Anforderungen an eine Simulationsumgebung zur Bestimmung. Solarkraftwerkes mit einem atypischen

Anforderungen an eine Simulationsumgebung zur Bestimmung der Energiegestehungskosten eines Solarkraftwerkes mit einem atypischen saisonalen GroSSwärme...
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Anforderungen an eine Simulationsumgebung zur Bestimmung der Energiegestehungskosten eines Solarkraftwerkes mit einem atypischen saisonalen GroSSwärmespeicher Matthias Westphal

Institut für Bauingenieurwesen, FB Bauinformatik, Technische Universität Berlin Torsten Krämer

Institut für Bauingenieurwesen, FB Bauinformatik, Technische Universität Berlin

Kurzfassung: Die in Deutschland gesellschaftlich angestrebte Energiewende hat zur Aufgabe den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung zu erhöhen. Im Bereich des Strommarktes wurde mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) ein Instrument geschaffen, das zu einem raschen und zum Teil überhitzten Ausbau regenerativer Stromerzeugungsanlagen geführt hat. Der Energiebedarf für Gebäudeheizung und Warmwasser übersteigt den für Strom aber bei Weitem. Dieses Potential soll mit einem neuen Typ von Solarkraftwerk, das im Beitrag beschrieben ist, erschlossen werden. Zur Erzielung von Aussagen über die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerkes in Form von Energiegestehungskosten1 erfolgt eine energetische Kreislaufsimulation zusammen mit einer wirtschaftlichen Kostenbetrachtung. Es werden hier Anforderungen an eine solche Simulationsumgebung, die sich aus den physikalischen Prinzipien des Kraftwerkes ableiten lassen, sowie Lösungsvorschläge für deren Umsetzung aufgezeigt. Die Softwareumgebung stellt zusätzlich Möglichkeiten von Parameterstudien für Sensitivitätsanalysen und Auffinden lokaler Extrema zur Verfügung. Dies ermöglicht am Ende Kostenvergleiche mit heutigen Wärmeerzeugungsanlagen.

Schlüsselwörter: Simulation & Modellierung, Modellkopplung, Numerik, Kostenabschätzung

1.

Einleitung

Die Energieversorgung in Deutschland wird durch einen Energiemix sichergestellt. Betrachtet man den Endenergieverbrauch nach Energieträgern und Anwendungsbereichen, so liegt der

1 Fälschlich auch Energieentstehungskosten. Energie kann nur umgewandelt werden und nicht entstehen. Begriff aus der Kosten- und Leistungsrechnung, s.a. Herstell-, Selbst- oder Fertigungskosten. Berechnung nach LCOE – Levelized Cost of Energy.

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Stromanteil bei rund 300 TWh2 und der Anteil für Raumwärme und Warmwasser bei rund 820 TWh für das Jahr 2010 (AGEB 2010). Der Energiebedarf für Niedertemperaturwärme3 wird heute noch zu fast 90% über nichtregenerative Energieträger abgedeckt (BMWT4). Hier ergibt sich ein großes Potential, das durch die Nutzung von solarer Strahlungsenergie hervorragend abgedeckt werden kann. Eine einfache Betrachtung liefert die Abschätzung, dass der von der Sonne auf das Gebiet Deutschlands eingebrachte Energiestrom den Primärenergiebedarf um das ca. 100-fache5, den Endenergiebedarf um das ca. 150-fache übersteigt. Der Energieverbrauch ist dabei sowohl tages- als auch jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen, genauso wie die Sonneneinstrahlung. Da sich Angebot und Nachfrage nur punktuell decken ist ein Einsatz von Speichern für Strom und Wärme unerlässlich. Im folgenden Abschnitt wird ein Aufbau für ein Solarkraftwerk vorgestellt, das diese physikalischen Randbedingungen umsetzen kann. In den weiteren Abschnitten werden Anforderungen und Lösungsansätze für eine Simulationsumgebung beschrieben, um damit Aussagen über die Wirtschaftlichkeit und Vordimensionierung des Kraftwerks zu erhalten.

2.

Konstruktiver Aufbau eines Solarkraftwerks in Deutschland

Die Idee ist Strahlungsenergie mittels Solarkollektoren in Wärme umzuwandeln und gleichzeitig, im geringeren Maße, Strom über Photovoltaik (PV) zu generieren. Da bei der PV Abwärme anfällt, die sonst ungenutzt bliebe, werden beide Umwandlungssysteme (Kollektor und PV) in Hybridmodulen kombiniert. Nutzwärme fällt vor allem im Sommerhalbjahr an, in dem nur ein geringer Bedarf besteht. Die Überschusswärme wird in einem saisonalen Warmwasserspeicher eingebracht. Aus physikalischen Gründen ist ein Wärmespeicher umso effektiver je größer und kugelförmiger seine Gestalt wird, da das Oberflächen-/Volumenverhältnis sinkt (STATUSBERICHT `98, S. 8). Kugelspeicher sind konstruktiv und kostenmäßig ineffektiv. Es wird auf Zylinder- oder besser Kegelstumpfspeicher ausgewichen (s. a. Steinweg 2009), die eine ebene kreisförmige Oberfläche haben. Der Wärmespeicher benötigt eine isolierte Abdeckung (im folgenden Deckel genannt), um die Wärmeverluste zu minimieren. Das führt zu der Überlegung den Deckel zu nutzen, um darin die Strahlungsempfänger zu integrieren. 2

1 TWh (Terrawattstunde) = 1 Mrd. kWh = 3,6 PJ (PetaJoule).

3

bis ca. 100 °C (Raumwärme und Warmwasser), keine Prozesswärme.

4 BMWT – Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Energiedaten Tab. 7+7a vom 27.10.2011. 5

Mittlere Einstrahlung Deutschlands ca. 1000 kWh/(m² a), Fläche ca. 357.021 km², Primärenergieverbrauch 2011 ca. 13520 PJ, Endenergieverbrauch 2011 ca. 8744 PJ (s. Statistisches Bundesamt 2011; BMFT 2011)

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In Abb. 1 ist ein virtuelles 3D-Modell eines geplanten Solarkraftwerkes zu sehen. Der Speicher nimmt dabei sehr große Dimensionen an, auch um die notwendige Aperturfläche für die Strahlungsempfänger zur Verfügung zu stellen. Ein Speicher dieser Größenordnung mit integrierter Solaranlage ist nach Recherche des Verfassers weltweit noch nie realisiert worden, worin sich das Atypische im Speicherkonzept äußert. Gestaltung der Deckelkonstruktion: Zur Reduktion der Baukosten soll auf einen festen Speicherbehälter ebenso verzichtet werden, wie auf einen abgestützten oder selbsttragenden Deckel. Eine Alternative ist eine schwimmende Abdeckung. Durch die Kreisform kann der Deckel gleichzeitig der Sonne azimutal nachgeführt und damit der Energieertrag, bei zur Sonne angestellten Modulen, gesteigert werden. Das umgebende Erdreich selbst bildet dabei den Speicherbehälter, wobei Erdreich aus dem Inneren des Speichers abgetragen und zu einem Außendamm aufgeschüttet wird. Der Speicher wird auf der Innenseite abgedichtet und eine Stützmauer in der Dammkroneninnenseite bildet das horizontale Gegenlager für den Deckel. Um einen kontinuierlichen Betrieb des Kraftwerks sicherzustellen, wird ein klassisches Heizkraftwerk angeschlossen. Dieses ist in der Heizzentrale im Dammkörper des Speichers untergebracht. Aufgrund des stark intermittierenden Betriebes soll unter anderem eine Anlagenkonfiguration aus Blockheizkraftwerk (BHKW) und Wärmepumpe (WP) untersucht werden, wie es in Abb. 2 dargestellt ist. Der solare Deckungsgrad (Anteil regenerativer zur gesamten Endenergie, s. Wesselak 2009) sollte dabei so hoch wie wirtschaftlich möglich sein, jedoch mindestens 50% betragen. Als potentielle Abnehmer für die Energie kommen in erster Linie private Haushalte sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen aber auch kommunale Einrichtungen wie Bahnhöfe, Behörden, Flughäfen etc. in Frage. Die Wärmeanbindung des Kraftwerks an die Verbraucher erfolgt über ein Nahwärmenetz.

Abbildung 1: Solarkraftwerk in der Landschaft (erstellt mit Revit Architecture von Autodesk)

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Abbildung 2: Vereinfachtes Wärmeschaltbild (Topologie der Kreisläufe - Flowsheet)

3.

Anforderungen an eine Simulationsumgebung

Im Vordergrund steht die Berechnung von Energiegestehungskosten (Panos 2007, S. 120) ausgedrückt in ct/kWh oder EUR/MWh. Es ergeben sich zwei große Anforderungsblöcke die dazu umgesetzt werden müssen. Zum einen die Berechnung von Energiekreislaufprozessen und Wärmeverlusten, die simuliert werden und zum anderen von Kosten, die sich aus spezifischen Investitions-, Betriebs- und Brennstoffkosten ergeben. Darauf wird weiter im Abschnitt 5 eingegangen. Zunächst einige Anforderungen an die Applikation: • Eingabe geometrischer Daten für Kraftwerk, Umgebung, Nahwärmenetz und Abnehmer. Dies kann weitestgehend über vordefinierte parametrisierbare Bibliotheken (z.B. Bauteilkomponenten) realisiert werden. Dies soll eine schnelle Anpassung und Variabilität der Struktur und damit eine hohe Benutzerfreundlichkeit gewährleisten. • Simulation von Wärme- und Stromkreisläufen und Bestimmung von Verlusten. Aufgrund der Komplexität des Systems erfordert dies eine numerische Lösung. Grundlage hierfür ist eine automatische und manuelle Orts- und Zeitdiskretisierung (Netzzerlegung). Ein Monitoring überwacht die numerischen Berechnungen auf zulässige Zustände (Existenz, Eindeutigkeit und Stabilität der Lösung). • Anpassung der Netzstruktur, um den numerischen Berechnungsaufwand so gering wie möglich zu halten. Dies soll eine Simulation über mehrere Jahre in einer beliebig zu wählenden Zeitspanne im Sinne einer weichen Echtzeit (Wörn et al. 2005) ermöglichen. Dies erfordert eine Anpassung der gewählten Komponentenmodelle an die jeweiligen Bauteile.

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• Anpassung und Variation von Steuerungsalgorithmen für das Kraftwerk. • Definition und Eingabe von Randbedingungen wie Standort, Klima, Topologie der Kreisläufe, Lastannahmen der Verbraucher, Kostenansätze und Speicherung in Datenbibliotheken(z.B. Datenbanken). • Das Programm soll belastbare Abschätzungen von Energieerträgen und Kosten und begleitend eine Fehlerabschätzung zu den Ergebnisse liefern. Die Ergebnisse sind nachfolgend einer Überprüfung zu unterziehen. • Visualisierung von Eingaben, Berechnungen und Ergebnisse über ein User-Interface. Diese Anforderungen dienen nicht nur der Bestimmung von Energiegestehungskosten, sondern durch Parametervariation können auch Aufgaben wie Sensitivitätsanalyse und Finden lokaler Extrema durchgeführt werden. Die Modellierung des Datenmodells umfasst neben den benutzerspezifischen Daten (s. Punkte 1 und 5 obige Liste) auch den eigentlichen mathematisch/physikalischen Simulationskern. Ob ein Simulationssystem korrekte Ergebnisse für die Energieströme liefert ist a priori nicht feststellbar, weshalb Tests sicherzustellen haben, dass in der Software die numerischen Berechnungen korrekt implementiert wurden. Für die Überprüfung der Ergebnisse der Simulation müssen in Ermangelung des realen Kraftwerkes Simulationstests durchgeführt werden. Diese bestehen darin Grenzzustände zu simulieren, von denen die Ergebnisse hinreichend genau bekannt sind. Liegen von Teilsystemen des Kraftwerkes experimentelle Ergebnisse vor, kann man versuchen die zugehörigen physikalischen Modelle zu kalibrieren. Die Ergebnisse müssen sich dann reproduzieren lassen. Darunter kann man sich z.B. folgendes vorstellen: Es existieren zahlreiche experimentelle Versuchsergebnisse für viele Typen von Solarkollektoren. Die meisten physikalischen Beschreibungen basieren auf stationäre 1-Knoten-Modelle6 mit 2 Parametern. Im Gegensatz dazu werden hier dynamische Beschreibungen eingesetzt, die nach einer genügend langen Zeitdauer unter stationären Randbedingungen, die Werte des 1-Knoten-Modells wiedergeben müssen. Eine volle Validierung der Ergebnisse des Simulationssystems wird sich erst in Rahmen von Pilotanlagen und entsprechenden Versuchen durchführen lassen. Aus diesem Grund sollen Fehlerschranken der Ergebnisse berechnet werden. Die Feinheit der Orts- und Zeitdiskretisierung steht im direkten Verhältnis zur Berechnungsdauer der Simulation. Es ist damit eine Balance zwischen Genauigkeit der Simulationsergebnisse 6

Der Kollektor wird durch genau eine Fluidmitteltemperatur beschrieben.

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und Zeitaufwand der Simulation zu finden. Wieder am Beispiel des Solarkollektors verdeutlicht bedeutet dies: Ein Solarkollektor kann durch ein-, zwei- oder dreidimensionale Modelle beschrieben werden. Bedenkt man, dass das Kraftwerk aus mehreren Tausend dieser Kollektoren bestehen kann und der Aufwand für die Lösung des Gleichungssystems überproportional mit der Größe ansteigt, so wird man zunächst mit einem groben1-KnotenModell beginnen. Eine anschließende Verfeinerung des Modells kann zum Vergleich der Ergebnisse genutzt werden und muss vom Anwender sinnvoll interpretiert werden. Es wird deutlich, dass für zahlreiche Bauteilkomponenten mehrere Modellvarianten, je nach gewünschtem Detailierungsgrad, vorhanden sein müssen. Unter der Benutzerfreundlichkeit der Simulationsumgebung ist zu verstehen, dass auch fachfremde Personen die Software „intuitiv“ und nach kurzer Einarbeitung bedienen können und zu sinnvollen Ergebnissen kommen. Dazu dient die Zusammensetzung der Struktur des Gesamtsystems mittels vorgegebener Bibliotheken z.B. für Bauteilkomponenten. Durch Visualisierung von Ergebnissen bekommt der Anwender ein Feedback und sieht wo die Struktur durch Änderung von Parametern oder kompletten Bauteilen modifiziert werden sollte. Ein Beispiel: Würde man nach der ersten Simulation sehen, dass das Wasservolumen des Speichers während einer Jahresperiode nur zu einem Teil umgewälzt wurde, also der Speicher zu groß dimensioniert wurde (oder umgekehrt zu klein), so ändert man den Parameter für das Speichervolumen oder die Speicherhöhe. Das Programm passt entsprechend alle davon abhängigen Geometrien und Randbedingungen neu an. Jede Wärmekraft- oder Kraftwärmemaschine (BHKW, Wärmepumpe) erreicht den besten Wirkungsgrad und den geringsten Verschleiß unter Dauerbetrieb nahe der Auslegungsleistung. Ein stark intermittierender Betrieb, wie ständiges Ein- und Ausschalten oder ein schneller Wechsel zwischen Teil- und Volllast, reduziert die Lebensdauer der Wärmemaschinen erheblich (Belting 1991). Die Steuerung muss solche Punkte beachten und ein intelligentes Lastmanagement durchführen. Solarkollektoren lassen sich z.B. zwischen den beiden Grenzzuständen des maximalen Wirkungsgrads (minimale Fluidtemperatur) und der maximalen Fluidtemperatur (minimaler Wirkungsgrad) betreiben. Vorüberlegungen haben zu dem folgenden Konzept Anlass gegeben: Die Kollektoren werden mit niedriger Temperatur (hohen Wirkungsgrad) betrieben und der Überschussstrom der Photovoltaik im Sommer zur Mittagszeit genutzt, um die Temperatur im Speicher mittels Wärmepumpe zu erhöhen. Dies sollte bessere Gesamtwirkungsgrade erbringen. Ein weiteres Konzept sieht vor, den Einsatz von fossilen Energieträgern möglichst auf den Sommernacht- und Winterbetrieb zu beschränken. Dabei sollten die Wärmemaschinen möglichst gleichmäßig betrieben und Schwankungen des Stromsaldos durch einen Strom-Netzverbund ausgeglichen werden.

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Die Investitionskosten des Kraftwerkes werden aus dem Datenmodell generiert. Hierzu ist eine Mengenermittlung aus der Geometrie erforderlich. Dies wird ermöglicht, indem den Bauteilen spezifische Informationen in Form von Attributen hinzugefügt werden. Mit dieser Thematik befasst sich das BIM (Building Information Modeling). Die Mengen für die Betriebs- und externen Energiekosten erhält man aus den Ergebnissen der Simulation. Die Gesamtkosten ergeben sich dann aus einer Bewertung mittels Kostenansätzen.

4.

Übersicht von Programmsystemen zur Kraftwerkssimulation

Die Softwaresimulation von Kraftwerken wird bereits seit den 1960er Jahren parallel zur Computerentwicklung betrieben. Die klassische Kraftwerksberechnung ist dabei im Grunde eine Kreislaufberechnung von Wärmekraftsystemen. Die Entwicklung ging dahin, dass zunächst stationäre Systeme, Teilsysteme und einfache Kreisläufe geringen Umfangs berechnet wurden (Stamatelopoulos 1996). Einen guten und umfassenden Einstieg in die heutige numerische Simulation von Kraftwerken mit Feuerungen bildet das Buch von Epple et al. (Epple 2012). Alle Arten von Kreisläufen und Komponenten wie z.B. Wärmeerzeuger, Wärmetauscher, Turbinen, Kondensatoren, Wärmespeicher, Druckanlagen, Wärmenetze, etc. können heute objektorientiert, dynamisch, strömungstechnisch, mehrphasig simuliert werden (Mühlthaler 2000, Zindler 2008, Icking 1994, Franke 1998). Dies geschieht zum Teil mithilfe allgemeiner Simulationsumgebungen wie Matlab/Simulink, MAPLE, DIVA, SpeedUp (Wagner 1999), Smile (TU-Berlin) oder kommerzieller Systeme, wie z.B. Aspen Plus, Ebsilon, KPRO, TRNSYS7 (Giglmayr 2001) oder ANSYS8. TRNSYS ist ein modular aufgebautes Programm, das in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde und vor allem für die Gebäudesimulation und für aktive Solarsysteme benutzt wird. Es ist bis heute eines der am häufigsten eingesetzten Programme, speziell auch im Bereich der Simulation von Solarsystemen. Für die Wärmespeicherung sind aber nur Module für (gebäudeintegrierte) Kleinspeicher verfügbar (Raithel 1999). Die Benutzeroberfläche wurde im Laufe der Zeit heutigen Standards angepasst. Die Nutzung von saisonalen Wärmespeichern hatte einen Höhepunkt in den Skandinavischen Ländern und Mitteleuropa bis ca. Ende der 1990er Jahre (STATUSBERICHT `98, Statusseminar 2006, S. 21). Danach wurden nur noch wenige Anlagen gebaut. Die Gesamtanzahl errichteter Speicher ist überschaubar und liegt europaweit bei unter 50 Stück (OTTI 2007). Die Speicher 7

(http://www.transsolar.com/__software/docs/trnsys/trnsys_uebersicht_de.htm) aufgerufen 14.06.2013

8

(http://www.ansys.com/Products) aufgerufen 18.06.2013

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besitzen dabei ein maximales äquivalentes Wasservolumen von ca. 15.000 m³. Das hier beschriebene Solarkraftwerk verfügt über ein Speichervolumen von ca. 50.000 – 500.000 m³. Die bisher errichteten Anlagen wurden im Rahmen von Forschungsprojekten errichtet und werden zum Teil unter realen Einsatzbedingungen betrieben. Existierende Simulationsprogramme können nur Teile der Anforderungen umsetzen. Das entscheidende ist das Zusammenspiel aller Anforderungen in einem „ganzheitlichen“ System. Dies erst macht es möglich schnelle Fortschritte hin zum Entwurf eines kostenminimalen Solarkraftwerkes zu erzielen.

5.

Umsetzung einer Simulationsumgebung für ein Solarkraftwerk

Die Simulationsumgebung (s. Abb. 3) setzt sich aus einen Projektteil, der das eigentliche Solarkraftwerk verwaltet und einem allgemeinen Teil, der übergeordnete Datenbibliotheken enthält, zusammen. Die Datenbibliotheken verwalten universell nutzbare Informationen vom Erzeugen neuer Bauteilmodelle oder Strahlungsempfänger, bis hin zum Ändern von Materialwerten, Kostenansätzen oder Klimadaten.

Abbildung 3: Schematische Struktur für eine Simulationsumgebung

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Über das User-Interface werden alle notwendigen Informationen für das Projekt gesetzt, wie Geometrie, Netzgenerierung, Auswahl geeigneter physikalischer Modelle, Randbedingungen. Anschließend wird die Simulation gestartet. Ein im Hintergrund laufendes Monitoring überwacht die numerischen Berechnungen der Simulation und kann entsprechende Aktionen bei inkonsistenten Zuständen auslösen. Ergibt die daran anschließende Überprüfung eine zulässige Lösung, wird diese im Projekt zusammen mit einer Fehlerberechnung der Ergebnisse gespeichert. Die Simulation umfasst im Wesentlichen die Berechnung von Kreislaufprozessen und dissipativen Energieverlusten. Existieren keine Phasenübergängen im Wärmekreislauf, dann beschränkt sich die Kreislaufberechnung auf die Bestimmung der Massenströme, Drücke und Temperaturen. Die zugehörigen mathematisch-physikalischen Modelle sind dynamisch und nichtlinear und von algebraisch-differentialgeometrischer Natur. Die Differentialgleichungen werden mittels Finite-Volumen-Methode (FVM) in algebraische umgeformt. Die FVM ist für Bilanzgleichungen besonders gut geeignet, da sie konservativ ist und damit die Größen erhält. Eine analytische Lösung ist bei komplexen Systemen nicht möglich, weshalb für die numerische Berechnung eine Orts- und Zeitdiskretisierung erfolgt. Nach der Topologie der Verschaltung (Abb. 2) werden die einzelnen Gleichungen zu einem großen nichtlinearen Gleichungssystem gekoppelt. Dazu werden Algorithmen der Graphentheorie angewendet. Anschließend wird das Gleichungssystem für jeden Zeitschritt im Ganzen gelöst (simultan). Die Lösung eines nichtlinearen Gleichungssystem ist numerisch besonders aufwändig, da in der Regel nur iterativ möglich und mit Existenz- und Stabilitätsproblemen verbunden (zum Lösungsweg s.a. Epple 2012). Es kann auch erforderlich werden, dass Teile des Systems aus Stabilitätsgründen mit einer anderen Zeitdiskretisierung berechnet werden müssen. Aus diesem Grunde kann auch nur das Kriterium einer weichen Echtzeit vorgegeben werden, da die exakte Berechnungsdauer im Voraus nicht bestimmt werden kann. Ein Schwerpunkt wird dabei auf den Einsatz von Lösungsverfahren gelegt, die wenn möglich Algorithmen von niedriger Ordnung verwenden. Das Optimum wären lineare Verfahren, die sich aber nur in Spezialfällen realisieren lassen. Die Ordnung des Lösungsverfahren (n, n log(n), n², n³, etc.) hat dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Berechnungsdauer der Simulation. Spezielle Rechnertechniken wie HPC, Accelerators oder GPU-Computing9 sollen hier zunächst nicht betrachtet werden, da sie nur einen konstanten Einfluss auf die Performance der Berechnung haben.

9

HPC - high performance computing (Hochleistungsrechner - Parallelverarbeitung); Accelerator – GPU graphics processing units (Hardwarebeschleunigung - Rechnen auf Grafikkarten).

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Ein weiterer wichtiger Teil des Programms wird die Modellierung der Hybridmodule (Strahlungsempfänger) sein. Das Hauptmerkmal ist dabei die Unterscheidung zwischen konzentrierenden und nichtkonzentrierenden Systemen. Auch hier sollen verschiedene Varianten in ihrem Ertragsverhalten und Kostenaufwand untersucht werden. Für nichtabbildende Systeme auf Basis von Linsen siehe z.B. Leutz et al. (Leutz 2001). Inwiefern vorhandene Simulationsprogramme und Simulationsmodellierungssprachen (z.B. SysML, Modelica) sinnvoll eingesetzt werden können, gilt es noch zu untersuchen.

6.

Zusammenfassung und Ausblick

Der hier vorgestellte Ansatz für eine Simulationsumgebung dient der Vorbemessung von Solarkraftwerken in gemäßigten Klimaregionen wie Deutschland. Die Kraftwerke werden mit fossiler Zusatzenergie betrieben, also in hybrider Arbeitsweise, um einen kontinuierlichen Betrieb zu garantieren. Aufgrund der in diesen Regionen überwiegend diffusen Solarstrahlung liegt der Schwerpunkt auf der Umwandlung in Niedertemperaturwärme für die Raumerwärmung und nur zum geringen Teil auf der „Stromproduktion“. Dies macht auch Sinn, da in den gemäßigten klimatischen Regionen ein höherer Wärme- als Strombedarf besteht. Ziel und Zweck ist es die Wirtschaftlichkeit solcher Kraftwerke im Vergleich zu existierenden klassischen Energieerzeugungsanlagen zu untersuchen. Dabei sollen die tatsächlichen Kosten und Erträge und damit die Energiegestehungskosten mit einer Genauigkeit von ca. ± 10%, im Sinne eines Kostenanschlags, bestimmt werden. Mit Hilfe von Parametervariationen und Änderungen der Kraftwerksstruktur können lokale Minima der Energiegestehungskosten gefunden werden. Diese Lösungen sind genauer zu untersuchen, indem eine detailliertere konstruktive Durchbildung und Kostenberechnung durchgeführt wird. Die Simulationsumgebung dient am Ende dazu, die wirtschaftlich geeignetsten Strukturvarianten herauszufinden. Bisher wurden am Fachbereich (Westphal 2013) vor allem mathematisch - physikalische Grundgleichungen

für

Strahlungsmodelle,

Thermodynamik,

Elektrizitätslehre

und

Strömungsmechanik sowie spezielle Gleichungen für Komponentenmodelle erarbeitet. Darüber hinaus wurden Gleichungen zur Vordimensionierung des Speichers und der Heizzentrale entwickelt. Zahlreiche Kostenansätze speziell auch für das Nahwärmenetz wurden zusammengetragen. Im Ausblick soll der gesamte Bereich der Numerik und Geometrie formuliert werden, bevor dann eine Softwareumsetzung begonnen wird.

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