Armut und Reichtum: der kapitalistische Denkfehler

Armut und Reichtum: der kapitalistische Denkfehler Die Oxfam-Studie, welche plastisch darstellt, dass die 85 reichsten Menschen der Erde gleich viel V...
Author: Heiko Schmid
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Armut und Reichtum: der kapitalistische Denkfehler Die Oxfam-Studie, welche plastisch darstellt, dass die 85 reichsten Menschen der Erde gleich viel Vermögen besitzen wie die ärmsten 50 Prozent der gesamten Menschheit, ruft nicht nur Kapitalismuskritiker auf den Plan. Liberalkapitalisten fragen sich, warum die „Schaffung von Arbeitsplätzen“ durch die Multimilliardäre kriminell sein kann. Dabei reicht ein wenig mathematisches Grundverständnis aus, um die Auswirkungen der Vermögenskonzentration darzustellen. Für die politische Linke ist die Lösung einfach: ohne Reichtum keine Armut. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Ebensowenig kann man vereinfacht sagen, dass die Superreichen dieser Erde ja Jobs sichern und schaffen. Es wird immer arme und reiche Menschen geben, wenn man keine graue Einheitsmasse ohne Leistungsanreiz haben möchte. Einen kleinen Überblick – inklusive diverser Grafiken – in Sachen globaler Vermögensverteilung finden Sie in diesem Artikel. Als Verfechter einer sozialen Marktwirtschaft halte ich weder etwas von der kommunistischen Gleichmacherei noch etwas von einem kapitalistischen Nachtwächterstaat. Bei all den Debatten um die Quantität vergessen beide Seiten nämlich immer wieder die Qualität. Reichtum ist nämlich nicht gleich Reichtum, und Armut nicht gleich Armut. Doch zurück zum eigentlichen Thema: Dem Denkfehler der Kapitalisten, dass Reichtum grundsätzlich positiv sei, da die Reichen ja ihr Vermögen in der Regel investieren und somit Arbeitsplätze schaffen. Aus der Ferne betrachtet mag dies ja stimmen, doch Investitionen verlangen Rendite. Je mehr Vermögen (Investitionskapital) sich in den Händen weniger Menschen konzentriert, umso größer wird der Anteil an der produktiven Leistung. Denn: Während sich das Kapital durch den

Zinseszinseffekt exponentiell vermehrt, sind der Realwirtschaft natürliche Grenzen gesetzt. Zur Veranschaulichung des Ganzen habe ich eine Grafik zur globalen Vermögensverteilung nach Vermögensgruppen aus meinem oben verlinkten Artikel eingefügt:

Wie Sie sehen, besitzen 0,7 Prozent der Erwachsenen dieses Planeten mindestens eine Million US-Dollar an Vermögen und somit insgesamt 89,7 Billionen US-Dollar (oder 41 Prozent des Gesamtvermögens). Das gesamte Vermögen beträgt 231,8 Billionen US-Dollar. Nun beläuft sich die gesamte Weltwirtschaftsleistung 2013 auf etwa 75 Billionen US-Dollar. Davon werden Löhne und Steuern bezahlt, Investitionen getätigt und die Rendite an die Kapitalinhaber ausgeschüttet. Vergleicht man die Entwicklung von Vermögen und Wirtschaftsleistung auf globaler Ebene, wird deutlich, dass es nicht mehr sehr lange so weitergehen kann. Ein anschauliches Beispiel liefern die Zahlen von 1980 und 2010. So erhöhte sich die nominale Weltwirtschaftsleistung in diesem Zeitraum von 10,1 auf 63,3 Billionen US-Dollar. Das globale Finanzvermögen

hingegen wuchs von 12 auf 214 Billionen US-Dollar an. Während sich also die Weltwirtschaftsleistung in Geldwerten gerade einmal versechsfachte, verachtzehnfachte sich das globale Finanzvermögen. Können Sie sich vorstellen, wie die Situation ceteris paribus im Jahr 2070 aussehen würde? Bevor Sie den Taschenrechner bemühen: Einer Weltwirtschaftsleistung von knapp 2.490 Billionen US-Dollar stünden Finanzwerte im Wert von über 68.000 Billionen US-Dollar gegenüber. Plastisch dargestellt sehen Sie das in der nachfolgenden Grafik.

Können Sie sich jetzt vielleicht vorstellen, warum diese Vermögenskonzentration auf Dauer nicht funktionieren wird? Wer soll bei dem ganzen Vermögen noch die Renditen und Zinsen erwirtschaften? Vor allem muss man sich die Frage stellen, wie es sein kann, dass jedem Dollar der real erwirtschaftet wurde, ganze 3 Dollar an Gewinn gegenüberstehen. Dieser ganze Unsinn an den Finanzmärkten führt doch geradewegs ins Desaster! Wenn ein produktives mittelständische Unternehmen seinen Umsatz binnen eines Jahres von 10 auf 11 Millionen Euro (+10 Prozent) erhöht, der Nettogewinn jedoch von 1 auf 1,3 Millionen (+30 Prozent) wächst, liegt das meist an der gestiegenen Produktivität. Doch irgendwann stößt jedes realwirtschaftlich agierende Unternehmen an seine Grenzen, so dass die Gewinne nicht mehr stärker wachsen können als die Umsätze. Der global agierenden Finanzindustrie ist dies egal:

Sie schaffen aus (fiktivem) Kapital noch mehr davon, welches jedoch seinen Tribut in Form von Gewinnen, Zinsen und Dividenden von der Realwirtschaft verlangt. Kaufe ich eine Aktie um 100 Euro, erwarte ich wahrscheinlich eine Dividende von 3 Euro dafür, damit mir nach Abzug von Inflation und Steuern noch etwas übrig bleibt. Steigt jetzt der Kurs meiner Aktie dank Börsenboom auf 200 Euro an, sollten (wieder 3 Prozent) schon 6 Euro rausspringen. Bedenkt man, dass alleine die 30 Dax-Unternehmen einen gesamten Börsenwert von aktuell etwa 1.000 Milliarden Euro haben und allein im Jahr 2013 28,5 Milliarden Euro an Dividenden ausschütteten, kommt man den 3 Prozent doch recht nahe, oder? Das heißt aber auch, dass mit steigendem Börsenwert die Dividendenzahlungen ständig mit ansteigen müssen – selbst wenn der steigende Marktwert in Hausse-Phasen nur selten einigermaßen mit gleich stark wachsenden Umsätzen und Gewinnen einhergeht. Irgendwann wird der letzte Aktienfanatiker nämlich einsehen müssen, dass die Börsen nicht ewig stärker in die Höhe schießen können als die Realwirtschaft selbst. Hier komme ich wieder zu den Superreichen dieser Welt zurück: Sie verdanken ihren Reichtum vor allem den explodierenden Aktienkursen, dem Zinseszins und der Umverteilung von unten nach oben – sowohl global als auch national. Sicher, sie schaffen Arbeitsplätze, da haben die Verfechter des Liberalkapitalismus recht. Nur: Apple produziert beispielsweise die teuren iPhones in China, Nike die teuren Turnschuhe in Südostasien – also in Billiglohnländern mit miserabelsten Standards für die Arbeiter. Eine Näherin dort schneidert täglich mindestens 250 T-Shirts zusammen und erhält dafür etwa 1,20 Euro pro Tag. Das sind 0,005 Euro pro T-Shirt. Egal ob es für H&M oder Prada produziert wird. Nach Abzug von

Produktions- und Transportkosten bleiben selbst bei den Billigvarianten immerhin noch etwa 0,50 Euro Gewinn pro TShirt für die Textilkonzerne übrig. So sieht die Welt aus, welche die „Verteidiger der freien Marktwirtschaft“ in höchsten Tönen loben. Diskussionen darüber, ob „mehr Staat“ oder „mehr privat“ die bessere Lösung für eine effektive soziale Verteilung der vorhandenen Ressourcen darstellen, sind eine reine Ablenkung von den wirklichen Problemen. Ohne ein vernünftiges Regelwerk für die Finanzmärkte, funktionierende Kontrollmechanismen und die Abkehr vom Schuldgeldsystem samt Zinseszins, bleiben die Ursachen der Probleme weiterhin bestehen. Wer nämlich „besser“ verteilen kann, wird immer eine Frage der Ideologie bleiben. Mit dem passenden geld-, wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmen hingegen wird der Umfang von steuerlichen Eingriffen drastisch reduziert, weil das System dann selbst dafür sorgt. Ihr Marco Maier