Antworten auf BMJV-Fragenkatalog

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Author: Anke Hausler
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BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V. Charlottenstr. 62 10117 Berlin Telefon: 030 2408779-0 Fax: 030 2408779-11 E-Mail: [email protected] www.biu-online.de

Antworten auf BMJV-Fragenkatalog

zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte vom 9. Dezember 2015 (2015/0287 (COD)) 19. Mai 2016

1. Zum Anwendungsbereich: Frage:

a) Was halten Sie davon, dass der RL-Entwurf eine weite Definition von „digitale Inhalte“ enthält, die gemäß Artikel 2 Nr. 1 Buchstaben b) und c) auch digitale Dienstleistungen (Cloud Computing, Soziale Netzwerke) mitumfasst? Antwort:

Der Begriff ist nach den Erwägungen der EU-Kommission bewusst weit gefasst, um mit dem schnellen technologischen Fortschritt mitzuhalten. Die weite Definition der „digitalen Inhalte“ sorgt hingegen für Anwendungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten, zumal zahlreiche Regelungen den Schluss nahe legen, dass hierbei in erster Linie an Soziale Netzwerke gedacht wurde.

Insgesamt verkennt der Richtlinienentwurf die Vielfalt digitaler Inhalte und wird zu großer Rechtsunsicherheit bei Verbrauchern und Unternehmen führen. So fallen unter den Anwendungsbereich der Richtlinie durch die „Bereitstellung“ von „digitalen Inhalten“ auch solche

Vertragstypen, für die bislang ein spezielles Nacherfüllungsrecht aus dem Kauf-, Werk- oder Miet-recht vorgesehen ist. Diese Differenzierung soll durch die Richtlinie nun aufgegeben werden. Die Produkte und Dienstleistungen, die unter den Begriff der „digitalen Inhalte“

fallen, weisen allerdings so weitreichende Unterschiede auf, dass die Rechtsfolgen bei Auftreten eines Man-gels nicht einheitlich geregelt werden können. Betrachtet man allein nur

die Computer- und Videospielbranche so gibt es bereits hier eine große Vielfalt von Geschäftsmodellen und Ange-boten, von auf Datenträgern vertriebenen Spielen, über Spiele als Download, per Download zur Verfügung gestellte Zusatzinhalte sogenannte DLCs, kostenlose Online- und Browserspiele oder auch kostenlose Spiele, sogenannte Free-to-

Playspiele in denen einzelne virtuelle Güter und Zusatzinhalte gekauft werden können oder auch Servicepakete und Updates zur Fehlerbehebung sogenannte Patches.

Ein einheitliches Mängelgewährleistungsrecht für digitale Inhalte in Art. 6 führt zu Konflikten mit der Verbraucherrechterichtlinie, welche nach Art. 3 Abs. 7 gerade vorrangige Geltung genießen soll. Die dort noch vorgenommene Differenzierung zwischen „digitalen Inhalten“

und Dienstleistungen führt dazu, dass ein und derselbe Vertrag unterschiedlichen Rechtsfolgen im Widerrufs- und Mängelgewährleistungsrecht unterliegt.

Es ergeben sich darüber hinaus aufgrund der Verwendung des Sammelbegriffs der „digitalen

Inhalte“ Ungereimtheiten insofern, dass bestimmte Kriterien, die zur Vertragsgemäßheit nach

dem objektiven Fehlerbegriff gem. Art. 6 erforderlich sind, auf die durch Art. 2 Nr. 1 lit. b) und c) erfassten Produkte und Dienstleistungen teilweise gar nicht sinnvoll angewendet werden können. Dies zeigt schon die Formulierung in Art. 6, wonach digitale Inhalte dann vertragsge-

mäß sind, wenn sie, „soweit dies relevant ist“, nachfolgende Kriterien erfüllen. Hierdurch soll

offenbar der Abgrenzungsproblematik des zu umfangreichen Begriffs der digitalen Inhalte Rechnung getragen werden. Erreicht wird aber hierdurch lediglich Rechtsunsicherheit, wann die Kriterien im Einzelfall tatsächlich als relevant angesehen werden können oder sollen.

Gerade für die Entwicklung von Computer- und Videospielen ist diese Rechtsunsicherheit ein

zusätzlicher Standortnachteil, der Investitionen in Deutschland und Europa verhindern würde. Schon heute findet der Großteil der Wertschöpfung in den USA, Kanada oder Asien statt und gerade die neuen, für den Verbraucher meist kostenfreien Angebote, die nur

aufgrund einer weltweiten Vermarktung profitabel sein können, brauchen Rechtssicherheit für die Entwicklung und Vermarktung ihrer Geschäftsmodelle. Frage:

b) Wie stehen Sie dazu, dass der RL-Entwurf auch Verträge miteinbezieht, bei denen der Ver-

braucher nicht mit Geld, sondern mit seinen personenbezogenen oder sonstigen Daten bezahlt? Halten Sie die Beschränkung auf die „aktive“ Hingabe von Daten gemäß Artikel 3 Absatz 1 (EG 14) für sinnvoll, praktikabel und ausreichend? Sehen Sie Probleme bei der

Ausnahme und Rück-ausnahme in Artikel 3 Absatz 4? Haben Sie Vorschläge für eine praktikable und sachgerechte Eingrenzung bei der Einbeziehung von Daten als Gegenleistung? Antwort:

Die hier vorgesehene Regelung ist nicht zielführend und in der Praxis nicht umsetzbar, hier

stößt die Konzeption des Richtlinienentwurfs, die sehr stark auf Soziale Netzwerke zugeschnitten ist, an ihre Grenzen und wird der Vielfalt digitaler Inhalte nicht gerecht.. Die Beschränkung

der Gegenleistung des Verbrauchers auf die „aktive“ Hingabe von (personenbezogenen) Daten führt zu massiven Abgrenzungsproblemen. Die Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle von

Computerspielen

erlaubt

keine

einheitliche

Beurteilung,

ob

die

Angabe

(personenbezogener) Daten als Hauptleistungspflicht des Verbrauchers beurteilt werden kann. Zudem findet die Tat-sache, dass einige Spiele ohne die Zurverfügungstellung

entsprechender Daten gar nicht funk-tionieren können, keine Berücksichtigung. In der Regel

werden bei Spielen Daten nicht zur kommerziellen Nutzung erhoben, sondern um dem Spieler ein optimales Spielerlebnis zu ermög-lichen.

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Unklar ist auch, was gelten soll, wenn Daten erhoben werden, um gesetzlichen Anforderungen

zu genügen, die Erhebung aber zugleich der Vertragserfüllung oder Durchführung von Werbung dient. Es bleibt unklar, ob es dann auf den Hauptzweck der Datenerhebung

ankommen soll oder ob die findet Richtlinie bei Datenerhebungen zu unterschiedlichen Zwecken stets Anwen-dung kommen soll.

Die in Art. 3 Abs. 4 vorgesehene Ausnahme von Daten „deren Verarbeitung für die Erfüllung des Vertrages oder die Erfüllung rechtlicher Anforderungen unbedingt erforderlich sind“, ist

bei der Beantwortung der Frage wenig hilfreich und trägt zu Abgrenzungsschwierigkeiten bei. Es bleibt ungeklärt, welche Arten von Daten hiervon umfasst sein sollen. Im Übrigen ist in der

Da-tenschutz-Grundverordnung ein Koppelungsverbot vorgesehen, das überschießende

Datener-hebungen verbietet, so dass nach Inkrafttreten dieser Verordnung nur noch solche Daten erho-ben werden dürfen, die für die in Art. 3 Abs. 4 genannten Zwecke erforderlich sind. Insofern wäre die hier vorgesehene Regelung ohnehin überholt.

Zudem besteht das grundsätzliche Problem, dass sich der Wert der personenbezogenen Daten

für den Anbieter nicht zuverlässig bestimmen lässt, insbesondere wenn der Verbraucher seine Einwilligung in die Verwendung seiner Daten später widerruft. Außerdem ist offen, ob

Datener-hebungen in Form einer synallagmatischen Gegenleistung zur Hauptleistungspflicht werden, so dass bei einem Widerruf das Vertragsverhältnis ebenfalls enden könnte.

Solche Unsicherheiten bereiten erhebliche Rechtsunsicherheiten und Unwägbarkeiten für die

Computer- und Videospielindustrie, was letztlich dazu führen könnte, dass die kostenintensive Entwicklung von Spielen abnehmen oder (gerade bei kostenlosen Spielen) gänzlich eingestellt wird.

Frage:

c) In bewegliche Sachen integrierte digitale Inhalte (z.B. Smartphones, Tablets, Wearables

und „Internet of Things“ Produkte) werden gemäß EG 11 vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus-geschlossen und sollen unter die Richtlinie für Online-/Fernabsatzkäufe fallen. Halten Sie die strikte Trennung von analoger und digitaler Welt für sachgerecht und

zukunftstauglich? Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei der technischen und rechtlichen

Abgrenzung? Haben Sie einen anderen Vorschlag, wie integrierte digitale Inhalte handzuhaben sind?

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Antwort:

Die Richtlinie soll nach Erwägungsgrund 11 nicht für digitale Inhalte gelten, die derart in einer

Ware integriert sind, dass sie fester Bestandteil der Ware sind und ihre Funktionen den Hauptfunktionen der Ware untergeordnet sind.

Auch an dieser Stelle lässt sich eine klare Abgrenzung, wann ein digitaler Inhalt einen „festen

Bestandteil“ einer Ware darstellt, der Richtlinie nicht entnehmen. Wann die Funktionen des digitalen Inhalts den „Hauptfunktion“ des Produkts „untergeordnet“ sind, bleibt unklar und

ist somit als Abgrenzungskriterium kaum hilfreich. Als Beispiel sei bloß ein Fernseher mit

SmartTV-Funktion zu nennen. Die Funktion der Software ist u.a. der Abruf digitaler Inhalte aus dem Internet und deren Wiedergabe auf dem Gerät. Soll es für die Abgrenzung, ob die Software der Hauptfunktion des Fernsehgeräts „untergeordnet“ ist, etwa auf das Nutzerverhalten ankommen? Keine Unterordnung würde wohl dann vorliegen, wenn der

Verbraucher das Gerät hauptsächlich zum Streaming oder für Onlinespiele nutzt. Anders

müsste die Beurteilung ausfallen, wenn die Hauptnutzung im klassischen „Fernsehen“ über das Antennensignal liegt.

Das für den Ausschluss der Geltung der Richtlinie ins Feld geführte Kriterium der „Unterord-

nung“ des digitalen Inhalts innerhalb des Funktionsumfangs des Produkts ist mit Blick auf die technologisch schnell fortschreitende Produktentwicklung wenig hilfreich und führt lediglich zu weiterer Verwirrung auf Seiten der Verbraucher.

Digitale Inhalte, die in Produkten integriert sind, sollten deshalb generell von dem Anwendungsbereich

der

Richtlinie

ausgenommen

werden

und

der

Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bzw. der Richtlinie für Online-/Fernabsatzkäufe unterfallen.

Das Produkt sollte als körperlicher Gegenstand im Vordergrund stehen, sodass es kaum sachgerecht erscheint, es einer Richtlinie über digitale Inhalte zu unterwerfen. 2. Zum Fehlerbegriff: Frage:

a) Gemäß Artikel 6 Absatz 1 sind vorrangig die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien

im Rahmen der Bestimmung der Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte maßgeblich (subjektiver Fehlerbegriff). Der objektive Fehlerbegriff in Artikel 6 Absatz 2 gilt nur

subsidiär. Halten Sie die Einführung bestimmter objektiver Kriterien, die die digitalen

Inhalte stets erfüllen sollten, für not-wendig (z.B. hinsichtlich IT-Sicherheit und Interoperabilität)? Welche Kriterien könnten dies aus Ihrer Sicht sein?

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Antwort:

Ein subjektiver Fehlerbegriff ist aufgrund des umfassenden Begriffs der „digitalen Inhalte“ erforderlich und sollte beibehalten werden. Dem Anbieter muss die Möglichkeit offenstehen,

Zweck- und Leistungsbestimmungen über seinen digitalen Inhalt zu treffen und zum

Vertragsinhalt zu machen. Es muss im Verantwortungsbereich des Verbrauchers liegen,

anhand dieser Angaben selbst zu überprüfen, ob das Produkt für ihn geeignet ist und seinen Anforderungen gerecht wird.

Die Aufnahme bestimmter objektiver Kriterien, die die digitalen Inhalte stets zu erfüllen haben, erscheint aufgrund der Fülle unterschiedlichster Produktarten, die aufgrund der weiten

Definition unter die Richtlinie fallen, nicht sachgerecht und auch kaum in sinnvoller Weise möglich. Die Kriterien des digitalen Inhalts sind vielmehr anhand des Einzelfalles je nach Zweck und Funktionsweise individuell festzulegen.

Eine Abweichung vom Grundsatz der Privatautonomie ist zunächst eine Ausnahme, die begründet werden muss. Zu viele Ausnahmen erschweren nicht nur die Rechtsfindung zu

Lasten der Verbraucher, sondern führen letztendlich auch zu einem Zwei-Klassen-Recht mit zwei unter-schiedliche Rechtsordnungen für Verbraucher und Unternehmer. Frage:

b) In Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a) soll im Rahmen des objektiven Fehlerbegriffs

berücksichtigt werden, ob die digitalen Inhalte gegen Zahlung eines Preises oder gegen eine andere Gegenleis-tung als Geld bereitgestellt wurden. Halten Sie diese Differenzierung für sachgerecht? Würden Sie auch an anderen Stellen des Richtlinienentwurfs eine Differenzierung nach Art der Gegenleistung präferieren (zum Beispiel bei den Abhilfen)? Antwort:

Eine Differenzierung bzgl. der Gegenleistung des Verbrauchers im Rahmen des objektiven Fehlerbegriffs ist nicht geboten, weil schon die Anwendbarkeit der Richtlinie bei anderen Ge-

genleistungen als Geld nicht sachgerecht ist. Hilfsweise müsste zumindest die Differenzierung beibehalten werden.

Es stellt sich zum einen die Frage nach der Werthaltigkeit der Gegenleistung, die in anderer Form als Geld erbracht wird. Wie von der Richtlinie vorgesehen, kann die Gegenleistung des

Verbrauchers auch in der Bereitstellung (personenbezogener) Daten liegen. Es dürfte im Einzel-fall unwahrscheinlich sein, dass diese Daten dem Wert nach mit einer Geldzahlung 6

vergleichbar sind. Eine solche Gegenleistung eröffnet dem Anbieter lediglich die mittelbare Möglichkeit, mit diesen Daten Geld zu verdienen, indem er sie etwa für Werbezwecke einsetzt.

Ob tatsächlich erwähnenswerte Einnahmen erwirtschaftet werden können, ist auch dadurch bedingt, dass der Verbraucher seine Einwilligung zur Nutzung seiner Daten später nicht widerruft. Diese Unwägbarkeiten auf Seiten des Anbieters der digitalen Inhalte erfordern eine differenzierte Betrachtung des objektiven Fehlerbegriffs.

Den Anbieter dürfen im Fall einer nicht in einer Geldzahlung bestehenden Gegenleistung des Verbrauchers nicht die gleichen Pflichten treffen, wie bei einem klassischen Kaufgeschäft.

Deshalb sollte dieser Aspekt auch im Bereich der Abhilfe Berücksichtigung finden. Die Abhilfepflichten des Anbieters sollten bei Verträgen über digitale Inhalte, bei denen die Gegenleistung

des Verbrauchers nicht in einer Geldzahlung besteht, deutlich eingeschränkt werden. Es kann dem Anbieter von kostenlosen digitalen Spielen nicht zugemutet werden, umfassende und kostenintensive Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung durchzuführen. Die Risiken wären für den

Anbieter kaum überblickbar. Eine umfassende Abhilfepflicht würde wohl dazu führen, dass kostenlose Spiele künftig entweder vom Markt verschwinden oder kostenpflichtig werden. 3. Zur Haftung des Anbieters: Frage:

a) Der Richtlinienentwurf legt keinen Zeitraum fest, in dem der Anbieter für

Vertragswidrigkeiten haftbar gemacht werden sollte; die Mitgliedstaaten können gemäß EG 43 aber auf ihre nationalen Verjährungsvorschriften zurückgreifen. Welche Probleme sehen

Sie bei der zeitlich unbegrenzten Haftung? Wenn ein Zeitraum eingeführt werden sollte, wie

lang sollte dieser nach Ihrer Auffassung sein und an welchen Zeitpunkt sollte man für den Fristbeginn ansetzen (insbesondere im Hinblick auf dienstleistungsähnliche Verträge)? Antwort:

Eine zeitlich unbegrenzte Haftung des Anbieters nach Art. 6 im Zusammenspiel mit einer

unbefristeten Beweislastumkehr für Vertragswidrigkeiten nach Art. 7 ist für die Anbieter von Computer- und Videospielen sowie Anbieter von digitalen Inhalten im Allgemeinen unzumutbar und muss durch eine befristete Regelung ersetzt werden.

Eine Ungleichbehandlung mit anderen (nicht digitalen) Produkten ist nicht gerechtfertigt.

Eine unbefristete Haftung für Mängel an digitalen Inhalten kann nicht mit dem Argument begründet werden, diese unterlägen keinem Verschleiß. Diese Ansicht lässt unberücksichtigt,

dass digitale Inhalte zwar keinem Verschleiß im originären Sinne, jedoch durchaus einer 7

gewissen Alterung unterliegen. Eine Pflicht zur Wartung von digitalen Produkten zu schaffen, deren Weiterentwicklung nach dem Willen des Anbieters jedoch bereits eingestellt worden ist,

beispielsweise weil eine neue oder eine neue Konsolengeneration erschienen ist, kann dem

Anbieter nicht zugemutet werden. Eine solche Pflicht wäre nicht nur kostenträchtig, sondern ginge letzten Endes auch zu Lasten der Verbraucher. Denn solche Wartungskosten würden auf die Preise der digitalen Produkte schlicht aufgeschlagen. Zudem wird der Kreis der

Verbraucher, der von einer solchen Regelung profitieren würde, wohl überschaubar sein. Denn je älter ein digitales Produkt wird, desto mehr Verbraucher werden auf den jeweiligen

Nachfolger des Produkts umsteigen, um von dessen Neuerungen und Fehlerbehebungen profitieren zu können.

Ebenso wie körperliche Waren haben Computer- und Videospiele sowie digitale Produkte im Allgemeinen

eine

gewisse

Lebensdauer.

Eine

unterschiedliche

Behandlung

der

Gewährleistungsvorschriften ist daher weder geboten noch sinnvoll. Angesichts der auch bei digitalen Inhalten vorhandenen begrenzten Verwendungsdauer sollte sich bei der Länge der

Gewährleistungsfrist an den Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie orientiert werden. Diese ermöglicht den Mitgliedsstaaten eine Befristung der Gewährleistungsrechte des

Verbrauchers auf zwei Jahre. Eine längere Frist als zwei Jahre kann dem Anbieter unter Berücksichtigung des stetigen technischen Fortschritts und der Entwicklung neuer Spiele nicht aufgebürdet werden.

Die Richtlinie sollte die Gewährleistungsregelungen aber nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich verbindlich vorgeben. Das im Erwägungsgrund 43 vorgesehene Bestimmungsrecht der

Mitgliedsstaaten über die Dauer der Gewährleistungsfrist ist abzulehnen. Auf nationale Verjährungsvorschriften zurückzugreifen würde dem Ansatz der Richtlinie widersprechen, einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen schaffen zu wollen. Frage:

b) Gemäß Artikel 9 wird ein neues Konzept für eine Beweislastregel eingeführt: Was halten

Sie von der zeitlich unbegrenzten Beweislastumkehr auf den Anbieter in Absatz 1? Wenn man eine zeitliche Begrenzung einführen sollte, wie lang sollte die Frist nach Ihrer Auffassung sein und an welchen Zeitpunkt sollte man für den Fristbeginn ansetzen (insbesondere im Hinblick

auf dienst-leistungsähnliche Verträge)? Sehen Sie Probleme beim Nachweis hinsichtlich der digitalen Umge-bung des Verbrauchers durch den Anbieter nach Absatz 2? Wie stehen Sie zu der Mitwirkungs-pflicht des Verbrauchers nach Absatz 3, insbesondere vor dem Hintergrund

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der Praktikabilität und Rechtssicherheit? Sehen Sie eine Missbrauchsgefahr durch die Möglichkeit des „remote access“? Antwort:

Durch die dauerhafte Umkehrung der Beweislastregel wird die Haftung des Anbieters erheblich verschärft. Kann der Verbraucher das Vorliegen eines Mangels darlegen und beweisen, so hat der Anbieter während der gesamten Vertragslaufzeit für Abhilfe zu sorgen.

Die im Kaufrecht gesetzlich geregelte sechsmonatige Beweislastumkehr bietet dem

Verbraucher ein geeignetes Instrument, seine Rechte im Falle der Mangelhaftigkeit auszuüben. Diese Vorgaben sollten auch für den Erwerb digitaler Inhalte herangezogen werden. Eine befristete Beweislastumkehr bietet einen verhältnismäßigen Interessenausgleich

der Beteiligten. Die Computer- und Videospielbranche ist, auch auf Grund der stetigen

Anforderungen der Konsumenten nach Innovationen, extrem schnelllebig, der Lebenszyklus vieler Spiele ist entsprechend kurz. Diese Schnelllebigkeit erfordert Rechts- und Planungssicherheit des Anbieters, die nur mit einer Befristung der Beweislastumkehr erreicht

werden kann. Als Fristbeginn sollte hierbei zweckmäßigerweise auf die Bereitstellung des digitalen Inhalts abgestellt werden.

Dem Anbieter eines Spiels sind die Details der jeweiligen Systemumgebung des Verbrauchers

naturgemäß unbekannt. Dennoch legt Art. 9 Abs. 2 dem Anbieter die Beweislast dafür auf, die Inkompatibilität seines Produktes mit der digitalen Umgebung des Verbrauchers zu diagnosti-

zieren. Diese Regelung lässt unberücksichtigt, dass die Systemumgebung des Verbrauchers keine statische Plattform darstellt, sondern einem stetigen Wandel unterliegt, das gilt gleichermaßen für mobile Endgeräte wie auch PCs So wird der Verbraucher im Laufe der Zeit weitere,

von anderen Anbietern stammende digitale Inhalte installieren, die möglicherweise mit denen

des Anbieters inkompatibel sind und sich auf deren Funktionsfähigkeit negativ auswirken. Der

Nachweis, dass sein Produkt für die Inkompatibilität nicht verantwortlich ist, wird dem Anbieter in vielen Fällen gar nicht, oder nur mit erheblichem Aufwand möglich sein.

Die Beweislast des Anbieters bezüglich der Inkompatibilität der digitalen Umgebung des Verbrauchers ist daher weder sachgerecht noch zumutbar.

Die in Art. 9 Abs. 3 vorgesehene Obliegenheit des Verbrauchers, mit dem Anbieter im Falle

eines (vermeintlichen) Gewährleistungsfalles zu kooperieren, ist zwar begrüßenswert. Ausle-

gungsbedürftig sind aber der Umfang und die Intensität der Zusammenarbeit. Was soll die „Notwendigkeit der Feststellungen“ umfassen und wie weit soll sie reichen? Die vorgesehene 9

Beschränkung des „geringsten Eingriffs“ wird wohl durch die Rechtsprechung zu klären sein. Insoweit wird eine erhebliche Rechtsunsicherheit produziert.

Eine vollständige Übernahme der Systemumgebung des Verbrauchers mittels remote access dürfte wohl in den seltensten Fällen den geringsten, obgleich in den meisten Fällen den geeig-

netsten „Eingriff“ darstellen, zur Problemlösung beizutragen. Die wenigsten Verbraucher

werden mit diesem Instrumentarium vertraut und gewillt sein, dem Anbieter derart

umfangreichen Zugriff zu gewähren. Darüber hinaus ist eine derartige Hilfestellung für die Anbieter besonders zeit- und somit auch kostenintensiv.

Die mit remote access verbundenen umfangreichen Zugriffsrechte auf die Systemumgebung des Verbrauchers bieten zudem ein erhebliches Missbrauchspotenzial. Zwar dürfte das Risiko,

dass diese Rechte von seriösen Anbietern ausgenutzt werden, wohl als gering anzusehen sein.

Auch kann der Verbraucher nach der Übernahme seines Systems die Vorgänge üblicherweise an seinem Bildschirm verfolgen. Trotzdem kann er nicht unbedingt nachvollziehen, welche Arbeiten konkret durchgeführt werden. So könnten unbemerkt Spy- oder Malware auf sein

System übertragen werden. Hilfestellung per remote access sollte deshalb nicht in der Richtlinie vorgesehen werden.

Eine dauerhafte Umkehrung der Beweislastregel würde letztendlich auch innovative und

kundenorientierte Geschäftsmodelle schlechter stellen gegenüber dem Vertrieb von Computerspielen auf physischen Trägern, bei denen die Dauer auf 6 Monate beschränkt ist.

Eine solche Ungleichbehandlung ist weder rechtlich gerechtfertigt noch sollte sie politisch gewollt sein.

4. Zu den Abhilfen: Frage:

a) Was halten Sie von der Einführung eines sofortigen Vertragsbeendigungsrechts des Verbrau-chers für den Fall der nicht erfolgten Bereitstellung gemäß Artikel 11? Sehen Sie Probleme

bei

der

Vertragswidrigkeit?

Abgrenzung

zwischen

nicht

erfolgter

Bereitstellung

und

Antwort:

Art. 5 Abs. 2 verpflichtet den Anbieter nach Vertragsschluss zur sofortigen Bereitstellung des digitalen Inhalts, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Nach Art. 3 Abs. 3 gilt dies nicht für dauerhafte Datenträger mit digitalen Inhalten, wenn diese Datenträger

ausschließ-lich der Übermittlung digitaler Inhalte dienen. Erfasst werden sollen durch das 10

sofortige Vertragsbeendigungsrecht also offenbar solche digitalen Inhalte, die über das Internet zum Abruf bereitgestellt werden.

Eine sofortige Verfügbarkeit erscheint im Hinblick auf die Möglichkeit einer automatisierten Abwicklung des Erwerbsprozesses für den Verbraucher durchaus vorteilhaft. Digitale Inhalte

sind theoretisch sofort und unbegrenzt verfügbar. Zwar könnte man der Ansicht sein, dass es dem Anbieter wegen der „unendlichen“ Verfügbarkeit von digitalen Daten durchaus

zuzumuten sei, für eine sofortige Verfügbarkeit seiner digitalen Inhalte nach Vertragsschluss zu sorgen. Jedoch kann die sofortige Bereitstellung etwa wegen technischer Probleme

temporär nicht möglich sein. In Fällen wie diesem ist die Möglichkeit der sofortigen Vertragsbeendigung wegen nicht sofortiger Bereitstellung unverhältnismäßig. Nach dem

Grundsatz der Vertragstreue sollte es dem Verbraucher zunächst auferlegt werden, eine

angemessene Nachfrist zur Bereit-stellung des digitalen Inhalts zu setzen. Erst dann sollte er die Option haben, sich vom Vertrag zu lösen.

Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtslage bei körperlichen Gegenständen nach der

Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Eine abweichende Beurteilung bei digitalen Inhalten ist weder zielführend noch erforderlich.

Für die Abgrenzung zwischen nicht erfolgter Bereitstellung und Vertragswidrigkeit dürfte es

in Anlehnung an die Grundsätze des Kaufrechts auf den Erfüllungswillen des Anbieters ankommen. Will der Anbieter mit dem bereitgestellten digitalen Inhalt seiner vertraglichen

Pflicht nach-kommen und entspricht dieser Inhalt nicht der geschuldeten Leistung, so dürfte ein Fall der Vertragswidrigkeit vorliegen. Geht aus der Art und Weise oder den Umständen der Bereitstellung hingegen hervor, dass der Anbieter mit dem bereitgestellten digitalen Inhalt seiner Pflicht aus dem Vertrag nicht nachkommen will oder kann, dürfte die Bereitstellung im Sinne des Art. 5 als nicht erfolgt anzusehen sein. Frage:

b) Halten Sie die Sonderregelungen für die Rückabwicklung bezüglich (personenbezogener)

Daten, user-generated content, digitale Inhalte auf körperlichen Datenträgern und

unverkörperte digitale Inhalte gemäß Artikel 13 für praktikabel, sachgerecht und ausreichend? Antwort: 11



Rückabwicklung bezüglich (personenbezogener) Daten

Es entspricht zwar den allgemein geltenden Grundsätzen bei der Vertragsbeendigung, dass die Nutzungsmöglichkeiten an dem gegenseitig Erlangten entzogen werden. Jedoch ist die vollständige Untersagung der weiteren Nutzung der (personenbezogenen) Daten des

Verbrauchers nicht sachgerecht. Selbst wenn die Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Verbraucher nach Art. 3 Abs. 1 gerade als Gegenleistung zur Bereitstellung des

digitalen Inhalts erbracht werden kann, also wie eine Geldzahlung der Erfüllung des Vertrages

dient, ist hier auf-grund der Vielzahl der verschiedenen Arten personenbezogener Daten, deren unterschiedlichen Wertes sowie einer Vielzahl von zusätzlichen Voraussetzungen an eine umfassende Verwertung (wie z.B. die vorherige, ausdrückliche Einwilligung des Nutzers)

eine Differenzierung erforderlich. Personenbezogene Daten sind nicht unter allen Umständen hinsichtlich ihrer Werthaltigkeit und ihrer Verwertbarkeit mit einer Geldleistung vergleichbar. Demnach sollte den Anbieter nicht dieselbe Konsequenz im Falle einer Rückabwicklung treffen. 

Rückabwicklung bezüglich user-generated content

Art. 13 Abs. 2 lit. c. sieht bei Vertragsbeendigung vor, dass der Anbieter dem Verbraucher

technische Mittel zur Verfügung zu stellen hat, mit denen er die von ihm bereitgestellten

Inhalte und sonstige Daten in einem gebräuchlichen Datenformat wiedererlagen kann, die durch seine Nutzung der digitalen Inhalte hergestellt oder erzeugt worden sind.

Es stellt sich die Frage nach dem konkreten Nutzen dieser Regelung für den Verbraucher. Dies

dürfte wohl von der konkreten Art der genutzten digitalen Inhalte abhängen. Erstellt der

Verbraucher etwa in einem Computerspiel einen individuellen Avatar und beendet, nachdem er das Spiel durchlaufen hat, den Vertrag, so wird er regelmäßig kaum daran interessiert sein, seinen Avatar zu exportieren. Eine Wiederverwendung des Avatars in anderen Spielen oder einer anderen Umgebung dürfte im Regelfall nicht möglich sein.

Nutzt der Verbraucher hingegen ein Programm zur Erstellung von Musik, Grafiken oder Videos, so wird er sehr wohl ein berechtigtes Interesse daran haben, über seine Daten auch nach Beendigung des Vertrags zu verfügen. Dann dürfte auch der Gedanke der Urheberschaft

des Verbrauchers als Schöpfer im Sinne des Urhebergesetzes im Vordergrund stehen. Hier ist

es sinnvoll, den Zugriff auf die erstellten Daten nicht vom Fortbestand des Vertrages abhängig zu machen, sondern eine obligatorische Möglichkeit des Datenexports vorzuschreiben, um dem absoluten Charakter des Urheberrechts gerecht zu werden. Erforderlich ist hierzu eine angemessene Frist, innerhalb derer dem Verbraucher nach Vertragsbeendigung Gelegenheit zum Datenabruf zu gewähren ist.

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Während sich bei dem ersten Beispiel zudem die Frage nach einem „gebräuchlichen Daten-

format“ stellt, dürfte sich dieses Problem bei dem Export von Musik, Grafiken oder Videos nicht stellen. Insgesamt bedarf diese Regelung also einer weiter-gehenden Konkretisierung

und Differenzierung, die Daten ausnimmt, an denen der Verbraucher kein nachvollziehbares Interesse hat, deren Export den Anbieter jedoch vor große Probleme stellen kann. In dieser

Pauschalität ist die Regelung weder sachgerecht noch zumutbar. Rückabwicklung bezüglich digitaler Inhalte auf körperlichen Datenträgern.

Sofern dem Verbraucher ein verkörperter Datenträger zur Verfügung gestellt wurde, soll dieser

nach Art. 13 Abs. 2 lit. e) nach Aufforderung des Anbieters zur Rückgewähr des Datenträgers verpflichtet sein.

Der optionale Charakter der Rückgewährpflicht des Verbrauchers kommt den Interessen des Anbieters entgegen. Dieser wird nicht in allen Fällen ein Interesse daran haben, dass der

Datenträger zurückgegeben wird. Ist die Verwendung des sich auf dem Datenträger befindlichen digitalen Inhalts etwa durch den Anbieter kontrollier- und steuerbar (etwa durch

Deaktivierung von Lizenzschlüsseln oder Nutzerkonten), so ist der Datenträger für den Verbraucher oder für Dritte wertlos. Der Anbieter wird in diesem Fall regelmäßig kein Interesse daran haben, diesen zurückzuerlangen.

Dies dürfte aber anders zu beurteilen sein, wenn eine derartige Steuerung der Nutzung der digitalen Inhalte für den Anbieter nicht möglich ist. Zwar besteht bei kopierbaren Datenträgern wie CD’s oder DVD’s die Gefahr, dass der Verbraucher zuvor Kopien angefertigt

hat. Dennoch muss dem Anbieter das Recht eingeräumt werden, den Datenträger nach Aufforderung vom Verbraucher zurückzufordern.

Bei Datenträgern, die nicht kopierbar sind, wie zum Beispiel ihrer Form nach auf eine

bestimmte Spielekonsole konzipierte Datenträger, kann der Anbieter durch die Rückforderung die weitere Nutzung des digitalen Inhalts wirksam unterbinden. Daher ist gerade in diesem Bereich das Rückforderungsrecht des Anbieters gerechtfertigt und notwendig. 

Rückabwicklung bezüglich unverkörperter digitaler Inhalte

Im Falle der Rückgewährung digitaler Inhalte, die nicht auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt wurden, soll der Verbraucher nach Art. 13 Abs. 2 lit. d) dazu verpflichtet sein, deren Nutzung zu unterlassen und sie zu löschen oder auf andere Weise unlesbar zu machen.

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Es dürfte auf der Hand liegen, dass diese Regelung von dem Anbieter im Regelfall schwerlich zu kontrollieren und durchzusetzen sein wird. Lediglich dann, wenn für die Nutzung des digitalen Inhalts zuvor ein Nutzerkonto errichtet wurde, kann durch dessen Deaktivierung durch den An-bieter die Weiternutzung unterbunden werden. Dies ist aber bei längst nicht allen digitalen Inhalten der Fall. Spiele etwa können auch auf rein lokaler Ebene in der

Systemumgebung des Verbrauchers ausgeführt werden, sodass die Weiternutzung nicht kontrolliert oder unterbunden werden kann.

Die bloße Verpflichtung des Verbrauchers, die Nutzung zu unterlassen und die Inhalte zu löschen bzw. auf andere Art unlesbar zu machen, ist daher zwar geboten, aber eher theoretischer Natur. Dem Anbieter wird in vielen Fällen nichts anderes übrig bleiben, als auf

die Rechtstreue des Verbrauchers zu vertrauen. Hilfreich wäre daher die ausdrückliche Ermächtigung des Anbieters, in diesen Fällen – soweit auch nach anderen gesetzlichen Regelungen zulässig – durch entsprechende (technologische) Lösungen eine Nutzung durch den Verbraucher unmöglich zu machen (z.B. Digital Rights Management-Tools).

Diese Regelungen scheinen vor allem auf soziale Netzwerke abzuzielen, bei denen usergenerated content klar identifizierbar ist und daher auch entsprechend herausgegeben oder

gelöscht werden kann. Bei Computer- und Videospielen, insbesondere im Mehrspielermodus, ist dies aus rein praktischen Gründen in der Regel nicht darstellbar.

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