Ausgeglichen leben ein Seilakt?

Ausgeglichen leben – ein Seilakt? Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler Extraordinaria für Stress- und Traumaforschung Zentrum für Affektive -, Str...
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Ausgeglichen leben – ein Seilakt?

Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler Extraordinaria für Stress- und Traumaforschung Zentrum für Affektive -, Stress- und Schlafstörungen (ZASS), UPK Präsidentin Schweiz. Gesellschaft für Angst & Depression (SGAD) Präsidentin Verein Stress Management Helsana-Gesundheitsforum 2017 Bern, 1. Juli 2017

Job-Stress-Index 2016

Stressempfinden im Jahr 2000 und 2010

Anzahl Erwerbstätige im Überblick (Hochrechnung)

(Erwerbstätige in %)

+ 7,8%

Stress-Studie 2000 (N=906)

Stress-Studie 2010 (N=1‘003)

Stress bei Schweizer Erwerbstätigen: SECO Stress-Studie 2010 Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

Stresskosten: CHF 5,7 Mia./Jahr Job-Stress-Index 2016: Gesundheitsförderung Schweiz

Stressdefinition

Ungleichgewicht zwischen inneren und äusseren Anforderungen und Belastungen und verfügbaren inneren und äusseren BewältigungsRessourcen auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene. Stress = grundlegender Adaptationsmechanismus: Dient der erfolgreichen Anpassung an die Umwelt! Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

Quelle: R.M. Steinmann, Psychische Gesundheit – Stress, 2005, 42

Stress: Definition und Ablauf der Stressreaktion Stress = grundlegender Adaptationsmechanismus: dient der Anpassung an die Umwelt Eustress:

Orientierung

Aktivierung Anpassung Erholung

Dysstress:

chronische Überforderung Erschöpfung

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J. Margraf 2006

Beanspruchung, Leistung und Stress: Auf das Mass kommt es an! Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden Stress

Stress

Gesunde Herausforderung

„bore out“

Unterforderung

Überforderung

„burnout“

Beanspruchung Stress = Fehlendes Gleichgewicht, resultiert aus: Unterforderung oder Überforderung Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

Stress: Die Krankheitswirkung von Stressoren hängt ab von ...



Intensität und Dauer

› Subjektive Bewertung › wichtig? › bewältigbar? › vorhersagbar? › kontrollierbar?

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J. Margraf 2006

Chronischer Stress: Typische psychische Folgeerkrankungen 

Burnout

 Depression

 Angststörungen  Schlafstörungen

 Missbrauch von Alkohol, Tabak und Beruhigungsmitteln Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

J. Margraf, 2006

Typische somatische Folgeerkrankungen

› Herz-Kreislauferkrankungen

› Kopfschmerz › Rückenschmerzen › Magen-Darmbeschwerden › Erhöhte Infektionsanfälligkeit › Hauterkrankungen › Bösartige Neubildungen

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Chronisch auftretende Belastungsfaktoren (Stressoren) Erwerbstätige in % (N = 709-1’005)

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Stress bei Schweizer Erwerbstätigen: SECO Stress-Studie 2010

Belastungsmerkmale kritischer Lebensereignisse

Zusammenstellung nach Filipp und Aymanns (2010)

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Clerc M, Artho S, Clerc I (2015). Lebensereignisse: Neue Ansätze für eine individualisierte und gesundheitsförderliche Personalarbeit. Gesundheitsförderung Schweiz, Arbeitspapier 30, Bern und Lausanne

Modell beruflicher Gratifikationskrisen (J. Siegrist, 1996)

Extrinsische Komponente - Anforderungen - Verpflichtungen

Verausgabung

Erwartung (‘übersteigerte Verausgabungsneigung‘)

- Lohn, Gehalt - Aufstiegsmöglichkeiten Arbeitsplatzsicherheit - Wertschätzung

Belohnung

Erwartung (‘übersteigerte Verausgabungsneigung‘)

Intrinsische Komponente

Psychobiologische Mechanismen

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Chronischer Stress – Burnout – Depression: Systemische Folgeerkrankungen

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Quelle: Prof. M. Keck 2011

Neurobiologie von chronischem Stress

Dopamin-Entleerung Anhaltend hohe Stresshormone können das Depressionsrisiko durch Senkung des Dopaminspiegels erhöhen. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im körpereigenen Belohnungssystem, der u.a. im präfrontalen Cortex aktiv ist.

Noradrenalin-Entleerung Da bei chronischem Stress die Stimulation durch den RapheKern sinkt, produziert der Locus Coeruleus weniger Noradrenalin, was zu einer Verringerung der Aufmerksamkeit führt. Cortex Locus Coeruleus Raphe-Kern Hippocampus

Serotonin-Entleerung Stress reduziert die Freisetzung von Serotonin (wichtiger Botenstoff für die Gefühlsregulation) im Raphe-Kern, der mit dem Locus Coeruleus und dem Cortex in Verbindung steht.

Schrumpfung des Hippocampus Stress bewirkt Zelltod im Hippocampus, der für Gedächtnisprozesse von Bedeutung ist (bei Depressiven ist der Hippocampus 10-20% kleiner). Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

Was tun?

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Was hält uns psychisch gesund, was macht uns krank?

Gesundheitsfördernde Faktoren Krankmachende Faktoren Psychische Gesundheit Psychische Störung

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Unterschiede zwischen Stress und Burnout

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J. Hättenschwiler et al.: Burnout. Primary Care 2012;12(18):353-358

Schutzfaktoren beim Individuum › gute Bewältigungsfähigkeiten (Priorisierung, Affektregulation, Abgrenzungsfähigkeit, realistische Einschätzung der Ressourcen) › allgemeine Widerstandsfähigkeit und innere Autonomie › ein stabiles Selbst (positives Selbstbild, Selbstwertgefühl, Kontrollüberzeugungen) › soziale Kompetenz und Problemlösefähigkeiten › Flexibilität › ausgewogene Ernährung, regelmässige Bewegung, ausreichende Entspannung › Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit der Lebenserfahrungen Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

Schutzfaktoren in der Umwelt › soziale Unterstützung und Integration › tragfähige zwischenmenschliche Beziehungen › Identifikationspersonen und positive Rollenmodelle › psychisch gesundes Umfeld › sozialer Frieden, Solidarität, Chancengleichheit › sinnstiftende Arbeits- und Tätigkeitsfelder › Handlungsspielräume in allen Lebensphasen und Lebensfeldern › stabile Gesellschaft mit gutem Bildungs- und Gesundheitssystem Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch |

Arbeitgeber: Burnout-Prophylaxe

› Workload:

Arbeitsmenge angemessen

› Control:

Gestaltungsmöglichkeiten und Spielraum

› Reward:

finanzielle und soziale Anerkennung

› Community:

Arbeitsklima und Kollegialität

› Fairness:

Gerechtigkeit, keine Intrigen

› Values:

moralisch ethische Werte

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nach Maslach et al. 2001

Wertschätzung und Arbeitszufriedenheit: Kumulative Effekte 1997 - 2002

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Behandlungsansätze bei Burnout

J. Hättenschwiler et al.: Burnout. Primary Care 2012;12(18):353-358

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J. Hättenschwiler … E. Holsboer-Trachsler … et al. Burnout. PrimaryCare 2012;12(18):353-358

Zentral für jeden Einzelnen: körperliche Aktivität Wichtig: 1. Spass 2. Regelmässig = Regel + mässig

0.00 h

24.00 h ½ Stunde täglich

Eine halbe Stunde arbeitet 24 Stunden für Sie!

Schneller und immer schneller

Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel | www.upkbs.ch | 27. Juni 2017

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Dexamethasone stimulated gene expression in peripheral blood indicates glucocorticoid-receptor hypersensitivity in job related exhaustion Top 15 overlapping genes showing the highest difference between job related exhaustion cases before and after 12 weeks of aerobic exercise training

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