 2000) und in einer weiteren mit dem zusätzlichen Befund

einer

Hippocampusatrophie

(vermindertes

Signal

in

der

Magnetresonanztomographie) kombiniert, wobei das Ausmaß mit der Dauer der Erkrankung

korrelierte

(Sheline

et

al.,

1996).

Auch

bei

der

Borderline-

Persönlichkeitsstörung werden verkleinerte Hirnareale beobachtet. So finden sich bei diesem Krankheitsbild eine Verkleinerung von Amygdala, Hippocampus und dem präfrontalen Cortex, die alle wichtige Teile des limbischen Systems und damit eines interagierenden Netzwerks darstellen (Driessen et al., 2000; Tebartz van Elst et al., 2003). In Metaanalysen zu MRT-Studien verschiedener Hirnregionen konnte bei Schizophrenie gezeigt werden, dass auch hier die Volumina von Hippocampus und Amygdala vermindert sind (Nelson et al., 1998; Wright et al., 2000). Untersuchungen zur

Hippocampusgröße

Posttraumatischer

bei

in

der

Belastungsstörung

Kindheit

missbrauchten

ergaben

ebenfalls

Frauen

mit

bilaterale

Volumenminderungen. Die MRT-Befunde zur Morphologie bei psychischen Erkrankungen lassen jedoch keine eindeutige Interpretation zu. Unklar ist noch, ob die verminderten

EINLEITUNG

15

Volumina eine Entwicklungspathologie darstellen und damit Bedingung für die Entwicklung der Erkrankung sind oder sich erst als Folge der Krankheit entwickeln. 1.5.4 Reelin und psychische Erkrankungen Mit der Entdeckung, dass das Reelin-Gen auch beim erwachsenen Menschen exprimiert wird, stellte sich die Frage, welche Bedeutung dies womöglich für Gesundheit und Krankheit des Menschen hat. Auf Grund des vor allem durch Tierexperimente akquirierten Wissens um die Bedeutung des Proteins bei der Entwicklung des Gehirns und im Erwachsenen rückte sein Einfluss auf psychische Erkrankungen ins Interesse der Forschung. Viele Ergebnisse sind noch präliminär und können mögliche Mechanismen noch nicht erklären. Eindeutig ist jedoch, dass Reelin offenbar eine Rolle bei diesen Krankheiten spielt. So finden sich in postmortem Untersuchungen an Gehirnen von an Schizophrenie oder Bipolaren Störungen Erkrankten eine erniedrigte Expression der Reelin mRNA- und

Protein-Expression und der Zahl Reelin-positiver Zellen in

Hippocampus und präfrontalem Cortex, sowie anderen Hirnregionen (Impagnatiello et al., 1998; Guidotti et al., 2000). Die verminderte Zelldichte Reelin-positiver Zellen besteht im gesamten HC, jedoch besonders in der Molekularschicht des GD und im Hilus (Fatemi et al., 2000). Außerdem wurde ein Reelin mRNA-Expressionsdefizit in den interstitiellen Neuronen der weißen Substanz des HC gefunden (Eastwood und Harrison, 2006). Lediglich eine Studie konnte bisher zeigen, dass die Zelldichte Reelin-positiver Zellen der Molekularschicht des GD auch bei einer bestehenden Depression verringert ist (Knable et al., 2004). Weitere Arbeitsgruppen konnten nachweisen, dass das Reelindefizit bei Schizophrenie-Patienten durch eine Überexpression der DNA-Methyltransferase 1 verursacht wird (Veldic et al., 2005), die eine transkriptions-inhibitorische Hypermethylierung der Promotorregion des Reelingens bewirkt (Abdolmaleky et al., 2005; Grayson et al., 2005). In vivo konnte bisher festgestellt werden, dass Patienten mit einer diagnostizierten Schizophrenie oder Bipolaren Störung teils gegenläufige Reelinwerte im Blut aufweisen. Bei schizophrenen Patienten sind die 410 und 330 kDa-Isoformen verringert und die 180 kDa-Isoform erhöht. Bei einer Bipolaren Störung sind alle Isoformen erniedrigt. An einer Depression Erkrankte zeigten keine Veränderungen (Fatemi et al., 2001). Veränderte Werte an Reelin mRNA-Expression und Reelin-Protein im Gewebe oder im Liquor wurden auch bei anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen, wie Morbus

EINLEITUNG

16

Alzheimer (Botella-López et al., 2006), Autismus (Fatemi et al., 2005) und Temporallappenepilepsie (Haas et al., 2002) beobachtet. Die

Varianz

dieser

Befunde

zeigt

jedoch,

dass

Veränderungen

im

Reelinprotein keine kausale Rolle bezüglich der Ursache einer Erkrankung zugesprochen werden kann, sondern vielmehr einen Teilaspekt in einem multifaktoriellen Geschehen darstellen. Dennoch hat sich die heterozygote Reeler-Maus, deren Phänotyp in vor allem Morphologie

(verminderte

dendritische

Spinedichte)

und

cerebraler

Genexpression/Biochemie (verminderte Reelin mRNA- und Proteinexpression) der Schizophrenie ähnelt, zu einem häufig genutzten Modell für diese Krankheit entwickelt (Tueting et al., 1999; Costa et al., 2002; Qiu et al., 2006; Ognibene et al., 2007).

1.6

Geschlechtsdifferenzen in Morphologie und Physiologie des Gehirns Schon seit langem ist bekannt, dass es Geschlechtsunterschiede des Gehirns

gibt. Was im 19. Jahrhundert zum Beweis der „Unterlegenheit“ des weiblichen Geschlechts benutzt wurde, ist heute akzeptiertes Zeichen sexuell dimorpher Organisation von Mensch und Tier. So ist das Gehirnvolumen bei Männern durchschnittlich 11% größer als bei Frauen. Die verschiedenen spezifischen Regionen

des

Gehirns

relativ

zum

Gesamtvolumen

zeigen

jedoch

keine

Geschlechtsunterschiede (Allen et al., 2002). Männer besitzen jedoch einen höheren Anteil weißer Substanz und Liquor und Frauen dagegen mehr graue Substanz (Gur et al., 1999). Weitere Untersuchungen belegen eine höhere neuronale Zelldichte des zerebralen Cortex, verbunden mit einer größeren Zahl kleiner neuronaler Einheiten bei Männern (Rabinowicz et al., 2002). Auch die Funktion verschiedener Neurotransmittersysteme (Serotonin, Dopamin, GABA) zeigt die Tendenz zur Geschlechterdifferenz (Cosgrove et al., 2007). Die Ursache für die Geschlechtsunterschiede in Morphologie und Physiologie des Gehirns konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Eindeutig ist aber, dass neben einem wesentlichen Einfluss von Sexualsteroiden auch ein direkter genetischer

und

hormonunabhängiger

Faktor

zur

geschlechtsabhängigen

Differenzierung und Funktion des Gehirns eine Rolle spielt (Arnold, 1996). Darauf weisen tierexperimentelle Untersuchungen hin, die gezeigt haben, dass eine große

EINLEITUNG

17

Anzahl an kortikal exprimierten Genen bereits vor der Anwesenheit von Sexualhormonen im Embryo geschlechtsabhängig exprimiert werden (Dewing et al., 2003). Zudem besitzen Testosteron und Östrogen geschlechtsspezifische Wirkungen im Rattenhirn (Gould et al., 1990; Carrer und Cambiasso, 2002; Leranth et al., 2003).

1.7

Fragestellung der Arbeit Nach heutigem Wissen haben neben genetischen Faktoren die Umwelt und

ihre Einwirkung auf das Individuum einen entscheidenden Einfluss auf die Manifestation psychischer Krankheitsbilder wie Depression, Schizophrenie, Bipolaren Störungen und der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Diese auch als life-events bezeichneten Umwelteinflüsse sind bereits Gegenstand der Verhaltens- und molekularen Stressforschung. Kaum untersucht wurde bisher jedoch die Auswirkung solcher Stressparadigmen auf die regelrechte postnatale Entwicklung des Gehirns. Mit

kleineren

Hippocampi

und

Amygdalae

bei

bestimmten

psychischen

Krankheitsbildern kann jedoch ein Zusammenhang zwischen Anatomie und gestörter Funktion des Gehirns hergestellt werden. Reelin, als ein bedeutendes Protein in der Entwicklung des Gehirns, dessen Mangel oder Abwesenheit schwerwiegende Folgen für Morphologie und Funktion des Gehirns hat, wurde in diesem Zusammenhang bisher noch nicht experimentell untersucht. Da die genannten Erkrankungen auch mit unterschiedlicher Inzidenz bei Männern und Frauen vorkommen, scheint auch das Geschlecht eine entscheidende Rolle bei der Ausprägung eines vollen Krankheitsbildes zu spielen. Daher lag es auf der Hand die vorliegende Arbeit einer Geschlechteraufteilung zu unterziehen und jede Fragestellung für das jeweilige Geschlecht einzeln zu stellen. Vor diesem Hintergrund wurden in dieser Arbeit folgende Fragestellungen untersucht:

Hat das vorliegende Stressparadigma Auswirkung auf die Reelin-Expression im Hippocampus von Mäusen? Gibt es einen Unterschied in der Wirkung bei Männchen und Weibchen? Wie stellt sich die Wirkung im Zeitverlauf dar? Zur Untersuchung dieser Fragen wurden die Gehirne der Tiere nach Stressbehandlung in Form von Non-Handling, Maternal Separation oder Early Deprivation

(für

verschiedenen

Näheres

zu

experimentellen

den

Stressformen

Versuchansätzen

siehe

nächster

unterzogen:

Abschnitt)

Nachweis

der

EINLEITUNG

18

Expression des Reelingens, Nachweis des Proteins Reelin (immunhistochemisch und Western Blot). Alle Versuchsansätze wurden getrennt für die beiden Geschlechter und zu den zwei Alterszeitpunkten von 15 und 70 Tagen durchgeführt. Hat das vorliegende Stressparadigma Auswirkung auf die Gehirnmorphologie bei Mäusen? Hierfür wurden die Gehirne der behandelten Mäuse nach Nissl gefärbt und mikroskopisch untersucht.

MATERIAL UND METHODEN

19

2 MATERIAL UND METHODEN 2.1

Versuchstiere Für die Versuche wurden ausschließlich C57BL/6 Inzuchtmäuse verwendet,

die

aus

der

Tierzucht

im

Zentrum

für

klinische

Forschung

(ZKF)

des

Universitätsklinikums Freiburg stammten. Dort fand die Verpaarung der Tiere statt. Die graviden Mäuse wurden anschließend in die Haltungsräume des Neurozentrums transferiert, wo die Separationsversuche stattfanden. Hierbei wurden Standardkäfige verwendet, es fand ein regelmäßiger Tag-Nacht-Zyklus von 12 Stunden statt und Wasser und Futter standen frei zur Verfügung. Die Gewebegewinnung aus den Versuchtieren fand auf zwei verschiedenen Wegen statt. Gehirngewebe für histologische Untersuchungen wurde mittels transkardialer Perfusion fixiert. Für Western-Blot-Analysen und die real time RT-PCR wurden die Gehirne nativ aus dem Schädel der Tiere geborgen und zunächst bei minus 70°C eingefroren. Beide Methoden werden in de n nachfolgenden Abschnitten erläutert.

2.2

Stressmodelle Es wurden vier verschiedene Separationsverfahren angewendet. Diese

bestanden aus „non-handling“ (NH), „handling“ (H), „maternal separation“ (MS) und „early deprivation“ (ED) (Levine et al., 1967; Pryce und Feldon, 2003) (siehe auch Einleitung Kap 1.4). Im Folgenden werden die verschiedenen Stressparadigmen und ihre zeitlichen Verläufe erläutert. Bis zum Geburtszeitpunkt ihres Wurfes wurden die graviden Mäuse jeweils einzeln in Käfigen gehalten. Der Tag der Geburt wurde als postnataler Tag 0 (im Folgenden als P0 bezeichnet) für die Jungtiere festgesetzt. Um einerseits natürliche und andererseits vergleichbare Gruppengrößen zu erhalten, wurden Würfe, die aus mehr als sieben Tieren bestanden an P0 auf eine Zahl von sieben Jungtieren reduziert (culling). Überzählige neugeborene Mäuse wurden durch Dekapitation getötet. Anschließend wurden die Würfe als Ganzes jeweils einem Stressparadigma zugeordnet und diesem von P1 bis P14 unterzogen. In den Zeiten zwischen den Separationen befanden sich die Jungtiere zusammen mit der Mutter in ihrem Käfig.

MATERIAL UND METHODEN

20

In der vorliegenden Arbeit wurden im Folgenden beschriebene Stressarten angewandt. Dabei wurde Handling als die Kontrollgruppe betrachtet. Dies entspricht der überwiegenden Handhabung in der Literatur (Kap. 1.4.1).

Handling (H) Hierbei wurde der gesamte Wurf in der Zeit von P1-14 täglich an einem zufällig gewählten Zeitpunkt aus dem gemeinsamen Käfig genommen, für einige Minuten in einen anderen Käfig gesetzt und anschließend wieder in den Heimkäfig überführt. Die Mutter verblieb

während

der

Zeit

im

Abb. 3: Handling

Schematische

Darstellung

von

Stammkäfig.

Non-Handling (NH) In dieser Gruppe wurden die Tiere während der gesamten 14 Tage nicht berührt. Es fanden bis auf einen Käfigwechsel

weder

experimentelle,

noch pflegerische Manipulationen an Mutter- und Jungtieren statt.

Abb. 4: Schematische Darstellung von NonHandling

Maternal Separation (MS) Hier wurden die Würfe im Ganzen täglich für drei Stunden von der Mutter isoliert. Alle Jungtiere eines Wurfes wurden in einen frischen Käfig gesetzt und zum Ausschluss jeglicher Reize von

Seiten

anderen

der

Raum

unmittelbare

Mutter

in

einem

gehalten.

Kontakt

zu

Der den

Geschwistertieren bestand über den gesamten Zeitraum der Separation.

Abb. 5: Schematische Maternal Separation

Darstellung

von

MATERIAL UND METHODEN

21

Early Deprivation (ED) Bei dieser Stressform wurde jedes Jungtier einzeln täglich drei Stunden von der Mutter getrennt. Während dieses Zeitraums befanden sich die Tiere jeweils allein in 10 x 10 cm großen

mit

Streu

gefüllten

Plastikboxen und hatten akustischen

Abb. 6: Schematische Darstellung von Early Deprivation

und olfaktorischen Kontakt zu ihren Geschwistern,

nicht

jedoch

zum

Muttertier.

Die Bedingungen des Raumes, in dem sich die Jungtiere während des Stresszeitraums befanden, waren mit denen des Tierstalls identisch. Der Zeitpunkt der experimentellen Manipulation an den Tieren wurde täglich zufällig gewählt, um eine Habituation der Tiere zu verhindern. Um eine Verfälschung der Ergebnisse durch unterschiedliche Handhabung der Tiere auszuschließen, wurden alle Stressverfahren von derselben Person durchgeführt. Erst nach dem 30. Lebenstag, nach dem sog. „weaning“ (Aufteilen der Würfe nach Geschlecht) fand eine „gewöhnliche“ Behandlung der Tiere und ihrer Käfige durch die Tierpfleger des Tierstalls statt. Nach Ablauf der 14-tägigen Stressperiode fand eine zufällige Sortierung der Tiere

in

die

unterschiedlichen

Versuchsgruppen

statt.

Es

wurden

zwei

Untersuchungszeitpunkte festgelegt, um die Auswirkungen der Stressparadigmen sofort nach der Behandlung (P15) oder mögliche Spätfolgen im adulten Tier (P70) untersuchen zu können. Ein Teil der Jungtiere wurde bereits an P15 getötet und den verschiedenen Analysen (ICC, Western Blot, RT-PCR) zugeführt (s. Abb. 7). Die restlichen Tiere wurden erst an P70 untersucht. Diese Tiere befanden sich bis P30 bei

dem

Muttertier

Geschlechtern

und

aufgeteilt.

wurden Die

mit

eingetretener

gleichgeschlechtlichen

Geschlechtsreife Geschwister

nach (min.

zwei/Geschlecht) wurden dann bis zum Alter von 70 Tagen zusammen gehalten. Bei ungünstiger Geschlechterverteilung wurden Einzeltiere nicht bis zum Tag 70 gehalten, sondern der P15-Gruppe zugeordnet, da eine Einzelhaltung einer Isolation entspricht und dadurch eine Interferenz mit dem Stressmodell eingetreten wäre.

MATERIAL UND METHODEN

22

P70

P70-Gruppe: Perfusion/Präparation

-Real time RT-PCR -Immunhistochemie

Ze itve rla uf in Ta ge n

-Western Blot P30

„weaning“

P15

P15-Gruppe: Perfusion/Präparation

P14 Stressperiode: H, NH, MS oder ED 1x täglich, 3 h H = Handling P1

NH = Non-handling MS = Maternal Separation

P0

ED = Early Deprivation

Abb. 7: Schematische Darstellung und Zeitachse des Versuchsaufbaus

Die

Tiere

eines

Wurfes

wurden,

soweit

möglich,

unterschiedlichen

experimentellen Aufarbeitungsverfahren zugeführt. Auf diese Weise wurde von jedem Wurf ein Ergebnis aus allen Untersuchungsverfahren erhalten. So wurde erreicht, dass die Individuen, die zu den Ergebnissen einer bestimmten Fragestellung führten, in der Regel aus verschiedenen Populationen stammten. Eine Summation familiärer Eigenschaften im Sinne eines konfundierenden Gruppeneffekts sollte so ausgeschlossen werden. Durch die natürliche Geschlechterverteilung der Würfe konnte dieses Ziel jedoch nicht immer erreicht werden. Eine weitere Unterteilung der Untersuchungsgruppen fand nach Geschlechtern statt.

MATERIAL UND METHODEN

23

Somit ergab sich eine Gesamtheit von 16 untersuchten Gruppen mit den unten aufgeführten Tierzahlen. P15

H

NH

MS

ED

weiblich

22

14

21

18

männlich

22

11

25

19

P70

H

NH

MS

ED

weiblich

19

13

15

17

männlich

17

14

23

23

Tabelle 1: Gesamtgruppengrößen der Arbeit; jeweils weibliche und männliche Tiere zu den zwei Zeitpunkten 15 und 70 Tage in den Behandlungsgruppen H, NH, MS und ED

2.3

Herstellung der Gewebeproben

2.3.1 Transkardiale Perfusion Die transkardiale Perfusion dient der optimalen Gewebefixierung für morphologische

Untersuchungen.

Durch

die

Fixierung

bleiben

die

zu

untersuchenden Gewebeverbände erhalten und können so in ihrer Gesamtheit untersucht werden. An P15 und P70 wurden die jeweiligen Tiere eines Wurfes, die für immunzytochemische Studien vorgesehen waren, perfundiert. Um eine absolute Schmerzlosigkeit der Maus bei der transkardialen Perfusion zu gewährleisten, wurde diese zuerst mit einer Dosis von 0,2 ml pro 20 g Körpergewicht einer Anästhetikamischung aus Ketamin, Xylazin und Acepromazin per intraperitonealer Injektion betäubt. Nachdem eine ausreichende Anästhesie an Hand erloschener Schutzreflexe festgestellt worden war, wurde sofort mit der Präparation des Herzens begonnen. Hierbei

wurde

nach

Entfernen

des

Fells

über dem

Brustkorb

der

Intraperitonealraum eröffnet, anschließend das Zwerchfell inzidiert und damit ein Pneumothorax gesetzt. Durch vorsichtige Ablösung der Rippen und des Brustbeines wurde

schließlich

das

Herz

freigelegt.

Mit

einer

an

ein

Infusionssystem

angeschlossenen Kanüle wurde der linke Ventrikel punktiert. Das rechte Herzohr wurde inzidiert, um den Körperkreislauf zu öffnen und dem zu entfernenden Blut eine Abflussmöglichkeit zu geben. Die nun stattfindende Perfusion wurde zunächst mit 0,9% NaCl bis zur totalen Anämie der Leber, erkennbar an deren Weißfärbung, durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt ist der größte Teil des Blutes aus dem Körper des

MATERIAL UND METHODEN

24

Tieres entfernt. Dann wurde auf 4%ige Paraformaldehyd-Lösung (PFA) umgestellt und für eine Dauer von 20 min. perfundiert. Danach wurde die Perfusionskanüle entfernt, die Maus dekapitiert, die Kalotte schonend eröffnet und anschließend das Gehirn von der Schädelbasis gelöst. Die erfolgreiche Perfusion konnte an der Rigidität des Gewebes und an der weißen Farbe (Blutarmut) makroskopisch festgestellt werden. Nachdem Rhinobulbus und Cerebellum abgetrennt worden waren wurde das Gehirn zur Nachfixierung vier Stunden bei 4°C in 4%iger PFA-Lösung inkubiert und dann über Nacht in PBS (phosphate buffered saline) bzw. RNasefreier Saccharose bei 4°C gelagert. Anderntags wurden die Gehirne, die in PBS gelagert waren, zum Zwecke der immunzytochemischen Weiterverarbeitung geschnitten. 2.3.2 Herstellung von Gewebeschnitten (Vibratomschnitte) Zur Herstellung der geeigneten Gewebeschnitte für die histologische Aufarbeitung in Form von Nissl- und immunzytochemischen Färbungen wurden die fixierten Hirne mit dem Vibratom geschnitten. Hierzu wurde das Gehirn zunächst in 4,5%igem Agar eingebettet und anschließend in 50µm dicke Koronarschnitte geschnitten, welche in 0,1 M PBS (pH 7,4) aufgefangen wurden. 2.3.3 Native Gehirnpräparation Für die RT-PCR oder Western Blots ist kein fixiertes Gewebe nötig, da diese nicht der Untersuchung intakter Zellverbände, sondern der Detektion einzelner Bestandteile darin dienen. Aus diesem Grund wurden die für diesen Teil des Experiments vorgesehenen Tiere mit CO2 betäubt und anschließend dekapitiert. Hierfür wurden die Mäuse zunächst in einer von der Raumluft vollständig getrennten Kammer mit CO2 betäubt, um eine totale Bewusstlosigkeit zu erreichen. Anschließend wurde mit einer letalen CO2-Konzentration in der Kammer der Atemstillstand ausgelöst. Nun folgte die zügige Dekapitation. Vor der weiteren Präparation des Gehirns wurden einige Tropfen Blut aus den Halsgefäßen für Serumuntersuchungen abgenommen. Nach Herauslösen des Gehirns aus dem eröffneten Schädel fand die eigentliche Präparation des Gehirns auf Eis statt. Die Kühlung diente dem besseren Erhalt des empfindlichen nativen Gehirngewebes. Der Arbeitsplatz wurde zum Schutze der zu analysierenden fragilen RNA im Gewebe RNase-frei gehalten.

MATERIAL UND METHODEN

25

Bei der Präparation wurden zunächst die Hemisphären voneinander getrennt und anschließend der Hippocampus an Hand seiner typischen eingerollten Form im Temporallappen aufgesucht. Nach stumpfer Herauspräparation wurde er in auf Trockeneis gekühlten, sterilen Eppendorf-Gefäßen gelagert. Die Hippocampi der beiden Hemisphären wurden getrennt asserviert. Hippocampi, die für die RT-PCR bestimmt waren, wurden bereits hier in 500 µl RNasefreiem RNAlater® gesammelt und bei 4°C gelagert. RNAlater ist eine Lösung zur Stabilisierung der empfindlichen RNA in nativem Gewebe, die die RNA-Degradation verhindert, wodurch einer Verfälschung von Messergebnissen bei der quantitativen Analyse der Genexpression vorgebeugt werden kann. Gehirne, die für die Proteinanalyse mittels Western Blot bestimmt waren, wurden bis zur Weiterverarbeitung bei -70 °C gelagert.

2.4

Morphologische Färbung (Nissl-Färbung)

2.4.1 Färbung Um mögliche Auswirkungen der Stressverfahren auf die Hirnmorphologie der Versuchtiere

zu

untersuchen,

wurde

die

Nissl-Färbung

verwendet,

die

standardmäßig zur Darstellung von Nervengewebe eingesetzt wird. Dabei werden durch Anlagerung des Farbstoffes Kresylviolett an basophile Verbindungen, wie RNA und DNA, vor allem Nukleoli und Ribosomen angefärbt und damit die Zellkörper mit den sog. Nissl-Schollen der Nervenzellen hervorgehoben. Jeder fünfte Vibratomschnitt pro Gehirn wurde nach Nissl gefärbt. So konnte eine repräsentative und sich über den gesamten Hippocampus erstreckende Zahl an Gehirnschnitten für morphologische Untersuchungen verwendet werden. Zunächst

wurden

die

Gehirnschnitte

auf

gelatinisierte

Objektträger

aufgezogen und getrocknet. Anschließend wurden die Objektträger in Essigwasser (1-2 Tropfen Essigsäure in 250 ml H2O) gewaschen und dann für 20 min. in die Färbelösung mit 0,1% Kresylviolett überführt. Nach einem weiteren Waschgang in Essigwasser wurden die Objektträger in einer aufsteigenden Alkoholreihe (70%, 90%, 100%) für je 1 min. und dann zwei Mal 5 min. in Xylol entwässert. In einem letzten Schritt wurden die Schnitte mit dem Kunstharz Hypermount und einem Deckglas eingedeckelt.

MATERIAL UND METHODEN

26

2.4.2 Auswertung Die

mit

der

Nissl-Färbung

gefärbten

Schnitte

wurden

auf

starke

morphologische Veränderungen hin untersucht. Am Zeiss Axioplan Mikroskop wurden sie bei aufsteigenden Vergrößerungen (5fach, 10fach, 20fach) auf offensichtliche Veränderungen in Aufbau und Struktur des Hippocampus hin durchgesehen.

2.5

Proteinnachweise

2.5.1 Immunhistochemie (Avidin-Biotin-Methode) Bei der indirekten Methode der Immunhistochemie werden zu untersuchende Epitope (hier Reelin) in histologischen Schnitten mittels Antikörper spezifisch detektiert. Zur Visualisierung der markierten Strukturen wurde die Avidin-BiotinMethode verwendet. Hierbei wird ein an das Vitamin Biotin gekoppelter Sekundärantikörper benutzt. Im Anschluss wird mit Peroxidase gekoppeltes Avidin zugegeben. Dieses bindet mit hoher Affinität an das Biotin am Antigen-AntikörperKomplex. In einem letzten Schritt wird der Peroxidase Wasserstoffperoxid (H2O2) als Substrat zugegeben. In der folgenden Reaktion entstehen Protonen, welche das zunächst farblose Chromogen 3,3`-Diaminobenzidin (DAB) unter Entstehung von Wasser oxidieren. Dadurch erhält der Schnitt eine charakteristische braune Färbung. Die frei schwimmenden Gehirnschnitte wurden zu Beginn drei Mal 10 min. in 0,1 M PBS auf dem Schüttler gewaschen. Anschließend wurde mit der Präinkubation begonnen. Hierbei wurde das Gewebe für 30 min. mit 0,25% Triton X und 10% Normalserum, beides in 0,1 M PBS (pH 7,4), inkubiert. Dieser Schritt dient der schonenden Lyse der Zellmembranen ohne gleichzeitige Denaturierung von Proteinen, um dem Antikörper intrazelluläre Proteine zugänglich zu machen (Triton X). Gleichzeitig wird das Gewebe mit Normalserum blockiert, um unspezifische Bindungsstellen abzusättigen. Nun folgte die Inkubation mit dem Erstantikörper (s. Tab. 2). Die Inkubationslösung enthielt den Antikörper in entsprechender Verdünnung, 0,1% Triton X und 1% Normalserum in 0,1 M PBS. Zunächst wurde 4 h bei Raumtemperatur und anschließend über Nacht bei 4°C inkubiert. Am folgenden Tag fand nach dreimaligem Waschen in 0,1 M PBS die Inkubation mit dem biotinilierten Zweitantikörper statt. Nach zwei Stunden bei Raumtemperatur erfolgten erneut drei Waschgänge und anschließend die Inkubation

MATERIAL UND METHODEN

27

mit dem ABC-(Avidin-Biotin-)-Komplex für zwei Stunden statt. Darauf folgten ein weiterer dreiteiliger Waschgang und anschließend die endgültige Entwicklung des Färbevorgangs. Als Substrat für die an Avidin gekoppelte Peroxidase wurde H2O2 zur Oxidierung von DAB verwendet. Der Fortschritt der Entwicklung wurde konstant in einminütigen

Abständen

mikroskopisch

überprüft

und

bei

optimalem

Entwicklungsstand durch Entfernen der Schnitte aus der Lösung gestoppt. Nach drei letzten Waschgängen folgte schließlich das Aufziehen der Gehirnschnitte auf gelatinisierte Objektträger, die getrocknet, in einer aufsteigenden Alkoholreihe ein letztes Mal entwässert und dann in Hypermount eingedeckelt wurden. 1. Antikörper

Konzentration

2. Antikörper

Konzentration

Reelin G10

1:500

Bio-α-mouse

1:250

Tabelle 2: Verwendeter Reelin-Antikörper bei der Immunhistochemie

2.5.2 Immunhistochemie (Immunfluoreszenz) Bei dieser immunhistochemischen Methode ist der Zweitantikörper mit einem Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt. Die Visualisierung erfolgt durch Anregen des Farbstoffs durch Licht entsprechender Wellenlänge. Präinkubation und Inkubation mit dem Erstantikörper (s. Tab. 3) fanden wie oben beschrieben statt. Nach dem Spülen wurden die Schnitte für drei Stunden unter Lichtabschluss bei Raumtemperatur mit dem fluoreszenzmarkierten Zweitantikörper inkubiert. Hierzu wurden je nach Spezies des Ursprungstier des Erstantikörpers die Zweitantikörper gewählt und in einer Verdünnung von 1:200 mit den Schnitten inkubiert. Im Falle einer Doppelimmunfärbung wurden beide Zweitantikörper (Cy3 und Cy5) mit einer Verdünnung von 1:200 verwendet. Es schloss sich ein zweistündiger Waschschritt mit mehrmaligem Pufferwechsel an. Zuletzt wurden die Schnitte wässrig in Immomount eingedeckelt und bei 4°C im Dunkeln gelagert. 1. Antikörper

Konzentration

2. Antikörper

Konzentration

Fluoreszenzfarbstoff

Reelin G10

1:500

α-mouse

1:200

Cy 3

GR M20

1:250

α-rabbit

1:200

Cy 5

Tabelle 3: Verwendete Antikörper bei der Reelin/GR-Doppelimmunhistochemie

2.5.3 Auswertung der Immunhistochemie 2.5.3.1 Quantifizierung der Reelin-positiven Zellen im Hippocampus Die Immunhistochemie für Reelin mit Peroxidasenachweis ergab ein charakteristisches Muster Reelin immunpositiver Neurone im Hippocampus. Um die Auswirkungen der verschiedenen Stressarten auf die Zahl Reelin-produzierender

MATERIAL UND METHODEN

28

Zellen zu bestimmen, wurden die Hippocampusschnitte einem systematischen Zählverfahren unterzogen. Auf Grund der einführend erwähnten Bedeutung des Hippocampus in der postnatalen Hirnentwicklung und der damit verbundenen Bedeutung Reelinproduzierender Zellen wurden die positiv gefärbten Zellen der hippocampalen Formation quantifiziert. Pro Tier wurden sechs zufällig gewählte Schnitte entlang der rostrokaudalen Achse des Hippocampus ausgezählt. Bei der Auswahl der Schnitte konnte nicht auf Hemisphärengleichheit geachtet werden, da deren Ordnung bei den „free-floating“ Methoden des Färbens verloren gegangen war. Die Gewebeschnitte wurden unter einem Leica DMRB-Mikroskop betrachtet und die mikroskopischen Bilder mittels einer Videokamera (Sony Power HAD 3CCD Color Video Camera) aufgenommen und auf einem Personalcomputer mit Hilfe der stereologischen Software Stereoinvestigator Version 5 ausgewertet. Das Mikroskop war mit einem automatischen Objekttisch ausgestattet, der durch die Software gesteuert wurde. Zunächst wurde mit Hilfe des Stereoinvestigators die hippocampale Formation in drei regions of interest (ROI) Gyrus dentatus, CA1 und CA3 eingeteilt. Die Region CA2

wurde

auf

Grund

ihrer

schwierigen

Abgrenzbarkeit

zur

CA3-Region

zugerechnet. Hierzu wurde die jeweilige Region mit dem Mauskursor bei 2,5-facher Vergrößerung umfahren (Abb. 8).

Abb. 8: „Regions of interest“ im Hippocampus einer 15 Tage alten Maus; Immunhistochemische Färbung für Reelin (hier in Schwarz-Weiß-Technik aufgenommen); ROIs als farbige Flächen eingezeichnet: grün = Gyrus dentatus, rot = CA1, blau = CA3. Maßstab 150 µm. Kasten rechts oben 40 fache Vergrößerung im Bereich des Gyrus dentatus.

MATERIAL UND METHODEN

29

Im Anschluss wurde die Fläche der drei ROIs von der Software berechnet. Gezählt wurden alle Zellen bei 40-facher Vergrößerung innerhalb der definierten Regionen, indem sie mit Hilfe des motorbetriebenen Tisches des Mikroskops mit einem Zählrahmen immer gleicher Größe mäanderförmig in definierten Abständen abgefahren wurden. Es wurden alle Zellen gezählt, die ein charakteristisches Färbemuster des Zellkörpers mit Aussparung des Zellkerns aufwiesen und innerhalb oder auf der Begrenzung der jeweiligen Region lagen. Als weitere Hilfe diente das Markersystem der Software. Mit diesem war es möglich jede gezählte Zelle zu markieren und so eine Doppelzählung zu verhindern. Alle in dieser Untersuchung gewonnenen Daten wurden in standardisierter Vorgehensweise von demselben verblindeten Untersucher erhoben. 2.5.3.2 Berechnung der Zellzahl Die Berechnung der Zellzahl erfolgte semiquantitativ. In die Berechnung der Zahl Reelin-positiver Zellen der hippocampalen Formation gingen alle sechs ausgezählten zufällig von rostral nach kaudal verteilten Gewebeschnitte pro Tier ein. Die Zellzahl wurde als Zelldichte pro Quadratmillimeter ausgedrückt und im Folgenden

ein

Mittelwert

für

jedes

Individuum

berechnet.

Mittelwert

und

Standardfehler gingen in die Berechnung der Zellzahl jeder Gruppe ein. Für morphologische Betrachtungen und Dokumentation wurde das Zeiss Axioplan 2 Mikroskop und die dazugehörige Axiovision Software verwendet. 2.5.4 Western Blot Der Western Blot ist ein spezifisches Verfahren zur Auftrennung von Proteinen entsprechend ihrem Molekulargewicht und anschließender Detektion mithilfe von spezifischen Antikörpern. Dabei werden die Proteine zunächst in einer Gelmatrix in einem elektrischen Feld entsprechend ihrer Größe elektrophoretisch aufgetrennt. Anschließend erfolgt, wiederum elektrophoretisch, der Transfer der Proteine aus dem Gel auf eine PVDF-Membran. Dieser Vorgang wird als Blotting bezeichnet. Die an der Membran haftenden Proteine werden schließlich mit Antikörpern detektiert und anschließend visualisiert. Es wurden Western Blots zum Nachweis von Reelin aus den verschiedenen Stressgruppen durchgeführt und anschließend mit Hilfe der Software „ImageJ“ quantifiziert. Als Ladekontrolle für die Western Blots diente Neurofilament, von dem

MATERIAL UND METHODEN

30

angenommen wird, dass es in seiner Eigenschaft als Zellstrukturprotein im vorliegenden Stressmodell keiner Veränderung unterliegt. 2.5.4.1 Proteinextraktion Vor Elektrophorese und Blotten der Proteine, muss das Gewebe zunächst homogenisiert werden, um die spezifische Detektion durch Antiköper zu ermöglichen und den relativen Proteingehalt des Gewebes zu bestimmen. Hierzu wurden die Hippocampi in 200 µl LDS-Puffer zunächst manuell mit so genannten „destroy sticks“ zerkleinert und anschließend je 20 x mit einer 0,55 mm Kanüle und dann einer 0,45 mm Kanüle aufgezogen. Der Probenpuffer mit einem Cocktail an Proteaseinhibitoren und die Arbeit auf Eis gewährleisteten die Inhibition von Proteasen. Das so entstandene Homogenat wurde bei 12500 rpm und 4°C für 10 min. zentrifugiert und die Überstände in neue Eppendorf-Gefäße überführt. Die auf diese Weise hergestellten Proteinlösungen wurden schließlich, bis auf eine kleine Menge für die quantitative Proteinmessung, bei -70°C gelagert. 2.5.4.2 Proteinbestimmung mit der BCA-Methode Zum

Auftragen

vergleichbarer

Mengen

Proteins

je

Probe

bei

der

Gelelektrophorese muss zunächst die Proteinkonzentration der Proben bestimmt werden. Die Messung des Proteingehalts wird mit Hilfe des BicinchoninsäureProtein-Assays (BCA-Protein-Assay) von Pierce ermöglicht. Dieser basiert einerseits auf der klassischen Biuret-Reaktion, bei der Proteine in alkalischer Lösung Cu2+ zu Cu+ reduzieren. Diese Kupfer-Kationen bilden schließlich in einer zweiten Reaktion mit der im BCA-Reagenz enthaltenen Bicinchoninsäure (BCA) einen Komplex. Dabei erhält die Lösung eine je nach Proteingehalt unterschiedlich starke violette Färbung. Zur Quantifizierung der Proteinkonzentration kann nun die dem Komplex eigene Absorption von Licht der Wellenlänge von 562 nm herangezogen werden. Anschließend wurde jede Probe mit einer Standardverdünnungsreihe aus RinderSerumalbumin (BSA) verglichen. Zunächst wurde eine BSA-Standardkurve mit linearem Konzentrationsanstieg von 0 bis 10 mg/ml in H2O bidest. hergestellt. Zu jeweils 95 µl Lösung wurden 5 µl Probenpuffer

dazugegeben.

Dies

sollte

eine

Messstörung

durch

den

zur

Proteaseninhibition nötigen Puffer bei der Homogenisierung ausgleichen. 5 µl Probenhomogenat wurden in 95 µl H2O bidest. verdünnt. Im Anschluss wurde den Proben und Standardlösungen je 1 ml BCA-Reagenz zugegeben und alles bei 37°C

MATERIAL UND METHODEN

31

für 30 min. inkubiert. Nach Abkühlen der Proben auf Raumtemperatur wurde zunächst das Photometer durch Messung der Absorption der Standardkurve kalibriert

und

anschließend

die

eigentlichen

Gewebeproben

photometrisch

gemessen. 2.5.4.3 Gelelektrophorese Zur Elektrophorese wurde ein 4-12% Bis-Tris-Gel verwendet, da dieses sich gut für Proteine bis zur Größenordung von 400 kDa eignet. Als Größenstandard wurde eine Mischung aus 5µl SeeBlueTM und 1µl MagicMarkTM verwendet. Letzterer hat den Vorteil, dass er nach Reaktion mit dem Alkaline-Phosphatase-konjugierten Zweitantikörper

ein

chemilumineszentes

Signal

abgibt,

welches

nach

der

Entwicklung auf dem Film zu sehen ist. Als Reelin-Standard wurde ein von Dr. Eckard Förster freundlicherweise zur Verfügung gestellter aufgereinigter Überstand aus Reelin-sezernierenden Zellkulturen verwendet. An Hand dieser Positivkontrolle konnten

die

durch

den

Reelin-Antikörper

detektierten

Proteinbanden

der

aufgetragenen Proben eindeutig identifiziert werden. Zur denaturierenden Vorbehandlung der Proben wurden diese mit DTT in einer Endkonzentration von 1% 10 min. bei 70°C inku biert. Nach Abkühlen auf Eis wurden die jeweiligen Proben mit einer Proteinkonzentration von 1 µg Protein/ µl auf die Geltaschen aufgetragen. Anschließend wurde die Gelelektrophoresekammer mit Laufpuffer und Antioxidans gefüllt. Letzteres dient dazu eine erneute Oxidierung der denaturierten Proteine zu verhindern. Die Proteine wurden nun eine Stunde bei 200V aufgetrennt. 2.5.4.4 Proteintransfer Die

verwendete

Polyvinylidenfluorid-(PVDF)Membran

wurde

durch

Vorbehandlung mit Methanol und Transferpuffer den Proteinen zugänglich gemacht. Im Anschluss wurde die Blottingkammer in folgender Reihenfolge beladen: zwei in Transferpuffer

getränkte

Blottingpads,

Whatmanfilter,

Gel,

PVDF-Membran,

Whatmanfilter, zwei Blottingpads. Die so gefüllte Kammer wurde erneut in das Western-Blot-System eingesetzt, die innere Kammer mit dem Transferpuffer, die äußere mit Leitungswasser gefüllt und anschließend für eine Stunde unter 30V Spannung gesetzt. Ein erfolgreicher Proteintransfer vom Gel auf die Membran konnte im Anschluss an Hand einer Ponceau-Färbung der Membran kontrolliert

MATERIAL UND METHODEN

32

werden. Diese wurde zum Zwecke der Dokumentation kopiert und anschließend in Waschpuffer von der Farbe befreit. Die mit Proteinen beladene Membran wurde nun entweder unverzüglich der Proteindetektion unterzogen oder über Nacht bei 4°C in Waschpuffer aufbewahrt. 2.5.4.5 Immunologische Detektion der Proteine mit verstärkter Chemilumineszenz Die folgenden Inkubationsschritte fanden alle auf einem Schüttler unter dem Abzug bei Raumtemperatur statt. Zunächst wurde die Membran für eine Stunde mit I-Block inkubiert. Dies und auch die Lösung des Erstantikörpers (s. Tab. 4) in I-Block dienten einer Absättigung unspezifischer Bindungsstellen mit dem darin enthaltenen Kasein, um unspezifische Antikörperbindungen zu verhindern. Auch der Erstantikörper wurde für eine Stunde im Kontakt mit der Membran belassen. Es schloss sich drei Mal 10-minütiges Waschen in I-Block an. Danach fanden die einstündige Inkubation mit dem mit alkalischer Phosphatase gekoppelten Zweitantikörper in einer Verdünnung von 1:10000 und ein erneuter Waschschritt statt. Nach zwei Mal fünf Minuten in AssayPuffer und zwei Mal zwei in H2O bidest. wurde die Membran auf der mit den Proteinen beladenen Seite mit CDP-Star in einer Verdünnung von 1:100 benetzt. CDP-Star hat die Eigenschaft als Substrat mit der alkalischen Phosphatase des Zweitantikörpers zu reagieren und so eine verstärkte Chemilumineszenz der markierten Proteine zu erreichen. Die Chemilumineszenz wird im Anschluss dazu genutzt einen Röntgenfilm zu belichten. Hierzu wurde ein handelsüblicher Röntgenfilm (Kodak) verwendet und zwischen 3 und 20 min. unter Lichtabschluss in einer Kassette belichtet. Die Filmentwicklung wurde manuell in folgender Reihenfolge ausgeführt: je drei min. Entwicklerbad, Fixierbad und abschließendes Wässern. Der in den Versuchen verwendete monoklonale Antikörper (MAB5366, Chemicon) detektiert ein N-Terminales Epitop des Reelinmoleküls, das in drei Isoformen (Molekulargewicht 410, 330 und 180 kDa) des Reelinproteins enthalten ist. Daher lassen sich auf dem Röntgenfilm drei Banden für dasselbe Protein erkennen. 1. Antikörper

Konzentration

2. Antikörper

Konzentration

Reelin mab

1:1000

goat-α-mouse

1:10 000

NFL

1:500

rabbit-α-goat

1:10 000

Tabelle 4: Verwendete Antikörper im Western Blot

MATERIAL UND METHODEN

33

2.5.4.6 Strippen Das „Strippen“ einer PVDF-Membran dient der Entfernung bereits gebundener Antikörper von der Membran, wenn entweder weitere zu detektierende Proteine in ähnlichen

Größenregionen

liegen

oder

die

Herkunftstiere

der

Erst-

und

Zweitantikörper sich jeweils entsprechen. Letztere Situation lag bei der Ladekontrolle mit dem Neurofilament-Antikörper vor. Dieser stammte aus der Ziege, so dass der Zweitantikörper gegen Ziege gerichtet war; der Zweitantikörper der Reelindetektion stammte jedoch auch aus der Ziege. Somit hätte der Zweitantikörper bei der Neurofilamentdetektion auch an die Reelinantiköper gebunden und es wäre ein störendes verstärktes Signal auf dem Film entstanden. Zum Strippen wurde die Membran für 30 min bei 50°C in Stripp-Puffer inkubiert. Es schlossen sich fünf ausgiebige Waschgänge in Waschpuffer bei Raumtemperatur an. Nun konnte erneut mit dem Detektionsprotokoll begonnen werden. 2.5.5 Densitometrische Auswertung der Western Blots Zur quantitativen Auswertung der Western Blots wurde die frei verfügbare Software “ImageJ” verwendet. Diese macht es möglich einen nicht mit dem Auge feststellbaren Unterschied der Schwärzungsreaktion auf dem Film, der optischen Dichte, zu messen. Hierzu wurden die Röntgenfilme zunächst mit Hilfe eines Scanners digitalisiert. Schließlich wurden die zu messenden Banden markiert und deren relative optische Dichte im Vergleich zum Hintergrund gemessen. Zum Ausschluss der falschen Berechnung durch hohen Hintergrund nach langer Belichtung wurde dieser vom Programm abgezogen. Der nun angezeigte Kurvenausschlag wurde mittels Berechnung der „Area under the curve“ quantifiziert. Im Anschluss fand eine ebensolche Messung der Kontrollblots mit dem Antikörper gegen Neurofilament statt. Die so akquirierten Werte der relativen optischen Dichte der Reelin- und Neurofilamentbanden wurden in einem letzten Schritt im Verhältnis zueinander gesetzt. So konnten Ladeunterschiede als Ursache für Signalunterschiede ausgeschlossen werden.

MATERIAL UND METHODEN

2.6

34

Molekularbiologische Methode (quantitative real time RT-PCR) Zur Quantifizierung der Genexpression von Reelin und BDNF wurde die

quantitative real-time RT-PCR als molekularbiologische Methode eingesetzt. Diese ist im Besonderen zur quantitativen Messung geringer mRNA-Expressionslevel entwickelt worden. Die RT-PCR verwendet im Gegensatz zur einfachen PCR nicht eine DNASequenz als Matrize, sondern die dazu komplementäre messenger-RNA (mRNA). Diese wird zunächst aus Gewebeproben isoliert und durch reverse Transkription im Versuchsansatz in komplementäre DNA (cDNA) umgeschrieben. Die cDNA dient schließlich als Matrize der Amplifizierung mittels Polymerasekettenreaktion. Die real-time RT-PCR erlaubt die direkte Detektion der Akkumulation der PCR-Produkte

während

Fluoreszenzfarbstoffe

oder

der

log-linearen

Phase

fluoreszenz-markierte

der

Sonden.

Reaktion Diese

über

binden

in

bestimmten Schritten des PCR-Zyklus an die Ziel-DNA. Das Signal der durch eine Lichtquelle angeregten Fluoreszenzfarbstoffe korreliert dabei quantitativ mit der Menge an PCR-Produkt und wird über eine Software in Echtzeit (real-time) erfasst. In der vorliegenden Arbeit wurde SYBR Green, ein Fluoreszenzfarbstoff, der an dsDNA bindet, verwendet. Um einer Beeinflussung der Quantifizierung durch verschiedene Störfaktoren (unterschiedliche

Ausgangsmenge

an

mRNA,

Reverser

Transkriptase,

unterschiedliche PCR-Effizienzen, u.a.) vorzubeugen, wurde eine Normalisierung der Expressionslevel durchgeführt. Hierzu wurde die erfasste Reelin-Expression relativ zu einer internen Kontrolle angegeben. Als interne Kontrolle wurde parallel zur Reelin-RT-PCR das sog. Housekeeping-Gen s12 miterfasst. S12 ist ein ribosomales Protein dessen Expression einer konstitutiven Regulation unterliegt und daher von den Stressverfahren unbeeinflusst bleibt. Diesen Teil der vorliegenden Arbeit übernahm freundlicherweise Hr. Flubacher. 2.6.1 RNA-Isolierung, Reverse Transkription und quantitative PCR Auf die native Gehirnpräparation folgte eine zügige Homogenisierung der Hippocampi im RNA-Stabilisierungsmedium RNAlater. Hierauf folgte die Isolierung der RNA aus dem Gewebe mit dem RNeasy MiniKit entsprechend den Protokollen des Herstellers.

MATERIAL UND METHODEN

35

Die reverse Transkription wurde in 20µl Versuchansätzen durchgeführt. Darin enthalten waren: ca. 1µg totale RNA, 5µM Random Decamer Primer, 500µM dNTP und 100 U M-MLV Reverse Transkriptase. Die RT-PCR fand bei 42°C für 60 min. statt. Die Polymerasekettenreaktion fand mit je 70nM Primer (s.Tab. 5) unter den folgenden Bedingungen statt: Initiale Denaturierung 15 min. bei 95°C, 50 Zyklen zu je 15 Sekunden bei 95°C und 1 min. bei 60°C. Das Fluor eszenzsignal wurde mittels MyiQ Real Time PCR Detektions-System bis zu einem benutzerdefinierten Schwellenwert (Threshold-Cyle) an Fluoreszenz erfasst. Die bis dahin nötigen PCRZyklen der verschiedenen Versuchsgruppen wurden in Relation zu einander gesetzt und so die relative Menge an PCR-Produkt erfasst. Alle Quantifizierungen wurden in Bezug auf die Expression der S12-mRNA normalisiert. Primer

Sequenz

Reelin (sense)

5’-CCCAGCCCAGACAGACAGTT-3’

Reelin(antisense)

5’-CCAGGTGATGCCATTGTTGA-3’

BDNF (sense)

5’-GGGTCACAGCGGCAGATAAA-3’

BDNF (antisense)

5’-GGGTCACAGCGGCAGATAAA-3’

s12 (sense)

5’-GGCATAGCTGCTGGAGGTGTAA-3’

s12 (antisense)

5’-GGGCTTGGCGCTTGTCTAA-3’

Tabelle 5: Verwendete Primer bei der real time RT-PCR

2.7

Statistische Auswertung Die statistische Auswertung aller erhobenen Daten wurde mit Hilfe der

Software GraphPad Prism 4 durchgeführt. Alle Stressgruppen der Zeitpunkte P15 und P70 wurden entsprechend der Fragestellung einer zweifaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) unterzogen. Dabei wurde entweder der Einfluss des Alters oder des Geschlechts auf die verschiedenen Stressarten untersucht. Bei bestätigter Varianz in den Gruppenvergleichen wurde ein a-posteriori-Test durchgeführt. In diesem Fall wurde der Bonferroni-Test mit einem festgelegten Signifikanzniveau von α=0,05 verwendet. Als Grundlage dienten hier Mittelwerte und Standardfehler der Gruppen. Alle

folgenden

Abbildungen

stellen

Standardfehler ist als Fehlerbalken ausgedrückt.

Mittelwertvergleiche

dar.

Der

MATERIAL UND METHODEN

2.8

36

Verwendete Reagenzien und Chemikalien

Agar (reinst)

Merck KG, Darmstadt, Deutschland

Antioxidans

Invitrogen, Carlsbad, CA, USA

TM

BCA -Protein-Assay Kit

Pierce, Rockford, IL, USA

Bovines Serum Albumin

Sigma, St. Louis, MO, USA

CDP-Star

Tropix, Bedford, MA, USA

3,3`-Diaminobenzidin (DAB)

Sigma

Diethylpyrocarbonat (DEPC)

Merck

Dithiothreitol (DTT)

Sigma

Hypermount

Shandon, Pittsburg, PA, USA

I-Block

Tropix

Isopentan

Carl Roth GmbH & Co., Karlsruhe, Deutschland

Probenpuffer (LDS-Puffer)

Invitrogen

Methanol

Merck

Paraformaldehyd

Merck

Ponceau

Sigma

RNAlater

TM

Qiagen N.V., Venlo, Holland

RNase ZAP®

Sigma

D(+)-Saccharose

Carl Roth GmbH & Co.

SDS 10% TM

SeeBlue

Carl Roth GmBh & Co. und MagicMark

TM

XP (MG-Standards)

Invitrogen

Transferpuffer (20x)

Invitrogen

3-8% Tris-Acetate Gel

Invitrogen

Tris-Acetate SDS Running Buffer

Invitrogen

Triton X

Fluka, Sigma-Aldrich Schweiz

Tween

Sigma

Vectastain ABC-Kit

Vector Laboratories Inc., Burlingame, CA, USA

Chemie,

Buchs

SG,

Tabelle 6: Häufig verwendete Reagenzien und Chemikalien

2.9

Verwendete Antikörper

GR (M-20), polyklonal

Santa Cruz Biotechnology, Inc., Santa Cruz, USA

NF-L (C-15), polyklonal

Santa Cruz Biotechnology, Inc.

Reelin, monoklonal (Western Blot)

Chemicon, Temecula, CA, USA

Reelin (G10), monoklonal (IHC)

Dr. André Goffinet, Universität Louvain, Belgien

Zweitantikörper für Western Blot, gekoppelt mit alkalischer Phosphatase

Tropix

Zweitantikörper biotinyliert

Invitrogen

für

Immunhistochemie,

Tabelle 7: Verwendete Antikörper

MATERIAL UND METHODEN

37

2.10 Zusammensetzung häufig verwendeter Lösungen Anästhetikamischung

7,5 ml Ketamin 10%

(Ketamincocktail):

1,9 ml Xylazin 2% 0,75 ml Acepromacin 1%.

Assay-Puffer (10x):

20 ml 1M Tris, pH 9,8 1 ml 1M MgCl2 auf 100 ml auffüllen mit H2O bidest.

DEPC-H2O:

1000 ml H2O

(Diethylpyrocarbonat-H2O)

1 ml DEPC Über

Nacht

bei

Raumtemperatur;

anschließend

autoklavieren.

I-Block-Lösung:

0, 9 g I-Block 50 ml 10x PBS 400 ml H2O bidest. Erhitzen auf 70°C, abkühlen auf Eis. 5 ml 10% Tween auf 500 ml auffüllen mit H2O bidest.

Kresylviolett-Färbelösung:

(A) 0,5 g Kresylviolett in 225 ml H2O bei 37° C lösen (B) 0,103 g Na-Acetat In 50 ml H2O lösen A und B zusammengeben und 1,65 ml Eisessig zugeben Auf 500 ml mit H2O bidest. auffüllen, auf 60°C erhitzen, filtrieren.

NaCl 0,9%:

9 g NaCl in 1000 ml aqua bidest. lösen.

PBS 0,1M:

(1) 28,4 g Na2HPO4 x 2 H2O

(Phosphate-buffered-saline)

8,4 g NaCl in 1000 ml aqua bidest. lösen (2) 8,3 g NaH2PO4 x 2 H2O in 300 ml aqua bidest. lösen Zugabe von (2) zu (1) bis pH 7,4

10x PBS (pH 7,4):

103,23 g Na2HPO4 x 2 H2O 26,52 g NaH2PO4 x 2 H2O 40 g NaCl In 1000 ml aqua bidest. lösen.

MATERIAL UND METHODEN

38

Paraformaldehyd (4%):

40 g PFA

(PFA)

500 ml H2O bidest. 3-4 Tropfen NaOH Erhitzen bis zur vollständigen Lösung (ca. 70 °C) 250 ml PBS 0,4M Auf 1000 ml mit H2O bidest auffüllen

Ponceau-Lösung:

0,5 g Ponceau S In 500 ml CH3COOH (1%)

Saccharose 20%:

2 g Saccharose

(RNase-frei)

in 10 ml DEPC-PBS lösen.

Stripping-Lösung:

10 ml 10% SDS 345 µl β-Mercaptoethanol Auf 50 ml auffüllen mit Tris-HCl 63 mM pH 6,7.

Transferpuffer:

10 ml 20x Transferpuffer 20 ml Methanol Auf 1000 ml auffüllen mit aqua bidest.

Waschpuffer:

10 ml 10x PBS 50 ml 10% Tween Auf 100 ml auffüllen mit aqua bidest.

2.11 Verwendete Geräte und Software Gelkammer (Western Blot)

Invitrogen Carlsbad, CA, USA

GraphPad Prism 4

GraphPad Software Inc., San Diego, CA, USA

Heizrührer

IKA-Werk, Staufen, Deutschland

Image J

NIH, Bethesda, MA, USA

Mikroskope: Bilddokumentation (Zeiss Axioplan), Zählen: (Leica DMRB)

Carl Zeiss, Göttingen, Deutschland Leica Microsystems, Wetzlar, Deutschland

Photometer

Eppendorf, Hamburg, Deutschland

PVDF-Membranen (Western Blot)

Roche, Mannheim, Deutschland

Spannungsquelle

Biometra, Göttingen, Deutschland

Scanner

Canon, Tokio, Japan

Schüttler

IKA-Werk, Staufen, Deutschland

Stereoinvestigator Version 5

Micro Brightfield Bioscience, Williston, VT, USA

Vibratom

Leica Microsystems, Wetzlar, Deutschland

Zentrifuge

Eppendorf, Hamburg, Deutschland

Tabelle 8: Verwendete Geräte und Software

ERGEBNISSE

39

3 ERGEBNISSE Zur Untersuchung der Auswirkung der verwendeten Separationsverfahren auf die Expression des für die Hirnentwicklung bedeutenden Proteins Reelin wurden auf verschiedenen

molekularen

Ebenen

Experimente

durchgeführt.

Um

grobe

morphologische Veränderungen zu erkennen, wurde ein Teil der Gewebeschnitte pro Tier nach Nissl gefärbt und im Anschluss mikroskopisch untersucht. In der Frage nach der Expression von Reelin wurde zunächst mit Hilfe der RTPCR die Expression der Reelin mRNA quantitativ bestimmt. Als Kontrolle für das Stressmodell wurde die Expression der BDNF-(brain derived neurotrophic factor) mRNA gemessen, da hier bereits eine Beeinflussbarkeit der mRNA-Expression durch Stressbehandlung nachgewiesen worden ist (Roceri et al., 2004). Des Weiteren wurde die Kolokalisation von Reelin und Glukokortikoidrezeptoren auf ein und derselben

Zelle

nachgewiesen.

Um

Aufschluss

über

die

Expression

des

Genprodukts, nämlich dem Protein, zu erlangen, wurden Proteinnachweise in Form von Immunhistochemie und Western Blot vollzogen. Die gewonnenen Daten wurden einer statistischen Analyse unterzogen. Hierzu

wurde

das

Statistikprogramm

GraphPad

Prism

4

verwendet.

Gruppenvergleiche der verschiedenen Stressarten zu den Zeitpunkten P15 und P70 wurden zunächst mit einer zweifaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) durchgeführt. Ebenso wurde bei den Gruppenvergleichen der verschiedenen Stressarten in Abhängigkeit vom Geschlecht der Tiere verfahren. Bei vorhandener Varianz wurde als a-posteriori-Test zum Vergleich der Mittelwerte der Gruppen der Bonferroni-Test verwendet. Das Signifikanzniveau wurde bei α=0,05 festgelegt.

3.1

Veränderungen der Genexpression nach Stressbehandlung Die im folgenden Abschnitt besprochenen Ergebnisse wurden mittels

quantitativer real time RT-PCR gewonnen. Hierzu wurden die Hippocampi der Tiere nach erfolgter Separation zu den Zeitpunkten P15 und P70 präpariert und im Anschluss einer quantitativen real-time RT-PCR-Analyse unterzogen. Hierbei diente die RNA des Gens S12 (housekeeping gene) als endogene Kontrolle zur Normalisierung der Ausgangskonzentration der Reelin und BNDF mRNA. Es wurden folgende Gruppengrößen erreicht:

ERGEBNISSE

40

P15

H

NH

MS

ED

weiblich

8

10

8

7

männlich

8

7

7

6

P70

H

NH

MS

ED

weiblich

10

9

5

8

männlich

8

11

11

12

Tabelle 9: Gruppengrößen bei der real time RT-PCR

3.1.1 Stressbedingte Veränderung der BDNF-Expression Als

Positivkontrolle

für

die

in

dieser

Arbeit

eingesetzen

Separationsparadigmen wurde das Neurotrophin brain-derived neurotrophic factor (BDNF)

herangezogen.

Eine

Beeinflussbarkeit

der

BDNF-Expression

durch

postnatalen Stress ist in mehreren Arbeiten bereits nachgewiesen worden (Smith et al., 1995; Roceri et al., 2002; Roceri et al., 2004). Wir fanden bei beiden Geschlechtern der gestressten P15-Tiere eine hoch signifikante Reduktion der BDNF-Expression bei den NH-Tieren (p

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