Anderen helfen, Gott zu erfahren

Absolvententag 2014 Referat 2: Anderen helfen, Gott zu erfahren Anderen helfen, Gott zu erfahren Einleitung Jetzt geht es also darum, wie wir Mensch...
4 downloads 0 Views 170KB Size
Absolvententag 2014

Referat 2: Anderen helfen, Gott zu erfahren

Anderen helfen, Gott zu erfahren Einleitung Jetzt geht es also darum, wie wir Menschen helfen können, Gott zu erfahren. Wie der Titel schon sagt: Wir können anderen höchstens helfen, Gott zu erfahren, aber wir können nie Erfahrungen für andere mit Gott machen. Und um unsere Position im Ganzen noch ungemütlicher zu machen, kommt hinzu: Wir verfügen auch nicht über Gott und können in Sachen Gotteserfahrungen deshalb keinerlei Garantien „auf Erfolg“ abgeben. Das wiederum garantiert allerdings uns schon einmal eine Gotteserfahrung der einen oder anderen Art . Somit ist der Rahmen gesteckt: Gotteserfahrungen sind grundlegend für uns Menschen, um überhaupt Gott vertrauen zu können; wir werden nur einem Gott vertrauen, der sich uns als vertrauenswürdig erwiesen hat. Wenn dem nicht so ist, sitzen wir lediglich einer Ideologie auf. Gleichzeitig können wir diese Erfahrungen weder für uns, geschweige denn für andere einfach so machen oder organisieren. Wir sind keine geistlichen Eventmanager. Zudem funktioniert das Gesetz der Kausalität im Zusammenhang mit Gotteserfahrungen nicht, auch wenn die grossen christlichen Traditionen das implizit voraussetzen:  Die römisch-katholische Theologie z. B. geht davon aus, dass der Geist durch die Sakramente immer wirkt. Ich nehme einmal an, dass dieser Weg für uns in letzter Konsequenz nicht gangbar ist, aber gleichzeitig müssen wir eingestehen, dass einiges auch für ihn spricht. Ganz offen gestanden spricht für mich sogar sehr viel für dieses Modell.  Die Reformierten sind diesbezüglich schon ein wenig nüchterner: Hier wird davon ausgegangen, dass wo immer das Wort verkündet wird, auch der Geist wirkt. Das Wort kann nicht „leer“ zurückkommen. Auch das überzeugt mich, verkörpert jedoch im Vergleich zum katholischen Verständnis eine Art Schmalspurbahn. Zumindest besteht latent die Gefahr, das Wirken des Geistes auf einen eher rationalen Vorgang zu beschränken.

Um den Menschen zu helfen, Gott zu erleben muss man als katholischer Priester somit die Sakramente und als reformierte Pfarrerin das Wort austeilen. Fragt man nach dem pfingstlich-charismatischen Modell, dann fällt die Antwort sehr unterschiedlich aus – je nach dem, wie der Geist gerade wirkt. Je nach Vorliebe lernt man dabei an einer Schule zu heilen, prophetisch zu reden oder was auch immer. Auf jeden Fall kommt das Ganze zuweilen sehr individualistisch und pragmatisch daher – was durchaus seinen Wert hat. Der grosse Unterschied zu den beiden Volkskirchen besteht zudem darin, dass es keinen „sicheren“ Weg gibt, wie das Wirken des Geistes bei einer Drittperson „ankommt“. Im schlimmsten Fall gibt es viele Theorien dazu, wie „der Geist ganz bestimmt wirkt“, und im besten Fall besteht die grosse Erwartung, dass der Geist konkret in dieser Welt wirkt, ohne genau festzulegen wie. Im Gegensatz zu den Volkskirchen hat man sich bei den Pfingstlern nicht auf eine hauptsächliche Art festgelegt (Sakrament und Wort, ohne jedoch andere Arten des Wirkens auszuschliessen), sondern hier wird eine sehr breite Spur gefahren. Matthias Wenk

18.1.2014

1/5

Absolvententag 2014

Referat 2: Anderen helfen, Gott zu erfahren

Aber so ganz ausgehalten wird die Spannung doch nicht, und so werden verschiedene Methoden – man würde ja nie von Sakramenten sprechen – angepriesen. Je nach Geschmack kann man an einer Schule lernen zu heilen, an einer anderen prophetisch zu reden und an einer dritten, Gemeinden zu gründen. Dieser pragmatische Ansatz hat viel für sich, solange man sich eingesteht, dass er auch gewisse „sakramentale Züge“ hat. Ich möchte nun versuchen das Beste aus allen diesen Ansätzen herauszuheben, um so eine mögliche Antwort zu finden auf die Frage: Wie können wir anderen helfen, Gott zu erfahren? Stellvertretendes Handeln und Gott vertrauen Ich möchte mit dem römisch-katholischen Modell anfangen: Ganz nüchtern betrachtet verteilt hier ein Mann ein wenig Oblaten und gibt sie den Leuten zu essen. Für eine aussenstehende Person ist das nichts Besonderes, allenfalls noch eine nette Geste, wie jemand einer anderen Person etwas gibt, was diese nicht hat. Doch das ist wichtiger, als er auf den ersten Blick erscheint: Hier redet ein Mensch nicht bloss über Gott, sondern er handelt für eine andere Person und gibt ihr etwas. Ganz genau genommen wird hier etwas geteilt. Gleichzeitig wird darauf vertraut, dass das, was hier geschieht, mehr ist, als bloss das Verteilen von Oblaten. Hier wird Christus ausgeteilt, der dann von der empfangenden Person aufgenommen wird und in ihr wirkt. Zur rein äusseren Handlung kommt das Vertrauen hinzu, dass es Gott selber ist, der durch diese Handlung wirkt. Und in diesem Moment wird die Handlung als mehr erlebt, als lediglich das Essen von irgendwelchen komischen Oblaten. Eine Person handelt, eine andere empfängt und beide vertrauen darauf, dass in ihrer Handlung Gott gegenwärtig ist. Natürlich kann man diesem Modell vorwerfen, es habe das Vertrauen durch eine gewisse Form kirchlicher „Staatsgarantie“ ersetzt, doch ohne Vertrauen kommt dieses Modell nicht aus. Der Vorteil dem reformierten Modell gegenüber ist, dass eine sichtbare, äusserlich wahrnehmbare Handlung im Vordergrund steht, während auf protestantischer Seite die Gefahr besteht, dass sich das Teilen und Empfangen eher auf der kognitiven Ebene abspielt oder ein reines Hörereignis bleibt. Aber auch dort spielt das Vertrauen eine grosse Rolle: Wer nicht auf das Wirken des Geistes vertraut, wird kaum predigen. Allerdings gerät die sichtbare Handlung zugunsten einer anderen Person etwas in den Hintergrund. Nachteilig an beiden Modellen ist, dass sie klar in Geber und Empfänger aufgeteilt werden können und zu einer Klerikalisierung der Kirche führen. Auf der pfingstlich-charismatischen Seite wiederum steht wie beim römisch-katholischen Modell die Handlung im Vordergrund, jedoch ohne auf das Sakrament beschränkt zu sein. Dafür kann es hier schon einmal vorkommen, dass man sich fragen muss, ob dem Geist überhaupt vertraut wird, dass er wirke. Die endlosen Repetitionen in Predigten und Liedern lassen einem vermuten, dass zuweilen den eigenen Worten mehr vertraut wird als dem Wirken des Geistes. Die Stärke dieses Ansatzes

Matthias Wenk

18.1.2014

2/5

Absolvententag 2014

Referat 2: Anderen helfen, Gott zu erfahren

jedoch ist, dass die Rollen von Geben und Empfangen nicht ganz so klar verteilt sind und alle immer sowohl geben wie auch empfangen können. Zusammengefasst können wir sagen: Wenn wir Menschen helfen wollen, Gott zu erfahren, werden wir handeln müssen. Mehr noch, wir werden darauf vertrauen müssen, dass in dem, was wir tun, mehr geschieht, als was wir augenfällig tun. Voraussichtlich aber werden Menschen Gott kaum erleben, wenn wir nicht handeln. Die ganzen Missionsreisen des Paulus und Mission ganz allgemein lässt sich nur so erklären: Wenn Paulus davon ausgegangen wäre, dass Gott sich einfach so den Menschen offenbare, so dass sie ihn als ihren Gott erfahren können, dann hätte er ruhig zu Hause bleiben können. Mission macht nur dann Sinn, wenn wir davon ausgehen, dass Gott in und durch unser menschliches Handeln für andere erfahrbar wird. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, doch diese Ausnahmen bestätigen gerade die Regel. Eine solche ist die Geschichte von Cornelius: Hier hat sich Gott durch einen Engel dem Cornelius offenbart. Doch das nur, um ihm mitzuteilen, er solle einen gewissen Simon Petrus rufen lassen, der ihm alles Weitere dann schon erklären werde. Und auch Simon Petrus hat eine Gotteserfahrung der besonderen Art gehabt, diese aber nicht ohne die Hilfe von Cornelius richtig verstehen können. Selbst da, wo Engel und unmittelbare Gotteserfahrungen (so es das gibt) im Spiel sind, kommen sehr schnell schon wieder andere Menschen zum Spiel hinzu. Bleibt die Frage: Wie sollen wir handeln, damit andere Gott erfahren? An Gottes Stelle vertrauensvoll handeln Im vorherigen Referat habe ich festgehalten, dass in der Bibel vor allem die Erfahrung des Lebens und der Rettung im Sinne von der Bewahrung des Lebens mit dem Wirken des Geistes verbunden wird. Und wenn es nun darum geht, so zu handeln, dass Menschen genau diese Erfahrungen machen können, dann heisst das: Wir werden uns zuerst immer fragen: Wo und wie ist das Leben der Menschen, mit denen ich arbeite, gefährdet und wie kann ihr Leben in einem ganzheitlichen Sinn aufblühen? Auf den Nenner gebracht heisst das: Wenn Gott durch seinen Geist Leben, Heil und Befreiung bewirkt, dann muss unser Handeln darauf aus sein, dass die Menschen genau das erleben. Und das werden sie nur, wenn wir uns ganz mit ihnen solidarisieren, so wie sich der Geist Gottes mit einer sich nach Erlösung sehnenden Schöpfung solidarisiert (Röm 8,18-30). Diese gelebte Solidarität macht aus unserem Beruf eben eine Berufung. Zudem bedingt sie, dass durch unser Handeln heute schon sichtbar wird, was Gott den Menschen schenken will. Natürlich wird das immer nur bruchstückhaft erlebt werden und nur zeichenhafter Natur sein (wie die Sakramente ja auch). Deshalb handeln wir ja auch vertrauensvoll. Und wenn wir vertrauensvoll handeln, dann wird dadurch das sichtbar werden, was wir möchten, dass die Menschen mit Gott erleben.

Matthias Wenk

18.1.2014

3/5

Absolvententag 2014

Referat 2: Anderen helfen, Gott zu erfahren

Das bedeutet nicht, dass wir Gott „herbeihandeln“, noch dass wir sein Heil als Kirche verwalten können. Es wird immer eine Sache des Vertrauens bleiben. Es heisst aber, dass die Menschen um uns herum Gott immer durch uns erleben werden. Und somit führt kein Weg an der Hingabe, an der Liebe und an der radikalen Ausrichtung auf die Werte des Reiches Gottes vorbei. Es wird schwierig sein für die Menschen, Gottes Gnade zu erleben, wenn in der Kirche vorne nur die Schönen und Erfolgreichen stehen dürfen. Es wird schwierig sein für die Menschen, Gottes Gerechtigkeit zu erleben, wenn in der Kirche recht hat, wer reich oder erfolgreich ist. Und es wird schwierig werden für die Menschen, Gottes versöhnende Kraft zu erfahren, wenn in der Kirche die Un-Versöhnung den Ton angibt. Und es wird schwierig sein für die Menschen, etwas von der Freiheit Gottes und der Bedeutung zu erleben, die er ihrem Leben gibt, wenn im Gottesdienst nur Profis reden dürfen und es keinen Raum gibt, damit Leute sich aktiv daran beteiligen können. Menschen zu helfen, Gott zu erfahren, ist somit keine Frage der richtigen Technik, sondern eine Frage nach dem richtigen Lebenswandel – um dieses alte Wort zu bemühen: Durch unser Leben muss für andere erfahrbar werden, was sie mit Gott erleben sollen und erleben können. Ob wir es wollen oder nicht: Wir handeln an Gottes Stelle. Wenn ich in meinem Leben zurückdenke dann lief das genau so ab: Durch die Annahme, die ich in der Gemeinde erlebt habe, wurde für mich greifbar, dass auch Gott mich angenommen hat. Durch die Solidarität in Zeiten der Krise habe ich erfahren, dass Gott mich nicht verlässt. In der Konfrontation meiner Sünden und meines Versagens durch andere habe ich erfahren, dass auch Gott mit mir über meine Sünden reden möchte. Heisst das, dass wir das Wort Gottes gar nicht mehr brauchen, weil Gott einzig durch unser Handeln erfahrbar wird? Eher nicht. Wie wüssten wir, wie wir dem Reich Gottes entsprechend handeln sollen, wenn nicht durch das Evangelium? Und in den biblischen Texten sehe und höre ich, wie Gott mit anderen Menschen umgegangen ist. Aber selbst um eine ganz persönliche Gotteserfahrung durch die Bibel zu machen, bin ich auf Menschen angewiesen, die sie aufgeschrieben, übersetzt, gedruckt und mir verkauft haben. Der Gedanke, dass wir hier an Gottes Stelle handeln, könnte Angst machen. Und das macht er mir auch, und genau deshalb sind ja auch alle Unheilsgeschichten rund um die Kirche so tragisch: Sie verzerren das Bild Gottes in dieser Welt. Aber andererseits gibt er uns Menschen auch eine grosse Würde: Gott hat sich an uns gebunden und wir können anderen Menschen helfen, ihn zu erfahren. Diese Würde wird jedoch wohl nur über den Preis der Hingabe zu erlangen sein. Das ist zwar nicht gerade ein modernes Konzept, aber ein sicherer Weg um anderen zu helfen, Gott zu erfahren. Schliesslich hat genau dieser Gott, den sie erfahren sollen, sich ja auch vorbehaltlos uns Menschen hingegeben. Matthias Wenk

18.1.2014

4/5

Absolvententag 2014

Referat 2: Anderen helfen, Gott zu erfahren

Fazit Mein Fazit lautet ganz einfach: Machen wir, was wir machen, von ganzem Herzen und vertrauen darauf, dass gleichzeitig viel mehr dadurch geschieht, als wir machen können. Und wenn wir zwischendurch nicht sicher sind, ob das, was wir machen, auch wirklich hilfreich ist, damit Menschen Gott erfahren können, dann fragen wir uns: Welcher Aspekt Gottes und welcher Wert seines Reiches wird durch unser Handeln für andere erlebbar? Erfahren sie dadurch etwas von der Heiligkeit, der Liebe, dem Frieden, der Freiheit Gottes? Und wenn ja, dann machen wir frohgemut weiter im Vertrauen darauf, dass Gott selber das machen wird, was wir nie machen können.

Matthias Wenk

18.1.2014

5/5