Anwendung der Hafen City-Klausel des Hamburger Leitfadens in Berlin?

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt – 10707 Berlin IIC32 Bearbeiterin Fr. Neidenberger / Fr. Beck Zeichen Bezirksamt (alle) von Berlin...
Author: Mathias Otto
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Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt – 10707 Berlin

IIC32

Bearbeiterin Fr. Neidenberger / Fr. Beck Zeichen

Bezirksamt (alle) von Berlin

- Stadtplanung -

IIC15/IIC32-6142/ Muster-TF 5.10

Dienstgebäude: Am Köllnischen Park 3 10179 Berlin-Mitte Zimmer Telefon Fax intern

35/33

030 9025–1388 030 9025–1226 (925)

Datum

12. Juni 2012

Rundschreiben-Nr. 1/2012

Anwendung der „Hafen City-Klausel“ des Hamburger Leitfadens in Berlin? Anlage: Fachliche Beurteilung der zuständigen Fachbehörde Abt. IX C Zunehmende Anfragen zur Anwendbarkeit des Lösungsansatzes des „Hamburger Leitfadens Lärm in der Bauleitplanung 2010“, insbesondere zur Anwendung der „HafenCity-Klausel“, führten in Abstimmung mit der zuständigen Fachbehörde zur nachfolgenden Prüfung, ob bzw. für welche speziellen Ausgangssituationen dieser Lösungsansatz in der Bauleitplanung in Berlin Anwendung finden könnte. Diese Anfragen wurden in den letzten Monaten in verschiedenen Vorgängen auch an die ehemalige Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz, jetzt IX C, in unserem Hause, herangetragen, so dass die diesbezüglich erarbeitete umfangreiche fachliche Stellungnahme als Anlage beigefügt wird. Die Stadt Hamburg empfiehlt folgende textliche Festsetzung („HafenCity-Klausel“): „Durch geeignete bauliche Schallschutzmaßnahmen wie z.B. Doppelfassaden, verglaste Vorbauten (z.B. verglaste Loggien, Wintergärten), besondere Fensterkonstruktionen oder in ihrer Wirkung vergleichbare Maßnahmen ist sicherzustellen, dass durch diese baulichen Maßnahmen insgesamt eine Schallpegeldifferenz erreicht wird, die es ermöglicht, dass in Schlafräumen ein Innenraumpegel bei teilgeöffneten Fenstern von 30 dB(A) während der Nachtzeit nicht überschritten wird. Erfolgt die bauliche Schallschutzmaßnahme in Form von verglasten Vorbauten, muss dieser Innenraumpegel bei teilgeöffneten Bauteilen erreicht werden. Wohn-/Schlafräume in Ein-Zimmer-Wohnungen und Kinderzimmer sind wie Schlafräume zu beurteilen.“ Dieser Lösungsansatz wurde anfänglich zur Bewältigung von Konflikten in der Hamburger Hafen-

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Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Seite 2 von 7 City entwickelt, der durch das Überschreiten der Nacht-Richtwerte durch Gewerbebetriebe ausgelöst wird. Der Lösungsansatz stellt auf die Gewährleistung verträglicher Innenraumpegel anstelle von Außenpegel ab, da die Außenwohnbereiche in der Regel nachts nicht genutzt werden. Inzwischen hat Hamburg die Anwendung der „HafenCity-Klausel“ auf die gesamte Stadt und auch auf Verkehrslärm ausgeweitet. Anzumerken ist zu dieser Hamburger Lösung, dass der Lösungsansatz durch verschiedene Maßnahmen, wie z.B. ein dinglich gesicherter Verzicht auf Abwehransprüche der Eigentümer gegen Einwirkungen und Beeinträchtigungen in Form von Immissionen und ein schalltechnisches Nachweisverfahren für teilgeöffnete Fenster, dass von der obersten Bauaufsichtsbehörde in Hamburg festgelegt wurde, flankiert wird, die nicht 1:1 auf andere Städte übertragbar sind. Zudem ist als Voraussetzung in der Abwägung darzulegen welche städtebaulichen Gründe vorliegen, die zur Ausweisung von Baugebieten auf Flächen mit hoher Vorbelastung führen. Konkret regelt der Lösungsansatz, dass durch bestimmte technische Maßnahmen die Einhaltung eines „Innenraumpegels“ bei teilgeöffneten Fenstern erreicht wird, um sowohl die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen wie auch dem Bedürfnis bei geöffnetem Fenster schlafen zu können, nachzukommen. Der Innenraumpegel wird auf der Grundlage der Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung begründet, der mit 25 bis 30 dB(A) den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entspricht. Nach Erkenntnissen der Lärmforscher wird diesem Erfordernis genüge getan, wenn der Innenpegel in Schlafräumen 30 dB(A) nicht übersteigt. Um diese Anforderungen zu erfüllen, darf der Tagpegel 65 dB(A) und der Nachtpegel 60 dB(A) nicht überschreiten. Der Innenraumpegel Ll wird im Hamburger Leitfaden definiert als: „A-bewerteter Innenschalldruckpegel (Langzeit-Mittelwert) in dB im zu beurteilenden Raum“. Als Rechtsgrundlage für die „Hafen City-Klausel“ wird auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB verwiesen. Es werden im Hamburger Leitfaden im sog. „Festsetzungsbaukasten“ noch weitere Klauseln ausgeführt, auf die hier allerdings nicht eingegangen wird. In Abstimmung mit der zuständigen Fachbehörde unseres Hauses wird folgende Vorgehensweise zur Frage der Anwendung der „Hafen City-Klausel“ für Gewerbe- und Verkehrslärm für Berlin empfohlen. 1. Keine Anwendung für Gewerbelärm Die Anwendung der „HafenCity-Klausel“ für Gewerbelärm wird generell nicht empfohlen, da fachliche und rechtliche Bedenken bestehen sowie die o. g. Rahmenbedingungen fehlen und die „HafenCity-Klausel“ daher nicht ohne weiteres auf Berlin übertragbar ist. Die TA Lärm, die für die Beurteilung von Gewerbebetrieben durch die zuständige Fachbehörde im Vollzug des BImSchG anzuwenden ist, sieht grundsätzlich keine Anwendung von passiven Schallschutzmaßnahmen vor. Daher kann im Rahmen der Konfliktbewältigung im Bebauungsplan nur indirekt durch das Abstellen auf Außenpegel, durch die Berücksichtigung des Trennungsgrundsatzes (§ 50 BImSchG), durch Abstände, Abschirmungen oder ähnliche Maßnahmen reagiert werden. Um die Vollziehbarkeit des Bebauungsplans zu gewährleisten und Gewerbebetriebe vor Unterlassungsansprüchen oder nachträglichen Anordnungen gem. § 17 BImSchG zu schützen, zwingen die starren Regelungen der TA Lärm dazu, in der Regel auf die Festsetzung von Innenraumpegel zu verzichten. In der TA Lärm ergibt sich der Wert aus der Einhaltung der maßgeblichen Richtwerte außerhalb der Gebäude zum Schutz des Gebäudeinneren, um bei angemessener Ausgestaltung der Außenbauteile und Fenster hinnehmbare Innenraumpegel zu erreichen, die zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse auch das störungsfreie Schlafen bei gekippten Fenster berücksichtigen, wobei von der typischen Pegeldifferenz zwischen Innen- und Außenraum eines gekippten Fensters von ca. 15 dB ausgegangen wird. Zudem werden auch die Außenwohnbereiche berücksichtigt.

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Seite 3 von 7 Eine Übertragung der „Hafen-City-Klausel“ auf Berlin schafft daher für den Gewerbelärm in der Regel keine Konfliktbewältigung, da der vorgegebene Innenraumpegel von LAeq = 30 dB(A) sich auf alle Lärmquellen bezieht und damit der besonderen Charakteristik von Gewerbelärm nicht Rechnung getragen wird. Bei Gewerbelärm wird die ungünstigste Nachtstunde zugrunde gelegt. Im Genehmigungsverfahren ist die inhaltliche Anpassungen der Vorgaben der TA Lärm an die Vorgaben der Bauleitplanung nur innerhalb der Öffnungs- oder Abweichungsklauseln der TA Lärm möglich.

2. Anwendung für Verkehrslärm: Lässt sich ein erforderlicher Schallschutz nicht dadurch erreichen, dass Außenschallpegel eingehalten werden, die geeignet sind, die Voraussetzungen für ein ungestörtes Wohnen zu schaffen, entspricht es dem Lärmschutzkonzept nach §§ 41 ff BImSchG, durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes Innenlärmpegel zu gewährleisten, die eine gegen unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen abgeschirmte Gebäudenutzung ermöglichen. (vgl. BVerwG, 17.5.1995-4NB 30/94) Eine textliche Festsetzung in Anlehnung an den Grundgedanken der „HafenCity-Klausel“ - hier allerdings nur bezogen auf eine Konkretisierung baulicher Maßnahmen durch den Bezug auf einen Beurteilungspegel zur Nachtzeit im Innenraum - wird für Verkehrslärm befürwortet und folgende textliche Festsetzung als Muster aufgenommen: 5.10

„Zum Schutz vor Lärm müssen in Wohnungen, die nur entlang der / des ..... Straße / Platzes orientiert sind in mindestens einem schutzbedürftigen Aufenthaltsraum (bei Wohnungen mit bis zu zwei Aufenthaltsräumen) bzw. mindestens der Hälfte der schutzbedürftigen Aufenthaltsräume (bei Wohnungen mit mehr als zwei Aufenthaltsräumen) durch / schallgedämmte Lüftungsmöglichkeiten / besondere Fensterkonstruktionen / oder bauliche Maßnahmen gleicher Wirkung an Außenbauteilen Schallpegeldifferenzen erreicht werden, die gewährleisten, dass ein Beurteilungspegel von 30 dB(A) während der Nachtzeit in / dem Raum / den Räumen / bei teilgeöffneten Fenster (wenn als Maßnahme besondere Fensterkonstruktionen gewählt wurden) / nicht überschritten wird.“ -

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Rechtsgrundlage § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB Anwendungsbereich Neuplanung: Festsetzung von Wohnungen deren Aufenthaltsräume ausschließlich entlang immissionsbelasteter Verkehrswege ausgerichtet sind und die Beurteilungspegel am Tag von 65 dB(A) einhalten sowie einen Beurteilungspegel von 60 dB(A) in der Nacht nicht überschreiten. Die Festsetzung ist nur in Betracht zu ziehen, wenn die Möglichkeiten einer Ausrichtung der Lüftungsmöglichkeiten von Aufenthaltsräumen in Wohnungen zur lärmabgewandten Seite ausgeschlossen sind. 30 dB(A) ergeben sich als Beurteilungspegel für die Nacht nach der 24. BImSchV für .Räume, die überwiegend zum Schlafen benutzt werden (schutzbedürftige Aufenthaltsräume) unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors (die 24. BImSchV bestimmt für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte der 16. BImSchV die an den betroffenen Gebäuden notwendigen Schallschutzmaßnahmen zur Gewährleistung von Innenraumpegeln entsprechend der Raumnutzung). Unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB müssen die Regelungen so normiert sein, dass durch bauliche oder sonstige technische Vorkehrungen konkrete Maßnahmen bestimmt werden – hier zur Vorgabe der Schalldämmwirkung zugunsten der Innenräume an stark befahrenen Straßen. Zur Konkretisierung dieser Maßnahmen können Immissionswerte herangezogen werden. (vgl. BVerwG, 30.1.2001-4 BN 55/05) In der Begründung ist darzulegen, dass die Bezugnahme auf einen Beurteilungspegel nur zur Konkretisierung der baulichen oder technischen Maßnahme an Bauelementen dient, da damit die Eigenschaft der zu verwendenden Baustoffe bestimmt werden kann.

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Es muss Gegenstand der Abwägung sein, dass die städtebaulichen Gründe, die zur Festsetzung dieser künftigen Nutzung führen, die Lärmvorbelastungen des Standorts überwiegen und aktive Schallschutzmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Ausgleichend sind Möglichkeiten der Lärmminderungen an anderer Stelle im Plangebiet zu berücksichtigen.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass in Berlin weiterhin davon ausgegangen wird, dass im Bebauungsplanverfahren bei Verkehrslärmbelastungen auf der Grundlage der Stellungnahme des bezirklichen Umweltamtes zuerst geprüft wird, ob bei passiven Schallschutzmaßnahmen die Anforderungen der DIN 4109, die nach der Einführung als technische Baubestimmungen als rechtlich verbindlich durch den Bauherrn einzuhaltende Mindestanforderung an den baulichen Schallschutz gelten, die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewährleisten können. Ergänzend kann zur Beurteilung auf die Berliner Lärmkarte in der jeweils gültigen Fassung zurück gegriffen werden. Auf eine Lärmminderung durch geeignete Anordnung der Baukörper wird in diesem Zusammenhang hingewiesen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, ist eine weitergehende Einschränkung des Eigentümers im Bebauungsplan in der Regel auf der Grundlage eines Gutachtens festzusetzen. Solche weitergehenden Maßnahmen sind eine Vorgabe der Grundrissgestaltung oder andere bauliche Vorkehrungen wie Wintergärten, Doppelfassaden oder Laubengänge. Neben diesen genannten bisherigen Lösungen wird als weitere Maßnahme eine Regelung entsprechend der textlichen Festsetzung 5.10 empfohlen. Abweichend von der Hamburger Lösung werden hier jedoch zur Konkretisierung der Maßnahmen von der zuständigen Fachbehörde unseres Hauses Beurteilungspegel nach der 24. BImSchV herangezogen. Der Schutz der Außenwohnbereiche ist in der Abwägung zu beachten. Ergänzend wird auf die Lärmminderungsplanung für Berlin als eine von der Gemeinde beschlossene sonstige städtebauliche Planung (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB), die in der Bauleitplanung zu beachten ist, hingewiesen. Für Berlin wurden im Rahmen der Lärmaktionsplanung im Übrigen die gesundheitsrelevanten Schwellenwerte von 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts als Zielwerte für die Lärmminderungsplanung festgelegt. Im Auftrag

Köhler

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Seite 5 von 7

Anlage Fachliche Beurteilung der zuständigen Fachbehörde Abt. IX C zur Prüfung der Anwendbarkeit des Lösungsansatzes des „Hamburger Leitfadens Lärm in der Bauleitplanung 2010“ in Berlin

Durch die Umwelt- und Stadtentwicklungsämter wurden in den letzten Monaten verschiedene Vorgänge an Ihre und meine Verwaltung herangetragen, bei denen die vorhandenen Probleme im Bezug auf den Immissionsschutz unter Berücksichtigung der Ausführungen des „Hamburger Leitfaden Lärm in der Bauleitplanung 2010“ gelöst werden sollen. Diese Fälle dokumentieren, dass auch in Berlin Konfliktlagen vorhanden sind, die mit den derzeitig zu Verfügung stehenden Instrumentarien nicht oder nur mit Einschränkungen für alle Beteiligten zufriedenstellend bewältigt werden können. Allerdings ist zu klären, ob eine Umsetzung aus fachlicher und rechtlicher Sicht möglich ist. Dabei ist es erforderlich auf die verschiedenen Lärmquellen (Gewerbe, Sportanlagen und Verkehr) gesondert einzugehen, da der Hamburger Leitfaden sich als umfassendes Werk versteht und jede Quelle eine besondere Geräuschcharakteristik, eine unterschiedliche Akzeptanz bei den Betroffenen sowie ein eigenes Regelwerk besitzt. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Verkehrslärm und Gewerbe- sowie Sportlärm besteht darin, dass es für vorhandene Verkehrswege im Unterschied zu den beiden anderen Quellarten keine Begrenzung der von Ihnen ausgehenden zulässigen Geräuschimmissionen gibt. Aus diesem Grund wird passiver Lärmschutz von jeher nahezu ausschließlich nur bei Verkehrslärm ausgeführt. Gewerbelärm In Bezug auf den Gewerbelärm ist zunächst festzustellen, dass dem Grundgedanken - im Nachtzeitraum ist letztlich der Innenraumpegel resp. der Pegel am Ohr des Schläfers entscheidend aus hiesiger Sicht grundsätzlich gefolgt werden kann. Auch die in dem Leitfaden skizzierte Vorgehensweise für die Hamburger HafenCity mit den nachfolgend dargestellten spezifischen Voraussetzungen erscheint im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens für diesen speziellen Einzelfall denkbar: 1. Die gebietsbezogenen Immissionsrichtwerte sind im Tageszeitraum einzuhalten. 2. Bei Überschreitung des Nachtimmissionsrichtwerts werden die maximal zulässigen Immissionen des Gewerbelärms fest geschrieben (z. B. im Rahmen eines Bebauungsplans für die Gewerbeflächen mit Hilfe einer Geräuschkontingentierung nach DIN 45691). So werden hier die Rechte der Gewerbetreibenden geschützt. Dies hat zur Folge, dass bei künftigen Nutzungsänderungen oder Änderungen von Anlagen nach derzeitiger Einschätzung keine zusätzlichen Anforderungen an den Immissionsschutz erhoben werden. 3. Im Bebauungsplan wird festgesetzt, dass durch eine besondere Gestaltung der Fenster ein Innenraumpegel in Schlafräumen und Kinderzimmern von nicht größer als LAeq = 30 dB(A) bei gekippten Fenster erreicht wird. 4. Als flankierende Maßnahme kann eine beschränkt-persönliche Dienstbarkeit zur Duldung der Immissionsbelastung zur Vermeidung des Streit- und Klagepotenzials dienen. 5. Zwischen dem Wohngebiet und dem gewerblich genutzten Gebiet befindet sich die an der betroffenen Stelle die mehrere hundert Meter breite Elbe, so dass sichergestellt ist, dass eine große Anzahl von Quellen gleichzeitig einwirkt und so eine besondere Impuls-, Tonund Informationshaltigkeit durch Einzelgeräusche nicht auftreten kann. Letztlich führt diese Vorgehensweise für den Gewerbelärm dazu, dass vor dem geöffneten Fenster Überschreitungen des gebietsbezogenen Immissionsrichtwerts als Abwägungsergebnis des Bebauungsplans zugelassen werden. Einer gerichtlichen Überprüfung wurde diese Tatsache, nach meinem Erkenntnisstand, in Hamburg bisher noch nicht unterzogen.

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Seite 6 von 7 Die hier durchgeführte Prüfung kommt sowohl aus fachlicher als auch rechtlicher Sicht zu dem Ergebnis, dass nur in besonderen Konstellationen (z. B. große Quellgeometrie mit einer gewissen Vermischung der verschiedenen Lärmquellen) und dann auch nur unter Berücksichtigung aller Vorgaben sowie der hier geäußerten Anmerkungen eine Anwendbarkeit des Grundgedankens der Festsetzung von Innenpegeln für den Gewerbelärm möglich ist. Zu bedenken sind insbesondere folgende Punkte: a) Der Hamburger Leitfaden schafft für den Gewerbelärm in der Regel keine Konfliktbewältigung. Dabei fällt vor allem auf, dass ein Innenraumpegel von LAeq = 30 dB(A) festgelegt wird, dessen Höhe vor dem Hintergrund von Nr. 6.2 der TA Lärm (nachts zulässiger Innenpegel bei baulich verbundenen Anlagen 25 dB(A)) diskussionsbedürftig ist. Daneben fehlt es der gewählten Vorgehensweise an der für den Gewerbelärm (aufgrund der Geräuschcharakteristik) notwendigen Bandbreite. So wird vollständig auf die Festsetzung von Maximalpegeln verzichtet und es wird nicht auf die Impulshaltigkeit der Geräusche eingegangen. Danach dürfen nachts Spitzenpegel den Beurteilungspegel vor dem Fenster nach Nr. 6.1 der TA Lärm um 20 dB und innen nach Nr. 6.2 um maximal 10 dB überschreiten. Auch die Berücksichtigung der Ton- und Informationshaltigkeit der Geräusche sowie ein Hinweis auf die DIN 45680 fehlt gänzlich. b) Der vorgegebene Innenraumpegel von LAeq = 30 dB(A) bezieht sich auf alle Lärmquellen. Der Beurteilung von Gewerbelärm ist die ungünstigste Nachtstunde zugrunde zu legen. Auch wenn Ausgangspunkt der Bemessung der Außenbauteile in Hamburg der Beurteilungspegel vor dem Fenster nach der TA Lärm sein sollte, so ist dies den Festsetzungen in keiner Weise zu entnehmen. c) In einem sich anschließenden Genehmigungsverfahren für die benachbarten gewerblichen Anlagen sind inhaltliche Anpassungen der Vorgaben der TA Lärm an die Vorgaben der Bauleitplanung nur innerhalb der Öffnungs- oder Abweichungsklauseln der TA Lärm möglich (z. B. Gemengelage). Es finden sich hier allerdings nur wenige Ansatzpunkte um inhaltliche Konformität mit dem Hamburger Leitfaden herzuleiten. Es verbleiben daher bei den in der Regel abzuwägenden erheblichen Abweichungen von der TA Lärm Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bebauungspläne, da die bauleitplanerischen Vorgaben zum Schallschutz die Immissionsschutzbehörde nicht von den höherrangigen gesetzlichen Vorgaben entbinden. Dabei ist insbesondere auf § 48 BImSchG als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der TA Lärm hinzuweisen. Dieser beinhaltet keine zusätzliche Ermächtigung für den Erlass von Vorschriften über Art und Umfang der zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Anlagengeräusche notwendigen Schallschutzmaßnahmen an baulichen Anlagen (passiver Schallschutz). Deshalb sind die Immissionspegel, die 0,5 m vor dem geöffneten Fenster ermittelt werden, für die Beurteilung maßgebend. Es wird zusammenfassend empfohlen, in der Regel auf die Festsetzung von Innenraumpegeln für den Gewerbelärm zu verzichten auch wenn dies einer wünschenswerten Verdichtung der Bebauung entgegensteht. Nicht zielführend sind dabei insbesondere Ausführungen im Katalog der textliche Festsetzungen zum passiven Schallschutz, da eine stets nötige Sonderfallprüfung in jedem Falle eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich macht. Denkbar sind von den Vorgaben der TA Lärm abweichende Festlegungen allenfalls bei einer Geräuschsituation ähnlich der gegenüber dem Hamburger Hafen oder in Lagen, deren Immissionssituation durch Verkehrslärm bestimmt ist und somit auf eine weitgehende Überdeckung im Sinne der Nr. 3.2.1 der TA Lärm zurückgegriffen werden kann. Sportlärm Da Sportlärm zumeist tagsüber einwirkt, besteht das Problem nachts an der Wohnbebauung Immissionspegel tolerieren zu müssen, die die Immissionsrichtwerte der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) überschreiten nicht oder es kann im Rahmen von zeitlichen Ausnahmeregelungen bewältigt werden.

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Seite 7 von 7 Die Ausführungen in dem Hamburger Leitfaden zu den Anlagen, die unter den Anwendungsbereich 18. BImSchV fallen, können in der Praxis einen guten Anhaltspunkt für eine sachgerechte Planung liefern. Verkehrslärm: In Bezug auf den Verkehrslärm kommt die zuständige Fachbehörde zu dem Ergebnis, dass der Hamburger Leitfaden geeignete weitergehende Vorschläge enthält. Diese sind noch durch bauakustische Nachweismessungen (Machbarkeit) zu untersetzen. Ebenso ist auf der Ebene des Bauleitplanverfahrens eine Prüfung im Einzelfall erforderlich, die die Widerspruchsfreiheit mit den einschlägigen technischen Bauvorschriften des nachfolgenden Genehmigungsverfahrens belegt. Für den Verkehrslärm kommt eine Prüfung des Lösungsansatzes des Hamburger Leitfadens unter den folgenden Voraussetzungen im Abwägungsprozess der Bauleitplanung aus Sicht der zuständigen Fachbehörde in Betracht: a) für die Fälle, in denen die im Grundsatz geltenden Orientierungswerte aus Beiblatt 1 zur DIN 18005 „Schallschutz im Städtebau“ trotz Ausschöpfung aller planerischer Möglichkeiten nicht eingehalten werden können und b) die Fassadenpegel einen Mittelungspegel von 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts (Schwelle zur Gesundheitsbeeinträchtigung) nicht überschreiten und c) die Prüfung eine Widerspruchsfreiheit mit einschlägigen technischen Bauvorschriften des nachfolgenden Genehmigungsverfahrens ergibt.

Im Hamburger Leitfaden werden auch Vorschläge für die Berücksichtigung des Fluglärms in Bauleitplanung zusammengetragen. Hier ist darauf hinzuweisen, dass sich derzeit eine Leitlinie zur Beurteilung von Fluglärm (Hinweise zur Ermittlung von Planungszonen zur Siedlungsentwicklung an Flugplätzen im Geltungsbereich des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FlughafenFluglärm-Hinweise), LAI) in der Erarbeitung befindet. Ergänzend ist anzumerken, dass im Hamburger Leitfaden das planerisches Instrument der Umgebungslärmrichtlinie, die mit dem § 47a-f des BImSchG ins Deutsche Recht überführt wurde, die Aktionsplanung, unberücksichtigt gelassen wird. In Berlin enthält der Aktionsplan 2008 zahlreiche Maßnahmen, z. T. auch in feiner örtlicher Auflösung. Dieses Instrument wird hier in der Bauleitplanung genutzt, indem die für die Aufstellung der Aktionspläne zuständige Verwaltung als Träger öffentlicher Belange im Verfahren eingebunden ist.

Dr. Pischke

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