Auswertung der Abfrage zum Bildungs- und Teilhabepaket

Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen ARBEITSGRUPPE ARMUT UND SOZIALBERICHTERSTATTUNG Ges...
Author: Caroline Bauer
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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen ARBEITSGRUPPE ARMUT UND SOZIALBERICHTERSTATTUNG Geschäftsführung Georgstraße 7, 50676 Köln Tel. (0221) 2010-288 Fax (0221) 2010-398 Datum: 26.3.2012

Auswertung der Abfrage zum Bildungs- und Teilhabepaket Die Auswertung der Abfrage kann aufgrund der Teilnahme von 21 Kommunen und der unterschiedlichen Beantwortung der Fragen nur Tendenzen aufzeigen. Deutlich wird bei der Beantwortung der Frage 1, dass in den meisten Fällen die Vereinfachungen im Verfahren, die durch den Runden Tisch der Ministerin von der Leyen mit den Ländern vereinbart wurden, umgesetzt werden. Bei einigen Trägern ist nicht bekannt, ob die Kommunen dies umsetzen. Bei Frage 2 nach der Anzahl der Anträge und der Bewilligungen für Kultur, Sport, Schülerbeförderung, Lernförderung, Mittagessen und Tagesausflüge fällt auf, dass die örtlichen Ligen hierüber kaum Kenntnisse haben. Die Frage gibt allerdings Aufschluss darüber, dass die Förderung des Mittagessens den größten Anteil der Anträge/Bewilligungen stellt. Danach folgen Anträge/Bewilligungen von Klassenfahrten/Ausflügen und den Bereich Kultur, Sport, Mitmachen. Schülerbeförderung und Lernförderungen werden nur marginal beantragt. Hieran schließt sich schon die Frage an, weshalb diese beiden Aspekte der Teilhabe nicht häufiger in Anspruch genommen werden. Aber es stellen sich weitere Fragen/Hypothesen, die sich aus dem Zahlenbeispiel der Kommune Köln ergeben. Werden diese in den Kontext der quantitativen Erhebungen durch das BMAS gesetzt, dann ist Köln hier kein Einzelfall sondern im Rahmen des BuT als typisch anzusehen. Ca. 56.000 Anspruchsberechtigte Anträge Mittagessen Anträge Tagesausflüge und Klassenfahrten Anträge Kultur, Sport, Mitmachen Anträge Lernförderung Anträge Schülerbeförderung

20.794 37 % 13.489 24 % 6.550 11 % 2.544 4,5 % 1.756 3%

Wie hoch die Bewilligungsquote war, ist nicht bekannt. Gibt es ein Informationsdefizit bei den Eltern, bei den Trägern, beim Schulsystem?

Wer sieht es als seine Verantwortung an zu informieren und wie wird diese kommuniziert? Gibt es überhaupt Unterstützungsleistungen für Eltern, die die Anträge nicht verstehen und wie sehen diese aus? Ist die Beantragungshürde zu hoch: Wie bürokratisch ist das Verfahren? Was muss beigebracht werden, wie oft müssen sich Eltern als SGB II oder arm outen? Wie lange dauert das Verfahren? Welche anderen Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten gibt es in der Kommune und lässt sich hierdurch erklären, dass die Anträge auf Lernförderung und Schülerbeförderung so gering ist? Weshalb werden so wenig Anträge auf Tagesausflüge und Klassenfahrten gestellt: übernehmen Fördervereine die Kosten, ist es nicht Wissen der Beteiligten oder fahren Kinder aus Scham nicht mit? Dass die Anzahl der geförderten Mittagessen so hoch ist, liegt sicherlich an dem schon gut eingeführten Fonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“, dessen Verwaltungsstrukturen genutzt werden konnten. All diesen Fragen und Hypothesen müsste nachgegangen werden bzw. könnten schon ein Indiz dafür sein, dass die gegenwärtige Form der Beantragung und Bewilligung das Ziel der Bildung und Teilhabe aller Kinder und Jugendlicher im SGB II und darüber hinaus verfehlt. Bei der Frage 3 nach den Verbesserungsmöglichkeiten und –bedarfen wird benannt: -

Einheitliche Formulare bei Jobcenter und Kommunen. Anpassung der Bewilligungszeiträume von Jobcenter und Kommunen. Klare, komprimierte Informationen über alle Möglichkeiten des Antragsverfahrens an alle Träger samt Formblättern und Adressaten der Antragsformulare. Automatische Bewilligung der Schulbeihilfe bei Beziehern von Wohngeld und Kinderzuschlag Datenschutz überprüfen, damit ein besserer Austausch zwischen Schulen, Kitas, Vereinen, Jobcenter und Kommunen möglich ist. Sprechzeiten bei den Jobcentern und Kommunen. Feste Ansprechpartner bei Jobcenter und Kommunen sowie die Sicherstellung deren Erreichbarkeit. Verpflichtung an alle Mitarbeiter des JobCenters bei jedem Kundengespräch auf die Leistung hinzuweisen und Anträge gemeinsam auszufüllen Anträge und Bescheide müssen verständlich und lesbar formuliert sein. Schnellere und kurzfristigere Bearbeitungszeiten. Einzelmeldungen, dass jetzt erst die Anträge aus August 2011 bearbeitet werden. Klare, komprimierte Informationen über alle Möglichkeiten des Antragsverfahrens an alle Träger samt Formblättern und Adressaten der Antragsformulare. Veränderung der Haltung in Jobcentern und Kommunen. Antragsteller haben ein Recht auf die Leistungen und sind weder Bittsteller noch Schmarotzer noch Betrüger. Lernförderung durch bessere Ausstattung der Schulen ersetzen – Finanzierung von sozialer Infrastruktur anstelle individueller Leistungen, die einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten.

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Bessere Absprachen und Kooperationen unter den Trägern. Refinanzierung der Verwaltungsaufwände der Träger der Freien Wohlfahrtspflege. Beauftragung von freien Träger gegen Kostenersatz mit der Information und Beratung zur Leistung

Bei der Frage 4 „Beurteilung der Wirkungen“ wird davon ausgegangen, dass es ein gut gemeintes Paket ist, welches schlecht gemacht wurde. -

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Aufgrund des hohen bürokratischen Aufwandes für die Antragsteller, die Träger und die Verwaltung entsteht allerdings der Eindruck, dass mehr Geld in der Verwaltung steckenbleibt als den Kindern zugute zu kommen. Von daher wird die Wirkung nicht nur nicht erreicht, sondern kann als ineffizient angesehen werden. Die Verwaltungsabläufe erhöhen die Peinlichkeiten für die Eltern und führen vor Augen, dass sie alleine nicht in der Lage sind für ihre Kinder zu sorgen. Dies führt zu einer nicht Inanspruchnahme von Leitungen. Wirkung eher kontraproduktiv. Frage nach der Nachhaltigkeit ist momentan nicht zu beantworten. Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ wird als Positivbeispiel für mehr Wirkung angesehen. Bei der Lernförderung gleich null. Hypothese: Schulen wollen keine Beantragungen unterstützen, weil dann das eigene System der Schule und der durch Schule gewünschten Förderung überprüfbar und angreifbar wird. Zitat: „In den Bereichen der Lernförderung ist eine Inanspruchnahme aufgrund der engen Auslegung kaum möglich, da in einigen Schulen (wie Grundschulen oder Gesamtschulen) Versetzungen laut Konzept immer vorgenommen werden sollen, so dass kaum eine Bescheinigung ausgestellt wird, dass eine Versetzung gefährdet ist. So wird gerade diese wichtige Förderung nicht umgesetzt.“ Durch die Abwälzung des bürokratischen Aufwandes auf die Träger ergibt sich eine Verringerung der Zeiten für andere Unterstützungsleistungen von Familien und Kindern. Es findet eine Verschiebung von Aufmerksamkeiten statt. Diese erhält der Antrag, das Jobcenter, die Kommune aber nicht wie beabsichtigt das Kind. Bildungs- und Teilhabeleistungen wie z.B. die Übernahme von Kosten bei Ferienfahrten oder Aktionen der OGS, die Übernahme von Kosten für das Mittagessen in Übermittagsbetreuungen, die außerhalb der Schule angeboten werden, die zu geringe Übernahme von Kosten für Musikschulen oder andere Vereine zeigen die Lücken des Paketes auf und grenzen Kinder aus. Für diese ist die Wirkung gleich null. Zitat: „Bei Aussagen zu der Wirkung sollte man noch einmal den Blick auf das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Ziel richten: Für die Kinder und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien sollte ein Mindestmaß an Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben sichergestellt werden. Da das Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen mehr umfasst als den täglichen Bedarf für Kleidung, Nahrung und Wohnung. Durch das BuT werden in Köln in erster Linie vorrangig Mahlzeiten in Kindertagesstätten und in der Schulkinderbetreuung teilvergütet. In Kommunen in denen in den vergangenen Jahren durch ein freiwilliges

Instrument schon Leistungen erbracht wurden, ist hier in erster Linie eine Umschichtung der finanziellen Belastungen zu konstatieren. Eine deutliche Vermehrung der Fallzahlen z.B. bei Mittagessen ist nicht zu verzeichnen. Daher darf bei der teilweise recht hohen prozentualen GesamtAntragsquote, nicht aus dem Blick geraten, dass die einzelnen Module des BuT in sehr unterschiedlicher Intensität in Anspruch genommen werden. Die Beantragung des vergünstigten Mittagessens in Kita oder Schule führt zu einer statistischen Erfolgsmeldung, die die dahinterliegenden schwachen Quoten bei den so wichtigen und vom Bundesverfassungsgericht einGeforderten Teilhabeleistungen in den Schatten stellen. Als einzig positiv zu bewerten, ist die Übernahme von Kosten für Tagesausflüge und Klassenfahrten, da hier Teilhabe ermöglicht wird, die bisher so nur in Ausnahmefällen (Härtefond der Schulen/Kindertagesstätten) möglich war.“

Bei der Beantwortung der Frage 5 zu den Möglichkeiten der Verbesserung, die in die Politik eingebracht werden sollen, wird deutlich, dass alle Rückmelder der Meinung sind, dass das BuT nur Symptome bekämpft, einen zu hohen Verwaltungsaufwand produziert, Gelder abzieht, die anderswo nützlicher eingesetzt werden könnten und mehr gegen die Ursachen (Vermeidung von Armut durch den Abbau von Niedriglöhnen, Ausbau auskömmlicher Arbeit und sozialer Infrastruktur) getan werden muss. Das BuT in seiner jetzigen Form wird von allen abgelehnt. Zitate aus der Abfrage: „Die geltenden Regelungen sind verhalten, defensiv und deutlich fiskalpolitisch orientiert. Statt verwaltungsaufwändiger und kostenträchtiger Umsetzungssysteme und Pro-KopfAbrechnungen für Fördermaßnahmen, sind Investitionen in die Infrastruktur der bessere Weg. So geschehen bei der Bereitstellung von Mitteln für die Schulsozialarbeit. Hier erfolgt präventive, niedrigschwellige und stigmatisierungsfreie Hilfe für Kinder und Jugendliche. Dies muss über das Jahr 2013 hinaus erfolgen! Sollte ein solcher Paradigmenwechsel nicht möglich sein, muss an das Land NRW appelliert werden, im Bundesrat/Bundestag darauf einzuwirken, dass dieses Gesetz in der Umsetzung eine (Verwaltungs-) Vereinfachung erfährt und in erster Linie Mittel des Bundes durchgeleitet werden, die in den Ländern und Kommunen bedarfsgerecht und zielorientiert ausschließlich zur Umsetzung der Teilhabe von wirtschaftlich benachteiligten Kindern und Familien eingesetzt werden. Dem Land NRW ist aufzuerlegen, dass das Bundesgesetz nicht durch zusätzliche administrative Auflagen beschwert wird. So wie bei den neuen Schulsozialarbeiterstellen geschehen ist, zu deren Aufgabenbeschreibung jetzt die „Vermittlung von Leistungen aus dem BuT „ gehört.“

„Man sollte dringend überlegen, ob ein Systemwechsel möglich ist, zumindest für die Leistungen Lernförderung, Mittagsverpflegung, Schülerbeförderung. Diese Leistungen sollten über die Schulen erfolgen, am besten pauschal. Der individuelle Rechtsanspruch im Rahmen der Sozialgesetze führt zu einem hohen, nicht zu rechtfertigenden

Bürokratieaufwand bei der Verwaltung, den Anbietern und den Schulen, Kindergärten und Vereinen. Zudem sollten die Leistungen für ein Schuljahr bewilligt und von den Bewilligungsabschnitten der Sozialleistungen entkoppelt werden.“ „Auf einen Eigenanteil am Mittagessen sollte verzichtet werden. Der sich aus dem Eigenanteil ergebende Verwaltungsaufwand ist hoch. Zudem haben die Träger große Schwierigkeiten, diesen Eigenanteil beizutreiben.“

Michaela Hofmann