Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Internationale Arbeitskonferenz 88. Tagung 2000 Bericht VI (1) Arbeitsschutz in der Landwirtschaft Sechster Punkt der Tagesordnung Internationales...
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Internationale Arbeitskonferenz 88. Tagung 2000

Bericht VI (1)

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Sechster Punkt der Tagesordnung

Internationales Arbeitsamt Genf

ISBN92-2-711517-X ISSN 0251-4095

Erste Auflage 1999

Die in Veröffentlichungen des IAA verwendeten, der Praxis der Vereinten Nationen entsprechenden Bezeichnungen sowie die Anordnung und Darstellung des Inhalts sind keinesfalls als eine Meinungsäußerung des Internationalen Arbeitsamtes hinsichtlich der Rechtsstellung irgendeines Landes, Gebietes oder Territoriums oder dessen Behörden oder hinsichtlich der Grenzen eines solchen Landes oder Gebietes aufzufassen. Die Nennung von Firmen und gewerblichen Erzeugnissen und Verfahren bedeutet nicht, daß das Internationale Arbeitsamt sie billigt, und das Fehlen eines Hinweises auf eine bestimmte Firma oder ein bestimmtes Erzeugnis oder Verfahren ist nicht als Mißbilligung aufzufassen. Veröffentlichungen des IAA können bei größeren Buchhandlungen, den Zweigämtern des IAA in zahlreichen Ländern oder direkt beim Internationalen Arbeitsamt, ILO Publications, CH-1211 Genf 22, Schweiz, bestellt werden. Diese Stelle versendet auch kostenlos Kataloge oder Verzeichnisse neuer Veröffentlichungen.

Gedruckt in der Schweiz

ATA

INHALTSVERZEICHNIS Seite EINLEITUNG KAPITEL I: Allgemeiner Überblick

Globalisierungstendenzen und technologischer Fortschritt Zusammensetzung der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft KAPITEL II: Gesetzliche Bestimmungen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft •••• Definitionen der Landwirtschaft in innerstaatlichen Gesetzen Definitionen der Landwirtschaft in einschlägigen Urkunden und technischen Dokumenten der IAO Erfassung des landwirtschaftlichen Sektors in der innerstaatlichen Gesetzgebung . . . . Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft ausschließen Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die bestimmte Kategorien landwirtschaftlicher Arbeitskräfte ausschließen Kinderarbeit und Gesetzgebung Weibliche Arbeitskräfte in der Landwirtschaft Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft nicht ausschließen . . Regionale Normen Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft in umfassender Weise behandeln Subsidiäre Arbeitsschutznormen für die Landwirtschaft Erlasse und Vorschriften über landwirtschaftliche Maschinen Erlasse und Vorschriften über gefährliche Stoffe Unterbringung und sonstige Einrichtungen Bestimmungen über Schulung und Informierung in Fragen der Sicherheit und Gesundheit Sonstige für die Landwirtschaft geltende Gesetze Durch den Geltungsbereich der Gesetze gegebene Begrenzungen KAPITEL III: Verwaltung und Durchsetzung der innerstaatlichen Gesetzgebung Zuständige Stellen und interinstitutionelle Koordination Beschränkungen, die sich aus einer mangelnden Rechtsdurchsetzung ergeben Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten Untererfassung Entschädigungssysteme für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in der Landwirtschaft Die Mitwirkung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern am Arbeitsschutz über Gesamtarbeitsverträge 10-17G.98

1 3

6 9 17 17 19 20 21 21 23 24 25 27 28 29 30 32 33 33 34 35 42 42 46 48 49 51 52

iv

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Seite

KAPITEL IV: Der landwirtschaftliche Arbeitsschutz in der Praxis Arbeitspraxis und Arbeitsbedingungen Ergonomie und Technologietransfer Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft Unfälle mit Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen Unfälle in Silos und anderen Lagerstätten Berufs- und arbeitsbedingte Erkrankungen Die Verwendung chemischer Stoffe in der Landwirtschaft Zoonosen Sonstige Infektionen und Parasitenerkrankungen Dermatologische Erkrankungen Atemwegserkrankungen Klimatische Bedingungen Berufsbedingter Krebs Das Heben und Tragen von Lasten und Muskel-Skelett-Erkrankungen Lärm und Vibrationen Die Beziehung zwischen allgemeinen Erkrankungen und arbeitsbedingten Erkrankungen Gesundheitsversorgung im ländlichen Sektor Ausbildung und Information in Fragen des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft Auswirkungen landwirtschaftlicher Produktionsprozesse auf die Umwelt

59 59 61 63 65 66 67 68 74 75 76 77 78 79 79 80

...

81 83 86 88

KAPITEL V': Maßnahmen der IAO zum Arbeitsschutz in der Landwirtschaft Urkunden, Leitfäden und Richtliniensammlungen der IAO Tagungen Technische Zusammenarbeit Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen Auf dem Weg zur Annahme neuer Normen

93 93 93 94 96 96

Fragebogen

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ANHANG I: Seit 1919 angenommene Übereinkommen und Empfehlungen der IAO, die für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft von unmittelbarer Bedeutung sind

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ANHANG II: Weitere seit 1919 angenommene Übereinkommen und Empfehlungen der IAO, die für die Landwirtschaft von Bedeutung sind

114

EINLEITUNG Nachdem der Verwaltungsrat auf seiner 271. Tagung1 (März 1998) den Beschluß gefaßt hatte, die Frage des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft auf die Tagesordnung der 88. Tagung (2000) der Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen, hat das Amt diesen Bericht über Gesetzgebung und Praxis ausgearbeitet. Der Bericht untersucht die derzeitige Gesetzgebung und Praxis im Bereich des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft in den Mitgliedstaaten der IAO. Der Ausdruck „Gesetzgebung" wird hier im weiteren Sinne des Wortes verwendet und umfaßt Gesetze, Vorschriften, Richtliniensammlungen und ähnliche Rechtsinstrumente. Es werden sowohl allgemeine Arbeitsgesetze als auch spezifische Gesetze über Sicherheit und Gesundheit untersucht. Ferner wird der Versuch gemacht, anhand der zur Verfügung stehenden Informationen soweit wie möglich die Anwendung der Gesetze zu analysieren. Grundlage dieses Berichts sind Informationen, die von den Mitgliedstaaten als Antwort auf eine Erhebung geliefert wurden, sowie die Rechtsdatenbank der IAO (ILOLEX), die Arbeitsschutzdatenbank der IAO (CISDOC) und andere im Internationalen Arbeitsamt in Genf zur Verfügung stehende Quellen. Angesichts der begrenzten Zeit, die für die Erarbeitung dieses Berichts zur Verfügung stand, und der Tatsache, daß die Antworten der Mitgliedstaaten auf die Erhebung zum Teil spät eingingen, wurde der Bericht vor Erhalt aller Antworten abgeschlossen. Ziel dieses Berichts ist es nicht, die einschlägige Gesetzgebung in jedem einzelnen IAO-Mitgliedstaat zu untersuchen, sondern vielmehr Beispiele nationaler Gesetze aus der ganzen Welt anzuführen, um dem Leser eine reprä-sentative Auswahl einschlägiger Aspekte der derzeitigen Gesetzgebung und Praxis über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft zu bieten. Das Amt würde alle wei-teren Informationen von Mitgliedstaaten begrüßen, die ihm dabei helfen würden, einen umfassenderen Überblick über die innerstaatlichen Gesetzgebungen zu erstellen. Ein auf der obengenannten Auswertung beruhender Fragebogen wird dem Bericht als Anlage beigefügt. Die Mitgliedstaaten werden ersucht, anhand dieses Fragebogens dem Amt nach Befragung der maßgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ihre Auffassungen zum Geltungsbereich und Inhalt der vorgeschlagenen Urkunde zu übermitteln. Angesichts der Breite des Landwirtschaftssektors wäre es ratsam, im Hinblick auf die Abfassung der Antworten weitere in Frage kommende Ministerien und Einrichtungen, die sich mit der Landwirtschaft befassen, beispielsweise die Ministerien für Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt, zu konsultieren.

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KAPITEL I ALLGEMEINER ÜBERBLICK Die Hälfte aller Arbeitskräfte in der Welt wird in der Landwirtschaft beschäftigt. Etwa 1,3 Milliarden Arbeitnehmer sind weltweit in der Agrarproduktion tätig. Der Anteil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte an der Erwerbsbevölkerung insgesamt liegt in den Industrieländern unter 10 Prozent und in den weniger entwickelten Regionen bei 50 Prozent1. Die Landwirtschaft ist sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern einer der gefährlichsten Wirtschaftssektoren. Mit dem Bergbau und dem Baugewerbe zählt die Landwirtschaft zu den drei gefahrlichsten Industriezweigen. IAA-Schätzungen für 1997 zufolge gab es bei einer Gesamtzahl von 330.000 Arbeitsunfällen mit tödlichem Ausgang in der ganzen Welt etwa 170.000 Todesfälle unter den landwirtschaftlichen Arbeitskräften2. Der zunehmende Einsatz von Maschinen und Pestiziden und sonstigen Agrochemikalien hat die Risiken verschärft. In einigen Ländern ist die Quote der tödlichen Unfälle in der Landwirtschaft doppelt so hoch wie die Durchschnittsquote aller anderen Industriezweige. Der Einsatz von Maschinen wie Traktoren und Erntemaschinen hat die höchsten Unfallhäufigkeitsraten und Todesfallziffern zur Folge. Die Exposition gegenüber Pestiziden und sonstigen Agrochemikalien stellt eine ernste berufsbedingte Gefahr dar, die zu Vergiftungen und zum Tod und in einigen Fällen zu Berufskrebs und Beeinträchtigungen der Fortpflanzungsfähigkeit führen kann. Aufgrund unzureichender und unterschiedlicher Aufzeichnungs- und Meldesysteme sind offizielle Daten über die Häufigkeit von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ungenau und werden bekanntermaßen in allen Wirtschaftssektoren nicht ausreichend erfaßt. Im Fall des Landwirtschaftssektors ist diese Untererfassung noch augenscheinlicher. Zum Teil kann die Untererfassung dadurch erklärt werden, daß die Diagnose von Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen sowie die Ermittlung des Beschäftigungsstatus landwirtschaftlicher Arbeitskräfte (selbständige Erwerbstätigkeit, Akkordarbeit, Vollzeit- oder Teilzeitarbeit, Saison-, Gelegenheits- und Wanderarbeitnehmer, usw.) schwerfällt. Im Vergleich zu Arbeitnehmern in anderen Sektoren sind landwirtschaftliche Arbeitskräfte nicht ausreichend geschützt. Die Unfallziffern und die Zahl der Unfälle mit tödlichem Ausgang sind bei landwirtschaftlichen Arbeitskräften deutlich höher als bei anderen Arbeitnehmern, und für Entschädigungszahlungen stehen nur sehr wenig Mittel zur Verfügung. In vielen Ländern sind landwirtschaftliche Arbeitskräfte von Leistungs- oder Versicherungssystemen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten ausgeschlossen. Selbständig erwerbstätige Land10-17G.98

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Abbildung 1.1. Verteilung der landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Arbeitskräfte

I

I Landwirtschaftliche EB* H l Nichtlandwirtschaftliche EB

* Erwerbsbevölkerung

Quelle: IAA, Genf, 1998.

wirte werden selten von einem Aufzeichnungs- und Meldesystem erfaßt und haben nur dann Zugang zu Leistungen der Sozialen Sicherheit, wenn sie jeder für sich Beiträge zu freiwilligen Versicherungssystemen leisten. Die anfälligsten Gruppen sind Arbeitskräfte, die Subsistenzlandwirtschaft für die Familie betreiben, Tagelöhner auf Plantagen, Saison- oder Wanderarbeitskräfte, weibliche Arbeitskräfte und Kinderarbeiter. Aushilfskräfte sind besonders verwundbar. Sie sind stärker berufsbedingten Gefahren ausgesetzt als andere landwirtschaftliche Arbeitskräfte und werden schlechter bezahlt. Es kommt auch vor, daß Wander-

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Allgemeiner Überblick

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arbeitnehmer bei der Arbeit und in ihrem täglichen Leben auf Sprach- und kulturell bedingte Schwierigkeiten stoßen. Sich mit der Landwirtschaft zu befassen, fällt u.a. deswegen schwer, weil es sich hier um einen sehr komplexen und heterogenen Sektor handelt. Dieser Sektor umfaßt eine Reihe von spezifischen Verhältnissen mit Unterschieden von Land zu Land und zwischen Industrie- und Entwicklungsländern — von der stark mechanisierten Landwirtschaft auf Plantagen bis zu traditionellen Methoden in der kleinen Subsistenzlandwirtschaft. Der Ausdruck „Landwirtschaft" bezeichnet nicht nur den Ackerbau, sondern auch viele damit zusammenhängende Tätigkeiten wie Erntegutverarbeitung und -Verpackung, künstliche Bewässerung, Schädlingsbekämpfung, Getreidelagerung, Viehhaltung, Bau- und Haushaltsarbeiten (Tragen von Wasser oder Brennholz usw.). Landwirtschaftliche Arbeit — und dies ist eines ihrer charakteristischen Merkmale — wird in einem ländlichen Umfeld verrichtet, wo es keine deutliche Unterscheidung zwischen Arbeits- und Lebensbedingungen gibt. Da eine landwirtschaftliche Arbeit auf dem Land verrichtet wird, sind sowohl durch das ländliche Umfeld als auch durch die jeweiligen spezifischen Arbeitsverfahren gegebene Gesundheitsgefahren vorhanden. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Arbeiten wird im Freien verrichtet; folglich hängt die Tätigkeit landwirtschaftlicher Arbeitskräfte stark vom Wetter ab. Dieser Faktor beeinträchtigt nicht nur die Effizienz der Arbeiten, sondern hat auch eine Erschwerung und größere Gefährlichkeit der Arbeitsbedingungen zur Folge (beispielsweise ein Wolkenbruch bei der Ernte, ein plötzlicher Windstoß bei der Anwendung von Pestiziden usw.). In den Entwicklungsländern leben viele Landbewohner unterhalb der Armutsgrenze3. Sozioökonomische, kulturelle und Umweltfaktoren beeinflussen darüber hinaus die Arbeits- und Lebensbedingungen von Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitskräften. Das Umfeld, in dem Landbewohner leben und arbeiten, ihr Lebensstandard und ihre Ernährung sind für ihre Gesundheit ebenso wichtig wie die ihnen zur Verfügung stehenden Dienste. In den meisten Fällen stehen den landwirtschaftlichen Arbeitskräften in Entwicklungsländern nur schlechte Unterkünfte und eine unzureichende Ernährung zur Verfügung; darüber hinaus sind sie sowohl allgemeinen als auch Berufskrankheiten ausgesetzt. Unter Umständen leben sie in extrem primitiven Verhältnissen, in der Regel zerstreut in entlegenen Gebieten, in denen es keine oder unzureichende Straßen gibt und der Transport schwer ist. Landwirtschaftliche Arbeitskräfte hängen vom Niveau der staatlichen Gesundheitsdienste in ländlichen Gebieten ab, in denen die Gesundheitsfürsorge, die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen in der Regel unzureichend und unzulänglich sind. Die niedrigen Hygienestandards in den Unterkünften sind nicht nur in landwirtschaftlichen Kleinbetrieben anzutreffen, sondern auch in Großbetrieben, die für Zeit- und Wanderarbeitskräfte4 Wohnungen bereitstellen. Ländlichen Gemeinschaften fehlt es oft an Aufklärung und Informationen über die Gesundheitsgefahren, denen sie sich möglicherweise gegenübersehen. Die traditionellen Einrichtungen des Gesundheitswesens weisen nur wenige wirksame Mechanismen zum Erreichen ländlicher Gemeinschaften auf. Ferner gibt es Umweltprobleme, die durch die Degradation der natürlichen Ressourcen und lokale und globale Umweltveränderungen entstehen. Die Umweltverschmutzung gefährdet die öffentliche Gesundheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der I0-17G.98

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Arbeit, die Gesundheit ihrer Familien und der Gemeinschaften sowie das Ökosystem insgesamt. Aus diesem Grund sind die Probleme der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte miteinander verflochten und komplex. GLOBALISIERUNGSTENDENZEN UND TECHNOLOGISCHER FORTSCHRITT

Allgemein gesagt hat die Einführung von Maschinen und Chemikalien in der Landwirtschaft erheblich zu einer vermehrten Nahrungsmittelproduktion in der Welt beigetragen, obgleich auch dies nicht ausgereicht hat, um die in vielen Ländern herrschende Hungersnot zu beseitigen. Zu Beginn der neunziger Jahre stagnierte die globale Agrarproduktion pro Kopf, was zur Folge hatte, daß der weltweite Mangel an Nahrungsmitteln weiter zunahm. Die Anzahl der Länder, in denen ein Mangel an Nahrungsmitteln herrscht, stieg von 15 im Jahr 1994 auf 29 im Jahr 19975. Mehr als die Hälfte davon sind afrikanische Länder. Hauptopfer dieser Verschlechterung der Lage sind die Landbevölkerungen, die mehrheitlich zu den Armen der Welt zählen6,7. Die Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)8 und die Kommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC)9 haben ermittelt, daß die Zahl der Armen in Lateinamerika und in der Karibik zwischen 1980 und 1990 um 60 Millionen anstieg. Selbst wenn die Mehrzahl der Armen in Städten lebt, sind Ausmaß und Grad der Armut in den ländlichen Gebieten höher. Hinzu kommt, daß keine Investitionen in den Schutz und die Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer als Ergänzung des technologischen Wandels in der Landwirtschaft getätigt wurden. Die Mühsal der landwirtschaftlichen Arbeit ist zwar durch den technologischen Wandel verringert worden, jedoch wurden dadurch auch bisher im Sektor unbekannte Risiken hervorgerufen, wie beispielsweise ein Anstieg der Arbeitsunfälle und schweren Verletzungen, eine Zunahme der durch landwirtschaftliche Maschinen verursachten Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang und die Destabilisierung der Ökosysteme weiter Gebiete der Welt infolge eines nicht auf Nachhaltigkeit beruhenden Ansatzes der landwirtschaftlichen Entwicklung. Eine ungleiche wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Länder oder der Regionen innerhalb eines Landes hat dazu geführt, daß mehrere Produktionsformen in der Landwirtschaft nebeneinander existieren. Diese Formen können grob „zwei Hauptlandwirtschaftssektoren" zugeordnet werden. Kennzeichnend für den ersten Sektor ist die Subsistenzlandwirtschaft mit Hilfe geringqualifizierter Arbeitskräfte, in der ein großer Teil der Landbevölkerung beschäftigt ist. Im zweiten Sektor finden oft stark automatisierte Produktionsverfahren Anwendung, so daß eine hohe Produktivität unter Einsatz relativ weniger Arbeitskräfte erreicht wird. Bei den in den beiden Sektoren vorhandenen Qualifikationen sind erhebliche Unterschiede feststellbar: Im ersten Sektor arbeiten diejenigen Arbeitskräfte, die Subsistenzlandwirtschaft10 betreiben, während im zweiten Sektor qualifizierte marktorientierte Landwirte und landwirtschaftliche Arbeitskräfte tätig sind. Der technologische Wandel hat weltweit auch zu einem Rückgang des Anteils landwirtschaftlicher Arbeitskräfte an der Gesamterwerbsbevölkerung geführt. In den Industrieländern hat die intensive Mechanisierung den Rückgang der Zahl der I0-17G.98

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Allgemeiner Überblick Abbildung 1.2. Weltarmut in der städtischen und ländlichen Bevölkerung Armut

1970

1980

1986

1990

40

20

60

%

Extreme Armut

'



\

.

• :

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1980 . "

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1986

^

^

^

1990

Quelle: IAA, Genf, 1998.

IO-I7G.98

i

i

i

20

40

60 ^ H Städtisch

%

I C I Ländlich

8

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Tabelle 1.1 Verteilung der in der Landwirtschaft tätigen Erwerbsbevölkerung (EB) in der Welt im Jahr 1996 Region

Naher Osten und Nordafrika Afrika südlich der Sahara Asien und Pazifik Lateinamerika Ubergangsländer Entwickelte

Gesamtbevölkerung

ländliche Bevölkerung

% der Gesamtbevölkerung

landwirtschaftliche EB

% der Gesamtbevölkerung

1.000

1.000

365

158

43,3

48

13,2

547

386

67,3

167

30,5

3.010 477 415 1.289

2.093 123 141 349

69,5 25,7 34,0 27,1

977 43 37 56

32,5 9,0 8,9 4,3

1.000

Länder Datenquelle: FAO: The State of food and agriculture. The agroprocessing industry and economic development (Rom, 1997).

Tabelle 1.2 Landwirtschaftliche Bevölkerung in ausgewählten Ländern im Jahr 1996 Grad des Arbeitskräfteeinsatzes in der Landwirtschaft

Land

Hoher

Kenia Mexiko Simbabwe China Algerien Brasilien Südafrika Bulgarien

Mittlerer

Niedriger

Australien Vereinigte Staaten Frankreich Kanada

Gesamtbevölkerung (Millionen)

landwirtschaftliche Bevölkerung in Prozent der Gesamtbevölkerung

28 93 11 1.232 29 161 42 8

79 79 73 71 24 18 12 11

18 269 58 30

4 3 3 2

Datenquelle: Wie Tabelle 1.1.

ständig in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte beschleunigt (weniger als 10 Prozent). In den Entwicklungsländern gibt es immer noch einen hohen Anteil landwirtschaftlicher Arbeitskräfte (mehr als 50 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung). Trotz des allmählichen Rückgangs des Anteils der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte an der Erwerbsbevölkerung insgesamt nimmt jedoch die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte — absolut gesehen — ebenso wie die landwirtschaftlich genutzte Fläche weiterhin zu". 10-I7G.98

Allgemeiner Überblick

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ZUSAMMENSETZUNG DER ARBEITSKRÄFTE IN DER LANDWIRTSCHAFT

Daß nicht eindeutig zwischen verschiedenen Erwerbstätigenkategorien und der Größe und der Art von Grundbesitz unterschieden werden kann, ist eines der besonderen Merkmale des landwirtschaftlichen Sektors. In der Tat gibt es in den einzelnen Ländern eine breite Palette an Grundbesitzverhältnissen und Bewirtschaftungsformen. Daher gibt es zahlreiche Arten von Arbeitsbeziehungen und verschiedene Formen der Erwerbsbeteiligung, und die Verhältnisse in den Industrie- und Entwicklungsländern unterscheiden sich voneinander. Die einzelnen Erwerbstätigenkategorien sind auch in jedem Land verschieden, und in einigen Fällen kann ein einzelner Landwirt mehreren Kategorien zugeordnet werden. Beispielsweise ergänzen viele kleine Landwirte in Entwicklungsländern ihr Einkommen aus der Subsistenzlandwirtschaft durch Löhne, die sie durch Arbeit in großen kommerziell betriebenen Farmen während der Ernteperioden verdienen. Grob gesagt kann man zwischen den folgenden Kategorien unterscheiden: — Großgrundbesitzer, die Agrarindustriebetriebe leiten; sie setzen fortschrittliche Technologien ein und haben Zugang zu Bankkrediten, Ernteversicherungen, technischer Unterstützung usw.; — mittlere und kleine Grundbesitzer, die landwirtschaftliche Betriebe unter Einsatz verschiedener technischer und finanzieller Mittel leiten und landwirtschaftliche Erzeugnisse für den Binnen- und/oder Exportmarkt produzieren; einige kleine Grundbesitzer in Entwicklungsländern kombinieren Kleinackerbau mit Viehzucht12; — unbezahlte Familienarbeitskräfte, die sich das Einkommen aus der landwirtschaftlichen Produktion teilen; — Subsistenzbauern, die überwiegend in Entwicklungsländern anzutreffen sind, Kleinstanwesen bewirtschaften-, nicht über technisches Know-how und technische Mittel verfügen und als Tagelöhner tätig sind, um das unzureichende Einkommen aus der Eigenproduktion zu ergänzen; — Teilpächter und Pächter, die im Gemeinschaftsbesitz befindliche, staatliche oder private Anwesen bewirtschaften, wobei die Teilpächter einen Teil des Ertrags als Natural- oder Geldpachtzins abgeben und die Pächter das Land für eine festgesetzte Jahressumme pachten; — in Genossenschaften zusammengeschlossene Arbeitskräfte, die einen Anteil an Kollektivbetrieben für die landwirtschaftliche Produktion besitzen; — ständig beschäftigte landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die keinen Grund und Boden besitzen und in der Regel als Lohnarbeiter in mittleren und großen landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt werden; — Fachkräfte, die für spezielle Aufgaben in landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt werden (Traktorfahrer, Pestizidanwender usw.); — landlose Zeitarbeitskräfte und Tagelöhner, die keinen Grund und Boden besitzen und je nach der zur Verfügung stehenden Arbeit in der Landwirtschaft und mit sonstigen ergänzenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten in sehr prekären Verhältnissen beschäftigt werden; I0-17G.98

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— Squatter, die unbewirtschaftetes Land von staatlichen und im Privatbesitz befindlichen Latifundien13 besetzen, meist in Bretterbuden leben und Vertreibung riskieren14; — 'Wanderarbeitskräfte, die vorübergehend während der Ernteperioden beschäftigt werden, aus anderen Landesteilen oder Nachbarländern stammen, schlecht untergebracht sind, unterbezahlt werden und keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten haben; — eingeborene Völker, die gemeinsam Grund und Boden besitzen, überwiegend Landwirtschaft für den Eigenbedarf betreiben und gelegentlich auch zeitweise für landwirtschaftliche Unternehmen arbeiten. In den Industrieländern handelt es sich bei den meisten landwirtschaftlichen Arbeitskräften um kleine Grundbesitzer, die landwirtschaftliche Betriebe mit unterschiedlichen technischen und finanziellen Mitteln betreiben und für den Binnen- und/oder Exportmarkt produzieren. In Europa sind kleine und mittlere Betriebe in der Regel im Familienbesitz und weisen ein hohes Produktivitätsniveau auf. Diese Familienbetriebe beschäftigen in Spitzenzeiten gewöhnlich Saisonarbeitskräfte, insbesondere bei einer Spezialisierung auf den Gemüse-, Obst- und Rebenanbau, bei dem die Mechanisierung noch nicht weit fortgeschritten ist. Tabelle 1.3 zeigt die Verteilung und Größe der Betriebe in Frankreich, einem der europäischen Länder mit einer hohen landwirtschaftlichen Produktion. Tabelle 1.3 Anzahl und Fläche der Agrarbetriebe in Frankreich im Jahr 1 9 9 3 Fläche bis 100 ha

Anzahl der Betriebe

in Prozent aller Betriebe

224.000 184.000 208.000 128.000 56.000

28 23 26 16 7

Quelle: Mutualite Sociale Agricole (MSA), Statistiken für das Jahr 1994.

Wie in Europa handelt es sich bei der Mehrzahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Asien und Afrika um Kleinbauern, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen sich jedoch erheblich von denjenigen in der industrialisierten Welt unterscheiden. Manche kleine Grundbesitzer in Entwicklungsländern verbinden eine in kleinem Maßstab betriebene Landwirtschaft mit Viehzucht; der Ackerbausektor in den Ländern des südlichen Afrikas setzt sich aus kleinen Grundbesitzern zusammen, die in der Regel eine Gütergemeinschaft eingegangen sind; die Arbeit wird von Familienangehörigen und unbezahlten Arbeitskräften verrichtet15. In Malaysia gibt es etwa 1 Million kleine Grundbesitzer, von denen die Hälfte weniger als 40,5 hal6 bewirtschaften.

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Allgemeiner Überblick Tabelle 1.4 Anzahl und Fläche der Kleinbetriebe Land

Zeitraum

Maximale Größe der Kleinbetriebe

Bangladesch Brasilien Indien Marokko Pakistan Philippinen Türkei Simbabwe

1983-84 1985 1985-86 1 973-74 1990 1990 1987 1983

< 1 ha < 10 ha < 1ha < 5ha < 1ha < 2 ha < 10 ha



Anzahl (in Prozent der Gesamtanzahl) 70,3 52,9 58,0 79,8 27,0 50,9 18,2 70,3

Fläche (in Prozent der Gesamtfläche) 29,0 2,7 13,2 24,6 4,0

— — 29,0

Quelle: IAA: Wage workers in Sectoral Activities Proagriculture: Conditionsof employment and work, gramme (Genf, 1996).

In Lateinamerika sieht die Verteilung etwas anders aus: Ein großer Anteil der Erwerbsbevölkerung sind Lohnarbeiter. In Mittelamerika beispielsweise sind es 49 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte; von diesen sind 27 Prozent ständig beschäftigt, 10 Prozent zum Teil Eigentümer und zum Teil Zeitarbeiter und 12 Prozent grundbesitzlose Zeitarbeitskräfte. In Brasilien beträgt der Anteil der landlosen Bauern an der Landbevölkerung von 23 Millionen 12 Millionen17. Es gibt einige charakteristische Merkmale kleiner landwirtschaftlicher Anwesen in Entwicklungsländern. Zunächst ist festzustellen, daß die ganze Familie, von den ganz jungen bis zu den alten, an den landwirtschaftlichen Tätigkeiten beteiligt ist. Zweitens handelt es sich oft um sehr arme; lese- und schreibunkundige oder kaum gebildete Arbeitskräfte. Drittens sind diese Arbeitskräfte schlecht ernährt und leiden unter chronischen Gesundheitsschäden, die durch allgemein verbreitete übertragbare Krankheiten hervorgerufen werden. Schließlich haben sie keinen Zugang zu Sozial- und Gesundheitsfürsorgediensten und geeigneten sanitären Einrichtungen. Der weltweite Trend zur Arbeitsflexibilität und der Druck zur Reduzierung der Arbeits- und Produktionskosten hat eine Zunahme der Tages- und Saisonverträge '" zur Folge, und vielfach werden Wanderarbeitskräfte beschäftigt, die wechselweise eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit und eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Dieser Rückgang des Prozentsatzes der ständig beschäftigten Arbeitskräfte ist in vielen Ländern und Regionen festzustellen. Zu diesen zählen: Frankreich, Spanien, Bangladesch sowie die Länder des zentralen und südlichen Afrikas. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Lohnarbeit wird von Tagelöhnern, Saisonarbeitern und Zeitarbeitskräften verrichtet, die unter schlechten Arbeitsbedingungen die Tätigkeiten verrichten, die die geringsten Qualifikationen erfordern. Bei den Arbeitsbedingungen und den Arbeitsbeziehungen gibt es erhebliche Unterschiede zwischen ständig und gelegentlich beschäftigten Arbeitskräften. Ständig beschäftigte Arbeitskräfte besitzen nicht nur eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit, sondern erhalten auch relativ höhere Löhne und eine bessere Unterkunft sowie höhere Gesundheits- und arbeitsbezogene Leistungen.

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Die Arbeitskräftewanderungen sind eine der wichtigsten Folgen der zunehmenden Arbeitsflexibilität, der Gelegenheitsarbeit, der niedrigen Entlohnung, der schlechten Arbeitsbedingungen und der Armut. Arbeitskräftewanderungen finden sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene statt. Unabhängig von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort sind Wanderarbeitskräfte in bezug auf Entlohnung, Sozialschutz, Unterkunft und ärztliche Versorgung erheblich benachteiligt. Diese Arbeitskräftemobilität ist in der ganzen Welt in erheblichem Ausmaß anzutreffen".

Abbildung 1.3.

Verteilung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte nach Kategorie in Mittelamerika Grundbesitzer 38%

Lohnarbeiter 49%

Lohnarbeiter mit Subsistenzlandwirtschaft 10% Zeitweilige A Lohnarbeiter 22% \j

Familienarbeitskräfte 13%

I i

Landlose Lohnarbeiter 12%

Ständige Lohnarbeiter 27%

Datenquelle: IAA: Projekt RLA/93/M03/DAN-Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama (nichtveröffentlichtes Dokument, Genf, 1998).

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Allgemeiner Überblick

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Tabelle 1.5 Anteil der Lohnarbeiter und Zeitarbeitskräfte an der landwirtschaftlichen Erwerbsbevölkerung in ausgewählten Ländern (Ende der achtziger-Anfang der neunziger Jahre) Land

Indien Brasilien Chile Guatemala Honduras Mexiko Panama Spanien

Lohnarbeiter in Prozent der ländlichen Gesamtbevölkerung

Zeitarbeitskräfte in Prozent der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter

37,1 37,9 60,0 58,9 77,7 75,5 54,8 36,6

Quelle: IAA: Wage workers in agriculture: Activities Programme (Genf, 1996).

82,0 77,4 60,0 34,8 21,0 33,9 25,7 62,7 Conditions

of employment

and work,

Sectoral

Das schwerwiegendste Problem ist jedoch nach wie vor das der Vertragsarbeit, ein Problem, von dem in erster Linie Wanderarbeitskräfte berührt werden. Arbeitgeber, die in Zeiten der Spitzennachfrage zusätzliche Arbeitskräfte benötigen, verlassen sich immer mehr auf die Dienste von Arbeitskräfteüberlassern, die sich auf die Einstellung, die Beförderung und das Management von landwirtschaftlichen Arbeitskräften spezialisiert haben. Diese Vorgehensweise, d.h. der Einsatz von „Vermittlern", wirkt sich negativ auf das ganze Beschäftigungsverhältnis aus, beläßt die Arbeitgeberpflichten in einer Grauzone und führt zu einer Nichtbeachtung der Arbeitsgesetze. Beschäftigungsbedingungen sind in der Regel prekär, und die Arbeitskräfteüberlasser mißbrauchen häufig ihre Macht über die Arbeitskräfte: Sie verlangen Vermittlungsgebühren sowie überhöhte Gebühren für Beförderung, Unterkunft und Nahrungsmittel, halten Löhne zurück, erzwingen eine Schuldknechtschaft usw.20 Die Abwanderung junger Männer in die Städte hat zur Folge, daß die landwirtschaftlichen Tätigkeiten mehr und mehr Frauen, älteren Menschen und Kindern überlassen werden. Zwanzig bis 30 Prozent aller landwirtschaftlichen Arbeitskräfte sind jetzt Frauen, und Kinderarbeit ist weit verbreitet; in einigen Ländern sind bis zu 30 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte Kinderarbeiter. Frauen stellen einen erheblichen Anteil an den landwirtschaftlichen Arbeitskräften in den Entwicklungsländern. In Lateinamerika und in der Karibik21 sind 40 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte Frauen. In Ländern des südlichen Afrikas werden Frauen sowohl in großen als auch kleinen landwirtschaftlichen Betrieben überwiegend als Gelegenheitsarbeiterinnen beschäftigt; dies bedeutet jedoch nicht, daß sie weniger Haushaltspflichten zu erledigen haben. In Simbabwe, einem Land, in dem mehr als die Hälfte aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt werden, stellen Frauen und Kinder mehr als 40 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. Bei dieser Arbeit wird oft die ganze Familie (auch Kinder und ältere Menschen)22 eingesetzt, was u.a. dazu führt, daß 10-17G.98

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Frauen vielfach ihre Kinder auf die Felder mitnehmen und somit sowohl sich selbst als auch die Kinder berufsbedingten Gefahren aussetzen23. Die meisten in der Landwirtschaft tätigen Frauen haben praktisch keine Ausbildung und keinen Zugang zu Informationen über die mit ihrer Arbeit verbundenen Gefahren. Die schlechten Arbeitsbedingungen haben schwerwiegende Auswirkungen auf das Wachstum, die Entwicklung und die Gesundheit der Kinder sowie auf die Schwangerschaft und können altersbedingte Krankheiten verschlimmern". Aus einer Reihe von Studien geht hervor, daß es eine Beziehung gibt zwischen berufsbedingten Gefahren und Eisenmangel und der Anämie von Schwangeren sowie Komplikationen bei der Schwangerschaft, Krankheiten des Fötus, körperlichen und Entwickjungsstörungen von Neugeborenen und Kleinkindern. Das Risiko von Fehl- und Frühgeburten und spontanen Abgängen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Arbeit unter ungünstigen Bedingungen, wie z.B. in einem Mikroklima in Treibhäusern und bei einer Exposition gegenüber Pestiziden25. Den neuesten Schätzungen des IAA zufolge gibt es in den Entwicklungsländern mindestens 250 Millionen Kinderarbeiter der Altersgruppe fünf bis 14 Jahre. Fast die Hälfte dieser Kinder (120 Millionen) üben eine Vollzeitbeschäftigung aus. Aus einer vor kurzem in 26 Ländern durchgeführten IAO-Erhebung ging hervor, daß die Erwerbsquote von Kindern in ländlichen Gebieten weitaus höher ist als in den Städten: Dieser Erhebung zufolge arbeiten 70 Prozent der Kinder in der Landwirtschaft, und zwar mehr Mädchen als Jungen (75 bzw. 69 Prozent). Auf dem Land lebende Kinder, insbesondere Mädchen, fangen in der Regel in jungen Jahren zu arbeiten an. In Lateinamerika und in der Karibik sind 56 Prozent der 15 Millionen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Kinder bereits ab dem Alter von fünf bis sieben Jahren in der Landwirtschaft tätig. Die meisten Kinder arbeiten sieben Tage pro Woche, haben eine lange Arbeitszeit, und ihre Bezahlung liegt unter den an den jeweiligen Orten geltenden Sätzen. Ein sehr großer Prozentsatz dieser Kinder wird bei der Arbeit verletzt; zu den häufigsten Verletzungen zählen: Schnitte und Wunden, Augeninfektionen, Hautprobleme, Fieber sowie Kopfschmerzen, die durch übermäßige Hitze oder durch die Exposition gegenüber Pestiziden bei der Arbeit auf den Feldern verursacht werden26. Anmerkungen 1

IAA: Yearbook of Labour Statistics, 1996 (Genf, 1996); W.M. Coombs: „Agricultural health — Quo Vadis", in OccHSA, Juli/Aug. 1995, Bd. Nr. 4, FAO: The State of food and agriculture, 7996 (Rom, 1996). 2

IAA: Yearbook of Labour Statistics, 1996, a.a.O., National Safety Council: International Accident Facts, (Illinois, Vereinigte Staaten, 1995); J.L. Murray und A.D. Lopez (Hrsg.): The global bürden of disease, WHO Global Bürden of Disease and injury series. (Weltbank, Harvard School of Public Health, Washington, D.C., 1997); FAO: The State of food and agriculture, a.a.O.

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Allgemeiner Überblick 3

15

World Bank Atlas, 7997 (Weltbank, Washington, D.C., 1997).

4

IAA: Structure and functions of rural workers' organizations, A workers' education manual, zweite Auflage (Genf, 1990); IWF: World economic outlook. Globalization. Opportunities and challenges (Washington, D.C., Mai 1997); D. Coplan: „Damned if we know: public policy and the future of the migrant labour system", in J. Crush, W. James und F. Vletter et al. (Hrsg.): Labour migrancy in Southern Africa: Prospects for post-apartheid transformation (University of Cape Town, Südafrika, 1995, Southern African Labour Monographs 3/95, Labour Law Unit); S. Gomez und E. Klein: Los pobres del campo. El trabajador eventual, FLACSO/PREALC (IAO, Santiago de Chile, 1993). 5

IAA: Wage workers in agriculture: Conditions of employment and work. Sectoral Activities Programme (Genf, 1996). 6 Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC): Panorama social de America Latina (Vereinte Nationen, Santiago, Chile, 1993). 7

IAA: Structure and functions of rural workers' organizations, a.a.O.

8

FAO: The state offood and agriculture, 7997 (Rom, 1997).

9

ECLAC, a.a.O.

10

IAA: Internationale Standardklassifikation der Berufe: ISCO-88 (Genf, 1990).

" Dieser Rückgang schwächt sich jedoch ab: Prognosen zufolge beläuft er sich auf 0,6 Prozent pro Jahr zwischen 1990 und 2000 und 0,45 Prozent zwischen 2000 und 2010. Siehe IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O. (Genf, 1996). 12

Dies trifft für 85 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Uganda zu. Siehe D.K. Sekimpi: „Occupational health services for agricultural workers", in J. Jeyaratnam (Hrsg.): Occupational health in developing countries (Oxford University Press, Vereinigtes Königreich, 1992). 13

In Lateinamerika ist unter einem Latifundium ein großer Grundbesitz zu verstehen, der nur zum Teil genutzt wird. 14

Beispielsweise lebten 1996 40.000 Squatter in 244 Behausungen auf unbewirtschaftetem Grund und Boden in Brasilien. Siehe S. Salgado, Mouvement des Paysans Sans Terre (MST) und Frères des Hommes): Terra. L'enjeu politique des Brésiliens (Paris, 1997). 15

R. Loewenson: Occupational health and safety in agriculture in southern Africa, für die IAO erstellter Bericht (nicht veröffentlicht, Harare, Simbabwe, 1998). ' 6 1.H. Singh: Occupational health and safety in the plantation sector, Tagungsbericht des National Seminar on Effective Labour Inspections in the Plantation Sector, Kuala Lumpur, Malaysia, 1986.

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16

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft 17

S. Salgado, a.a.O.; S. Gomez und E. Klein, a.a.O.; F. Bourquelot: „De quelques tendances sur l'emploi des salariés dans la production agricole", in Economie rurale (Paris, 1987), Nr. 178-179; L. Gavira Alvarez: Segmentation del mercado de trabajo rural y desarollo: el caso de Andalucia (Ministerio de Agricultura, Pesca y Alimentaciôn, Madrid, 1993); IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O.; D. Copland, a.a.O. 18

S. Gomez und E. Klein, a.a.O.

19

P. Egger: Travail et agriculture dans le tiers monde. Pour une politique active de l'emploi rural (IAA, Genf, 1993). 20

IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O.

21

IAA: ILO News. Latin America and the Caribbean. 1966 Labour overview (Genf,

1996). 22

Redaktioneller Kommentar in: On Guard (Harare, Simbabwe, 1997), Bd. 6, Nr. 11.

23

R. Loewenson: Epidemiology in occupational health in developing countries (vervielfältigt, Zimbabwe Congress of Trade Unions, Harare, Simbabwe, 1992). 24

C. Tibone: „Health hazards associated with agricultural activities in Botswana and how they affect women", in East African Newsletter on Occupational Health and Safety. Agriculture (Helsinki, 1989), Nr. 3, S. 22-23.

V. Forastieri: Children at work. Health and safety risks (IAA, Genf, 1997).

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KAPITEL II GESETZLICHE BESTIMMUNGEN ÜBER DEN ARBEITSSCHUTZ IN DER LANDWIRTSCHAFT DEFINITIONEN DER LANDWIRTSCHAFT IN INNERSTAATLICHEN GESETZEN

Eine Definition der „Landwirtschaft" ist in den innerstaatlichen Arbeitsgesetzbüchern und den Gesetzen über Sicherheit und Gesundheit' selten zu finden. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß nur wenige innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze landwirtschaftliche Betriebe ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich ausschließen. Selbst in den Fällen, in denen in den innerstaatlichen Gesetzen eine Definition der „Landwirtschaft" oder der „landwirtschaftlichen Arbeit" enthalten ist, fällt diese oft allgemein und ungenau aus. Es wurden einige einschlägige Definitionen ermittelt, die zum Teil nachstehend als Beispiel angeführt werden. In Neuseeland findet sich in Paragraph 2 der Arbeitsschutzvorschriften (1995) die folgende Definition der „landwirtschaftlichen Arbeit": Landwirtschaftliche Arbeit: a) bedeutet Arbeit auf einem Bauernhof, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Bauernhofs steht; und b) umfaßt folgendes: i) Gartenbauarbeiten; und ii) Schurarbeiten; sowie c) das Kochen für jede Person, die landwirtschaftliche Arbeit verrichtet; mit Ausnahme d) der Arbeit auf einer Meeres- oder Süßwasserfarm. Im Arbeitsgesetzbuch der Vereinigten Arabischen Emirate findet sich die folgende Definition der „landwirtschaftlichen Arbeit": Landwirtschaftliche Arbeit: Arbeit, die mit dem Pflügen und der Bearbeitung des Bodens, der Einbringung von Ernte jeglicher Art und der Aufzucht von Vieh, Geflügel, Seidenraupen, Bienen usw. verbunden ist2. In der malaysischen Gesetzgebung über Kinderarbeit wird ein „landwirtschaftlicher Betrieb" wie folgt definiert: jegliche Arbeit, mit der eine Person im Rahmen eines Arbeitsvertrags in der Landwirtschaft oder im Gartenbau, in der Aufzucht von Haustieren und Geflügel oder bei der Ernte von Pflanzen- oder Baumprodukten, mit Ausnahme von Waldarbeit, beschäftigt wird5.

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Die Definition der „landwirtschaftlichen Arbeit" im chilenischen Arbeitsgesetzbuch (1994) erstreckt sich nicht auf Waldarbeiter (mit Ausnahme der zeitweilig in Sägewerken beschäftigten Arbeitnehmer). Dem kalifornischen Gesetz über Arbeitsbeziehungen in der Landwirtschaft (1975) Paragraph 1140.4 (a) zufolge umfaßt die „Landwirtschaft": den Ackerbau jeglicher Art und u.a. die Bearbeitung und Bestellung des Bodens, die Milchwirtschaft, die Erzeugung, die Züchtung, den Anbau und die Ernte von landwirtschaftlichen oder Gartenbauprodukten, ..., die Aufzucht von Vieh, Bienen, Pelztieren oder Geflügel sowie alle Tätigkeiten (einschließlich Waldarbeiten oder Holzfällarbeiten), die von einem Landwirt oder in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Nebentätigkeit oder in Verbindung mit derartigen landwirtschaftlichen Tätigkeiten verrichtet werden, einschließlich der Vorbereitungsarbeiten für den Absatz und die Auslieferung zwecks Lagerung oder Vermarktung oder zwecks Übergabe an Spediteure für den Transport zum Markt. Auch im Bundesgesetz der Vereinigten Staaten über den Schutz der landwirtschaftlichen Wander- und Saisonarbeitskräfte (1983)) findet sich eine einschlägige Definition. In Paragraph 3 dieses Gesetzes wird ein „Arbeitgeber in der Landwirtschaft" wie folgt definiert: eine Person, die einen Bauernhof, eine Viehfarm, einen Verarbeitungsbetrieb, eine Konservenfabrik, eine Spinnerei, ein Verpackungsunternehmen oder eine Baumschule besitzt oder betreibt oder die Samen herstellt oder bearbeitet ... In der brasilianischen Gesetzgebung wird der „ländliche Arbeitgeber" wie folgt definiert: eine natürliche Person, unabhängig davon, ob sie einen ländlichen Betrieb oder Grund und Boden besitzt, die mit Hilfe ständig beschäftigter Arbeitskräfte unmittelbar oder über Vermittler landwirtschaftliche Arbeiten verrichtet, definiert als Erzeugung pflanzlicher Produkte, Schäferarbeit, Gartenbau oder ländliche Industrie, einschließlich der Ausweitung der Primärproduktion sowohl von Pflanzen als auch von Tieren4. Bei der Prüfung der in der innerstaatlichen Gesetzgebung enthaltenen Definitionen der „Landwirtschaft" trat deutlich zutage, daß es keinen eindeutigen und einheitlichen Ansatz gab. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die geprüften nationalen Instrumente größtenteils unterschiedlichen politischen Zielsetzungen dienen. Die gewählten Definitionen müssen im Kontext ihrer Verwendung geprüft werden — ein Aspekt, dem in der Regel bei der Abfassung von IAOUrkunden Rechnung getragen wird. Anhand der Überprüfung der obengenannten Definitionen in der innerstaatlichen Gesetzgebung können vorab einige Schlußfolgerungen gezogen werden. Zur „Landwirtschaft" zählen der Anbau und die Ernte von pflanzlichen Erzeugnissen, in der Regel auch die Viehzucht und das Hüten von Schafen sowie gartenbauliche Tätigkeiten. Ausgeschlossen sind im allgemeinen Waldarbeiten, es sei denn, diese werden in Verbindung mit dem Ackerbau verrichtet, wie z.B. das Fällen einzelner Bäume.

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Gesetzliche Bestimmungen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft DEFINITIONEN DER LANDWIRTSCHAFT IN EINSCHLÄGIGEN URKUNDEN UND TECHNISCHEN DOKUMENTEN DER I A O 5

Auf seiner Vierten Tagung im Jahr 1962 erörterte der Gemeinsame IAA/WHO-Ausschuß für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz Arbeitsschutzprobleme in der Landwirtschaft und entwickelte zwei einschlägige Definitionen, die dem Ausschuß bei seiner Arbeit von Nutzen sein sollten; diese sind im Kontext der IAO-Tätigkeiten immer noch gültig. Der Ausschuß kam überein, daß unter Landwirtschaft folgendes zu verstehen sein sollte: alle Formen von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Anbau, der Ernte und der Erstverarbeitung aller Arten von pflanzlichen Erzeugnissen, mit der Tierzucht und Tierhaltung sowie mit der Pflege von Gärten und Pflanzschulen. Der Ausschuß einigte sich ferner auf die folgende Definition der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte: alle Personen, die entweder ständig oder zeitweilig, ungeachtet ihrer Rechtsstellung, mit Tätigkeiten befaßt sind, die einen Bezug zur Landwirtschaft im obigen Sinne haben6. Im Übereinkommen (Nr. 129) und in der Empfehlung (Nr. 133) über die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft, 1969, wird eine Definition eines landwirtschaftlichen Betriebs gegeben. In Artikel 1 (1) des Übereinkommens wird erklärt, daß der Ausdruck „landwirtschaftlicher Betrieb" folgendes bezeichnet: jeden Betrieb oder Betriebsteil, der sich mit dem Ackerbau, der Tierhaltung, der Forstwirtschaft, dem Gartenbau, der Erstbearbeitung der landwirtschaftlichen Produkte durch den Betriebsinhaber oder mit irgendeiner anderen Form der landwirtschaftlichen Tätigkeit befaßt. In Artikel 1 (2) und (3) wird die zuständige Stelle dazu ermächtigt, die Grenze zwischen der Landwirtschaft einerseits und Handel und Gewerbe andererseits zu bestimmen. Der IAO-Sachverständigenausschuß für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen diskutierte in seiner Allgemeinen Erhebung von 1985 über die Bedeutung des Ausdrucks „landwirtschaftlicher Betrieb" im Übereinkommen Nr. 129. Der Ausschuß war der Auffassung, daß sich der Ausdruck genaugenommen nur auf „die unmittelbare Ausbeutung pflanzlicher und tierischer Ressourcen"7 beziehe, wohingegen bestimmte nationale Gesetze den Ausdruck so definierten, als sei darunter auch die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse durch den Betriebsinhaber zu verstehen8. Die folgenden Urkunden beziehen sich auf die „Landwirtschaft", ohne den Ausdruck zu definieren: Übereinkommen (Nr. 11) über das Vereinigungsrecht (Landwirtschaft), 1921; Empfehlung (Nr. 14) betreffend die Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen (Landwirtschaft), 1921; und das Übereinkommen (Nr. 141) und die Empfehlung (Nr. 149) über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte, 1975.

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft ERFASSUNG DES LANDWIRTSCHAFTLICHEN SEKTORS IN DER INNERSTAATLICHEN GESETZGEBUNG

Aus der Prüfung der innerstaatlichen Arbeitsschutzgesetze ging hervor, daß es eine große Vielfalt von nationalen Ansätzen in bezug auf Gesetze über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft gibt. In den meisten Fällen ist in den allgemeinen Arbeitsgesetzen oder Arbeitsgesetzbüchern kein spezieller Hinweis auf den landwirtschaftlichen Sektor zu finden bzw. sie gelten nicht uneingeschränkt für die Landwirtschaft. In der Regel geht die Arbeitsschutzgesetzgebung vieler Länder nicht auf die Landwirtschaft ein; in einigen Fällen enthalten jedoch die Gesetze einen begrenzten Hinweis auf diesen Sektor. In anderen Ländern gelten die allgemeinen Arbeitsgesetze auch für die Landwirtschaft (beispielsweise Brasilien, Kenia, Mexiko und Spanien). In einigen Ländern gibt es überhaupt keine Arbeitsschutzgesetze, die für den landwirtschaftlichen Sektor gelten9. In den allgemeinen Arbeitsgesetzen zahlreicher Länder werden landwirtschaftliche Arbeitskräfte zum Teil oder vollständig von deren Geltungsbereich ausgenommen. Dies ist beispielsweise in den folgenden Ländern der Fall: Ghana, Jemen, Jordanien, Kambodscha, Marokko, Nepal, Sierra Leone, Sudan, Türkei und Zaire10. In vielen der im Bericht genannten Länder gibt es eine Reihe spezifischer Bestimmungen oder Verordnungen für die Landwirtschaft, die den Arbeitsschutzgesetzen oder unmittelbar den Arbeitsgesetzen untergeordnet sind. Die meisten dieser Vorschriften befassen sich mit den folgenden Themen: Sicherheit von Maschinen und Ausrüstungen (überwiegend Traktoren und Erntemaschinen) und in der Landwirtschaft eingesetzte Stoffe oder Agenzien (insbesondere Pestizide). In zahlreichen anderen Ländern gibt es Gesetze, die ausdrücklich die Arbeitsbeziehungen in der Landwirtschaft regeln (beispielsweise Argentinien, Griechenland, Kamerun, Marokko, Österreich und Vereinigte Staaten (Kalifornien))". Weitere die Landwirtschaft betreffende Vorschriften regeln Maßnahmen der Sozialen Sicherheit und Arbeitsbedingungen (Löhne, Arbeitszeit usw.); Verbot der Einsatzes von Kindern und Jugendlichen bei gefährlichen Tätigkeiten; Verbot des Betriebs bestimmter Arten von Maschinen und Ausrüstungen für Jugendliche unter 18 Jahren, usw. Den zur Verfügung stehenden Informationen zufolge ist jedoch eine umfassende Gesetzgebung für den Arbeitsschutz im landwirtschaftlichen Sektor nur beschränkt vorhanden. Nur wenige Länder haben besondere Bestimmungen über den Arbeitsschutz in diesem Sektor vorgesehen. Hierzu zählen: Argentinien, Australien, Finnland, Frankreich, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Südafrika, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Einige Gesetze sind umfassender als andere. Beispielsweise nahm Argentinien im Jahr 1997 Arbeitsschutzvorschriften für den landwirtschaftlichen Sektor an. In Frankreich gibt es eine ausführliche Liste einschlägiger Bestimmungen, die dem Arbeitsgesetzbuch untergeordnet sind, u.a. eine spezielle Liste von Berufskrankheiten in der Landwirtschaft sowie Bestimmungen über arbeitsmedizinische Dienste für landwirtschaftliche Betriebe. Diese Gesetze werden detailliert in den folgenden Abschnitten untersucht. Sie werden den folgenden drei Abschnitten zugeordnet: 10-17G.98

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— innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft indirekt oder ausdrücklich ausschließen; — innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft nicht ausschließen; — innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft in umfassender Weise behandeln. Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft ausschließen In vielen Industrieländern wurden Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Gesetze über spezifische Industriegefahren und „Fabrikgesetze" (Arbeitsschutzgesetze) erlassen. In allen Fällen wurde die Landwirtschaft vom Geltungsbereich dieser Gesetze ausgeschlossen. Diese Art von Arbeitsschutzgesetzen sind gewöhnlich in Entwicklungsländern anzutreffen, insbesondere in denjenigen, die von Großbritannien kolonisiert wurden12. Diese Gesetze gehen oft auf die Kolonialzeit oder auf einen Zeitpunkt kurz nach der Gewährung der Unabhängigkeit zurück. In der Regel wurden die Gesetze erarbeitet und erlassen, um Arbeitskräften in Industriebetrieben zu einer Zeit Schutz zu gewähren, in der die Regierungen die Förderung der Industrialisierung " anstrebten. Diese Gesetze basierten auf den in der Kolonialmacht geltenden Vorschriften. In einigen Entwicklungsländern beruhen die Arbeitsschutzgesetze immer noch auf den Fabrikgesetzen und gelten nicht für den Landwirtschaftssektor. So gilt das Fabrikgesetz 1973 von Botsuana nur für „Fabriken" — ein Ausdruck, der nach der Definition landwirtschaftliche Betriebe ausschließt. Der Geltungsbereich der Gesetze in Indien, Nigeria, Simbabwe, Sri Lanka, Swasiland, Trinidad und Tobago usw. ist in ähnlicher Weise begrenzt14. In einigen Ländern wie in Nepal und Pakistan sind jedoch nicht nur Gesetze für Fabriken, sondern auch für Arbeitnehmer auf Plantagen erlassen worden". Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die bestimmte Kategorien landwirtschaftlicher Arbeitskräfte ausschließen Ein nicht unbedeutender Aspekt des landwirtschaftlichen Sektors ist die Beschäftigung einer großen Vielfalt von Arbeitskräften: von Vollzeitbeschäftigten mit Arbeitsverträgen bis zu Gelegenheits-, Zeit- und Saisonarbeitern, die nur zu bestimmten Zeiten wie während der Erntezeit beschäftigt werden. Zu den sonstigen in der Landwirtschaft tätigen Personen zählen Teilpächter und Pächter, die im allgemeinen Grund und Boden für den Ackerbau pachten, selbständig erwerbstätig sind und ein Entgelt in Form eines Ernteanteils erhalten. Darüber hinaus handelt es sich bei vielen Arbeitskräften um Familienmitglieder, u.a. um Kinder'6. Neben den Ländern, in denen die Arbeitsschutzgesetze nicht für den landwirtschaftlichen Sektor insgesamt gelten, gibt es andere Länder, in denen derartige Gesetze nur für bestimmte Kategorien landwirtschaftlicher Arbeitskräfte Gültigkeit haben. Ausdrücklich vom Geltungsbereich der Arbeitsgesetze ausgeschlossen wird die landwirtschaftliche Arbeit nur in sehr wenigen Ländern; in I0-17G.98

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vielen anderen hingegen gelten — wenn überhaupt — nur wenige Bestimmungen der Gesetze für Arbeitnehmer, die nicht im Rahmen von Vollzeitarbeitsvertragen beschäftigt werden. Einige Länder haben den durch ihre Arbeitsgesetze gebotenen Schutz auf andere Fälle als die bezahlte Vollzeitarbeit ausgedehnt. Beispielsweise bezieht sich das chilenische Arbeitsgesetz (1994)l7 ausdrücklich auf Saison-, Vertragsund Zeitarbeiter sowie auf Arbeitsbeziehungen unter Pächtern und Teilpächtern. Die mexikanischen und australischen Gesetze enthalten ähnliche Bestimmungen. In vielen Ländern wird den Arbeitgebern per Gesetz die Auflage erteilt, nicht nur die Sicherheit und Gesundheit ihrer Arbeitnehmer, sondern auch die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen, auf die sich die Tätigkeit des Unternehmens möglicherweise auswirken könnte, zu gewährleisten (Fidschi, Namibia, Neuseeland, Südafrika)18. Dank dieser äußerst umfassenden Formulierung erstreckt sich der gesetzliche Schutz auf alle Personen, die (unabhängig von ihrer Stellung) für den Arbeitgeber tätig sind, u.a. Zeit-, Saison- und Vertragsarbeiter sowie Familienangehörige. Auch Dritte, u.a. die Öffentlichkeit und angrenzende Landeigentümer, werden durch derartige Bestimmungen geschützt, die im Landwirtschaftssektor von großer Bedeutung sind. In der Tat wird auf diese Weise gewährleistet, daß mehr Personen als im Fall allgemeiner Arbeitsgesetze (u.a. Zeitarbeiter und Familienangehörige) unter den gesetzlich vorgesehenen Schutz fallen. Der Sachverständigenausschuß für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen stellte in seiner Allgemeinen Erhebung von 1997 über die Arbeitsverwaltung fest, daß die Arbeitsverwaltungen in Entwicklungsländern bei „der Erfüllung ihrer wichtigen Pflichten in bezug auf Gruppen von Arbeitskräften wie die selbständig erwerbstätigen Landwirte und Zeit- oder Saisonarbeiter in kleinen landwirtschaftlichen Betrieben ..." auf Schwierigkeiten stoßen. Wie bereits an anderer Stelle in diesem Bericht erklärt wurde, stellen derartige Arbeitskräfte einen erheblichen Anteil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte insgesamt dar. Der Ausschuß stellte fest, daß „es gelegentlich auf die Verhältnisse vor Ort und einen Mangel an Ressourcen zurückzuführen ist, daß die Tätigkeiten der Arbeitsverwaltung nicht auf solche Arbeitskräfte ausgeweitet werden" ". Obgleich sich die Bemerkung des Ausschusses auf die Tätigkeiten der Arbeitsverwaltung insgesamt bezog, können ähnliche Feststellungen in bezug auf die Arbeitsaufsicht insbesondere in Entwicklungsländern getroffen werden. In den folgenden IAO-Übereinkommen und -Empfehlungen wird auf die Arbeitsbedingungen und den notwendigen Arbeitsschutz von landwirtschaftlichen Arbeitskräften in Genossenschaften sowie von Pächtern, Teilpächtern, Wanderarbeitnehmern und Zeitarbeitern eingegangen: Übereinkommen (Nr. 97) über Wanderarbeiter (Neufassung), 1949, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 86); Empfehlung (Nr. 100) betreffend den Schutz der Wanderarbeiter (unterentwickelte Länder), 1955; Empfehlung (Nr. 127) betreffend die Genossenschaften (Entwicklungsländer), 1966; Empfehlung (Nr. 132) betreffend Pächter und Teilpächter, 196820; Übereinkommen (Nr. 142) über die Erschließung des Arbeitskräftepotentials, 1975, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 150); und Übereinkommen (Nr. 141) über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte, 1975, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 149). 10-17G.98

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Die Rechtsstellung vieler dieser Arbeitskräfte ist in den innerstaatlichen Arbeitsgesetzbüchern nicht klar festgelegt. Beispielsweise wird in Äthiopien davon ausgegangen, daß 80 Prozent der nationalen Wirtschaftstätigkeit nicht unter das Arbeitsgesetzbuch fallen, da es sich hierbei um kleine landwirtschaftliche Betriebe und Subsistenzlandwirtschaft handelt21. Somit werden Saison- und Gelegenheitsarbeiter im landwirtschaftlichen Sektor oft von den Arbeitsgesetzen ausgeschlossen, und selbständige Landwirte werden selten von diesen erfaßt. In den Vereinigten Staaten ist im Arbeitsschutzgesetzbuch (1970) kein Schutz für die in einem landwirtschaftlichen Betrieb tätigen Familienangehörigen vorgesehen. Darüber hinaus werden Arbeitgeber, die „landwirtschaftliche Tätigkeiten" durchführen, von allen „Allgemeinen Industrienormen" ausgenommen, mit Ausnahme derjenigen, die für 1) zeitweilige Arbeitslager, 2) wasserfreies Ammoniak, 3) Holzeinschlag (Faserholz) und 4) langsam fahrende Fahrzeuge gelten". In Australien (Queensland) sind landwirtschaftliche Arbeitgeber nicht zur Einhaltung wichtiger Abschnitte der Hauptarbeitsschutzvorschriften verpflichtet, die in Paragraph 146 der Vorschriften über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (1997) enthalten sind. Die norwegische Arbeitsschutzgesetzgebung ermächtigt den Staat dazu, vom Geltungsbereich des Gesetzes „landwirtschaftliche Tätigkeiten auszunehmen, für die keine Fremdarbeitskräfte eingestellt werden, es sei denn, es handelt sich um eine Unterstützung im Notfall"23. In anderen Ländern sehen die Arbeitsschutzgesetze vor, daß der Minister oder eine andere staatliche Stelle administrative Ausnahmen von gesetzlichen Vorschriften für spezielle Arbeitgebergruppen zulassen kann. In einigen Ländern wie in der Republik Korea und in Nepal gelten die Arbeitsgesetze für Arbeitsstätten, in denen eine Mindestanzahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird24. Die Anwendung der Gesetze wird durch derartige Bestimmungen insbesondere im Landwirtschaftssektor beschränkt, da ein erheblicher Anteil der landwirtschaftlichen Betriebe unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts liegt. In anderen Ländern werden landwirtschaftliche Arbeitskräfte von bestimmten gesetzlichen Schutzbestimmungen ausgenommen. In Kanada (Ontario) werden „Saisonarbeiter in der Landwirtschaft" von dem Schutz ausgenommen, den das Gesetz über Gleichbehandlung in der Beschäftigung (1993) gewährt25. Kinderarbeit und Gesetzgebung Sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Industrieländern stellen Kinder einen erheblichen und ansteigenden Anteil an den landwirtschaftlichen Arbeitskräften26. In der Regel enthalten die Arbeitsgesetzbücher nicht nur allgemeine Bestimmungen, die die Arbeitgeber dazu verpflichten, eine sichere Arbeitsumwelt zu schaffen, sondern regeln auch die Kinderarbeit und die Arbeit schwangerer oder stillender Frauen zum Schutz ihrer Sicherheit und Gesundheit. In vielen Ländern ist es untersagt, Kinder unter 14 Jahren zu beschäftigen. Kindern in den Altersgruppen 14-16 bis 18 Jahren ist es untersagt, bestimmte gefährliche Tätigkeiten zu verrichten, u.a. Nachtarbeit und Arbeit in großen Höhen. Von besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft sind Bestimmungen, I0-17G.98

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die es Jugendlichen untersagen, Arbeiten zu verrichten, die mit einer Exposition gegenüber Chemikalien wie Düngemitteln und Pestiziden oder dem Heben schwerer Lasten verbunden sind (beispielsweise Costa Rica, Litauen, Nicaragua, Schweden)27. Die Gesetze vieler Länder untersagen es darüber hinaus Jugendlichen, bestimmte Tätigkeiten zu verrichten. Ein einschlägiges Beispiel ist Paraguay: Dort ist es Kindern unter 18 Jahren untersagt, Traktoren, Erntemaschinen oder sonstige gefährliche landwirtschaftliche Maschinen zu fahren. In der Praxis sind die in den Gesetzen vieler Länder vorgesehenen Einschränkungen der Kinderarbeit begrenzt oder gelten nicht für den Landwirtschaftssektor. In einigen Fällen ist dies darauf zurückzuführen, daß die Landwirtschaft von den Arbeitsgesetzen, die die Kinderarbeit regeln, ausgenommen ist. Beispielsweise schließt das Recht der Dominikanischen Republik landwirtschaftliche Betriebe von denjenigen Bestimmungen der Arbeitsgesetze aus, die die Kinderarbeit und die Arbeitszeit regeln28. Aus einer neueren Studie über die Kinderarbeitsgesetze in 157 IAO-Mitgliedstaaten ging hervor, daß „in etwas mehr als 40 Ländern eine landwirtschaftliche Tätigkeit in jedem Alter zulässig ist"29. In vielen Ländern ist „leichte landwirtschaftliche Arbeit" oder „leichte Erntearbeit" bereits ab dem Alter von zwölf Jahren unter der Voraussetzung zulässig, daß die Arbeit keinen störenden Einfluß auf den Schulbesuch des Kindes hat30. Trotzdem ist es so, daß Familienbetriebe und die Subsistenzlandwirtschaft nicht in den Geltungsbereich der Gesetze fallen und daß ein großer Teil der Kinder (vielfach bereits ab dem Alter von fünf Jahren) ihren Eltern helfen oder auf dem Feld spielen, während die Arbeit verrichtet wird31. Alle Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter, 1973, ratifiziert haben, sind gehalten, ein Mindestalter für den Zugang zur Beschäftigung festzulegen. In den 59 Mitgliedstaaten, die dieses Übereinkommen ratifiziert haben, ist ein entsprechendes Mindestalter zwischen 14 und 16 Jahren vorgeschrieben worden32. In Artikel 3 und 4 des Übereinkommens wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens „begrenzte Kategorien der Beschäftigung oder Arbeit" auszunehmen, mit Ausnahme einer Beschäftigung oder Arbeit, die „wegen ihrer Art und der Verhältnisse, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Jugendlichen gefährlich ist". Das Übereinkommen Nr. 138 gilt für „Plantagen und andere vorwiegend zu Erwerbszwecken erzeugende landwirtschaftliche Betriebe", schließt aber ausdrücklich „Familien- oder Kleinbetriebe, deren Erzeugnisse für den örtlichen Verbrauch bestimmt sind und die nicht regelmäßig Lohnarbeiter beschäftigen" aus33. Weibliche Arbeitskräfte in der Landwirtschaft Arbeits- und Arbeitsschutzgesetze enthalten häufig spezielle Regelungen für weibliche Arbeitskräfte, insbesondere für Schwangere und stillende Mütter. In den meisten Gesetzen werden Schwangeren und stillenden Müttern bestimmte Arten gefährlicher Arbeiten untersagt, beispielsweise das Heben schwerer Lasten oder die Exposition gegenüber gefährlichen chemischen Stoffen und ionisierenden Strahlen. Als Beispiele von Mitgliedstaaten, die gesetzliche Bestimmungen dieser Art vorgesehen haben, seien China, Litauen und Nicaragua genannt34. Unter 10-17G.98

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Umständen sind die Arbeitgeber verpflichtet, Frauen von Arbeitsplätzen, die in dieser Hinsicht Gefahren aufweisen, an andere Arbeitsplätze zu versetzen, an denen keine derartigen Sicherheits- und Gesundheitsgefahren vorhanden sind. Indessen sind diese Bestimmungen allgemein gültig und beziehen sich nicht ausdrücklich auf die landwirtschaftliche Arbeit. Der Schutz wird oft in gesonderten Gesetzen vorgesehen. In einigen Ländern werden nur ständig beschäftigte landwirtschaftliche Arbeitskräfte erfaßt. In den folgenden Ländern werden weibliche landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausdrücklich geschützt: Ägypten, Angola, Bahrain, Belize, Ghana, Griechenland, Guinea-Bissau, Islamische Republik Iran, Italien, Kambodscha, Libanon, Madagaskar, Tschechische Republik und Ungarn. In Indien, Nepal, Pakistan und Sri Lanka werden weibliche landwirtschaftliche Arbeitskräfte auf Plantagen geschützt. In vielen Ländern fallen jedoch weibliche landwirtschaftliche Arbeitskräfte nicht unter die Mutterschutzvorschriften oder werden ausdrücklich hiervon ausgenommen. Hierzu zählen Bolivien, Dominica, El Salvador, Jemen, Lesotho, Peru, Philippinen, Saudi-Arabien, Sudan, Swasiland, Arabische Republik Syrien und die Türkei35. In der überwiegenden Mehrzahl der Länder ist per Gesetz ein bezahlter Mutterschaftsurlaub vorgesehen; viele bieten darüber hinaus Leistungen im Bereich der Gesundheitsfürsorge und Beschäftigungsgarantien; indessen ist die Kluft zwischen Gesetzgebung und Praxis nach wie vor tief. Zu den Personen, die in dieser Hinsicht am meisten benachteiligt sein dürften, zählen u.a. weibliche landwirtschaftliche Arbeitskräfte, denen derartige Leistungen oft vorenthalten werden. Dennoch ist festzustellen, daß der Einfluß der Arbeitsumwelt auf die reproduktive Gesundheit und die schädlichen Auswirkungen einer Exposition von Schwangeren gegenüber gefährlichen Stoffen wie Pestiziden auf die Schwangerschaft immer stärker in das Bewußtsein dringen. Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft nicht ausschließen Es ist die Tendenz festzustellen, von industriespezifischen Arbeitsschutzgesetzen abzugehen. In vielen Industrie- und einigen Entwicklungsländern sind die Fabrikgesetze durch umfassende Arbeitsschutzgesetze, die für alle oder die meisten Wirtschaftszweige, einschließlich der Landwirtschaft, gelten, ersetzt worden oder werden derzeit ersetzt. Beispielsweise wurde 1997 in Hongkong, China, eine neue Arbeitsschutzverordnung erlassen, die die frühere Verordnung über Fabriken und Industriebetriebe ablöste, was zur Folge hatte, daß die Zahl der durch Arbeitsschutzgesetze geschützten Arbeitnehmer von 800.000 auf 2,6 Millionen anstieg36. In einigen Ländern wurden die Gesetze erst einige Zeit nach ihrer Verabschiedung auf die Landwirtschaft ausgeweitet37. Dieser umfassendere Ansatz in bezug auf den Geltungsbereich der Arbeitsschutzgesetze ist nicht auf Industrieländer beschränkt. Auch Mauritius, Lesotho und Namibia haben Arbeitsschutzgesetze erlassen, die in der Regel für jeden Arbeitsplatz gelten, an dem Arbeit im Rahmen eines Arbeitsvertrags verrichtet wird38. Als weitere Beispiele für Länder, die diesen Weg beschritten haben, sind Australien, Bulgarien, Fidschi, Malaysia, Mexiko, Neuseeland und Ungarn zu nennen39. Einige Länder, wie beispielsweise 10-17G.98

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Jamaika und Trinidad und Tobago, sind zur Zeit dabei, ähnliche Gesetze zu erlassen40. Eine besondere Breitenwirkung im Vereinigten Königreich und in den Ländern des Commonwealth hat der „Bericht des Ausschusses für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz" erzielt, besser bekannt als „der Robens-Bericht", da Lord Roberts in diesem Ausschuß den Vorsitz führte41. Eine der bedeutendsten Empfehlungen des Robens-Berichts besagte, daß Arbeitsschutzgesetze für einzelne Industriezweige nach und nach außer Kraft gesetzt und durch ein Rahmengesetz für die gesamte Industrie ersetzt werden sollten. Arbeitsschutzfragen, die spezifische Gefahren oder Industriezweige berühren, sollten in Vorschriften und Sammlungen praktischer Richtlinien geregelt werden, die aufgrund dieses Rahmengesetzes veröffentlicht würden. Das Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, sowie einflußreiche Regierungsberichte und regionale Richtlinien haben sich auf diese weltweite Tendenz ausgewirkt. In Europa hat die sogenannte „Arbeitsschutzrahmenrichtlinie" (die Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit)42 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu Veränderungen geführt, da diese dazu verpflichtet sind sicherzustellen, daß ihre jeweiligen Arbeitsschutzgesetze den Anforderungen dieser Richtlinie genügen43. Diese Richtlinie gilt für alle Wirtschaftssektoren, einschließlich der Landwirtschaft. Darüber hinaus gibt es einige europäische Arbeitsschutzrichtlinien, die speziell auf Fragen der Sicherheit und Gesundheit in der Landwirtschaft eingehen. Sie befassen sich überwiegend mit Pestiziden, Maschinenschutz und der ergonomischen Auslegung von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Maschinen44. Infolge dieser Entwicklungen gibt es in vielen Ländern jetzt gesetzliche Bestimmungen, die den Arbeitsschutz ganz allgemein für eine breite Palette von Wirtschaftssektoren, einschließlich der Landwirtschaft, regeln. Ein typischer Fall ist die Republik Südafrika, die 1993 Gesetzgebung erließ, die für alle Bereiche wirtschaftlicher Tätigkeit mit Ausnahme von Bergwerken und bestimmten Schiffen gilt45. Der allgemeine Inhalt derartiger Gesetze kann durch einen Hinweis auf diese Gesetzgebung veranschaulicht werden. Die Hauptanforderungen nach dem südafrikanischen Arbeitsschutzgesetz von 1993 sind immer dann zu erfüllen, wenn eine Person „eine andere Person beschäftigt oder dieser Arbeit bietet und ihr ein Entgelt zahlt bzw. sich ausdrücklich oder stillschweigend dazu verpflichtet, dieser ein Entgelt zu zahlen" (Paragraph 1 (1)). Wie dies bei allen Gesetzen dieser Art gewöhnlich der Fall ist, begründet das Gesetz verbindliche und in bezug auf ihren Geltungsbereich sehr allgemeine Verpflichtungen. Beispielsweise ist ein Arbeitgeber (auch ein Arbeitgeber landwirtschaftlicher Arbeitskräfte) gemäß Paragraph 8 (1) gehalten, „soweit wie praktisch durchführbar eine Arbeitsumwelt zu schaffen und zu erhalten, die sicher ist und die Gesundheit seiner Arbeitskräfte nicht gefährdet". In den allgemeinen Arbeitsschutzgesetzen zahlreicher anderer Länder werden ähnliche umfassende Pflichten festgelegt. Die Verabschiedung derartiger Rahmengesetze hat erhebliche Folgen für die Erfassung des landwirtschaftlichen Sektors mit sich gebracht. Beispielsweise war in Neuseeland vor 1992 Gesetzgebung in Kraft, die ausdrücklich den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte vorsah46. Diese 10-17G.98

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Gesetzgebung wurde jedoch durch die allgemeine Arbeitsschutzgesetzgebung von 1992 ersetzt, die für alle Beschäftigungsformen in Neuseeland gilt mit Ausnahme der Heimarbeit47. Ein spezieller Schutz der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Neuseeland ist jetzt in Vorschriften enthalten, die aufgrund dieses allgemeinen Rahmengesetzes erlassen worden sind48. In diesem besonderen Fall dürfte diese Entwicklung einen umfassenderen Schutz für den landwirtschaftlichen Sektor zur Folge gehabt haben. Beispielsweise bezog sich das frühere Gesetz nur auf die Unterbringung, die Erste Hilfe und die allgemeine Sicherheit, wohingegen die neuen Vorschriften und das Gesetz, aufgrund dessen sie erlassen wurden, auf diese Fragen im Kontext eines umfassenderen Arbeitsschutzes unter dem Aspekt des Risikomanagements in allen Industriezweigen, einschließlich der Landwirtschaft, eingehen. Auch in anderen Ländern, die in den letzten Jahren Arbeitsschutzrahmengesetze erlassen haben, sind Gesetze außer Kraft gesetzt worden, die ausdrücklich für landwirtschaftliche Arbeitskräfte galten (beispielsweise in Australien und im Vereinigten Königreich)49. Regionale Normen Im November 1976 nahm der Rat der Europäischen Gemeinschaften eine Entschließung50 über Maßnahmen zur Vereinfachung der Agrarmarktregelungen unter ihren Mitgliedern zwecks Durchführung einer gemeinsamen Landwirtschaftspolitik an. Die Kommission wurde gebeten, die Koordination aller Organe zu verbessern, die für die Ausarbeitung und Durchführung der für die Landwirtschaft geltenden Gesetze zuständig sind. Diese Initiative bezog sich hauptsächlich auf Marktbeziehungen und wichtige wirtschaftliche Voraussetzungen für den Aufbau von Mechanismen für eine gemeinsame Landwirtschaftspolitik. Diskussionen über das Programm der Europäischen Kommission in bezug auf den Arbeitsschutz, die zwischen 1987 und 1992 stattfanden, trugen erheblich zur Annahme einer Reihe von Richtlinien bei, die sich ausdrücklich mit der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit befassen. Darüber hinaus nahm die Europäische Gemeinschaft 1988 die Landwirtschaft als risikoreichen Sektor in ihr Aktionsprogramm für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf. Auch das Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, sowie das Übereinkommen (Nr. 161) über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, bildeten einen wichtigen Präzedenzfall für die während jenes Zeitraums vorgeschlagenen gesetzgeberischen Reformen; u.a. brachten sie das Konzept eines breiteren Geltungsbereichs in die innerstaatlichen Gesetze ein. Die Richtlinie des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (1989)5' stellt das beste Beispiel dieser Art dar. Diese Richtlinie gilt für alle Bereiche wirtschaftlicher Tätigkeit, einschließlich der Landwirtschaft, unbeschadet der Möglichkeit, daß in Zukunft strengere Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaft erlassen werden. Seitdem sind einige Arbeitsschutzrichtlinien angenommen worden, die sich auf diese Rahmenrichtlinie stützen. Die Notwendigkeit einer Richtlinie über den Schutz der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ist mehrfach innerhalb der Euro-

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päischen Kommission erörtert worden; bis heute ist eine entsprechende Initiative jedoch nicht offiziell vorgeschlagen worden52. Innerstaatliche Arbeitsschutzgesetze, die die Landwirtschaft in umfassender Weise behandeln Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es nur in wenigen Ländern sehr detaillierte Arbeitsschutzgesetze für die Landwirtschaft gibt. Die besten Beispiele hierfür sind Argentinien und Frankreich. In Argentinien sind die Vorschriften über Sicherheit und Gesundheit bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten am 7. Juli 1997 in Kraft getreten". Diese Vorschriften befassen sich mit einer Reihe von Aspekten der Sicherheit und Gesundheit der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, u.a.: Allgemeine Verpflichtungen (Titel I); Infrastruktur (Titel II); Maschinen, Werkzeuge (Titel III); Schadstoffe (Titel IV); durch Elektrizität gegebene Gefahren (Titel V); Materialtransport (Titel VI); Brandverhütung (Titel VII); Fahrzeuge (Titel VIII); Forstwirtschaft (Titel IX); Tiere (Titel X) und Ausbildung (Titel XI). Anlaß für die Ausarbeitung dieser Vorschriften war die Erkenntnis, daß die vorhandenen argentinischen Arbeitsschutzgesetze zwar einen allgemeinen Geltungsbereich hatten, sich jedoch nicht in ausreichender Weise mit den spezifischen Gefahren landwirtschaftlicher Tätigkeiten befaßten54. Darüber hinaus hat Argentinien eine dem Arbeitsministerium zugeordnete dreigliedrige Nationale Kommission für landwirtschaftliche Tätigkeiten zur Überwachung der Durchführung des Gesetzes eingesetzt. Das zweite Beispiel eines umfassenden gesetzgeberischen Ansatzes im Bereich der Sicherheit und Gesundheit in der Landwirtschaft findet sich im französischen Arbeitsgesetzbuch. Es enthält detaillierte Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheit, die seit 1979 für landwirtschaftliche Betriebe gelten55. Das Arbeitsgesetzbuch enthält spezifische Regeln für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit in landwirtschaftlichen Betrieben56. Ergänzt werden diese Regeln durch Vorschriften und Erlasse, die detailliert auf bestimmte Aspekte der Sicherheit und Gesundheit in der Landwirtschaft eingehen57. Im französischen Arbeitsgesetzbuch finden sich auch spezielle Vorschriften für die Anwendung und Durchsetzung von Arbeitsschutzanforderungen, die für landwirtschaftliche Betriebe gelten. In Artikel L.231-1-2 wird erklärt, daß die dem Arbeitsministerium und den Arbeitsinspektoren aufgrund dieser Vorschriften übertragenen Befugnisse „in bezug auf die in Artikel L.231-1 genannten landwirtschaftlichen Betriebe durch den Minister für Landwirtschaft bzw. die ihm unterstehenden Arbeitsinspektoren ausgeübt werden". Der Landwirtschaftsminister wird bei der Ausarbeitung der Erlasse und Vorschriften für den Landwirtschaftssektor von Beratungsgremien unterstützt, in denen die jeweils gleiche Anzahl von Vertretern von Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer vertreten ist58. Im Arbeitsgesetzbuch wird auf die Arbeitsmedizin59 verwiesen, die auch für den landwirtschaftlichen Sektor gilt. Die Arbeitgeber sind gehalten, im Einklang mit den einschlägigen Artikeln und Erlassen „betriebsärztliche Dienste einzurichten"60. Auch das brasilianische Recht enthält detaillierte Bestimmungen über die Sicherheit und Gesundheit landwirtschaftlicher Arbeitskräfte. Das Gesetz Nr. 5.889 vom 5. Juni 1973 ist ein Rahmengesetz, das sich mit landwirtschaft10-17G.98

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liehen Arbeitskräften befaßt. Indessen trat dieses Gesetz erst 15 Jahre nach seiner Verabschiedung in Kraft, und zwar im Rahmen der Verordnung, die entsprechend Gesetz Nr. 5.889 (1988) erlassen wurde. Im selben Jahr wurden gemäß Artikel 7 der Bundesverfassung landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausdrücklich städtischen Arbeitskräften gleichgestellt61. Als Folge dieser Reformen wurden im Rahmen dieses Gesetzes 1988 auch eine Reihe von Vorschriften erlassen, die sich mit Fragen wie Unfallverhütung, persönlichen Schutzausrüstungen und chemischen Stoffen befaßten. Weitere Beispiele sind: Australien, Kanada, Schweden, Spanien, Vereinigten Staaten und Vereinigtes Königreich. In all diesen Ländern gibt es eine erhebliche Anzahl von Erlassen und Vorschriften für landwirtschaftliche Tätigkeiten, die die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitskräfte schützen sollen. SUBSIDIÄRE ARBEITSSCHUTZNORMEN FÜR DIE LANDWIRTSCHAFT

Die umfassenden, in den Rahmengesetzen über den Arbeitsschutz und in den Arbeitsgesetzen aufgeführten Pflichten zeigen nur eine begrenzte Wirkung, es sei denn, sie werden durch spezifische Erlasse und Vorschriften ergänzt, in denen Expositionsnormen, Aufzeichnungs- und Meldevorschriften sowie andere detaillierte Regeln aufgeführt sind. In der Regel werden derartige Vorschriften im Rahmen von Richtliniensammlungen, Anleitungen und ähnlichen Dokumenten ausgearbeitet. Zweck dieser nicht unbedingt rechtsverbindlichen Instrumente ist es, Arbeitgebern und sonstigen Personen praktische Orientierungshilfe in bezug auf die Erfüllung ihrer gesetzlichen Fürsorgepflichten zu bieten. Die subsidiären Arbeitsschutzgesetze vieler Länder betreffen drei miteinander verbundene Ebenen: 1. allgemeine, in Gesetzen aufgeführte Pflichten von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und sonstigen Personen; 2. spezifischere Pflichten, die in Erlassen und Vorschriften aufgezählt werden; und 3. praktische Ratschläge in Richtliniensammlungen, technischen Normen, Ausbildungsmaterial und Orientierungsmaterial, die keinen rechtsverbindlichen Charakter haben. Auf dieser zweiten und dritten Ebene befassen sich die nationalen Gesetze einiger Länder mit Fragen der Sicherheit und Gesundheit in der Landwirtschaft. Infolge eines Mangels an detaillierten Normen kommt es jedoch vor, daß viele derartige Gesetze keine umfassende Regelung der Arbeitsschutzfragen in der Landwirtschaft enthalten. Dies stellt eine erhebliche Lücke in bezug auf den gesetzlichen Schutz landwirtschaftlicher Arbeitskräfte im Bereich der Sicherheit und Gesundheit dar. Es gibt Anzeichen für positive Entwicklungen in dieser Hinsicht, da einige Länder derzeit spezifische Gesetze für diesen Sektor verabschieden. Der IAO wurde von der Regierung Fidschis mitgeteilt, daß sie beabsichtigt, innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre spezifische landwirtschaftsbezogene Vorschriften und Normen zu erlassen. Im Mai 1998 legte Bulgarien seiner Nationalversammlung eine Gesetzesvorlage über landwirtschaftliche und 10-17G.98

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forstwirtschaftliche Maschinen vor. Chile hat vor kurzem eine Sammlung praktischer Richtlinien für forstwirtschaftliche Arbeiten verabschiedet. In den allgemeinen Arbeitsgesetzen findet sich eine breite Palette von Arbeitsschutzbestimmungen: von umfassenden ausführlichen Bestimmungen bis zu spezifischeren, die überwiegend den Maschinenschutz und die Sicherheit beim Umgang mit chemischen Stoffen abdecken. Einige Länder ergänzen die grundlegenden Bestimmungen ihrer Arbeitsgesetze durch umfassendere Anforderungen, die in spezifischen Erlassen oder Vorschriften niedergelegt sind (beispielsweise Brasilien, Kuba, Spanien und Vietnam)62. Darüber hinaus gibt es Bestimmungen, die sich mit Arbeitsbedingungen und spezifischen Kategorien von landwirtschaftlichen Arbeitskräften befassen, u.a. Mutterschutz, Wanderarbeitnehmer, Kinderarbeit, Arbeitszeit und Unfallentschädigung63. In einigen Ländern gibt es neben den Bestimmungen der Arbeitsgesetze, die sich auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beziehen, noch umfassende Arbeitsschutzvorschriften (Burundi, China, Frankreich und Polen)64. In einigen Ländern sind die Arbeitsschutzgesetze in die jeweiligen Arbeitsgesetzbücher einbezogen, indem ohne Wiederholung des Wortlauts auf jene Gesetze verwiesen wird (Japan, Republik Korea)65. Einige der zahlreichen subsidiären Erlasse und Vorschriften für den landwirtschaftlichen Sektor befassen sich mit den folgenden Themen: — Sicherheitsmaßnahmen im Fall beweglicher landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Maschinen; — Schutz landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, die Pestiziden ausgesetzt sind; — Berufskrankheiten in der Landwirtschaft; — arbeitsmedizinische Dienste in der Landwirtschaft; — spezielle Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Sprengstoffen in der Landwirtschaft; — Unfallverhütung in landwirtschaftlichen Silos; — Arbeitsgänge in landwirtschaftlichen Betrieben, die eine besondere ärztliche Überwachung erfordern; und — während der Zubereitung und des Einsatzes von Antiparasitika in der Landwirtschaft zu ergreifende Sicherheitsmaßnahmen usw. Erlasse und Vorschriften über landwirtschaftliche Maschinen In diesem Abschnitt des Berichts werden Beispiele von Vorschriften und Gesetzen über landwirtschaftliche Maschinen und Ausrüstungen untersucht. Viele Verletzungen und Todesfälle landwirtschaftlicher Arbeitskräfte und ihrer Familienangehörigen werden durch umstürzende-Traktoren und die Exposition gegenüber gefährlichen Teilen von landwirtschaftlichen Maschinen und Ausrüstungen wie Bohrer und Erntemaschinen hervorgerufen66. In einigen Ländern wurden als Ergänzung zu allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsgesetzen Verordnungen und Vorschriften erlassen, die die Hersteller und Arbeitgeber dazu verpflichten, die Sicherheit derjenigen Arbeitskräfte zu gewährleisten, die mit bestimmten Ausrüstungen und Maschinen arbeiten (Ungarn, Namibia, Norwegen)67. Gesetze dieser Art verpflichten einen Hersteller 10-I7G.98

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in der Regel dazu sicherzustellen, daß die von ihm hergestellten Ausrüstungen für Verbraucher sicher sind. Ferner sehen sie im allgemeinen vor, daß die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern sichere Maschinen und Ausrüstungen zur Verfügung zu stellen und für deren Instandhaltung Sorge zu tragen haben. Diese Erfordernisse stehen im Einklang mit dem Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981. Im allgemeinen werden in den Arbeitsschutzgesetzen besondere Sicherheitsvorkehrungen wie Umsturzschutzvorrichtungen (ROPS) für bestimmte landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren gefordert. In Ländern wie Finnland, Frankreich, Norwegen, Schweden und den Vereinigten Staaten gibt es derartige Gesetze seit mehr als einem Jahrzehnt. Spanien hat in den letzen Jahren detaillierte Gesetze über Traktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen erlassen. In der Regel wird in den Gesetzen, die ROPS vorschreiben, von den Herstellern und Lieferanten bestimmter Traktoren verlangt, diese vor dem Vertrieb und Verkauf mit ROPS auszustatten. Ferner sind die Arbeitgeber gehalten sicherzustellen, daß Traktoren mit ROPS versehen werden68. Es wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß der Rat der Europäischen Gemeinschaften eine Reihe von Richtlinien über landwirtschaftliche Maschinen angenommen hat, u.a. eine Richtlinie über ROPS im Jahr 198769. Das Übereinkommen (Nr. 119) über den Maschinenschutz, 1963,-und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 118) gelten für „bewegliche landwirtschaftliche Maschinen"70. Das Übereinkommen insgesamt gilt somit für landwirtschaftliche Maschinen; Artikel 1 (3) b) besagt jedoch, daß die Bestimmungen des Übereinkommens „für bewegliche landwirtschaftliche Maschinen nur dann gelten, soweit sie die Sicherheit der Arbeitnehmer betreffen, deren Beschäftigung mit diesen Maschinen zusammenhängt". Dieses Übereinkommen trat am 21. April 1965 in Kraft und ist bis zum 17. Juni 1998 von 49 Mitgliedstaaten ratifiziert worden. In seiner Allgemeinen Erhebung von 1987 über die Sicherheit in der Arbeitsumwelt stellte der Sachverständigenausschuß für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen7' fest, daß einige Länder (Sierra Leone, Zaire72 und Zypern) im Begriff waren, ihre Maschinenschutzgesetze so auszuweiten, daß — wie im Übereinkommen gefordert — sowohl landwirtschaftliche Maschinen als auch Fabrikmaschinen erfaßt würden. Der Sachverständigenausschuß hat zudem häufig in seinen Berichten darauf hingewiesen, daß Länder, einschließlich derjenigen, die das Übereinkommen Nr. 119 ratifiziert haben, das Übereinkommen in bezug auf landwirtschaftliche Maschinen nicht vollständig durchführen. So stellte der Ausschuß beispielsweise in seinem Bericht von 1989 über die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen fest, daß die Gesetzgebung in Zaire nicht für landwirtschaftliche Maschinen gilt. Ähnliche Feststellungen traf der Ausschuß 1990 in bezug auf die Türkei, 1995 und 1998 in bezug auf Marokko und 1996 und 1998 in bezug auf Ghana. In seinem Bericht an den Sachverständigenausschuß erklärte Frankreich, daß es das Übereinkommen Nr. 119 nicht ratifizieren könne, da es sich auch auf bewegliche landwirtschaftliche Maschinen erstrecke71. Jedoch hatte bis 1987 lediglich ein Land entsprechend der Möglichkeit in Artikel 17 (2) bei der Ratifizierung die Durchführung des Übereinkommens eingeschränkt74. 10-I7G.98

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Erlasse und Vorschriften über gefährliche Stoffe Die Arbeitsschutzgesetze vieler Länder verpflichten die Hersteller und Lieferanten gefährlicher Stoffe sowie die diese Stoffe einsetzenden Arbeitgeber dazu, Arbeitnehmer vor den durch diese Stoffe gegebenen Gefahren zu schützen. In Gesetzen dieser Art werden Hersteller und Lieferanten in der Regel dazu verpflichtet, die Behälter derartiger Stoffe mit Gefahreninformationen beispielsweise in Form von chemischen Sicherheitsdatenblättern zu versehen. Arbeitgeber wiederum sind verpflichtet, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, u.a. die Informierung ihrer Arbeitnehmer über die bei der Arbeit verwendeten Stoffe. Die am häufigsten in der Landwirtschaft eingesetzten Stoffe sind Düngemittel und Pestizide. In vielen Ländern wird der Einsatz von Pestiziden und sonstigen Agrochemikalien genau geregelt75. In Ländern wie Indien, Pakistan und Sri Lanka sind derartige Gesetze ebenso wie Gesetze über „Plantagen" die wichtigsten Arbeitsschutzgesetze für die Landwirtschaft. Derartige Gesetze: — untersagen in der Regel den Einsatz bestimmter Pestizide in vollem Umfang oder schreiben eine von der zuständigen Stelle zu erteilende Lizenz vor (in einigen Fällen ist in den Gesetzen eine Liste der verbotenen Stoffe aufgeführt); — schreiben Lagerungsbedingungen, Normen für Behälter und Arbeitsmethoden vor, die bei der Mischung und der Anwendung von Pestiziden einzuhalten sind; — regeln die Arbeitszeit für Arbeitnehmer, die Pestizide mischen und versprühen; — schreiben persönliche Schutzausrüstungen vor, die von derartigen Arbeitnehmern anzulegen sind; — schreiben Warnzeichen vor, die beim Versprühen von Pestiziden aufzustellen sind; — führen die Gesundheitsprüfungen auf, die an Arbeitnehmern vorzunehmen sind, welche Pestizide anwenden, und schreiben vor, welche der diesbezüglichen Untersuchungsberichte aufzubewahren und der zuständigen Stelle vorzulegen sind; und — regeln die Beseitigung von Rückständen und Abfällen. Das Übereinkommen (Nr. 170) über chemische Stoffe, 1990, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 171) traten am 4. Nov. 1993 in Kraft; bis zum 17. Juni 1998 sind sieben Ratifikationen dieses Übereinkommens eingegangen. Der Präambel zufolge ist es der Zweck des Übereinkommens, „das Auftreten von durch chemische Einwirkungen verursachten Erkrankungen und Verletzungen bei der Arbeit zu verhüten oder zu verringern". Das Übereinkommen gilt für „alle Wirtschaftszweige, in denen chemische Stoffe verwendet werden" (Artikel 1). Da chemische Stoffe in großem Umfang in der Landwirtschaft eingesetzt werden, ist das Übereinkommen zweifellos für diesen Sektor von großer Bedeutung. In der Empfehlung (Nr. 151) betreffend Wanderarbeitnehmer, 1975, werden die diesbezüglichen Schwierigkeiten der Wanderarbeitnehmer anerkannt. Arti10-17G.98

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kel 22 (1) empfiehlt, daß Arbeitgeber „durch alle ihnen zu Gebote stehenden Maßnahmen dafür sorgen sollten, daß die Wanderarbeitnehmer den Sinn von Anweisungen, Warnschildern, Symbolen und sonstigen Zeichen, die sich auf den Arbeitsschutz und gesundheitliche Gefahren bei der Arbeit beziehen, vollkommen erfassen". In Artikel 22 (3) wird vorgeschlagen, welchen Ansatz die Mitglieder bei der Behandlung dieser Fragen verfolgen könnten. In seiner Allgemeinen Erhebung über Wanderarbeitnehmer von 1980 kam der Sachverständigenausschuß für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen zu der Schlußfolgerung, daß es aufgrund der besonderen Probleme der Wanderarbeitnehmer im Bereich der Sicherheit und Gesundheit „von entscheidender Bedeutung ist, nicht nur eine angemessene Ausbildung in Sicherheits- und Gesundheitsfragen zu gewährleisten, sondern auch die Arbeitgeber einerseits von der Notwendigkeit zu überzeugen sicherzustellen, daß die Wanderarbeitnehmer alle Sicherheits- und Gesundheitsanweisungen und Vorsichtsmaßnahmen voll verstehen, und ihnen [den Arbeitgebern] andererseits begreiflich zu machen, daß sie möglicherweise zu diesem Zweck besondere Maßnahmen ergreifen müssen, da die für andere Arbeitnehmer durchgeführten Schulungen und Unterweisungen für Wanderarbeitnehmer unzureichend sein könnten"76. Unterbringung und sonstige Einrichtungen In einigen Ländern sind Arbeitgeber in der Landwirtschaft gesetzlich dazu verpflichtet, den Arbeitskräften elementare Einrichtungen wie Unterkunft, sanitäre Anlagen, Trinkwasser, Abtransport bei Verletzungen sowie Erste-HilfeEinrichtungen zu bieten; in einigen Fällen stehen diese Einrichtungen auch den Familienangehörigen der Arbeitskräfte zur Verfügung. Die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen reichen von äußerst detaillierten Vorschriften, die sich beispielsweise mit Ernährungsanforderungen befassen (u.a. Chile und Uruguay), bis zu sehr allgemeinen Vorschriften, die eine „geeignete und ausreichende Unterbringung" fordern (Neuseeland)77. Bestimmungen über Schulung und Informierung in Fragen der Sicherheit und Gesundheit Die Sicherheits- und Gesundheitsgesetze vieler Länder erkennen auch die Bedeutung der Schulung und Informierung an und schreiben den Arbeitgebern, einschließlich der Arbeitgeber in der Landwirtschaft, vor, ihren Arbeitskräften eine solche Schulung und Informierung zu bieten (Äthiopien, Norwegen)78. Ähnliche Bestimmungen sind in den Gesetzen der Länder enthalten, die sich ausdrücklich mit der Sicherheit und Gesundheit in der Landwirtschaft befassen (Argentinien, Frankreich)79. Da die Saisonarbeit während der Erntezeiten überwiegend von lese- und schreibunkundigen Arbeitskräften sowie Wanderarbeitnehmern verrichtet wird, ist davon auszugehen, daß viele dieser Arbeitskräfte bei ihrer Arbeit auf Lese-, Sprach- und kulturelle Schwierigkeiten stoßen, was ihre Sicherheit gefährdet. In einigen nationalen Gesetzen wird ausdrücklich anerkannt, daß es wichtig ist, die Informationen in den den Arbeitskräften verständlichen Sprachen zu bieten. In den ungarischen Gesetzen wird beispielsweise folgendes erklärt: I0-17G.98

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Wenn eine des Ungarischen unkundige Arbeitskraft beschäftigt wird, so hat der Arbeitgeber die Betriebsanweisungen, Warnzeichen und Verbots- und Informationsschilder auch in einer diesem Arbeitnehmer verständlichen Sprache zur Verfügung zu stellen80.

In den Sicherheits- und Gesundheitsgesetzen Australiens (Victoria) und Fidschis findet sich ein ähnliches Erfordernis: Dort wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, daß die Informationen in einer den Arbeitskräften verständlichen Sprache geliefert werden81. Die zuständige Stelle Victorias hat ferner eine Sammlung praktischer Richtlinien erarbeitet, um Arbeitgebern dabei behilflich zu sein, ihre Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern zu erfüllen, deren Erstsprache nicht Englisch ist82. Die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Entwicklungsländern sind zum großen Teil lese- und schreibunfähig, und einige Länder berücksichtigen diese Tatsache in ihren Bestimmungen. Beispielsweise hat in Argentinien ein Arbeitgeber in der Landwirtschaft bei der Bestimmung, welche Schulung zu bieten ist, „den von einem Arbeitnehmer erreichten Bildungsstand" zu berücksichtigen83. Es wird generell anerkannt, daß Arbeitnehmer zwecks Verrichtung ihrer Arbeit in einer für sie und ihre Umwelt sicheren Weise eine Sicherheitsausbildung und -Unterweisung benötigen. Im Übereinkommen Nr. 155 (Artikel 19 d) wird erklärt, daß Vorkehrungen auf der Ebene des Betriebs zu treffen sind, wonach „die Arbeitnehmer und ihre Vertreter im Betrieb eine angemessene Ausbildung auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes erhalten". In der Empfehlung Nr. 164 (Absatz 12 (2) a)) heißt es ergänzend, daß alle Betroffenen „über Fragen des Arbeitsschutzes ausreichend informiert" werden sollten. SONSTIGE FÜR DIE LANDWIRTSCHAFT GELTENDE GESETZE

Neben den allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsgesetzen und den Vorschriften über spezifische Arbeitsschutzfragen im Landwirtschaftssektor gibt es „eigenständige" Gesetze; hierunter sind Gesetze zu verstehen, die nicht den Rahmengesetzen über Sicherheit und Gesundheit untergeordnet sind. Diese Unterscheidung ist u.a. deswegen wichtig, weil die „eigenständigen" Gesetze oft von einer anderen Stelle oder Institution als derjenigen durchgeführt werden, die die Arbeitsschutzrahmengesetze oder Arbeitsgesetze durchführt. Beispielsweise werden Gesetze über Pestizide in der Regel von den Ministerien für Landwirtschaft, Umwelt oder Gesundheit durchgeführt. Dies hat Auswirkungen auf die Koordinierung der Durchführung und Durchsetzung von Sicherheits- und Gesundheitsgesetzen für den Landwirtschaftssektor. Trotz der bereits genannten bemerkenswerten Ausnahmen hat das Fehlen einer Politik und eines umfassenden Ansatzes für die Durchführung der Gesetze für diesen Sektor zur Folge, daß einzelne Vorschriften von verschiedenen Ministerien durchgesetzt werden — oft ohne Koordinierung. Dies kann die Anwendung der wichtigsten Gesetze auf den Landwirtschaftssektor in erheblichem Ausmaß in Frage stellen. Ein einschlägiges Beispiel hierfür bietet Honduras. Um die technologische Entwicklung in der Landwirtschaft zu fördern und einige der die Modernisierung hemmenden bürokratischen Hindernisse zu umgehen, räumen die Gesetze Honduras den landwirtschaftlichen Erzeugern die Möglichkeit ein, 10-17G.98

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ohne die in der Regel erforderlichen Genehmigungen oder Bewilligungen der Verwaltung „Rohstoffe, Werkzeuge oder landwirtschaftliche Maschinen" einzuführen84. Hinzu kommt, daß derartigen landwirtschaftlichen Erzeugern keine Fachberatung über Sicherheitsmaßnahmen und keine Orientierungshilfe zur Wahl chemischer Stoffe und landwirtschaftlicher Ausrüstungen geboten werden. DURCH DEN GELTUNGSBEREICH DER GESETZE GEGEBENE BEGRENZUNGEN

Durch den Geltungsbereich der oben erörterten allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsgesetze wird deren Anwendung auf den Landwirtschaftssektor in dreifacher Form begrenzt. Wie bereits erwähnt wurde, sind die durch diese Art von Gesetzgebung gegebenen umfassenden rechtlichen Rahmenbestimmungen zu einem großen Teil nur insoweit wirksam, als sie den Weg für detaillierte Normen in Form von Vorschriften, Erlassen, Anweisungen und Sammlungen praktischer Richtlinien usw. bereiten. Nur wenige Länder haben ein umfassendes Normenwerk für die Landwirtschaft entwickelt. Zweitens haben in vielen Ländern nur diejenigen Anspruch auf den vollen gesetzlichen Schutz, die im Rahmen von Arbeitsverträgen beschäftigt werden. Beispielsweise haben in der Regel nach dieser Art von Gesetzgebung nur „Arbeitnehmer" entsprechende Rechte, wie das Recht auf Schulung, auf Wahl eines Arbeitsschutzvertreters und auf eine ärztliche Untersuchung in regelmäßigen Zeitabständen. Da im Landwirtschaftssektor vielfach Familienangehörige und sonstige informelle Arbeitskräfte wie Zeit- und Saisonarbeiter beschäftigt werden, sind die gesetzlichen Bestimmungen für diese Personen in der Regel von begrenztem Interesse oder wirkungslos. Drittens werden in den Gesetzen vieler Länder keine selbständig Erwerbstätigen erfaßt, da sie nur für diejenigen gelten, die im Rahmen von „Arbeitsverträgen" beschäftigt werden. Ein wichtiger Punkt, der sowohl für Länder Mittel- und Osteuropas als auch für die neuen unabhängigen Staaten von Bedeutung ist, ist die Aktualisierung der Arbeitsschutzgesetze zwecks Berücksichtigung der derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Lage. Auf einer Tagung über Umwelt- und Arbeitsschutz in der Landwirtschaft, die im September 1998 in Kiew stattfand, wurde über die Notwendigkeit diskutiert, zum Schutz der Gesundheit der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zweckmäßige Umwelt- und Arbeitsschutzpraktiken am Arbeitsplatz einzuführen85.

Anmerkungen 1

Wenn im Bericht von Gesetzen von Bundesstaaten die Rede ist, darf der Leser davon ausgehen, daß es sich um Gesetze handelt, die von den nationalen Parlamenten der betreffenden Staaten verabschiedet wurden, es sei denn, es wird etwas anderes angegeben. Sollte es sich bei dem jeweils genannten Gesetz um ein von dem Parlament eines Gliedstaats

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oder einer Provinz innerhalb eines Bundes verabschiedetes Gesetz handeln, so wird die folgende Bezeichnung verwendet: „Australien (Victoria)", „Vereinigte Staaten (Kalifornien)", usw. 2

Bundesgesetz zur Regelung der Arbeitsverhältnisse, 1980, Teil 1, Para. 1.

3

Gesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, 1966, Para. 19.

4

Siehe das brasilianische Gesetz Nr. 6.260 vom 6. Nov. 1975 über den Sozialschutz von Arbeitgebern und ländlichen Arbeitskräften. 5

Siehe die Anhänge I und II mit der Liste der Übereinkommen und Empfehlungen der IAO, die für die Landwirtschaft von Bedeutung sind. 6

IAA: Occupational health problems in agriculture, Bericht der Vierten Tagung des Gemeinsamen IAA/WHO-Ausschusses für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (Genf, 1963), S. 4. 7

IAA: Labour inspection. Allgemeine Erhebung des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen, Bericht III (Teil 4B), Internationale Arbeitskonferenz, 71. Tagung, Genf, 1985, Abs. 53. 8

Österreich: Landarbeitsgesetz 1948, Para. 5.

9

Im Jahr 1970 stellte der Sachverständigenausschuß für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen fest, daß die Arbeitsschutzgesetze vieler Länder nicht für die Landwirtschaft gelten. Siehe IAA: Health, welfare and housing ofworkers. A survey ofeffect given tofourILO Recommendations (IAA, Genf, 1970). 10

Kambodscha: Arbeitsgesetz, 1992, Kap. 7 (schließt Familienbetriebe aus); Türkei: Arbeitsgesetz 1971, Para. 5. Siehe ferner: IAA: Safety in the Working Environment, Allgemeine Erhebung des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen, Bericht III (Teil 4B), Internationale Arbeitskonferenz, 73. Tagung, Genf, 1987. " Österreich: Landarbeitsgesetz 1948; Argentinien: Verordnung Nr. 390, Gesetz Nr. 390; Kamerun: Verordnung Nr. 68-DF-250 vom 10. Juli 1968, in der die Regeln für die Anwendung der Arbeitszeit und diesbezügliche Bestimmungen und Ausnahmen in landwirtschaftlichen und ähnlichen Betrieben niedergelegt sind; Griechenland: Gesetze Nr. 1264/82, 1361, 4169 und 1915 (die sich jeweils mit einem anderen Aspekt der Regelung der Arbeitsbeziehungen in der Landwirtschaft befassen); Marokko: Dahir aufgrund des Gesetzes Nr. 1-72-219 vom 24. Apr. 1973; Vereinigte Staaten (Kalifornien): Kalifornisches Arbeitsgesetz, Teil 3.5. 12

Eine Erörterung des Einflusses der britischen Industriegesetzgebung auf die Gesetze verschiedener afrikanischer Länder findet sich in: African Newsletter on Occupational Health and Safety. Legislation as a tool in occupational health and safety (Helsinki), Bd. 2, Nr. 3, 1992. 13

Beispielsweise wurden derartige Gesetze erstmals 1910 in Niederländisch-Indien (jetzt Indonesien) eingeführt. Siehe SicherheitsVerordnung, State Gazette, Nr. 406, 1910.

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Siehe das Fabrikgesetz 1948 (Indien); Fabrikgesetz 1990 (Nigeria); Fabrikverordnung (Sri Lanka); Gesetz über Fabriken, Maschinen und Bauarbeiten, 1972 (Swasiland); Fabrikverordnung (Trinidad und Tobago) und Gesetz über Fabriken und Betriebe, Kap. 283 (Simbabwe). Kommentatoren haben das Fehlen umfassender Arbeitsschutzgesetze in Indien bedauert. Siehe T.K. Joshi: „Practising occupational health in India", in J.M. Stellmann (Hrsg.): Encyclopaedia of Occupational Health and Safety, 4. Aufl., Bd. 1 (IAA, Genf, 1998). 15

Fabrikgesetz 1934 (Pakistan) und Verordnung zum Schutz des Wohlergehens der Arbeitskräfte auf Teeplantagen, 1962; Para. 2 begrenzt die Geltung dieser Verordnung auf Plantagen mit mehr als 30 Arbeitnehmern. Das nepalesische Arbeitsgesetz 1992 (das frühere Fabrikgesetze außer Kraft setzt und ersetzt) gilt für Industriebetriebe und Teeplantagen, die mehr als zehn Arbeitskräfte beschäftigen. 16

Eine Erörterung der Risiken der Kinderarbeiter in der Landwirtschaft in bezug auf ihre Sicherheit und Gesundheit findet sich bei V. Forastieri, a.a.O. 17

Para. 87-95. Siehe auch das australische Gesetz über die Beziehungen am Arbeitsplatz (1996): Para. 127A-127C, die das Arbeitsgericht (die Australische Kommission für Arbeitsbeziehungen) dazu ermächtigen, in bestimmten Fällen die Arbeitsbedingungen unabhängiger Auftragnehmer zu überprüfen, sowie Para. 281 des Bundesarbeitsgesetzes (Mexiko) über Teilpächter und Pächter. 18

Fidschi: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (1996), Para. 10; Namibia: Arbeitsgesetz (1992), Para. 97; Neuseeland: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit in der Beschäftigung (1992), Para. 15; Südafrika: Arbeitsschutzgesetz (1993), Para. 9. " IAA: Labour Administration, Allgemeine Erhebung des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen, Bericht III (Teil 4B), Internationale Arbeitskonferenz, 85. Tagung, 1997, Genf, Abs. 137. 20

Abs. 18 dieser Empfehlung sieht vor, daß die Grundeigentümer eine angemessene Wohnung, Trinkwasser und sanitäre Anlagen zur Verfügung stellen sollten. 21

In der Antwort Äthiopiens auf ein Auskunftsersuchen des IAA enthaltene Schätzung.

22

W.G. Vause „Occupational safety and health law for agricultural employment", in Stetson Law Review (St. Petersburg, Florida), Bd. 8, Nr. 1, 1978. 23

Gesetz Nr. 4 vom 4. Febr. 1997 betreffend Arbeitnehmerschutz und die Arbeitsumwelt, Abschn. 1, Para. 2(5). 24

Republik Korea: Gesetz über Arbeitsnormen (1997), Para. 10 (5 oder mehr Beschäftigte); Nepal: Arbeitsgesetz (1992), Para. 2 (b) — Definition eines „Betriebs" (10 oder mehr Beschäftigte). 25

Siehe Verordnung von Ontario 388/94.

26

Forastieri, a.a.O.

27

Costa Rica: Arbeitsgesetzbuch, Para. 89; Litauen: Gesetz Nr. 1-266 über den Arbeitnehmerschutz, Abschn. 6, Unterabschn. 1; Nicaragua: Arbeitsgesetzbuch, Para. 131 und 133; Schweden: Arbeitsumweltgesetz (Nr. 1160 von 1997), Abschn. 5, Para. 3. 10-17G.98

37

38

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft Arbeitsgesetzbuch der Dominikanischen Republik: Titel Nr. 6, Para. 277-282. 29

IAA: Child labour in agriculture. A survey ofnational Legislation (nicht veröffentlichtes Dok.) (IAA, Genf, 1996). 30

Siehe z.B.: Dominikanische Republik: Arbeitsgesetzbuch, Para. 282; Panama: Arbeitsgesetzbuch, Para. 119; Portugal: Rechtsverordnung No. 396/21 zur Festlegung neuer Regeln für die Beschäftigung Minderjähriger, Para. 122 (2). 31

Forastieri, a.a.O.

32

Quellenangabe für die Anzahl der Ratifikationen: IAA: List of ratifications by Convention and by country, Bericht III (Teil 2), Internationale Arbeitskonferenz, 86. Tagung, Genf, 1998. 33

Art. 5, Abs. 4. Bereits im Jahr 1920 hat die IAO die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren „in öffentlichen oder privaten landwirtschaftlichen Betrieben" untersagt und nur begrenzte Ausnahmen zugelassen: Übereinkommen (Nr. 10) über das Mindestalter (Landwirtschaft), 1921; es wird auf die Wirkung von Art. 10 (3) des Übereinkommens Nr. 138 auf das Übereinkommen Nr. 10 hingewiesen. 34

China: Arbeitsgesetzbuch (1994), Abschn. VII, Para. 61-63; Litauen: Gesetz Nr. I266 über den Arbeitnehmerschutz, Abschn. 6, Unterabschn 2; Nicaragua: Arbeitsgesetzbuch (1996), Para. 130-137. 35

IAA: Mutterschutz am Arbeitsplatz, Bericht V (1), Internationale Arbeitskonferenz, 87. Tagung, 1999 (Genf, 1997). 36

Siehe: „International Conference on Occupational Health and Safety in the Informal Sector (ICOHIS'97)" in Asian-Pacific Newsletter on Occupational Health and Safety (Helsinki), Bd. 5, Nr. 1, 1998. 37

Beispielsweise galt das ursprüngliche schwedische Arbeitsschutzgesetz, das Gesetz von 1889 über gefährliche Berufe, nur für Industrieberufe. Erst nach Überprüfung dieses Gesetzes durch einen Ausschuß im Jahr 1938 wurde 1949 ein neues Gesetz erlasssen, das auch für den Landwirtschaftssektor galt. Das Gesetz von 1949 wurde seinerseits außer Kraft gesetzt und durch das Arbeitsumweltgesetz von 1997 ersetzt, das nach wie vor in Kraft ist. Siehe: J.E. Korostoff, L.M. Zimmerman und C.E. Ryan: „Rethinking the OSHA approach to workplace safety: A look at worker participation in the enforcement of safety regulations in Sweden, France and Great Britain", in: Comparative Labour Law Journal (University of Philadelphia) Nr. 13, 1991. 38

Mauritius: Das Arbeitsschutz- und Fürsorgegesetz Nr. 34 (1988); Lesotho: Das Arbeitsgesetzbuch (1992); Namibia: Das Arbeitsgesetz (1992). 39

Australien (Bund): Arbeitsschutzgesetz (Beschäftigung im australischen Bund) (1991); Australien (Gliedstaat): Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (1995) (Tasmanien); Bulgarien: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (1997) (Staatsanzeiger Nr. 124 vom 23. Dez. 1997); Fidschi: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (1996); Ungarn: Gesetz Nr. 93 über den Arbeitsschutz; Malaysia: Gesetz über den Arbeitsschutz (1994) (No. 514); Mexiko: Bundesgesetz für Sicherheit, Hygiene und die Umwelt (1997) (21. Jan. 1997); Neuseeland: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit in der Beschäftigung (1992). 10-17G.98

Gesetzliche Bestimmungen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft Trinidad und Tobago führt derzeit eine umfassende Arbeitsschutzgesetzgebung ein, die die Fabrikverordnung ersetzen wird. Das neue Gesetz mit der Bezeichnung Arbeitsschutzgesetz (1998) wird für alle landwirtschaftlichen Arbeitskräfte gelten. 41

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen dieses Berichts findet sich in: B. Creighton, P. Rozen: Occupational health and safety law in Victoria (The Federation Press, Sydney), 2. Aufl., 1997. 42

Richtlinie des Rates 89/391/EWG vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Bd. 32, Nr. L183 (Brüssel, 29. Juni 1989). 43

J. Manos: „Occupational safety and health directives of the European Union: An overview" in: D. Brune et al. (Hrsg.) The Workplace, Bd. 1 (Scandinavian Science Publishers, Oslo, und CIS/IAA, Genf, 1997). 44

J. Manos, ebd.

45

Arbeitsschutzgesetz (1993), Republik Südafrika, Para. 5 (3).

46

Siehe Gesetz über landwirtschaftliche Arbeitskräfte (1997) (Neuseeland): Teil VI, Sicherheit, Gesundheit und Fürsorge. 47

Siehe Gesetz über Gesundheit und Sicherheit in der Beschäftigung (1992) (Neuseeland): Para. 62 (1) und Anh. 3. 48

Siehe Teil VI der Vorschriften über Gesundheit und Sicherheit in der Beschäftigung (1995), die Anforderungen an die Unterbringung und die Kochgelegenheiten für landwirtschaftliche Arbeitskräfte enthalten. 49

Im Vereinigten Königreich erfolgte die Außerkraftsetzung von Arbeitsschutzgesetzen für die Landwirtschaft (beispielsweise des Gesetzes über Sicherheit, Gesundheit und Fürsorge in der Landwirtschaft (1956)) im Rahmen eines Konsultationsprozesses; siehe Health and Safety Commission: The proposed removal of outdated agricultural health and safety legislation, HSE Booklet CD102, HSE Books (Sudbury, Suffolk, Vereinigtes Königreich, 1996). 50

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Brüssel, 4. Dez. 1976), Bd. 19, Nr. C287. 51

Richtlinie des Rates 89/391/EWG, a.a.O.

52

L. Vogel: „L'observatoire du BTS sur l'application des directives europ6ennes: un premier bilan", in L 'environnement du travail dans l 'Union europeenne: le difficile passage du droit ä la pratique, Technikbüro für Gesundheit und Sicherheit beim EGB (TUTB), Konferenz 1997, Brüssel, 1.-2. Dez. 1997. 53

Erlaß Nr. 617/97.

54

In Argentinien gibt es auch allgemeine Arbeitsschutzgesetze: Gesetz Nr. 19587 über den Arbeitsschutz (1972) und Gesetz Nr. 24557 über Gefahren am Arbeitsplatz (1995). 55

Titel III von Buch 2 des französischen Arbeitsgesetzbuchs, Art. L.231-1 und Erlaß Nr. 79-228 vom 20. März 1979. 10-17G.98

39

40

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft 56

Kap. II, Abschn. V, Unterabschn. 1.

57

Erlasse und Vorschriften fallen unter Art. L.231-1.

58

Art. L.231-1-3.

59

Titel IV von Buch 2, Art. L.241-1.

60

Siehe Art. L.241-1 bis L.241-5 des Gesetzbuchs.

61

Der Ausdruck „Landarbeiter" ist in lateinamerikanischen Gesetzen üblich. Er ist umfassender als der Ausdruck „landwirtschaftliche Arbeitskräfte", da er auch Arbeitskräfte wie Handwerker in ländlichen Gebieten erfaßt. Siehe beispielsweise die Definition in Para. 279 des mexikanischen Bundesarbeitsgesetzes. 62

Kuba: Gesetz Nr. 13 für den Schutz und die Arbeitshygiene am Arbeitsplatz (28/12/77); Vietnam: Regierungserlaß Nr. 06/CP vom 20. Jan. 1995. Dieser Erlaß enthält detaillierte Bestimmungen für ein Arbeitsgesetzbuch über den Arbeitsschutz. Eine umfassende Liste von Erlassen und Vorschriften für diesen Sektor ist sowohl in Brasilien als auch in Spanien vorhanden. 63

Eine detailliertere Prüfung der Bestimmungen über Arbeitsbeziehungen findet sich in: IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O. 64

Burundi: Arbeitsgesetzbuch (1993), Para. 11; China: Arbeitsgesetz (1994), Abschn. VI; Frankreich: Arbeitsgesetzbuch, Buch II, Titel III; Polen: Arbeitsgesetzbuch (1974), Para. 15. 65

Siehe beispielsweise Abschn. 6 des Gesetzes über Arbeitsnormen (1997) (Republik Korea), der die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes vorschreibt. Siehe ferner Industrial safety and health law and related legislation of Japan (Japan Industrial Safety and Health Association, Tokio, 1983). 66

J. Takala: Safety of agricultural tractors and machinery, auf der Konferenz über Gefahren für Gesundheit und Sicherheit in landwirtschaftlichen Arbeitsstätten: die Bedürfnisse der Entwicklungsländer vorgelegtes Dokument, Okt. 1997 (National Safety Council/ NEC AS, Illinois, Vereinigte Staaten). 67

Siehe beispielsweise Para. 23 und 29 des Gesetzes Nr. 93 über den Arbeitsschutz (Ungarn); Para. 96 (2) a) des Arbeitsgesetzes (1992) (Namibia) und Para. 9 des Gesetzes Nr. 4 über den Schutz der Arbeitnehmer und die Umwelt, 4. Febr. 1997 (Norwegen). 68

Eine Darstellung der Anwendung dieser Gesetze in Skandinavien findet sich in S. Höglund: „Agriculture", in: The Workplace, a.a.O. Zur Lage in den Vereinigten Staaten siehe W.G. Vause, a.a.O. 69

Richtlinie des Rates 87/402/EEC vom 25. Juni 1987 über vor dem Führersitz angebrachte Umsturzschutzvorrichtungen an land- und forstwirtschaftlichen Schmalspurzugmaschinen auf Rädern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L.220, (Brüssel, 8. Aug. 1987). Siehe auch J. Manos, a.a.O. 70

Übereinkommen, Art. 1 (3).

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IAA: Safety in the working environment (Allgemeine Erhebung), a.a.O.

72

Jetzt die Demokratische Republik Kongo. 10-17G.98

Gesetzliche Bestimmungen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft 73

IAA: Safety in the working environment (Allgemeine Erhebung), a.a.O. Frankreich hatte bis zum 31. Dez. 1997 das Übereinkommen nicht ratifiziert. 74

Ebd. Das Land wird in dem Bericht nicht genannt.

75

Siehe beispielsweise: Mexiko: Nom-Y-302-1988 (1. Juni 1988); Seschellen: Gesetz über die Kontrolle von Pestiziden, Nr. 4/1996; Indien: Gesetz über Insektizide (1968); Indonesien: Regierungsverordnung Nr. 7 der Republik Indonesien über die Kontrolle des Verkaufs, der Lagerung und der Verwendung von Pestiziden (1973) und Verordnung des Arbeitskräfteministeriums über die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen in Arbeitsstätten, die mit Pestiziden umgehen (1986); Finnland: Pestizid Verordnung (1984); Frankreich: Verordnung Nr. 87-361 zum Schutz landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, die landwirtschaftlichen Pestiziden ausgesetzt sind; Brasilien: Pestizidgesetz, 1989; Australien (Neusüdwales): Pestizidgesetz (1978). 76

IAA: Migrant workers, Allgemeine Erhebung des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen, Bericht III (Teil 4B), Internationale Arbeitskonferenz, 66. Tagung, 1980, Genf, Abs. 440. 77

Derartige Gesetze sind beispielsweise: Chile: Arbeitsgesetzbuch (1994), Para. 92 (Zeitarbeiter und auf Dauer beschäftigte Arbeitskräfte), Mexiko: Bundesarbeitsgesetz, Para. 283; Neuseeland: Vorschriften über Gesundheitsschutz und Sicherheit in der Beschäftigung (1995), Teil VI; Uruguay: Gesetz 14.785. Siehe auch die Untersuchung der innerstaatlichen Gesetze über die Unterbringung der Arbeitnehmer in IAA: Health, welfare and housing of workers, a.a.O. 78

Äthiopien: Arbeitsproklamation Nr. 42/1993, Para. 92 (2); Norwegen: Gesetz Nr. 4 vom 4. Febr. 1997 über Arbeitnehmerschutz und die Umwelt, Para. 14 (h). 79

Argentinien: Erlaß Nr. 617/97, Para. 48-50; Frankreich: Arbeitsgesetzbuch, Art. L.231-2.4 sowie L.231-3.1. 80

Arbeitsschutzgesetz Nr. 93, Para. 39 (2).

81

Australien: Para. 21 (4) e) des Arbeitsschutzgesetzes (1985) (Victoria); Fidschi: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (1966), Para. 9 (2) c). 82

Titel dieser Sammlung praktischer Richtlinien: Code ofpractice for the provision of Information in languages other than English. 83

Erlaß Nr. 617/97 Abschn. 50.

84

Siehe Para. 17 des Erlasses Nr. 31-92 vom März 1992 über die Modernisierung des landwirtschaftlichen Sektors. 85

Internationale Konferenz über Umwelthygiene und Umweltverträglichkeit in der Landwirtschaft an der Grenze zwischen zwei Jahrtausenden, veranstaltet vom Institut für Umwelthygiene, Kiew, Ukraine, 8.-11. Sept. 1998.

I0-17G.98

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KAPITEL III VERWALTUNG UND DURCHSETZUNG DER INNERSTAATLICHEN GESETZGEBUNG In diesem Abschnitt des Berichts werden die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltung und der praktischen und rechtlichen Umsetzung des Arbeitsschutzes im landwirtschaftlichen Sektor behandelt. Von einer Reihe von Mitgliedstaaten, die dem Ersuchen der IAO um Information über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft entsprochen haben, wurde erklärt, die Durchführung der Gesetzgebung sei für sie eines der größten praktischen Probleme in diesem Bereich. In vielen Ländern sehen die Arbeitsschutzgesetze dreigliedrige ArbeitsschutzBeiräte vor. Weniger üblich ist es, daß Landwirtschaftsministerien oder landwirtschaftliche Arbeitgeber oder Arbeitnehmer in solchen Gremien vertreten sind. ZUSTÄNDIGE STELLEN UND INTERINSTITUTIONELLE KOORDINATION

In vielen Ländern sieht die Arbeitsschutzgesetzgebung einen dreigliedrigen Rat, einen Ausschuß oder ein anderes für Fragen des Arbeitsschutzes zuständiges Gremium vor, dem Vertreter der Regierung, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angehören'. Diese Gremien setzen sich in der Regel aus Vertretern der Ministerien für Gesundheit, Industrie, Arbeit oder Soziale Sicherheit sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern und — gelegentlich — aus einem oder mehreren unabhängigen Arbeitsschutzsachverständigen zusammen. Im allgemeinen trägt das Arbeitsministerium die Verantwortung für die Verwaltung dieser Gremien, die eine oder mehrere der folgenden Aufgaben wahrnehmen: — die Ausarbeitung einer nationalen Arbeitsschutzpolitik; — die Beratung von Ministern über Arbeitsschutznormen in Form von Verordnungen und Richtliniensammlungen; — die Durchführung von Forschungsarbeiten und Untersuchungen im Bereich des Arbeitsschutzes; — die Genehmigung von Arbeitsschutz-Lehrgängen; — Zusammenarbeit mit in Frage kommenden nationalen und internationalen Gremien im Bereich des Arbeitsschutzes. Es ist jedoch nicht üblich, daß die der Einsetzung derartiger Gremien zugrundeliegende Gesetzgebung verlangt, daß Vertreter des Landwirtschaftsministeriums oder landwirtschaftliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihnen ver10-17G.98

Verwaltung und Durchsetzung der innerstaatlichen Gesetzgebung

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treten sind. Es wurde bereits daraufhingewiesen, daß das französische Arbeitsgesetz in dieser Hinsicht eine Ausnahme darstellt, da es die Einsetzung eines speziellen dreigliedrigen Forums vorsieht, das sich ausschließlich mit Fragen des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft befaßt. Dieses Gremium mit der Bezeichnung Nationale Kommission für Arbeitsschutz bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten untersteht dem Minister für Landwirtschaft2. Die Kommission setzt sich ebenfalls aus Vertretern der Ministerien für Arbeit, Gesundheit, Industrie und Umwelt sowie aus sechs Vertretern landwirtschaftlicher Arbeitgeber und Arbeitnehmer und neun Sachverständigen zusammen3. Seine Aufgabe besteht darin, eine nationale Arbeitsschutzpolitik im Bereich landwirtschaftlicher Tätigkeiten auszuarbeiten4. Ein weiteres Beispiel für ein dreigliedriges Arbeitsschutzgremium, dem Vertreter der Landwirtschaft angehören, ist der Hohe Rat für Arbeitsschutz in der Islamischen Republik Iran. Der Rat setzt sich aus einem Vertreter des Ministeriums für Landwirtschaft, anderen Regierungsvertretern, Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und unabhängigen Sachverständigen zusammen5. In Italien entsendet das Landwirtschaftsministerium einen Vertreter in den Verwaltungsausschuß des Nationalen Instituts für Arbeitsschutz (ISPEL)6. Dem Venezolanischen Rat für Prävention und Arbeitsschutz gehören ein Vertreter des Landwirtschaftsministeriums sowie ein Vertreter des Bundes venezolanischer Kleinbauern an7. Weitere Beispiele sind der Nationale Rat für landwirtschaftliche Arbeit in Argentinien8, die Kommission für Arbeitshygiene und -umweit9 in Peru und der Nationale Rat für Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz (CNHST) in Portugal10. In einigen Ländern werden von den allgemeinen beratenden Arbeitsschutzgremien industriespezifische Beiräte eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist das Vereinigte Königreich, wo aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes ein allgemeiner beratender Ausschuß eingesetzt wird, die Kommission für Arbeitsschutz (HSC)". Diese Kommission hat eine Reihe industriespezifischer Beiräte eingesetzt, darunter den Beratenden Ausschuß für die Landwirtschaft (AIAC). Der Ausschuß setzt sich aus landwirtschaftlichen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Vertretern von Behörden, die für landwirtschaftliche Fragen zuständig sind, und Beratern aus dem landwirtschaftlichen Bildungssektor zusammen. Die wichtigste Aufgabe des Ausschusses ist die Beratung der Kommission in allgemeinen Fragen und in Fragen des Arbeitsschutzes, die für die Landwirtschaft von Bedeutung sind. Die Notwendigkeit einer Koordinierung der verschiedenen Stellen Wird im Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, anerkannt. In Artikel 15 des Übereinkommens werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, „den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um die notwendige Koordinierung zwischen den verschiedenen Behörden und Stellen sicherzustellen, denen die Durchführung der Teile II und III obliegt". Eine ähnliche Aufforderung findet sich in Artikel 7 (1) des Übereinkommens (Nr. 129) über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969, wo es heißt, „soweit es mit den Verwaltungsgepflogenheiten des Mitglieds vereinbar ist, hat die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft der Aufsicht und Kontrolle durch eine zentrale Stelle zu unterstehen"12. Aufsichtsmaßnahmen sind die sichtbarste Form staatlicher Bemühungen zur Gewährleistung angemessener Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. In den 10-17G.98

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

meisten untersuchten Ländern obliegt die Umsetzung der Arbeitsschutzgesetzgebung dem Arbeitsministerium, oft über ein Arbeitsschutzbüro oder eine ähnliche Stelle. Für die Entgegennahme von Meldungen, die Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen und Untersuchungen und die Durchführung der Gesetze sind im allgemeinen Arbeitsinspektoren oder Arbeitsschutzbeamte zuständig. So gibt es beispielsweise in Bulgarien in jedem der 28 Bezirksarbeitsaufsichtsämter einen Inspektor, der für landwirtschaftliche Arbeitsstätten zuständig ist. In Schweden gibt es in jedem der elf Verwaltungsbezirke ein bis drei ausschließlich für Landwirtschaft zuständige Inspektoren. Bei der Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen oder Überprüfungen von landwirtschaftlichen Betrieben können sie von Beamten des Landwirtschafts- oder Gesundheitsministeriums unterstützt werden13. Die Aufgabe der Beamten des Landwirtschafts- oder Gesundheitsministeriums besteht in diesem Zusammenhang in der Regel darin, als Fachberater für agrochemische Stoffe oder landwirtschaftliche Maschinen zu fungieren. In einigen Ländern, darunter Argentinien, Frankreich und Uruguay, ist das Landwirtschaftsministerium zuständig für die Durchführung von Arbeitsschutzinspektionen im landwirtschaftlichen Sektor. Neben dieser sekundären Aufgabe, Arbeitsinspektoren zu beraten und zu unterstützen, tragen die Landwirtschafts-, Umwelt- oder Gesundheitsministerien vielfach eine unmittelbare Verantwortung für die Durchführung der für landwirtschaftliche Betriebe geltenden gesetzlichen Vorschriften, etwa der Regelungen zur Verwendung von Pestiziden. In ähnlicher Weise gehören arbeitsmedizinische Inspektionen zu den Verwaltungsaufgaben der Gesundheitsministerien vieler Länder. In Costa Rica erhält das Gesundheitsministerium einen Teil der Arbeitgeberbeiträge, um damit präventive Maßnahmen auf Plantagen zu finanzieren. In einem 1995 von dem Multidisziplinären Beratungsteam der IAO für das südliche Amerika ausgearbeiteten Arbeitspapier über die Arbeitsgesetzgebung und -praxis in einer Reihe lateinamerikanischer Länder wurde festgestellt, daß der Mangel an Mitteln für die Arbeitsaufsicht die Wirksamkeit der Arbeitsschutzgesetzgebung in ländlichen Gebieten stark einschränkt. Ferner wurde festgestellt, bei der Anzahl der ländlichen Gebieten zugeteilten Inspektoren gebe es große Unterschiede, und die grundlegende Infrastruktur und die Transportmittel seien unzureichend. So entfielen beispielsweise in Chile, wo die Erfassung ländlicher Gebiete durch Aufsichtsdienste besser ist als in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern, 1995 16.770 Arbeitnehmer auf einen Inspektor in der Region mit der verhältnismäßig größten Anzahl von Inspektoren (Concepciön), während in der Region mit der geringsten Anzahl von Inspektoren (Arauco) 47.810 Arbeitnehmer auf einen Inspektor entfielen14. Ferner wird im Bericht festgestellt, die bei Gesetzesverstößen verhängten Strafen seien zu gering, um abschreckend zu wirken. Im übrigen stünden die langwierigen und schwerfälligen rechtlichen Verfahren einer effizienten Strafverfolgung im Weg15. In zahlreichen Stellungnahmen, die bei der IAO eingingen, wurde Sorge hinsichtlich der für die Umsetzung der Arbeitsschutzgesetzgebung im landwirtschaftlichen Sektor verfügbaren Mittel zum Ausdruck gebracht, sowohl in bezug auf die Qualifikationen der Inspektoren als auch in bezug auf die Ressourcen, die von ihnen genutzt werden können16. I0-17G.98

Verwaltung und Durchsetzung der innerstaatlichen Gesetzgebung

Nach Angaben des Sachverständigenausschusses für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen beschränkt sich der Tätigkeitsbereich der für die Durchführung der Arbeitsschutzgesetzgebung verantwortlichen Arbeitsschutzoder Aufsichtsämter (oder -dienste) „hauptsächlich auf städtische Gebiete" ". Die Arbeitsaufsichtsdienste haben sich traditionell vorwiegend mit Gefahren in der Industrie sowie mit Gefahren in besonders gefahrenträchtigen Industriezweigen wie dem Baugewerbe oder dem Bergbau befaßt. Hinzu kommt, daß die generalistischen Arbeitsinspektoren oft nicht nur unzureichende fachliche Kenntnisse der Gefahren in der Landwirtschaft haben, sondern auch nicht mit der Arbeitsorganisation im landwirtschaftlichen Sektor vertraut sind. Es ist offensichtlich, daß ihre Bemühungen um die Durchsetzung der Arbeitsschutzgesetzgebung im landwirtschaftlichen Sektor dadurch beeinträchtigt werden18. So wurde beispielsweise von Vietnam erklärt, die Mitarbeiter des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung verfügten nicht über ausreichende Qualifikationen im Arbeitsschutz, was die Erbringung entsprechender Dienste für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im landwirtschaftlichen Sektor beeinträchtige". Ferner ist es möglich, daß Arbeitsinspektoren qualifiziert sind, jedoch nicht über Erfahrungen im landwirtschaftlichen Sektor verfügen. Fidschi teilte der IAO mit, durch den Mangel an Ressourcen, die für Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen zur Verfügung stünden, werde die Wirksamkeit der kürzlich angenommenen umfassenden Arbeitsschutzgesetzgebung für den landwirtschaftlichen Sektor in Frage gestellt. Äthiopien, Nicaragua und Thailand erklärten, sie verfügten nicht über ausreichende materielle, finanzielle und personelle Ressourcen, um den landwirtschaftlichen Sektor ausreichend erfassen zu können. Auf ähnliche Probleme wurde bereits früher von Barbados, Belize, Burundi, Indien, den Philippinen und Somalia hingewiesen20. In jüngster Zeit gab es einige Beispiele für Initiativen, die von Arbeitsaufsichtsämtern unternommen wurden, um die für den landwirtschaftlichen Sektor vorgesehenen Mittel aufzustocken. So unterhalten beispielsweise bestimmte Länder spezielle Arbeitsaufsichtsämter für die Landwirtschaft (Vereinigtes Königreich, Schweiz). Im Vereinigten Königreich brachte die Arbeitsschutzbehörde 1993 ein Programm auf den Weg, um die Anzahl der Unfälle beim Einsatz von Kartoffelerntemaschinen zu verringern. Das Programm führte zwischen 1992-93 und 1994-95 zu einem Rückgang der Unfälle und Verletzungen um 60 Prozent21. Im Jahr 1996 wurde vom Landwirtschaftlichen Aufsichtsamt der Arbeitsschutzbehörde ein Ausbildungspaket und -video mit dem Titel „No Second Chances" produziert, das allen landwirtschaftlichen Fachhochschulen im Vereinigten Königreich kostenlos überlassen wurde. Dieser kurze Überblick verdeutlicht die sich überschneidenden Aufgabenbereiche der verschiedenen Ministerien bei der Durchführung der für landwirtschaftliche Betriebe geltenden Arbeitsschutzbestimmungen. Dabei zeigt sich, wie wichtig es ist, daß Arbeitsinspektoren zur Durchführung von Inspektionen und Untersuchungen über Kenntnisse im Arbeitsschutz und in landwirtschaftlichen Fragen verfügen. Schließlich wird deutlich, wie wichtig eine aktive Koordination zwischen den verschiedenen für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft zuständigen Ministerien ist, um sicherzustellen, daß die Ausbildungs- und Aufsichts-

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Arbeitsschulz in der Landwirtschaft

mittel, die insbesondere in Entwicklungsländern oft sehr knapp bemessen sind, optimal und effizient genutzt werden22. Neben den zahlreichen informellen Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Behörden und Stellen, die für die Durchführung der Arbeitsschutzgesetzgebung in der Landwirtschaft zuständig sind, gibt es in verschiedenen Ländern Beispiele für eine formelle Zusammenarbeit der Stellen, die für die Anwendung der Pestizidgesetzgebung Verantwortung tragen. So gibt es beispielsweise in Mexiko eine Interministerielle Kommission für die Kontrolle, Verarbeitung und Verwendung von Pestiziden, Düngemitteln und anderen toxischen Stoffen. Der Aufgabenbereich dieser Kommission, der Vertreter der Ministerien für Industrie, Landwirtschaft, Umwelt und Gesundheit angehören, umfaßt den Erlaß von Normen für die Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Düngemitteln und Pestiziden und die Förderung von Forschungs- und Ausbildungstätigkeiten. Die Kommission verfügt ferner über einen Unterausschuß für Studien über Landwirtschaft, Hygiene, Ökologie und Gesundheit, dem der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums vorsitzt. In Panama erfüllt die Interinstitutionelle Fachkommission für Agro-Chemikalien einen ähnlichen Zweck. Die Tätigkeit dieser Kommission wird von einem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums koordiniert23. BESCHRÄNKUNGEN, DIE SICH AUS EINER MANGELNDEN RECHTSDURCHSETZUNG ERGEBEN

Bei der Umsetzung der allgemeinen Arbeitsschutzgesetze im landwirtschaftlichen Sektor sind vor allem zwei Aspekte von Bedeutung. Der erste Aspekt ist der, daß eine wirksame Umsetzung dieser Gesetzgebung in vielen Ländern — beispielsweise in Fidschi, Schweden, Südafrika und Ungarn — von einer Mitwirkung der Arbeitsschutzbeauftragten der Arbeitnehmer abhängig ist24. In Ländern wie Frankreich, Schweden und dem Vereinigten Königreich kommt Sicherheitsbeauftragten bei der Durchsetzung der Arbeitsschutzbestimmungen eine entscheidende Rolle zu25. In einigen Ländern, beispielsweise in Namibia, Südafrika und Ungarn, ist die Wahl eines Sicherheitsbeauftragten erst nach Erreichen einer bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern in einem Betrieb vorgeschrieben. Viele landwirtschaftliche Betriebe erreichen diesen Grenzwert nicht (in Namibia und Ungarn zehn, in Südafrika 20)26. Doch selbst in Ländern, in denen kein Grenzwert vorgeschrieben ist, gibt es in der großen Mehrzahl landwirtschaftlicher Betriebe keine Sicherheitsbeauftragten, was eine wirksame Einhaltung der Gesetzgebung behindern kann. Das französische Arbeitsgesetz weist den betrieblichen Arbeitsschutzausschüssen bei der Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen und anderen Arbeitsnormen eine wichtige Rolle zu. Mit Ausnahme von Bergwerken, Steinbrüchen und Transportunternehmen sind Betriebe in allen Sektoren der Wirtschaft mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtet, derartige Ausschüsse zu bilden27. In der Praxis sind diese Ausschüsse im Industriesektor jedoch wesentlich häufiger anzutreffen und aktiver als im nichtindustriellen Sektor28.

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Verwaltung und Durchsetzung der innerstaatlichen Gesetzgebung

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Der zweite Aspekt, der berücksichtigt werden muß, wenn man sich mit der Durchsetzung der Arbeitsschutzgesetzgebung befaßt, ist der, daß diese Aufgabe in den meisten Ländern Arbeitsinspektoren obliegt, die in einer Aufsichtsstelle für Arbeitsschutz oder in einem allgemeinen Aufsichtsamt tätig sind. Diese Aufsichtsämter sind im Sinne von Artikel 9 (1) des Übereinkommens (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, für die Durchführung der Arbeitsschutzgesetze zuständig29. Die Schwierigkeiten vieler Länder beim Aufbau von Aufsichtsdiensten für den Arbeitsschutz im landwirtschaftlichen Sektor werden im folgenden näher untersucht. Was Aufsichtsmaßnahmen in der Landwirtschaft betrifft, so sollte zunächst daraufhingewiesen werden, daß das Übereinkommen (Nr. 129) über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969, und die dazugehörige Empfehlung Nr. 133 detaillierte Regelungen für Arbeitsaufsichtsstellen in der Landwirtschaft enthalten30. So heißt es in Artikel 5 der Empfehlung (Nr. 164) betreffend den Arbeitsschutz, 1981, das im Übereinkommen (Nr. 155) des Übereinkommens über den Arbeitsschutz, 1981, vorgesehene Aufsichtssystem sollte sich nach den Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 129 richten. Im Übereinkommen Nr. 129 wird in Artikel 7 (3) eingeräumt, daß die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft auf unterschiedliche Weise wahrgenommen werden kann, so z.B. a) von einer einzigen Arbeitsaufsichtsstelle, die für alle Wirtschaftszweige zuständig ist; b) von einem spezialisierten Aufsichtsdienst für die Landwirtschaft; oder c) mittels einer anderen, zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegenden Lösung. In Anbetracht der von verschiedenen Mitgliedstaaten geäußerten Bedenken hinsichtlich der Einrichtung eines allein für die Landwirtschaft zuständigen Aufsichtsdienstes hat der Sachverständigenausschuß erklärt, daß „die Durchführung des Übereinkommens Nr. 129 nicht zwangsläufig die Einrichtung eines speziellen Aufsichtsdienstes für die Landwirtschaft bedeutet" ". Gemäß den Artikeln 9 und 11 des Übereinkommens müssen die Aufsichtsbeamten ausreichend befähigt und ausgebildet sein, und es müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden, „um die wirksame Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft und den staatlichen Dienststellen sowie den öffentlichen oder behördlichen anerkannten Einrichtungen zu fördern, die allenfalls auf ähnlichen Gebieten tätig sein können" (Artikel 12). Im Übereinkommen (Nr. 110) über die Plantagenarbeit, 1958, wird von jedem Mitgliedstaat, in dem das Übereinkommen in Kraft ist, verlangt, „eine Arbeitsaufsicht zu unterhalten", die „aus zweckentsprechend ausgebildeten Aufsichtsbeamten" besteht (Artikel 71 und 72). Die zuständige Stelle muß die erforderlichen Vorkehrungen treffen, damit die Aufsichtsbeamten über die geeigneten Bedingungen und Mittel verfügen, die sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Sicherstellung der Durchführung gesetzlicher Schutzbestimmungen, auch solcher über die Sicherheit und Gesundheit der Plantagenarbeiter, benötigen (Artikel 74 und 75).

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

In den meisten Ländern besteht eine unterschiedlich große Diskrepanz zwischen der gesetzlichen Theorie und der in der Landwirtschaft vorzufindenden Praxis. Die Mittel, die dem Aufsichtsdienst allgemein und für Aufsichtsmaßnahmen im Bereich des Arbeitsschutzes im besonderen zur Verfügung stehen, bleiben weit hinter dem zurück, was erforderlich wäre. In Norwegen werden entgegen den gesetzlichen Bestimmungen wegen mangelnder finanzieller Mittel nur 1 bis 2 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe inspiziert; derzeit wird jedoch eine Informationsstrategie zur Förderung des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft ausgearbeitet. In Kanada werden nach einer Beschwerde oder einem Unfall routinemäßig Inspektionen in der Landwirtschaft durchgeführt. MELDUNG VON ARBEITSUNFÄLLEN UND BERUFSKRANKHEITEN

Die Arbeitsschutzgesetzgebung der meisten Länder verlangt von Arbeitgebern oder Inhabern von Arbeitsstätten, Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle sowie gefährliche Vorkommnisse der zuständigen Stelle innerhalb einer bestimmten Frist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu melden. Ein Beispiel hierfür ist die Gesetzgebung in Mauritius, der zufolge ein Arbeitgeber (auch in der Landwirtschaft) verpflichtet ist, — Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und gefährliche Vorkommnisse (entsprechend ihrer Definition) zu melden; — den Aufsichtsdienst innerhalb von sieben Tagen zu benachrichtigen; — alle Meldungen aufzuzeichnen32. Die Meldepflichten sind je nach Land unterschiedlich. In bestimmten Ländern beschränken sich die Meldungen von Unfällen oder Erkrankungen in der Landwirtschaft auf Todesfälle und akute Vergiftungen. Gemäß Artikel 8 des Übereinkommens (Nr. 121) über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, 1964, sollte die innerstaatliche Gesetzgebung eine allgemeine Begriffsbestimmung der Berufskrankheiten enthalten, die umfassend genug ist, um mindestens die in Tabelle I zu diesem Übereinkommen aufgezählten Krankheiten zu decken (1980 aktualisiert). Einige der in der Tabelle aufgeführten Berufskrankheiten sind für die Landwirtschaft von besonderer Bedeutung, so etwa Berufsasthma, exogene allergische Alveolitis, durch Arsen verursachte Erkrankungen, durch Erstickungsgase verursachte Erkrankungen, durch Lärm verursachte Schädigung des Hörvermögens, durch Vibrationen verursachte Erkrankungen, Hauterkrankungen und infektiöse und parasitäre Erkrankungen. 1991 wurde von einer Sachverständigengruppe der IAO eine neue Liste der Berufskrankheiten vorgeschlagen33. Die Richtliniensammlung der IAO zur Aufzeichnung und Meldung von Arbeitsunfällen und berufsbedingten Erkrankungen enthält dieses vorgeschlagene neue Verzeichnis. Zahlreiche Länder (so Kolumbien, Kuba, Mosambik und Nicaragua)34 führen ein Verzeichnis der Berufskrankheiten, in dem Krankheiten aufgeführt werden, die definitionsgemäß einer bestimmten beruflichen Tätigkeit zuzuordnen sind, und der Arbeitgeber ist in der Regel verpflichtet, die Behörden zu benachrichtigen, wenn ein Arbeitnehmer sich eine der genannten Erkrankungen zuzieht. In einigen I0-17G.98

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Ländern handelt es sich um ein „offenes" Verzeichnis in dem Sinne, daß eine Erkrankung als berufsbedingt angesehen wird, selbst wenn sie nicht aufgeführt ist, sofern aus ärztlicher Sicht ein kausaler Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nachweisbar ist. Viele Länder haben berufsbedingte Erkrankungen aus dem Bereich der Landwirtschaft in ihr Verzeichnis aufgenommen. Frankreich führt zwei separate Listen, eine für Erkrankungen in der Landwirtschaft {Regime Agricole) und eine andere für die sonstigen Sektoren (Regime General). In der italienischen Gesetzgebung gab es bis 1975 separate Listen für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und in der Industrie, die dann zusammengefaßt wurden. Untererfassung Das Internationale Arbeitsamt sammelt und veröffentlicht auf der Grundlage nationaler Aufzeichnungs- und Meldesysteme globale Angaben über Unfälle und Krankheiten. Einigermaßen verläßliche Daten können jedoch nur von einer geringen Anzahl von Ländern (d.h. von etwa einem Drittel der Mitgliedstaaten der IAO) erhoben werden. Die verfügbaren Informationen stützen sich nicht auf einheitliche Aufzeichnungs- und Meldesysteme. Untererfassung ist gang und gäbe, und in vielen Ländern erfassen die Berichts- und Entschädigungssysteme nur bestimmte Wirtschaftstätigkeiten, während wichtige Sektoren wie die Landwirtschaft, die bekanntermaßen höhere Unfallquoten haben, nicht erfaßt werden. Zeitliche Schwankungen auf innerstaatlicher Ebene können darüber hinaus auf Änderungen des Erfassungsgrads, der gesetzlichen Bestimmungen, der Berichtsverfahren oder der wirtschaftlichen Bedingungen zurückzuführen sein. Die Untererfassung kann zum Teil auch darauf zurückgeführt werden, daß es oft sehr schwierig ist, den Beschäftigungsstatus landwirtschaftlicher Arbeitskräfte festzustellen, d.h. zu ermitteln, ob es sich um Akkord-, Vollzeit- oder Teilzeitarbeitnehmer, Saison- oder Wanderarbeitnehmer usw. handelt". In vielen Ländern kommt zu dem Problem der unzureichenden gesundheitlichen Versorgung der Arbeitnehmer hinzu, daß das Gesundheitspersonal nicht ausgebildet ist, um berufsbedingte Ursachen von Erkrankungen zu erkennen. Kriterien für das Erkennen von Krankheiten und die Verfahren für ihre Anzeige sind nicht immer zweckmäßig, was eine unzureichende Meldung begünstigt. Zwar sind zahlreiche Berufskrankheiten auslösende Agenzien und ihre Wirkungsmechanismen umfassend dokumentiert, die Erkrankungen werden jedoch oft nicht erkannt und registriert, was dazu führt, daß Arbeitnehmern eine ordnungsgemäße Behandlung und sinnvolle Verhütungsmaßnahmen vorenthalten werden. Die meisten verfügbaren Daten beruhen auf epidemiologischen Studien, die jeden Zweifel an der kausalen Verbindung zwischen Risikofaktoren und dem Auftreten bestimmter Krankheiten bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten ausräumen. Ausgehend von diesen Daten kann man jedoch keineswegs Schlüsse auf die Anzahl der weltweit vorhandenen Fälle ziehen. Die Situation ist besonders ernst aufgrund der Tatsache, daß viele Arbeitnehmer im Zusammenhang mit raschen Veränderungen landwirtschaftlicher Produktionsprozesse und der zunehmenden Verwendung gefährlicher Stoffe immer größeren Risiken ausgesetzt sind. Da nur relativ wenige Unfälle einen tödlichen Ausgang haben, geben die verfügbaren Informationen über Arbeitsunfälle keinen Aufschluß über die zahlrei10-17G.98

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chen nichttödlichen Unfälle und Verletzungen, die nicht gemeldet werden. Selbst wenn ein Arbeitsunfall letztlich zum Tode führt, ist dies auf dem Totenschein oft nicht vermerkt. Hinzu kommt, daß die Unfallhäufigkeit in unterschiedlichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten stark variiert. Die Untererfassung der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im landwirtschaftlichen Sektor ist sowohl in Industrie- wie in Entwicklungsländern hoch. Im Zeitraum 1989-1990 wurde von der Arbeitsschutzbehörde im Vereinigten Königreich eine Beilage zu den Fragen der Arbeitsmarkterhebung des Jahres 1990 ausgearbeitet, um festzustellen, wie häufig Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen tatsächlich sind; dabei wurde das hohe Ausmaß der Untererfassung in den wichtigsten Industriezweigen bestätigt. Die Erhebung stützte sich auf Befragungen von etwa 77.000 Arbeitnehmern in allen Sektoren. Die Meldekriterien berücksichtigten eine Abwesenheit vom Arbeitsplatz von mehr als drei Tagen, jedoch keine Unfälle mit tödlichem Ausgang. Aus den Daten ergab sich, daß die Untererfassung besonders in der Landwirtschaft sehr hoch ist. Nur 19 Prozent aller Unfälle wurden in diesem Zeitraum gemeldet. Selbständige Landwirte machten wesentlich weniger Meldungen als Arbeitgeber36. Noch vor einigen Jahren — bis Ende der siebziger Jahre — wurden Unfälle selbständiger Landwirte in Schweden nicht registriert, obwohl ihr Anteil an der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft bei fast 90 Prozent lag. Inzwischen sind sie in die Statistiken aufgenommen worden. 1987 hat die Schwedische Vereinigung für Sicherheit und Gesundheitsvorsorge in der Landwirtschaft eine Studie über Arbeitsunfälle unter 20.000 Bauern und Waldbesitzern durchgeführt. Die Anzahl der dabei erfaßten Unfälle lag etwa doppelt so hoch wie die Angaben in den amtlichen Statistiken37. In einer anderen zwischen 1978 und 1990 in Krankenhäusern und Gesundheitszentren zur Untersuchung von Arbeits- und Heimunfällen in landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführten Studie wurde die Dunkelziffer berechnet, indem die ausgefüllten Notfallberichte mit den Verzeichnissen ärztlicher Notfallkonsultationen verglichen wurden. Die Anzahl der Meldungen lag im Vergleich zu den Notfallkonsultationen um insgesamt 9 Prozent niedriger38. In der großen Mehrheit der Länder sind darüber hinaus Probleme bei der Diagnose von Erkrankungen für die Untererfassung verantwortlich. Chronische Erkrankungen aufgrund von Lärm, Vibrationen oder einer geringen Exposition gegenüber Stäuben oder Pestiziden sind aufgrund ihrer Langzeitfolgen und unbestimmten Symptomatik schwer zu diagnostizieren. So ist es beispielsweise schwierig, verläßliche Daten über Pestizidvergiftungen zu erhalten, da nur akute Vergiftungsfälle gemeldet werden, die sichtbare und unmittelbare Auswirkungen haben, einen Krankenhausaufenthalt erfordern und zum Tod führen können. Eine kumulative geringe Exposition gegenüber Pestiziden wird vielfach nicht gemeldet, weil die Symptomatik unbestimmt ist und die Wirkungen möglicherweise erst nach sehr langer Zeit sichtbar werden. Angaben über akute Vergiftungen durch Pestizide werden oft von den für Vergiftungen zuständigen Krankenhausabteilungen übermittelt, wobei es sich weitgehend um unbeabsichtigte Vergiftungen, Selbstmorde oder Selbstmordversuche handelt. Diese Daten lassen die tatsächliche statistische Bedeutung von Pestizidvergiftungen geringer erscheinen und können den falschen Eindruck 10-17G.98

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erwecken, Selbstmorde hätten eine größere Bedeutung als die berufsbedingte Exposition. Daß dieses Problem besteht, kann jedoch auch auf die leichte Verfügbarkeit von Agrochemikalien, mangelnde Informationen und eine unzureichende Kontrolle des Verkaufs an Privatpersonen zurückgeführt werden. In Sri Lanka, wo Selbstmorde relativ häufig sind39, waren 35,7 Prozent aller Krankenhauseinweisungen und 21,8 Prozent aller Todesfälle während eines Zeitraums von 21 Monaten zwischen 1995 und 1996 auf Organophosphat- und Carbamatvergiftungen zurückzuführen. In Costa Rica wurden 1981 vom Sozialversicherungsfonds 392 akute Vergiftungsfälle registriert, während eine detaillierte Studie der Krankenhauseinweisungen (Krankenhaus von Guapiles) in einer Region, in der Bananen angebaut werden, im selben Jahr 373 berufsbedingte Vergiftungsfälle ergab40. Entschädigungssysteme für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in der Landwirtschaft In den meisten Ländern sind Entschädigungsleistungen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten Teil des Systems der Sozialen Sicherheit. Die Erfassung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte im Rahmen innerstaatlicher Systeme der Sozialen Sicherheit war seit jeher gering. In den Industrieländern wurden die innerstaatlichen Systeme im 20. Jahrhundert schrittweise auf landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausgedehnt4'. In einer sehr großen Anzahl von Ländern werden landwirtschaftliche Arbeitskräfte jedoch nur selten von Aufzeichnungs- oder Meldesystemen erfaßt, und es existieren keine Leistungs- oder Versicherungssysteme für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Der Erfassungsgrad landwirtschaftlicher Arbeitskräfte im Rahmen innerstaatlicher Entschädigungssysteme für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten ist ebenfalls unterschiedlich. In bestimmten Ländern können selbständige Landwirte Leistungen der Sozialen Sicherheit nur auf freiwilliger Grundlage bei Entrichtung eigener Beiträge in Anspruch nehmen. Die IAO kam jedoch in einer 1993 durchgeführten globalen Studie zu dem Schluß, daß selbst dort, wo landwirtschaftliche Arbeitskräfte nicht von solchen Systemen ausgeschlossen sind, „keineswegs gewährleistet ist, daß der Schutz wirksam ist, da stets eine Reihe praktischer und rechtlicher Hindernisse bestehen", etwa der Ausschluß von Gelegenheitsarbeitern, das Erfordernis von Mindestbeschäftigungszeiten oder ein Mangel an verwaltungstechnischer Kapazität zur Bearbeitung von Ansprüchen in dörflichen Gemeinschaften42. In vielen Ländern besteht eine Wartezeit, bevor ein Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen hat. So muß beispielsweise in Italien ein Arbeitnehmer mindestens 90 Tage arbeiten, um einen Leistungsanspruch zu erwerben43. In Mexiko enthält Kapitel 10 des Gesetzes über Soziale Sicherheit eine spezielle Bestimmung für landwirtschaftliche Arbeitskräfte44. Dennoch können bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, etwa Gelegenheits- oder Saisonarbeiter, im besten Fall nur gelegentlich Leistungen in Anspruch nehmen, denn in 13 Prozent der von der IAO 1993 untersuchten Länder werden landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausdrücklich ausgeschlossen45. Aus den genannten Gründen ist der Zugang zu Leistungssystemen jedoch auch in Ländern, die diese Arbeits-

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kräfte nicht ausdrücklich ausnehmen, äußerst schwierig, insbesondere für Wanderarbeitnehmer "*. Weltweit haben weniger als 20 Prozent der Lohnempfänger in der Landwirtschaft Anspruch auf eine der neun Leistungen, die im Übereinkommen (Nr. 102) über Soziale Sicherheit (Mindestnormen), 1952, genannt werden. Dabei handelt es sich um ärztliche Betreuung, Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft, Familienleistungen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie Leistungen bei Invalidität, Leistungen an Hinterbliebene und Leistungen bei Alter47. Eine 1993 durchgeführte weltweite Erhebung von 147 Ländern kam zu dem Schluß, daß 13,1 Prozent aller Länder landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausdrücklich von Leistungen bei Alter und Invalidität sowie im Todesfall ausschlössen, während 7,8 Prozent der Länder diesen Arbeitnehmern keine Leistungen bei Krankheit oder Mutterschaft gewährten48. Die Situation landwirtschaftlicher Arbeitskräfte ist jedoch in einigen Regionen besonders ungünstig49. So sind beispielsweise in Afrika landwirtschaftliche Arbeitskräfte oft von Systemen der Sozialen Sicherheit ausgeschlossen, insbesondere wenn es sich nicht um Lohnempfänger handelt. Der Gesamtanteil der afrikanischen Erwerbstätigen, die in den 20 Ländern, für die 1987 Daten verfügbar waren, von einem System der Sozialen Sicherheit erfaßt wurden, lag zwischen 0,7 und 20 Prozent50. Die Höhe des Schutzes ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In einigen Ländern, etwa Israel und Australien, haben landwirtschaftliche Arbeitskräfte bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten Anspruch auf dieselbe Art und Höhe von Leistungen wie andere Arbeitnehmer5'. In Luxemburg fallen zwar alle Arbeitnehmer unter das Unfallentschädigungssystem, es ist jedoch freiwillig für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die weniger als einen halben Hektar bewirtschaften52. Ecuador hat ein Versicherungssystem für landwirtschaftliche Arbeitskräfte eingerichtet53. In Bulgarien und Schweden genießen landwirtschaftliche Arbeitskräfte denselben sozialen Schutz wie andere Arbeitnehmer54. In Japan werden im Arbeitnehmerentschädigungsgesetz landwirtschaftliche Betriebe ausgenommen, die weniger als fünf Beschäftige haben55. In Finnland gibt es spezielle gesetzliche Vorkehrungen zur Entschädigung von Arbeitnehmern, die bei der Arbeit in der Landwirtschaft einen Unfall erleiden oder erkranken56. In Deutschland fallen landwirtschaftliche Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Ehefrauen der Arbeitgeber unter den Schutz des landwirtschaftlichen Unfallversicherungssystems. In Uruguay wurde auf der Grundlage einer Gesetzesverordnung ein Versicherungssystem für Unfälle und Erkrankungen in landwirtschaftlichen Betrieben geschaffen57. In ähnlicher Weise wurde in Sri Lanka auf gesetzlicher Grundlage ein Pensions- und Sozialversicherungssystem für Landwirte eingerichtet 5S. Dm MITWIRKUNG VON ARBEITNEHMERN UND ARBEITGEBERN AM ARBEITSSCHUTZ ÜBER GESAMTARBEITSVERTRÄGE

Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beruhen oft auf Gesamtarbeitsverträgen. Im Bereich des Arbeitsschutzes beruhen sie jedoch in der Regel auf gesetzlichen oder gesetzesähnlichen Instrumenten und Normen. In den I0-I7G.98

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meisten Ländern ist dies vor allem im landwirtschaftlichen Sektor der Fall, wo Kollektivverhandlungen aufgrund des geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrads eher die Ausnahme sind59. Eine Untersuchung nationaler gesetzlicher Bestimmungen zu Gesamtarbeitsverträgen und der Gesamtarbeitsverträge selbst läßt nur geringe Rückschlüsse zu, wie Arbeitsschutzfragen in der Landwirtschaft in Gesamtarbeitsverträgen behandelt werden. Im allgemeinen enthalten Gesamtarbeitsverträge Verweise auf bestimmte Arbeitsschutzfragen wie Schutzkleidung, Sicherheitsausrüstung, Transportmöglichkeiten bei Unfällen, Erste Hilfe, Sicherheitsverfahren, Sicherheitsausschüsse, ärztliche Untersuchungen, Unfallversicherungen und bestimmte Zulagen. In einer Reihe von Ländern, so in Kanada (Quebec) und in Australien, haben die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden Leitfäden ausgearbeitet, um Arbeitgeber und Gewerkschaften dabei zu unterstützen, im Rahmen von Kollektivverhandlungen Vereinbarungen über Arbeitsschutzfragen zu erzielen. In Ländern wie Indien enthalten Gesamtarbeitsverträge oft einen Passus, dem zufolge der Arbeitgeber, die Gewerkschaft und die Arbeitnehmer verpflichtet sind, im Rahmen von Sicherheitsausschüssen zusammenzuarbeiten, um Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbessern. In einigen Provinzen, etwa in Britisch-Kolumbien in Kanada, gelten für den Arbeitsschutz gesetzliche Mindestbedingungen, und durch Verhandlungen festgelegte Arbeitsbedingungen dürfen diese gesetzlichen Normen nicht unterschreiten60. In der Ukraine gibt es eine gesetzliche Vorschrift, der zufolge Arbeitnehmern in Gesamtarbeitsverträgen „soziale Garantien im Bereich des Arbeitnehmerschutzes [gewährt werden müssen], die zumindest der gesetzlichen Norm entsprechen, und die Arbeitgeber müssen die ihnen obliegenden Verpflichtungen und alle erforderlichen Maßnahmen zur Anwendung der geltenden Arbeitsschutznormen am Arbeitsplatz erfüllen ..." 6I . Die Gesetzgebung in Vietnam enthält eine ähnliche Vorschrift62. In Bulgarien haben der Bund unabhängiger Gewerkschaften in der Landwirtschaft und das Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Landreform einen Gesamtarbeitsvertrag geschlossen. In den Artikeln 49 und 50 der Vereinbarung werden die Pflichten des Arbeitgebers im Bereich des Arbeitsschutzes aufgeführt. Die Mitwirkung von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und ihren Vertretern am Arbeitsschutz fällt je nach Land sehr unterschiedlich aus. In den entwickelten Ländern besteht in der Regel eine gesetzliche Pflicht, Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Arbeitsschutzausschüsse in landwirtschaftlichen Betrieben sowie über nationale Programme zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu beteiligen; in den meisten Fällen sind sie jedoch nur in begrenztem Umfang in diesem Bereich aktiv. Eine Reihe von Gewerkschaften und andere Vereinigungen fördern in Zusammenarbeit mit Ministerien für Landwirtschaft, Arbeit und Soziale Sicherheit sowie Universitäten und Forschungszentren Aufklärungsmaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit und Ausbildung in diesem Bereich. In einigen Ländern sorgen sie für arbeits- und heilmedizinische Dienste am Arbeitsplatz. 1994 wurde von der IAO eine Untersuchung über 16 Verbände — zehn von selbständig Erwerbstätigen und sechs von abhängig Beschäftigten — durchgeführt, die sich in Asien, Afrika, Lateinamerika und der Karibik befinden. Alle diese Verbände hatten auf AnreI0-I7G.98

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gung ihrer Mitglieder Gesundheitsdienste eingerichtet. Fünfzehn hatten erhebliche externe finanzielle Hilfe zur Einrichtung dieser Dienste erhalten, zwei von ihnen benötigten weitere finanzielle Unterstützung, um den Dienst aufrechtzuerhalten, während ein dritter Dienst nach Beendigung der Subventionen die Tätigkeit einstellte63. Die meisten Gesamtarbeitsverträge in der Landwirtschaft nehmen keinen Bezug auf Fragen des Arbeitsschutzes. In einigen Ländern, etwa in Norwegen, der Ukraine (in staatlichen landwirtschaftlichen Betrieben und in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften), im Vereinigten Königreich und in den Philippinen, gibt es Vereinbarungen, die Verweise auf diese Fragen enthalten. In Brasilien gewannen Arbeitsschutzanliegen im Rahmen der in den achtziger Jahren vorgenommenen Umstrukturierung der Gewerkschaftsbewegung zunehmend an Bedeutung; dies führte dazu, daß mehrwöchige Schulungsseminare über Arbeitsschutz (SEMSAT) durchgeführt und in verschiedenen Gewerkschaften spezielle Sekretariate eingerichtet wurden, die sich mit Arbeitsschutzfragen befaßten. Ferner wurde ein nationales Gewerkschaftszentrum für Ausbildung und Beratung in Arbeitsschutzfragen (DIESAT) eingerichtet, das noch immer sehr aktiv ist. Im landwirtschaftlichen Sektor gibt es eine lange Tradition von Kollektivverhandlungen sowie starke Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, die sich auf eine große Anzahl von Mitgliedern stützen können. Auf Verhandlungsergebnissen beruhende Verträge können sehr ausführlich sein und Regelungen zu Löhnen, Arbeitszeit, Ruhetagen, Urlaub, Beförderungsbedingungen der Arbeitnehmer, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten usw. enthalten. Im allgemeinen werden Gesamtarbeitsverträge in den Sektoren und Betrieben geschlossen, in denen viele Arbeitnehmer festangestellt sind, und sie tragen in der Regel den Anliegen dieser festangestellten Arbeitnehmer Rechnung. Zeit- und Saisonarbeitskräfte, die oft in der Mehrheit sind, werden häufig nur teilweise oder gar nicht erfaßt. Als Hauptgrund hierfür gilt ihr häufiger Wechsel des Arbeitgebers. In Frankreich wurde versucht, dieses Hindernis durch eine Revision des Arbeitsgesetzes (Abschnitt 127/1) zu überwinden, indem der Begriff eines „Arbeitgeberpools" verwandt wird. Ein solcher Pool kann rechtmäßig einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigen auf der Grundlage eines einzigen Gesamtarbeitsvertrags, in dem die Beschäftigungsbedingungen festgelegt sind; Details wie Arbeitszeiten und Beschäftigungsdauer werden später von den Arbeitgebern jeweils individuell festgelegt. So können sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe einen oder mehrere Arbeitnehmer teilen, deren Vollbeschäftigung die Möglichkeiten eines einzelnen Betriebs übersteigen könnte64.

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Anmerkungen ' Beispiele hierfür sind Bulgarien: der durch das Arbeitsschutzgesetz von 1997 eingesetzte Nationale Rat für Arbeitsbedingungen; Mexiko: der durch Para. 114-119 des Bundesgesetzes über Sicherheit, Hygiene und Umwelt eingesetzte Nationale Beirat für Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz; Venezuela: der durch Para. 8 des Grundlegenden Gesetzes über Prävention, Arbeitsbedingungen und die Arbeitsumwelt (10. Juli 1986) eingesetzte Nationale Rat für Prävention und Arbeitsschutz. 2

Siehe Abschnitt III, Unterabschnitt II.

3

Para. R.231-26.

4

Para. 231-25.

5

Siehe das Iranische Arbeitsgesetz (1990): Kap. 4 und insbesondere Para. 86.

6

Siehe Verordnung Nr. 619 vom 31. Juli 1980.

7

Siehe Para. 9 des Grundlegenden Gesetzes über Prävention, Arbeitsbedingungen und die Arbeitsumwelt (10. Juli 1986). 8

Ein Verwaltungsgremium innerhalb des Arbeitsministeriums.

9

Geschaffen durch die Verordnung 025-81TR.

10

Geschaffen durch Para. 1 der Verordnung Nr. 204-82.

" Die Zusammensetzung und Aufgaben der Kommission werden in Teil I des Arbeitsschutzgesetzes von 1994 beschrieben. 12

Siehe auch Art. 4 (1) des Übereinkommens (Nr. 81) über Arbeitsaufsicht, 1947.

13

Beispielsweise in Algerien, Bahrain, Guyana, Israel, Libysch-Arabische Dschamahirija und Malawi; siehe IAA: Labour Inspection: General Survey by the Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations, Internationales Arbeitsamt, Genf, 1985. 14

IAO: Multidisziplinäres Beratungsteam für das südliche Amerika: La Justicia Social en el Desarollo Rural Chileno. Aspectos laborales en el libre commercio, Arbeitsdok. Nr. 25 (Santiago, 1995). Siehe auch M. Vanackere: „Conditions of agricultural day-labourers in Mexico", in International Labour Review (Genf, IAA), Bd. 127, Nr. 1, 1988, wo hinsichtlich der Anwendung der mexikanischen Arbeitsgesetze auf landwirtschaftliche Betriebe ähnliche Schlußfolgerungen gezogen werden. 15

Ebd.

16

Verschiedene Länder nannten in ihren Berichten an den Sachverständigenausschuß für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen Probleme im Zusammenhang mit den unzureichenden finanziellen, personellen und materiellen Mitteln der Aufsichtsdienste (in der Landwirtschaft) in der Praxis als Grund für die Nichtratifizierung des Übereinkommens Nr. 129. Siehe IAA: Labour Inspection (General Survey), a.a.O. 17

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Ebd.

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Zur Diskussion der Vor- und Nachteile von allgemeinen gegenüber spezialisierten Arbeitsaufsichtsämtern siehe W. von Richthofen „Labour Inspection", in J.M. Stellmann (Hrsg.): Encyclopaedia of Occupational Health and Safety, 4. Aufl., Bd. 1 (IAA, Genf, 1998). 19

In Vietnam gibt es 170 Arbeitsinspektoren, die für die Überwachung von 38.000 Betrieben zuständig sind. 20

IAA: Labour Inspection (General Survey), a.a.O., Abs. 310.

21

G. Ungay; „The control of machine and tool safety: A strategy for reducing fatal and serious accidents on agricultural machinery" in: Proceedings ofthe XJVth World Congress on Occupational Safety and Health (Instituto Nacional de Seguridad e Higiene en el Trabajo, Madrid, 1997). 22

IAA: Labour Inspection (General Survey), a.a.O.

23

Die Kommission wurde aufgrund des Gesetzes Nr. 28 vom 26. Dez. 1990 eingesetzt.

24

Fidschi: Gesetz über Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz 1996, Para. 16 und 17; Ungarn: Gesetz Nr. 93 über Arbeitsschutz, Para. 70-76; Republik Südafrika: Arbeitsschutzgesetz 1983, Para. 17; Schweden: Arbeitsumweltgesetz 1997, Kap. 6. 25

Eine ausgezeichnete vergleichende Studie der Rolle von Arbeitenehmervertretern im Rahmen der Arbeitsschutzgesetzgebung in diesen Ländern im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist J.E. Korostoff, L.M. Zimmerman, C.E. Ryan „Rethinking the OHSA approach to workplace safety", a.a.O. 26

Ungarn: Gesetz Nr. 93 über Arbeitsschutz, Para. 70(1); Namibia: Arbeitsgesetz 1992, Para. 99(1); Republik Südafrika: Arbeitsschutzgesetz 1983, Para. 17(1). 27

Französisches Arbeitsgesetzbuch, Para. L. 231-1-1.

28

Siehe die offiziellen französischen Regierungsstatistiken in J.E. Korostoff et al.,

a.a.O. 29

In Art. 9 (1) heißt es: „die Durchführung der Rechtsvorschriften über den Arbeitsschutz und die Arbeitsumwelt ist durch ein angemessenes und geeignetes Aufsichtssystem sicherzustellen". 30

Am 31. Dez. 1997 war das Übereinkommen von 38 Ländern ratifiziert worden. Zur Diskussion der im Zusammenhang mit der Ratifizierung in einigen Ländern auftretenden Schwierigkeiten siehe IAA: Labour Inspection (General Survey), a.a.O. 31

Ebd.

32

Arbeitsschutz- und Fürsorgegesetz (1988), Para. 63 und 64.

33

Eine Diskussion der auf der Tagung der Sachverständigengruppe behandelten Fragen ist enthalten in M. Lesage: „Work-related diseases and occupational diseases: the ILO international list" in J.M. Stellman (Hrsg.): Encyclopaedia of Occupational Health and Safety, 4. Aufl., Bd. 1 (IAA, Genf, 1998).

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Verwaltung und Durchsetzung der innerstaatlichen Gesetzgebung 34

Kolumbien: Verordnung Nr. 1295 von 1994; Kuba: Gesetz Nr. 13 für Schutz und Hygiene am Arbeitsplatz (28. Dez. 1977); Mosambik: Arbeitsgesetz 1988, Para. 143 (2) (c); Nicaragua: Arbeitsgesetzbuch, Para. 111. 35

V. Forastieri: „Information note: the ILO Programme on occupational health and safety in agriculture". 1997. IAA. 36

G. Stevens: „Workplace injury: a view from HSE's trailer to the 1990 Labour Force Survey", in Employment Gazette (London), Nr. 100/12, Dez. 1992. 37

S. Hoglund: „Agriculture", in The workplace, a.a.O.

38

L. Schelp: „The occurrence of farm-environmental injuries in a Swedish municipality", in Accident Analysis and Prevention (Oxford), 1992, Bd. 24, Nr. 2. 39

Jährlich mindestens 40 Selbstmorde auf 100.000 gegenüber acht auf 100.000 im Vereinigten Königreich. 40

L.E. Castillo Martinez, H.C. Wesseling: Diagnöstico de la problemätica de los plaguicidas en Costa Rica, Pestizidprogramm (Universidad Nacional de Costa Rica, 1988). 41

So wurde beispielsweise die Krankenversicherung in Deutschland 1972 auf landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausgedehnt; in Frankreich konnten landwirtschaftliche Arbeitskräfte ab Anfang der frühen siebziger Jahre Leistungen der Unfallversicherung in Anspruch nehmen: siehe IAA: Wage workers in Agriculture, a.a.O. 42

Ebd, S. 83, T.G. Ison; IAA: „Workers compensation Systems: Overview" in Encyclopaedia of Occupational Health and Safety, a.a.O. 43

Siehe Gesetz Nr. 457 vom 8. Aug. 1972.

44

Para. 235 befaßt sich mit den selbständig Erwerbstätigen, Para. 236 mit Kleinbauern und Para. 238 mit „sozialer Solidarität" für Eingeborene, verletzliche Arbeitnehmer und in äußerster Armut lebende Arbeitnehmer. 45

IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O., Tabelle 5.2.

46

Zur Diskussion der Schwierigkeiten von Wanderarbeitnehmern bei der Inanspruchnahme von Entschädigungsleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in Südafrika siehe IAO: Southern African Multidisciplinary Advisory Team: The social protection of migrant workers in South Africa (Harare, 1997). 47

IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O.

48

United States Department of Health and Human Services: Social Security programs throughout the world, 1993 (Washington, D.C., 1994), zitiert in IAA: Wage workers in agriculture, a.a.O. 49

Die Probleme von Entwicklungsländern beim Aufbau von Systemen der Sozialen Sicherheit werden diskutiert in S. Guhan: „Social security options for developing countries", in International Labour Review (IAA, Genf), 1994, Bd. 133, Nr. 1. 50

J.V. Gruat: „Social security schemes in Africa: Current trends and problems", in International Labour Review (IAA, Genf), 1990, Bd. 129, Nr. 4.

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H. Chayon: „Employment injuries Insurance and Compensation in Israel", in Encyclopaedia of Occupational Health and Safety, a.a.O. Siehe auch Australien (Victoria): Unfallentschädigungsgesetz 1985 (Vic). 52

Gesetz vom 17. Nov. 1997.

53

Verordnung Nr. 21 vom 12. Mai 1986.

54

Bulgarien: Arbeitsgesetz 1951, Abschn. III; Schweden: in Beantwortung eines Informationsersuchens des IAA übermittelte Informationen. 55

Arbeitnehmerentschädigungsgesetz (1947).

56

Finnland: Gesetz von 1981 über Unfallversicherung für Landwirte.

57

Verordnung 623/988 vom 5. Okt. 1988.

58

Gesetz Nr. 12 von 1987 über ein Rentensystem und System der Sozialen Sicherheit für Landwirte. 59

Eine allgemeine Diskussion von Kollektiwerhandlungen im ländlichen Sektor findet sich in IAA: Wage workers in agriculture; a.a.O. 60

Beispielsweise werden im Rahmen des Gesetzes über Beschäftigungsnormen Mindestnormen für spezielle Kleidung festgelegt. 61

Arbeitnehmerschutzgesetz vom 14. Okt. 1992: Para. 22.

62

Arbeitsgesetz: Para. 46 (2).

63

IAA: Special Services of rural worker's organizations. A worker's educational manual, 2. Aufl. (überarbeitet) (Genf, 1994). 64

F. Bouquelot, a.a.O.

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KAPITEL IV DER LANDWIRTSCHAFTLICHE ARBEITSSCHUTZ IN DER PRAXIS ARBEITSPRAXIS UND ARBEITSBEDINGUNGEN

Wie bereits erwähnt, zeichnet sich die Landwirtschaft dadurch aus, daß es eine Vielzahl möglicher Arbeitsumstände gibt. Es gibt heute eine große Anzahl unterschiedlicher Formen des Grundbesitzes, z.B. Mikrobetriebe, kleine Familienhöfe, große privatwirtschaftliche oder staatliche Betriebe, von Kollektiven und Gemeinschaften genutztes Land, Latifundien, von Siedlern ohne Rechtstitel besetztes Land usw. Die Produktionsverfahren unterscheiden sich je nach Größe des Betriebs, den finanziellen Mitteln und den angebauten Produkten. Die Betriebe können ganz allgemein in vier Arten eingeteilt werden: — Großbetriebe, die eine intensive und extensive industriemäßige, auf den Export ausgerichtete Landwirtschaft betreiben und moderne Technologien, große Mengen chemischer Stoffe und komplizierte Maschinen einsetzen; — mittelgroße Betriebe, die für den Binnen- und den Exportmarkt produzieren und sowohl manuelle wie mechanische Methoden einsetzen; — Kleinbetriebe, die fast ausschließlich manuelle und traditionelle Verfahren mit Kleinviehzucht verbinden; — Mikrobetriebe, die Subsistenzlandwirtschaft betreiben und etwaige geringe Überschüsse auf örtlichen Märkten verkaufen. Die Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen ist bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten und in landwirtschaftlichen Betrieben schwieriger als in der Industrie. Die Arbeit in der Landwirtschaft erstreckt sich auf vielfältige Tätigkeiten, die an unterschiedlichen Orten ausgeführt werden müssen — auf täglicher wie auf saisonaler Grundlage. Einige der besonderen Merkmale der landwirtschaftlichen Arbeit, die hier erwähnt werden sollen, sind: — die Tatsache, daß der größte Teil der Arbeit im Freien durchgeführt wird und die Arbeitskräfte somit klimatischen Einflüssen ausgesetzt sind; — der saisonale Charakter der Arbeit und die Dringlichkeit bestimmter Aufgaben in bestimmten Perioden; — die Vielfalt der Aufgaben, die von derselben Person durchgeführt werden müssen; — die Körperhaltung bei der Arbeit und die Dauer der durchzuführenden Tätigkeit; 10-17G.98

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— Kontakt mit Tieren und Pflanzen, wodurch Arbeitskräfte Insektenstichen, Vergiftungen, Infektionen, parasitären Erkrankungen, Allergien, giftigen Stoffen und anderen gesundheitlichen Problemen ausgesetzt sind; — die Verwendung chemischer und biologischer Produkte; — große Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsort. Mit der Zunahme des internationalen Handels ist der landwirtschaftliche Sektor gezwungen, die beim Anbau, bei der Pflege, bei der Behandlung und bei der Ernte von Argrarpflanzen und bei der Viehzucht angewandten Techniken zu modernisieren. Die Einführung immer komplizierterer Maschinen und zahlreicher chemischer Verbindungen, die alle schädliche Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben können, wird jedoch nicht von entsprechenden Informationen oder Ausbildungsmaßnahmen begleitet. In Entwicklungsländern herrscht in großen landwirtschaftlichen Betrieben während der Erntezeit ein großer Arbeitsdruck, was zu starker Ermüdung und zu Unfällen aufgrund nachlassender Aufmerksamkeit führt. Zu den Arbeitsgefahren kommt erschwerend hinzu, daß die Arbeitskräfte nur geringe Kontrolle über die Geschwindigkeit, den Inhalt und die Organisation ihrer Arbeit haben. Arbeitsschutznormen werden zwar nicht immer eingehalten, die Situation ist jedoch besser als in vielen Kleinbetrieben, wo es praktisch keine Programme zur Verhütung von Gefahren gibt. Der Arbeitsschutz beschränkt sich oft auf kurative Maßnahmen und die Messung der Arbeitskapazität. Die hygienischen Verhältnisse in den Quartieren von Saisonarbeitskräften sind in der Regel schlecht. In diesen Ländern, in denen eine stark diversifizierte Landwirtschaft betrieben wird, erfordern die vielfältigen Anbauprodukte (einschließlich nicht einheimischer Pflanzungen) und die Ernte und die sich daran anschließenden Arbeitsprozesse zahlreiche spezielle landwirtschaftliche Geräte. Obwohl die Kosten dieser speziellen Geräte im allgemeinen sehr hoch sind, werden sie oft nur kurze Zeit während einer bestimmten Jahreszeit benötigt. Eine Reihe sich gegenseitig beeinflussender Faktoren — beispielsweise Bodenart, klimatische Bedingungen und Anbaupläne — müssen bei der Wahl des Zeitpunkts für den Anbau berücksichtigt werden. Die Tatsache, daß landwirtschaftliche Geräte oft nur während kurzer Zeit eingesetzt werden, spielt bei vielen Arbeitsunfällen eine Rolle. Von den Arbeitskräften wird erwartet, daß sie je nach Saison und Anbauprodukt andere Maschinen oder Werkzeuge einsetzen. So haben sie kaum Gelegenheit, sich an den Umgang mit diesen Geräten zu gewöhnen. In der Regel erfolgt die Ausbildung bei der Arbeit, was unzureichend ist, um Unfallgefahren zu verhüten'. Weltweit arbeiten die meisten ungelernten Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, wo die Unfallquoten hoch sind. Unfälle führen oft zu Amputationen von Gliedmaßen, Augenverletzungen oder anderen die Erwerbsfähigkeit einschränkenden Verletzungen. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Produktion in den Entwicklungsländern und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und in Mittel- und Osteuropa ist arbeitsintensiv. Ein großer Teil der Bevölkerung in diesen Ländern, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, ist in landwirtschaftlichen Kleinbetrieben tätig.

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In den Entwicklungsländern sind die Arbeitsbedingungen der großen Mehrheit der Kleinbauern, Teilpächter und Pächter äußerst hart. Ihnen wird nur ein geringer sozialer Schutz und ein Minimum an förmlicher fachlicher Ausbildung oder technischer Hilfe gewährt; oft erhalten sie nicht einmal das. Viele landwirtschaftliche Kleinbetriebe und Betriebe mittlerer Größe haben keinen Zugang zu technologischen Innovationen oder sind nicht einmal darüber informiert. Sie verwenden beim Sprühen von Pestiziden wie beim Anbau oft alte und schlecht gewartete Werkzeuge, Maschinen und Geräte, was Erkrankungen und schwere Unfälle verursachen kann. Der Zugang zu Gesundheitsdiensten ist wegen der geographischen Streuung der Bevölkerung und der geringen Anzahl ländlicher medizinischer Zentren unzureichend. Wirtschaftlicher Druck und eine mangelnde Ausbildung führen zu einem Übermaß an körperlicher Anstrengung, zu großem psychologischem Streß und zu einer sehr ungleichmäßigen Arbeitsbelastung — alles Faktoren, die das Risiko von Unfällen und Erkrankungen erhöhen. Kleinbauern haben zusätzliche Probleme. Die von ihnen benutzten Rohstoffe und Geräte sind von minderer Qualität, und sie haben oft nur einen sehr begrenzten Zugang zu Krediten, um ihre Produktion zu finanzieren. Sie sind in der Regel nicht organisiert, haben kein Vertretungsorgan und lösen ihre Probleme meist auf individueller Basis. Außerdem befinden sich die meisten Kleinbetriebe in entlegenen Gebieten, an Berghängen oder auf Hügelland; es gibt dort keine Bewässerungssysteme, und die Regenfälle sind unberechenbar (z.B. das DekhanPlateau in Indien, Südostasien, bestimmte Regionen in Lateinamerika und Afrika südlich der Sahara). Die klimatischen, geologischen und geographischen Bedingungen sind sehr unterschiedlich. Der Boden ist unergiebig, und verglichen mit Plantagen und landwirtschaftlichen Großbetrieben sind die Landbausysteme arbeitsintensiv und weniger produktiv. Die körperlichen Arbeiten sind aufgrund der aufgewandten Energie, der Körperhaltung und der verwandten Handwerkzeuge sehr anstrengend und führen rasch zu Ermüdung. Am schwierigsten ist die Bodenvorbereitung, da sie einen großen Zeit- und Energieaufwand erfordert. Die Unkrautbeseitigung ist sehr anstrengend, und die zeitliche Planung ist sowohl für die täglichen wie für die saisonalen Aufgaben von großer Bedeutung2. Ergonomie und Technologietransfer In Industrieländern werden auf allen Ebenen der Konstruktion von Maschinen und Geräten Mikroprozessoren und neue elektrotechnische Entwicklungen eingesetzt, um Maschinen- und Motorfunktionen elektronisch zu überwachen. Die Einführung komplexer Steuereinrichtungen in modernen Traktoren und Mähdreschern überfordert vielfach die Fahrzeugführer und kann daher zu Sicherheitsproblemen und Unfällen führen. Ohne die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen können die an Bord befindlichen elektronischen Steuersysteme durch das elektromagnetische Umfeld in der Nähe von elektrischen Überlandleitungen und von Fernmeldeausrüstungen oder durch Naturphänomene beeinflußt werden3. In den Entwicklungsländern konzentrieren sich derzeit Forschungsarbeiten und technologische Anwendungen im Bereich der Ergonomie hauptsächlich auf den industriellen Sektor. Dem landwirtschaftlichen Sektor wurde insbesondere auf der Ebene der Kleinbauern nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es liegen 10-I7G.98

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nur wenige Informationen darüber vor, wie mit Hilfe der Ergonomie körperliche Belastungen bei der Feldarbeit verringert werden können. In den meisten Entwicklungsländern wirken sich Probleme beim Technologietransfer auch auf den Bereich der Ergonomie aus. Neue technologische Entwicklungen kommen in der Regel aus Industrieländern und sind daher selten an das Klima und die Arbeits- und kulturellen Gewohnheiten der Entwicklungsländer oder an die Körpergröße oder die körperliche Stärke der Arbeitskräfte in diesen Ländern angepaßt. In vielen Fällen entsprechen Geräte und Werkzeuge sowie Umgebungs- und Arbeitsfaktoren nicht den Bedürfnissen der Benutzer, was ganz offensichtlich zu unsicheren, ungesunden und unbequemen Situationen führt. In Entwicklungsländern, in denen es unterschiedliche ethnische Gruppen gibt, müssen unterschiedliche körperliche Meßgrößen berücksichtigt werden. So haben beispielsweise Chinesen kürzere und schmalere Hände, jedoch längere Finger als Europäer und Inder. Es ist möglich, daß diese Unterschiede nur geringe ergonomische Auswirkungen haben, sie können jedoch bei der Benutzung der Geräte auch zu ernsten ergonomischen Problemen führen und Unfälle und Verletzungen verursachen. Es gibt viele Beispiele dafür, daß durch diese Umstände verursachte statische oder unnatürliche Haltungen bei der Arbeit Muskel-Skelett-Erkrankungen hervorrufen. Die anthropometrischen Parameter von Werkzeugen und Maschinen orientieren sich an den Standardmaßen der Bevölkerung in den Ländern, wo diese Geräte produziert werden. Zwar sind manche Werkzeuge optimal an die Bedürfnisse der Arbeitnehmer angepaßt, oft werden jedoch Werkzeuge, die ursprünglich für einen bestimmten Zweck konzipiert wurden, für eine ganz andere Arbeit eingesetzt. So ist es beispielsweise möglich, daß ein Arbeiter eine schlechte körperliche Haltung einnimmt, weil er eine Jäthacke zum Graben benutzt oder Kartoffeln mit einem kurzen Spaten rodet, der eigentlich für das Graben von Bewässerungskanälen konzipiert wurde. Außerdem kann der wegen einer falschen Anpassung von Geräten und Maschinen erforderliche höhere Energieaufwand die körperliche und geistige Anstrengung erhöhen und somit schneller zu Ermüdung führen. Im Rahmen des zunehmenden Technologietransfers in Entwicklungsländer und der Weitergabe von gebrauchten Maschinen von Groß- an Kleinbetriebe werden immer mehr Maschinen eingesetzt, deren Schutzvorrichtungen beschädigt oder nicht mehr vorhanden sind. Hinzu kommt, daß die Maschinen schlecht gewartet werden. Für bestimmte landwirtschaftliche Arbeiten geeignete Geräte werden für andere Zwecke eingesetzt, und es kommt vor, daß stark beschädigte Geräte verwandt werden. Ob vom Importeur sichergestellt wird, daß die in Entwicklungsländer ausgeführten Maschinen und Geräte an örtliche Bedingungen angepaßt sind, hängt von den vorhandenen finanziellen Mitteln, technischem Fachwissen, Absatzstrategien usw. ab. Bei der Entscheidung, welche Technologien importiert werden, sollte berücksichtigt werden, ob eine Anpassung an die Bedürfnisse der lokalen Arbeitskräfte und Verfahren möglich ist. Im Fall des in den Entwicklungsländern üblichen arbeitsintensiven Anbaus sind ergonomische Forschungen in bezug auf manuelle Tätigkeiten und Handwerkzeuge erforderlich. 10-17G.98

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Es gibt jedoch Beispiele dafür, daß örtliche Technologien mit Hilfe ergonomischer Maßnahmen erfolgreich angepaßt werden konnten. Im Zeitraum 1990-92 wurde im Institut für landwirtschaftliche Forschung in Samara unter der Leitung des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie und in Zusammenarbeit mit dem Forschungsprogramm der Ahmadu Bello-Universität in Zaria in Nigeria für Forschung über landwirtschaftliche Mechanisierung ein Projekt für die Entwicklung landwirtschaftlicher Technologien durchgeführt, die sich an den Bedürfnissen ländlicher Frauen im Bereich der Subsistenzlandwirtschaft orientieren. Das Projekt wurde in den Bundesstaaten Kanu und Kadina (in der Savannenregion Nigerias) durchgeführt und befaßte sich mit der Einführung spezieller Technologien in den Bereichen Bodenvorbereitung, Anpflügen und Unkrautbeseitigung, Dreschen, Milchverarbeitung, Ölextraktion, Kochherde und Wassertransport. Prototypen wurden entwickelt, und mit Hilfe von Gruppen ländlicher Frauen konnte die Konstruktion der Prototypen noch weiter verbessert werden. Das Projekt war erfolgreich, da es ein Bewußtsein dafür schuf, daß das Leben der Frauen in der Landwirtschaft und in der Familie durch kostengünstige und leicht anzuwendende technologische Verbesserungen erleichtert werden kann. Ferner konnten einzelne Mitglieder und die Gemeinschaftsgruppen insgesamt mit Hilfe des Projekts ein zusätzliches Einkommen erzielen.

ARBEITSUNFÄLLE IN DER LANDWIRTSCHAFT

Wie bereits in Kapitel I erwähnt, gehört die Landwirtschaft in vielen Ländern zu den unfallträchtigsten Sektoren. Neben den Todesfällen unter landwirtschaftlichen Arbeitskräften, deren Anzahl von der IAO auf 170.000 jährlich geschätzt wird4, erleiden viele der 1,3 Milliarden landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in der Welt ernste Verletzungen oder ziehen sich eine berufsbedingte Erkrankung zu. Während die Mortalitätsrate in anderen unfallträchtigen Branchen wie dem Bergbau oder dem Baugewerbe in den neunziger Jahren ständig zurückgegangen ist, hat sie in der Landwirtschaft in den Industrie- ebenso wie in den Entwicklungsländern weiter zugenommen. Die in den letzten Jahren zunehmende Verwendung von Pestiziden und Maschinen hat das Risiko von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten erhöht. Die Arbeitskräfte in Entwicklungsländern sind aufgrund der unzureichenden Ausbildung und Sicherheitssysteme besonders gefährdet. Unfälle sind vor allem auf physikalische, mechanische, ergonomische, chemische und biologische Gefahren zurückzuführen. Nach Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften (EUROSTAT) wurden in der Landwirtschaft 1994 348.300 Unfälle, die zu einem Verlust von mehr als drei Arbeitstagen führten, und 900 Todesfälle registriert, was bedeutet, daß die Landwirtschaft unter den unfallträchtigsten Sektoren in der Region an zweiter Stelle steht5. 1996 wurden in den Vereinigten Staaten als Folge von Arbeitsunfällen im Landwirtschaftssektor 710 Todesfälle und 150.000 Fälle einer dauernden Erwerbsunfähigkeit registriert. Die Mortalitätsziffer ging von 24 auf 100.000 Arbeitnehmer im Jahr 1992 auf 21 im Jahr 1996 zurück, wobei allerdings im Jahr 1993 ein Anstieg auf 27 verzeichnet wurde. Bei diesen Angaben 10-17G.98

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Tabelle 4.1 Arbeitsunfälle und Todesfälle in Europa Sektor

Unfälle mit > 3 verlorenen

Todesfälle

Anzahl

Anzahl

Häufigkeit (nb/105)

Häufigkeit (nb/105)

Baugewerbe Landwirtschaft Transport/Verkehr Verarbeitendes Gewerbe Handel Hotels, Restaurants, Dienstleistungen Sonstige

858.129 348.309 421.133 1.515.556 487.656 405.317

9.014 6.496 6.139 5.071 2.552 5.759

1.457 770 917 1.330 519 380

14,7 14,0 13,7 4,6 2,8 4,1

881.966

4.539

5.373

6,1

INSGESAMT

4.918.066

6.423

Quelle: EUROSTAT, 1994.

sind keine Betriebe mit weniger als elf Beschäftigten und nur Arbeitnehmer, die älter als 16 Jahre sind, berücksichtigt6. Aus einer in den Vereinigten Staaten durchgeführten Studie über Unfälle von Kindern und Jugendlichen in der Landwirtschaft geht hervor, daß jedes Jahr 23.000 verletzt und 300 getötet werden7. Eine ähnliche, 1997 in Nordkarolina durchgeführte Studie zeigte, daß über ein Drittel der in der Landwirtschaft arbeitenden Jugendlichen Pestiziden ausgesetzt oder an Unfällen mit Tabakerntemaschinen beteiligt waren. Weitere häufige Verletzungen wurden verursacht durch Unfälle mit großen Tieren, Insektenstiche, Schnitte, Verbrennungen oder Stürze8. In Frankreich nahm die Anzahl der Zeit- und Aushilfskräfte in der Landwirtschaft und Viehzucht zwischen 1995 und 1996 um 0,3 Prozent zu. Die Unfallquote belief sich 1996 auf 81,4, was gegenüber 1995 eine Verbesserung um 6,2 Prozent darstellte. 1996 waren 14 Prozent der Opfer von Unfällen mit anschließendem Arbeitsausfall Frauen; im Zeitraum 1994-96 entfielen 5 Prozent aller tödlichen Unfälle auf sie. 1996 entfielen 5 Prozent aller Unfälle mit anschließendem Arbeitsausfall auf Personen im Alter unter 20 Jahren; zwischen 1994 und 1996 entfielen auf diese Gruppe 4 Prozent aller tödlichen Unfälle. Die zuletzt, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate, eingestellten Arbeitnehmer waren von Unfällen am schlimmsten betroffen, denn auf sie entfielen zwischen 1994 und 1996 37,3 Prozent aller Unfälle mit anschließendem Arbeitsausfall und 34,7 Prozent aller tödlichen Verletzungen9. In den Entwicklungsländern ist die Situation noch schlimmer. Nach Angaben des Staatlichen Pensionsfonds in Mauritius für den Zeitraum 1986-88 wurde geschätzt, daß auf den Zuckerplantagen mehr als zwei von zehn Arbeitern von einem Arbeitsunfall betroffen waren (10.000 Unfälle auf 44.000 Arbeitskräfte),0. In Puerto Rico entfielen ein Drittel aller Arbeitsunfälle auf die Landwirtschaft". Im übrigen ging aus der in Puerto Rico durchgeführten Studie hervor, daß ein hoher Anteil der Verletzungen auf manuelle Schneidwerkzeuge wie Messer, Macheten, Sicheln usw. zurückzuführen war. 10-17G.98

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1983 gingen beim Sozialversicherungsfonds von Cöte d'Ivoire 1.950 Berichte über Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft ein. Die häufigsten Unfallursachen waren bewegliche Teile von Maschinen (13 Fälle), fehlende persönliche Schutzausrüstung (21 Fälle), unzureichende Kenntnisse über Arbeitsgefahren (14 Fälle) und mangelhafte bzw. nicht durchgeführte Ausbildung (zwölf Fälle). Das Arbeitsaufsichtsamt berichtete von durchschnittlich 175 Unfällen jährlich zwischen 1989 und 1994 in einem einzigen Zuckerrohrbetrieb, der insgesamt 2.000 Arbeitnehmer beschäftigte. Dies bedeutet, daß fast jeder zehnte Arbeitnehmer — davon annähernd zwei Drittel Aushilfskräfte — einen Unfall erlitt. Bei den Unfällen handelte es sich vor allem um Verletzungen durch Macheten, Maschinen, Schlangenbisse, das Zuckerrohr selbst und Transportunfälle. Schwere Verletzungen wie Brüche und Wunden werden gelegentlich auch durch den Umgang mit Rindern und anderen Nutztieren verursacht. Auch der Kontakt mit wilden Tieren kann zu ernsten Verletzungen führen. In Ländern wie Brasilien, Cöte d'Ivoire und Kamerun, die ein feuchtheißes Klima und eine üppige Vegetation haben, werden häufig Schlangenbisse als landwirtschaftliche Unfälle registriert, obwohl es kaum Statistiken gibt, in denen diese Unfälle gemeinsam mit anderen Arbeitsunfällen aufgeführt werden. Tabelle 4 . 2 Verteilung der Arbeitsunfälle: Costa Rica ( 1 9 9 4 ) , Brasilien (1994) und Vereinigte Staaten (1995) Arbeitsunfallursachen

Werkzeuge und Maschinen Stürze und Ausgleiten Überbeanspruchung, repetitive Bewegungen Fremdkörper in den Augen Pestizide und andere chemische Produkte Transportunfälle Sonstige

Costa Rica 1994(%)

Brasilien 1994 (%)

Vereinigte Staaten 1995 (%)

50 25 7

52 7 7

32 19 22

2 1

n.v. 2

n.v. 5

18

2 8

5 17

n.v. = nicht verfügbar Datenquellen: Direcciön Actuarial del Instituto Nacional de Seguros, Costa Rica, 1994; MEIRELLES C.E., FUNDACENTRO, Brasilien, 1994; National Safety Council (NSC): Accident facts (Itasca IL, Vereinigte Staaten, 1997).

Unfälle mit Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen In Frankreich, wo es ein sehr leistungsfähiges Sozialversicherungssystem für den landwirtschaftlichen Sektor gibt, nimmt die Zahl der Unfälle insgesamt ab. Die Verwendung von Maschinen ist jedoch nach wie vor die wichtigste Unfallursache, da etwa 25 Prozent aller Fälle darauf entfallen; 30 Prozent davon betreffen Unfälle mit Traktoren und mobilen landwirtschaftlichen Geräten, fast 13 Prozent entfallen auf Handwerkzeuge, 10 Prozent auf Arbeit mit Tieren, und 8 Prozent werden durch die Bodenbeschaffenheit verursacht. Einer von drei Unfällen

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führt zu dauernder Erwerbsunfähigkeit, worauf 30 Prozent aller Entschädigungsleistungen entfallen12. In Spanien und anderen europäischen Ländern mit einem ähnlichen Entwicklungsstand werden etwa 40 Prozent aller Unfälle von Maschinen verursacht, wobei die Hälfte auf Traktoren entfällt13. Aus Australien wird berichtet, daß Landwirte und landwirtschaftliche Arbeitskräfte die Gruppe sind, die bei Traktorunfällen am häufigsten tödliche Verletzungen erleidet: Die meisten Unfälle zwischen 1989 und 1992 wurden durch einen Überschlag des Fahrzeugs oder dadurch verursacht, daß der Fahrzeugführer vom Traktorfieloder herabstieg und dann vom Traktor oder einem Anhänger überrollt wurde14. In einer Reihe afrikanischer Länder hat die Zahl der Arbeitsunfälle erheblich zugenommen, seitdem Traktoren und LKWs beim Zuckerrohranbau eingesetzt werden'5. In Argentinien wurden zwischen April und Juni 1997 29,9 Prozent aller nichttödlichen Unfälle und 4,2 Prozent aller tödlichen Unfälle durch Maschinen verursacht. Aus Kolumbien wird berichtet, daß 1996 an fast 50 Prozent aller Unfälle in der Landwirtschaft Traktoren beteiligt waren. Die meisten dieser Unfälle waren darauf zurückzuführen, daß sich Traktoren überschlugen, weil sich ein Rad in einer Furche festgefahren hatte oder das Fahrzeug auf zu steilem Gelände eingesetzt oder zu ungleichmäßig beladen wurde. 1993 waren fast 300 tödliche Arbeitsunfälle darauf zurückzuführen, daß Traktoren nicht mit Überrollbügeln oder Sicherheitsgurten ausgestattet waren. Vielfach wird die Ansicht vertreten, daß diese Zusatzausstattung zu kostspielig ist oder die Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs beeinträchtigt; manchmal sind die Maschinen auch einfach zu alt, um entsprechend umgerüstet zu werden. Aus den von Entwicklungsländern übermittelten Daten geht hervor, daß die Häufigkeit von Unfällen zugenommen hat, von denen hauptsächlich Wanderarbeitnehmer, Tagelöhner und Frauen und Kinder betroffen sind, deren Anteil unter den Erwerbstätigen ständig zunimmt. In den meisten Ländern werden landwirtschaftliche Geräte nicht nur von dafür ausgebildeten Kräften bedient, sondern auch von Frauen, älteren Kindern und Jugendlichen. So waren beispielsweise 1989 an 62 Prozent aller tödlichen Unfälle von Kindern und Jugendlichen in der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten Traktoren beteiligt. Eine in Nordkarolina 1997 durchgeführte Studie über die Arbeit von Jugendlichen in der Landwirtschaft kam zu dem Schluß, daß sie Arbeitsgefahren durch Unfälle mit Traktoren, Geländefahrzeugen, LKWs und Kreiselmähern ausgesetzt waren. Mit zunehmendem Alter stieg die Todesfallziffer. Die Quote der 15- bis 19jährigen Jungen war doppelt so hoch wie die von jungen Kindern und 26mal so hoch wie die von Mädchen16. Seit 1983 müssen jedoch in Schweden alle Traktoren — alte ebenso wie neue — mit einem Überschlagschutz ausgerüstet werden; das Gesetz aus dem Jahr 1959 gilt uneingeschränkt auch für Familienbetriebe, und dadurch ist die Anzahl der Todesfälle durch Überschlag dramatisch zurückgegangen, von 40 Fällen im Jahr auf fast null". Unfälle in Silos und anderen Lagerstätten In Betrieben, wo Silos zur Lagerung von Getreide eingesetzt werden, besteht ein hohes Erstickungsrisiko. In neugefüllten Silos bilden sich innerhalb weniger 10-17G.98

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Stunden nach dem Auffüllen im Luftraum des Silos extrem giftige Stickoxide, die dort eine Woche oder länger verweilen können. Es wurden Konzentrationen von Stickstoffdioxiden festgestellt, die mehrere hundertmal höher lagen als die zulässigen Normen. Im Vergiftungsfall muß rasch eine zweckmäßige Behandlung erfolgen, um tödliche Folgen zu vermeiden. Wenn ein hermetisch verschlossener Silo geöffnet wird, besteht Erstickungsgefahr, denn das Saatgut oder Viehfutter sondert Stickoxide ab, so daß der Sauerstoffgehalt der Luft unter das lebensnotwendige Minimum fällt ".Es liegen auch Berichte vor über Stürze mit anschließendem Ersticken durch das Einatmen von Saatgut. Viele Länder haben lange Listen von Empfehlungen zur Vermeidung von Gefahren bei der Arbeit in Silos, sie werden jedoch häufig nicht konsequent befolgt. BERUFS- UND ARBEITSBEDINGTE ERKRANKUNGEN

Die durch eine Tätigkeit in der Landwirtschaft ausgelösten Erkrankungen fallen in verschiedenen Teilen der Welt sehr unterschiedlich aus, da sie von zahlreichen Faktoren abhängig sind, etwa Klima, Fauna, Bevölkerungsdichte, Lebensbedingungen, Eßgewohnheiten, hygienische Normen, Bildungsstand, Berufsbildung, Arbeitsbedingungen, technologische Entwicklung, Qualität von Diensten und Zugang zu ihnen usw. Es können jedoch die folgenden Unterscheidungen getroffen werden: a) berufsbedingte Erkrankungen, die einen bestimmten oder starken Bezug zu einem Beruf aufweisen, im allgemeinen nur durch einen einzigen Erreger ausgelöst werden und als solche anerkannt sind; b) arbeitsbedingte Erkrankungen, die in der Regel durch verschiedene Erreger ausgelöst werden und bei deren Entstehung die Arbeitsumgebung eine Rolle spielen kann; c) allgemeine Erkrankungen ohne eine kausale Beziehung zur Arbeit, die jedoch durch die Arbeit verschlimmert werden können. Die Zuordnung dieser Krankheiten zu jeweils einer dieser Gruppen kann sich im Lauf der Zeit verändern durch: — eine bessere Kenntnis von Risikofaktoren und ihrer Wirkungsweise; — die Weiterentwicklung der Diagnoseverfahren; — die Überwachung und Verhütung der Erkrankungen, die durch diese Gefahren ausgelöst werden können; — die landwirtschaftlichen Produktionsverfahren. Die meisten Land erstellen eine Liste von Erkrankungen, die gesetzlich als Berufskrankheiten eingestuft werden und für die unter bestimmten Umständen und innerhalb bestimmter Fristen Entschädigungsleistungen beantragt werden können. Unterschiede bei den Klassifizierungssystemen und die zeitlichen Abstände, in denen die Verzeichnisse der gesetzlich anerkannten Krankheiten überprüft werden, bestimmen die Evaluierung der Häufigkeit und Verbreitung bestimmter Berufskrankheiten auf globaler Ebene.

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Die Frage, ob arbeitsbedingte Erkrankungen und allgemeine Erkrankungen anerkannt werden, kann ebenfalls von der innerstaatlichen Gesetzgebung abhängen. Hier besteht die Möglichkeit, daß einzelne in strittigen Fällen Rechtsmittel in Anspruch nehmen (Sachverständigenausschüsse, Gerichte). Die Anerkennung dieser beiden Kategorien von Erkrankungen und die Überarbeitung dieser Verzeichnisse ermöglichen es, zielgerichtete und effektive Präventionsprogramme einzurichten. Die wichtigsten Erkrankungen, die bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten auftreten, sind: infektiöse Erkrankungen durch Kontakt mit Haustieren oder freilebenden Tieren (Zoonosen), Atemwegsinfektionen, Dermatosen, Allergien, Krebserkrankungen, Erkrankungen verursacht durch die Arbeit im Freien, Vergiftungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen durch repetitive Tätigkeit, eine falsche Körperhaltung, das Tragen schwerer Lasten oder übermäßig lange Arbeitszeiten sowie Erkrankungen durch Lärm und Vibrationen. Diese Erkrankungen führen zu einem höheren Energieaufwand, vorzeitigem Altern, Fehlzeiten und abnehmender Produktivität, und sie sind auf nationaler Ebene mit hohen Sozial- und Krankheitskosten verbunden. Das Zusammenwirken der verschiedenen Risikofaktoren, denen landwirtschaftliche Arbeitskräfte ausgesetzt sind, muß ebenfalls berücksichtigt werden. Eine 1994 in der Ukraine durchgeführte Studie konstatierte einen deutlichen Anstieg der Mortalität unter der ländlichen Bevölkerung durch Herz- und Kreislauferkrankungen. 1990 betrug die Sterbequote in der Altersgruppe der 35 bis 49jährigen in ländlichen Gebieten 425 auf 100.000 gegenüber 348 auf 100.000 in derselben Altersgruppe in den Städten. Eine Auswertung der Daten zeigte, daß kardiale Ischämie besonders unter Traktorfahrern verbreitet war (8,4 Prozent). Dies wurde darauf zurückgeführt, daß sie Vibrationen, Lärm, ungünstigen mikroklimatischen Einflüssen und übermäßiger Arbeitsbelastung ausgesetzt sind. Dieselbe Studie zeigte, daß Bluthochdruck häufiger unter Arbeitnehmern anzutreffen war, die nicht mit Maschinen arbeiteten: 30 Prozent dieser Gruppe hatten jedoch früher einen Traktor gefahren. Im übrigen zeigte die Studie, daß bei einer Exposition gegenüber Pestiziden über einen Zeitraum von zehn Jahren kardiale Ischämie doppelt so häufig und Bluthochdruck viermal so häufig auftrat". Einer kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation durchgeführten Untersuchung zufolge handelt es sich bei den schlimmsten gesundheitlichen Problemen ländlicher Bevölkerungen in Ländern Mittel- und Osteuropas und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion um Krebs, Allergien und Tuberkulose20. Die Verwendung chemischer Stoffe in der Landwirtschaft Weltweit werden in der Landwirtschaft fast dreiviertel Millionen chemische Stoffe und Verbindungen eingesetzt. Jedes Jahr kommen Tausende neuer Stoffe hinzu, von denen viele schädliche Nebenwirkungen haben. Sie werden so rasch in den Produktionsprozeß eingeführt, daß kaum beurteilt werden kann, ob sie potentiell schädliche Auswirkungen auf Arbeitnehmer haben. 1991 wurden weltweit nur 20 Prozent aller Pestizide in Entwicklungsländern eingesetzt, dennoch entfielen 99 Prozent aller mit ihrer Verwendung zusammenhängenden Vergiftungen auf diese Länder. I0-I7G.98

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Tabelle 4.3 Anzahl der Berufskrankheiten und Häufigkeitsraten nach Art der Krankheit in der Landwirtschaft, Vereinigte Staaten, 1995 Berufskrankheit

Mit wiederholtem Trauma verbundene Störungen Hauterkrankungen, -leiden Atembeschwerden infolge toxischer Agenzien Störungen infolge physikalischer Agenzien Vergiftungen Staubkrankheiten der Lunge Alle anderen Berufskrankheiten Alle Krankheiten

Zahl der Krankheiten (103) (ausgenommen landwirtschaftliche Betriebe mit < 11 Beschäftigten)

Häufigkeitsrate/ 100.000 Vollzeitarbeitskräfte

1,0

8,2

2,5 0,2

20,3 1,4

0,3

2

0,3 weniger als 50 Fälle 1,1 5,4

2,5 0,1 8,8 43,5

Quelle: Bureau of Labour Statistics, United States Department of Labour, 1995.

Tabelle 4.4 Berufskrankheiten in der Landwirtschaft in Frankreich (ob mit oder ohne Arbeitsausfall), 1996 Berufskrankheit

Periartikuläre Störungen Allergisches Ekzem Respiratorische Allergien Vibrations- und schockbedingte Störungen Leptospirose Brucellose Lärm Pestizide Sonstige Berufskrankheiten Berufskrankheiten insgesamt

Anzahl der Fälle (1996)

Häufigkeitsrate je 100.000 Arbeitskräfte

837 59 61 22

81,3 5,7 5,9 2,1

15 22 22 22 58

2,1 5,6

1.118

Quelle: MSA: Donnies chiffries. Le risque d'accident des salariäs agricoles, 1976-1996 (Mutualite Sociale Agricole, Paris, 1997).

Bei der großen Mehrheit der in der Landwirtschaft verwandten Pestizide handelt es sich um synthetische Stoffe mit einer komplexen Zusammensetzung. Neben ein oder zwei Wirkstoffen enthalten sie Lösungsstoffe, Emulgatoren, Tenside, Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Emetika usw. Ihre schädlichen Auswirkungen werden beim Kontakt mit dem menschlichen Körper, Tieren oder der Umwelt verstärkt bzw. aktiviert. Diese Pestizide werden in der Regel nach den Schädlingen eingeteilt, gegen die sie eingesetzt werden, d.h. Insektizide (am häufigsten eingesetzt), Herbizide, Fungizide, Nematizide, Rodentizide, Krähengifte, Maulwurfgifte usw. 10-17G.98

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Tabelle 4 . 5 Prozentuale Zunahme des Pestizideinsatzes nach Region zwischen 1 9 8 3 und 1993 Region Afrika Lateinamerika Östliches Mittelmeer Fernost Sonstige Entwicklungsländer Alle Entwicklungsländer Welt

1983-1988

1988-1993

60 45 25 28 15 37 23

200 40 22 25 12 55 20

Quelle: WHO/UNEP: The public heatth impact of pesticides used in agriculture, Weltgesundheitsorganisation/Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (Genf, 1990).

Pestizide werden vom menschlichen Körper hauptsächlich über die Atemwege, die Oberfläche der Haut oder die Schleimhäute der Nase, des Mundes und der Augen aufgenommen. Kontaminierte Tröpfchen gelangen beim Atmen in die Atemwege. Auf der Haut werden Pestizide in Lipiden gelöst, so können sie in die darunter liegenden Blutgefäße eindringen. Wenn die Atemfrequenz oder die Permeabilität der Haut oder Schleimhäute zunimmt, nimmt auch die Gefahr zu, daß Pestizide aufgenommen werden. Dies kann durch Hitze, Anstrengung, Hautentzündungen in Form von Ekzemen oder durch allergische Reaktionen oder Schürfwunden geschehen. Wird die Haut nach der Arbeit nicht durch Abwaschen dekontaminiert, bleibt sie länger in Kontakt mit dem Pestizid, das leichter in sie eindringen kann. Je länger die Exposition, desto höher die aufgenommene Dosis chemischer Stoffe. Eine Vergiftung über den Verdauungstrakt kommt zwar seltener vor, ist jedoch in Anbetracht der unzureichenden hygienischen Einrichtungen dann möglich, wenn bei Mahlzeiten auf den Feldern Nahrungsmittel aufgenommen werden, die durch verschmutzte Hände oder Bekleidung kontaminiert worden sind. Es ist auch nicht ungewöhnlich, daß Arbeiter die Düsen von Sprühgeräten reinigen, indem sie hindurchblasen. In ländlichen Gebieten werden Pestizidbehälter oft benutzt, um Wasser oder Nahrungsmittel aufzubewahren. Durch diese Praxis, die auf einen Mangel an Informationen und Warnhinweisen zurückgeführt werden kann, können ebenfalls Vergiftungen über den Verdauungstrakt verursacht werden. Bei der großen Mehrheit der weltweit diagnostizierten Pestizidvergiftungen handelt es sich um akute Vergiftungen. Dazu kann es beispielsweise kommen, wenn Pestizide in geschlossenen Räumen wie Silos oder Gewächshäusern eingesetzt werden, wo sich die chemischen Stoffe nicht verflüchtigen können und so eine sehr hohe Konzentration in der Luft entstehen kann. Symptome einer schleichenden Vergiftung, die selten diagnostiziert werden, werden durch eine wiederholte Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Pestiziden ausgelöst. In diesen Fällen sind die Symptome nicht akut, sondern chronisch, und die Ursachen werden oft falsch interpretiert oder bleiben unerkannt. Zu den chronischen und zeitlich verzögert auftretenden Auswirkungen auf die Gesundheit 10-17G.98

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gehören Krebs und Atemwegserkrankungen, neurologische und neuromuskuläre Ausfälle, Verhaltensstörungen, psychiatrische Folgewirkungen und Allergien auf unterschiedliche chemische Stoffe. Ein weiteres Symptom für chronische Toxizität ist die Möglichkeit fetaler Mißbildungen bei Frauen, die während der Schwangerschaft chemischen Stoffen ausgesetzt sind. Das Ausmaß des Risikos hängt stark davon ab, wie Pestizide ausgebracht werden. Wenn Arbeiter Sprühgeräte auf dem Rücken tragen, sind sie sehr nah an der Expositionsquelle. Veränderungen der Windrichtung beim Sprühen können zu einer Aufnahme über die Atemwege führen, und durch undichte Verbindungen kann es zu einem direkten Hautkontakt mit einer größeren Pestizidmenge kommen. Beim Versprühen in geschlossenen oder schlecht gelüfteten Räumen, etwa in Treibhäusern, können hohe Konzentrationen von Pestiziden über die Haut oder die Atemwege aufgenommen werden. Beim Einsatz von Traktoren zum Versprühen von Pestiziden entstehen hochkonzentrierte Wolken chemischer Stoffe, und wenn sich der Fahrer nicht in einer geschlossenen Kabine befindet, wird er von dem Pestizid durchnäßt. Beim Sprühen aus der Luft werden Piloten, die nicht durch eine geschlossene Kabine geschützt sind, möglicherweise chemischen Stoffen ausgesetzt, und es werden große Flächen kontaminiert; dies kann unbeteiligte Arbeitskräfte, die allgemeine Bevölkerung, im Freien aufbewahrte Nahrungsmittel und die Umwelt insgesamt gefährden. In einigen Ländern Asiens und Lateinamerikas werden von Kindern Flaggen hochgehalten, die für Flugzeuge beim Versprühen von Pestiziden als Orientierungsquelle dienen21. In Ägypten sind jedes Jahr 1,26 Millionen Arbeitskräfte durch das Versprühen von Pestiziden aus der Luft potentiellen Gefahren ausgesetzt, entweder weil sie in den behandelten Feldern arbeiten oder weil sie selbst die Pestizide versprühen. 1990 erklärte die WHO, jedes Jahr gebe es weltweit drei Millionen Vergiftungsfälle durch Pestizide, von denen 20.000 zum Tod führten. Chronische Vergiftungen seien hierbei nicht berücksichtigt22. Nach Schätzungen aus dem Jahr 1994 gibt es jedes Jahr zwei bis fünf Millionen Fälle von Vergiftungen bei der Arbeit, von denen 40.000 zum Tod führen23. Auf nationaler Ebene stellt die Exposition gegenüber Pestiziden weiterhin eine der wichtigsten Arbeitsgefahren dar, da in einigen Ländern bis zu 14 Prozent aller Arbeitsunfälle im landwirtschaftlichen Sektor und bis zu 10 Prozent aller tödlichen Unfälle darauf entfallen24. In Frankreich werden über 100.000 Tonnen Pestizide eingesetzt — davon 40 Prozent im Weinbau —, und über eine Million Menschen sind potentiell exponiert25. Von der Umweltschutzbehörde der Vereinigten Staaten wird die Anzahl akuter Vergiftungsfälle unter Arbeitskräften in der Landwirtschaft auf 20.000 bis 30.000 geschätzt26. Im Zeitraum 1980-86 verzeichnete in Costa Rica das Nationale Institut für Soziale Sicherheit bezogen auf die Erwerbsbevölkerung insgesamt eine jährliche Quote von Vergiftungsfällen durch Pestizide von 5,3 Promille; 97 Prozent dieser Fälle betrafen junge Erwachsene im Alter von 20 bis 29 Jahren (23 Promille). Etwa 60 Prozent aller Fälle betrafen landwirtschaftliche Arbeitskräfte; in allen Altersgruppen waren weibliche Arbeitnehmer stärker betroffen (25 Promille)27. Es gibt zahlreiche Studien über die Exposition gegenüber Pestiziden; in der Regel besteht ein Zusammenhang mit unzureichenden Sicherheitsnormen. Das Problem der Pestizidexposition wird zusätzlich verstärkt durch unzureichende 10-17G.98

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Sicherheitsvorkehrungen bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten, eine mangelnde Regulierung des Verkaufs chemischer Stoffe — insbesondere auf der Ebene des Einzelhandels — und unzureichende Informationen für Arbeitskräfte und die Menschen, die diese Mittel einsetzen. In landwirtschaftlichen Kleinbetrieben ist es keineswegs üblich, daß die Bauern oder ihre Arbeitnehmer sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen Gefahren bewußt sind oder sie sich dagegen schützen. Doch auch in landwirtschaftlichen Großbetrieben ist die Situation nicht viel besser. Einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 zufolge wurde vom Arbeitsaufsichtsamt in der Vereinigten Republik Tansania geschätzt, daß 19.000 Arbeitskräfte einer Exposition gegenüber Baumwollstaub, 14.200 gegenüber Hanfstaub und bis zu zehn Millionen Menschen gegenüber Pestiziden ausgesetzt waren28. 1991 berichtete das Arbeitsministerium von Simbabwe, das Versprühen von chemischen Stoffen gehöre zur regelmäßigen Arbeit von etwa 10 Prozent aller Erwerbstätigen, jedoch nur in der Hälfte aller untersuchten Betriebe gebe es entsprechende Schutzkleidung29. Dreißig bis 50 Prozent der Arbeitnehmer in landwirtschaftlichen Großbetrieben seien unmittelbar an der Verwendung von Pestiziden beteiligt. Eine Untersuchung von 30 Obstbaubetrieben in Südafrika kam zu dem Schluß, daß 9 Prozent aller festangestellten Beschäftigten unmittelbaren Kontakt mit Pestiziden hatten (beim Mischen, Sprühen, Verpacken), während etwa 14 Prozent der Saisonarbeiter beim Beschneiden von Rebstöcken einer indirekten Exposition ausgesetzt waren. In Simbabwe wurde berichtet, Erntearbeiten und das Versprühen von Pestiziden würden ohne Schutzkleidung durchgeführt. 1985-86 und 1988-89 in landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführte Fallstudien zeigten, daß Menschen bei der Arbeit mit Pestiziden (hauptsächlich beim Mischen und/oder Sprühen) einem hohen Expositionsrisiko ausgesetzt waren. Die Kontrollen der Pestizidexposition und die zur Verwendung gegebenen Hinweise waren in Anbetracht der hohen Toxizität des Produkts unzureichend. In einer Erhebung wurde festgestellt, daß nur ein Drittel der Sprüharbeiter Instruktionen erhalten hatten und daß die meisten Arbeitskräfte geringe Kenntnisse über die Etikettierung von Pestiziden oder die Symptome einer Pestizidvergiftung hatten. Bei einer Überprüfung von 39 Farmen und landwirtschaftlichen Kleinbetrieben des formellen Sektors in der westlichen Kapprovinz in Südafrika mit anschließender Befragung wurde festgestellt, daß 56 Prozent aller Schuppen, in denen Pestizide gelagert werden, unverschlossen waren, und daß 49 Prozent nicht mit der Verwendung von Pestiziden zusammenhängende Gegenstände wie Werkzeuge enthielten, wodurch Arbeitnehmer unnötigen Risiken ausgesetzt waren. Nur in zwei Farmen wurde das Tragen persönlicher Schutzkleidung verbindlich vorgeschrieben, obwohl die meisten Betriebe über derartige Schutzausrüstungen verfügten. In Äthiopien kam eine Studie über 430 in der Schädlingsbekämpfung eingesetzte Arbeitnehmer in drei Großbetrieben zu dem Schluß, daß sie nur geringe Kenntnisse der mit ihrer Tätigkeit verbundenen Gefahren hatten; 88 Prozent der Arbeitnehmer erklärten, sie seien sich keiner Gefahr bei der Verwendung von Pestiziden bewußt. Schutzausrüstung stand nicht zur Verfügung oder wurde nicht benutzt. Im südlichen Afrika sind die wenigen vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen vor allem auf die festangestellten Arbeitnehmer und nicht auf die 10-17G.98

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hauptsächlich weiblichen Saisonarbeitskräfte ausgerichtet. Aushilfs- oder Saisonarbeiter erhalten oft keine Schutzausrüstung oder Sicherheitsausbildung und sind daher vielfach einem größeren Risiko als festangestellte Kräfte ausgesetzt. Auch wurde festgestellt, daß Aushilfskräfte aufgrund der schlechteren Arbeitsorganisation Pestizide mit der Hand ausbringen, während festangestellte Arbeitnehmer mechanische oder Rückensprühgeräte verwenden. Zwar muß beim Arbeitsschutz in der Landwirtschaft vor allem auf die Arbeitsumwelt geachtet werden, es ist jedoch auch die Tatsache zu berücksichtigen, daß es in diesem Bereich keine scharfe Trennung zwischen Lebens- und Arbeitsbedingungen gibt. Es gibt Berichte über Einzelfälle und Epidemien von Pestizidvergiftungen, die außerhalb des Arbeitsumfelds auftraten. Ursächlich dafür waren die Kontaminierung von Lebensmitteln beim Transport oder bei der Lagerung, Pestizidrückstände in Lebensmitteln, Pestizide im Trinkwasser oder in Lebensmitteln durch den Mißbrauch von Behältern und die Kontaminierung des Grundwassers durch chemische Abfallprodukte. In einer in Südafrika in landwirtschaftlichen Großbetrieben durchgeführten Studie wurde festgestellt, daß Pestizidbehälter im Haushalt verwendet wurden, was zu einer Kontaminierung von Lebensmitteln und Trinkwasser führte, so daß die Familien von Arbeitnehmern chemischen Gefahren ausgesetzt waren. In Indien, Simbabwe, Sri Lanka und Pakistan wurden ähnliche Beobachtungen gemacht. Eine zufällige Exposition kann auch auf arbeitsrelevante Umstände zurückzuführen sein. Auf gewerblichen Farmen in Simbabwe waren nicht unmittelbar an Sprüharbeiten beteiligte Arbeitnehmer Organophosphat-Pestiziden ausgesetzt. Ein großer Anteil der Vergiftungsfälle in Krankenhäusern betraf Frauen und Kinder. Von den 274 gemeldete Fällen waren 50 Prozent männliche Erwachsene, 30 Prozent weibliche Erwachsene und 20 Prozent Kinder im Alter bis zu 15 Jahren. Besonders gefährdet sind Arbeitnehmer, die in der Nähe von Feldern leben, die besprüht worden sind. In der westlichen Kapprovinz in Südafrika wurde geschätzt, daß ein Viertel aller Farmarbeiter in einem Abstand von weniger als zehn Metern von Feldern oder Obstpflanzungen wohnte, die kürzlich besprüht worden waren. Die Exposition gegenüber chlororganischen Pestiziden ist in ländlichen Gebieten Mittel- und Osteuropas ein ernstes Problem der öffentlichen Gesundheit. Bei der Evaluierung der Umweltexposition spielen Studien über die Kontaminierung von Muttermilch eine besondere Rolle. Bei einer in Rumänien zwischen 1994 und 1996 unter 42 stillenden Frauen, 150 Jugendlichen und 50 älteren Menschen durchgeführten Studie wurden im Körpergewebe aller an der Studie teilnehmenden Personen Pestizidrückstände festgestellt. Eine andere in der Ukraine zwischen 1994 und 1997 durchgeführte Studie kam zu dem Schluß, daß die Bevölkerung der Ukraine unabhängig vom Wohnort, von der Altersgruppe oder vom Beruf chlororganischen Pestiziden ausgesetzt war. Die Exposition von Neugeborenen gegenüber chlororganischen Pestiziden bei der täglichen Aufnahme von Muttermilch lag oft über den Grenzwerten der FAO/WHO. Eine Reihe weiterer Studien haben gezeigt, welche Gefahren mit der Verwendung der gebräuchlichen Pestizide einhergehen:

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— phosphororganische Insektizide werden mit dem Entstehen von bestimmten Formen von Blutkrebs (chronische lymphatische Leukämie)30, motorischen und sensorischen Nervenkrankheiten31, neurologisch bedingten Verhaltensstörungen und dermatologischen Erkrankungen, die durch erogene Übertragung oder direkten Kontakt verursacht werden, in Verbindung gebracht; — Methylbromid ist ein Insektizid, das im Gartenbau gegen Borkenflechte eingesetzt wird und akute AtmungsinsufFizienz, Verhaltensstörungen und andere neurologische Störungen verursachen kann32; — Paraquat, ein häufig zur Unkrautbekämpfung eingesetztes Herbizid, das mit Hilfe von Rückensprühgeräten, Nebelgeräten (sehr kleine Tropfen) oder vom Flugzeug versprüht wird, verursacht nachweislich selbst nach Aufnahme geringster Mengen (30-50 mg/kg Körpergewicht) eine irreversible, letale Lungenfibrose. In Malaysia waren 1987 10 Prozent aller Paraquat-Vergiftungen auf einen mit der Arbeit zusammenhängenden Grund zurückzuführen. In einer in Costa Rica zwischen 1980 und 1986 durchgeführten Untersuchung von Krankenhauseinweisungen und Autopsien wurde festgestellt, daß fast 60 Prozent aller Todesfälle unter landwirtschaftlichen Arbeitskräften durch dieses Herbizid verursacht wurden33. Ahnliche Fälle wurden aus Sri Lanka, Indonesien und den Philippinen gemeldet. Der Wirkstoff war beim Versprühen oder bei der-Arbeit in Gebieten, die besprüht worden waren, über die Haut in das Gewebe eingedrungen. In anderen Fällen war die Kontaminierung auf verschmutzte Hände, versehentliches Sprühen auf die Lippen, das Ansaugen der Substanz mit dem Mund und eine unbeabsichtigte Aufnahme des Herbizids aus einer Getränkeflasche zurückzuführen34. Zoonosen Zoonosen stellen insbesondere in Entwicklungsländern ein ernstes Problem der öffentlichen Gesundheit dar, und einige der weltweit häufigsten und ernstesten Erkrankungen sind Zoonosen. In einigen Fällen können sie sogar zu einer partiellen oder vollständigen Erwerbsunfähigkeit führen. Vieles spricht dafür, daß ihnen künftig in der Struktur der menschlichen Morbidität eine wachsende Bedeutung zukommen wird. Von Tieren übertragene Krankheiten werden oft nicht bemerkt, weil die Tiere selbst nicht erkranken oder weil sehr viel Zeit vergeht, bevor die ersten Symptome beim Menschen sichtbar werden. Die Kontaminierung kann über einen direkten Handkontakt mit dem Tier oder mit tierischen Stoffen — Haare, Fleisch, Kadaver, Knochen, Abfälle, Abort- oder Schlachtprodukte — oder durch Kontakt mit einer kontaminierten Umgebung erfolgen. Diese Erkrankungen können beim Menschen äußerst gravierend sein und eine aufwendige Krankenpflege erfordern. Die Behandlung kann kompliziert und mit langen Krankenhausaufenthalten verbunden sein, etwa im Fall von Rindertuberkulose, Tetanus oder Tularämie35. Einige dieser Erkrankungen erfordern eine chirurgische Behandlung — beispielsweise die Echinokokkenkrankheit36 — und eine intensive postoperative Versorgung, da oft wichtige Organe betroffen sind, etwa die Lunge, die Leber oder das zentrale Nervensystem. Andere Erkrankungen sind äußerst

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Tabelle 4.6 Häufigkeit der Fälle von Pestizidvergiftung in einigen afrikanischen Ländern Land

Sudan Tansania Kenia Uganda Mosambik Kamerun Simbabwe Cöte d'lvoire Malawi Senegal Mauritius

Bevölkerung (Millionen)

24 23 17 17 15 11 10 10 8 7 2

Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft (in% der Gesamterwerbsbevölkerung)

Jährliche Häufigkeit der PestizidVergiftungen

80 85 85 80 70 80 80 80 85 80 75

80384.000 368.000 350.000 272.000 240.000 175.000 160.000 160.000 128.000 112.000 3.200

Quelle: A.W. Choudhry: „Health hazards of pesticide use in Africa", in Proceedings of the East African Regional Symposium on Chemical Accidents and Occupational Health (Arbeitsmedizinisches Institut, Helsinki, 1989).

ansteckend und können zu Epidemien führen, darunter Malaria, Brucellose (Maltafieber), Salmonellose" oder atypische Geflügelpest38. Zwar ist die Behandlung dieser Erkrankungen relativ unkompliziert, die sozialen Kosten derartiger Epidemien sind jedoch sehr hoch. Eine Infektion mit Listerien39 kann zu Fehlgeburten oder — wenn sie in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft auftritt — gravierenden kongenitalen Mißbildungen führen. Schließlich gibt es noch einige besonders gravierende Erkrankungen wie Tollwut. Fünfundsiebzig Prozent aller anerkannten Berufskrankheiten in der Landwirtschaft in Frankreich sind infektiösen Ursprungs oder werden durch Parasiten übertragen. Sonstige Infektionen und Parasitenerkrankungen Am Arbeitsplatz übertragene Parasitenerkrankungen haben unterschiedliche Ursachen; ein möglicher Infektionsweg ist die Aufnahme der Eier von Parasiten (etwa bei der Echinokokkenkrankheit oder der Amöbiasis40) über die Kontaminierung von Lebensmitteln oder Händen durch schmutzige Werkzeuge, Tiere oder tierische Produkte. Bestimmte im Boden warmer Feuchtgebiete (bei über 20°C) vorhandene Larven können durch Kpntakt mit der Haut oder den Schleimhäuten der Nase, des Mundes oder der Augen bei der Arbeit in Reisfeldern, in Pilzgebieten oder anderen mit diesen Parasiten infizierten Gebieten in den Körper gelangen (etwa hämorrhagisches Fieber41, Filariasis und Bilharziose42). In Gebieten mit hoher Temperatur wird das Risiko einer Kontaminierung durch das Tragen von Schutzkleidung und Stiefeln verstärkt, da dies die Körpertemperatur erhöhen und starkes Schwitzen verursachen kann. Andere Parasiten können über biologische Vektoren in das menschliche Körpergewebe eindringen, beispielsweise Insekten, die Malaria, Leishmaniasis oder die Schlafkrankheit übertragen.

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Es gibt jedoch noch weitere Infektionskrankheiten, die man sich bei der Arbeit in der Landwirtschaft zuziehen kann und die einen schweren Verlauf haben. Typische Beispiele sind Tetanus, Tollwut, Typhus, Q-Fieber und Borreliose (eine durch Zecken übertragene Erkrankung). Es sollte noch auf drei epidemiologische Aspekte infektiöser und parasitärer Erkrankungen hingewiesen werden: 1) Mobile Populationen aus stark verseuchten Regionen, die infiziert oder Träger infektiöser Vektoren sind, ziehen in ein Gebiet, in dem es noch keine oder wenige Infektionen gibt, Krankheiten wie Bilharziose, Trypanosomiasis, Leishmaniose und Brucellose jedoch ein günstiges Klima vorfinden und schwer zu bekämpfen sind. 2) Durch das Wiederaufflammen bestimmter Krankheiten entstehen neue endemische Infektionsgebiete, beispielsweise Malaria in den Amazonasgebieten Brasiliens. Das Fällen von Bäumen zur Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzfläche und der Bau von Zufahrtsstraßen im tropischen Regenwald hat zur Entstehung von Brutstätten beigetragen, was die Verbreitung von Vektormoskitos begünstigt und zu einer starken Zunahme der Fälle von Malaria geführt hat. Im übrigen hat diese Politik zur Zerstörung großer Waldflächen und zu einem Anstieg der öffentlichen Gesundheitskosten geführt. 3) Durch eine Änderung landwirtschaftlicher Verfahren können neue Epidemien entstehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Verwendung von Tiermehl als Ergänzung zum Viehfutter. Da das Fett nicht beseitigt wurde, das im Fleisch und in den Knochen von Schafen enthalten war, die mit der Traberkrankheit (einer übertragbaren spongiformen Art von Enzephalopathie) infiziert waren, jedoch keine Krankheitssymptome aufwiesen, wurden Rinder durch einen unüblichen (weder bakteriellen noch viralen) Erreger infiziert, was eine Epidemie der spongiformen Rinderenzephalopathie (BSE) auslöste. Seit 1986 wurden hauptsächlich im Vereinigten Königreich etwa 160.000 Fälle verzeichnet. Gleichzeitig traten in der allgemeinen Bevölkerung Fälle der atypischen humanen Form von BSE, die der Creuzfeldt-Jakob-Erkrankung ähnelt, häufiger auf als zuvor (ein Fall auf eine Million). Zwar steht ein eindeutiger Nachweis des Zusammenhangs zwischen der menschlichen Form und einer beruflichen Tätigkeit noch aus, die Möglichkeit einer Kontaminierung durch tierische Produkte kann jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden43. Dermatologische Erkrankungen Hautkrankheiten können dadurch verursacht werden, daß Krankheitserreger entweder durch eine Verletzung (einen Biß, eine Kratzwunde oder einen Stich) — etwa bei Leishmaniasis, Milzbrand (Anthrax) oder Wundrose — oder durch die gesunde Haut — im Fall von Kohlebakterien oder bei Tularämie — in den Körper eindringen. Pilzinfektionen können unmittelbar von infizierten Tieren übertragen werden (Tinea) oder sich auf mazerierten Hautoberflächen entwickeln (Candidiasis und andere Erkrankungen). Die Mazeration der Haut ist auf das Zusammenwirken von Feuchtigkeit und Hitze, den Kontakt mit Zucker von Früchten und übermäßiges Schwitzen bei der Verwendung wasserdichter Bekleidung (etwa 10-17G.98

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Gummistiefel und -handschuhe) zurückzuführen. Die entstehenden Läsionen sind oft schwer zu behandeln, heilen nur langsam und sind ansteckend. Andere Erreger verursachen akute, subakute oder chronische Hauterkrankungen. Sie sind nicht immer leicht zu diagnostizieren, da sie oft auf das Zusammenwirken verschiedener Erreger zurückzuführen sind. Häufig wird die eigentliche Krankheitsursache durch eine sekundäre bakterielle Infektion überlagert. Bei längerer Dauer der Erkrankung werden die betroffenen Hautpartien dick und faltig, da sich zahlreiche Fissuren sekundär infizieren, was sehr schmerzhaft ist und körperliche Arbeit behindert oder völlig unmöglich macht. Die häufigste berufsbedingte Hautkrankheit in der Landwirtschaft ist Kontaktdermatitis, verursacht durch Lösungsmittel und andere Wirkstoffe, die in Pestiziden und bestimmten Pflanzen enthalten sind. Mögliche Ursachen von Ekzemen oder allergischer Dermatitis sind verschiedene Blumen, die im Zierpflanzenbau Verwendung finden (etwa Primeln, Tulpen, Freesien, Mimosen, Geranien, Margeriten), Chrom in Gummistiefeln oder Handschuhen, Veterinärantibiotika, Pestizide (Fungizide der Gruppe der Dithiokarbamate) und Desinfektionsmittel und Seifen. Diese Pflanzen und Produkte können bei einem lokalen oder auch erogenen Kontakt Hautläsionen verursachen. Der Umgang mit Motoröl und Schmieröl oder den beweglichen Teilen landwirtschaftlicher Geräte kann Berufsakne verursachen. Außerdem sollte darauf hingewiesen werden, daß bestimmte photosensitive Stoffe wie Mineralöl, Schmierstoffe und Antibiotika neben den spezifischen Wirkungen unter Einwirkung von Sonnenlicht akute entzündliche Hautläsionen verursachen können. Atemwegserkrankungen Atemwegserkrankungen manifestieren sich in der Landwirtschaft in zahlreichen klinischen Formen, die von geringen Beschwerden bis zu gravierender Atmungsinsuffizienz reichen. Harmlose Keime können unter kalten und feuchten Bedingungen Rhinitis oder infektiöse Luftröhrenentzündung oder Bronchitis verursachen, was rezidivieren und chronisch werden kann; diese Symptome können ihrerseits zu einer schweren Atmungsinsuffizienz und Komplikationen wie chronischer Bronchitis, Pneumonie, Emphysem, Bronchialerweiterung oder Herzinsuffizienz führen. Asthmatische Reaktionen auf pflanzliche Fasern (etwa Chrysanthemen, Sonnenblumen, Henna) sowie auf Milben und andere Insekten haben ähnliche Folgen und können berufsbedingtes Asthma auslösen. Die verschiedenen organischen Allergene können außerdem Träger von Bakterien, Schimmelpilzen, Giftstoffen oder Pestiziden sein, diese Stoffe in die Atemwege übertragen und so noch gravierendere Atmungschwierigkeiten verursachen. Bei der Arbeit in geschlossenen Räumen wie Treibhäusern oder Silos können Arbeitnehmer hohen Konzentrationen von allergenem Staub ausgesetzt sein. Zur Einatmung von pflanzlichem Staub kommt es hauptsächlich während der Erntezeit. Immer häufiger manifestieren sich bei Arbeitskräften in der Landwirtschaft jedoch klinische Symptome, die bisher lediglich im verarbeitenden Gewerbe zu beobachten waren; dies wird darauf zurückgeführt, daß die Erstverarbeitung zunehmend in den landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt wird. Am häufigsten geht es dabei um Staub, der bei der Produktion von Kaffee, Tee, Baumwolle, Zimt, Kaschunüssen und Getreide entsteht. Berufsasthma im Zusam10-17G.98

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menhang mit der Teeverarbeitung wurde in Sri Lanka und in Kanada diagnostiziert. Aus Sri Lanka wurden außerdem Asthmafälle im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Getreide und Zimt gemeldet. Staub, der Pilzsporen, thermophile Mikroorganismen oder pflanzliche Anteile enthält (wie Bagasse, verschimmeltes Stroh, Paprika- oder Kaffeestaub), hat exogene allergische Alveolitis verursacht, die zu einer Fibrose des Lungengewebes und Herzinsuffizienz führen kann. Gasförmige Pestizide oder Gase, die bei der Anwendung von Pestiziden entstehen — Hydrogensulfid, Phosgen und Chlorin — bewirken eine unmittelbare Reizung der Atemwege, was bei Menschen mit einem hyperreagiblen Bronchialsystem asthmatische Reaktionen auslösen kann. Klimatische Bedingungen Bei der Arbeit im Freien sind Arbeitnehmer Wind, Regen, Kälte, Hitze und ultravioletter Strahlung ausgesetzt. Dies kann zu gesundheitlichen Problemen führen, die zwar nicht im eigentlichen Sinn als berufsbedingte Krankheiten angesehen werden können, aber dennoch Fehlzeiten, geringe Produktivität und eine Schwächung der körperlichen Abwehrkraft gegen bekannte Krankheiten verursachen. Regen und Kälte können zu Atemwegsinfektionen oder Frostbeulen führen, die Hautverletzungen hinterlassen, die sich infizieren können. Sonnenexposition kann Verbrennungen, chronische Photodermatitis (diffuse Rötung der dem Sonnenlicht ausgesetzten Hautpartien, einhergehend mit Atrophie der Haut, was nach einigen Jahren lokale Schwellungen auslösen kann) und Sonnenstiche von unterschiedlicher Schwere zur Folge haben. Hitze verursacht eine Erweiterung der oberflächlichen Blutgefäße und bewirkt durch übermäßiges Schwitzen eine Dehydration(was gelegentlich durch zu enge wasserdichte Kleidung verstärkt wird) sowie Ödeme an den Beinen, Krämpfe und Bewußtlosigkeit; Hitze erhöht auch das Risiko einer Vergiftung durch die Aufnahme von Pestiziden über die Haut und die Verbreitung innerhalb des Organismus. Der Wind überträgt Bakterien, Parasiten, mineralischen und pflanzlichen Staub und Pilzsporen. In Entwicklungsländern können die negativen Auswirkungen von langen Arbeitszeiten verschlimmert werden durch die Auswirkungen extremer klimatischer Bedingungen. Außerdem können Unterernährung, heißes und feuchtes Wetter und endemische Krankheiten die Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher Arbeitskräfte herabsetzen. Studien über die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit von Arbeitnehmern haben gezeigt, daß das Unfallrisiko zunimmt, selbst wenn die Temperatur nur geringfügig von dem als angenehm empfundenen Bereich abweicht. In großen landwirtschaftlichen Betrieben richten sich die Arbeitspläne oft nach den in gemäßigten Klimazonen zulässigen maximalen Arbeitsschichten. Die körperliche Belastung durch Hitze wird bei der Planung der Arbeitszeit nicht berücksichtigt. In bäuerlichen Kleinbetrieben, die Subsistenzlandwirtschaft betreiben, werden körperlich anstrengende Arbeiten in der Regel in den frühen Morgenstunden verrichtet; leichtere Arbeiten werden nachmittags durchgeführt. Dies entspricht den Gepflogenheiten des ländlichen Lebens, die an das heiße Klima angepaßt sind. Es wird nur selten länger als ein halber Tag körperlich hart gearbeitet. 10-I7G.98

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Berufsbedingter Krebs In der Landwirtschaft kann der berufsbedingte Krebs als späte Komplikation anderer Erkrankungen auftreten, die einen beruflichen Ursprung haben, oder er kann auf den unmittelbaren Einfluß unterschiedlicher Risikofaktoren zurückzuführen sein. In einer Studie, die zwischen 1957 und 1992 in Norditalien in einer Region durchgeführt wurde, in der 80 bis 85 Prozent aller landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf den Reisanbau entfallen und wo seit 1950 Herbizide eingesetzt werden, wurde bei Arbeitnehmern, die Phenoxycarbonsäure-Herbizide verwenden, das Vorliegen einer bestimmten Krebserkrankung des Blutes (non-HodgkinsLymphom) festgestellt44. Auf ultraviolette Kurzwellenstrahlen zurückzuführende chronische Photodermatitis kann Hautkrebs auslösen. Das maligne Melanom ist gefährlicher als andere Formen von Hautkrebs, es ist jedoch selten. Es kann nach einer Exposition gegenüber ultravioletten Strahlen als Sekundärerkrankung auftreten, häufiger ist jedoch, daß gleichzeitig eine Pestizidexposition (Dibrom-Chlor-Propan) vorliegt. Die Entstehung von Krebs beim Menschen wird mit zahlreichen biologischen Stoffen in Verbindung gebracht, von denen einige in einem engen Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft stehen. Die Bilharzia der Harnorgane, die bei der Arbeit in überfluteten Gebieten in Nordafrika, Afrika südlich der Sahara und der Arabischen Halbinsel übertragen wird, verursacht Blasenkrebs, während die den Darm betreffende Form, die in Indonesien, China und den Philippinen anzutreffen ist, Leber-, Ösophagus-, Magen- und Kolorektumtumore verursacht. Die Distomatose verursacht Gallengangskrebs bei Arbeitskräften, die in der Viehzucht arbeiten und mit Oberflächengewässern — Seen, Wasserkanäle oder Sümpfe — in Kontakt kommen, die durch Saugwürmer aus dem Kot infizierter Rinder, Ziegen oder Schafe kontaminiert worden sind. Fälle dieser Art wurden aus dem Nordosten Thailands und aus der Laotischen Demokratischen Volksrepublik gemeldet45. Pestizide und Düngemittel als Ursachen für die Entstehung bestimmter Magen- und Bronchialkrebse (z.B. Arsenfungizide) sowie von non-HodgkinsLymphomen (Phenoxycarbonsäure-Herbizide). Die Frage der posttraumatischen Krebserkrankungen ist noch ungeklärt. Umfassende statistische Informationen zeigen, daß diese Art von Erkrankung frühzeitig, d.h. in den Monaten unmittelbar nach einer Verletzung, auf der Haut sichtbar wird. Beobachtet wurden Fälle von posttraumatischem Brust-, Hodenund Knochenkrebs. Es wird vermutet, daß die Krebserkrankung auf mechanisch bei der Arbeit entstandene Mikrotraumata zurückzuführen ist, etwa bei der Benutzung eines Werkzeugs oder durch wiederholtes Reiben eines Gegenstands an der Haut. Das Heben und Tragen von Lasten und Muskel-Skelett-Erkrankungen Das Tragen schwerer Lasten kann ernste Muskel-Skelett-Erkrankungen verursachen, wie chronische Rücken- oder Brustschmerzen, und zu Mißgeburten führen. Das Problem des Tragens von Lasten kann durch eine ergonomische Untersuchung der Effizienz und des Wirkungsgrads der körperlichen Anstrengung so angegangen werden, daß Transportstrategien untersucht und einfache Lösun10-17G.98

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gen angeboten werden. Da einige Länder keine Höchstgrenzen für von einem Arbeitnehmer zu tragende Lasten kennen, könnte ein Ansatz darin bestehen, Arbeitnehmer im richtigen Heben und Tragen von Lasten zu unterweisen, um das Risiko eines Unfalls oder einer Verletzung zu vermeiden46. Unnatürliche und unbequeme Körperhaltungen und das Tragen zu schwerer Lasten verursachen im Bereich der Landwirtschaft zahlreiche, jedoch weitgehend nicht erfaßte Muskel-Skelett-Erkrankungen. Traditionelle Werkzeuge und Arbeitsmethoden erfordern einen hohen Aufwand an menschlicher Arbeitskraft. Rückenverletzungen und Kreuzschmerzen sind hauptsächlich auf harte körperliche Arbeit und wiederholte Hebe- und Drehbewegungen zurückzuführen. Wenn die Arbeit das Knien oder Laufen auf unebenen Oberflächen erfordert, kommt es oft zu Knieverletzungen. In der Landwirtschaft werden zahlreiche Tätigkeiten stehend verrichtet, die eigentlich im Sitzen durchgeführt werden sollten. Sitzgelegenheiten sind in der Regel unbequem, weil sie ergonomisch unangepaßt oder durch Mißbrauch oder Alter beschädigt sind. Die Sitzhöhe sollte sich an den Erfordernissen der durchzuführenden Arbeit und an der Ellbogenhöhe orientieren. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer übermäßigen Belastung, und die sich daraus ergebende Übermüdung kann die Unfallgefahr erhöhen47. Das Tragen von Lasten gehört zu den Hauptaufgaben von Frauen in ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern. Es kommt vor, daß sie wöchentlich über 20 Stunden damit zubringen, Wasser, Brennholz, Wäsche und Tiere zu transportieren, Waren zum Markt zu bringen und zu verkaufen und Lasten von über 35 Kilo über längere Distanzen auf dem Kopf und auf dem Rücken zu tragen. In Anbetracht der Tatsache, daß Frauen oft einer Doppelbelastung als Arbeitskraft und Hausfrau ausgesetzt sind, sollten sich die Bemühungen darauf konzentrieren, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Durch wiederholten Druck können Handwerkzeuge neurologische Probleme verursachen. Durch häufiges Bücken und das Tragen schwerer Lasten wird der Ischiasnerv belastet. Darüber hinaus haben veränderte Produktionsprozesse und höhere Arbeitsgeschwindigkeiten zum Auftreten neuer berufsbedingter Erkrankungen geführt, beispielsweise Sehnenscheidenentzündung unter Zuckerrohrschneidern und Arbeitskräften, die Teebüsche beschneiden. Chronische MuskelSkelett-Erkrankungen entwickeln sich in der Regel im Lauf der Zeit auf kumulative Weise, und die meisten dieser Erkrankungen können zu dauernder Erwerbsunfähigkeit führen. Lärm und Vibrationen Niederfrequente Vibrationen mit großer Amplitude, die bei Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen auf dem Führersitz und in der Kabine spürbar sind, führen in Verbindung mit schlechter Körperhaltung und ergonomisch unzweckmäßiger Belastung zu Problemen der Wirbelsäule sowie des Magen-, Darm- und Harntrakts. Die durch die Vibrationen hervorgerufenen relativen Bewegungen des Kopfes und der Umgebung verhindern ein genaues Sehen, was zu Fahrfehlern führen kann.

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Lärm in der Landwirtschaft ist in der Regel auf hochfrequente Vibrationen von Maschinen zurückzuführen. Bei voller Leistung beträgt der Lärmpegel des Motors wesentlich mehr als die 85 dB(A), die den Grenzwert für die Verhütung von Gehörschäden bilden. Es ist durchaus üblich, daß der Lärmpegel während längerer Zeit 95 oder sogar 100 dB(A) beträgt, bei Traktoren ohne Kabine ebenso wie bei Traktoren mit Kabine, wo zusätzlich Resonanzen auftreten. Die Auswirkungen sind auditiver und sonstiger Art. Die Auswirkungen auf das Gehör verringern die Fähigkeit, andere gleichzeitig auftretende Geräusche wahrzunehmen (beispielsweise Warnrufe), und sie verursachen eine Ermüdung des Gehörs, die vorübergehend zu einer höheren Hörschwelle führen kann, und berufliche Schwerhörigkeit. Die sonstigen, nicht das Gehör betreffenden Auswirkungen treten nach einigen Stunden auf und sind Reizbarkeit sowie psychologischer Streß. Neben diesen Faktoren besteht die Möglichkeit, daß bei Fahrern landwirtschaftlicher Fahrzeuge die Reaktionsgeschwindigkeit bei psychomotorischen Aufgaben abnimmt, wenn sie verschiedene Elemente gleichzeitig überwachen müssen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sie die Fahrspur an die Unregelmäßigkeiten des Bodens anpassen müssen, bestimmte Fahrmanöver mit Traktoren und Anhängern durchführen, oder wenn sie gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern bestimmte Tätigkeiten ausführen. Die Beziehung zwischen allgemeinen Erkrankungen und arbeitsbedingten Erkrankungen Bei landwirtschaftlichen Arbeitskräften existiert eine spezifische Struktur der Morbidität und Mortalität, die sich aus dem Zusammenwirkung von schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen ergibt. Sie ist das Ergebnis einer Kombination von Unterernährung, den in der ländlichen Bevölkerung allgemein vorhandenen Erkrankungen (wie Malaria, Tuberkulose, Bilharziose, Magen-Darm-Erkrankungen, Fluorvergiftung, endemische Struma, Mangelanämien, Sichelzellenanämie), arbeitsbedingten Erkrankungen und Komplikationen aufgrund nicht erkannter oder nicht behandelter Erkrankungen. Die Leistungsfähigkeit steht in engem Zusammenhang mit der Unterernährung und dem schlechten Gesundheitszustand der Arbeitnehmer. Trotz der Tatsache, daß einige Entwicklungsländer einen höheren Stand der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht haben, sind Ernährung und Gesundheit immer noch Problembereiche; es gibt einen Circulus vitiosus aus geringer Produktivität, niedrigen Löhnen, Unterernährung, Erkrankungen und geringer Leistungsfähigkeit. Im landwirtschaftlichen Sektor wird dies besonders sichtbar, denn ein Großteil der Arbeit in diesem Sektor besteht aus körperlicher oder nur zum Teil mechanisierter Arbeit; daher gibt es einen engen Zusammenhang mit der körperlichen Leistungsfähigkeit. Hinzu kommt, daß allgemeine Erkrankungen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen und die Arbeitskraft weiter verringern, wenn sie in Verbindung mit anderen arbeitsrelevanten Umständen wie Hitzestreß auftreten. Die körperliche Leistungsfähigkeit (die maximale aerobische Kapazität) nimmt dabei im Verhältnis zum Körpergewicht ab; auf Dauer wird sie durch die Auswirkungen von Krankheiten und Unterernährung weiter verringert"*. Landwirtschaftliche Arbeitskräfte müssen bei der Arbeit große körperliche Energie aufwenden und können sich I0-I7G.98

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Abbildung 4.1. Der wirtschaftliche Krankheitszyklus

;Niedrige Erträge Geringe Arbeitsfähigkeit

Niedrige Einkommen

Unterernährung Schlechte Ausbildung Schlechte Unterkunft

Quelle: K. Elgstrand: Teaching ergonomics and occupational safety and health in tropica! agriculture and forestry (Nationale Arbeitsschutzbehörde, Stockholm, 1982).

nicht regenieren; daher ist ihre Lebenserwartung geringer als die anderer Arbeitnehmer. In Kamerun kam es in den neunziger Jahren unter landwirtschaftlichen Arbeitskräften zu einem Wiederaufleben von Lungentuberkulose. Zwischen 1991 und 1994 entfielen fast 81 Prozent aller registrierten Fälle auf vier Gesundheitszentren in landwirtschaftlichen Gebieten; die Inzidenz betrug 1.240 Fälle auf 100.000 Arbeitskräfte. Es wird vermutet, daß die Hauptursachen in schlechten Wohn- und Arbeitsbedingungen, multiplen Resistenzen gegenüber Impfungen und der Zunahme von HIV-Infektionen zu suchen sind49. Schlechte Lebensbedingungen in landwirtschaftlichen Großbetrieben haben auch die Verbreitung von Malaria gefördert. In Swasiland konnte die Malaria in den fünfziger Jahren deutlich verringert werden. Bei der Ansiedlung von großen Zitrus- und Zuckerbetrieben wurden jedoch zahlreiche Bewässerungsgräben angelegt, ohne dabei die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen. Da nicht genug einheimische Arbeitskräfte von diesen Betrieben angeworben werden konnten, wurden trotz der Warnungen von Gesundheitsexperten Arbeitnehmer aus Mosambik eingestellt, wo die Malaria stark verbreitet war. Durch die Anwesenheit von Tausenden von Wanderarbeitnehmern aus Mosambik nahm die Anzahl der Malariafalle im Land rasch zu, zusätzlich begünstigt durch die schlechten Umweltbedingungen. Eine Kombination verschiedener Umwelteinflüsse kann ebenfalls deutliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Arbeitnehmern haben. In der Ukraine leben viele Bauern in Gebieten, die seit der Katastrophe von Tschernobyl durch radioaktive Strahlung verseucht sind. Seit 1986 sind umfangreiche Studien durchgeführt worden, um die synergistischen Auswirkungen einer Exposition gegen10-17G.98

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über Strahlung und chemischen Stoffen in der Landwirtschaft und die sich bei niedrigen und hohen Dosierungen von Pestiziden und ionisierender Strahlung ergebenden Auswirkungen zu untersuchen. In der Ukraine wurde auch beobachtet, daß das Immunsystem von Arbeitskräften, die in kontaminierten Gebieten landwirtschaftliche Maschinen bedienen, nur eingeschränkt in der Lage war, auf pathogene Erreger zu reagieren. Zwar gehörten die untersuchten Arbeitskräfte keiner der üblichen Risikogruppen an, ihre Immunreaktion war jedoch schwächer als die von Kindern in den ersten Lebensjahren. Es wird vermutet, daß dies auf die gleichzeitige Exposition gegenüber chlororganischen Pestiziden und in kontaminierten Böden anzutreffenden Schwermetallen wie Blei, Kadmium und Mangan zurückzuführen ist. GESUNDHEITSVERSORGUNG IM LÄNDLICHEN SEKTOR

In der Landwirtschaft ist die Organisation des Arbeitsschutzes im allgemeinen komplizierter als in der Industrie. Zuständig sind nicht nur die Arbeits- und Gesundheitsministerien, sondern auch die Landwirtschafts- und Umweltministerien. Die Zuständigkeit dieser Institutionen erstreckt sich auf Arbeitsbeziehungen, individuelle wie kollektive, Beschäftigung und Ausbildung, Gesundheit, Sicherheit, Arbeiterfürsorge, Arbeitsbedingungen (einschließlich der Frauenarbeit, Kinderarbeit, Arbeitszeit, Löhnen und Zahlungssystemen) und die technischen Aspekte der landwirtschaftlichen Produktion. Der Sektor benötigt die fachlichen Kenntnisse einer großen Anzahl von Spezialisten, darunter Arbeitsinspektoren, Arbeitsschutzinspektoren, arbeitsmedizinische Inspektoren, Spezialisten für Soziale Sicherheit und Versicherungsexperten, Spezialisten für Arbeits- und Landwirtschaftsmedizin, Sicherheitsingenieure und Techniker, Fachleute für öffentliche Gesundheit, Ausbilder, Agronome und Berater für Landwirtschaftsfragen. Diese Spezialisten arbeiten oft unabhängig voneinander; so kommt es zu einem gewissen Maß an Überschneidung. Globale Programme, eine Zusammenarbeit zwischen Institutionen und eine Abstimmung der verschiedenen Tätigkeiten sind eher selten; ebenso selten ist es, daß die Tätigkeiten und die Resultate einer anschließenden Gesamtevaluierung unterzogen werden. All diese Mängel werden noch verschärft durch Probleme wie Entfernung, geographische Zersplitterung, Armut, kulturelle Unterschiede und Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme der verschiedenen Dienste. Arbeitnehmer wohnen oft in unhygienischen Verhältnissen in großer Entfernung von den Gesundheitszentren; im übrigen ist die Gesundheitsversorgung unzureichend und nicht den Bedürfnissen der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft angepaßt. Zwischen den einzelnen Institutionen und Gremien kommt es zu einer Überschneidung der gesetzlichen Verantwortlichkeiten. Außerdem muß sich die Arbeit dieser Institutionen im Bereich der Landwirtschaften an den innerstaatlichen Prioritäten orientieren, die nicht zwangsläufig Teil einer nationalen Politik für diesen Sektor sind. Dies wird zusätzlich dadurch kompliziert, daß bei Interventionen in den Bereichen Gesundheit und Sicherheit grundsätzlich ein städtischindustrielles Modell zugrunde gelegt wird. Um gesetzlichen Anforderungen zu 10-17G.98

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entsprechen, wurden qualitative Evaluierungsmethoden abgelöst durch quantitative Überwachung. Die quantitative Überwachung basiert jedoch auf einem industriellen Ansatz, der auf systematische Arbeitsprozesse zugeschnitten ist und sich auf spezifische Arbeitsbereiche in geschlossenen Räumen konzentriert; dabei werden Grenzwerte benutzt, die vielfach mit Hilfe veralteter Meßinstrumente und statistischer Analysen festgelegt worden sind. In der Landwirtschaft gibt es jedoch nur wenige Tätigkeiten, die sich für einen solchen Ansatz eignen; daher gilt der Sektor noch immer als „schwierig". Die Mitarbeiter staatlicher Stellen haben oft nur geringe Kenntnisse der Verhältnisse in der Landwirtschaft, und sie verfügen nicht über die Mittel, die sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. Die Tätigkeit von städtischen Aufsichtsbeamten, Gesundheitsexperten und Programmplanern ist daher wenig hilfreich. Einige Länder verfügen über nationale oder staatliche Ausschüsse, Räte oder dreigliedrige Gremien, die mit Vertretern der Regierung, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer besetzt sind und für eine interinstitutionelle Koordination der Fragen im Bereich des Arbeitsschutzes zuständig sind; es gibt jedoch nur selten einen Ausschuß, der allein für den landwirtschaftlichen Sektor zuständig ist. Staatliche Bedienstete und regionale Führungspersönlichkeiten sind sich des Problems oft nicht bewußt. In Entwicklungsländern können die rasche Zunahme der Anzahl von Aushilfskräften und Wanderarbeitnehmern während der Ernteperioden, Veränderungen diagnostischer Verfahren oder das Auftauchen neuer Krankheiten weitere Ursachen für größere Schwankungen bei der Anzahl der gemeldeten Fälle sein. Die Ergebnisse von Präventivmaßnahmen, die gegen berufsbedingte Erkrankungen und Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft in den verschiedenen Ländern ergriffen worden sind, müssen daher unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis beurteilt werden. Eine kontinuierliche Überwachung der bei der Arbeit angewandten Verfahren ermöglicht eine primäre Verhütung von berufsbedingten Erkrankungen und Arbeitsunfällen. Anomalien und gelegentliche Vorfälle, die Fehler des Risikomanagement-Systems auf der Ebene der primären Verhütung deutlich machen, sind grundlegende Elemente von Programmen der sekundären Prävention (Korrektur nach einem Vorfall, Verhütung von weiteren Fällen und Rückfällen, Behandlung von Einzelpersonen) und der tertiären Prävention (Verhütung weiterer Komplikationen). In einer Reihe von Industrieländern haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus der Landwirtschaft in freiwilligen Verbänden zusammengeschlossen, um einen optimalen Schutz und die entsprechenden Dienste zu gewährleisten. Ein Beispiel für ein Land, in dem der Gesundheitsschutz in der Landwirtschaft umfassend gewährleistet wird, ist Frankreich, eines der führenden landwirtschaftlichen Erzeugerländer in der Europäischen Union, in dem 7,5 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft arbeiten. 1973 wurde eine landwirtschaftliche Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit eingerichtet, die Mutualite Sociale Agricole (MSA), deren Finanzierung und Leitung auf einer dreigliedrigen Vereinbarung zwischen dem Staat, den Landwirten/Arbeitgebern und den land-wirtschaftlichen Arbeitskräften beruhen. Da alle Gruppen an diesem Gremium beteiligt sind, ist es der MSA gelungen, einen hohen Erfassungsgrad — bis zu 98 Prozent der Landwirte und landwirtschaftlichen Arbeitskräfte — zu erreichen. 10-17G.98

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Außerdem konnte sie mithelfen, die Kenntnisse über die Verhältnisse im landwirtschaftlichen Sektor zu verbessern, und sie hat Forschungsarbeiten über Maßnahmen für eine bessere Prävention auf dem Gebiet der Landwirtschaft durchgeführt. 1993 unterstützten fast 270 Arbeitsmediziner und 340 weitere Fachkräfte die Mitglieder der MSA bei Programmen in den Bereichen chemische Überwachung, Streßprävention, Rückenschmerzen, Schwerhörigkeit, MuskelSkelett-Erkrankungen, Arbeitsunfälle, Behinderungen, Atmungsprobleme — zusätzlich zu den üblichen angebotenen Diensten. Arbeitnehmer und Landwirte können diese Dienste über regionale Ausschüsse von Ärzten und Beratern in Anspruch nehmen, deren Tätigkeit so zu einer Stärkung des Problembewußtseins und zu einer Verbesserung des Informationsflusses und der Ausbildungsqualität führt. Im Rahmen technischer Studien befaßt sich die MSA auch mit der Entwicklung und Konstruktion von Ausrüstungen und Geräten und mit der Ausarbeitung neuer Sicherheitsnormen für Maschinen50. Das arbeitsmedizinische Aufsichtsamt untersteht der Kontrolle des Landwirtschaftsministeriums. Trotz dieser umfangreichen Vorkehrungen beschäftigen Landwirte immer noch in der Erntezeit zur Vermeidung der hohen Sozialabgaben unregistrierte Aushilfskräfte. Zum Teil handelt es sich dabei um Wanderarbeitnehmer. Am besten ist der Gesundheitsschutz landwirtschaftlicher Arbeitskräfte in Schweden und Finnland organisiert. In Schweden wird die Landwirtschaft in sehr kleinem Maßstab betrieben, d.h. hauptsächlich von Familienbetrieben. 85 Prozent aller Arbeitskräfte werden von arbeitsmedizinischen Diensten versorgt, während die verbleibenden 15 Prozent — in der Regel selbständig erwerbstätige Landwirte — in Kleinbetrieben arbeiten und diesen Diensten freiwillig beitreten können. Den Kern des arbeitsmedizinischen Systems bildet das örtliche arbeitsmedizinische Zentrum. Diese Zentren befinden sich in landwirtschaftlichen Gebieten und sind so organisiert, daß jedes Zentrum zwischen 1.000 bis 2.000 Landwirte versorgt. Das System war immer stark zentralisiert trotz der Tatsache, daß das Land in sechs Regionen aufgeteilt ist, in denen jeweils ein Regionalbeauftragter für die Dienste zuständig ist. 1995 wurde jedoch damit begonnen, das Management dieses gut entwickelten und umfassenden Programms zu dezentralisieren. Im Rahmen dieser neuen Politik wird versucht, Änderungen bei den Arbeitsbedingungen und den Einstellungen der Arbeitnehmer gegenüber Fragen des Arbeitsschutzes herbeizuführen, da es nicht als ausreichend angesehen wird, die Gesundheit der Landwirte zu überprüfen, ihnen eine spezialisierte Gesundheitsversorgung anzubieten oder zur Ermittlung von gesundheitlichen Problemen und Risiken wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen. In den Entwicklungsländern ist die Gesundheitsversorgung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte im allgemeinen auf zweierlei Weise organisiert: die Versorgung in Großbetrieben, d.h. Plantagen oder große genossenschaftliche oder staatliche Betriebe, und in Kleinbetrieben. Großbetriebe verfügen in der Regel über eine organisierte Form des Arbeitsmanagement, das auch für die Gesundheitsversorgung zuständig ist. Es ist nicht ungewöhnlich, daß landwirtschaftliche Großbetriebe (vor allem multinationale Betriebe) in Entwicklungsländern nicht nur arbeitsmedizinische Dienste, sondern auch allgemeine Gesundheitsdienste anbieten. In einigen Fällen verfügen sie über Abteilungen für Allgemeinmedizin und für Mutterschaft, Apotheken und standardisierte Laboreinrichtungen sowie 10-17G.98

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gelegentlich sogar über einige Krankenhausbetten und zahnärztliche Dienste. Die Familien der Arbeitnehmer werden im Rahmen dieses Systems ebenfalls versorgt. Die arbeitsmedizinischen Dienste beschränken sich auf periodische Besuche — oft in sehr langen Abständen —, wobei gelegentlich Impfungen vorgenommen oder andere allgemeine gesundheitliche Probleme behandelt werden. Berufsbedingte Erkrankungen werden im Rahmen der allgemeinen Erkrankungen versorgt, und wenn Unfälle registriert werden, so werden sie nur selten im Hinblick auf die Ausarbeitung von Präventionsprogrammen untersucht. Beispiele für solche Dienste gibt es in Costa Rica, Panama, Argentinien, Chile, Mexiko, Cöte d'Ivoire und anderen Ländern. Die Kleinbauern, die in vielen Entwicklungsländern in Asien und Afrika den größten Teil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte stellen, können jedoch keine Arbeitsschutzdienste und vielfach nicht einmal öffentliche Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen. Dennoch gibt es Beispiele dafür, daß Risikopräventions-Prograrnme für selbständige Landwirte erfolgreich durchgeführt werden können. In Botsuana wurde von der arbeitsmedizinischen Abteilung des Gesundheitsministeriums ein System eingerichtet, um entlegene ländliche Gebiete zu versorgen. „Gesundheitsassistenten" aus den Reihen landwirtschaftlicher Arbeitskräfte wurden ausgebildet, gesundheitliche Probleme zu erkennen und zu verhüten und bei den am häufigsten auftretenden Problemen Nothilfe zu leisten. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, die grundlegenden Prinzipien des Arbeitsschutzes und des allgemeinen Gesundheitsschutzes zu fördern und zu verbreiten und ihre Beziehung zur landwirtschaftlichen Arbeit und zur Gesundheit allgemein zu verdeutlichen sowie anderen Gesundheitsassistenten in ihrer Region eine Ausbildung zu vermitteln. AUSBILDUNG UND INFORMATION IN FRAGEN DES ARBEITSSCHUTZES IN DER LANDWIRTSCHAFT

In den meisten Industrieländern wird eine fachspezifische Ausbildung für arbeitsmedizinische Dienste in der Landwirtschaft von Beratungsdiensten, Verbänden von Landwirten und von anderen in Frage kommenden Einrichtungen geboten. Derzeit wird in vielen Entwicklungsländern die Ausbildung in Fragen des Arbeitsschutzes, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, nicht als eine wichtige Aufgabe angesehen, da nur wenig über die damit verbundenen Vorteile bekannt ist. Nur wenige sind sich der wichtigen Rolle bewußt, die sie bei der Förderung der Arbeitnehmergesundheit, der Verringerung der sozialen und gesundheitlichen Kosten von Krankheiten und Unfällen, der Steigerung der Produktivität, der Förderung der sozialen Stabilität des jeweiligen Landes und dem Schutz der Umwelt spielen kann. Diese Erwägungen gelten als zweitrangig im Vergleich zu den Kosten, die anfallen, um den Sektor zu organisieren, personelle und materielle Ressourcen umzuverteilen und Klein- und Mittelbetrieben Unterstützung zu gewähren. Formelle Studien haben bewiesen, daß das Ausbildungsniveau — insbesondere die Grundbildung — ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung von Individuen und der Gesellschaft ist. Investitionen in Ausbildung und Humanressourcen resultieren in Qualifikationen, die ihrerseits wiederum mehr Effizienz bewirken, das Wissen 10-I7G.98

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über vorhandene Techniken verbreiten helfen und technologische Innovationen fördern. Bei der Ausbildung im Arbeitsschutz in der Landwirtschaft muß pragmatisch vorgegangen werden, will man die Probleme des Sektors wirklich verstehen und falsche Vorstellungen über die Unvermeidlichkeit von Unfällen beseitigen. Wenn Maßnahmen zur Analyse und Verhütung von Risiken Erfolg haben sollen, dann müssen sie sich auf Wissen und Informationen stützen51. Im Rahmen dieser Ausbildung muß den Verantwortlichen in der Landwirtschaft folgendes vermittelt werden: — solide Kenntnisse der in der Produktion angewandten Arbeitsprozesse und -verfahren; — wie arbeitsbezogene Risikofaktoren ermittelt, evaluiert und überwacht werden können; — wie die gesundheitliche Überwachung der Arbeitnehmer vor, während und nach Arbeit gewährleistet werden kann; — Informationen über Erste Hilfe; — Methodologien für die Planung und Durchführung von Programmen zur Risikoverhütung und zur Förderung von Sicherheit und Gesundheit. Kleinbauern erhalten nur begrenzt Hilfe und Beratung. Es gibt jedoch einige Beispiele für erfolgreiche Projekte, die gemeinsam mit Bauernverbänden durchgeführt werden. Im Rahmen eines Projekts der IAO zur Förderung des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft in Mittelamerika (1993-98) wurden gemeinsam mit Bauernverbänden und Genossenschaften Tätigkeiten entwickelt im Hinblick auf die Einführung alternativer Methoden der Schädlingsbekämpfung und des organischen Anbaus, um die intensive Verwendung von Pestiziden und chemischen Düngemitteln zu verringern. Diese Maßnahmen wurden in Zusammenarbeit mit nationalen nichtstaatlichen Organisationen und Beratungsdiensten durchgeführt und befaßten sich mit der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und ihrer Familien und dem Schutz der Umwelt. Die am Projekt beteiligten Gemeinschaften befanden sich in großer Entfernung von den Städten und waren schwer zu erreichen. Die Mitglieder der Gemeinschaften waren äußerst arm, litten unter Nährstoffmangel, besaßen keine Grundausbildung und arbeiteten auf unfruchtbarem und erodiertem Land. Das Projekt kombinierte Ausbildung mit praktischen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Arbeitsorganisation und der Produktionsverfahren. Neben der Ausbildung in Fragen des Gesundheits- und Umweltschutzes wurde den Farmern auch gezeigt, wie Terrassen und Entwässerungssysteme angelegt werden, wie man organische Düngemittel herstellt und verwendet und wie man Gemüse anpflanzt, um eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten. Ferner erhielten sie Unterweisung in der Produktion von Saatgut, der Bekämpfung von Schädlingen, der Produktion organischer Pestizide und der Fisch-, Geflügel- und Schweinezucht, damit sie ihr Einkommen verbessern konnten. Eine 1996 durchgeführte Evaluierung des Projekts zeigte, daß allein in Panama die Teilnahme von 1.100 Farmern einen potentiellen Nutzen für 4.500 Personen in der Region bedeutete. Im organischen Landbau wurde nachgewiesen, daß die Produktionskosten verringert werden können, wenn weniger oder keine Pestizide angewandt werden. 10-17G.98

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In Kanada fallen beispielsweise 25 Prozent aller Niederschläge als Schnee, der jedoch vom Wind von den abgeernteten Feldern in Gräben und Vertiefungen geweht wird. Seit Anfang der achtziger Jahre wird mit Hilfe der Stoppeln von der letzten Ernte und der Abfälle von Hülsenfrüchten versucht, den Boden im Winter vor Austrocknung zu schützen. Die Abfallprodukte werden auf den Feldern in Schichten deponiert, so daß sich dort der Schnee ablagert, wodurch dem Boden im Frühjahr Feuchtigkeit zugeführt wird. Mit Hilfe dieses Systems konnte ein zweimal so hohes Nettoeinkommen erzielt werden wie bei dem Anbausystem, bei dem dieselbe Menge Düngemittel eingesetzt wurde. Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung von Gründüngungspflanzen, um den Boden mit organischen Stoffen anzureichern, die Erosion während der Brachzeit zu verringern und die Fruchtbarkeit des Bodens durch Stickstoffzufuhr zu verbessern. Abgesehen von der Anreicherung des Bodens durch Stickstoffe und organische Stoffe kann mit Hilfe der Fruchtrotation die Anzahl der Krankheiten beim Getreide verringert und der Ernteertrag nach dem Anbau von Hülsenfrüchten verbessert werden. AUSWIRKUNGEN LANDWIRTSCHAFTLICHER PRODUKTIONSPROZESSE AUF DIE UMWELT

Eine auf einer unzweckmäßigen Auswahl und übermäßigen Verwendung agrochemischer Stoffe beruhende Umweltbelastung kann weitreichende negative Auswirkungen haben, denn sie kann biologische Arten zum Verschwinden bringen und das natürliche biologische Gleichgewicht verändern. Bedauerlicherweise kann das auch auf die Arbeitsmethoden von Großunternehmen zurückzuführen sein, die eher daran interessiert sind, ihre Exportproduktion an den Normen der internationalen Märkte auszurichten, als bei der landwirtschaftlichen Entwicklung das Konzept der Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu stellen. Die in diesem Fall angewandten Methoden fuhren zu einer intensiven und extensiven Monokultur, durch die die Vielfalt pflanzlicher Arten in einem großen Gebiet verringert und örtliche Schädlinge auf selektive Weise beseitigt werden. Die Verringerung der Vielfalt der Flora und Fauna zerstört den Zyklus der natürlichen Schädlingsbekämpfung, was wiederum einen verstärkten Einsatz chemischer Mittel erforderlich macht. Die kommerziellen Pestizide zerstören jedoch zunächst die Schädlinge mit der geringsten Widerstandskraft, während die mit der größeren Resistenz überleben. So entsteht eine Art Tretmühleneffekt, der den Einsatz immer stärkerer Pestizide notwendig macht, die wiederum stärkere sekundäre Auswirkungen haben. Eine weitere Folge der intensiven Landwirtschaft ist, daß sie dem Boden bestimmte Nährstoffe entzieht, die für den Pflanzenbau unabdingbar sind. Je unfruchtbarer der Boden wird, desto häufigere und stärkere Dosierungen chemischer Düngemittel sind erforderlich, damit die Pflanzen gedeihen. So entsteht ein Teufelskreis, der die Produktionskosten und die Kosten für die Erhaltung der Gesundheit der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte immer mehr in die Höhe treibt. Hinzu kommt, daß die extensive Landwirtschaft die Bodenoberfläche und den Lauf von Flüssen verändert. Sie zerstört Pflanzen, deren tiefes und ausgedehntes Wurzelwerk den Boden erhält, so daß Wind und Hitze den Boden erodieren und 10-17G.98

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austrocknen können. Anschließend wird der Mutterboden vom Regen weggeschwemmt, was die Bodenqualität weiter verschlechtert. Nach Bodenverschiebungen und der Zerstörung von Flußdämmen kann es zu Überflutungen kommen. Aus verschiedenen Teilen der Welt liegen Berichte vor, daß es aufgrund der Kontaminierung von Flüssen nach dem Versprühen von Pestiziden aus der Luft oder der Verwendung von Flußwasser zur Reinigung von Gastanks und Sprühgeräten zum Massensterben von Krabben, Fischen und Krustentieren gekommen ist. Ähnliche Fälle gab es auch unter Bienen, Rindern und Wasserlebewesen in Zuchtbecken. Die entstehenden wirtschaftlichen Verluste können äußerst schwerwiegend sein, etwa im Fall der Zerstörung von 300 Bienenstöcken in Filadelphia in Costa Rica im Jahr 198652. Die Inhaber von landwirtschaftlichen Klein- oder Mittelbetrieben lassen sich leicht durch Werbung beeinflussen und wenden Produktionsmodelle an, die von Landwirtschaftsbanken als finanzierungswürdig angesehen werden. Zwar sind sie nicht für Umweltkatastrophen verantwortlich, durch Fehler bei der Anwendung von Pestiziden und der Entsorgung von Abfällen tragen sie jedoch auch zur Umweltbelastung bei. Hier sollte noch darauf hingewiesen werden, daß chlororganische Pestizide wie DDT, Aldrin usw. äußerst stabile Verbindungen sind, die zwar inzwischen in vielen Ländern verboten sind, die jedoch 30 Jahre oder länger im Boden verbleiben können. Sie werden nach und nach von Pflanzen aufgenommen und reichern sich dort an, bevor die Kontaminierung über die Nahrungsmittelkette letztlich den Verbraucher erreicht. In den achtziger Jahren wurde in Ägypten, Algerien, Ghana, Nigeria, Sambia, Simbabwe, der Vereinigten Republik Tansania und Uganda eine Studie über die Auswirkungen chlororganischer Pestizide auf das landwirtschaftliche Ökosystem und die Nahrungsmittelkette durchgeführt. Die Studie kam zu dem Ergebnis, daß Fische insgesamt eine hohe Konzentration von chlororganischen Rückständen aufwiesen und daß in Gewässern in der Nähe von Gebieten, in denen diese Pestizide angewandt wurden, der Fischbestand sehr gering war. In Ägypten und der Vereinigten Republik Tansania untersuchte Vögel wiesen degenerative Veränderungen der Leber, der Nieren und des Nervengewebes auf53. Untersuchungen der Rückstände von chlororganischen Pestiziden (wie DDT), die in Simbabwe in der Landwirtschaft und bei der Bekämpfung der Tsetsefliege in Binnengewässern eingesetzt werden, kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Bei 1996 in Polen im Gebiet von Lublin und Zamosc durchgeführten Studien über die Kontaminierung von Trinkwasser und Böden durch Agrochemikalien wurden in Wasserquellen folgende Verbindungen festgestellt: Lindan, DDT, Methoxychlor, Fenitrothrion, Atrazin, Sinarzin, Alphametin und Deltametrin. Die Verwendung synthetischer Düngemittel, die Nitrate enthalten, kontaminiert den Boden und verursacht extrem hohe Konzentrationen von Stickstoff im Grundwasser. Sonstige Quellen von Kontaminierung sind tierischer Dünger, Fäkalien, stickstoffhaltige Bakterien und Pflanzen und geologische Quellen; hauptverantwortlich für Kontaminierung sind jedoch synthetische Düngemittel. Nitrate im Trinkwasser und in Nahrungsmitteln haben bedeutende Auswirkungen auf die Gesundheit, so können sie Hämoglobin-Erkrankungen, die gelegentlich

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zum Tod führen (Blue-Baby-Syndrom), chronische Leiden wie Blutkrebs (nonHodgkin-Lymphom), Magenkrebs und in einigen Fällen Geburtsfehler verursachen.

Anmerkungen 1

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M.S. Kaminiaka: „Research needs in the American agricultural equipment industry" in Applied Ergonomics (Oxford, 1985), Bd. 16, Nr. 3. 4

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15

Phoolchund, a.a.O.

16

Schulman et. al., a.a.O.

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10-17G.98

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Von Kaninchen übertragene bakterielle Erkrankung.

Von Hunden übertragene Parasitenerkrankung, die auf einer Kontamination durch die Viszera von Schafen oder Kamelen basiert und durch Larven mit der Ausbildung von Zysten verursacht wird. 10-17G.98

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Infektiöse Diarrhöe, die bei Kindern und älteren Menschen zu Dehydration führt.

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Von Vögeln übertragene Virusencephalitis.

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Von Schafen und Ziegen übertragene bakterielle Erkrankung.

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Bakterielle Lebererkrankung, die durch eine Kontaminierung von Wasser oder Lebensmitteln verursacht wird. 41

Hämorrhagisches Fieber oder Leptospirose ist eine bakterielle Erkrankung, die in Rinderställen auftritt und durch Wasser übertragen wird, das durch Rattenurin kontaminiert worden ist. 42

Filariasis und Bilharziose (oder Schistosomiasis) sind Parasitenerkrankungen verursacht durch im Boden oder an der Oberfläche von Gewässern lebende Fadenwürmer. 43

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Forestieri: Ergonomieproblems in agriculture in developing countries, a.a.O.

47

Forestieri: Ergonomie problems in agriculture in developing countries, a.a.O.

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Ebd.

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KAPITEL V MASSNAHMEN DER IAO ZUM ARBEITSSCHUTZ IN DER LANDWIRTSCHAFT URKUNDEN, LEITFÄDEN UND RICHTLINIENSAMMLUNGEN DER IAO

Eine Reihe von Übereinkommen und Empfehlungen der IAO sind für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft entweder von unmittelbarer Bedeutung oder sind für die Landwirtschaft relevant und enthalten Bestimmungen über den Arbeitsschutz. Diese Urkunden sind zusammen mit der Anzahl der Ratifikationen in den Anhängen I und II aufgeführt. Richtliniensammlungen und technische Leitfäden sollen Ratschläge an die Hand geben und zu Maßnahmen auf nationaler und betrieblicher Ebene anregen. Die folgenden Richtliniensammlungen und Leitfäden sind für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft von unmittelbarer Bedeutung: — Richtliniensammlungen — Sichere Konstruktion und Verwendung von Motorsägen (1978); Sicherer Bau und Betrieb von Traktoren (1976); Sicherheit und Gesundheit bei der Waldarbeit (1998); — Leitfäden — Leitfaden für Sicherheit in der Landwirtschaft (1969); Leitfaden für Gesundheit und Hygiene bei der landwirtschaftlichen Arbeit (1979); Sicherheit und Gesundheit bei der Verwendung von Agrochemikalien: ein Leitfaden (1991). Einige der in den sechziger und siebziger Jahren herausgegebenen Veröffentlichungen müssen unter Berücksichtigung der neuesten Tendenzen überarbeitet werden. TAGUNGEN

Im Jahr 1962 beschäftigte sich der Gemeinsame IAOAVHO-Ausschuß für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf seiner Vierten Tagung mit berufsbedingten Gesundheitsproblemen in der Landwirtschaft' und definierte die Landwirtschaft als „alle Formen von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Anbau, der Ernte und der Erstverarbeitung aller Arten von pflanzlichen Erzeugnissen, mit der Tierzucht und Tierhaltung sowie mit der Pflege von Gärten und Pflanzschulen". Der Ausschuß definierte ferner landwirtschaftliche Arbeitskräfte als „alle Personen, die entweder ständig oder zeitweilig, ungeachtet ihrer Rechtsstellung, mit Tätigkeiten befaßt sind, die einen Bezug zur Landwirtschaft im obigen Sinne

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

haben". Dieser Ausschuß schlug erstmals die Erarbeitung eines IAO-Übereinkommens über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft vor. Fragen im Zusammenhang mit den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen landwirtschaftlicher Lohnarbeiter wurden auf einer von der IAO 1996 in Genf veranstalteten Sektortagung erörtert: In den auf dieser Tagung verabschiedeten Entschließungen wurde die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, Forschungen und technischer Unterstützung in der Landwirtschaft betont2. Die Arbeiter machen jedoch nur einen Teil der Schutzbedürftigen aus. Die Mehrheit der Lohnarbeiter sind in Lateinamerika konzentriert; in Asien, Afrika und Europa sind die meisten landwirtschaftlichen Arbeitskräfte aber selbständig erwerbstätig. TECHNISCHE ZUSAMMENARBEIT

Ausgehend von den Grundsätzen, die in den Bestimmungen des Übereinkommens (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, verankert sind, wurde eine Musterstrategie zur Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft erarbeitet und von September 1993 bis Juli 1998 im Rahmen eines Projekts der technischen Zusammenarbeit im mittelamerikanischen Raum erprobt. Die Strategie des Projekts war auf die Umsetzung einer innerstaatlichen Politik zur Verbesserung des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft ausgerichtet mit dem Ziel, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu verhüten und die Gesundheit der Arbeitnehmer sowie die Umwelt zu schützen. Zielgruppe des Projekts waren ländliche Arbeitskräfte und ihre Familien. Die Projekttätigkeiten wurden in Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und Lohnarbeitern, einschließlich Zeitarbeitskräften, in großen und mittleren Betrieben durchgeführt; beteiligt waren ferner in Genossenschaften zusammengeschlossene oder ländlichen Gewerkschaften angehörende Kleinbauern. Diese Tätigkeiten dienten der Verbesserung und Stärkung der innerstaatlichen Kapazität zur Entwicklung eines integrierten Ansatzes für das Arbeitsschutzmanagement in der Landwirtschaft. Das Projekt umfaßte die folgenden fünf Hauptkomponenten: 1. Aktualisierung und Konsolidierung der Arbeitsschutzgesetzgebung, um einen besseren gesetzlichen Rahmen für den landwirtschaftlichen Sektor zu schaffen. 2. Förderung der interinstitutionellen Koordinierung, Entwicklung innerstaatlichen Pläne und Bildung innerstaatlicher beratender Ausschüsse für die Landwirtschaft zur Verfolgung und Koordinierung der Tätigkeiten — an denen die einschlägigen Institutionen und Sozialpartner innerhalb des Sektors beteiligt werden sollten3. 3. Sensibilisierung, Information und Schulung auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes für ländliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Aufsichtsdienste, Gesundheitspersonal und Agrotechniker. Im Zuge des Projekts wurde ein Netz von Ausbildern aus allen beteiligten Institutionen und Gruppen zur Betreuung und Koordinierung der Ausbildungstätigkeiten geschaffen. Bei der Entwicklung und Anwendung der Ausbildungsmaterialien und -methodologien wurden auch die Bildungsministerien und ähnliche Institutionen beteiligt. 10-I7A.G98

Maßnahmen der IAO zum Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

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Diese Methodologien waren speziell auf die Arbeitsschutzprobleme in Großbetrieben und kleinen landwirtschaftlichen Betrieben zugeschnitten. Dabei wurde auch das Niveau der sprachlichen sowie der Lese- und Schreibkenntnisse der potentiellen Nutzer im Auge behalten. Auf lokaler Ebene wurden Informationszentren bzw. Datenbanken für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft eingerichtet und den betreffenden Gruppen zugänglich gemacht. Jedem Informationszentrum gehörte Personal an, das in der Nutzung der Datenbank ausgebildet war. Besondere Beachtung wurde der Beteiligung von Landfrauen an dem Projekt geschenkt. So wurden Kontakte mit Landfrauenorganisationen und anderen IAO-Projekten hergestellt, und eine Reihe von Landfrauen wurden als Ausbilder ausgebildet. 4. Einrichtung von Verhütungsprogrammen auf lokaler Ebene für die Überwachung sowohl der Arbeitsumwelt als auch der Gesundheit der Arbeitnehmer. Große Bedeutung wurde Arbeitsschutzausschüssen und der gemeinsamen Besichtigung von Arbeitsplätzen beigemessen — in Großbetrieben und in Genossenschaften und Bauernverbänden. Ferner wurde Beratung bei der Auswahl von Agrochemikalien und landwirtschaftlichen Maschinen und Werkzeugen unter Berücksichtigung von Sicherheits- und ergonomischen Aspekten erteilt. 5. Entwicklung eines nachhaltigen Ansatzes beim sicheren Einsatz von Chemikalien und beim sicheren Umgang mit ihnen bei der landwirtschaftlichen Arbeit — in Anbetracht der Tatsache, daß ein hoher Prozentsatz der Berufsgefahren, denen landwirtschaftliche Arbeitskräfte in Mittelamerika ausgesetzt sind, auf die Exposition gegenüber Agrochemikalien zurückzuführen ist. Zu diesem Ansatz gehörten u.a. die Förderung und Unterstützung von Klassifizierungssystemen und die Ausarbeitung von Sicherheitsdatenblättern für diejenigen Chemikalien, die in der Region am meisten verwendet werden. Es wurde Beratung über Umweltverträglichkeit und Agrochemie-Abfallentsorgung erteilt. Im Mittelpunkt der Ausbildungstätigkeiten standen Sicherheit beim Einsatz von Pestiziden, alternative Methoden der Schädlingsbekämpfung, integrierter Pflanzenschutz, biologischer Ackerbau und andere agroökologische Methoden. Die mit diesem Projekt gewonnenen Erfahrungen zeigten die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes auf, der der Gesundheit am Arbeitsplatz, der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelthygiene Rechnung tragen und mit den landwirtschaftlichen Tendenzen auf nationaler und internationaler Ebene im Einklang stehen sollte. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das Modell solide ist und in anderen Ländern und Regionen übernommen werden sollte; es müssen jedoch noch weitere angewandte Forschungen durchgeführt werden, um zu einer breiteren internationalen Perspektive zu gelangen. Die Arbeiten in der laufenden Zweijahresperiode werden sich auf die Landwirtschaft als einem besonders gefährlichen Sektor konzentrieren, wobei den Mitgliedstaaten technische Unterstützung im Rahmen des geplanten Globalen Programms der IAO für Arbeitsschutz und die Umwelt geleistet wird4.

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft ZUSAMMENARBEIT MIT ANDEREN INTERNATIONALEN ORGANISATIONEN

Auf seiner Elften Tagung im April 1992 empfahl der Gemeinsame IAO/ WHO-Ausschuß für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ein gemeinsames Programm zur Verbesserung der Gesundheit der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft5. In diesem Bereich erfolgt die Zusammenarbeit zwischen der IAO und der WHO über Tätigkeiten der technischen Zusammenarbeit. Die IAO hat insbesondere in den mittelamerikanischen Ländern mit dem Programm der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) für „Umwelt und Gesundheit im mittelamerikanischen Isthmus" zusammengearbeitet, um durch vereinte Anstrengungen eine größere Wirkung zu erzielen. Eine Reihe erfolgreicher gemeinsamer Tätigkeiten sind in den Bereichen Umwelt und Gesundheit durchgeführt worden. AUF DEM WEG ZUR ANNAHME NEUER NORMEN

Es wird weltweit anerkannt, daß die Landwirtschaft sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den Industrieländern ein besonders gefährlicher Sektor ist — neben dem Bergbau und dem Baugewerbe. Internationale Nonnen und aktualisierte Richtliniensammlungen gibt es bereits in den Sektoren Bergbau und Baugewerbe. Obwohl die landwirtschaftlichen Lohnarbeiter durch das Übereinkommen (Nr. 110) über die Plantagenarbeit, 1958, geschützt werden und die Landwirtschaft allgemein auch von dem Rahmenübereinkommen der IAO (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1955, erfaßt wird, das für alle Wirtschaftszweige gilt, gibt es kein umfassendes Übereinkommen, das sich mit den Sicherheits- und Gesundheitsproblemen der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft befaßt. In diesem Zusammenhang bedarf es eines ganzheitlicheren Ansatzes im Bereich der Arbeitsschutznormen. Der Arbeitsschutz in der Landwirtschaft muß im Rahmen einer klar definierten Strategie angegangen und in eine Politik zur Entwicklung ländlicher Gebiete eingebettet werden, die sowohl gewerbliche Betriebe (Plantagen) als auch kleine landwirtschaftliche Betriebe berücksichtigt. Wie in den Kapiteln II und III dargelegt, sollte die Schutzgesetzgebung auf die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte ausgedehnt werden, um ihre Arbeitsbedingungen und ihr Wohlergehen zu verbessern. Ein Übereinkommen, das Grundprinzipien des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft enthält und durch eine Empfehlung ergänzt wird, würde eine solide Ausgangsbasis für innerstaatliche Gesetzgebung bilden. Diese Normen könnten später nutzbringend durch eine Richtliniensammlung ergänzt werden.

Anmerkungen 1

IAA: Occupationalhealthproblems in agriculture, a.a.O., S.4.

2

IAA: Note on the Proceedings, Dreigliedrige Tagung über die Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter im Kontext der wirtschaftlichen Umstrukturierung, Genf, 23.-27. Sept. 1996. 10-17A.G98

Maßnahmen der IAO zum Arbeitsschutz in der Landwirtschaft 3

Beispielsweise: die Ministerien für Arbeit, Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt, Träger der Sozialen Sicherheit, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und in Frage kommende ländliche nichtstaatliche Organisationen. 4

IAA: Programm und Haushaltßr 1998-99 (Genf, 1997), Abs. 90.2.

5

Siehe Punkt 11 der Konsenserklärung des Gemeinsamen IAO/WHO-Ausschusses für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Elfte Tagung, Genf, 1992 (Dok. GB.254/10/3/1).

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FRAGEBOGEN Auf seiner 271. Tagung (März 1998) ersuchte der Verwaltungsrat das Amt, die Frage des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft auf die Tagesordnung der 88. Tagung (2000) der Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen. Es wurde festgestellt, daß es zwingende Gründe für die Erarbeitung von Normen in diesem Bereich gibt, um Sicherheit und Gesundheit der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zu verbessern. Dieser Feststellung lag die Einsicht zugrunde, daß die Landwirtschaft neben dem Bergbau und dem Bauwesen, für die es bereits sektorale Normen gibt, zu den gefährlichsten Sektoren gehört. Die Landwirtschaft ist von universeller Bedeutung und besonders wichtig für die Entwicklungsländer. Mit dem Fragebogen sollen die Mitgliedstaaten gebeten werden, nach Beratung mit den maßgebenden Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Ansichten zum Geltungsbereich und zum Inhalt der vorgeschlagenen Urkunde(n) darzulegen. In Anbetracht der Breite des Sektors wäre es ratsam, im Hinblick auf die Ausarbeitung der Antworten weitere in Frage kommende Ministerien und Einrichtungen, die sich mit der Landwirtschaft befassen, beispielsweise die Ministerien für Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt, zu konsultieren. Bei der Abfassung des Fragebogens wurden die Anregungen des Generaldirektors im Anhang zu seinem Bericht Die normensetzende Tätigkeit der IAO im Zeichen der Globalisierung, der der 85. Tagung der Konferenz im Jahr 1997 vorgelegt wurde, berücksichtigt. Die Form des Fragebogens ist daher weniger starr, damit die Mitgliedstaaten genauere Leitlinien vorlegen können als in der Vergangenheit; nach Ansicht des Amtes würde dies eher im Einklang mit den Bedürfnissen der Mitgliedsgruppen der IAO stehen. Form der internationalen Urkunden 1. Sollte die Internationale Arbeitskonferenz eine oder mehrere Urkunden über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft annehmen ? 2. Wenn ja, sollte der allgemeine Zweck darin bestehen sicherzustellen, daß alle Arbeitnehmer in der Landwirtschaft einen Schutz im Bereich der Sicherheit und Gesundheit genießen, der soweit wie möglich demjenigen gleichwertig ist, der den Arbeitnehmern in anderen Sektoren der Wirtschaft geboten wird? 3. Sollte(n) die Urkunde(n) die Form erhalten: a) eines Übereinkommens; b) einer Empfehlung; oder I0-17A.G98

Fragebogen

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c) eines Übereinkommens und einer ergänzenden Empfehlung? Falls Sie sich für c) entscheiden, können Sie in Ihren Kommentaren zu den nachstehenden Fragen angeben, welche Teile der betreffenden Frage in einem Übereinkommen und welche in einer Empfehlung behandelt werden sollten. Präambel 4. Sollte (n) die Urkunde (n) eine Präambel enthalten, in der Bezug genommen wird auf: a) Übereinkommen und Empfehlungen, die Bestimmungen enthalten, die für den Arbeitsschutz unmittelbar von Bedeutung sind?1 Wenn ja, welche von ihnen sollten aufgenommen werden? b) andere Übereinkommen und Empfehlungen, die für die Landwirtschaft von Bedeutung sind?2 c) die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik, die der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes angenommen hat? I. Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich 5. Sollte der Ausdruck „Landwirtschaft" (oder landwirtschaftlich)" im Sinne der Urkunde(n) folgendes umfassen3: a) alle Tätigkeiten (ob drinnen oder draußen) im Zusammenhang mit dem Anbau, der Ernte und der Erstverarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen? b) die Viehzucht und die Erzeugung tierischer Produkte? c) die Fischzucht? d) alle Verfahren, Arbeitsgänge oder Transporte, die in einer landwirtschaftlichen Arbeitsstätte stattfinden? e) die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Erzeugung? 6. Sollte (n) die vorgeschlagene(n) Urkunde (n) gelten für: a) alle landwirtschaftlichen Betriebe ungeachtet ihrer Größe? b) gemeinwirtschaftliche Betriebe, wie Genossenschaften und Bauernverbände? c) Maschinen, Ausrüstungen, Geräte, Werkzeuge und Anlagen, die in Verbindung mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten verwendet werden? 7. Sollte von der Definition der „Landwirtschaft" folgendes ausgenommen sein: a) industrielle Verfahren, bei denen landwirtschaftliche Produkte als Rohstoff verwendet werden? b) die Forstwirtschaft oder alle in einem Wald durchgeführten Arbeiten im Zusammenhang mit der Forstbewirtschaftung, -erhaltung oder -nutzung? 10-17A.G98

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c) der Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen außerhalb der Arbeitsstätte? 8. Sollte(n) die vorgeschlagene(n) Urkunde(n)ßr alle Arbeitskräfte in der Landwirtschaft gelten, einschließlich der selbständig Erwerbstätigen? 9. Sollte (n) die vorgeschlagene (e) Urkunde (n) vorsehen, daß die zuständige Stelle eines Mitgliedstaats nach Anhörung der in Betracht kommenden maßgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer: a) vom Geltungsbereich der Urkunde (n) jedes andere Verfahren oderjede andere Gruppe von Arbeitskräften ausnehmen kann; und wenn ja, unter Bezugnahme aufweiche Kriterien? b) im Fall des Ausschlusses bestimmter landwirtschaftlicher Verfahren oder Gruppen von Arbeitskräften Pläne ßr die schrittweise Erfassung aller Verfahren und Gruppen von Arbeitskräften in der Landwirtschaft machen sollte? II. Allgemeine Grundsätze 10. a) Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die Mitglieder eine innerstaatliche Politik annehmen sollten mit dem Ziel, Unfälle und Krankheiten in der Landwirtschaft zu verhüten? b) Sollten dießr die Durchßhrung dieser Politik Verantwortlichen verpflichtet sein: i) Prioritäten ßr Maßnahmen festzulegen, die Hauptprobleme zu ermitteln, wirksame Methoden zu ihrer Bewältigung zu entwickeln und die Ergebnisse zu evaluieren? ii) die technologischen Fortschritte und Kenntnisse im Bereich des Arbeitsschutzes in der Landwirtschaft zu berücksichtigen, einschließlich der einschlägigen Normen, Leitlinien und Richtliniensammlungen, die von anerkannten internationalen Organisationen angenommen worden sind, und Änderungen der internationalen Vorschriften? c) Sollte diese Politik ein System ßr die Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und ihrer Arbeitsumwelt vorsehen, das sich mindestens auf folgendes erstreckt: i) gefährliche Chemikalien; ii) giftige, ansteckende oder allergene biologische Agenzien; iii) karzinogene Stoffe oder Agenzien; iv) Lärm und Vibrationen; v) ergonomische Gefahren und Verletzungen; vi) extreme Temperaturen; vii) ultraviolette Sonnenstrahlungen; viii) übertragbare Tierkrankheiten4; ix) Kontakt mit wilden und giftigen Tieren; 10-17A.G98

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besondere Gesundheitsüberwachungsrnaßnahmen ßr junge Arbeitskräfte und schwangere Frauen? 11. Sollte (n) die Urkunde(n) vorsehen, daß die innerstaatliche Gesetzgebung: a) die zuständige Stelle oder Stellen bezeichnet, die ßr die Durchßhrung und Durchsetzung der innerstaatlichen Gesetzgebung über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft verantwortlich sind? b) falls es mehrere zuständige Stellen gibt, deren jeweilige Aufgaben und Verantwortlichkeiten festlegt, wobei sowohl der komplementäre Charakter dieser Verantwortlichkeiten innerhalb des Sektors als auch die innerstaatlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten berücksichtigt werden? c) den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepaßte Vorkehrungen vorsieht, um eine angemessene sektorübergreifende Koordinierung zwischen den verschiedenen Stellen und Gremien sicherzustellen, um daßr zu sorgen, daß die Politik und die zu ihrer Durchßhrung getroffenen Maßnahmen miteinander im Einklang stehen? d) die Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in bezug auf den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft festlegt? e) angemessene Strafen und Abhilfemaßnahmen vorsieht, einschließlich der Einstellung oder Einschränkung von landwirtschaftlichen Tätigkeiten aus Sicherheits- und Gesundheitsgründen, bis die Zustände, die zu der Einstellung oder Einschränkung Anlaß gegeben haben, behoben worden sind? f) Verfahren ßr die Aufzeichnung und Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in der Landwirtschaft festlegt? g) Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Berufsgefahren in der Landwirtschaft vorschreibt, wobei der Schutz der allgemeinen Umwelt zu berücksichtigen ist? h) Vorsorge ßr die schrittweise Einrichtung von betriebsärztlichen Diensten trifft, die ausreichend und den spezifischen Gefahren landwirtschaftlicher Betriebe angepaßt sind, und ihre Aufgaben und Tätigkeitsvoraussetzungen festlegt? i) die Maßnahmen vorschreibt, die zu treffen sind, um vorherrschende endemische Krankheiten in Gebieten auszumerzen oder zu bekämpfen, in denen solche vorkommen? 12. Sollte der besonderen Situation bestimmter Gruppen von Arbeitskräften Beachtung geschenkt werden, wie z.B.: a) Zeit- und Saisonarbeitskräfte? b) Familienangehörige des Betriebsinhabers? c) Wanderarbeitskräfte? d) Pächter und Teilpächter? e) kleine Eigenbewirtschafter in der Subsistenzlandwirtschaft? f) landlose Arbeitskräfte in der Landwirtschaft im ländlichen informellen Sektor? g) andere Arbeitskräfte in der Landwirtschaft? I0-17A.G98

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

III. Aufsicht 13. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß die Mitglieder sicherstellen sollten, daß ein ausreichender und geeigneter Aufsichtsdienst för landwirtschaftliche Arbeitsstätten vorhanden ist und über ausreichende Mittel verfügt? 14. Wie könnte die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft durchgeführt werden? Geben Sie bitte an, welchen der folgenden Beispiele Sie den Vorzug geben würden: a) ein einziger Arbeitsaufsichtsdienst, der för alle Wirtschaftssektoren zuständig ist? b) ein einziger Arbeitsaufsichtsdienst, der för eine interne Spezialisierung sorgen würde durch: i) entweder die entsprechende Ausbildung von Inspektoren in der Landwirtschaft? ii) oder eine fachlich qualifizierte Abteilung för die Landwirtschaft ? c) ein auf die Landwirtschaft spezialisierter Arbeitsaufsichtsdienst, der einer zentralen, für die Koordinierung der Aufsichtstätigkeiten verantwortlichen Stelle untersteht? d) ein Arbeitsaufsichtsdienst, der bei bestimmten Aufsichtsaufgaben auf regionaler oder lokaler Ebene durch geeignete staatliche Dienste oder öffentliche Einrichtungen unterstützt wird? e) irgendeine andere Methode, die von der zuständigen Stelle in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis festgelegt wird? Bitte angeben. 15. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß die zuständige Stelle folgendes fördern sollte: a) eine beratende Rolle der Aufsichtsdienste, und b) eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsdiensten in der Landwirtschaft und anderen in Frage kommenden Diensten oder Einrichtungen?

IV. Verhütungs- und Schutzmaßnahmen ALLGEMEINES

16. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß, wenn zwei oder mehrere Arbeitgeber Arbeiten in derselben landwirtschaftlichen Arbeitsstätte durchfuhren, jeder Arbeitgeber för die Gesundheit und Sicherheit seiner Arbeitnehmer verantwortlich sein sollte und daß sie bei der Anwendung der Bestimmungen der Urkunde(n) zusammenarbeiten sollten ? 17. a) Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß der oder die Arbeitgeber geeignete Verhütungs-, Schutz- und Kontrollmaßnahmen treffen, um sicherzustellen, daß alle landwirtschaftlichen Tätigkeiten, Arbeitsstätten, Maschinen, Aus-

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rüstungen, Werkzeuge und Verfahren, die ihrem Verfügungsrecht unterliegen, sicher sind und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährden? b) Sollte (n) die Urkunde (n) die Art und Weise vorschreiben, wie der oder die Arbeitgeber die Risiken bei der Ergreifung von Verhütungs-, Schutz- und Kontrollmaßnahmen bewerten und bewältigen sollten'? 18. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß der oder die Arbeitgeber zu diesem Zweck und auf der Grundlage der allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes: a) eine Politik für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft auf betrieblicher Ebene festlegen sollten? b) ein Arbeitsschutzmanagement-System und ein arbeitsbezogenes GesundheitsÜberwachungsprogramm zur Durchführung der Politik festlegen sollten? c) die Effektivität und Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen regelmäßig überprüfen sollten ? d) auf betrieblicher Ebene ein System der Aufzeichnung und Meldung von Unfällen und Krankheiten einrichten und unterhalten sollten ? e) für die Bereitstellung von betriebsärztlichen Diensten sorgen sollten, die ausreichend und den spezifischen Gefahren in der Landwirtschaft angepaßt sind? f) Maßnahmen treffen sollten, um sicherzustellen, daß die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft den erforderlichen ärztlichen Untersuchungen vor Aufnahme der Arbeit und den erforderlichen regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen und Tests unterzogen werden, um die Exposition der Arbeitnehmer zu beurteilen und ihre Gesundheit zu überwachen ? g) die Arbeitnehmer in verständlicher Weise über die Gefahren im Zusammenhang mit ihrer Arbeit, die damit verbundenen Gesundheitsrisiken und die einschlägigen Verhütungs- und Schutzmaßnahmen unterrichten sollten? h) Sicherheitsmaßnahmen bei Unfällen und Notfällen vorsehen sollten? i) dafür sorgen sollten, daß Arbeitskräften, die am Arbeitsplatz eine Verletzung erlitten haben oder erkrankt sind, Erste Hilfe und geeignete Mittel für den Abtransport zur Verfügung stehen und daß sie Zugang zu geeigneten medizinischen Einrichtungen haben? 19. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß der oder die Arbeitgeber alle geeigneten Vorsichtsmaßnahmen treffen sollten, um die Öffentlichkeit und die Umwelt vor allen Gefahren zu schützen, die sich aus der betreffenden landwirtschaftlichen Tätigkeit ergeben können? CHEMISCHE SICHERHEIT

20. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die zuständige Stelle Maßnahmen in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis treffen sollte, um sicherzustellen, daß: a) diejenigen, die für den Einsatz in der Landwirtschaft vorgesehene chemische Stoffe oder biologische Erzeugnisse herstellen, einführen, bereitstellen oder 10-17A.G98

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überlassen, sich nach international vereinbarten Arbeitsschutznormen richten und der zuständigen Stelle und den Nutzern angemessene und zweckmäßige Informationen zur Verfügung stellen? b) ein geeignetes innerstaatliches System mit spezifischen Kriterien in bezug auf die Einfuhr, Klassifizierung, Kennzeichnung sowie das Verbot oder die Einschränkung von in der Landwirtschaft verwendeten chemischen Stoffen vorhanden ist? 21. Sollte (n) die Urkunde (n) vorschreiben, daß die Verhütungs-, Schutz- und Kontrollmaßnahmen, die von dem oder den Arbeitgebern hinsichtlich der Verwendung von chemischen Stoffen in der Landwirtschaft zu treffen sind, sich insbesondere erstrecken sollten auf: a) die Zubereitung, die Handhabung, die Lagerung und den Transport von chemischen Stoffen; b) die Entsorgung von leeren Behältnissen und die Behandlung und Beseitigung von Chemieabfällen; c) die Freisetzung von chemischen Stoffen infolge landwirtschaftlicher Tätigkeiten; und d) die Wartung, die Reparatur und die Reinigung von Ausrüstungen und Behältnissen für chemische Stoffe? 22. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß auf betrieblicher Ebene der oder die Arbeitgeber: a) ein System für die Klassifizierung und Kennzeichnung von in der Landwirtschaft verwendeten chemischen Stoffen einrichten und sicherstellen sollten, daß alle Behältnisse zweckentsprechend gekennzeichnet sind? b) Kriterien und Verfahren für die Behandlung und Beseitigung von gefährlichen Abfällen und leeren Behältnissen von chemischen Stoffen, die mit nationalen und internationalen Vorschriften im Einklang stehen, festlegen sollten, um die Sicherheit der Arbeitnehmer, die Öffentlichkeit und die Umwelt zu schützen ? c) sicherstellen sollten, daß die Verwendung, die Lagerung und der Transport von chemischen Stoffen am Arbeitsplatz von ausgebildeten fachkundigen und dazu befugten Personen durchgeführt wird?

SICHERHEIT VON MASCHINEN UND ERGONOMIE

23. Sollte (n) die Urkunde (n) vorschreiben, daß die Verhütungs-, Schutz- und Kontrollmaßnahmen, die von Arbeitgebern in landwirtschaftlichen Betrieben in tropischen und subtropischen Ländern zu treffen sind, den Verhältnissen in diesen Ländern angepaßt sein sollten, insbesondere was das Klima, den Technologietransfer, die Arbeitsverfahren und die Arbeitsmethoden angeht? 24. a) Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die innerstaatliche Gesetzgebung vorschreiben sollte, daß landwirtschaftliche Maschinen, Ausrüstungen und Geräte den Arbeitsschutznormen entsprechen sollten?

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b) Wenn ja, sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die zuständige Stelle Maßnahmen treffen sollte, um sicherzustellen, daß die Hersteller und Lieferanten von Maschinen, Ausrüstungen und Geräten, die in der Landwirtschaft verwendet werden, die Arbeitsschutznormen einhalten und ausreichende und zweckmäßige Informationen bereitstellen? c) Sollte (n) die Urkunde (n) auch Mindesterfordernisse auf betrieblicher Ebene vorschreiben in Bereichen wie: Auswahl, Schutz und Instandhaltung von Maschinen und Ausrüstungen? 25. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß: a) gefährliche Maschinen wie Traktoren und Erntemaschinen nur von ausgebildeten, fachkundigen und dazu befugten Personen bedient werden sollten? b) niemand mit landwirtschaftlichen Maschinen befördert werden sollte, die nicht für die Beförderung von Menschen konstruiert worden sind? 26. Sollte(n) die Urkunde(n) vorschreiben, daß der oder die Arbeitgeber die Arbeit so organisieren sollten, daß die Arbeitnehmer regelmäßige Ruhepausen erhalten oder daß sich ihre Aufgaben abwechseln, um die Arbeitsbelastung und die Ermüdung herabzusetzen? 27. a) Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß die zuständige Stelle nach Anhörung der in Betracht kommenden maßgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Arbeitsschutzvorschriften hinsichtlich des manuellen Transports von Lasten festlegen sollte? b) Wenn ja, sollte (n) die Urkunde (n): i) den Grundsatz festlegen, daß es einem landwirtschaftlichen Arbeitnehmer nicht zugemutet oder gestattet werden darf, manuell eine Last zu transportieren, die eine Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit darstellt? ii) auch Mindestarbeitsschutzerfordernisse in Bereichen wie Transportmethoden, mechanische und technische Vorrichtungen, Ausbildung und Schutzausrüstung festlegen ?

BAUARBEITEN AUF DEM GELÄNDE LANDWIRTSCHAFTLICHER BETRIEBE

28. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß der oder die Arbeitgeber beim Bau, bei der Instandhaltung oder bei der Reparatur von Gebäuden, Anlagen, Geländern oder Zäunen die innerstaatlichen Vorschriften und Sicherheitsnormen einhalten sollten? SILOS, GRUBEN, KELLER UND TANKS

29. a) Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die innerstaatliche Gesetzgebung Arbeitsschutzerfordernissejür die verschiedenen beengten Räume festlegen sollte, die jür die Landwirtschaft von Belang sind, wie Silos, Gruben, Keller, Tanks und ähnliche Bauten?

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Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

b) Wenn ja, sollte(n) die Urkunde(n) Mindestarbeitsschutzvorschriften ßr diese beengten Räume festlegen? UMGANG MIT TIEREN

30. a) Sollte (n) die Urkunde(n) vorsehen, daß die innerstaatliche Gesetzgebung Arbeitsschutzerfordernisse ßr den Umgang mit Tieren vorschreiben sollte? b) Wenn ja, sollte (n) die Urkunde (n) Mindestarbeitsschutzerfordemisse in Bereichen wie tierärztliche Kontrolle, Impßng, Schutzkleidung und Schutzausrüstung, Kontakt mit giftigen Tieren vorschreiben? SOZIALEINRICHTUNGEN UND UNTERKÜNFTE

31. a) Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß Unterkünfte und Sozialeinrichtungen, die der oder die Arbeitgeber den Arbeitnehmern in der Landwirtschaft zur Verßgung stellen, den Sicherheits- und Gesundheitsnormen entsprechen sollten? b) Wenn ja, sollte (n) die Urkunde (n) die Mindestsicherheits- und Gesundheitserfordernisse festlegen ? c) Sollte(n) die Urkunde(n) auch vorsehen, daß die Arbeitgeber die Einrichtungen den Arbeitnehmern in der Landwirtschaft kostenlos zur Verßgung stellen sollten ? VERSICHERUNG GEGEN ARBEITSUNFÄLLE UND BERUFSKRANKHEITEN

32. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß ßr die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft ein System der Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, Invalidität und andere ähnliche Risiken gelten sollte, das einen Schutz bietet, der demjenigen, der Arbeitnehmern in Industriebetrieben gewährt wird, mindestens gleichwertig ist? 33. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß, soweit die wirtschaftlichen, sozialen und administrativen Verhältnisse es gestatten, ein besonderes Versicherungssystem ßr selbständig Erwerbstätige eingerichtet werden sollte, einschließlich Personen mit bescheidenen Mitteln, die ßr eigene Rechnung in der Landwirtschaft tätig sind6? INFORMATION UND AUSBILDUNG

34. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß der oder die Arbeitgeber sicherstellen sollten, daß:

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a) den Arbeitnehmern in der Landwirtschaft und ihren Vertretern kostenlos eine ausreichende und zweckmäßige Ausbildung und verständliche Weisungen hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der ihnen zugeteilten Arbeit erteilt werden? b) alle Sicherheitsanweisungen und alle erforderlichen Anleitungen für alle Arbeitnehmer und insbesondere für die neu eingestellten oder unerfahrenen Arbeitnehmer, die zu einer Arbeit eingeteilt werden, verständlich sind? c) die Unterlagen über gefährliche chemische Stoffe, die in der Landwirtschaft verwendet werden, und die Sicherheitsdatenblätter allen betroffenen Arbeitnehmern und ihren Vertretern zugänglich sind? V. Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer 35. Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und ihre Vertreter verpflichtet sind, zusammenzuarbeiten und die vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen einzuhalten, damit der oder die Arbeitgeber die ihnen durch die innerstaatliche Gesetzgebung auferlegten Pflichten und Verantwortlichkeiten erfüllen können? 36. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft das Recht haben, in Arbeitsschutzangelegenheiten informiert und konsultiert zu werden, gefährliche Arbeit abzulehnen, gemeinsam Arbeitsschutzvertreter auszuwählen und an Arbeitsplatzbesichtigungen teilzunehmen? SELBSTÄNDIG ERWERBSTÄTIGE

37. Sollte(n) die Urkunde(n) vorsehen, daß selbständig Erwerbstätige verpflichtet sein sollten, die vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen einzuhalten und in angemessener Weise für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit und für die anderer Personen Sorge zu tragen ? 38. a) Sollte (n) die Urkunde (n) vorsehen, daß die zuständige Stelle die Tätigkeit der Aufsichtsdienste in der Landwirtschaft auf die Unterstützung und entsprechende Beratung der selbständig Erwerbstätigen in Fragen der Arbeitsschutzmaßnahmen ausdehnen sollte, die zu treffen sind, um sich und ihre Mitarbeiter zu schützen? b) Wenn ja, sollte(n) die Urkunde(n) die Art der Unterstützung und Beratung vorschreiben, die geboten werden sollten? VI. Besondere Probleme 39. Weist die Gesetzgebung und Praxis in Ihrem Land Besonderheiten auf, die Ihrer Ansicht nach Schwierigkeiten bei der Durchführung der in diesem Fragebogen in Aussicht genommenen Urkunde(n) hervorrufen könnten?

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Wenn ja, aufweiche Weise könnten Ihrer Ansicht nach diese Schwierigkeiten überwunden werden? 40. (Nur für Bundesstaaten) Wären Ihrer Ansicht nach im Fall der Annahme der Urkunde(n) in bezug auf den Gegenstand Bundesmaßnahmen oder hinsichtlich aller oder bestimmter Punkte Maßnahmen der Gliedstaaten angezeigt? 41. Gibt es Ihrer Ansicht nach andere einschlägige Probleme, die im vorliegenden Fragebogen nicht erfaßt sind, die aber bei der Abfassung der Urkunde(n) berücksichtigt werden sollten? Wenn ja, geben Sie diese Probleme bitte an.

Anmerkungen ' Siehe Anhang I. 2

Siehe Anhang II.

3

Siehe IAO-Definition der Landwirtschaft in Kap. II.

4

Nach der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis.

5

Siehe Kap. III.

6

Siehe Empfehlung Nr. 121.

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ANHANG I Seit 1919 angenommene Übereinkommen und Empfehlungen der IAO, die für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft von unmittelbarer Bedeutung sind 1.

Übereinkommen (Nr. 110) über die Plantagenarbeit, 1958, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 110). 2. Übereinkommen (Nr. 119) über den Maschinenschutz, 1963, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 118). 3. Übereinkommen (Nr. 121) über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, 1964, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 121) [Tabelle I 1980 abgeändert]. 4. Übereinkommen (Nr. 127) über die höchstzulässige Traglast, 1967, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 128). 5. Übereinkommen (Nr. 129) über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 133). 6. Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter, 1973, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 146). 7. Übereinkommen (Nr. 139) über Berufskrebs, 1974, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 147). 8. Übereinkommen (Nr. 148) über die Arbeitsumwelt (Luftverunreinigung, Lärm und Vibrationen), 1977, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 156). 9. Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 164). 10. Übereinkommen (Nr. 161) über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 171). 11. Übereinkommen (Nr. 167) über den Arbeitsschutz im Bauwesen, 1988, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 175). 12. Übereinkommen (Nr. 170) über chemische Stoffe, 1990, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 177).

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Ratifikationen der Übereinkommen der IAO, die für den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft von unmittelbarer Bedeutung sind Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Ü. 110 Übereinkommen über die Plantagenarbeit, 1958 [und Protokoll, 1982]

Cöte d'Ivoire; Ecuador; Guatemala; Kuba; Mexiko; Nicaragua; Panama; Philippinen; Sri Lanka; Uruguay.

10

Ü. 119 Übereinkommen über den Maschinenschutz, 1963

Algerien; Aserbaidschan; Belarus; Bosnien-Herzegowina; Brasilien; Dänemark; Demokratische Republik Kongo; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Dominikanische Republik; Ecuador; Finnland; Ghana; Guatemala; Guinea; Irak; Italien; Japan; Jordanien; Jugoslawien; Kirgistan; Kongo; Kroatien; Kuwait; Lettland; Madagaskar; Malaysia; Malta; Marokko; Nicaragua; Niger; Norwegen; Panama; Paraguay; Polen; Russische Föderation; San Marino; Schweden; Schweiz; Sierra Leone; Slowenien; Spanien; Arabische Republik Syrien; Tadschikistan; Tunesien; Türkei; Ukraine; Uruguay; Zentralafrikanische Republik; Zypern.

49

Ü. 121 Übereinkommen über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, 1964 [Tabelle I 1980 abgeändert]

Belgien; Bolivien; BosnienHerzegowina; Demokratische Republik Kongo; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Ecuador; Finnland; Guinea; Irland; Japan; Jugoslawien; Kroatien; Libysch-Arabische Dschamahirija; Luxemburg; Niederlande; Schweden; Senegal; Slowenien; Uruguay; Venezuela; Zypern.

22

10-17A.G98

111

Anhang I Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Ü. 127 Übereinkommen über die höchstzulässige Traglast, 1967

Algerien; Brasilien; Bulgarien; Chile; Costa Rica; Ecuador; Frankreich; Guatemala; Italien; Libanon; Litauen; Madagaskar; Malta; Republik Moldau; Nicaragua; Panama; Polen; Portugal; Rumänien; Spanien; Thailand; Tunesien; Türkei; Ungarn; Venezuela.

25

Ü. 129 Übereinkommen über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969

Argentinien; Belgien; Bolivien; Bosnien-Herzegowina; Burkina Faso; Costa Rica; Cöte d'Ivoire; Dänemark; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; El Salvador; Finnland; Frankreich; Guatemala; Guyana; Italien; Jugoslawien; Kenia; Kolumbien; Kroatien; Lettland; Madagaskar; Malawi; Malta; Marokko; Republik Moldau; Niederlande; Norwegen; Polen; Portugal; Rumänien; Schweden; Simbabwe; Slowenien; Spanien; Arabische Republik Syrien; Ungarn; Uruguay.

38

Ü. 138 Übereinkommen über das Mindestalter, 1973

Albanien; Algerien; Antigua und Barbuda; Aquatorialguinea; Argentinien; Aserbaidschan; Belarus; Belgien; Bolivien; Bosnien-Herzegowina; Botsuana; Bulgarien; Costa Rica; Dänemark; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Dominica; El Salvador; Finnland; Frankreich; Georgien; Griechenland; Guatemala; Guyana; Honduras; Irak; Irland; Israel; Italien; Jordanien; Jugoslawien; Kenia; Kirgistan; Kroatien; Kuba;

63

10-17A.G98

112

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Libysch-Arabische Dschamahirija; Luxemburg; Malaysia; Malta; Mauritius; Nepal; Nicaragua; Niederlande; Niger; Norwegen; Philippinen; Polen; Ruanda; Rumänien; Russische Föderation; Sambia; San Marino; Schweden; Slowakei; Slowenien; Spanien; Tadschikistan; Togo; Tunesien; Ukraine; Uruguay; Venezuela; Zypern. Ü. 139 Übereinkommen über Berufskrebs, 1974

Afghanistan; Ägypten; Argentinien; Belgien; BosnienHerzegowina; Brasilien; Dänemark; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Ecuador; Finnland; Frankreich; Guinea; Guyana; Irak; Irland; Island; Italien; Japan; Jugoslawien; Kroatien; Nicaragua; Norwegen; Peru; Schweden; Schweiz; Slowakei; Slowenien; Arabische Republik Syrien; Tschechische Republik; Ungarn; Uruguay; Venezuela.

33

Ü. 148 Übereinkommen über die Arbeitsumwelt (Luftverunreinigung, Lärm und Vibrationen), 1977

Ägypten; Aserbaidschan; Belgien; Bosnien-Herzegowina; Brasilien; Costa Rica; Dänemark; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Ecuador; Finnland; Frankreich; Ghana; Guatemala; Guinea; Irak; Italien; Jugoslawien; Kasachstan; Kirgistan; Kroatien; Kuba; LettlandjMalta; Niger; Norwegen; Portugal; Russische Föderation; Sambia; San Marino; Schweden; Slowakei;Slowenien; Spanien;

40

113

Anhang I Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Tadschikistan; Tschechische Republik; Vereinigte Republik Tansania; Ungarn; Uruguay; Vereinigtes Königreich. Ü. 155 Übereinkommen über den Arbeitsschutz, 1981

Äthiopien; BosnienHerzegowina; Brasilien; Dänemark; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Finnland; Irland; Island; Jugoslawien; Kasachstan; Kroatien; Kuba; Lettland; Mexiko; Mongolei; Niederlande; Nigeria; Norwegen; Portugal; Schweden; Slowakei; Slowenien; Spanien; Tschechische Republik; Ungarn; Uruguay; Venezuela; Vietnam; Zypern.

29

Ü. 161 Übereinkommen über die betriebsärztlichen Dienste, 1985

Bosnien-Herzegowina; Brasilien; Burkina Faso; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Finnland; Guatemala; Jugoslawien; Kroatien; Mexiko; San Marino; Schweden; Slowakei; Slowenien; Tschechische Republik; Ungarn; Uruguay.

17

Ü. 167 Übereinkommen über den Arbeitsschutz im Bauwesen, 1988

Dänemark; Deutschland; Dominikanische Republik; Finnland; Guatemala; Irak; Kolumbien; Lesotho; Mexiko; Norwegen; Schweden; Slowakei; Tschechische Republik; Ungarn.

14

Ü. 170 Übereinkommen über chemische Stoffe, 1990

Brasilien; Burkina Faso; China; Kolumbien; Mexiko; Norwegen; Schweden.

7

10-17A.G98

ANHANG II Weitere seit 1919 angenommene Übereinkommen und Empfehlungen der IAO, die für die Landwirtschaft von Bedeutung sind 1. 2.

Übereinkommen (Nr. 11) über das Vereinigungsrecht (Landwirtschaft), 1921. Übereinkommen (Nr. 12) über die Entschädigimg bei Betriebsunfällen (Landwirtschaft), 1921'. Empfehlung (Nr. 11) betreffend Arbeitslosigkeit (Landwirtschaft), 1921. Empfehlung (Nr. 16) betreffend Unterkunftsbedingungen (Landwirtschaft), 1921. Empfehlung (Nr. 17) betreffend die Sozialversicherung (Landwirtschaft), 1921. Übereinkommen (Nr. 97) über Wanderarbeiter (Neufassung), 1949, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 86). Übereinkommen (Nr. 99) über die Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen (Landwirtschaft), 1951, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 89). Übereinkommen (Nr. 101) über den bezahlten Urlaub (Landwirtschaft), 1952, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 93). Übereinkommen (Nr. 103) über den Mutterschutz (Neufassung), 1952, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 95). Empfehlung (Nr. 100) betreffend den Schutz der Wanderarbeiter (unterentwickelte Länder), 1955. Empfehlung (Nr. 127) betreffend die Genossenschaften (Entwicklungsländer), 1966. Empfehlung (Nr. 132) betreffend Pächter und Teilpächter, 1968. Übereinkommen (Nr. 130) über ärztliche Betreuung und Krankengeld, 1969, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 134). Übereinkommen (Nr. 141) über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte, 1975, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 149). Übereinkommen (Nr. 142) über die Erschließung des Arbeitskräftepotentials, 1975, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 150). Übereinkommen (N. 160) über Arbeitsstatistiken, 1985, und seine zugehörige Empfehlung (Nr. 170). Übereinkommen (Nr. 169) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker, 1989.

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

1

Die meisten seiner Bestimmungen sind in das Ü. 110 einbezogen worden. 10-17A.G98

Anhang II

115

Ratifikationen der seit 1919 angenommenen weiteren Übereinkommen der IAO, die für die Landwirtschaft von Bedeutung sind Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Ü. 11 Übereinkommen über das Vereinigungsrecht (Landwirtschaft), 1921

Ägypten; Albanien; Algerien; 118 Antigua und Barbuda; Argentinien; Aserbaidschan; Äthiopien; Australien; Bahamas; Bangladesch; Barbados; Belarus; Belgien; Belize; Benin; BosnienHerzegowina; Brasilien; Bulgarien; Burkina Faso; Burundi; Chile; China; Costa Rica; Cöte d'Ivoire; Dänemark; Demokratische Republik Kongo; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Dominica; Dschibuti; Ecuador; Estland; Fidschi; Finnland; Frankreich; Gabun; Ghana; Grenada; Griechenland; Guatemala; Guinea; Guyana; Indien; Irak; Irland; Island; Italien; Jamaika; Jugoslawien; Kamerun; Kenia; Kirgistan; Kolumbien; Komoren; Kongo; Kroatien; Kuba; Lesotho; Lettland; Litauen; Luxemburg; Madagaskar; Malawi; Malaysia; Mali; Malta; Marokko; Mauretanien; Mauritius; Mexiko; Mosambik; Myanmar; Neuseeland; Nicaragua; Niederlande; Niger; Nigeria; Norwegen; Österreich; Pakistan; Panama; Papua-Neuguinea; Paraguay; Peru; Polen; Portugal; Ruanda; Rumänien; Russische Föderation; Saint Lucia; Salomon-Inseln; Sambia; Schweden; Schweiz; Senegal; Seschellen; Singapur; Slowakei; Slowenien; Spanien; |

10-17A.G98

Anzahl der Ratifikationen

116

A rbeitsschutz in der Landwirtschaft

Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Sri Lanka; Surinam; Swasiland; Arabische Republik Syrien; Tadschikistan; Vereinigte Republik Tansania;Togo; Tschad; Tschechische Republik; Tunesien; Türkei; Uganda; Ukraine; Uruguay; Venezuela; Vereinigtes Königreich; Zentralafrikanische Republik; Zypern. Ü. 12 Übereinkommen über die Entschädigung bei Betriebsunfällen (Landwirtschaft), 1921

Angola; Antigua und Barbuda; Argentinien; Australien; Bahamas; Barbados; Belgien; Belize; Bosnien-Herzegowina; Brasilien; Bulgarien; Burundi; Chile; Dänemark; Demokratische Republik Kongo; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Dominica; Dschibuti; El Salvador; Estland; Fidschi; Finnland; Frankreich; Gabun; Grenada; Guinea-Bissau; Guyana; Haiti; Irland; Italien; Jugoslawien; Kenia; Kolumbien; Komoren; Kroatien; Kuba; Lettland; Luxemburg; Madagaskar; Malawi; Malaysia; Malta; Marokko; Mauritius; Mexiko; Neuseeland; Niederlande; Nicaragua; Norwegen; Österreich; Panama; PapuaNeuguinea; Peru; Polen; Portugal; Ruanda; Saint Lucia; Salomon-Inseln; Sambia; Schweden; Senegal; Singapur; Slowakei; Slowenien; Spanien; Swasiland; Vereinigte Republik Tansania; Tunesien; Uganda; Ungarn; Tschechische Republik; Vereinigtes Königreich.

73

117

Anhang II Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Ü. 97 Übereinkommen über Wanderarbeiter (Neufassung), 1949

Algerien; Bahamas; Barbados; Belgien; Belize; BosnienHerzegowina; Brasilien; Burkina Faso; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Dominica; Ecuador; Frankreich; Grenada; Guatemala; Guyana; Israel; Italien; Jamaika; Jugoslawien; Kamerun; Kenia; Kuba; Malawi; Malaysia; Mauritius; Neuseeland; Niederlande; Nigeria; Norwegen; Portugal; Saint Lucia; Sambia; Slowenien; Spanien; Vereinigte Republik Tansania (Sansibar); Trinidad und Tobago; Uruguay; Venezuela; Vereinigtes Königreich; Zypern.

41

Ü. 99 Übereinkommen über die Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen (Landwirtschaft), 1951

Algerien; Australien; Belgien; Belize; Brasilien; Costa Rica; Cöte d'Ivoire; Deutschland; Dschibuti; El Salvador; Frankreich; Gabun; Grenada; Guatemala; Guinea; Irland; Italien; Kamerun; Kenia; Kolumbien; Komoren; Kuba; Malawi; Malta; Marokko; Mauritius; Mexiko; Neuseeland; Niederlande; Österreich; Papua-Neuguinea; Paraguay; Peru; Philippinen; Polen; Sambia; Senegal; Seschellen; Sierra Leone; Simbabwe; Slowakei; Spanien; Sri Lanka; Swasiland; Arabische Republik Syrien; Tschechische Republik; Tunesien; Türkei; Ungarn; Uruguay; Zentralafrikanische Republik.

51

10-17A.G98

118

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Ü. 101 Übereinkommen über den bezahlten Urlaub (Landwirtschaft), 1952

Ägypten; Algerien; Antigua und Barbuda; Barbados; Belgien; Belize; Brasilien; Burundi; Costa Rica; Dschibuti; Ecuador; Frankreich; Gabun; Guatemala; Israel; Kolumbien; Komoren; Kuba; Marokko; Mauretanien; Neuseeland; Niederlande; Österreich; Paraguay; Peru; Polen: Saint Lucia; Senegal; Sierra Leone; Spanien; Surinam; Swasiland; Arabische Republik Syrien; Vereinigte Republik Tansania (Tanganjika); Ungarn; Zentralafrikanische Republik.

36

Ü. 103 Übereinkommen über den Mutterschutz (Neufassung), 1952

Äquatorialguinea; Aserbaidschan; Belarus; Bolivien; BosnienHerzegowina; Brasilien; Chile; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Ecuador; Ghana; Griechenland; Guatemala; Italien; Jugoslawien; Kirgistan; Kroatien; Kuba; LibyschArabische Dschamahirija; Luxemburg; Republik Moldau; Mongolei; Niederlande; Österreich; Polen; Portugal; Russische Föderation; Sambia; Slowenien; Spanien; Sri Lanka; Tadschikistan; Ukraine; Ungarn; Uruguay; Usbekistan.

35

Ü. 130 Übereinkommen über ärztliche Betreuung und Krankengeld, 1969

Bolivien; Costa Rica; Dänemark; Deutschland; Ecuador; Finnland; LibyschArabische Dschamahirija; Luxemburg; Norwegen; Slowakei; Schweden; Tschechische Republik; Uruguay; Venezuela.

14

10-17A.G98

119

Anhang II Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Ü. 141 Übereinkommen über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte, 1975

Afghanistan; Brasilien; Burkina Faso; Costa Rica; Dänemark; Deutschland; Ecuador; El Salvador; Finnland; Frankreich; Griechenland; Guatemala; Guyana; Indien; Israel; Italien; Kenia; Kuba; Mali; Malta; Mexiko; Nicaragua; Niederlande; Norwegen; Österreich; Philippinen; Polen; Sambia; Schweden; Schweiz; Spanien; Ungarn; Uruguay; Venezuela; Vereinigtes Königreich; Zypern.

36

Ü. 142 Übereinkommen über die Erschließung des Arbeitskräftepotentials, 1975

Afghanistan; Ägypten, Algerien; Argentinien; Aserbaidschan; Australien; Belarus; Bosnien-Herzegowina; Brasilien; Dänemark; Deutschland; die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien; Ecuador; El Salvador; Finnland; Frankreich; Georgien; Griechenland; Guinea; Guyana; Irak; Irland; Israel; Italien; Japan; Jordanien; Jugoslawien; Kenia; Kirgistan; Republik Korea; Kuba; Lettland; Litauen; Mexiko; Nicaragua; Niederlande; Niger; Norwegen; Österreich; Polen; Portugal; Russische Föderation; San Marino; Schweden; Schweiz; Slowakei; Slowenien; Spanien; Tadschikistan; Vereinigte Republik Tansania; Tschechische Republik; Tunesien; Türkei; Ukraine; Ungarn; Venezuela; Vereinigtes Königreich; Zypern.

58

10-17A.G98

120

Arbeitsschutz in der Landwirtschaft

Übereinkommen

Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben (bis Juni 1998)

Anzahl der Ratifikationen

Ü. 160 Übereinkommen über Arbeitsstatistiken, 1985

Aserbaidschan; Australien; Belarus; Bolivien; Brasilien; Dänemark; Deutschland; El Salvador; Finnland; Griechenland; Guatemala; Indien; Irland; Italien; Kanada; Kirgistan; Kolumbien; Republik Korea; Lettland; Marokko; Mauritius; Mexiko; Niederlande; Norwegen; Österreich; Panama; Polen; Portugal; Russische Föderation; San Marino; Schweden; Schweiz; Slowakei; Spanien; Sri Lanka; Swasiland; Tadschikistan; Tschechische Republik; Ukraine; Vereinigte Staaten; Vereinigtes Königreich; Zypern.

42

Ü. 169 Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker, 1989

Bolivien; Costa Rica; Dänemark; Guatemala; Honduras; Kolumbien; Mexiko; Niederlande; Paraguay; Peru.

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