Anthropometrische Messungen und Grundlagen der medizinischen Messtechnik

SZTE INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE PHYSIK UND MEDIZINISCHE INFORMATIK Anthropometrische Messungen und Grundlagen der medizinischen Messtechnik I. Das Z...
Author: Mareke Kolbe
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INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE PHYSIK UND MEDIZINISCHE INFORMATIK

Anthropometrische Messungen und Grundlagen der medizinischen Messtechnik

I. Das Ziel des Praktikums: Ausgehend von der Bestimmung der Körpermasse, der Messung der Körperlänge und des Körperumfanges, sollen die in der ärztlichen Praxis wichtigsten abgeleiteten anthropometrischen Maßzahlen, wie Körpermassenidex KMI oder auf englisch Body-Mass-Index BMI, Taille-HüftQuotienten THQ und Oberfläche des menschlichen Körpers, bestimmt werden. Am Beispiel dieser einfachen Messaufgaben, die im wesentlichen Massenbestimmungen bzw. Längenmessungen beinhalten und das Berechnen der abgeleiteten Größen/Maßzahlen, werden gleichzeitig grundlegende Aspekte der medizinischen Messtechnik eingeführt. Es werden so die Probleme bei der Probennahme, die optimale Häufigkeit der Probennahme, die Messgenauigkeit, die Messfehler und die Möglichkeiten der Fehlerkorrekturen diskutiert. Ein weiteres Ziel dieses Praktikums ist, das Erlernen und die Übung der wissenschaftlichen Protokollführung.

II. Der theoretische Hintergrund A. Die Anthropometrie Anthropometrie ist die Wissenschaft, die sich mit den physikalischen Maßen des menschlichen Körpers beschäftigt. Die Wurzeln gehen zurück auf große Künstler, wie Leonardo da Vinci (14711519) oder Albrecht Dürer (1471-1528), die die Proportionsverhältnisse des menschlichen Körpers untersuchten. (Dürer wurde als Sohn ungarischer Einwanderer aus der Gegend von Gyula, ca.100km östlich von Szeged, im fränkischen Nürnberg geboren.) Die Anthropometrie entwickelte sich in der Neuzeit auch als eine Art Ergänzung der Anthropologie, sie hat aber auch in der Ergonomie und der Medizin große Bedeutung erlangt. In der Medizin basieren die Diszipline, die sich mit auf metabolische Störungen (z.B. Übergewicht) zurückzuführende Erkrankungen (z.B. Kreislaufprobleme, Probleme beim Blutzuckerghalt) beschäftigen, auf anthropometrische Untersuchungen. Im Zuge der technologischen Entwicklung ist es heute bereits möglich, sehr genaue Aussagen über die Zusammensetzung (Flüssigkeit, Fett, etc.) des menschlichen Gewebes zu machen und so Risikoabschätzungen aufzustellen. Anthropometrische Untersuchungen sind aber auch z.B. in der Kinderheilkunde oder Endokrinologie unerlässlich.

MEDIZINISCHE PHYSIK PRAKTIKUM

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ANTROPOMETRISCHE MESSUNGEN

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B. Grundlagen der medizinischen Messtechnik In der medizinischen Praxis werden täglich verlässliche Informationen darüber benötigt, wie sich bestimmte

Eigenschaften

des

menschlichen

Organismus

verhalten.

Dabei

werden

diese

Messergebnisse mit solchen aus der Vergangenheit verglichen und so über Normalität bzw. Anomalie entschieden. Diese aus der Vergangenheit stammenden Vergleichswerte können aus der eigenen ’gesunden’ Vergangenheit stammen, meist werden aber Daten aus den Mittelwerten aller vorhandenen Messwerte vergleichbarer, gesunder Individuen herangezogen. Für solche Vergleiche eignen sich nur solche Eigenschaften eines Systems, die sich, durch die Definition geeigneter Kriterien, von anderen Eigenschaften möglichst eindeutig abgrenzen und quantifizieren lassen. Es muß aslo möglich sein die ’Menge’ der Eigenschaft als ein Mehrfaches einer ’Einheitseigenschaft’

auszudrücken.

Die

Eigenschaft

muß

also

meßbar

sein!

In

den

Naturwissenschaften werden solche Eigenschaften Größen, z.B. physikalische Größen, genannt. Der Wert einer physikalischen Größe ist somit durch eine Maßzahl und eine Einheit definiert. Größenwert = {Maßzahl} ’mal’ [Einheit] m

=

1

kg

Es ist die Metrologie, die sich mit dem Messen wissenschaftlich beschäftigt. Ihre Aufgabe ist insbesondere die Realisierung, also die Bereitstellung der Messeinheiten (z.B. 1meter, 1kg, 1s etc.) und ihre Weiterleitung an die Messaparaturen (Eichung, Kalibrierung). (In Ungarn ist es das Hungarian Trade Licensing Office (MKEH), Budapest; in Deutschland ist es die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB), Braunschweig, die mit dieser Aufgabe betraut ist.) Messaparaturen können ganz einfach beschaffen sein, wie z.B. ein Metermaß. Hier wird die zu messende Länge einfach mit der Einteilung des Messstabes verglichen. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen entweder wegen der äußeren Gegebenheiten oder aber wegen der zu messenden Größe ein wesentlich größerer technischer Aufwand notwendig ist. Es haben aber alle Meßinstrumente folgende Aspekte gemeinsam: 

Sie geben alle das Ergebnis als ein Vielfaches bzw. ein Bruchteil, der zu messenden Größe gehörenden Maßeinheit, in Form von Zahlenwerten an (z.B. 0,3m, 50kg oder 5400s etc.). Meßistrumente quantisieren die zu messende Eigenschaft! Diese kann entweder analog, in Zeigerausschlägen oder digital, als Ziffern auf einem Display erfolgen.



Sie werden durch ihre Empfindlichkeit in unterschiedliche Klassen eingeteilt. Messgeräte werden also danach charakterisiert wie sie kleine Änderungen der zu messenden Größe ∆G noch mit einer hohen Genauigkeit reproduzierbar anzeigen ∆A können. (Bei einem Maßband wäre es z.B. die Einteilung in cm oder mm.) Der Quotient E = ∆A/∆G gibt einen Zahlenwert für die Empfindlichkeit an. Der kleinste noch meßbare Wert für ∆G gibt die Auflsösung des Messgerätes an.

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Der Messbereich gibt, wie der Name es schon andeutet, den Bereich an, in dem das Gerät einsetzbar ist. (z.B. ein 2m Maßband hat den Messbereich von 2m)

Ein Meßinstrument ist meist um so hochwertiger je größer seine Empfindlichkeit ist und je weiter sein Messbereich ausfällt. Meßinstrumente ändern als Folge ihrer Anwendung aber auch einfach durch die Lagerung ihre Charakteristika und müssen daher in regelmäßigen Abständen neu kalibriert werden. Im Gesundheitswesen sind die Häufigkeiten der Kalibrierung durch nationale Vorschriften geregelt und werden durch entsprechende Eichämter durchgeführt! Um aber die am Anfang dieses Kapitels geforderte Vergleichbarkeit der Messergebnisse von vielen Patienten zu ermöglichen, müssen alle Patienten unter gleichen/vergleichbaren Rahmenbedingungen untersucht werden. Die Messungen müssen also so durchgeführt werden, dass der Einfluß der Umgebung auf alle Messergebnisse gleich bzw. vergleichbar ist. Während der Messungen ist der Patient also in eine gut definierte Umgebung zu bringen, z.B. Behandlungsraum, Krankensaal, spezielle Messkabinen; es herrschen vergleichbare Temperaturen, für eine gute Beleuchtung und ausreichende Ventilation ist gesorgt.

C.

Die Messabweichung

Bedauerlicherweise reicht die exakte Wartung unserer Meßinstrumente und die Einhaltung identischer Messbedingungen nicht aus, um ’fehlerfrei’ zu messen. Dabei wird die Messabweichung, früher Messfehler, definiert als die Differenz  zwischen dem wahren Wert M und dem gemessenen Wert X (vgl. DIN 1319-1:1995).

=M–X Vom messtheoretischen Standpunkt geht man zwar davon aus, dass in bestimmten Fällen die Abweichungen sehr gering sein können, sie bleiben aber immer bestehen. Folglich ist die wichtigste Feststellung: Alle Messungen beinhalten Abweichungen vom wahren Wert! Deshalb ist es unerlässlich bei der Angabe von Messergebnissen immer auch auf die Angabe von möglichen Abweichungen zu achten! {X} = X ±  Eine ausführliche Besprechung der Fehlerrechnung ist im Rahmen unser Anforderungen nicht notwendig. Wir benötigen aber trotzdem einige grundlegende, praktische Kenntnisse, denn unsere Messergebnisse können im täglichen Leben nur so verwendet werden. Mögliche Fehler werden nach ihren Ursachen in unterschiedliche Klassen eingeteilt: Systematische Abweichungen: Die Ursachen für diese Abweichungen liegen im Messaufbau selbst. Es können z.B. prinzipiell ungeeignete Messaufbauten, oder fehlerhafte Meßinstrumente sein. Diese

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Abweichungen treten bei jeder Messung mit reproduzierbaren Werten und Vorzeichen auf. Mit viel Aufwand ist es aber grunsäztlich möglich, diese Abweichungen zu eliminieren (z.B. Kalibrierung der Meßinstrumente). Zufällige Abweichungen: Sie zeichnen sich dadurch aus, dass weder ihre Werte noch ihre Vorzeichen reproduzierbar sind. Mögliche Ursachen könnten Ableseungenauigkeiten oder wechselnde äußere Einflüsse sein. Durch eine hinreichend große Anzahl von Wiederholungsmessungen ist es mit statistischen Methoden möglich einen Werteintervall anzugeben, in der der wahre Wert zu erwarten ist (Mittelwert, Standartabweichung).

Zufällige Abweichungen werden grundsäztlich in zwei Formen angegeben: - absolute Abweichung, - relative Abweichung. Die absolute Abweichung  der Messung ist durch die größte Abweichung der gemessenen Werte X vom wahren Werte M, der in diesem Zusamenhang dem Mittelwert der mehrfach wiederholten Messung gleich gesetzt wird: =M–X Im Falle unempfindlicher Messgeräte, die auch bei wiederholten Messungen dieselben Werte anzeigen, wird der absolute Fehler der Genauigkeit/Auflösung des Messgerätes gleichgesetzt. Wenn z.B. ein zwei Meter langer Abschnitt mit einem Maßband mehrmals gemessen wird, wird das Ergebnis immer zwei Meter sein; somit ergibt sich die absolute Abweichung aus der kleinsten Skaleneinteilung des Messgeräts. Wenn die Einteilung mm ist, wird es dann 1 mm sein. Wenn Aussagen über die Genauigkeit einer Messung gemacht werden sollen, dann ist die Angabe der absoluten Abweichung wenig aussagekräftig. Die absolute Abweichung z.B. von ± 3 mm entspricht bei der Messung von l = 3 m ± 3 mm einer wesentlich höheren Genauigkeit als bei der Messung von l = 3 cm ± 3 mm. Deshalb kennzeichnen wir die Genauigkeit einer Messung anstelle des absoluten Fehlers mit dem relativen Fehler.



MX 100% X

(1.6)

Für den Fall, dass mit Hilfe der Messwerte andere, abgeleitete Größen berechnet werden, müssen die bei der Messung ermittelten Abweichungsintersvalle mit berücksichtigt werden. Zum Beispiel: wenn die Kantelänge eines Würfels mit einer gegebenen Abweichung ermittelt wurde, dann wird die berechnete Grundfläche oder das Volumen des Würfels ebenfalls eine bestimmte Abweichung vom wahren Wert aufweisen. Die ’Fortpflanzung’ der Abweichungen bei solchen Berechnungen wird durch die sog. ’Fehlerpfortpflanzungsgesetze’ berücksichtigt. (Unglücklicherweise hat sich der Begriff der ’Fehlerpfortpflanzung’ inkonsequenter Weise bis heute gehalten und man redet weniger von

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’Abweichungsfortpflanzung’.) Die Fehlerfortpflanzung wird hier nur für den Fall der relativen Abweichung betrachtet. Es werden hier nur die zwei einfachsten Fälle vorgestellt: Die relative Abweichung einer Summe oder Differenz: Es seien zwei Messwerte, A und B, und ihre relativen Fehler ∆A und ∆B gegeben. Dann ist der relative Fehler der Summe (A+B) oder die Differenz (A-B), max. (∆A, ∆B). Mit anderen Worten, der relative Fehler der Summe, die Differenz, entspricht dem relativen Fehler des Gliedes mit dem größerem relativen Fehler. Die relative Abweichung eines Produktes oder oder eines Quotienten: Der relative Fehler des Produktes (AB) oder des Quotienten (A/B) ist die Summe der relativen Fehler der Glieder: ∆A+∆B.

III. Durchzuführende Messungen: Alle Teilnehmer der Gruppe sollen bei allen anderen Teilnehmer folgende Messungen durchführen: 1. 2. 3. 4.

die Körperhöhe den Hüftumfang den Taillenumfang die Körpermasse

IV. Rechenaufgaben: A. Metabolische Marker 1. Körpergewichtindex oder Quatelet-Index (auf Englisch: body mass index, abgekürzt: BMI) Der BMI errechnet sich aus der Körpermasse in [kg] dividiert durch das Quadrat der Körperlänge [m2]. Die Formel lautet: BMI = Körpermass [kg] / Körperhöhe [m2]. Die Einheit des BMI lautet demnach [kg] / [m2]. Aufgabe:

Rechnen Sie Ihren eigenen BMI aus! Bis auf die wie vielte Nachkommastelle ist es sinnvoll das Ergebnis anzugeben? Wie groß ist die Messabweichung?

BMI (kg/m2)

Körpergewichtsklassifizierung

94 cm und bei Frauen > 80 cm ist. Geschlecht

Erhöhtes Risiko

Hohes Risiko

Männer

> 94 cm Taillenumfang

> 102 cm Taillenumfang

Frauen

> 80 cm Taillenumfang

> 88 cm Taillenumfang

3.Bestimmung des Taille-Hüft-Quotienten Ein Wert, den man mittels Division von Taille- und Hüftumfang bekommt.

T / HQuotient 

Taillenumf ang Hüftumfang

Geschlecht

Apfel-Typ-*

Birnen-Typ**

Männer

> 0.95 cm T/H-Quotient

< 0.95 cm T/H-Quotient

Frauen

> 0.8 cm T/H-Quotient

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