Neurobiologische Erkenntnisse für einen gelungenen DaF-Unterricht
Neurobiologische Erkenntnisse für einen gelungenen DaF-Unterricht
AMPAL-Jubiläumstagung 2017 Villahermosa, Tabasco
Folie Nr. 24.04.2017
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PD Dr. phil. habil. Marion Grein
Neurobiologische Erkenntnisse für einen gelungenen DaF-Unterricht
Allgemeines: Lernen und die Neurobiologie – Neuropsychologie – Neurodidaktik • Die Erkenntnisse der Neurobiologie sind nicht dergestalt, dass sie die gesamten bildungswissenschaftlichen Erkenntnisse quasi über den Haufen werfen und absolut Neues, Revolutionäres für den Unterricht bringen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Lernprozessen und ermöglichen eine Unterstützung bereits bekannter pädagogischer Anliegen. • Dabei bestätigen und ergänzen vor allem bildgebende Verfahren („neuroimaging“; Kernspin- und Magnetresonanz-Tomographie, Positronen-Emissions-Tomographie, EEGs, eyetracking) Erkenntnissen der Bildungswissenschaften/Pädagogik. Ganz allgemein: da, wo gerade Aktivität stattfindet im Gehirn (Lernen, Freude, Trauer, etc.) kann man genau erkennen, weil diese Gebiete stärker durchblutet sind. .
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Methoden: Neurolab; Linguistiklabor EEG, eyetracker
Mediziner
Urin- & Speichelmessung; kostenintensiv! Folie Nr. 24.04.2017
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Wie funktioniert lernen? Lernen = Aufbau von Neuronenpopulationen
100 Milliarden Neuronen; 1 Neuron bis zu 10.000 synaptische Verbindungen 100 Milliarden bereits bei der Geburt, aber nicht verknüpft
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Noch im Mutterleib entwickeln sich die 100 Milliarden Neuronen
Ersten Hälfte der Schwangerschaft: pro Minute etwa 500.000 Neuronen Sprachrezeption beginnt im letzten Drittel der Schwangerschaft Babys im Alter zwischen 2 und 9 Monaten: Können alle Laute (Phoneme) der Sprachen der Welt hören und unterscheiden – eine Fähigkeit, die sie bald schon wieder sukzessive verlieren.
Gehirn von 250g auf 750g im ersten Lebensjahr (1400g Erwachsener)
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Im Gehirn ist das Wissen in Form von neuronalen Netzen gespeichert, jede neue Information verändert die neuronale Struktur des Gehirns (-> Plastizität). Feste Wissensbestände bilden starke neuronale Netzwerke; eine neue sehr sehr leichter Verknüpfung entsteht bereits nach ca. 20 Minuten Training -> Netzwerk nach ca. einer Woche „Nichtaktivierung“ wieder gelöscht.
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Das limbisches System (u.a. Hippocampus, Amygdala) ist das Zentrum für bewusste und unbewusste Emotionen Jeder Reiz wird hier emotional bewertet!
Limbisches System Quelle: nach Spektrum der Wissenschaften Erste Hürde: das limbische System muss die Information als relevant bewerten -> zentral ist hier die Lehrperson, als auch die angekündigte Methode Folie Nr. 24.04.2017
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Das limbische System wird auch im Unterricht mit vielen Reizen konfrontiert. Umgangssprachlich: zum einen Ohr rein, zum anderen hinaus -> das, was vom limbischen System nicht aufgenommen wird, kann auch nicht weitergeleitet und damit gelernt werden
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Alles, was durch den „Torwächter Limbisches System“ durchkommt, verändert die Struktur des Gehirns -> Plastizität des Gehirns -> neue Verbindungen zwischen den Neuronen!
Methode xy, z.B. Stationenlernen
Limbisches System
Unterschiedliche Reize werden als relevant eingeschätzt Unterschiedliche Lehrpersönlichkeiten werden als motivierend eingeschätzt Unterschiedliche Methoden/Aktivitäten werden durch das limbische System anders bewertet
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Nur die Reize, die weiter geleitet werden, werden von Neuron zu Neuron zum Cortex (über das Arbeitsgedächtnis zum Langzeitgedächtnis) weitergegeben – und auch hier zeigt sich die Individualität der Lernenden; die Weiterleitung erfolgt größtenteils über Neurotransmitter.
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Acetylcholin: Aufmerksamkeit, bessere Speicherung je nach Alter 8-25 Minuten!! Dopamin: (Neugierde, Konzentration, Handlungsbereitschaft): -> ausgewogen Dopamin (durch Lob z.B.): bessere Speicherleistung -> Motivation; [endogene Opioide]; Serotonin -> Glückshormon (Blutmessung) -> Sport & Bewegung: Endorphine Noradrenalin: (Wachheit, Aufmerksamkeit, Reaktionsbereitschaft): richtige Menge -> gutes Lernen (Eustress), zu viel -> kein Lernen (black out) - Speichelmessung https://swisshealthmed.de/index.php/Hormontest_bestellen.html Folie Nr. 24.04.2017
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Stresskurve: Langeweile – Eustress – Distress (Noradrenalin)
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1) Neurotransmitter müssen „ausgeglichen“ sein, also weder zu hoch, noch zu niedrig 2) Unterschiedliche Reize (Lernmethoden, Lehrpersonen) rufen bei Menschen unterschiedliche Reaktionen hervor 3) Grundprinzip: „Akzeptanz“ -> Motivation -> Lernerfolg vs. „Ablehnen“ -> Distress -> Lernblockade 4) Messungen der Regionen die „aktiv“ sind -> EEG Wo findet Aktivität statt? „Freude“ -> u.a. präfrontaler Cortex, links Verarbeitung des Belohnungsreizes und Aktivierungsbereiche bekannt Meine Mitarbeiterin … EEG in Kombination mit Eyetracker Folie Nr. 24.04.2017
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Bsp. Musik
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Darüber hinaus: Speichel-, Urin- oder Blutmessung: Neurotransmittelgehalt Im Bereich der Medizin: Mikrokatheter im Gehirn (Hirntrauma-Patienten)
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Kurzwiederholung:
Emotionen
Neurotransmitter-Cocktails
+ Motivation
Ein und dieselbe „Aktivität“ wird von Lernenden unterschiedlich bewertet! -> Lernstile und Lernkultur
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Unterschiede als Kontinuum zu verstehen, also z.B. bezüglich selbstgesteuertem Lernen Absolute Autonomie Vollständige
Fremdsteuerung
Regelgesteuert – selbst entdeckend Reproduzieren – kreativ tätig sein Einstellung zu Fehlern
Spiele, Projekte – Lehrerzentrierung
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Lernstile (auch intellectual styles) – Definitionen Definition nach Grotjahn 2003: 326f.: „In dieser weiten Bedeutung bezeichnet der Terminus Lernstil intraindividuell relativ stabile, zumeist situations- und aufgabenunspezifische Präferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung als auch bei der sozialen Interaktion.“ Auf internationaler Ebene hat sich der Begriff des „intellectual style“ herausgebildet als Überbegriff für verschiedene Stilkonzepte, die einen Stil in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen als Präferenz für kognitive Komplexität, Strukturiertheit, Konformität, Autonomie und soziale Eingebundenheit bei der Bearbeitung von Aufgaben beschreiben (vgl. Zhang/Sternberg 2005). Unter diesen Begriff der „intellectual styles“ werden Stilkonzepte gefasst, die einen Stil als Präferenz für Wege der Informationsverarbeitung und den Umgang mit Aufgaben beschreiben (vgl. Zhang/Sternberg 2005, 2; Zhang/Sternberg/Rayner 2012, 1).
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Übergeordneter kognitiver Lernstil: die Feldabhängigkeit (Witkin) Feldabhängigkeit/Feldunabhängigkeit Grad, in dem die Umwelt die Informationenaufnahme und Informationsverarbeitung beeinflusst Feldabhängig -> das Umfeld des Lernens nimmt eine wichtige Rolle ein • • • • •
Mag ich den Lehrenden? Ist mir die Lerngruppe sympathisch? Sind die Räumlichkeiten lernförderlich? Gefällt mir das Lehrwerk? Gefallen mir der Aufbau des Unterrichts und die Methoden?
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Feldunabhängig -> das Umfeld spielt keine zentrale Rolle Wenn ich etwas lernen möchte, ist mir das „Umfeld“ recht egal – ich kann auch mit einer weniger sympathischen Lehrkraft, einem mäßigen Lehrwerk, einer nicht zu mir passenden Lernendengruppe lernen, wenn ich intrinsisch motiviert bin – ich schaffe mir dann meinen eigenen Weg zu lernen -> Bei feldabhängige Lernenden sagt das limbische System schneller: Und bei Methoden, die sie entweder nicht kennen (Lernkultur) oder ihnen weniger liegen, kommt es schneller zu Stressreaktionen -> Beispiel Misophonie
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UMFRAGEErgebnisse einer eigenen Studie Können Sie sich beim Lernen konzentrieren, wenn in Ihrer unmittelbaren Nähe jemand einen Apfel oder eine Karotte isst? Klar, wieso sollte mich das stören Das ist mir noch nie aufgefallen Nein, auf Dauer werde ich nervös, wenn ich dem Geräusch lauschen muss Es macht mich wild, wenn ich das Geräusch höre
30% 27% 31% 12%
Müssen Sie vor dem Arbeiten am PC den Schreibtisch oder gar die Küche aufräumen? Ja, vor der Arbeit am Schreibtisch muss ich erst alles aufräumen Ja, sowohl Schreibtisch als auch Küche müssen aufgeräumt sein, eh ich loslegen kann Nein, der Schreibtisch sieht doch eh gleich wieder unordentlich aus Nein, ich arbeite am besten im Chaos
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Feldunabhängige lernen z.B. gerne mit dem Internet, Lernprogrammen, Serious Games, selbstständig mit eigenen Projekten Feldabhängige bevorzugen meist das Lernen in Gruppen mit Menschen, die ihnen sympathisch sind, sie sind stärker auf den Lehrenden fixiert Bitte nicht vergessen: es handelt sich um ein Kontinuum! Weitere Lernstile (zahlreiche Klassifizierungen) Holistisch -> Gesamtbild steht im Vordergrund -> top-down Analytisch-> kleine Details werden zu einem Ganzen zusammengefügt -> bottom-up Beispiel: Tempussystem: manche Lernende möchten erst mit dem kompletten System konfrontiert werden; andere möchten erst nur Präsens und dann sukzessive die anderen Tempora lernen Problem: der Lehrende unterrichtet nach seinen Vorlieben
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Analytischer Lernstil -> Der Analytiker konzentriert sich auf die Details einer Sprache. Für ihn sind Grammatikregeln sehr wichtig und er zerlegt gerne Wörter und Sätze. Beim Sprechen in der Fremdsprache versucht er, Fehler zu vermeiden und überlegt länger, wie er sich möglichst akkurat und korrekt ausdrückt Handlungsorienierter Lernstil -> Sprache anwenden, ausprobieren, Sprachbad, keine konkreten Grammatikregeln, entdeckendes Lernen; Fehler sind okay, solange man versteht, was sie ausdrücken wollen
Ansätze der Lernerautonomie/selbstentdeckendes Lernen sind also vor allem für feldunabhängige, handlungsorientierte Lernende perfekt Abgrenzung zu Lernertyp: Hier geht es um den bevorzugten Kanal der Reizaufnahme (visuell, auditiv, haptisch, etc.) -> in aktuellen Lehrwerken werden die unterschiedlichen Reizvorlieben ohnehin berücksichtigt! http://www.bwpat.de/ausgabe/28/masemann; Zhang, Sternberg, Rayner (ed.) (2013) Handbook of Intellectual Styles.. Springer Verlag
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Abhängig vom Lernstil möchte man Immer korrigiert werden – möglichst nur indirekt korrigiert werden Möchte man eher lehrerzentrierten oder stärker lernerautonomen Unterricht Möchte man viele Tests bis hin zu keinen Tests
Bevorzugt man Frontalunterricht oder aber viele Aktivitäten, inkl. Spielen Die neurobiologische Forschung zeigt, dass die Speicherleistung eine bessere ist, wenn man selbst aktiv ist und auch Regeln selbst entdeckt – aber für manche Lernenden scheint die Handlungsorientierung – zumindest zu Beginn – eher kontraproduktiv zu sein … „ich möchte hier nicht spielen & raten, sondern etwas lernen“ -> limbisches System & Adrenalin PD Dr. phil. habil. Marion Grein
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Lernstile sind genetisch und durch die Sozialisation geprägt -> schulische Sozialisation -> Lernkultur Lernkultur ist „die Gesamtheit der für eine bestimmte Zeit typischen Lernformen und Lehrstile sowie die ihnen zugrunde liegenden anthropologischen, psychologischen, gesellschaftlichen und pädagogischen Orientierungen“. (Weinert 1997: 12) Lernende haben also „bestimmte Rollenvorstellungen von sich selbst, bestimmte Erwartungen an den Lehrer, an den Unterricht, an Methoden, […] an Inhalte, Arbeitsund Übungsformen, an Lehrmaterialien und Medien […]“ (Eßer 2006: 8) Wer einen traditionellen, eher kognitiven Zugang „gewöhnt ist“, lehnt „aktuelle, aktivierende“ Aufgaben oftmals zu Beginn/dauerhaft ab! -> Limbisches System / fehlende Reizweiterleitung ABER: „Lernkulturell geprägte Lernstile sind nicht statisch, also veränderbar“!
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Didaktik / Methoden „Schlagwörter“ Kognition Wahrnehmung Emotionaler Zugang
Handlungsorientierung
Lernerautonomie Lernen lernen
Gesprochene authentische Sprache
Lerntipps Lernstrategien „multiple Intelligenzen“
Kooperatives lernen Kreatives lernen Projekte (Lernen durch Lehren) Szenarien
Hör-CDs (Audio)
Lernstile Unterschiedliche Zugänge
Lernerzentrierung, Sprach-, Sprachlern- und Interkulturelle Bewusstheit Folie Nr. 24.04.2017
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Zusammenfassung Die neurobiologische Forschung zeigt: 1. Aktivierung und selbstentdeckendes Lernen bilden neuronale Netze stärker aus 2. Lernstil und vor allem Lernkultur/Lerngewohnheiten beeinflussen den Lernprozess (durch Neurotransmitterweitergabe) jedoch sehr stark 3. DEN einen perfekten Weg zum Unterrichten kann es daher nicht geben. 4. Daher: Vielfältige Ansätze und Übungs-/Aufgabenformen; regelgeleitetes und entdeckendes Vermitteln von Grammatik 5. Der Lehrende ist meist wichtiger als auch das beste Lehrwerk.
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