Anhang ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES GIRALGELDES. von HANS BOLZA

Anhang ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES GIRALGELDES von HANS BOLZA Beitrag aus ,,]ahrbilcher filr NationalOkonomie und Statistik", herausgegeben von FR...
Author: Greta Dresdner
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Anhang

ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES GIRALGELDES von

HANS BOLZA

Beitrag aus ,,]ahrbilcher filr NationalOkonomie und Statistik", herausgegeben von FRIEDRICH LUTGE und ERICH PREISER, Band 157, Heft 2, 97-118 (1943). Erschienen im Verlag von Gustav Fischer, J ena.

EIN BEITRAG ZUR DISKUSSION tJBER DIE GELDSCHOPFUNGl

Inhalt: I. Giralgeld ist zwar ein Zahlungsmittel aber kein "Geld". II. Geschichtliche Entwicklung vom Geld zum Zahlungsmittel. III. Feststellungen des okonomischen Tatbestandes in der praktischen Wirtschaft. IV. Die moglichen FaIle der Giralgeldschopfung. V. Die eigentliche Giralgeldschopfung und ihr Geburtsjahr 1844. VI. Kontrolle des jeweiligen Giralgeldvolumens. VII. Ausblick.

1. Kein Wort oder Begriff der Nationalokonomie hat wohl die Menschen so sehr genarrt wie das Wort Giralgeld, fiir das auch die Worte Buch- oder Scheck- oder Bankgeld gebraucht werden 2. Obwohl das Giralgeld schon seit iiber hundert Jahren, in einer bestimmten Spielart sogar noch vor der Banknote in der praktischen Wirtschaft gebraucht wird, wollte ihm die okonomische Wissenschaft lange keine legitime Existenz zuerkennen und es nicht als das ansprechen, was es ist - namlich als ein Zahlungsmittel. In den letzten J ahrzehnten, in denen der bargeldlose Zahlungsverkehr in der ganzen Welt immer mehr Verbreitung fand, war der weitaus groBte und wichtigste Sektor des Zahlungsmittelvolumens das Giralgeld geworden. Und trotzdem konnte man in den fachwissenschaftlichen Kontroversen noch vor zehn Jahren lesen: "das Giralgeld eine Fiktion", "das Giralgeld ein Irrtum", "es gibt kein selbstandiges Giralgeld" und anderes mehr. Dabei wurden taglich tausende und hunderttausende Verrechnungsschecks in der praktischen Wirtschaft der ganzen Welt herausgeschrieben und unzahlige Giiter und auch Dienstleistungen mit eben diesen Schecks beglichen und abgegolten. GewiB, irgendwelche unausgesprochene Vorbehalte gab es beim Giralgeld. Ware es ein "normales" Geld wie Miinzen und Banknoten, so miiBte man auch die kleinen Bediirfnisse des taglichen Lebens wie eine Fahrkarte oder eine Schachtel Zigaretten damit begleichen konnen. Aber das geht 1 Der vorliegende Aufsatz versucht nicht etwa, sich mit den tiefschiirfenden Arbeiten bedeutender Nationalokonomen des In- und Auslandes iiber das Thema auseinanderzusetzen. Seine Zielsetzung ist eine viel bescheidenere. Er will die niichternen Tatsachen des wirtschaftlichen Alltages unter Heranziehung des Erfahrbaren darstellen - sich also keinesfalls in Gegensatz zum Empirismus setzen, der sich ja ausschlieBlich mit dem Erfahrbaren befaBt - , wohl aber jede Dialektik und jede psychologisch-spekulative Interpretation vermeiden; seine Haltung entspricht der eines gesunden Positivismus im Sinne von AUGUSTE COMTE und ERNST MACH, der jede Mehrdeutigkeit ausschlieBt, also rational genannt werden kann. 2 1m Italienischen: moneta bancaria; im Franzosischen: monnaie scripturale oder monnaie banque; im Englischen check-book money oder bank money oder deposit currency.

III

nicht. Die Grenze seiner Verwendharkeit ist nicht genau festzulegen und schwankt mit den Zahlungssitten von Land zu Land. In England und USA wurden 85-90 v. H. aller Geschafte mit Schecks heglichen, in den Vereinigten Staaten von Amerika gah es sogar vereinzelt Lohnschecks, wahrend in Deutschland grundsatzlich die fiir Dienstleistungen in den Tarifen festgesetzten Lohne in "Gesetzlichen Zahlungsmitteln" ahzugelten sind. In Frankreich, dem Lande der konservativen Rentner, war his vor nicht allzu langer Zeit die Zahlung der Steuern durch Verrechnungsschecks hzw. Uherweisung nicht gehrauchlich. Vor 20 J ahren konnte man noch in den Raumen des franzosischen Finanzministeriums in der Rue de Rivoli im Foyer der Caisse centrale du Tresor eine ofl'entliche Anweisung folgenden Inhaltes lesen: «Au-dessus de cinq cents francs, Ie dehiteur est tenu de fournir les sacs.)} Bei Betragen iiher 500 Franken hat der Schuldner die Sacke zu stellen. Diese Vorschrift stammt aus der Zeit, in der die Steuern sogar noch in Metallgeld hezahlt wurden, wohei die Miinzen in Teilhetragen gehaufelt und dann in Sacke gefaBt wurden. Die Grenze dessen, was man noch in "gesetzlichen Zahlungsmitteln" hegleichen muB, und dessen, was man schon mit einem Verrechnungsscheck hezahlen kann, ist also flieBend, ja unsichthar und daher hlieh das eigentliche Wesen des Giralgeldes lange im unklaren unheschadet der Tatsache, daB es de facto taglich in groBtem Umfange gehraucht wurde. Diejenigen, die die Existenz des Giralgeldes ahleugneten, gingen vor allem von dem juristischen Standpunkt aus, wonach eine Forderung nach Geld nicht dem Geld selbst gleichgesetzt werden darf. An sich ganz richtig. Dabei wurde kein Unterschied gemacht zwischen einer Forderung, die ein Warenlieferant fiir gelieferte Waren gegeniiber seinem Kunden hatte, und einer Forderung, die ein Konteninhaber gegeniiber seiner Bank hatte. In beiden Fallen handelt es sich urn Sollposten in den Biichern eines Wirtschaftenden, die den Charakter von Forderungen haben. Neben diesen "Forderungen" weist der Wirtschaftende unter seinen Aktiven meistens einen Betrag an Bargeld in Form der "gesetzlichen Zahlungsmittel" Miinzen und Banknoten aus. In seiner Bilanz sind diese zusammengefaBt in dem Posten "Kassa". Die juristische Auffassung des Geldes hat ihre in der Geschichte wohlberechtigte Begriindung. Beim Festhalten an der juristischen Unterscheidung zwischen "Forderung auf Geld" und "Geld" schlechthin hat man iibersehen, daB das Geld im Wandel der Zeiten eine ganz andere Funktion in der Wirtschaft iibernommen hatte; es ist ein "Mittel zum Bezahlen" von W aren112

sehulden oder sonstigen Sehulden geworden, also ein "Zahlungsmittel". Das Zahlungsmittel dient schon lange nieht mehr der Hortung von Werten, ja hat das als solehes niemals getan, sondern dient aussehlieBlieh der Abgeltung von Giiter- und Dienstleistungen. Hat primar jemand eine Ware bezogen und dadureh eine Warensehuld kontrahiert, so kann er diese nieht nur dureh Hingabe von Zahlungsmitteln anstatt dureh Hingabe von Waren begleiehen, sondern er mufl sie sogar naeh dem Gesetz mit "gesetzliehen Zahlungsmitteln" begleiehen. Aber die Entwieklung ging noeh weiter. Es war gar nieht notig, daB jemand eine Warensehuld kontrahiert hatte, urn ein "Zahlungsmittel" ins Spiel treten zu lassen. Wer vollkommen sehuldenfrei dastand, und im Besitz von "gesetzliehen Zahlungsmitteln" war, konnte primar Giiter kaufen dureh Hingabe von Zahlungsmitteln. So verwandelte sich das Geld vom Mittel zur Hortung von Werten im Laufe der Zeit zum Mittel urn Giiter- und Dienstleistungen zu bezahlen. J eder Besitzer von Zahlungsmitteln verfiigt iiber Anweisungen auf Giiter und Dienstleistungen, die er nach seiner freien Wahl in Anspruch nehmen kann.

II. 1m gesehiehtlichen Ablauf der Jahrhunderte ergab sich das Bediirfnis, den "Zahlungsverkehr", d. h. den Verkehr mit Zahlungsmitteln, moglichst bequem und einfach fiir die Wirtsehaftenden zu gestalten. W ollte in ferner Vergangenheit ein Hamburger Kaufmann einem Frankfurter Geschaftsfreund eine Schuld begleichen, so war es recht umstandlieh, ihm die entspreehende Anzahl Metallmiinzen dorthin zu sehicken, schon in Ansehung der verschiedenen Landesgrenzen, die zu iiberqueren waren; auch muBte unter Umstanden die Hamburger Bankomark dem Metallwert nach in Frankfurter Reichsgulden umgerechnet werden. Moglicherweise hatte aber der Hamburger Kaufmann einen Korrespondenten, der in Frankfurt wohnhaft war und laufend fiir ihn Zahlungen leistete. Dann war im gegebenen Einzelfalle nur notig, dies em Korrespondenten den schriftliehen Auftrag zu geben, dem Geschaftsfreund in Frankfurt in der dort iiblichen Wahrung den gewiinsehten Betrag auszuzahlen unter Belastung des laufenden Kontos! zwischen Frankfurt und Hamburg. Diese Handhabung der Begleichung einer Schuld an fernem Ort kann als der Anfang des Giralgeldes angesehen werden. Und da diese Handhabung haufig aueh schon zu einer Zeit geiibt wurde, in der die Banknote noch unbekannt war und in der Bezahlungen in Metallgeld 1

Auch Giro-Konto genannt, von girare

8 Bolza, Okonometrie, 2. Auflage

= umlaufen. 113

erfolgten, kann man sagen, daB das Giralgeld noch friiher als die Banknoten in Gehrauch kamen. Die gewaltige Entwicklung der Wirtschaft im vergangenen J ahrhundert, die teils von den groBen technischen Erfindungen des 19. Jahrhunderts angeregt, teils von ihnen erzwungen wurde, ware jedoch nicht moglich gewesen, wenn die Ausweitung der Zahlungsmittel durch Giralgeld nur in dem ohen geschilderten AusmaB erfolgt ware. GewiB kam noch als weitere Quelle der Zahlungsmittelerweiterung die ErschlieBung neuer Goldvorkommen hinzu. Aher nach unserer Meinung wurde der groBte Anteil der Zahlungsmittelerweiterung von den Londoner Bankherren hestritten, als sie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts der damals wiirgenden Zahlungsmittelknappheit in der englischen Wirtschaft in eigener Initiative und Verantwortung und in einer hesonderen Buchungsweise entgegentraten. Wir werden weiter unten noch ausfiihrlich darauf zuriickkommen, welches J ahr wir als das Ausgangsjahr der eigentlichen Giralgeldschopfung hetrachten; denn hei dem his jetzt geschilderten Weg der Giralgeldschopfung konnten nur soviel girale Zahlungsmittel entstehen, als Metallmiinzen vorhanden waren. Solange Kontoiiherziehungen nicht zugelassen waren, konnte das Giralgeldvolumen niemals eine derart starke Expansion erfahren, wie sie tatsachlich im vergangenen Jahrhundert eingetreten ist. Die geschichtliche Entwicklung des Geldwesens fiihrte zur Verschiehung eines immer groBeren prozentualen Anteils der Zahlungsmittel von den "gesetzlichen Zahlungsmitteln" weg zum Giralgeld als dem nichtgesetzlichen Zahlungsmittel hin. Sie veranschaulicht deutlich, daB die Wirtschaft im vergangenen J ahrhundert die damals zu engen Staatsfesseln gesprengt hat und daB der Staat im 19. Jahrhundert die Autoritat iiher die Wirtschaft verloren hatte. Wahrend in friiheren Jahrhunderten jeder hei Hereinnahme von Zahlungsmitteln sehr angstlich dariiher wachte, oh die Miinzen den yom Staat erlassenen gesetzlichen Vorschriften heziiglich Gewicht und metallischer Zusammensetzung entsprachen, hefreite sich die Wirtschaft im 19. Jahrhundert selhst von diesen Fesseln, indem sie in wachsendem AusmaB Zahlungsmittel annahm, deren Schopfung der staatlichen Machtsphare vollkommen entzogen war, und das war das Giralgeld. Diese Tatsache ist ein weiterer Ausdruck fiir den Wandel yom Geld als Hortungstrager von Werten zum Zahlungsmittel als Anweisung auf Giiter und Dienstleistungen. So wertvoll und hedeutungsvoll auch fUr die Erhaltung der staatlichen Gemeinschaft eine wirksame Rechtssprechung und damit verhunden die Wahrung und Erhaltung einmal herausgearheiteter juri114

stischer Denkformen ist, so unbrauchbar haben sich diese erwiesen, als es galt, einen neuen okonomischen Tatbestand zu erkennen. Hier konnte und kann nur eine vollkommen voraussetzungslose, ahistorische Betrachtung der AuBenwelt die endgiiltige und restlose Aufklarung iiber das Wesen des Giralgeldes bringen, also die positiv rationale Methode, die in den N aturwissenschaften in den letzten 200 J ahren so gewaltige Erfolge gebracht hat und die allein einen Erfolg verbUrgt auf dem Weg, die zukiinftige Entwicklung volkswirtschaftlicher Geschehnisse in rationaler Weise vorauszusehen 1 • Nicht die Geschichtsquellen und die Wiedererzahlung von Darstellungen Dritter und Vierter, welche verschiedenartige und daher mehrdeutige Verkniipfung der gleichen Tatsachen gestattet, sondern einzig und allein das unmittelbare okonomische Geschehen, das jeder selbst in Zahlen zu beobachten und taglich neu zu erleben in der Lage ist, kann der Ausgangspunkt zu einer brauchbaren Okonomie sein.

III. Treten wir daher in die Arbeitsraume des Leiters eines gewerblichen Unternehmens ein und versuchen zu erfahren, was man dort iiber Zahlungsmittel und Gelddispositionen im geschaftlichen Alltag lernen kann. Wenn es ein Unternehmen von einigem Gewicht und U mfang mit geordneten kaufmannischen Grundsatzen ist, so wird man feststellen, daB der Geschaftsleitung taglich eine Aufstellung der "Bestande" vorgelegt wird. Diese Aufstellung enthalt die Zahlungsmittel, iiber die das Unternehmen an den Berichtstag verfiigt, und zwar gegliedert nach den Barbestanden (in Form von Miinzen und Banknoten), die am Berichtstag in der Geschaftskasse liegen, und nach den Sollsaldi, die am Berichtstag auf Postscheckkonto, Reichsbankkonto und Privatbankkonto ausgewiesen werden. Die Summe der Einzelposten der Aufstellung gibt den Gesamtbetrag an Zahlungsmitteln an, iiber den das Unternehmen an dem Berichtstag verfiigt. DaB die Geschaftsleitung sich taglich diese Aufstellung vorlegen laBt, ist verstandlich; denn taglich treten Zahlungsanforderungen an sie heran in Gestalt von Lieferantenrechnungen, Lohnvorschiissen oder MonatsabschluBzahlungen, Steuern oder Gebiihren usw. Die Geschaftsleitung muB also taglich iiberblicken konnen, ob sie diesen Anforderungen gerecht werden kann, oder ob sie evtl. besondere Schritte unternehmen muB, urn Zahlungsmittel in der zu erwartenden Hohe bereitzustellen. 1



Vgl. auch FuBnote 1, S. 111.

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Die in der erwahnten Tagesaufstellung ausgewiesenen Zahlungsmittelhestande werden aus den Konten der Buchhaltung nach Saldierung der Soll- und Hahenposten der jeweiligen Konten iihernommen, woraus sich ohne weiteres ergiht, daB es fiir jeden Teilhetrag ein eigenes Konto giht, also ein Kassakonto, ein Reichshankkonto, ein Postscheckkonto usw. Dem vollkommen uneingeweihten, voraussetzungslosen Fremden, der erstmals diese okonomische Beohachtung macht und sich iiher den Tathestand unterrichten will, wird die Frage naheliegen: Giht es noch andere Konten in den Geschaftshiichern und welche Uherschriften tragen sie ? Man kann ihm zur Antwort gehen: J awohl, es giht noch eine groBe Zahl anderer Konten. Sie konnen in zwei Kategorien eingeteilt werden: in diejenigen, die am Ende des J ahres im Bilanzkonto zusammengefaBt werden, und in diejenigen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung zusammengefaBt werden. Fiir die Untersuchung der Zahlungsmittel sind nur erstere von Interesse und Bedeutung. Wenn auch die Zahl und die Benennung der einzelnen Bestandskonten vom Umfang und der Art des gewerhlichen Betriehes ahhangt, so kann man doch eine generelle Einteilung der Bestandskonten angehen, die den Bilanzen der allermeisten gewerhlichen Betriehe zugrunde liegt; es sind dies die Konten der der der der der der der der der

Grundstiicke, Gehaude und Anlagen, Rechte, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Lager, Dehitoren (gegebenenfalls W arenforderungen), Kundenwechsel, Bankguthaben, Kassa

fiir die Besitzwerte (Aktiva). Die Konten des Kapitals und der Reserven, der Wertherichtigung, der Riickstellungen, der Kreditoren (gegehenenfalls Warenschulden), der Schuldwechsel, der langfristigen Schulden auf der Seite der Verpflichtungen (Passiva). 116

Sie konnen zweckmaBigerweise senkrecht r--~--"-------I i AktlV{J: i iibereinander in einer "Kontenleiter" mit SolI i (Jrundsfiicke I und Haben angeordnet werden, wie nebenS011 HOben~--i stehendes Schema I veranschaulicht 1 • Die I (Jebiiude u. Anlagen I Buchungen zwischen je zwei Bestandskonten soI1 HObe+--~ erfolgen in der Weise, daB das gebende Konto . /?ecNe erkannt wird (Haben, Gutschrift) und das S011 IIObe+-~ nehmende Konto belastet wird (SolI, Last- i /loli, IltIfs-u. 8e1riebssloffe I schrift). In dem Schema wird diese buch- ~-+5'011 I HObe+--.J I halterischeVerbindungversinnbildlicht durch Ii Lager i den Weg, den man bei Verlassen eines Kontos Soll Hobe+---l nach rechts (also von der Habenseite aus) i lJebiloren i iiber die Ringleitung in der Pfeilrichtung ~.+5'011 I HObe+ - _.J I zuriicklegt, um dann der Gegenbuchung ent- Ii J(undenwechsel i sprechend in ein Konto von links (also auf S011 lI{Jbe+--, der Sollseite) einzutreten. Es gibt keine an- + 8anJrgufhaben t deren Buchungsbewegungen, die fiir die ~---B Habe+---j Untersuchung der Zahlungsmittel von In- i J(asse i teresse waren. Betrachtet man die nunmehr lIabe+'--i so aufgereihten Konten, so wird man finden, ! P{Jssiva: ! daB es dort nur zwei Konten gibt, deren Saldo : J(aplflllJronfo u. f(eserven : in den oben geschilderten Tagesaufstellungen t----i soll I HObe+.-~ der "Zahlungsmittelbestande" erscheint. Es I Werfberichfigung I ist das Konto Bankguthaben, das als UnterSoI1 HObe+_..J konten eine Reihe verschiedener Einzelkonten !?iiclrsfe/lun : haben mag wie: Postscheckkonto, Reichs- r--- Soil Hoben ---; bankkonto, Privatbankkonto usw., und das i J(redlforen i Konto Kassa, das die am Berichtstag im ~--1soI1 Ifllbe+--..J I Besitz des gewerblichen Unternehmens be- Ii Schuldwechsel i findlichen Miinzen und Banknoten umfaBt. t-'-1 soI1 Ifllbe+--l Die beiden Konten sind die einzigen, deren I Longfrisfiije Schulden i Saldi zu den Zahlungsmitteln in Beziehung L---1soI1 I Ifabe+--~ stehen; sie sind durch die Schraffur besonders I I hervorgehoben. Damit ist schon gesagt, + n ' i cfeW;nn-u. verlusllronfo i daB - was fast selbstverstandlich ist S01/ Ifoben~---.J etwaige Termingelder wie z.B. DreimonatsSchema I gelder nicht unter die Bankguthaben, sondern unter die allgemeinen Debitoren aufgenommen sind. Es handelt sich hier nicht um eine rechtliche Begriindung der Dinge, sondern um eine Feststellung der okonomischen Tatbestande.

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1 FUr Einzelheiten der Darstellung siehe: HANS matischen Wirtschaftslehre", Stuttgart 1941.

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Danach werden die Zahlungsmittelhestande hei samtlichen gewerhlichen Betriehen durch Saldierung der zwei durch Schraffur gekennzeichneten Konten hestimmt. Wichtig ist, auf die Differenzierung zwischen dem Bankgewerhe und der iihrigen gewerhlichen Wirtschaft hinzuweisen. Jede Bank hat woW auch Guthahen hei anderen Banken, vor alIem hei der Reichshank, aher auch hei anderen Privathanken. Ihre Zahlungsmittel werden daher in genau der gleichen Weise ausgewiesen wie hei einem sonstigen Gewerhehetrieh. Aher in der Wechselheziehung zwischen Bank und anderem Gewerhe hesteht eine Unsymmetrie von weittragender Bedeutung. Wahrend ein Gewerhehetrieh sein laufendes Bankkonto (auch Girokonto oder Kontokorrentkonto genannt) in seinen Biichem unter dem schraffierten Konto des Bankguthahens fiihrt, reiht die Bank in ihren Biichem das zugehOrige Girokonto des Kunden unter ihre Kreditorenkonten ein; dies ist durchaus hegriindet, da einer Forderung des Gewerhetreihenden an die Bank eine Verpflichtung der Bank an den Gewerhetreihenden entspricht; daher steht erstere unter den Aktiven des Gewerhetreihenden, letztere unter den Passiven der Bank. Aher hei der Umkehrung des Falles gilt nicht das Spiegelhild. Hat ein Untemehmen hei der Bank einen Kredit aufgenommen, so wird ihm ein "Kreditkonto" eroffnet, das in den Biichem des Gewerhetreihenden analog unter den Kreditoren, also auf der Passivseite des Gewerhetreihenden, hei den Aktiven der Bank dagegen unter den Dehitoren steht und nicht unter "Bankguthahen" wie im vorigen Fall. Eine Forderung eines Untemehmens an eine Bank gilt unter den gemachten Vorhehalten des taglichen Geldes als Zahlungsmittel, dahingegen gilt umgekehrt eine Forderung der Bank an ein sonstiges gewerhliches Untemehmen nicht als ZaWungsmittel. In dieser Unsymmetrie kommt die Sonderstellung zum Ausdruck, die die Banken gegeniiher der iihrigen Wirtschaft einnehmen. Diese Sonderstellung ist eine ganz auBergewohnliche und hesteht darin, daB die Banken "Zahlungsmittel" neu schaffen konnen, und zwar je nach dem Fall "gesetzliche Zahlungsmittel", wenn es sich um die Schopfung von Banknoten handelt, oder von "sonstigen Zahlungsmitteln", wenn es sich um die Schopfung von Giralgeld handelt. Das Verstandnis fiir diese Tatsachen wurde his heute aus zwei Griinden so sehr erschwert: Die offentliche Meinung war vorhelastet durch die Vorstellung, es sei unmoglich, "Geld aus Nichts" zu schaffen. Solange man mit dem Wort "Geld" den Metallwert der Gold- und Silhermiinzen verhand, war das durchaus richtig. Diese Vorstellung muBte aher zu vollkommenen Trugschliissen und Fehlurteilen fiihren, sohald das Geld die Funktion eines "Zahlungsmittels" 118

in dem weiter oben beschriebenen Sinn iibernommen hatte; die "Zahlungsmittel" sind nichts anderes als Anweisungen auf Giiter oder Dienstleistungen; diese Anweisungen konnen ebensogut auf ein Gold- oder Silbertafeichen eingeritzt wie auch auf ein wertloses Stiick Papier ausgeschrieben werden. Allerdings kann nicht jeder Beliebige derartige Schopfungen von Zahlungsmitteln vornehmen. Die hierzu Bevorrechtigten werden teils durch die Staatsmacht bestimmt, teils durch die Macht der Gewohnheit dazu berufen. Zu letzteren gehoren die Privatbanken, die heute den groBten Anteil an der N euschOpfung von Giralgeld beisteuern. Bevor wir an Hand des Kontenieiterschemas im einzelnen erlautern, wie sich der SchopfungsprozeB buchmiiBig voIlzieht, moge noch auf den zweiten Grund hingewiesen werden dafiir, daB bis in die heutige Zeit ein gewisser Schleier der Unkenntnis, des Irrtums und des Geheimnisses iiber dem Giralgeld liegt. Bei den Beschreibungen wirtschaftHcher Vorgange wird nur zu leicht iibersehen, daB sich diese stets zwischen zwei wirtschaftenden Individuen abspielen; es geniigt daher nicht, von Girokonten und Guthaben zu sprechen, sondern man muB zu einer voIlstandigen Beschreibung der hier behandelten Vorgange stets die Veranderungen bei zwei Kontenleitern verfolgen; ja wir werden auch Fiillen begegnen, in denen man nicht DubIetten, sondern Quadrupletten der Kontenleitern zur Erlauterung der Vorgange heranziehen muS. Zur bequemen Handhabung der Kontenleitern haben wir diese im Schema II nochmals etwas umgeformt, wobei aIle nicht fiir die Untersuchung erforderHchen Konten weggelassen sind, dafiir aber die Kontenleitern von zwei Wirtschaftenden, denen wir die Bezeichnung A und B geben, iibereinander angeordnet sind; hierdurch wird der schon oben

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Schema II

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erwahnten Tatsache Rechnung getragen, daB sich jeder der hier in Betracht gezogenen wirtschaftlichen Vorgange zwischen zwei wirtschaftenden Individuen abspielt. In Schema II werden unter den Aktiven vier Konten sichtbar gemacht, und zwar die Konten der der der der

Debitoren, Kundenwechsel, Bankguthaben, Kassa

unter den Passiven sind sichtbar die Konten der Kreditoren, der Schuldwechsel, wobei die Kontenleiter fiir A und B den gleichen Aufbau hat. IV. Verfolgen wir nun die wichtigsten "Finanztransaktionen" bei den zwei Kontenleitern, von denen die der Bank zugeordnete Kontenleiter stets mit A, die dem gewerblichen Unternehmen zugeordnete Kontenleiter mit B bezeichnet werden solI.

1. Fall. Die Bank (A) gewahrt dem Unternehmen (B) einen Kredit in Form von Bargeldausleihung. Veranderung in den Kontenleitern: Bei A wird Kassa erkannt, das unter den Debitoren gefiihrte sog. Kreditkonto wird belastet.

Bei B wird das unter den Kreditoren gefiihrte sog. Kreditkonto erkannt und die Kassa belastet. Zahlungsmittelbestand nach erfolgten Buchungen: Die Zahlungsmittelbestande von B sind urn den gleichen Betrag gewachsen wie die von A geschrumpft sind. Dieser Fall entspricht gewohnheitsgemaB den Krediten, die Sparkassenbanken an Handwerker und kleinere Gewerbetreibende einraumen.

2. Fall. Bank (A) raumt dem Unternehmen (B) Kredit ein und verwendet hierzu ihre eigenen Bankguthaben. A iibergibt dem Unternehmen (B) einen Scheck auf Reichsbank oder andere Bankverbindungen und erkennt ihr eigenes Girokonto (Bankguthaben); ferner belastet A ein neu zu eroffnendes Kreditkonto des Unternehmens unter den Debitoren. 120

B erkennt die Bank auf dem Kreditkonto, das unter seinen Kreditoren steht, und helastet nach Uherreichung des Schecks an seine normale Bankverhindung deren Girokonto (Bankguthahen). Zahlungsmittelhestande nach erfolgten Buchungen: B hat seine Zahlungsmittelhestande, und zwar sein Bankguthahen um die Hohe des Kredites vermehrt; A hat seine Zahlungsmittelhestande, und zwar sein Bankguthahen um den gewahrten Kredit vermindert. Bei dieser Transaktion sind die Zahlungsmittelhestande von A und B zusammen weder gewachsen noch geschrumpft; auch konnte man nicht sagen, daB Giralgeld neu geschaffen wurde, vielmehr ist lediglich die Verfugungsgewalt von schon vorhandenem Giralgeld von A auf B iihergegangen. Solange die einzelnen Privathanken sowie die Reichshank streng darauf achten, daB sie ihre Girokonten hei den korrespondierenden Banken nicht uherziehen, wird das Giralgeldvolumen des Landes weder wachsen noch schrumpfen. 3. Fall. Unternehmen (B) holt fur seinen laufenden Bedarf und unter Inanspruchnahme seines laufenden Bankkontos hei der Bank (A) Bargeld. Bei A wird Kassakonto erkannt und Girokonto (Kreditoren) helastet; hei B wird Girokonto (Bankguthahen) erkannt und Kassakonto helastet. Zahlungsmittelhestand nach erfolgter Buchung: hei B unveriindert; denn sein vermindertes Bankguthahen wird ausgeglichen durch den erhohten Kassabestand; bei A Kassabestande sind um den ahgehobenen Betrag verkleinert. Die Zahlungsmittel von A und B zusammen sind daher im vorliegenden Fall um den Betrag der bei der Bank abgehobenen Bargeldbetrage geschrumpft. Es gibt noch einige andere Vorgange finanztechnischer Natur, bei denen das Zahlungsmittelvolumen eines Wirtschaftsgebietes schrumpft. Als Beispiel sei die Einlosung eines akzeptierten Wechsels genannt, der in der offiziosen Bezeichnungsweise "Schuldwechsel" genannt wird. Wir wollen ferner annehmen, daB es sich nicht um einen Warenwechsel, sondern um einen reinen Finanzwechsel handelt, der his zum FaIligkeitstage bei der Bank (A) ruht und dort im SoIl der Kundenwechsel ausgewiesen wird.

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Am Tage der Falligkeit des Wechsels werden folgende Buchungen vorgenommen: Bei A wird das Konto Kundenwechsel erkannt und das Girokonto des Kunden, das unter den Kreditoren der Bank gefiihrt wird, helastet; hei B wird das Girokonto (Bankguthahen) mit dem Wechselhetrag erkannt und das Konto Schuldwechsel mit dem Wechselhetrag helastet; Zahlungsmittelhestand nach erfolgten Buchungen: hei A unverandert; hei B um den Wechselhetrag vermindert. Die Zahlungsmittelhestande von A und B zusammen sind daher in diesem FaIle um den Betrag des hei der Bank eingelosten Wechsels geschrumpft. Ein weiterer sehr charakteristischer Fall der Schrumpfung der Zahlungsmittel erfolgt hei Kiindigung von Krediten, aher nur dann, wenn die Kredite auf dem Girowege zuriickgezahlt werden. Dieser V organg wird im Ahschnitt VI noch naher hesprochen. Erfolgt die Riickzahlung in harem Geld, so hleiht das gesamte Zahlungsmittelvolumen der Wirtschaft unverandert. Wir verzichten darauf, aIle Moglichkeiten der Zahlungsmittelschrumpfung hier im einzelnen aufzuzahlen, werden im iihrigen in Ahschnitt VI noch einmal auf diese Frage zuriickkommen. 4. Fall.

Unternehmen (B) liefert Bargeld (Miinzen und Banknoten) zur Gutschrift an seine Bank ah. Bei B wird Kassa erkannt und Girokonto (Bankguthahen) helastet; hei A wird Girokonto (Kreditoren) erkannt und Kassa helastet. Zahlungsmittelhestand nach erfolgten Buchungen: hei B unverandert; denn was B an Bargeld ahgegehen, hat B an Bankguthahen hinzuhekommen; hei A sind Kassahestande gewachsen. Die Zahlungsmittelhestande von A und B zusammen sind daher gewachsen um den Betrag des ahgelieferten Bargeldes. Dieser Fall kann als eine Spielart der GiralgeldschOpfung angesehen werden. Da sie schon zu Zeiten gehandhaht wurde, als die Banknote noch nicht hekannt war, kann man, wie schon weiter ohen erwahnt, sagen, daB Giralgeld schon vor der Banknote in Gehrauch war. Aber wir hahen es hier nur mit einer "heschrankten" Giralgeldschopfung zu tun. Denn

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aus der Beschreibung des Vorganges geht hervor, daB hierbei genau soviel Giralgeld neu geschaffen wurde als Bargeld an die Banken abgeliefert ·wurde. Wenn also alle Besitzer von Bargeld ihre Kassabestande an die Banken ablieferten, so konnte im auBersten Falle soviel Giralgeld neu geschaffen werden als Bargeld vorhanden war. Wenn dann der wirtschaftliche Kreislauf sich wiederholt und das Bargeld nach Durchlaufen aller Kreislaufstationen zum zweitenmal zur Bank getragen wird, so erzeugt das gleiche Bargeld erneut Giralgeld, und zwar wieder genau in derselben Hohe. Die Zahl der ins Auge gefaBten Kreislaufe und die echte Umlaufgeschwindigkeit bestimmen daher das Giralgeldvolumen, das eine Bargeldmark im vorliegenden Falle erzeugen kann. Entsprechend den mannigfaltigen Moglichkeiten der Zahlungsmittelschrumpfung durch gewisse finanztechnische Transaktionen auf den Girokonten gibt es auBer dem soeben beschriebenen Fall der Giralgeldausweitung noch weitere Moglichkeiten der Zahlungsmittelausweitung. Dazu gehort die Diskontierung von Wechseln, ferner die Zession von Warenforderungen, die auf eine Bank iibertragen werden und noch andere Falle. 1m einzelnen wollen wir den Vorgang der Wechseldiskontierung besprechen: Bank (A) raumt gewerblichem Unternehmen (B) auf dem Wege der Wechseldiskontierung einen zeitlich begrenzten Kredit ein. B iibergibt der Bank einen von ihm akzeptierten oder girierten Wechsel. Hierbei erkennt B sein Konto Schuldwechsel bzw. sein Konto Kundenwechsel und bela stet mit dem Diskonterlos d.h. mit dem Wechselbetrag abziiglich der Diskontspesen das Girokonto (Bankguthaben), das in seinen Biichern unter den Aktiven steht. A erkennt das Girokonto seines Kunden, das unter seinen Kreditoren steht, mit dem Wechselbetrag abziiglich der Diskontspesen und bela stet bei der Hereinnahme des akzeptierten oder girierten Wechsels das Konto Kundenwechsel. Zahlungsmittelbestande nach erfolgten Buchungen: Die Zahlungsmittelbestande von B sind gewachsen um die Hohe des Betrages des diskontierten Wechsels. Die Zahlungsmittelbestande von A sind unverandert geblieben. Die Zahlungsmittelbestande von A undB zusammen sind demnach um den Betrag des diskontierten Wechsels gewachsen. 1m Sinne obiger Darlegungen werden wir auch diese Schopfung von Giralgeld als eine "beschrankte" Zahlungsmittelschopfung bezeichnen, da sie ihrem Umfange nach bedingt ist durch das Wechselmaterial, das zur Wechseldiskontierung zur Verfiigung gestellt wird. Die Wechsel

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mussen, um zur Diskontierung zugelassen zu werden, gewisse Bedingungen erfullen, so daB man sagen kann, daB das Maximalvolumen an neu geschaffenen Zahlungsmitteln kleiner oder hochstens gleich der Wechselsumme aller vorhandenen Wechsel sein kann. 1m allgemeinen werden sich jedoch innerhalb eines regionalen Bankbezirkes Zahlungsmittelausweitungen (4. Fall) und Zahlungsmittelschrumpfungen (3. Fall) ausgleichen, so daB daraus keine Gleichgewichtsstorungen, aber auch keine wesentlichen Giralgeldschopfungen fur die Gesamtwirtschaft entstehen konnen. Dies gilt natiirlich nur in einem stationaren Zustand der Wirtschaft. Wenn umgekehrt nach groBen wirtschaftlichen Umwalzungen wie denen einer Inflation eine Wirtschaft neu aufgebaut wird, so laBt sich leicht der Fall denken, daB z. B. die Zahl der neu diskontierten Wechsel die Zahl der eingelosten Wechsel wesentlich uberschreitet und in diesemFalle wird tatsachlich eine bleibende Zahlungsmittelerweiterung ausgelost. Das entsprechende Gegenstuck gilt bei einer einsetzenden Deflation. Hier werden infolge der Schrumpfung des Geschaftsvolumens keine neuen Warenwechsel mehr zur Diskontierung eingereicht, wohl aber die alten noch umlaufenden Wechsel eingelost; infolgedessen tritt eine zusatzliche Schrumpfung der Zahlungsmittel ein. Betrachtet man dagegen den stationaren Zustand, so werden sich wohl die im 3. und 4. Fall beschriebenen Vorgange ungefahr ausgleichen. 5. Fall. Eine hesondere Art der Zahlungsmittelvermehrung von groBter Bedeutung entsteht dann, wenn der Staat selbst zur Beschaffung kurzfristiger Gelder Reichsschatzwechsel bei den Banken einreicht. Die Buchungsweise ist genau dieselbe wie beim 4. Fall beschrieben, wobei der Staat die Rolle des Unternehmers (B) einnimmt, das diskontierende Finanzinstitut die Rolle der Bank (A). Es besteht lediglich ein Unterschied in der Begrenzung der Neuschopfung von Zahlungsmitteln, welche hier in der Form von Giro-Guthaben des Staates bei den Banken entstehen. Wahrend bei der Einreichung von Wechseln aus den Kreisen des Gewerbes jeweils die Bonitat des Akzeptanten und der Giranten gepruft wird, ist es von selbst gegegeben, daB die Wechsel des Reichsschatzes derartige Kriterien nicht benotigen. Infolgedessen ist die Begrenzung der N euschaffung von Zahlungsmitteln auf diesem Wege schon wesentlich gelockert und kommt unter Umstanden dem nachsten FaIle sehr nahe. 6. Fall. (Eigentliche Giralgeldschopfung.) Bank (A) rliumt Unternehmen (B) einen Kredit ein, ohne ihre eigenen Zahlungsmittelbestande in Anspruch zu nehmen. 124

A eroffnet zwei Konten in seinen Biichern: 1. unter den Kreditoren ein Girokonto fiir B, das mit dem Betrag des eingeraumten Kredites erkannt wird; 2. unter den Debitoren ein sog. Kreditkonto, das mit dem Kreditbetrag belastet wird. B umgekehrt erkennt das Kreditkonto, das unter seinen Kreditoren gefiihrt wird, mit dem Kreditbetrag und belastet das Girokonto der Bank (Bankguthaben) mit dem gleichen Betrag. Man kann den Hergang so kennzeichnen, daB die kreditgewahrende Bank eme Schuld und eine Forderung an das Unternehmen "fingiert". Zahlungsmittelbestande nach erfolgten Buchungen: bei B sind die Zahlungsmittelbestande, und zwar die Bankguthaben urn die Hohe des eingeraumten Kredites gewachsen; bei A sind sie unverandert geblieben, die schraffierten Konten der Zahlungsmittel wurden hierbei iiberhaupt nicht beriihrt. Das Ergebnis der besprochenen Buchungen in diesem FaIle ist also, daB die Zahlungsmittelbestande von A und B zusammen urn den gewahrten Kredit vergroBert werden. I)iese VergroBerung hat keinerlei in der Buchungstechnik begriindete Beschrankung, wie dies beim 4. Fall vorlag, und wir zogern daher nicht, den 6. Fall als den der eigentlichen und tatsachlichen Giralgeldschopfung zu bezeichnen. Bei den unter 4. bzw. 3. erwahnten Fallen gleichen sich die dort beschriebenen Giralgeldausweitungen und Schrumpfungen im stationaren Zustand einer Wirtschaft aus und konnen daher nicht als eine dauernde Quelle des Zahlungsmittelwachstums der Gesamtwirtschaft angesehen werden. 1m siiddeutschen Bankgewerbe wird die Schopfung des Giralgeldes in einer anderen Spielart durchgefiihrt als im 6. FaIle beschrieben. Es wird namlich in den Biichern der Bank bei der Krediteinraumung nur ein Konto eroffnet, und zwar ein Girokonto, das in den Biichern der Bank nunmehr unter den Debitoren gefiihrt wird; auf dem Kopf dieses Girokontos wird der Maximalbetrag des bewilligten Kredites eingetragen; jede Entnahme wird dies em Girokonto belastet (SolI), jeder Zugang wird dies em Girokonto gutgeschrieben (Haben). Der jeweilige kontenfiihrende Bankbeamte muB dann bei den Bewegungen auf dem Girokonto stets dariiber wachen, daB die vorgeschriebene Saldogrenze nicht iiberschritten wird. Beziiglich der Wirkung auf die GiralgeldschOpfung selbst ist diese Methode aquivalent der weiter oben beschriebenen; es besteht keinerlei andere Nebenwirkung; denkt man sich bei der zuerst beschriebenen Methode die zwei Eroffnungsbuchungen mit unsichtbarer Tinte geschrieben,

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so kommt man zur siiddeutschen Buchungsweise, die man in diesem Sinne eine "als-ob"-Methode nennen konnte. Letztere hat jedoch verwaltungstechnische N achteile bei der Uberwachung von Girokonten, besonders bei Verwendung moderner saldierender Rechenmaschinen. Gibt man dem mit der Uberwachung der Girokonten betrauten Beamten die klare und einfache Weisung, daB Girokonten nicht iiberzogen werden diirfen - eine Forderung, die bei der ZweiKonten-Methode stets erfiillt is, - so braucht der Beamte bei seiner Buchungsarbeit nur den Saldenhebel zu ziehen, urn zu kontrollieren, ob die Vorschrift eingehalten ist. 1m anderen Fall muG er bei jedem einzelnen Girokonto die Hochstkreditgrenze nachsehen. 1m ersten FaIle ist die hochstens zulassige Saldogrenze fiir aIle Girokonten gleich, und zwar gleich Null; im zweiten FaIle schwankt die Saldogrenze von Girokonto zu Girokonto, je nach dem eingeraumten Kredit. Daher haben auch die fortschrittlichen Banken in Deutschland, insbesondere wenn sie im England- und Uberseegeschaft standen, die Zwei-Konten-Methode eingefiihrt, die auch manchmal die "Norddeutsche" oder "Hamburger" oder "Englische" Buchungsmethode genannt wird. Jedenfalls haben die Englander, die in ihrem praktischen Sinn beachtliche Beitrage zur Entwicklung des modernen Bankwesens geleistet haben, genau gewuBt, warum sie die klare und iibersichtliche Zwei-Konten-Methode der Ein-Konten-Methode vorgezogen haben.

V. 1m vorhergehenden Ahsatz hahen wir versucht darzulegen, was wir unter eigentlicher Giralgeldschopfung verstehen. Die dort beschriebene Zahlungsmittelausweitung durch Gewahrung von Giralkrediten wurde vor 100 Jahren von den Londoner Bankherren im groBten MaBstab geniitzt. Es war im Jahre 1839, als die Bank von England in groBte Zahlungsschwierigkeiten geriet und nur durch die Hilfeleistung der Bank von Frankreich vor der Zahlungseinstellung gerettet wurde. Die darauf eingeleitete Reform des Bankstatutes fiihrte zum Staatsakt von 1844, nach welch em die Bank von England kiinftighin nicht mehr als 14 Mill. £ an ungedeckten Noten ausgeben durfte, ganz gleich wie klein oder groB der jeweilige Geschaftsumfang war. Diese Beschrankung auf eine feste Zahl und die gleichzeitig damals einsetzende stiirmische Aufwartsbewegung von Handel und Industrie fiihrte zu einer sehr scharfen Zahlungsmittelverknappung. Die Londoner Bankherren begegneten ihr, indem sie ihren Kunden gestatteten, Schecks auf sie zu ziehen, welche die Banken bis zur Hohe des zugesagten Kredites zu honorieren versprachen. Waren alle

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Londoner Geschaftsleute Kunden ein und derselben Bank gewesen, so waren keine weiteren Vorsorgen zu treffen gewesen. Aber da sich die Kunden auf mehrere Banken verteilten, so bestand die Gefahr, daB eine Bank in starke Verschuldung einer anderen geriet, wenn zufallig die Kunden der ersten Bank infolge eigener Verpflichtungen gegeniiber Kunden der anderen Bank umfangreiche Abdispositionen vornahmen. Der Vorgang kann im einzelnen leicht im Schema III verfolgt werden, in welchem die Kontenleitern der Bank A und deren Kunden B den Kontenleitern der Bank C und deren Kunden D gegeniibergestellt sind. Ais Beispiel sollen die 8 Buchungen bzw. 4 Doppelbuchungen genannt werden, die zu erfolgen haben, wenn B einem Lieferanten (D) eine Warenschuld durch Uberreichung eines Verrechnungsschecks begleicht. In den Biichern von B: 1. Bei Ausschreibung eines Verrechnungsschecks wird die Bank (A) auf Girokonto erkannt; 2. anlaBlich der Aushandigung des Verrechnungsschecks an den Lieferanten (D) wird das Kreditorenkonto des Lieferanten belastet. Bei Erhalt werden in den Biichern von D folgende Buchungen vorgenommen: 3. Der Warenschuldner (B) wird auf Debitorenkonto erkannt; 4. die Bankverbindung (C) des D wird bei Einsendung des Verrechnungsschecks auf Girokonto belastet. Die Bank (C) wird bei Erhalt des Verrechnungsschecks 5. ihren Kunden (D) auf seinem Girokonto (Kreditoren) erkennen und 6. die Bank (A), auf welche der Scheck gezogen ist, auf dem Girokonto (Bankguthaben) belasten. SchlieBlich wird die Bank (A) nach Erhalt des Schecks 7. das Girokonto der korrespondierenden Bank (C) erkennen und 8. das Girokonto des Kunden (B) unter den Kreditoren belasten. Die Londoner Banken, die an sich gewohnt waren, die Spitzen von SolI und Hahen, von Forderungen und Verpflichtungen auf den Girokonten der korrespondierenden Banken in dem allahendlich vorgenommenen Banken-Clearing durch Bargeld, also Miinzen und Banknoten, untereinander auszugleichen, muBten hei Einfiihrung der Giralkredite sorgfaltig dariiher wachen, daB das Gleichgewicht zwischen den einzelnen Banken nicht wesentlich gestOrt werde. Bei dieser Uherwachung war die Kenntnis des moglichen Hochsthetrages der Hahenspitze von groBer Bedeutung. Der Maximalhetrag wurde in dem unwahrscheinlichen Fall erreicht, daB aIle Kunden der eigenen Bank auf eine einzige zweite Bank abdisponierten. Auch fiir diese

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zweite Bank war es wichtig, zu wissen, in welchem Tempo sie nunmehr selhst neue Giralkredite zum Ausgleich der Sollspitze einraumen miisse. Fiir diese Uherlegungen war die Summe der iiherhaupt eingeraumten Giralkredite von groBter Wichtigkeit, die hei Anwendung der Zwei-Konten-Methode durch Addition der Salden der Kreditkonten jederzeit von den Banken in einfachster Weise festgestellt werden konnte. Daher wurde auch in England hei Einraumung von Giralkrediten grundsatzlich die Zwei-Konten-Methode angewandt. Ihre Einfiihrung diirfte auf die im Jahre 1844 in der Londoner Bankwelt sich ereignende Umstellung zuriickzufiihren sein, so daB wir 1844 als das Gehurtsjahr der eigentlichen und unheschrankten Giralgeldschopfung ansehen diirfen. Zur Vervollstandigung des Bildes seien noch zwei Erganzungen hinzugefiigt. Aus der gegehenen Schilderung ging schon hervor, daB eine Giralgeldschopfung niemals von einer einzelnen Bank vorgenommen werden kann, sondern in ungefahr gleichem SchrittmaB von allen an dem Clearing heteiligten Banken durchgefiihrt werden muB. Auf diese Tatsache hahen schon mehrere Autoren hingewiesen, u. a. NOLL VON DER NAHMERl, der sich unter den deutschen Nationalokonomen urn die Klarung des Wesens des Giralgeldes hesonders verdient gemacht hat. Die zweite Erganzung hetrifft den U mfang der Giralgeldschopfungo Wir hahen weiter ohen die eigentliche Giralgeldschopfung als huchtechnisch unheschrankt hezeichnet; das ist so zu verstehen, daB es keine huchtechnische ohere Schranke dafiir giht, so wie dies Z. B. hei der Wechseldiskontierung durch das vorhandene Wechselmaterial gegehen ist. Aher es giht eine andere Schranke, die durch die Liquiditatsriicksichten der Banken gegehen ist. Wenn auch der hargeldlose Zahlungsverkehr immer groBere Verhreitung findet, so hleiht doch ein Rest von Auszahlungen, die in harem Geld erfolgen miissen. Versuchten alle Bankkunden, die iiher ein Girokonto verfiigen, plotzlich nur Bargeld ahzuhehen, so miiBten aIle Banken ihre Zahlungen einstellen. Zur Vermeidung einer solchen Gefahr muB daher stets in den Biichern der Banken ein gewisses Verhaltnis zwischen den Hahensalden auf den Girokonten ihrer Kreditoren und den SoIls alden ihrer Kassen eingehalten werden, das nicht iiherschritten werden darf, wenn die Gefahr vermieden werden soll, daB Wiinsche des Bankkunden auf Auszahlung von Bargeld (Miinzen oder Banknoten) nicht erfiillt werden konnen. Dieses Grenzverhaltnis wird durch die prak1 ROBERT NOLL VON DER NAHMER "Der Volkswirtschaftliche Kreditfonds". Berlin 1934. - Derselbe "Die Bedeutung der Zahlungsmittel und des gleichmiiBigen Vorgehens der Banken fUr die Technik der Giralgeldschiipfung"; Finanzarchiv 1938, Heft. 6. 9 Bolza, Okonometrie, 2. Auflage

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tischen Zahlungssitten bestimmt und schwankt von Land zu Land. So wurde fiir England oft die VerhiiltniszahllO:1 angegeben. Wie auch das Verhiiltnis im einzelnen sein mag, so geht aus der Darstellung hervor, daB keine numerisch angebbare Grenze fiir die Neuschaffung von Zahlungsmitteln bei dem jetzt besprochenen 6. Fall besteht. J e mehr das Bargeld noch im tiiglichen Geschiiftsverkehr gebraucht wird, desto vorsichtiger muB die Bank bei der Einriiumung von Giralkrediten vorgehen. J e stiirker der bargeldlose Zahlungsverkehr verbreitet ist, desto geringer werden die Gefahren fiir die Banken, der Anforderung von Bargeld von seiten des Publikums nicht entsprechen zu konnen. In den so gegebenen Grenzen bezeichnen wir den 6. Fall als den der unbeschriinkten ZahlungsmittelschOpfung.

VI. Nachdem wir versucht haben, die Quellen, aus denen Giralgeld entstehen kann, genau und eindeutig festzustellen, wollen wir eine Untersuchung iiber die Kontrolle des jeweils vorhandenen Zahlungsmittelvolumens folgen lassen. Wenn man an eine rationale und tot ale Kontrolle des Zahlungsmittelvolumens eines Landes denkt, so geniigt es nicht zu wissen, unter welchen Bedingungen es entsteht, auch nicht die numerische Angabe seines Wachstums pro Zeiteinheit, sondern man muB auch quantitative Angaben besitzen iiber die Vernichtung von Zahlungsmitteln. Erst aus der Differenz von Zugang und Abgang - und zwar im Sinne meiner Ausdrucksweise von Zugangsmenge und Abgangsmenge 1 - lliBt sich das jeweilige Volumen der vorhandenen Zahlungsmittel bestimmen. Beziiglich der Miinzen und auch beziiglich der Banknoten ist die Bestimmung fiir einen gegebenen Stichtag nicht schwer. Sie wird ganz zwangsliiufig von den zustiindigen Reichsstellen vorgenommen und enthebt den einzelnen, der sich fiir diese Daten interessiert, der Miihe der Differenzbildung. Die Reichsmiinze veroffentlicht in gewissen Zeitabschnitten die Geldbetriige der ausgegebenen und noch nicht wieder eingeschmolzenen Miinzen, und zwar unter genauer Bekanntgabe der Stiickelungen. Die Reichsbank ihrerseits gibt in den in regelmiiBigen Abstanden erscheinenden Reichsbankausweisen unter ihren Passiven die Gesamtsumme der in Umlauf befindlichen Banknoten an. Aber wie schon weiter oben erwiihnt, machen Miinzen und Banknoten den weitaus kleineren Anteil der gesamten Zahlungsmittel aus; den wesentlichen und entscheidenden Anteil hat das Giralgeld, und gerade iiber dessen 1 "GrundriB einer systematischen Wirtschaftslehre", W. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1941.

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Volumen sind keine brauchbaren Anhaltspunkte vorhanden. Urn zuverlassige Angaben hieriiber zu erhalten, muB man an einem vorgesehenen Stichtage eine Bestandsaufnahme des vorhandenen Giralgeldes innerhalb eines Wahrungsgebietes machen und dann nach der aus der Statistik her bekannten Methode der "Fortschreibung" in bestimmten Zeitabstanden das jeweilige Giralgeldvolumen bestimmen. Bei der anzustrebenden Kontrolle des Giralgeldvolumens muB man sehr wohl unterscheiden zwischen den Fortschreibungszahlen von Zugang und Abgang, die als Bausteine der Kontrolle wohl unbedingt erforderlich sind, aber naturgemaB im Bilanzschema der Banken, wie es auf Grund des Reichsgesetzes fiir das Kreditwesen (1934) vorgeschrieben wird, keinen Platz haben, und den Differenzen aus Zugang und Abgang, aus welchen allein die Bilanzschemen aufgebaut sind. Kontrolliert und moglicherweise gelenkt sollen die Differenzen werden; aber fiir ihre Bestimmung sind die Fortschreibungszahlen von Zugang und Abgang erforderlich. Daher wird es vielleicht notwendig sein, dem Bilanzschema ein Nebenblatt anzuheften, auf dem fiir die Positionen 5, 6, 9, 10, 11 und 12 des jetzigen Bilanzschemas lediglich die Zugiinge und die Abgiinge wahrend der Berichtsperiode ausgewiesen werden. Ihre Zugange wiirden dann die in der Berichtsperiode neu entstandenen und auf Girokonten gutgebrachten Giralgelder darstellen, ihre Abgange die in der Berichtsperiode vernichteten und den Girokonten der Kunden bei den Banken belasteten Giralgelder, und zwar Gutschriften und Lastschriften, die aus Wechseldiskontierung (5), Bevorschussung von Reichsschatzwechseln u. dgI. (6), aus Bevorschussungen auf Grund unzweifelhafter Bonitat (9) oder auf Grund von Lombardgeschaften (10), Vorschiissen auf Waren (11) oder aus Einraumung von Giralkrediten (12) herriihren. Die Abwicklungen der oben aufgezahlten Geschaftsvorgange fiihren hei ihrer Falligkeit, wie schon erwahnt, zu einer Vernichtung von Giralgeld. So wird z. B. hei der endgiiltigen Einlosung eines diskontierten Wechsels das Giralgeldvolumen urn den Wechselbetrag verringert. Wir hahen den Vorgang im einzelnen bereits beim 3. Fall hesprochen. Entsprechendes gilt auch hei den anderen Geschaftsvorgangen, wie Vorschiisse auf Waren usw., und schlieBlich auch, wenn die Bank einen friiher eingeraumten Kredit kiindigt und das zugehorige Kreditkonto glattstellt. Dieser Vorgang vollzieht sich an Hand von Schema II wie folgt: Die Bank (A) erkennt das sog. Kreditkonto, das unter ihren Dehitoren steht, mit dem ganzen seinerzeit zugesagten Kreditbetrag und helastet das Girokonto ihres bisherigen Kunden (Kreditoren) . 9*

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Das Unternehmen (B) erkennt das Girokonto (Bankguthaben) mit dem gekiindigten Betrag und bela stet sein Kreditkonto (Kreditoren). Damit ist dann sein Kreditkonto glattgestellt, aber auf der anderen Seite ist auch seine Bewegungsfreiheit auf seinem Girokonto um den gekiindigten Kreditbetrag verkleinert worden. Seine Zahlungsmittel, und zwar im besonderen sein Giralgeld, sind geschrumpft. Wenn das Unternehmen (B) im Augenblick der Kreditkiindigung auf seinem Girokonto nicht mehr iiber einen Betrag verfiigte, der der Hohe des gekiindigten Kredites entsprach - wie das in der Deflationszeit hiiufig vorkam - , dann wurde nur ein Teilbetrag des gekiindigten Kredites abgedeckt und das Unternehmen angehalten, Warenliiger oder andere Besitzwerte fliissig zu machen. Die wirtschaftlichen und auch sozialpolitischen Katastrophen, die durch die Kreditkiindigungen von seiten der Banken und die damit verbundenen Zahlungsmittelvernichtung in der Deflationszeit verursacht wurden, brauchen hier nicht im einzelnen ausgemalt zu werden; aber soviel kann wohl gesagt werden: diese Katastrophen hiitten vermieden werden konnen, wenn man schon damals erkannt hatte, daB das Giralgeld keine "Fiktion" ist, sondern eine hochst reale Erscheinung; es war das schon damals wichtigste Zahlungsmittel.

VII. Freilich muB dieser Erkenntnis noch eine zweite hinzugefiigt werden, die hei dem kommenden Uhergang von Kriegs- zur Friedenswirtschaft von ganz besonderer Bedeutung ist. Es ist die, daB man ein Wirtschaftsgebiet nicht willkiirlich seiner Zahlungsmittel herauben darf, wenn man es vor einer Katastrophe bewahren will. Schon vor der Deflationszeit war jedem gelaufig, daB man eine auf Arbeitsteilung und Giiteraustausch aufgehaute Wirtschaft nicht ihrer wichtigsten Verkehrsinstrumente berauben kann, ohne ein unabsehhares Chaos heraufzubeschworen. Niemand hiitte es gewagt, das eisenbahntechnische Verkehrsnetz oder das elektrische Stromnetz eines Landes in wenigen W ochen auf die Hiilfte oder gar ein Viertel seiner N ormalleistung herabzusetzen. Aber das wichtigste Verkehrsmittel im Tausch von Giitern und Dienstleistungen, die Zahlungsmittel, wurden beim Einbruch der Deflationszeit auf einen Bruchteil ihres Normalvolumens reduziert. Aus dem dadurch entstandenen furchtbaren wirtschaftlichen Zusammenbruch ist aber doch die Erkenntnis der wahren Zusammenhiinge gereift. Die Widersacher des Giralgeldes werden immer stiller und die Meinungen von Wirtschaft und Wissenschaft gleichen sich

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immer mehr an: Es giht sehr wohl ein Giralgeld und es ist eine der lehenswichtigsten Vorsorgen, daB das vorhandene Giralgeldvolumen in seiner kiinftigen Entwicklung nicht dem wilden Zufall preisgegehen wird, sondern in noch starkerem MaB als Miinzen und Banknoten den staatspolitischen Normen angepaBt wird. Von den his jetzt hekanntgewordenen Vorschlagen zur Regulierung des Giralgeldvolumens sei der von IRVING FISHER genannt, der mit seinem Buch, ,,100 % Money"! im Jahre 1935 an die Offentlichkeit getreten ist. Nach seinem Vorschlag, der wohl in erster Linie auf die Bankverhaltnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika zugeschnitten ist, wird eine Riickkehr zum Prinzip der Hamhurger Bankomark empfohlen, hei welchem seinerzeit jedes Girokonto einer Bank zu 100 v.H. durch Metallmiinzen hzw. Barren gedeckt sein muBte, nur mit dem Unterschied, daB heute nicht nur Metallmiinzen sondern auch Banknoten als Deckung fUr die Girokonten gelten sollen. Es wiirde dies die Riickkehr zu jenem Zustand hedeuten, aus dem die Londoner Bankherren im Jahre 1844 durch Befreiung von einer 100 %igen Bargelddeckung herausgefiihrt hahen. Dahei schweht IRVING FISHER vor, daB das einmal geschaffene Bargeldvolumen von den hierzu hestimmten staatlichen Instanzen vergroBert oder verkleinert werden sollte, je nachdem ein als maBgehlich erklarter Preisindex sinkt oder steigt. Er setzt voraus, daB es einen solchen giht und iihergeht damit die Prohlematik, die in jeder Bewertungsfrage liegt. Uns scheint dagegen die Schwierigkeit der Bewertungsfragen so grundsatzlicher Natur und die Aufstellung eines angemessenen, allen sozialpolitischen Erfordernissen Rechnung tragenden Preisindex daher so unloshar zu sein, daB man keinesfalls das Schicksal der Wirtschaft von einer so undefinierharen Zahl wie der eines Preisindex ahhangig machen sollte. Die Geschichte der letzten zwei J ahrhunderte gibt uns Material an die Hand, wie das Wachstum wichtiger okonomischer Faktoren, darunter auch das Zahlungsmittelvolumen, erfolgte 2 • Dieses Material kann zweifellos Anhaltspunkte iiber die GroBenordnung einer einigermaBen verniinftigen Wachstumsrate geben, wohei wir, im groBen gesehen, einen exponentiellen Verlauf unterstellen. Wir erhalten auf diese Weise Daten der geschichtlichen Vergangenheit. 1 IRVING FISHER ,,100% Money. Designed to keep cheking banks 100% liquid; to prevent inflation and deflation; largely to cure or prevent depressions; and to wipe out much of the National Debt. New York, The Adelphi Company, 1935. 2 WALTHER HOFFMANN "Wachstum der englischen Industriewirtschaft". Jena 1940. J. TINBERGEN "Zur Theorie der langfristigen Wirtschaftsentwicklung". Weltchaftliches Archiv, Bd. 55, Heft 3 (Mai 1942).

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Aber wir sind gerade in unserer Zeit wieder daran erinnert worden, daB nicht die "Geschichte" wie eine schemenhafte Frau einherschreitet, sondern daB ,.Manner Geschichte machen", um uns eines Ausdruckes von TREITSCHKE zu bedienen. Bei einer kraftvollen staatspolitischen Fiihrung wird die Jahresrate des Wachstums nicht eine Sache des sog. "wirtschaftlichen Automatismus" sein, der einen so jammerlichen Bankrott erlitten hat und als Ausdruck einer vollkommen unzulanglichen materialistischen Betrachtungsweise nicht scharf genug gegeiBelt werden kann, sondem sie wird die Sache des Staatswillens sein. Wir sehen daher die Aufgabe der Nationalokonomie in der Zutageforderung von Erkenntnissen, im besonderen Fall von Kenntnissen iiber die Stellung des Giralgeldes im Rahmen des okonomischen Ablaufes sowie in der Entwicklung und Bereitstellung von Kontrollinstrumenten zur Normierung des jeweiligen Giralgeldvolumens. Die Normierung selbst fallt der staatspolitischen Fiihrung zu.

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