Ilse Binting
ASTRID:
EIN PFUND ABENTEUER FÜR ONKEL THEOBALD
Was - das Gejaule soll schön sein?
- B 169 -
THORSTEN:
Kurzinformation
(verächtlich)
Thorsten, Astrid und Martin, die drei Kinder der
Von Platten verstehst du nichts - höchstens von 'ner
Langermanns, verschicken alljährlich kleine
Wurstplatte!
Weihnachtsgeschenke an die lieben Verwandten. In
ASTRID:
diesem Jahr haben sie sich etwas ganz Besonderes und
(lachend)
etwas ganz Neues einfallen lassen. Dabei kommt es zu
Hu - wie geistreich!
einer Überraschung, die Belustigung, Aufregung und
THORSTEN:
Betroffenheit zugleich auslöst. Außerdem wird auf
(unwillig)
heitere Art die Frage nach dem richtigen Schenken
Du fällst mir auf den Wecker. - Was willst du?
aufgeworfen.
ASTRID:
Spieltyp: Weihnachtlicher Einakter
Wir müssen Weihnachtspäckchen packen.
Spielanlaß: Nikolaus, Vorweihnacht und Weihnacht in
THORSTEN:
Schule, Jugendgruppe, Gemeinde, Verein und Betrieb
(stellt den Plattenspieler jetzt ganz ab)
Spielraum: Einfache Bühne (Wohnzimmer)
Wer sagt das?
Darsteller: 3 männliche, 1 weiblicher
ASTRID:
Spieldauer: Etwa 30 Minuten
(kurz)
Aufführungsrecht: Bezug von 5 Textbüchern
Mutter.
ES SPIELEN MIT
THORSTEN:
Thorsten
(springt auf)
Astrid
Heute? - Päckchen packen? - Ich glaub, bei mir knackt's!
Martin
- Da hau ich sofort ab.
Der Vater
(Er zieht seine Jacke an und will gehen)
DAS SPIEL
ASTRID:
1
(empört)
(Ein Zimmer mit einem Tisch und drei Stühlen, eine
Das ist gemein! Du kannst Martin und mich doch nicht
Liege, daneben ein Plattenspieler. Auf einem Tischchen
im Stich lassen.
ein Telefon. Thorsten legt eine Platte auf, wirft sich auf
(mit lauter Stimme)
seine Liege und hört Musik)
Martin! - Martin! -
ASTRID:
2
(stürmt ins Zimmer)
MARTIN:
Thorsten!
(erscheint mit sechs leeren kleinen Kartons)
(Thorsten reagiert nicht)
Ja? - ich komme ja schon. Hier sind die Kartons für die
Thorsten!
Geschenke.
(Thorsten schaut unwillig auf)
(Er legt die Kartons auf den Tisch und hockt sich auf
THORSTEN:
Thorstens Liege)
(stellt den Plattenspieler leiser)
ASTRID:
Was willst du denn schon wieder?
(aufgeregt)
ASTRID:
Du, Martin, Thorsten will sich verdrücken.
(schreit)
MARTIN:
Stell doch den Kasten ab! - Ist das ein Krach hier!
(grinsend zu Thorsten)
THORSTEN:
Du auch? -
(empört)
ASTRID:
Krach? - Das ist meine Lieblingsplatte.
(wütend) 1
Das ist mal wieder typisch für meine Brüder. - Und wer
(schaltet für ein paar Takte den Plattenspieler an)
soll die Päckchen packen?
Hier! Das ist Stimmung. Aber nicht, wenn dein
MARTIN:
Christkindchen durchs Zimmer flattert!
(ironisch)
MARTIN:
Wer wohl? - Du natürlich!
(zustimmend)
ASTRID:
Genau!
Und warum ich?
ASTRID:
THORSTEN:
(wendet sich traurig zum Gehen)
Ganz einfach! - Weil du ein Mädchen bist.
Schon gut!
ASTRID:
THORSTEN:
Wirklich! Ganz einfach! Das muß ich sagen.
(einlenkend)
THORSTEN:
Nun heul doch nicht gleich! Es hat dich doch keiner
(aggressiv)
beleidigt.
Laß mich in Frieden mit deinen albernen
MARTIN:
Weihnachtspäckchen! Der ganze Weihnachtsrummel
(ebenfalls versöhnlicher)
stinkt mir.
Wir denken eben sachlicher als du.
ASTRID:
THORSTEN:
(enttäuscht)
(zieht sich die Jacke wieder aus)
Früher habt ihr immer geholfen. Ihr habt sogar ganz
Es hat ja auch keiner gesagt, daß wir gar nichts
tolle Geschenke gebastelt. - Vergessen, was?
schenken wollen. Aber irgendwie muß die Sache anders
THORSTEN:
laufen.
(abweisend)
MARTIN:
Früher! - Das war was anderes. Jetzt haben wir eben
(sich dem großen Bruder anschließend)
andere Interessen.
Klar! - Anders! - Viel sachlicher!
ASTRID:
ASTRID:
Ihr wollt euch bloß drücken. Das ist alles.
(wendet sich wieder den Brüdern zu)
MARTIN:
Na gut - und wie macht man das?
(großspurig, den großen Bruder unterstützend)
THORSTEN UND MARTIN:
Dein Getue fällt mir auch auf den Wecker.
(überlegen krampfhaft)
(ironisch)
Mh - h - eh - wart mal!
Päckchen für Tante Minchen, Päckchen für Tante
THORSTEN:
Trinchen, Päckchen für Onkel Theobald -
(großspurig)
THORSTEN:
Sollen wir die Kleine mal aufklären? Los, Martin, komm
(fährt fort)
mal mit raus!
Briefchen! - Herzchen! - Küßchen! -
(Sie verschwinden)
MARTIN:
ASTRID:
(steigert sich)
(wirft sich auf Thorstens Liege, nach einem Augenblick)
Hier ein Schleifchen - da ein Schleifchen! - Hör bloß auf
Kommt ihr endlich? Ich bin gespannt.
mit dem ganzen Klimbim!
3
ASTRID:
(Thorsten und Martin kommen mit einem großen Stoß
Ihr seid widerlich.
Bücher ins Zimmer)
(traurig)
THORSTEN:
Ihr macht die ganze Weihnachtsstimmung kaputt.
(triumphierend)
THORSTEN:
So!
Was heißt hier Stimmung? In Stimmung komm ich bei
(Er stellt die Bücher auf den Tisch)
'ner Party.
Alles Geschenke für unsere Onkel und Tanten. Endlich 2
zufrieden?
Für wen hast du denn die Bücher gekauft, großer
MARTIN:
Meister?
(gönnerhaft)
THORSTEN:
Du kannst von Glück sagen, daß du große Brüder hast.
(zögernd)
ASTRID:
Ursprünglich für mich natürlich.
(steht auf und setzt sich auf einen Stuhl)
(dann sofort wieder angeberisch)
Na, ich weiß nicht -
Aber ich bin ja schließlich kein Geizkragen. Ich schenke
MARTIN:
Bildung, und das ist doch immerhin was.
(belehrend)
MARTIN:
Paß auf, heute zeigen wir dir mal moderne
Du mußt doch zugeben: Das ist echt mal was Neues.
Arbeitsmethoden. Du brauchst nichts dabei zu machen.
ASTRID:
THORSTEN:
Großartige Idee!
(stellt sich hinter den Tisch mit den Büchern)
THORSTEN:
Bloß zuzugucken!
Allein vom Preis her! Wieviele Geschenke brauchen wir?
ASTRID:
ASTRID:
(lachend)
Sechs.
Na, dann los! Ich bin neugierig auf eure großartigen
MARTIN:
Einfälle.
(zählt die Bücher)
THORSTEN:
Eins - zwei - drei - vier - fünf - sechs - sieben - acht -
Also, in diesem Jahr gibt es Geschenke ohne allen
neun - zehn. Sechs Bücher brauchen wir bloß.
Firlefanz.
(Er wirft großspurig vier Bücher zur Seite)
MARTIN:
THORSTEN:
(stellt sich neben seinen Bruder hinter den Tisch)
Macht nach Adam Riese für sechs Onkel und Tanten
Ohne Schleifchen - Briefchen - Herzchen - Küßchen!
genau sechs ganze Mark.
THORSTEN:
MARTIN:
(wichtigtuend)
(stolz)
Wir schenken Bücher - schlicht und einfach Bücher.
Also pro Onkel und Tante eine Mark. Der große Vorteil:
Aber, das ist das Besondere daran: Gekauft im
Keiner kann sich benachteiligt fühlen.
Supermarkt! Einmaliges Angebot! Zehn Bücher auf einen
ASTRID:
Schlag!
(ironisch)
(marktschreierisch)
Wirklich toll!
Wilde Abenteuer - Kalte Verbrechen - Heiße Liebe
THORSTEN:
(Er schlägt mit der Hand auf den Bücherstoß)
(marktschreierisch)
Alles für ganze zehn Mark!
Ein Roman - eine Mark. - Das ist höchste Qualität zum
ASTRID:
niedrigsten Preis. Begreifst du das, Kleine?
(belustigt)
ASTRID:
Ich weiß einen Beruf für dich.
An eurer Stelle hätte ich die Bücher noch gemessen und
THORSTEN:
gewogen.
(wirft sich in die Brust)
MARTIN:
Manager - was?
(greift nach einem Zentimetermaß)
ASTRID:
Können wir machen!
Nee, Billiger Jakob auf dem Jahrmarkt!
(Er stellt die Bücher nebeneinander und mißt die Reihe)
THORSTEN:
Hier! Toll! Vierzig Zentimeter Bücher zu sechs Mark.
Blöde Gans!
THORSTEN:
ASTRID:
(holt eine Waage und wiegt die Bücher)
(überhört das Wort)
Sechs Pfund Bücher zu sechs Mark! Ich sehe jetzt erst 3
richtig, wie einmalig dieses Angebot ist. Begreifst du das
ASTRID:
jetzt endlich, Kleine?
(abwehrend)
ASTRID:
Nee! Laßt mich da raus! Schreibt lieber: Gebrüder
(tut überzeugt)
Langermann!
Klar! Die Idee ist glänzend. - Jeder kriegt iu Weihnachten
THORSTEN:
ein Pfund Buch.
Auch gut!
THORSTEN:
MARTIN:
Jawohl! Ein Pfund heiße Liebe für Tante Lisa!
Aber erst große Worte machen! Uns zur Arbeit
Oder
antreiben! - Typisch Weiber!
(Er greift nach einem Buch)
THORSTEN:
hier! Ein Pfund Abenteuer für Onkel Theobald.
Laß sie in Ruhe! Die hat schlechte Laune.
ASTRID:
MARTIN:
Unser Lieblingsonkel wird begeistert sein.
Klar! Die will nur nicht zugeben, daß unsere Idee klasse
(Sie steht auf, nimmt ein Buch nach dem anderen in die
ist.
Hand und liest laut)
THORSTEN:
"Heißes Herz und kalte Füße" - "Abenteuer in der U-Bahn"
(voll überzeugt)
"Wilde Pferde - Zahme Frauen" -
Die beste Idee des Jahrhunderts! Jeder kriegt das gleiche
(Sie lacht)
Geschenk. Das ist einfach, billig und unkompliziert.
Tolle Titel! Aber wer kriegt nun welches Buch?
MARTIN:
THORSTEN:
Genau! Das ist rationelle Organisation.
(verächtlich)
(zu Astrid)
Du hast vielleicht Sorgen! Wir sind nicht so pedantisch!
Dein Päckchentheater ist reine Gefühlsduselei. Los! Weg
MARTIN:
mit dem Zeug!
Bloß keine Qual in der Wahl!
(Er packt die Päckchen in eine Tasche)
THORSTEN:
Ich bring sie schnell zur Post. Tschüß!
Roman ist Roman. Und damit basta! Einfach rein mit den
(Martin verschwindet)
Büchern in die Kartons!
4
(Sie werfen in jeden Karton einfach ein Buch)
THORSTEN:
MARTIN:
(wirft sich aufatmend auf die Liege)
An wen gehen die Päckchen?
So! - Feierabend! - Und jetzt Musik!
THORSTEN:
(Er stellt den Plattenspieler an, Astrid sitzt auf dem Tisch
Los, schnell die Adressen drauf!
und blättert in den übriggebliebenen Büchern. Es schellt.
(Martin kritzelt mit einem Bleistift etwas auf die
Astrid springt auf und geht zur Tür. Man hört die
Päckchen, während Thorsten diktiert)
Stimme des Briefträgers)
Also, Tante Julchen.
STIMME DES BRIEFTRÄGERS:
(Er reicht ihm einen Zettel)
Guten Morgen! - Das ist alles heute!
Hier schreib die Adresse ab! - Onkel Kurt - Tante Dorchen
ASTRID:
- Tante Lisa - Onkel Theobald - Tante Klara. - Hast du die
Danke! -
Adressen alle abgeschrieben?
(Sie kommt mit einigen Briefen ins Zimmer)
MARTIN:
Thorsten! Post!
(legt den Bleistift hin)
(Thorsten springt auf, stellt den Plattenspieler ab und
Fertig!
schaut Astrid beim Durchsehen der Post über die
ASTRID:
Schulter)
Den Absender habt ihr vergessen.
THORSTEN:
THORSTEN:
(neugierig)
Stimmt! Schreib: Absender: Geschwister Langermann!
Was für mich? 4
ASTRID:
(Sie wirft sich laut lachend auf die Liege)
(schelmisch, während sie eine Karte hinter ihrem Rücken
THORSTEN:
versteckt)
(schüttelt den Kopf)
Wartest du auf einen Liebesbrief?
Warum lachst du so dämlich?
THORSTEN:
ASTRID:
(unwillig)
(hört gar nicht mehr auf zu lachen)
Das geht dich einen Dreck an. Gib her!
Ich werde verrückt!
ASTRID:
THORSTEN:
(lachend)
Das habe ich längst gemerkt.
Also doch!
ASTRID:
(Sie gibt ihm die Karte. Thorsten sieht sich die Karte an
(schnappt nach Luft, kann kaum sprechen vor Lachen)
und sinkt erschrocken auf einen Stuhl)
Zum Brüllen finde ich das.
ASTRID:
(kichert in sich hinein)
Will sie nichts mehr von dir wissen?
5
THORSTEN:
(In diesem Augenblick kommt Martin wieder ins Zimmer,
Quatsch nicht so blöde! Ganz was anderes!
sieht Astrid lachen)
ASTRID:
MARTIN:
(bohrt weiter)
(zu Thorsten)
Aber was Schlimmes! Ich seh's doch.
Was ist denn mit der los?
THORSTEN:
THORSTEN:
Blödsinn! Eine Mahnung von der Stadtbücherei. Ich soll
(verunsichert)
ein Buch nicht abgegeben haben. Dabei hab ich doch
Weiß nicht. Ich glaub, die ist ein bißchen hysterisch.
alle Bücher hingebracht.
ASTRID:
ASTRID:
(springt auf und unterbricht mühsam ihren Lachkoller)
Bis auf eins wahrscheinlich. Das hast du eben
Das Buch "Abenteuer in der U-Bahn", das habt ihr
verschlampt.
eingepackt und weggeschickt.
THORSTEN:
MARTIN:
(mißmutig)
(verständnislos)
Mahngebühren soll ich zahlen. So'n Mist! - Aber wo ist
Na - und?
das Buch?
THORSTEN:
ASTRID:
(furchtbar erschrocken)
(spöttisch)
Sag bloß, das ist wahr!?
Ja, Brüderchen, da such mal! Woher soll ich das wissen?
ASTRID:
THORSTEN:
(triumphierend)
(vorwurfsvoll)
Ich hab den Titel doch gelesen: "Abenteuer in der U-
Du hast es wahrscheinlich weggenommen.
Bahn." Das ist das Buch aus der Stadtbücherei.
ASTRID:
(zu Martin)
(wütend)
Thorsten hat eben mit der Post die Mahnung gekriegt.
Immer ich! Du suchst mal wieder einen Sündenbock.
THORSTEN UND MARTIN:
Wie hieß denn das Buch?
(sacken auf ihren Stühlen zusammen, sind zunächst
THORSTEN:
einen Augenblick sprachlos, dann stotternd)
(nimmt die Karte noch einmal in die Hand und liest laut)
Das - das - ist - ist -
"Abenteuer in der U-Bahn."
ASTRID:
ASTRID:
(voller Schadenfreude)
(springt auf)
Das ist doch ein tolles Geschenk. Ein wunderbares Buch!
Was? "Abenteuer in der U-Bahn"? Bestimmt?
Überall große Stempel: Stadtbücherei - Stadtbücherei! 5