Anglizismen in der deutschen HipHop-Kultur

Ruhr Universität Bochum WS 12/13 Germanistisches Institut Hauptseminar: Sprachvergleich Deutsch-Englisch Dozentin: Prof. Dr. Karin Pittner Anglizis...
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Ruhr Universität Bochum

WS 12/13

Germanistisches Institut Hauptseminar: Sprachvergleich Deutsch-Englisch Dozentin: Prof. Dr. Karin Pittner

Anglizismen in der deutschen HipHop-Kultur

Claudia Sommer Auf der Heide 16b 44803 Bochum [email protected]

Matrikelnummer: 108005238701 Angestrebter Abschluss: M.A. 1

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ........................................................................................................................................... 1 2. Anglizismen: Definition und Funktion in der Sprache der Jugend .............................................. 3 3. HipHop in Deutschland: Wichtige Merkmale der HipHop-Sprache und der Rap-Musik ......... 5 4. Beispielanalysen ............................................................................................................................... 11 5. Fazit .................................................................................................................................................. 15 6. Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 17 7. Eigenständigkeitserklärung ............................................................................................................ 20

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Anglizismen in der deutschen HipHop-Kultur

1. Einleitung Der lexikalische1 Einfluss der englischen Sprache auf das Deutsche nimmt kontinuierlich zu2 und beschränkt sich schon lange nicht mehr auf die Fachsprachen bestimmter Wissenschaftsgebiete, die Werbesprache oder die Sprache der Jugendund Subkulturen, usw. Unzählige Kontroversen kennzeichnen den AnglizismenDiskurs von Anfang an. Die Ansichten über die massive Übernahme englischstämmigen Wortguts changieren dabei mehr oder minder militant zwischen Sprachpurismus und -bereicherung, wobei Meinungen zum zweiten Aspekt die klare Minderheit einnehmen. In der Öffentlichkeit sowie in der Wissenschaft wird dabei häufig einer der folgenden Aspekte als Grund für die Ablehnung der Anglizismen postuliert: die Quantitativität der übernommenen Wörter, deren Unnötigkeit, die allenfalls latente phonologische und morphosyntaktische Einpassung in das deutsche Sprachsystem sowie deren partielle Unverständlichkeit für manche Mitglieder der Bevölkerung. Hin und wieder wird gar vom vermeintlichen, schleichenden Verfall der deutschen Sprache fantasiert. 3 Auf der Hand liegt Folgendes: „Die Bezeichnung Anglizismus […] ist aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und der Verwendung in überwiegend sprachkritischen Kontexten in bestimmten Mikrodiskursen eindeutig negativ konnotiert“ (Götzeler 2008:158, Hervorhebung im Original). In dieser Arbeit ist der Begriff in Abgrenzung dazu an keiner Stelle negativ, sondern eindeutig neutral belegt. Nicht nur Peter Eisenberg hat erkannt: „Fremdwörter sind Wörter des Deutschen, auch wenn sie ganz oder teilweise aus anderen Sprachen übernommen sind“ (Eisenberg 2011:2).4

Gründe für die gehäufte Aufnahme von Lehnwörtern und Phrasen aus dem Englischen gibt es viele, beispielsweise die Rolle der englischen Sprache als lingua 1

Der Einfluss der englischen Sprache auf das Deutsche ist natürlich nicht nur lexikalischer Art, sondern betrifft ebenfalls Gebiete wie die Orthographie, Aussprache und Grammatik. Eggarter (1995:123) sieht den „englische[n] Spracheinfluß [sic!] insbesondere im lexikalisch-semantischen Bereich“. 2 Besch & Wolf (2009:99) sprechen von einer „rapide[n] Zunahme von Anglizismen (britisches und amerikanisches Englisch)“. 3 Eine ausführliche diskursanalytische Reflexion des Themas kann an dieser Stelle aus Platz- und Relevanzgründen nicht erfolgen. Gegen die vermeintliche Gefahr des angeblich bevorstehenden Sprachtods der deutschen Sprache argumentiert Pittner (2001). 4 Diese Aussage unterliegt natürlich gewissen Einschränkungen (vgl. Eisenberg 2011: Kap.1.1).

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franca5 oder der Aufstieg der USA als Wirtschaftsmacht – nicht zuletzt aber verdanken wir die Flut der Anglizismen auch bestimmten quasi-jugendkulturellen Bewegungen und deren Umgang mit den neuen Medien, wie beispielsweise dem HipHop, welcher sich von einer gewissen (gewollten?) Unverständlichkeit seines Sprachgebrauchs gegenüber der Allgemeinsprache nicht freisprechen kann: „Die sprachliche Umgebung des/der Einzelnen umfaßt [sic!] mehr als nur die Sprache der Menschen, mit denen er/sie direkten Kontakt hat; sie wird ebenso von Angeboten der Massenmedien und […] verschiedenen Formen populärer Kultur (Musik, Film, Literatur) geprägt“ (Barbour/Stevenson 1998:252).

Im Zentrum dieses Research Paper steht die Untersuchung der Sprache der deutschsprachigen HipHop-Kultur – und zwar vordergründig die Betrachtung des Anglizismen-Gebrauchs deutschsprachiger Kulturanhänger. In einer Untersuchung von Androutsopoulos & Scholz (2002) wurde festgestellt, dass in 60% der insgesamt 50 untersuchten deutschen Rap-Songs Englisch enthalten ist. Welche Funktionen übernehmen Anglizismen in diesem kulturspezifischen Sprachstil und wie wird das englische Wortgut im HipHop verwendet? Zunächst gilt es zu klären, was allgemein unter dem Begriff ‚Anglizismus’ verstanden wird, also die Definition und Funktion und von Anglizismen zu beschreiben. Dies geschieht in Zusammenhang mit der Anglizismen-Verwendung in der Jugendsprache, von welcher die Sprache des HipHop eine Teilmenge bildet. In einem weiteren Schritt geht es darum, was HipHop als Kultur ausmacht, was für den Kontext dieser Arbeit unabdingbar ist. Im Zuge dessen werden außerdem sprachliche und stilistische Merkmale der HipHop-Sprache aufgezeigt. Im Folgeteil soll anhand zweier anschaulicher Beispiele gezeigt werden, wie groß der Einfluss der englischen Sprache auf die Sprache der deutschen HipHop-Bewegung ist und was für Funktionen der Gebrauch von Anglizismen in diesen Zusammenhängen haben kann. Ein Fazit bildet den Abschluss meiner Arbeit.

„Generelle Bezeichnung für eine Vermittlungssprache in multilingualen Sprachgemeinschaften, z. B. Englisch als die global am weitesten verbreitete L. F. […]“ (Bußmann 2002:409). 5

4

2. Anglizismen: Definition und Funktion in der Sprache der Jugend Als Anglizismus wird gemeinhin ein Fremdwort aus dem Englischen bezeichnet. Eigentlich ist damit aber kein Wort des Englischen an sich gemeint, „sondern eines, das ganz oder in Teilen aus dem Englischen stammt“ (Eisenberg 2011:3) und in eine nicht-englische Sprache übernommen wurde. Dabei beschränkt sich der deutsch-englische Sprachkontakt auf deutscher Seite längst nicht auf die lexikalischen Einheiten wie etwa Highlight oder cool, sondern umfasst ebenso übernommene Ausdrücke in idiomatischer Verwendung (z. B. World Wide Web) und syntaktische Konstruktionen wie etwa up to date (vgl. Bußmann 2002:81). Genauer gesagt, werden in der Anglizismen-Definition „sämtliche sprachliche Phänomene (Morpheme, Lexeme, Phraseologeme), die englischen sprachlichen Phänomenen ihre Existenz verdanken“ (Götzeler 2008:171) unter den Begriff Anglizismus subsumiert.

Zusammenfassen lässt sich dies wie folgt: (Anglizismen sind) 1. Lexeme oder Phraseologismen, die aus dem Englischen entlehnt wurden (z. B. Keks). 2. Deutsche Konstruktionen nach englischem Vorbild: Lehnübersetzungen (Flutlicht nach engl. flood

light),

Lehnübertragungen

(Wolkenkratzer

nach

engl.

skyscraper),

Lehnschöpfungen (Klimaanlage nach engl. air conditioning) und Lehnwendungen (nicht wirklich nach engl. not really). 3. Auf dem Englischen basierende Bedeutungserweiterungen oder -verschiebungen (Lehnbedeutungen) wie etwa feuern im Sinne von ‚entlassen’ von engl. to fire. 4. Pseudoanglizismen oder Scheinentlehnungen, also mit englischem Wortgut im Deutschen gebildete Wörter (bspw.

Happy-End

nach

engl.

happy

ending).

5.

Hybridformen

oder

Mischkomposita, bestehend aus einheimischen und entlehnten Wortteilen, wie etwa Hollywoodschaukel aus engl. Hollywood und dt. Schaukel (vgl. Götzeler 2008:172f).

Betrachtet man die Integration von Anglizismen in das deutsche Sprachsystem, so fällt auf, dass diese in vielen Bereichen eher mangelhaft ist. Nicht jeder Begriff und jede Phrase geht in den indigenen Flexions- und Wortbildungsmustern auf und Substantive müssen ein Genus erhalten. Genau hier liegen auch viele Ansatzpunkte für die Anglizismen-Kritik.

Besonders Jugendliche zeigen sich jedoch

experimentell und spielerisch im Umgang mit den neuen Wörtern und erweisen sich 5

häufig „als experimentierfreudige Vorreiter einer sprachlichen Integration von Anglizismen“ (Zifonun 2000:71). Jugendsprache, das ist laut Bußmann ist die zusammenfassende Bezeichnung „für ein breites Spektrum altersspezifischer Sprechweisen, differenziert u.a. hinsichtlich Gruppen/Szene-Zugehörigkeit, Regionalität und Geschlecht. […] Vorherrschende Charakteristika sind u.a. Sprachmischungen

[…],

Vermischung

von

Stilebenen,

vor

allem

der

Sprache

des

Bildungsbürgertums mit dem Rotwelsch der ehemaligen Gaunersprache […]. Seit den späten 1970er Jahren hat sich J. als ein internationales Phänomen herausgebildet […], begünstigt durch Verwurzelung in vergleichbaren Aktionsräumen (Musik, Freizeit, Sozialkontakte) und globale Vermarktung durch Werbung und Medien“ (Bußmann 2002:326).

HipHop-Sprache wird in diesem Aufsatz als Teil der Jugendsprache verstanden, dazu mehr im nächsten Kapitel.

Was sind nun die allgemeinen Motive der Jugendlichen, vermehrt Anglizismen in ihrem Sprachgebrauch zu verwenden? Laut Zifonun ist das in erster Linie ein Benennungsbedarf in Bezug auf „den Wortschatz zur Bezeichnung neuer ‚Realien’. Realia, die für die Jugendkultur bestimmend sind, entstammen dem Musik-, Modeund Unterhaltungsbereich (Beispiele: HipHop, raven, Metal, Punkrocker, Dreadlocks)“ (2000:70f, Hervorhebung im Original). Darüber hinaus gibt es verschiedene Motive für eine ‚luxurierende’ Verwendung bei Jugendlichen in Bereichen

ohne

konkreten

Benennungsbedarf:

„Sprachökonomie,

Ausdrucksvariation, Expressivität, Euphemisierung bzw. Tabu-Umschreibung, Prestigewert bzw. konnotativer Wert“ (ebd.). Androutsopoulos (1998:578f) benennt für diese Motive zwei entscheidende, übergreifende Motivationskontexte: Erstens die „Konstruktion sozialer Identität“ mithilfe des Gebrauchs „angloamerikanischer Wörter“: Mitglieder einzelner jugendkultureller Gruppen wollen sich innerhalb ihres Kreises zugehörig fühlen und darüber hinaus als „anglophon und somit weltoffen und international, ggf. auch als offen für subkulturelle Strömungen vor allem aus dem Black English“ gelten. Gleichzeitig soll der „Verdacht von Provinzialismus und nationaler Beschränktheit abgewehrt werden“. Der zweite Motivationskontext ist laut Androutsopoulos das Streben nach Kreativität, Originalität, als auch nach Andersartigkeit im sprachlichen Bereich: eine „Exotisierung des Trivialen und Alltäglichen“ (ebd.). Insbesondere der Aspekt der Konstruktion sozialer Identität ist in Bezug auf die deutschsprachige HipHop-Kultur von großer Bedeutung, wie die nächsten Abschnitte zeigen werden.

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3. HipHop in Deutschland: Wichtige Merkmale der HipHopSprache und der Rap-Musik In diesem Kapitel sollen einige wichtige stilistische Merkmale der Sprache und Musik der HipHop-Kultur in Deutschland konkretisiert werden, sowie ein Zusammenhang zu dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit hergestellt werden.

HipHop hat seinen Ursprung in Amerika und ist eine kulturelle Bewegung, welche sich aus verschiedenen zentralen Elementen zusammensetzt: Rap6 oder auch MCing7, DJing8, Breakdance und Graffiti/Writing. In Deutschland hat sich in Abgrenzung zu der amerikanischen Kultur eine eigenständige und distinktive Szene etabliert.9 Ich konzentriere mich hier primär auf einige Grundzüge der Sprache der HipHop-Kultur, sowie der damit in direktem Zusammenhang stehenden (deutschsprachigen) Rap-Musik beziehungsweise der ihr zugrunde liegenden Songtexte sowie Sprachmerkmalen aus Sozialen Medien, wie etwa Facebook.10 Rapmusik setzt sich im Allgemeinen „aus einem Beat, einem monotonen Rhythmus im 4/4 Takt [welcher durch den DJ per Platte abgespielt wird] und einem [von dem MC] darüber gesprochenen – gerappten – Text“ zusammen (Peters 2002:3). Die Texte der Rap-Musik lassen sich laut Peters in verschiedene Kategorien einordnen: Battle-Rap, Story Telling, Stream of Consciousness, Message-Rap11 und Freestyle, wobei man unter Freestyle eine Improvisation versteht, bei der sich ein Rapper ad hoc einen (in der Regel gereimten) Text ausdenkt und diesem dem Publikum vorträgt. Es liegt also keine schriftliche Fixierung des Textes vor. Beim so genannten Battle-Rap wird einerseits ein (realer oder auch imaginärer) Rivale verspottet und andererseits stellt sich der MC durch Eigenlob in den Vordergrund und distanziert sich verbal klar von seinem Gegner.

Ein populärer Begriff für ‚Sprechgesang’ bzw. die Bezeichnung für die Musik der HipHop-Szene. Das aus dem Amerikanischen übernommene Akronym MC steht für ‚Master of Ceremonies’ und ist ein weit verbreitetes Synonym für ‚Rapper’. 8 Die Kurzbezeichnung DJ steht für ‚Disc Jockey’. 9 In dieser Arbeit kann auf die einzelnen Komponenten, sowie auf die sehr umfassende Geschichte der Kultur jedoch nicht weiter eingegangen werden. Für umfangreiche Information zu der Entwicklung und den Merkmalen des HipHop in Deutschland und in den USA vgl. Androutsopoulos (2003); Hoyler und Mager (2005); Klein (2011); Zeise (2006) u. a. 10 Aufgrund der knappen Bemessenheit des Platzes sind allerdings auch diese bei Weitem nicht vollständig. 11 Peters (2002:3) verwendet in seinem Aufsatz die Bezeichnung „Message-Raps“ (Hervorhebung durch mich), welche in meinen Augen jedoch etwas unbeholfen klingt. Daher verkürze ich in dieser Arbeit den Begriff in Analogie zum ebenfalls von Peters verwendeten Terminus „Battle-Rap“ auf Message-Rap, ohne Plural-s. 6 7

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„Die [ebenfalls in diesem Zusammenhang zu sehende] Respektsverweigerung, das ‚Dissen’ […] [des Rivalen] gehört zum beliebten Handwerkszeug, das im Idealfall mit Hilfe von ausgefallenen Reimen (rhymes), einer komplexen Rhythmik (flow) und einer möglichst metaphorischen Sprache (skills) ausgeführt wird. Der Rapper spricht seinem Gegner genau diese Fähigkeiten ab und versucht seine Glaubwürdigkeit (credibility) und seine Authentizität (realness) in Frage zu stellen“ (Zeise 2006:13, Hervorhebung durch mich, C. S.).

Diese Textgattung zeichnet sich durch einen bemerkenswerten Wortwitz sowie Kreativität aus, allerdings findet man, von sprachlichen Bildern, Alliterationen und Anaphern abgesehen, selten einen lyrisch hochwertigen Ansatz, da in vielen Fällen eine klare Aussage nicht vorhanden ist (vgl. Peters 2002:3). Die Bezeichnung Stream of Consciousness steht für eine Textvariante, bei der beliebige Gedanken aneinandergereiht werden und somit keine zusammenhängende Gesamtaussage erkennbar ist. Sie gilt hauptsächlich der „Demonstration der Vortragsfähigkeit des Rappers“ (ebd.). Die Texte der Kategorie Message-Rap fungieren als Träger einer bestimmten Botschaft und beinhalten Themengebiete wie z. B. Politik, Gesellschaftskritik und Liebe. Die in relativ hoher Frequenz vorkommenden autobiografischen Texte fallen ebenfalls in diese Kategorie (Peters 2002:4). Das Vortragen einer Geschichte ist das Merkmal der Texte aus der Kategorie Story Telling, welche sich durch das häufige Vorkommen von Metaphern auszeichnen, „so ist oft das Erzählte nur Bild für einen tieferen Sinn“. Der metaphorische Aspekt wird von den Rappern überaus ernst genommen und repräsentiert ihr literarisches und lyrisches Können: „Sogar Blinde müssen gaffen wenn sie die Metaphern raffen“ (aus ‚Neubeginn’ von Treyer & Sieben); Um nur eines der vielen Beispiele zu nennen.

Als vorherrschende Themen in den Texten der französischen, italienischen und deutschen

Rapmusik

kristallisierten

sich

in

einer

Untersuchung

von

Androutsopoulos und Scholz (2002) acht verschiedene Komplexe heraus:

8

Grafik 1: Die vorherrschenden Themen der Rap-Songs dreier europäischer Länder: Quelle: Androutsopoulos & Scholz (2002:13)

Ausgehend davon ist in der deutschen Community die Selbstrepräsentation der wichtigste und häufigste Textinhalt sowie die Textmotivation.

Die Musik allgemein betrachtet, zeichnet sich darüber hinaus im Wesentlichen durch „eine bestimmte Art des Vortrags, Sprechgeschwindigkeit, Pausen und Betonung durch den Autor/Interpret“12 aus (Peters 2002:4, zitiert nach Loh & Verlan 2002). In diesem Sinne ist auch die Rhetorik von großer Wichtigkeit und für viele MCs stehen die Kompetenzen im Hinblick auf Ausdrucksvermögen und Wortwitz

klar

im

Vordergrund

(vgl.

Peters

2002:5).

Eine

eindeutige

Differenzierung zwischen Prosa und Poesie in Bezug auf die narrative Gestalt der Rap-Texte lässt sich laut Peters nicht herausstellen, jedoch gibt es beim Rap gewisse Techniken, „die durch sehr einheitliches Reimschema und regelmäßigen Jambus der Gedichtform näher kommen, indem sie Reime immer am Ende eines Taktes platzieren“ (Peters 2002:6). Narrative Elemente sind jedoch ebenfalls von Bedeutung. Die HipHop-Kultur beinhaltet eine spezielle Szenesprache, „die von Dynamik und Hybridität bestimmt ist. Wie in keiner anderen musikgeprägten Jugendkultur zuvor wird die Sprache zum zentralen Element, das die Kultur abbildet und die Sprecher in der Szene positioniert. Nicht nur im Rap, sondern auch im Alltag verwendet, wird sie zum Faktor, der wie bei Jugendsprache im Allgemeinen, die Ein- oder 12

Der Verfasser eines Rap-Textes ist nahezu immer auch der Interpret.

9

Ausgrenzung bestimmt“ (Zeise 2006:19). Somit nimmt die Sprache im HipHop, wie auch in anderen Bewegungen der Jugendkultur, eine identitätsstiftende Funktion ein.

Raptexte konstituieren sich zu einem großen Teil aus gesprochener Alltagssprache. Dieses

zieht

sowohl

Regionalsprachen,

als

auch

soziale

Dialekte,

Migrantensprachen und nicht-native Varietäten der Landessprache mit ein (vgl. Androutsopoulos 2003:120). Darüber hinaus werden in hohem Maße Anglizismen und englische Wörter generell, lexikalische Entlehnungen im Allgemeinen, Sprachmischungen, sowie szeneinterne Neologismen verwendet, „die für einen Außenstehenden meistens rätselhaft und unverständlich klingen“ (Zeise 2006:19). „Das Spektrum normferner Sprechweisen wird nun mit bildungssprachlichen und poetischen Sprachmitteln kombiniert“ (Androutsopoulos 2003:120). Die englischen Elemente in nicht-englischen Rap-Texten lassen sich laut Androutsopoulos & Scholz (2002) in sechs verschiedene Kategorien klassifizieren:

Grafik 2: Englischsprachige Elemente in nicht-englischen Raptexten: (i) cultural terminology e.g. flow, funk, skills, to kick a rhyme (ii) slang items e.g. homies, bitch, shit (iii) discourse markers e.g. yeah, yo (iv) formulaic expressions and patterns e.g. the phrase X is in the house or the spell-out pattern (v) code-switching on verse / utterance level e.g. in example 20 above (vi) code-switching over large stretches of text including refrains and choral parts Quelle: Androutsopoulos & Scholz (2002:26)

Die erste Gruppe (i) denotiert die wichtigsten Funktionen, Aktivitäten und Objekte der Rap-Musik bzw. HipHop-Kultur. Dazu gehört die Terminologie der Musikproduktion, der mündlichen Performance, wie auch szenespezifische Schlüsselwörter wie etwa skills, flow oder battle.

10

Zu der zweiten Kategorie (ii) gehören Wörter und Phrasen, die aus dem umgangssprachlichen afroamerikanischen Englisch übernommen wurden. Als typisch für diese Kategorie gelten Klassifikationen wie homies, Schimpfwörter wie bitch, Synonyme wie blunt (für ‚Joint’) und multifunktionale Begriffe wie zum Beispiel shit in unterschiedlichen Ausprägungen. Charakteristisch für diese Kategorie ist die Tatsache, dass diese Slang-Begriffe häufig Lehnübersetzungen hervorbringen: „the word shit (in the vernacular meaning of ‚stuff, music’) becomes Scheiss [sic!] in German and merda in Italian“ (Androutsopoulos & Scholz 2002:27, Hervorhebungen im Original). Zu der dritten Gruppe (iii) gehören Sprachpartikel die sowohl in englischen als auch in den nativen Kontexten vorkommen (z. B. Interjektionen wie yo). Kategorie vier (iv) beinhaltet formelhafte Ausdrücke wie beispielsweise X is in the house, welche ebenfalls häufig im Sinne einer Lehnübersetzung in die Zielsprache integriert werden: X ist im Saal (ebd.). Zu der vorletzten Gruppe gehören Code-Switchings13 auf Vers- und Äußerungsebene, wie etwa in folgendem Auszug: „Also weiß ich jetzt genau, was ich tun muss: Fuck the System! Wenigstens 'n bißchen!“ (Aus ‚Fuck the System’ von Blumentopf). Die letzte Kategorie (vi) bezieht sich auf das Vorkommen längerer Code-SwichingAnteile innerhalb eines Textes, zum Beispiel im Refrain. Das können in Raptracks14 auch gemischte, längere Samples aus englischsprachigen Liedern sein (ebd.).

Die Verwendung vulgärer und oft tabuisierter Ausdrücke ist ebenfalls fester Bestandteil der Texte des Rap-Genres. Der deutschen Rap-Musik sind darüber hinaus eine Vielzahl an Oppositionen (zwischen populär und politisch, Underground und Sell-Out15 usw.) inhärent (Vgl. Klein 2011:21). Klein schreibt zu dem relevanten Kontext, in dem die HipHop-Musik rezipiert wird, dass die Musik selten textimmanent zu betrachten ist. Sie steht vielmehr im breit gefächerten Kontext der Geschichte der Rap-Musik, als auch im Zusammenhang mit den diese Geschichte umgebenden Ereignissen bzgl. Politik und Gesellschaft (2011:43), sowie im Kontext der Geschichte und der Texte der Interpreten selbst. Damit weisen

Code-Switching [engl., >Kode-Wechsel

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