Aktuelle Judikatur zum Mietrecht

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht FH-Doz. Univ.-Lektor Mag. Christoph Kothbauer Quellennachweis: Christoph Kothbauer, Wöchentlicher Newsletter (www.onl...
Author: Sophia Koenig
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Aktuelle Judikatur zum Mietrecht FH-Doz. Univ.-Lektor Mag. Christoph Kothbauer Quellennachweis: Christoph Kothbauer, Wöchentlicher Newsletter (www.onlinehausverwaltung.at > Akademie)

Christoph Kothbauer, Wohn- und Immobilienrecht

A. Gesetzgebung aktuell 

§ 33 TP 5 Abs 4 Z 1 GebG Abschaffung der Bestandvertragsgebühr für Wohnungsmietverträge mit Wirksamkeit ab 11. November 2017 BGBl I 2017/147

Die in der letzten Nationalratssitzung der letzten Legislaturperiode am 12. Oktober 2017 beschlossene Abschaffung der Vergebührung von Urkunden über Wohnungsmietverträge ist am 10. November 2017 mit BGBl I 2017/147 veröffentlicht worden und am Tag nach dieser Veröffentlichung in Kraft getreten. Damit ist für ab dem 11. November 2017 schriftlich abgeschlossene Wohnungsmietverträge keine Mietvertragsgebühr mehr abzuführen (§ 33 TP 5 Abs 4 Z 1 GebG). Aufrecht bleibt hingegen die Gebührenpflicht für Urkunden über den Abschluss von Bestandverträgen über Geschäftsräumlichkeiten. Unberührt bleibt auch die Gebührenpflicht für Bürgschaftserklärungen (§ 33 TP 7 GebG), die im Zusammenhang mit Wohnungsmietverträgen abgegeben werden. Siehe hierzu die Information des BMF (https://www.bmf.gv.at/topthemen/Abschaffung_der_Gebuehr_Wohnungsmietvertraege.html) Information zur Abschaffung der Gebühr für Wohnungsmietverträge Befreiung gilt ab 11. November 2017 Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am 12. Oktober 2017 die Abschaffung der Gebühr für Wohnungsmietverträge (§ 33 TP 5 Gebührengesetz 1957) beschlossen. Diese Änderung tritt am Tag nach der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Die geänderte Fassung des Gebührengesetzes wurde am 10. November 2017 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2017/147) veröffentlicht. Mietverträge über Wohnraum, die ab dem 11. November 2017 abgeschlossen wurden, sind von der Gebühr gemäß § 33 TP 5 Gebührengesetz generell befreit. Bis zu diesem Tag abgeschlossene Wohnungsmietverträge sind unverändert gebührenpflichtig. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 1

Unter „Wohnräumen“ sind Gebäude oder Gebäudeteile zu verstehen, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind). Wohnzwecken dienen Gebäude oder Räumlichkeiten in Gebäuden dann, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben, speziell auch Nächtigung, zu ermöglichen. Unter die Befreiung fällt nicht nur die Vermietung oder Nutzungsüberlassung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch der mitvermieteten Nebenräume wie Keller- und Dachbodenräume. Auch ein gemeinsam (das heißt im selben Vertrag) mit dem Wohnraum in Bestand gegebener Abstellplatz oder Garten ist, wenn nicht eine andere Nutzung dominiert, als zu Wohnzwecken vermietet anzusehen. Eine überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken liegt vor, wenn das zu Wohnzwecken benützte Flächenausmaß jenes zu anderen Zwecken übersteigt. ***



§ 15a und § 45 MRG iVm § 16 Abs 6 MRG Neue Kategoriebeträge seit 1. Februar 2018 BGBl II 2018/10

Aufgrund der Verlautbarung der endgültigen Indexzahl des VPI 2000 für den Monat Oktober 2017 (= 139,0) wurde mit 1. Februar 2018 eine Erhöhung der mietrechtlichen Kategoriebeträge gemäß § 15a MRG (und damit auch der Beträge für die „Mindestmietzinse“ nach § 45 MRG) mietrechtlich wirksam. a)

Allgemeines

Gemäß § 16 Abs 6 MRG wurden auf der Grundlage des Wertes des VPI 2000 für den Monat Oktober 2017 (= 139,0) am 1. Februar 2018 neue mietrechtlichen Kategoriebeträge nach § 15a MRG (und damit auch neue Beträge für die „Mindestmietzinse“ nach § 45 MRG) mietrechtlich wirksam. Dieser Kategoriesprung ist darauf zurückzuführen, dass – ausgehend von der Indexzahl des VPI 2000 für den Monat Dezember 2013 (132,2) als Vergleichswert – mit der Indexzahl des VPI 2000 für Oktober 2017 (139,0) der für die Valorisierung der Kategoriebeträge maßgebliche gesetzliche Schwellwert von 5 Prozent überschritten wurde. Die neuen Kategoriebeträge gelten gemäß der Valorisierungsregel des § 16 Abs 6 MRG ab dem der Verlautbarung der Indexveränderung durch die Statistik Austria folgenden übernächsten Monatsersten. Nachdem die Verlautbarung der hier maßgeblichen Indexzahl des VPI 2000 für den Monat Oktober 2017 im Dezember 2017 erfolgt ist, ist somit die mietrechtliche Wirksamkeit der neuen Kategoriebeträge am 1. Februar 2018 eingetreten.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 2

b)

Die neuen Kategoriebeträge und Beträge nach § 45 MRG (je m² Nutzfläche und Monat):

Kategorie

A1 B C und D brauchbar D unbrauchbar c)

Kategoriebetrag alt (in EUR) (1.4.2014 bis 31.1.2018)

Kategoriebetrag neu (in EUR) (ab 1.2.2018)

§ 45 MRG alt (in EUR) (1.4.2014 bis 31.1.2018)

§ 45 MRG neu (in EUR) (ab 1.2.2018)

3,43 2,57

3,60 2,70

2,27 1,71

2,39 1,80

1,71

1,80

1,14

1,20

0,86

0,90

0,86

0,90

Kundmachung durch das BMJ:

Die neuen Kategoriebeträge wurden durch den Bundesministers für Verfassung, Deregulierung und Justiz im BGBl II 2018/10 kundgemacht (§ 16 Abs 6 MRG). d)

Reformen,

Mietrechtliche Wirksamkeit ab 1. Februar 2018:

Die mietrechtliche Wirksamkeit der neuen Kategoriebeträge (und der Beträge nach § 45 MRG) ist am 1. Februar 2018 eingetreten (§ 16 Abs 6 MRG). Seit diesem Stichtag sind sie für neue Mietzinsvereinbarungen anwendbar. Wird für eine Wohnung der Ausstattungskategorie D ein Mietzins vereinbart, der den jeweiligen Betrag für die Kategorie „D“ (ab 1. Februar 2018: EUR 0,90 je m² Nutzfläche und Monat) überschreitet, so kann der Vermieter in einem allfälligen Verfahren nach § 18 MRG für diese Wohnung keine Erhöhung des Mietzinses geltend machen (§ 18 Abs 5 Z 1 MRG).

e)

Erhöhung aufgrund von Wertsicherungsvereinbarungen ab 1. März 2018

Mietzinserhöhungen aufgrund vertraglicher Wertsicherungsvereinbarungen bei bestehenden Kategorieverträgen können ab der Mietzinsperiode März 2018 begehrt werden. Bezüglich der Geltendmachung ist auf die Formerfordernisse des § 16 Abs 9 MRG hinzuweisen: Das Erhöhungsbegehren hat schriftlich zu erfolgen und ist erst nach dem Eintritt der mietrechtlichen Wirksamkeit der Veränderung (also nicht vor dem 1. Februar 2018!) abzusenden. Das Schreiben muss wenigstens 14 Tage vor dem Zinstermin, zu welchem die Erhöhung begehrt wird, in der Regel also – unter Berücksichtigung des nach § 15 Abs 3 MRG idF ZVG2 frühestmöglichen Fälligkeitstermins am Monatsfünften3 – spätestens am 19. Februar 2018 beim Mieter einlangen. 1

2

Hinsichtlich des „Mindestmietzinses“ nach § 45 MRG werden Geschäftsräumlichkeiten den Wohnungen der Ausstattungskategorie A gleichgestellt (§ 45 Abs 1 MRG). Nur wenn der angemessene Mietzins für die Geschäftsräumlichkeit unter dem Betrag für die Ausstattungskategorie A (somit ab 1. Februar 2018 unter EUR 3,60 je m² Nutzfläche und Monat) liegen sollte, beträgt der Mindestmietzins nach § 45 MRG für eine solche Geschäftsräumlichkeit zwei Drittel des angemessenen Mietzinses (§ 45 Abs 2 MRG). BGBl I 2013/50. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 3

f)

Erhöhung der „Mindestmietzinse“ nach § 45 MRG

Die Erhöhung der angehobenen Hauptmietzinse („Mindestmietzinse“) nach § 45 MRG (bis 1. Jänner 2002: Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag = EVB) kann ebenfalls ab der Mietzinsperiode März 2018 geltend gemacht werden, wenn die schriftliche Verständigung des Mieters innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraumes – wie bei den wertgesicherten Kategoriemietzinsen, siehe oben Punkt e – erfolgt (§ 45 Abs 1 in Verbindung mit § 16 Abs 6 MRG). Eine allfällige Erstvorschreibung eines angehobenen Hauptmietzinses („Mindestmietzinses“) nach § 45 MRG hat schriftlich zu erfolgen und muss dem Mieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem der angehobene Hauptmietzins begehrt wird, zugehen (§ 45 Abs 3 MRG). Im Gegensatz zur Valorisierung der angehobenen Hauptmietzinse („Mindestmietzinse“) ist bei einer Erstvorschreibung eine Absendung vor der mietrechtlichen Wirksamkeit der neuen angehobenen Mietzinse unschädlich. (Spezielle Formerfordernisse wie die früher obligatorische Verpflichtungserklärung bezüglich der Verwendung der erhöhten Beträge sind mit 1. Jänner 2002 entfallen.) Wird für eine Wohnung der Ausstattungskategorie D ein angehobener Hauptmietzins („Mindestmietzins“) für die Kategorie „D brauchbar“ eingehoben (ab 1. Februar 2018: EUR 1,20 je m² Nutzfläche und Monat), so wird dadurch eine allfällige Erhöhung des Hauptmietzinses gemäß §§ 18ff MRG nicht ausgeschlossen (vgl Punkt d).

g)

Verwaltungskostenpauschale

Aufgrund des Indexsprungs für die Kategoriebeträge erhöht sich am 1. Februar 2018 auch das mietrechtliche Verwaltungskostenpauschale auf EUR 3,60 je m² Nutzfläche und Jahr (§ 22 MRG). Für das Jahr 2018 ergibt sich daher ein Mischsatz in der Höhe von EUR 3,59 je m² Nutzfläche und Jahr. h)

Fiktive Mietzinsverrechnung

Seit 1. Februar 2018 sind die neuen Kategoriebeträge auch für jene Fälle der fiktiven Mietzinsverrechnung in der Hauptmietzinsreserve heranzuziehen, bei denen die Kategoriebeträge maßgebend sind (§ 20 Abs 1 Z 1 lit b sublit dd sowie § 20 Abs 1 Z 1 lit c MRG). Bei Wohnungen der Ausstattungskategorie D ist hierbei jeweils der Satz für „D unbrauchbar“ (somit also seit 1. Februar 2018 EUR 0,90 je m² und Monat) heranzuziehen.

i)

3

Anhebungsgrenze nach § 46 Abs 2 MRG

Die bisherigen Kundmachungen des BMJ gemäß § 16 Abs 6 MRG, zuletzt BGBl II 2014/62, haben den „Zinstermin“ im Sinne des § 16 Abs 9 MRG stets mit „Mietzinsfälligkeit“, die nunmehr aufgrund des § 15 Abs 3 MRG idF ZVG frühestens am Monatsfünften eintritt, gleichgesetzt. Die Frist von 14 Tagen ist also vom Fälligkeitstermin (in der Regel Monatsfünfter) und nicht vom Beginn der Mietzinsperiode (Monatserster) zurückzurechnen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 4

Gleichermaßen erhöhte sich am 1. Februar 2018 die Anhebungsgrenze im Eintrittsfall nicht privilegierter Eintrittsberechtigter auf EUR 3,60 je m² Nutzfläche und Monat (§ 46 Abs 2 MRG).

B.

Die wohnpolitischen Vorhaben im Regierungsprogramm

Die am 18. Dezember 2017 neu angelobte Bundesregierung (Kabinett Kurz) hat am 16. Dezember 2017 ihr Programm für die Legislaturperiode von 2017 bis 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt. Unter dem Punkt „Modernisierung des Wohnrechts“ findet sich ein umfangreicher und in einigen Punkten bereits recht konkreter Maßnahmenkatalog. 

Auszug aus dem Regierungsprogramm 2017 - 2022:

a)

Kapitel Justiz:

„Modernisierung des Wohnrechts Wohnen ist ein Grundbedürfnis und bedarf daher ausgewogener Regelungen. Langfristig ist Eigentum die angestrebte und günstigste Form des Wohnens. Wir müssen alles unternehmen, dass wieder vermehrt Wohnraum im Eigentum erworben werden kann, denn Eigentum ermöglicht ein selbstbestimmtes, abgesichertes Leben. Bei steigender Nachfrage an Wohnraum können wir die Gesamtsituation nur verbessern, wenn wir das Angebot insgesamt erhöhen. Investitionen in den Wohnbau und das Wohnumfeld sowie durchgreifende Sanierungen sind daher attraktiv zu machen, um den Bedarf an Wohnraum mittel- und langfristig zu decken. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollen Sanierungen und der Erhaltung von bestehenden Gebäuden der Vorrang gegeben werden und bei Neubauten flächenoptimierte Bauweisen bevorzugt werden. Die Anforderungen in den Bauordnungen an den sozialen und geförderten Wohnbau sollen mit dem Ziel überarbeitet werden, dass Wohnraum besser leistbar wird. Eine Vereinheitlichung aller bautechnischen Standards ist anzustreben. Vorrangig soll sozialer Wohnbau denjenigen zur Verfügung gestellt werden, die ihn wirklich brauchen. Wir bekennen uns klar zum Prinzip der Wohnungsgemeinnützigkeit und sprechen uns gegen Spekulation mit dem Vermögen gemeinnütziger Bauvereinigungen aus. Es besteht die Notwendigkeit, den Mietensektor entsprechend zu berücksichtigen und zu fördern. Einfache und nachvollziehbare Regeln sollen dies unterstützen. Die intendierten Schutzwirkungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) sollen erhalten bleiben, allerdings den zeitgemäßen Gegebenheiten angepasst werden. Wir setzen uns für einen fairen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern ein. •

Eigentumsbildung erleichtern, Wohnungseigentumsrecht vereinfachen, Eigentum erhalten

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 5



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Flexibilisierung der Willensbildung im Wohnungseigentumsbereich durch Erleichterungen bei der Beschlussfassung unter Wahrung berechtigter Minderheitsrechte Harmonisierung der baurechtlichen Normen Mietkauf als sozial orientierter Start ins Eigentum: Mietkauf ist ein wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung. Die Transparenz gegenüber dem Wohnungsnutzer soll erhöht und die Rahmenbedingungen für die Begründung des Anspruchs auf Eigentumsoption dem aktuellen Marktumfeld angepasst werden Investitionsanreize für Neubau und Sanierung setzen Nachverdichtung und Überbauung haben Vorrang vor Versiegelung grüner Wiesen Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung innovativer Energiekonzepte zur Senkung der Betriebskosten Förderung von Mobilitätskonzepten im großvolumigen Wohnbau Anpassung wohnzivilrechtlicher Rahmenbedingungen für die Nutzung von Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen und für die Nutzung von E-Mobilität Wohnbaukosten senken Baukosten senken: Schaffung bundesweit einheitlicher Regelungen zu technischen Vorschriften sowie generelle Rücknahme von ineffizienten Standards und Normen in Zusammenarbeit mit den Ländern Baukostensenkung durch Beschleunigung der Bauverfahren im Zusammenwirken mit den Ländern Bauland mobilisieren: Schaffung von Vorbehaltsflächen für den förderbaren Wohnbau bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand in Bauland Bauen auf fremdem Grund erleichtern: Verbesserung der steuer- bzw. gebührenrechtlichen Rahmenbedingungen Schaffung eines neuen Mietrechts: Im Rahmen eines „Mietrechts-Konvents“ sollen Wohnrechtsexperten Vorschläge zu einer grundlegenden Reform des Mietrechts erarbeiten. Auftakt dazu bildet eine parlamentarische Enquete. Ziel ist ein verständliches, anwenderfreundliches, gerechtes und transparentes Mietrecht, das ausgewogen die berechtigten Interessen von Mietern und Vermietern als mündige Vertragspartner widerspiegelt. Anreize für Neubau, Sanierungsmaßnahmen, Investitionen in die Ausstattungsqualität von Wohnraum sowie die Wiedervermietung leerstehender Wohnungen werden mit dazu beitragen, das Angebot an Wohnraum zu erhöhen, womit Wohnen langfristig leistbar bleibt. Dabei soll grundsätzlich nicht in bestehende Verträge eingegriffen werden. Dieses Mietrecht soll auf den nachfolgenden Säulen aufgebaut werden: Schaffung eines modernen und zeitgemäßen Mietrechts mit einem fairen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern Mietzinsbildung: Marktkonforme Miete bei Neubauten und Gesamtsanierungen des Gebäudes auf zeitgemäßen Standard Schutzwirkung des Mietrechts zum fairen Interessenausgleich zwischen Mieter und Vermieter Schaffung von Freiräumen für Mieter und Vermieter, wo Regelungen nicht erforderlich erscheinen Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 6





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Folgende Maßnahmen sollen bis zur Schaffung eines neuen Mietrechts noch im geltenden MRG novelliert werden. Auch hier gilt der Grundsatz, nicht in bestehende Mietverträge einzugreifen: Längerfristige Mietverhältnisse fördern, kurzfristige Mieten erlauben: Schaffung eines Anreizsystems zur Attraktivierung längerfristiger Mietverhältnisse, gleichzeitig Dispositionsfreiheit in definierten Einzelfällen für kurzfristige Mietverhältnisse (z.B. Nutzbarmachung von kurzfristigen Leerstehungen vor Sanierung, Ausbildungsmietverträge etc) Tageweise Wohnungsvermietung: Erfordernis einer einschlägigen Gewerbeberechtigung für gewerbsmäßige tageweise Vermietung von Wohnungen Mehr Transparenz und Planbarkeit für den Mieter: Verpflichtung des Vermieters zur rechtzeitigen Information des Mieters vor Ablauf von befristeten Mietverhältnissen Abschaffung des „Mietadels“ durch zeitgemäße Ausgestaltung der Eintrittsrechte (§§ 12 und 14 MRG): Ehegatten, eingetragene Partner sowie Kinder bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres, sofern sie im selben Haushalt gelebt haben und ein dringendes Wohnbedürfnis haben, treten unverändert in den Mietvertrag ein; Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Eintrittsrechten soll nachhaltig verhindert werden Förderung von kleinen Familienbetrieben: begünstigter Vertragseintritt („1/15Anhebung“) bei Betriebsübernahmen (§ 12a in Verbindung mit § 46 Abs 2 MRG) auch für alle Arten von juristischen Personen, an denen mehrheitlich Ehegatten, eingetragene Partner oder Kinder des Verstorbenen beteiligt sind Barrierefreies Wohnen unterstützen: Erleichterung der Durchführung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit ohne finanzielle Verpflichtungen des Bestandgebers Aufhebung des Verbots des Lagezuschlages in Gründerzeitvierteln zur Herstellung fairer Verhältnisse Gebührenbremse bei Müll, Abwasser und Kanal im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs Modernisierung der Wohnungsgemeinnützigkeit Keine Ausweitung der Gewinnentnahmemöglichkeiten bei gemeinnützigen Bauvereinigungen (gBV) Explizite Aufnahme der mittelbaren Anteilsübertragung in den § 10a WGG unter Verweis auf § 8 ABGB, um Umgehungsgeschäfte zu verhindern Keine Änderung der Grundlagen der Unternehmensbewertung bei gBV Stärkung der Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden, indem diese die Möglichkeit bekommen sollen, während eines laufenden Entziehungsverfahrens ein Veräußerungsverbot grundbücherlich einzutragen Wirksame und klare Sanktionen bei Verstößen gegen § 10a WGG, um analoges Handeln aller Aufsichtsbehörden durchzusetzen, sowie Erarbeitung eines einheitlichen Handlungsrahmens bei der WGG-Durchführungsverordnung Entfall der Zustimmungspflicht beim Verkauf von Einfamilienhäusern, Reihenhäusern sowie Siedlungshäusern durch eine gBV an den bisherigen Selbstnutzer durch Klarstellung im § 10a WGG Wiedereinführung der Bedarfsprüfung, um als gBV anerkannt zu werden; Zustimmung zur Sitzverlegung

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 7

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Klarstellung der Aufgaben von gBV im § 7 WGG und künftig explizite Beschränkung des Geschäftskreises auf das Inland Transparente Eigentümerstruktur – Einführung der Pflicht zur Offenlegung des wahren Eigentümers im WGG Prüfung der Möglichkeit der Mobilisierung zusätzlicher Finanzierungsmöglichkeiten für den Wohnbau: Explizite Ergänzung des Pensionskassenund des Mitarbeitervorsorgegesetzes, damit diese Institutionen in den Wohnbau investieren können Stärkung des gemeinnützigen Wohnbausektors, um in einem begrenzten Zeitraum Fusionen von gBV zu erleichtern Erhöhte Qualifikationserfordernisse an Immobilientreuhänder sowie gemeinnützige Bauvereinigungen Erhöhung der Qualifikationserfordernisse für die Ausübung der Gewerbe des Immobilientreuhänders sowie für deren Angestellte, freie Mitarbeiter und sonstige Hilfskräfte Schaffung von „Fit & Proper“- bzw. Compliance-Regeln für den gemeinnützigen Immobilienbereich Möglichkeit der digitalen Zustellung von Vorschreibungen und Abrechnungen

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Soziale Treffsicherheit und fairen Interessenausgleich sicherstellen Mehr Gerechtigkeit im sozialen Wohnbau sicherstellen: regelmäßige Mietzinsanpassungen für Besserverdiener im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau



Mietkauf-Modelle forcieren: Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraums von 20 auf 10 Jahre

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Prüfung der Möglichkeit der Setzung steuerlicher Anreize: Weiterhin sofortige Absetzbarkeit von Instandhaltungsarbeiten ermöglichen Einführung einer 1/10-Absetzung bei Instandsetzungsarbeiten sowie bei begünstigtem Herstellungsaufwand Die steuerlichen Abschreibungsdauern für nichtbegünstigte Herstellungsaufwendungen sollen generell verkürzt werden. Hierbei soll zwischen Sanierungs- und Neubaumaßnahmen unterschieden werden Anpassung der Abschreibung (AfA) an die oben geforderten verkürzten Abschreibungszeiträume Investitionsfreibetrag für Wohnbauerrichtungs- und Wohnraumsanierungskosten



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Dem Umweltschutzgedanken Rechnung tragen Verlängerung der Bundesförderung für thermische Sanierungen“

„Reformen im Zivil- und Familienrecht […] 

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB): Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 8

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Schaffung eines zeitgemäßen Superädifikatsrechts Überarbeitung von Verjährung, Ersitzung und Teilen des Sachenrechts

[…]“

b)

Kapitel Kunst und Kultur:

„Einfache Strukturen, klare Kultureinrichtungen des Bundes

Kompetenzen

und

weniger

Bürokratie

für

die

[…] •



Entbürokratisierung der Vorschriften des Denkmalschutzes für private Bauherren und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten, um Eigentümer von Bausubstanz, die als schützenswert gilt, auch serviceorientiert bei ihrer Aufgabe zu unterstützen Normenbereinigung: Widersprüche zwischen Bauordnung und DMSG-Regelungen auflösen

[…]“ c)

Kapitel Wirtschaftsstandort und Entbürokratisierung:

„Bürokratieabbau und Reduktion von Vorschriften für Unternehmen […] •

Normenwesen: Kosten senken und weiter entrümpeln − Weiterentwicklung der österreichischen Normungsstrategie:

[…] − −

Überbordende Kostenentwicklung und Belastungen durch Normen insbesondere im Bauwesen reduzieren Zielsetzung: Deregulierung durch Verringerung der Regelungsdichte im Normenwesen, insbesondere in Hinblick auf Verringerung der technischen Anforderungen (aktueller Stand der Technik auf Stand der Praxis)

[…]“ 

Anmerkungen:

Die Bundesregierung hat sich wohnpolitisch einiges vorgenommen.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 9

Das mietrechtliche Programm ist (vor allem hinsichtlich der kurzfristig umzusetzenden Maßnahmen) unbestritten konkreter als jenes im Arbeitsprogramm für die Jahre 2013 bis 20184 und sieht im Wesentlichen einen Zweistufenplan vor: Am Ziel einer grundlegenden Mietrechtsreform soll festgehalten werden, wobei diese auf Expertenebene in einem „Mietrechts-Konvent“ vorbereitet werden soll. Ein derartiges Vorhaben ist gewiss als zumindest mittelfristig einzustufen, wobei abzuwarten bleibt, ob die anspruchsvolle Übung auch wirklich in einem überschaubaren Zeitraum gelingt. Zwei von der Bundesregierung ausgerufene Eckpunkte für eine solche grundlegende Mietrechtsreform springen ins Auge: Erstens sollen Gesamtsanierungen von Altbauten auf den zeitgemäßen Standard mietrechtlich der Errichtung von Neubauten gleichgestellt oder zumindest angenähert werden und zur Möglichkeit der Vereinbarung „marktkonformer“ Mieten führen. Dies würde eine Beendigung der – auch hierorts schon öfters kritisierten 5 – mietrechtlichen Diskriminierung des mit Baubewilligung vor dem 9. Mai 1945 errichteten Altbaus darstellen, die im Interesse der Beseitigung sachlich nicht überzeugender mietzinsrechtlicher Differenzierungen und der damit verbundenen Schaffung von Anreizen für Sanierungen und Verbesserungen im Altbau absolut zu begrüßen ist. Zweitens sollen für Mieter und Vermieter Freiräume geschaffen werden, wo Regelungen nicht erforderlich erscheinen. Dies klingt nach einem Bekenntnis zu einer mietrechtlichen Deregulierung, wie wir sie bei derselben Regierungskonstellation (Kabinett Schüssel I) etwa im Zuge der MRN 2001 insb bei der Schaffung des Vollausnahmetatbestands des § 1 Abs 2 Z 5 MRG (Ein- und Zweiobjekthäuser), aber auch bei der Schaffung des Teilausnahmetatbestands des § 1 Abs 4 Z 2 MRG (mit Baubewilligung ab dem 1. Jänner 2002 errichtete Dachgeschoßausbauten und Aufbauten sowie Rohdachböden) und später – bei ähnlicher Regierungszusammensetzung (Kabinett Schüssel II) – im Zuge der WRN 2006 bei der Schaffung des Teilausnahmetatbestands des § 1 Abs 4 Z 2a MRG (mit Baubewilligung ab dem 1. Oktober 2006 errichtete Zubauten) erlebt haben. Ein Mehr an Vertragsfreiheit in jenen Bereichen, wo eine derartige Liberalisierung gerechtfertigt erscheint, geht freilich zulasten des Konzepts eines einheitlichen Mietrechts, sodass sich konsequenterweise im aktuellen Regierungsprogramm – ganz im Gegensatz zum Arbeitsprogramm für die Jahre 2013 bis 2018 – das Ziel einer „größtmöglichen Vereinheitlichung“ des Normenbestandes nicht findet, sondern nur jenes einer verständlichen, anwenderfreundlichen, gerechten und 4 5

Siehe hierzu unseren Newsletter vom 18. Dezember 2013. Siehe hierzu etwa unseren Newsletter vom 19. November 2016 zu G 673/2015 ua (unter § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG) und vom 26. Juli 2017 zu G 34/2017 ua. Während im Neubau vielfach schon von Vornherein ein gesetzlicher Tatbestand für eine Teilausnahe vom MRG vorliegt (§ 1 Abs 4 Z 1 und 3 MRG), ist das im Altbau selbst dann nicht der Fall, wenn es sich dabei um ein – höchsten Wohnwert vermittelndes – herrschaftliches Palais handelt. Auch im Rahmen der Mietzinsbildung im Vollanwendungsbereich des MRG ist der Neubau gegenüber dem Altbau privilegiert: Mit Baubewilligung ab dem 9. Mai 1945 errichtete Neubauten und mit Baubewilligung ab dem 9. Mai 1945 neu geschaffene Mietgegenstände können in der Vollanwendung des MRG stets zum angemessenen Mietzins (§ 16 Abs 1 Z 2 MRG) vermietet werden, während dies bei Wohnungen im „Altbestand“ grundsätzlich (Ausnahmen: § 16 Abs 1 Z 3 und 4 MRG) nicht der Fall ist, selbst wenn sie mit hohem Investitionsaufwand qualitativ auf das Höchstmaß aufgewertet wurden. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 10

transparenten Ausgestaltung des Mietrechts sowie eines darin implementierten fairen Interessenausgleichs zwischen Mietern und Vermietern. Kurzfristig sollen jedoch – losgelöst von der mittelfristigen grundlegenden Mietrechtsreform – einige mietrechtliche Agenden kurzfristig „abgearbeitet“ werden. Darunter findet sich etwa die Aufhebung des Lagezuschlagsverbots für Gründerzeitviertel gemäß § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG6, die – inhaltlich noch nicht genau ausgeführte – zeitgemäße Ausgestaltung der Eintrittsrechte in Wohnungsmietverträge7 sowie die Förderung längerfristiger Mietverträge (in Gestalt der Etablierung eines degressiv gestaffelten Befristungsabschlags?8) unter gleichzeitiger Schaffung kurzfristiger Vermietungsmöglichkeiten für Wohnungen in definierten Einzelfällen. Bei diesen und anderen angeführten Zielen könnten die entsprechenden legistischen Maßnahmen auf recht einfache Art und Weise gesetzt werden, weil sie nicht systemrelevant in das mietrechtliche Normengefüge in seiner Gesamtheit eingreifen, sondern die betreffenden Gesetzesänderungen jeweils auf einzelne Paragrafen beschränkt bleiben. Bei den kurzfristig umzusetzenden Zielen werden auch Maßnahmen zur Regulierung der sich in Wohnbauten aktuell als „Schattenwirtschaft“ etablierenden tageweisen Vermietung von Wohnungen ebenso erwähnt wie die Ausdehnung der Rechtswohltat der Fünfzehntelanhebung (§ 12a Abs 2 MRG; § 46a Abs 2 MRG) bei Familienbetrieben auf juristische Personen im mehrheitlichen Eigentum einer Familie. Eine wohnungseigentumsrechtliche Reformidee liegt dem aktuellen Regierungsprogramm nicht zugrunde, was mit dem doch recht geringen Reformbedarf der Materie erklärt werden kann. Lediglich die Idee einer Flexibilisierung der Willensbildung im Wohnungseigentumsbereich durch Erleichterungen bei der Beschlussfassung unter Wahrung berechtigter Minderheitsrechte findet sich als konkrete Maßnahme im Programm, wie sie in ähnlicher Form bereits im Arbeitsprogramm der Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018 beinhaltet war. Im Immobiliensteuerrecht erwägt die Bundesregierung die Setzung steuerlicher Anreize, vor allem in Gestalt verkürzter Abschreibungszeiträume. Hinterlegt werden die angeführten wohnpolitischen Erwägungen durch eine Vielzahl weiterer Zielbestimmungen. So geht es etwa um den Gedanken der Nachhaltigkeit, der insb 6

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Gesetzesbeschwerden zum Lagezuschlagsverbot für Gründerzeitviertel gemäß § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG wurden vom VfGH im Erkenntnis G 673/2015 ua als unbegründet abgewiesen. Eine ausführliche Darstellung samt Kritik ist in unserem Newsletter vom 19. November 2016 (zu § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG) nachzulesen. Siehe zur gegenständlichen Problematik etwa unseren Newsletter vom 3. Februar 2016. Die mietzinsrechtlichen Bestimmungen der aktuellen Eintrittsregelungen des MRG (§ 46 MRG) führen nicht nur zu einer Zweiklassengesellschaft zwischen eintrittsberechtigten Angehörigen einerseits und Personen, die nicht das Glück haben, einem Angehörigen in dessen Altmietrecht folgen zu können, sondern laden auch dazu ein, Eintrittsrechte unter Vorspiegelung eines gemeinsamen Haushalts mit dem bisherigen Hauptmieter zu erschleichen, was im Regierungsprogramm mit der Bezeichnung „Rechtsmissbrauch“ umschrieben wird. Gesetzesbeschwerden zum im Vollanwendungsbereich des MRG völlig einheitlichen Befristungsabschlag in der Höhe von 25 Prozent gemäß § 16 Abs 7 MRG wurden vom VfGH im Erkenntnis G 673/2015 ua als unbegründet abgewiesen. Eine ausführliche Darstellung samt Kritik ist in unserem Newsletter vom 19. November 2016 zu G 673/2015 (unter § 16 Abs 7 MRG) nachzulesen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 11

durch Anreize zu Sanierungen und flächenoptimierten Bauweisen (Nachverdichtungen und Überbauungen), Energiekonzepte zur Betriebskostensenkung, die Förderung von Mobilitätskonzepten im großvolumigen Wohnbau, die Schaffung von Rahmenbedingungen für Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen und für die Nutzung von E-Mobilität, die Unterstützung barrierefreien Wohnens oder die Verlängerung der Bundesförderung für thermische Sanierungen realisiert werden soll. Überlegungen zur Kostensenkung („leistbares Wohnen“) und zur sozialen Gerechtigkeit finden sich etwa in den Zielen einer Baulandmobilisierung für den geförderten Wohnbau, einer Förderung von Mietkaufmodellen (Eigentumsoptionen) sowie einer Erhöhung der Bedarfsgerechtigkeit im sozialen Wohnbau wie insb durch regelmäßige Mietzinsanpassungen für Besserverdiener im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau. Dem Gedanken der Deregulierung und Entbürokratisierung dienen wiederum Schritte in Richtung einer Harmonisierung baurechtlicher Normen sowie einer generellen Rücknahme von ineffizienten Standards oder etwa auch einer Auflösung der Widersprüche zwischen Bauordnung und Denkmalschutzgesetz. Insgesamt soll die Regelungsdichte im Normenwesen verringert werden, insbesondere in Hinblick auf Verringerung der technischen Anforderungen (aktueller Stand der Technik auf Stand der Praxis). Viele der genannten Ziele greifen ineinander: So vermag eben nicht nur die Erhöhung des Wohnraumangebots durch Forcierung der Wohnbauförderung oder die Schaffung von Investitionsanreizen Kosten zu senken, sondern auch die Orientierung an den Grundsätzen nachhaltigen Bauens und Wirtschaftens oder auch eine Deregulierung im Bereich der bautechnischen Normen. Last not least sei zu manchen der Leitgedanken erwähnt, dass aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenztatbestände auch die (etwa für Fragen der Bauordnung oder der Wohnbauförderung zuständigen) Länder in die Umsetzung einzubinden sind, es also auch des Willens der Länder bedarf, das Programm der Bundesregierung „mitzutragen“. Von besonderem Interesse für Branchenangehörige ist schließlich die von der Bundesregierung ausgerufene Qualitätsoffensive im Bereich des Gewerbes der Immobilientreuhänder sowie der gemeinnützigen Bauvereinigungen: Die Qualifikationserfordernisse für die Ausübung des Gewerbes des Immobilientreuhänders sowie für dessen Angestellte, freie Mitarbeiter und sonstige Hilfskräfte sollen erhöht werden. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Idee werden im Regierungsprogramm aber noch nicht genannt.

C. 

Gesetzesbeschwerden beim VfGH

VfGH zu § 5 Abs 1 RichtWG Abweisung der Gesetzesbeschwerden gegen die unterschiedliche Höhe der Richtwerte in den Bundesländern VfGH 28.6.2017, G 428/2016 ua

Der VfGH (G 428/2016 ua) hat nun auch zur Gesetzesbeschwerde bezüglich der unterschiedlichen Richtwerte der Bundesländer (§ 5 Abs 1 RichtWG) eine inhaltliche Entscheidung getroffen: Das Höchstgericht erkannte in der gesetzlichen Festsetzung der Richtwerte der Bundesländer weder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, noch einen Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums oder gegen die Freiheit der Erwerbsbetätigung. Die auf Aufhebung des RichtWG (und die damit verbundenen Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 12

Bestimmungen des § 16 MRG) gerichteten dementsprechend als unbegründet abgewiesen. a)

Gesetzesbeschwerden

wurden

Rechtlicher Hintergrund:

Gemäß § 16 Abs 2 MRG ist der Richtwertmietzins (für Altbauwohnungen9 der Ausstattungskategorie A, B oder C im Vollanwendungsbereich des MRG, sofern nicht gemäß § 16 Abs 1 MRG ein angemessener Mietzins vereinbart werden darf) ausgehend vom Richtwert unter Berücksichtigung allfälliger Zuschläge und Abstriche zu berechnen. Gemäß § 1 Abs 2 RichtWG wurde der Richtwert für jedes Bundesland gesondert festgesetzt. Die für die Vermietung von Altbauwohnungen maßgeblichen Richtwerte der Bundesländer ergaben sich bei deren Ermittlung durch den Bundesminister für Justiz im Jahr 1994 – grob gesprochen – aus den im jeweiligen Bundesland geförderten bzw förderbaren Grund- und Baukosten des Basisjahres 1992 (siehe im Detail § 3 RichtWG). Durch das 1. MILG 10 wurden die mit Verordnung festgesetzten und in der Folge valorisierten Richtwerte (erstmals) unmittelbar in das Gesetz übernommen und zwar, ohne dass eine Neuberechnung erfolgte.

Gemäß § 5 Abs 2 RichtWG unterliegen die Richtwerte der Bundesländer einer gesetzlichen Valorisierung anhand des Verbraucherpreisindex 2010, und zwar in einem Zweijahresintervall jeweils zum 1. April (wobei die im Jahr 2016 an sich fällige Valorisierung aufgrund des 2. MILG11 ausgesetzt wurde und daher auf die Änderung der Richtwerte am 1. April 2014 erst wieder eine Änderung am 1. April 2017 folgte). Der Bundesminister für Justiz hat die aufgrund eines Valorisierungsschritts geänderten Richtwerte und den Zeitpunkt, in dem die Richtwertänderung mietrechtlich wirksam wird, im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Zurzeit12 betragen die Richtwerte der Bundesländer: Burgenland Kärnten Niederösterreich Oberösterreich Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien

€ 5,09, € 6,53, € 5,72, € 6,05, € 7,71, € 7,70, € 6,81, € 8,57, € 5,58.

Es mag nun schon ganz grundlegend darüber diskutiert werden, wie weit Grund- und Baukosten für den geförderten Neubau einen geeigneten Parameter für die Begrenzung und Ermittlung des Mietzinses im Altbau darstellen, zumal sich schon aufgrund unterschiedlicher Fördersysteme und -intensitäten in den Ländern Verzerrungen ergeben können. Eine solche 9 10 11 12

Altbau = Errichtung aufgrund einer vor dem 9. Mai 1945 erteilten Baubewilligung. BGBl I 2008/50. BGBl I 2016/12. Seit 1. April 2017 (BGBl II 2017/62). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 13

Diskussion mag aber akademisch bleiben, so lange damit nur einigermaßen treffsicher das Marktniveau abgebildet wird. Just im Bundesland Wien aber, in welchem aufgrund seiner großstädtischen Struktur und seiner Bebauungsgegebenheiten der absolute Schwerpunkt des mietrechtlichen Geschehens im Vollanwendungsbereich des MRG liegt (sieben von zehn privat oder gewerblich vermieteten preisgeschützten Hauptmietwohnungen befinden sich in der Bundeshauptstadt), weichen Marktmiete und Richtwert in einem Ausmaß voneinander ab, wie es kaum größer sein könnte. Aufgrund des höheren Marktniveaus ergäbe sich in Wien ja eine stärkere Marktbeschränkung schon dann, wenn der Richtwert den Richtwerten der übrigen Bundesländer in etwa gleichgesetzt würde (was im Interesse leistbarer Mieten in städtischen Ballungsräumen allenfalls noch gerechtfertigt werden könnte). Interessanterweise ist das aber nicht der Fall, sondern liegt der Richtwert für Wien sogar deutlich unter jenem der übrigen Bundesländer (vom Bundesland Burgenland abgesehen), was eine Anomalie darstellt, die auch unter dem Aspekt des zu verfolgenden sozialpolitischen Ziels (nämlich leistbare Mieten zu sichern) nicht erklärt werden kann. Während sich in allen anderen Bundesländern die Richtwerte recht unauffällig innerhalb des Spektrums der durchschnittlichen Marktmieten der Bezirke befinden, beträgt der Richtwert in Wien nur etwas mehr als 58 Prozent (und selbst im preisgünstigsten Wiener Gemeindebezirk nur etwas mehr als zwei Drittel) der durchschnittlichen Markmiete. Um sich die Problematik auch in konkreten Zahlen zu vergegenwärtigen, halte man sich bloß vor Augen, dass bei der Vermietung einer dem Richtwertmechanismus unterliegenden Altbauwohnung in Wien das Ausgansniveau für die Ermittlung des Richtwertmietzinses (EUR 5,58) mehr als zwei Euro je m² Nutzfläche und Monat unter jenem liegt, das für die Vermietung einer Altbauwohnung in der Steiermark (EUR 7,70) maßgeblich ist. Demgegenüber ist aber die Marktmiete in einem durchschnittlichen Wiener Bezirk mehr als drei Euro je m² Nutzfläche und Monat höher als in einem durchschnittlichen Bezirk in der Steiermark. Eine wirkliche sachliche Rechtfertigung für diese Verwerfung vermag man wohl selbst mit blühender Fantasie nicht zu konstruieren.13 Die Abweichung des Richtwerts für das Bundesland Wien von den tatsächlichen Marktgegebenheiten (die auch dann nicht auffälliger sein könnte, wenn man den Richtwert in einem Würfelspiel ermittelt hätte) kann im Grunde genommen weder ökonomisch noch 13

Der Kritik am allzu niedrig ausgefallenen Richtwert für das Bundesland Wien könnte entgegengehalten werden, dass immerhin noch die Möglichkeit eines Lagezuschlags zum Richtwert (§ 16 Abs 2 Z 3, Abs 3 und Abs 4 MRG) bestehe. Ein solcher Lagezuschlag soll ja genau jene Unebenheiten, die sich durch das in jedem Bundesland festzustellende regionalbedingte Preisgefälle ergeben, begradigen und zu mehr Marktnähe führen. Der Lagezuschlag leistet es aber keinesfalls, das Problem des nicht adäquaten Richtwerts für das Bundesland Wien vollständig zu kompensieren. Die gesetzliche Berechnung des Lagezuschlags vermag nämlich den Nachteil zu geringer Richtwerte bei weitem nicht wettzumachen: Bei einem gleichem tatsächlichen Grundkostenniveau ist die Summe aus Richtwert und Lagezuschlag umso höher, je höher der Richtwert ist. Höhere Richtwerte in den Bundesländern (und damit einhergehende höhere „gesetzliche“ durchschnittliche Grundkostenanteile, die in direkter Proportionalität zu den Richtwerten stehen) ziehen bei gleichbleibendem tatsächlichen Grundkostenniveau zwar naturgemäß geringere Lagezuschläge nach sich, doch wiegt bei der Ermittlung des Richtwertmietzinses ein höher werdender Richtwert ungleich schwerer als ein damit gleichzeitig geringer werdender Lagezuschlag (das kann man gerne durchrechnen, indem man etwa für Wien einen höheren Richtwert fingiert – bei gleichem Grundkostenniveau fiele auch der Richtwertmietzins höher aus). Zweitens kommt ja aufgrund des Lagezuschlagsverbots für sogenannte „Gründerzeitviertel“ gerade im Bundesland Wien der Lagezuschlag nicht immer in Betracht, selbst wenn sich aufgrund eines Grundkostenvergleichs rechnerisch ein solcher ergäbe. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 14

rechtlich, sondern nur politisch erklärt werden. Im Prinzip hätte aber der Gesetzgeber schon vorweg erkennen müssen, dass er mit einem völlig inkompatiblen Richtwert für Wien ein Versagen des Richtwertsystems gleichsam automatisch vorprogrammiert. So beklagen im Ergebnis in Wien einerseits die Vermieter eine völlig unangemessene Beschränkung und Beschädigung des Marktes und anderseits die Mieter eklatante Überschreitungen des höchstzulässigen Mietzinses. Der Richtwertmietzins hat sich damit als – allzu oft auch ideologisch aufgeheizter – tagespolitischer Zankapfel etabliert, zu dessen Bemessungsgrundlage sich nun der VfGH inhaltlich zu äußern hatte.

b)

Entscheidung des VfGH: Abweisung der Anträge als unbegründet (Entscheidung in der Sache), sofern einzelne Anträge nicht schon als unzulässig formell zurückzuweisen waren.14

c)

Entscheidungsgründe zur behaupteten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes:

Wenig überraschend greift der VfGH zur Abweisung der verfahrensgegenständlichen Anträge unter dem Titel der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes auf exakt jenes Begründungsmuster zurück, das er auch schon im Verfahren G 673/2015 ua verwendet hat, um die Beschwerden gegen das Lagezuschlagsverbot in sogenannten „Gründerzeitvierteln“ (§ 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG) als unbegründet abzuweisen: Der Gleichheitsgrundsatz binde auch den Gesetzgeber. Er setze ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken sei es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. Diese Schranken würden im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, könne nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden. Bei der Regelung des Mietrechts, insbesondere bei der Regelung des Mietzinses, müsse der Gesetzgeber teils widerstreitende wohnungs-, sozial- und stadtentwicklungspolitische Interessen zum Ausgleich bringen. Der VfGH gehe dabei im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des Mietrechts über einen Gestaltungsspielraum verfügt. Die Festsetzung von unterschiedlich hohen Richtwerten für die einzelnen Länder sei für sich genommen nicht unsachlich – und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Höhe der Richtwerte nicht proportional zu den tatsächlichen Baukosten bzw Marktverhältnissen in den jeweiligen Ländern verhält. Der Gleichheitsgrundsatz zwinge zu keiner Regelung, die für Vermieter in Bezug auf die Mietzinsbegrenzung in allen Ländern eine gleichmäßige Belastung schafft. Es stehe dem Gesetzgeber daher grundsätzlich offen, eine die Mietzinsbildung begrenzende Regelung zu schaffen, die im Ergebnis zu regionalen 14

Als zu weit gefasst formell zurückgewiesen wurden jene Anträge, die sich nicht nur gegen das RichtWG und die mit ihm in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen des § 16 Abs 1 bis 4 MRG (sowie die seit 2010 ergangenen Kundmachungen des Bundesministers für Justiz über die Änderung der Richtwerte) gewendet haben, sondern gegen § 16 MRG insgesamt (also ohne Einschränkung auf dessen Abs 1 bis 4). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 15

Unterschieden im Hinblick auf den gesetzlich höchstzulässigen Mietzins führt, solange diese Regelung nicht unsachlich ist – etwa, weil sie dem Vermieter unverhältnismäßige Lasten auferlegt, die durch das Allgemeininteresse nicht mehr gerechtfertigt werden können. Auch mit der betragsmäßigen Festlegung der Höhe des gesetzlich vorgesehenen Richtwertes für das Land Wien im Rahmen des – insoweit von § 3 RichtWG gelöst zu beurteilenden – § 5 Abs 1 RichtWG habe der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Eine unverhältnismäßige Belastung der Vermieter im Sinne eines gleichheitswidrig zu niedrig angesetzten Betrages würde der Richtwert etwa dann darstellen, wenn die Höhe des zulässigen Mietzinses den Vermietern nicht erlauben würde, ihr Eigentum in angemessenem Zustand zu erhalten bzw die Verluste aus mit der Instandhaltung verbundenen Kosten auszugleichen. Dass es der Richtwert Vermietern nicht ermöglicht, ihr Eigentum in angemessenem Zustand zu erhalten, hätten die Antragsteller nicht substantiiert dargetan. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Maßstab des Art 1 1. ZPEMRK den Eingriff durch den vom Richtwertsystem abgelösten Kategoriemietzins nicht als unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht beurteilte (Fall Mellacher15). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Richtwertmietzins durch die Kategoriesätze des § 15a Abs 3 MRG in seiner Mindesthöhe begrenzt würde und folglich der im Einzelfall zu errechnende Richtwertmietzins nur über dem Kategoriemietzins liegen könne16, ermögliche das Richtwertsystem dem Vermieter die Vorschreibung eines gegenüber dem Kategoriemietzins höheren Mietzinses. Vor diesem Hintergrund könne der VfGH nicht finden, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum mit der Anknüpfung an die vormals durch die Richtwertverordnungen vorgegebenen Richtwerte überschritten hätte.

In Zusammenschau mit dem vom Gesetzgeber durch das Richtwertsystem seit jeher verfolgten öffentlichen Interesse, nämlich der Dämpfung der Mietzinsentwicklung mit dem Ziel, die Erschwinglichkeit von Wohnraum zu gewährleisten, erweise sich die Regelung des § 5 RichtWG daher insgesamt als sachlich. Soweit § 5 RichtWG im Übrigen einen niedrigeren Richtwert für das Land Wien als in den meisten anderen Ländern vorsieht, verstoße die Bestimmung auch aus diesem Grund nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Vielmehr könne ein niedrigerer Richtwert für das Land Wien durch die von der Bundesregierung aufgezeigten Unterschiede im Tatsächlichen gerechtfertigt werden. So vermögen insbesondere die Wohnungssituation im Land Wien im Allgemeinen und die stärkere Angewiesenheit der Bevölkerung auf erschwinglichen Wohnraum sowie die vergleichsweise hohe Miet- bzw niedrige Eigentumsquote im Besonderen17 eine abweichende Behandlung innerhalb der Grenzen der Sachlichkeit zu rechtfertigen.

d)

15 16 17

Entscheidungsgründe zum behaupteten Verstoß gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums:

EGMR 19. Dezember 1989, Fall Mellacher, Appl. 10522/83, 11011/84, 11070/84. 4 Ob 1527/95. Die Bundesregierung wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass in Wien eine signifikant höhere Mietquote als in den anderen Bundesländern bestehe. Während die Mietquote (Haupt- und Untermiete) im österreichischen Durchschnitt im Jahr 2014 bei 41,6 Prozent lag, betrug sie in Wien bei 77,2 Prozent. Die Eigentumsquote lag dagegen im österreichischen Durchschnitt bei 49,6 Prozent, in Wien lediglich bei 19,8 Prozent (Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus 'Wohnsituation in Hauptsitzwohnungen nach Bundesland', erstellt am 19. März 2015). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 16

Auch zu diesem Beschwerdeaspekt bedient sich der VfGH jenes Argumentationsrepertoires, das er bereits im Verfahren zu G 673/2015 ua zur Anwendung brachte: Der Gesetzgeber könne Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt, soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig ist. Die angefochtenen Bestimmungen des MRG sowie des RichtWG würden einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht dergestalt bewirken, dass für die dem Anwendungsbereich des Richtwertsystems unterliegenden Mietobjekte die Möglichkeit zur privatautonomen Vereinbarung eines freien Mietzinses beschränkt wird. Dieser Eingriff sei als Eigentumsbeschränkung zu qualifizieren. Die gesetzlichen Maßnahmen stellten indes aber weder eine formelle noch eine faktische Enteignung dar: Der VfGH habe zunächst keinen Zweifel, dass die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und weder den Wesensgehalt des Grundrechts berührt noch in anderer Weise gegen einen bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt. Der VfGH gehe überdies davon aus, dass die angefochtenen Bestimmungen betreffend die Festsetzung der Höhe der Richtwerte für die einzelnen Länder zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles, nämlich der Gewährleistung von leistbarem Wohnen, jedenfalls geeignet und auch erforderlich seien. Auch eine im öffentlichen Interesse gelegene Eigentumsbeschränkung müsse in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch sie bewirkten Eingriff in das Eigentum stehen. Es müsse zum einen bei einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Regelung und dem Interesse des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffs das öffentliche Interesse überwiegen, und es dürfe ferner der zur Verwirklichung einer im überwiegenden öffentlichen Interesse getroffenen Regelung vorgenommene Eigentumseingriff nicht weiter gehen, als dies zur Erreichung des Regelungszieles notwendig ist.

Auch bei der Festlegung von Richtwerten für die Bemessung und Herabsetzung des Mietzinses komme dem Gesetzgeber grundsätzlich ein Ermessensspielraum zu. Vor dem Hintergrund des Eigentumsgrundrechts dürften die Maßnahmen jedoch im Hinblick auf die damit verfolgten Ziele zu keinen unverhältnismäßigen Lasten auf Seiten der Vermieter führen. Unverhältnismäßig wäre eine Regelung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ua dann, wenn die Mietpreise es den Vermietern nicht mehr ermöglichen, ihr Eigentum in angemessenem Zustand zu erhalten. Diese Behauptung sei jedoch weder näher substantiiert noch decke sich eine solche Annahme mit der allgemeinen Lebenserfahrung. Insoweit könne den von den Antragstellern pauschal vorgetragenen Bedenken nicht gefolgt werden. 18 18

Auch im Hinblick auf den behaupteten Verstoß gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums führte der VfGH die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Mellacher (EGMR 19. Dezember 1989, Fall Mellacher, Appl. 10522/83, 11011/84, 11070/84) ins Treffen, in welchem vor dem Hintergrund der durch den Gesetzgeber verfolgten wohnungs- und sozialpolitischen Zielsetzungen das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht durch das Kategoriemietzinssystem verneint wurde. Im Lichte dieser Rechtsprechung erweisen sich für den VfGH auch die Bedenken gegen das Richtwertsystem an sich, welches im Unterschied zu dem Kategoriemietzinssystem Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 17

Der Gesetzgeber habe den ihm offenstehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Einschränkung der Eigentumsnutzung in Zusammenhang mit der gesetzlichen Mietzinsbegrenzung sohin nicht überschritten. e)

Zum behaupteten Verstoß gegen die Freiheit der Erwerbsbetätigung:

Der VfGH verweist hier auf die Ausführungen zum Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Unversehrtheit des Eigentums. f)

Kritik:

Die Argumentation des VfGH stützt sich wie schon in der Entscheidung G 673/2015 ua maßgeblich darauf, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des Mietrechts über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfüge, zumal bei der Regelung des Mietrechts, insbesondere bei der Regelung des Mietzinses, der Gesetzgeber teils widerstreitende wohnungs-, sozial- und stadtentwicklungspolitische Interessen zum Ausgleich bringen müsse. Dies ist grundsätzlich anzuerkennen, doch muss – wie schon in der Kritik zu Entscheidung G 673/2105 ua über das Lagezuschlagsverbot in sogenannten „Gründerzeitvierteln“ – entgegengehalten werden, dass es bei den zugrunde liegenden Anträgen nicht um Kritik am mietrechtlichen Preisschutz per se geht, sondern um nicht weiter begreifbare (und zur Erreichung des sozialpolitischen Ziels „Sicherung leistbarer Mieten“ weder notwendige noch dienliche) Differenzierungen innerhalb des Preisschutzsystems. Dass derartige Differenzierungen nur dann mit Aussicht auf Erfolg zum Gegenstand einer Gesetzesbeschwerde gemacht werden können, wenn sie schon in auffallendem Maße unverhältnismäßig übers Ziel schießen und gesetzliche Beschränkungen bereits die Möglichkeit der Substanzerhaltung der Mietobjekte gefährden, ist zur Kenntnis zu nehmen, befriedigt aber wegen des verbleibenden Wertungsspielraums nicht. Offenbar taugt der Hinweis auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers als Patentrezept, um auch einigermaßen tollkühne gesetzliche Bestimmungen gegen einen erfolgreichen Parteiantrag auf Normenkontrolle zu immunisieren. Der VfGH erklärt ganz allgemein, dass nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden könne, ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird. Dies bedeutet, dass die behauptete Unzweckmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung zwar Anlass zu rechtspolitischen Diskussionen geben kann, aber alleine noch keine verfassungsrechtlichen Bedenken auszulösen vermag. So gesehen wird wohl auch bezüglich der Chancen für weitere Gesetzesbeschwerden zum mietrechtlichen Preisschutz ein düsteres Bild gezeichnet werden müssen – die Hoffnung, dass mit dem Rechtsschutzinstrumentarium des Parteiantrags auf Normenkontrolle und der auf spezifische regionale Unterschiede Bedacht nimmt, als nicht zutreffend. Dieses Ergebnis werde durch die Einsicht bestätigt, dass das Richtwertsystem ein für den Vermieter insgesamt gegenüber dem Kategoriemietzinssystem mit Vorteilen verbundenes System der Mietzinsbegrenzung darstelle (vgl 4 Ob 1527/95).

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 18

Aufhebung so mancher missglückter und gleichheitswidrig anmutender Bestimmung eine gewisse mietrechtliche Reformdynamik zustande kommt, scheint sich definitiv nicht zu erfüllen. Es bestehen offenbar keine Chancen für eine erfolgreiche Anfechtung, wenn sich die Gesetzesbeschwerde nicht gerade gegen gesetzliche Beschränkungen, die das Vermieten völlig unerschwinglich machen, richtet. Zur konkreten Beschwerdesache meint der VfGH, dass es noch nicht unsachlich sei, wenn sich die Höhe der Richtwerte nicht proportional zu den tatsächlichen Baukosten bzw Marktverhältnissen in den jeweiligen Ländern verhält. Dieser Aspekt mag allenfalls ein Argument dafür sein, dass der Richtwert für Wien ungeachtet der Marktgegebenheiten nicht höher sein darf, als jener für die übrigen Bundesländer. Warum aber sollte dies eine sachliche Grundlage dafür sein, das Bundesland Wien bei der Festsetzung der Richtwerte nicht nur nicht besserzustellen, sondern sogar noch im Wege der Festsetzung eines Richtwerts, der nur von jenem für das Bundesland Burgenland unterboten wird, zu diskriminieren? Damit wird der Markt nicht bloß nivelliert (worin zur Sicherung leistbarer Mieten ja noch ein rechtspolitisches Ziel erblickt werden könnte), sondern völlig auf den Kopf gestellt. Deshalb darf man sich über das Versagen dieses Preisschutzsystems just in jenem Bundesland, in dem es die größte Rolle spielt, nicht weiters wundern. Die Haltung des VfGH kann im Übrigen nicht nur rechtlich, sondern auch ökonomisch nicht nachvollzogen werden: Vermehrter Nachfrage (in den städtischen Ballungsräumen) muss mit der Sicherung vermehrten Angebots (ebendort) begegnet werden, warum aber sollte vermehrte Nachfrage niedrigere Preise als anderswo rechtfertigen bzw warum sollte ein niedrigerer Richtwert für Wien gar notwendig sein, das gesetzgeberische Ziel, nämlich die Gewährleistung von leistbarem Wohnen, zu erreichen? *** •

VfGH zu § 1 Abs 4 Z 3 MRG Abweisung der Gesetzesbeschwerden gegen die Beschränkung der Teilausnahme für im Wohnungseigentum stehende Mietgegenstände auf Neubauten VfGH 28.6.2017, G 34/2017 ua

In einer weiteren Entscheidung (G 34/2017 ua) vermochte der VfGH auch Bedenken hinsichtlich einer fehlenden sachlichen Rechtfertigung der Stichtagsregelung in § 1 Abs 4 Z 3 MRG (= Teilausnahme vom MRG lediglich für „Neubau-Wohnungseigentum“, während Wohnungseigentumsobjekte in Altbauten dem Preisschutz der MRG-Vollanwendung unterliegen) nicht zu teilen. a)

Rechtlicher Hintergrund:

Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 MRG liegt eine (nicht unter den Preisschutz des MRG fallende) Teilausnahme vom MRG dann vor, wenn der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht19 und in einem Gebäude gelegen ist, das aufgrund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist. Während also Wohnungseigentumsobjekte in 19

Das Wohnungseigentum muss im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bereits bestehen (vgl RISJustiz RS0069447). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 19

Neubauten, welche auf der Grundlage einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung errichtet wurden, grundsätzlich 20 ohne Bindung an gesetzliche Mietzinsobergrenzen, somit zum sogenannten „freien“ Mietzins vermietet werden dürfen, unterliegen Wohnungseigentumsobjekte in älteren Gebäuden dem Vollanwendungsbereich des MRG mit seinem Preisschutzkonzept des § 16 MRG. Vor dem dargestellten gesetzlichen Hintergrund begehrte die antragstellende Gesellschaft im Rahmen der gegenständlichen Gesetzesbeschwerde, die Wortfolge „sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das aufgrund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist“ als verfassungswidrig aufzuheben (und forderte demgemäß auch für „Altbau-Wohnungseigentum“ eine Teilausnahme vom MRG ein).21 Die Antragstellerin brachte vor, dass die Unterscheidung zwischen Alt- und Neubauten in § 1 Abs 4 Z 3 MRG sachlich nicht begründet sei, weil nicht auf tatsächliche Unterschiede abgestellt werde, die zwischen Bestandobjekten bestehen (können), welche [mit einer Baubewilligung] vor bzw nach dem 8. Mai 1945 geschaffen wurden. Der Stichtag sage darüber nichts aus. Maßgebend für die Ermittlung des Mietzinses könne nur der Wohnwert einer Wohnung sein, der von verschiedenen Faktoren abhänge, wie zum Beispiel von der Wohnlage, der verkehrsmäßigen Anschließung, (Grün)Ruhelage und Architektur, vor allem aber von Ausstattung und Zustand der jeweiligen Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags. An keinen dieser Faktoren werde angeknüpft, maßgebend solle nur das Datum der Erteilung der Baubewilligung sein. Dies ohne Unterschied, ob die jeweilige Wohnung saniert und hochwertig ausgestattet ist, oder abgewohnt ist, und ihre Ausstattung nicht nur unmodern ist, sondern darüber hinaus seit Jahrzehnten nicht mehr erneuert wurde. Die Stichtagsregelung in § 1 Abs 4 Z 3 MRG bewirke auch eine Eigentumsbeschränkung: eine solche wäre verfassungskonform, wenn sie im öffentlichen Interesse läge und darüber hinaus nicht unverhältnismäßig wäre. Keine dieser beiden Voraussetzungen sei jedoch erfüllt.

b)

Entscheidung des VfGH: Abweisung des Antrags als unbegründet (Entscheidung in der Sache).

c)

Entscheidungsgründe zur behaupteten Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes:

Wie schon in den Entscheidungen zu G 673/2015 ua sowie zu G 428/2016 ua führte der VfGH auch hier aus, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt sei, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. Der VfGH betont auch im vorliegenden Zusammenhang, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung des Mietrechts über einen entsprechenden Gestaltungsspielraum verfüge. Bei der Regelung des Mietrechts, 20

21

Die Vollanwendung des MRG kann sich indes aus förderungsrechtlichen Vorschriften (WWG, WFG 1968) ergeben. Soweit darüber hinaus das Begehren der Antragstellerin die Bestimmungen des RichtWG zum Inhalt hatte, wurde es als zu eng gefasst und daher unzulässig formell zurückgewiesen. Der VfGH stellte fest, dass bei Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen im Umfang des (lediglich auf die Aufhebung der §§ 3 und 5 RichtWG gerichteten) Antrags nämlich mit den §§ 1, 2 und 4 RichtWG sowie dem II. Abschnitt des RichtWG ein völlig unanwendbarer und jeglichen Sinngehaltes entleerter Torso zurückbliebe. Auf die gegenständliche Beschwerde gegen das RichtWG wird daher im hier vorliegenden Rahmen der Darstellung der Entscheidung G 34/2017 ua nicht mehr näher eingegangen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 20

insbesondere bei der Regelung des Mietzinses, müsse der Gesetzgeber – wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls bereits festgestellt habe – teils widerstreitende wohnungs-, sozial- und stadtentwicklungspolitische Interessen zum Ausgleich bringen. Wenn der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von Gesetzen von Stichtagen abhängig macht, bleibe es ihm im Prinzip überlassen, den Stichtag festzulegen, ohne dass es für die Wahl des Stichtages einer Rechtfertigung bedarf. In diesem Sinn weise jede Stichtagsregelung ein gewisses Maß an Beliebigkeit auf. Es müsste besondere Gründe geben, warum gerade ein bestimmter Stichtag unsachlich ist. Es falle daher grundsätzlich in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine Wertung dahingehend zu treffen, welche Mietgegenstände in ein die Mietzinsbildung begrenzendes System einbezogen werden sollen, und diesbezüglich eine Stichtagsregelung vorzusehen, soweit die Regelung in sich sachlich ist. Insbesondere im Fall Mellacher22 habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte klargestellt, dass dem Gesetzgeber bei der Regelung des Mietrechts und der Gestaltung von mietzinsbegrenzenden Vorschriften ein entsprechender Gestaltungsspielraum zukommt. Der Europäische Gerichtshof für Menschrechte sei zu dem Ergebnis gelangt, dass vor dem Hintergrund dieses Gestaltungsspielraumes Regelungen wie jene des inzwischen durch das Richtwertsystem abgelösten Kategoriemietzinssystems, welche infolge der mangelnden Berücksichtigung von regionalen Unterschieden sowie der Lage des Mietobjekts zu unterschiedlich starken Nachteilen für Vermieter führen, keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art 1 1. ZPEMRK verbürgte Recht begründen würden. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte könne der VfGH nicht finden, dass der Gesetzgeber mit der angefochtenen Wortfolge in § 1 Abs 4 Z 3 MRG seinen Gestaltungsspielraum überschritten bzw. eine an sich unsachliche Regelung geschaffen hat.

Die angefochtene Rechtsvorschrift knüpfe hinsichtlich der zeitlichen Abgrenzung des (Teil)Anwendungsbereiches des MRG an einen historischen Stichtag an, nämlich den 8. Mai 1945, welcher das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa markiert. Es sei nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber Eigentumswohnungen in Gebäuden, welche auf Grund einer erst nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung errichtet wurden, vom Vollanwendungsbereich und somit auch vom Preisschutz des MRG ausnimmt. Die Regelung sei im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Zerstörung von Wohnraum während des Krieges und dem Erfordernis des Wiederaufbaus nach Kriegsende gerechtfertigt. Es liege nicht zuletzt auf Grund der getroffenen Stichtagsregelung nahe, dass der Gesetzgeber bestrebt war, mit der mietzinsrechtlichen Besserstellung von Wohnungseigentum in Gebäuden, für welche nach Kriegsende eine Baubewilligung erteilt wurde, die Neuerrichtung von Wohnraum im Rahmen des Wiederaufbaus nach Kriegsende zu honorieren. Damit habe der Gesetzgeber ein legitimes Ziel mit angemessenen Mitteln verfolgt. Insofern sei die angefochtene Regelung weder in sich unsachlich noch liege ein besonderer Grund vor, der den konkret gewählten Stichtag als unsachlich erscheinen ließe. Die Unsachlichkeit der Regelung folge ferner auch nicht aus der – ebenfalls von dem Stichtag abhängigen – Pflicht des Vermieters zur Erhaltung des Mietgegenstands (§ 3 MRG). So würden Mietobjekte, die in Gebäuden gelegen sind, die auf Grund einer nach dem relevanten Stichtag erteilten Baubewilligung errichtet wurden, nicht dem Richtwertmietzins unterliegen. Dem 22

EGMR 19. Dezember 1989, Fall Mellacher, Appl. 10522/83, 11011/84, 11070/84. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 21

stehe bei solchen Mietobjekten jedoch zugleich die Erhaltungspflicht des Vermieters gemäß § 1096 ABGB gegenüber. Die durch § 1096 ABGB begründete dispositive Rechtslage sehe eine – gegenüber der im Vollanwendungsbereich des MRG zur Anwendung gelangenden Bestimmung des § 3 MRG – deutlich darüber hinausgehende Erhaltungspflicht des Vermieters vor. Dem verminderten Mietzins im Vollanwendungsbereich des MRG stünden sohin zugleich auch eingeschränkte Erhaltungspflichten gegenüber. Insofern gingen die diesbezüglich geäußerten Bedenken der antragstellenden Gesellschaft ins Leere.

d)

Zum behaupteten Verstoß gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums:

Zu den geltend gemachten Bedenken im Hinblick auf das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums hielt der VfGH der antragstellenden Gesellschaft – einen Eingriff vorausgesetzt – die zum Gleichheitssatz dargelegten Erwägungen entgegen. e)

Kritik

Mit dem vorliegenden Erkenntnis wird – wiederum unter Bemühung des „rechtspolitischen Gestaltungsspielraums“ des Mietrechtsgesetzgebers – eine Art „Systemfehler“ des MRG fortgeführt und bekräftigt, nämlich die Diskriminierung des – wenn auch umfassend sanierten – Altbaus gegenüber dem Neubau: Während im Neubau vielfach schon von Vornherein ein gesetzlicher Tatbestand für eine Teilausnahe vom MRG vorliegt 23, ist das im Altbau selbst dann nicht der Fall, wenn es sich dabei um ein – höchsten Wohnwert vermittelndes – herrschaftliches Palais handelt.24 Auch im Rahmen der Mietzinsbildung im Vollanwendungsbereich des MRG ist der Neubau gegenüber dem Altbau privilegiert: Neubauten und neugeschaffene Mietgegenstände können in der Vollanwendung des MRG stets zum angemessenen Mietzins25 vermietet werden, während dies bei Wohnungen im „Altbestand“ grundsätzlich26 nicht der Fall ist, selbst wenn sie mit hohem Investitionsaufwand qualitativ auf das Höchstmaß aufgewertet wurden.

23

24

25

26

Vgl § 1 Abs 4 Z 1 MRG (der Mietgegenstand ist in einem Gebäude gelegen, das ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist) und § 1 Abs 4 Z 3 MRG (der Mietgegenstand steht im Wohnungseigentum und ist in einem Gebäude gelegen, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist). Im Altbau selbst kommt nämlich das MRG (von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen) stets voll zur Anwendung. Nur die nachträgliche Neuschaffung von Objekten im Wege eines Dachgeschoßausbaus bzw Aufbaus mit einer nach dem 31. Dezember 2001 erteilten Baubewilligung oder im Wege eines Zubaus mit einer nach dem 30. September 2006 erteilten Baubewilligung bzw auch die Vermietung von unausgebauten Dachbodenräumlichkeiten führt zu einer Teilausnahme vom MRG (§ 1 Abs 4 Z 2 und 2a MRG). Vgl § 16 Abs 1 Z 2 MRG, maßgeblich ist hierfür jeweils eine nach dem 8. Mai 1945 erteilte Baubewilligung für das Gebäude bzw den Mietgegenstand. Ausnahmen: § 16 Abs 1 Z 3 MRG (der Mietgegenstand ist in einem Gebäude gelegen, an dessen Erhaltung aus Gründen des Denkmalschutzes öffentliches Interesse besteht; der Vermieter hat unbeschadet der Gewährung öffentlicher Mittel zu dessen Erhaltung nach dem 8. Mai 1945 erhebliche Eigenmittel aufgewendet) und § 16 Abs 1 Z 4 MRG (der Mietgegenstand ist eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B, und seine Nutzfläche übersteigt 130 m²; der Vermieter vermietet eine solche Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach der Räumung durch den früheren Mieter oder Inhaber an einen nicht zum Eintritt in die Mietrechte des früheren Mieters Berechtigten – bei Durchführung von Verbesserungsarbeiten verlängert sich diese Frist um ein Jahr). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 22

Die Einschätzung, dass Altbauten „schlecht“ und Neubauten „gut“ seien, hatte aufgrund des damals im Althausbestand noch vorhandenen merklichen Ausmaßes an Substandardwohnungen allenfalls noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MRG im Jahr 1982 ihre Rechtfertigung (und selbst damals nur in einer sehr groben, verallgemeinernden Annäherung). Heute ist eine derartige Einschätzung aufgrund einer gleich doppelten Entwicklung überholt: Einerseits aufgrund der in der Zwischenzeit in hohem Ausmaß erfolgten umfassenden Sanierung des Althausbestandes, andererseits aufgrund des schleichenden Verfalls der Neubauten (die, sofern es sich dabei Gebäude handelt, die bereits über 70 Jahre alt sein können, diese Bezeichnung ja auch gar nicht mehr verdienen). Der VfGH lässt sich auf nähere Analysen zur Rechtfertigung einer Stichtagsregelung erst gar nicht ein, und vermeint lapidar, dass es dem Gesetzgeber im Prinzip überlassen bleibe, den Stichtag für den Anwendungsbereich von Gesetzen festzulegen, ohne dass es für die Wahl des Stichtages einer Rechtfertigung bedarf. In diesem Sinn weise jede Stichtagsregelung ein gewisses Maß an Beliebigkeit auf. Der VfGH geht somit von der Vermutung der Verfassungskonformität einer Stichtagsregelung aus, die nur bei Vorliegen besonderer Gründe für die Unsachlichkeit des gewählten Stichtags widerlegt werden kann. Damit scheint klar zu sein, dass auch der Anfechtung anderer Stichtagsreglungen im MRG keine allzu großen Erfolgsaussichten eingeräumt werden können, weil der VfGH hier doch sehr klar zu erkennen gibt, mit derartigen Fragen, die seiner Ansicht nach im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegen, nicht behelligt werden zu wollen. In der Sache selbst erklärt der VfGH, dass mit dem in § 1 Abs 4 Z 3 MRG gewählten Stichtag, der mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenfällt, der Gesetzgeber ein legitimes Ziel mit angemessenen Mitteln verfolgt habe. Schließlich ging es ja darum, die Neuerrichtung von (dringend benötigtem) Wohnraum im Rahmen des Wiederaufbaus nach Kriegsende zu honorieren. Dies mag auf den ersten Blick überzeugend wirken, übersieht aber, dass – zumindest aus heutiger Sicht – nicht nur die Neuerrichtung von Gebäuden einer Honorierung bedarf, sondern auch und va die – wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle und unter dem Aspekt der Wahrung der unbestreitbaren und allgemein anerkannten Wohnqualität der Altbauten und der Aufrechterhaltung des historischen Erscheinungsbilds der Innenstädte zu fördernde – Sanierung von Althausbestand. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der VfGH bezüglich der Erhaltungspflichten des Vermieters durchaus beschwichtigend (= die Nachteile der MRG-Vollanwendung relativierend) ins Treffen führt, dass die im Vollanwendungsbereich des MRG geltenden Erhaltungspflichten nach § 3 MRG gegenüber jenen des Vermieters außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG nach § 1096 ABGB eingeschränkt seien, dh den Mietzinsbeschränkungen der MRGVollanwendung auch eingeschränkte Erhaltungspflichten des Vermieters gegenüberstünden. Den diesbezüglich aber sehr wohl erschwerenden Umstand, dass nämlich die Erhaltungspflichten nach § 3 MRG im Gegensatz zu jenen des § 1096 ABGB (zumindest zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses) vertraglich nicht abbedungen werden können, lässt er nahezu unerwähnt.

Wenn der gesetzlichen Diskriminierung des Althausbestandes schon nicht auf verfassungsrechtlichen Wege begegnet werden kann, so muss darin jedenfalls ein Reformansatz im legistischen Reformprozess erblickt werden. Zumindest rechtspolitisch ist es wohl nicht verwegen, bei der Normierung des mietrechtlichen Preisschutzes an Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 23

qualitativen Kriterien anzusetzen (nicht zuletzt, um damit eine Motivation für Vermieter zu schaffen, im allgemeinen Interesse liegende qualitative Standards wie etwa Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit herzustellen). Dies sollte dann sinnvollerweise unter Bezugnahme auf den Erhaltungszustand bzw Sanierungsgrad eines Gebäudes geschehen und nicht nach Maßgabe dessen Errichtungsdatums oder des Zeitpunkts der Errichtung des Mietgegenstands (zumal aus dem Errichtungsdatum alleine über die Wohnqualität des betreffenden Gebäudes oder Mietgegenstands keine Aussage gewonnen werden kann). Solange es vor dem Hintergrund der Mietrechtsgesetzgebung mit ihren zahlreichen Stichtagsregelungen ökonomisch sinnvoller ist, ältere Gebäude abzureißen und an ihrer Stelle Neubauten zu errichten, sollte für das in der Praxis festgestellte und von Experten aus den Bereichen Architektur, Stadtbildpflege und urbane Entwicklung vielfach und in aller Öffentlichkeit betrauerte „Sterben der Gründerzeithäuser“ nicht länger Ursachenforschung betrieben werden. Es wäre auf legistischer Ebene ein Leichtes, durch die Beseitigung der Altbaudiskriminierung im Wege einer Gleichstellung sanierter Altbauten mit Neubauten einen sinnvollen Beitrag zur Erhaltung schützenswerter Bausubstanz zu leisten.

D. 

Verbraucherschutzrechtliche Klauselentscheidungen

§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG, §§ 28 ff KSchG Sechste mietrechtliche „Klauselentscheidung“ des OGH OGH 27.6.2017, 5 Ob 183/16x

Erneut ist eine mietrechtliche Klauselentscheidung des OGH (5 Ob 183/16x) aufgrund eines von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte angestrengten Verbandsprozesses ergangen.27 Beklagte in diesem Verfahren war eine Gemeinnützige Bauvereinigung, weshalb bei der Prüfung einiger Klauseln Bestimmungen des WGG im Mittelpunkt standen, doch berührt die Entscheidung in einigen grundlegenden Fragen auch Mietverhältnisse außerhalb des WGG. Konkret ging es um Rechtsfragen zur Festsetzung des Beginns eines Mietverhältnisses, zur Einschränkung der Nutzungsbefugnis auf Wohnzwecke, zur Vereinbarung eines Entgelts gemäß WGG, zur Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsgrundes, zur Abdingbarkeit von Ersatzansprüchen für nützliche Verbesserungen, zur Rückgabe des Mietgegenstands, zum Verbot der Untervermietung und sonstigen Weitergabe sowie zur Überwälzung der Bestandvertragsgebühr auf den Mieter. Lesen Sie hier zu den geprüften Klauseln samt kritischen Anmerkungen (sofern die zugrundeliegenden Fragen über das WGG hinausgehen). 

Rechtlicher Hintergrund:

a)

Zur Verbandsklage (§§ 28 ff KSchG)

Rechtsgrundlage für eine sogenannte Verbandsklage ist § 28 KSchG: Demnach besteht ein Unterlassungsanspruch gegenüber demjenigen, der im geschäftlichen Verkehr in 27

Vgl hierzu schon die höchstgerichtlichen mietrechtlichen Klauselentscheidungen 7 Ob 78/06f, 1 Ob 241/06g, 6 Ob 81/09v, 2 Ob 73/10i und 2 Ob 215/10x. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 24

Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder in Vertragsformblättern Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen. Klageberechtigt sind nach § 29 KSchG die Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die Bundesarbeitskammer (BAK), der Österreichische Landarbeiterkammertag, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Österreichische Seniorenrat. Zumal also nicht ein unmittelbar bettoffener Vertragspartner, sondern eine Interessenvertretung klagelegitimiert ist, kann bei Verbandsprozessen getrost von „Musterprozessen“ gesprochen werden (übrigens im doppelten Wortsinn, zumal in diesen Verfahren ja Vertragsmuster auf dem Prüfstand stehen), weil in ihnen gleichsam „präventiv“ Rechtschutz begehrt wird. Die Auslegung von Klauseln hat im Rahmen einer Verbandsklage im „kundenfeindlichsten“, also im für den Verbraucher ungünstigsten möglichen Sinn zu erfolgen.28 Auf eine etwaige bloß teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klauseln kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist.29 Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks. Zwei unabhängige Regelungen können in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können.30

b)

Zur AGB-Inhaltskontrolle wegen gröblicher Benachteiligung (§ 879 Abs 3 ABGB)

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“. 31 Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. 32 Nach § 879 Abs 3 ABGB setzt die Inhaltskontrolle voraus, dass die zu prüfende Vertragsbestimmung nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt.

28 29 30 31 32

RIS-Justiz RS0016590. RIS-Justiz RS0038205. RIS-Justiz RS0121187. RIS-Justiz RS0016914. 6 Ob 17/16t; 6 Ob 120/15p mit weiteren Nachweisen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 25

Nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung ist der Kontrolle entzogen. Die Ausnahme ist nämlich möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, sodass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem auch Ort und Zeit der Vertragserfüllung oder Umschreibungen vertragstypischer Leistungen in allgemeiner Form nicht unter diese Ausnahme fallen.33

c)

Zum konsumentenschutzrechtlichen Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG)

Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung von AGB sicherstellen. Der typische Verbraucher soll nicht von der Durchsetzung seiner Rechte dadurch abgehalten werden, dass ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird 34 oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden.35 Das Transparenzgebot erfasst die Erkennbarkeit und Verständlichkeit einer Klausel ebenso wie die Verpflichtung, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, dass Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit.36 Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden. 37 Aus dem Transparenzgebot kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen in einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben.38



Sachverhalt:

Die Klägerin (Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte) ist ein zur Unterlassungsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband. Die beklagte GmbH ist eine Bauvereinigung nach § 1 WGG. Sie tritt im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit in ganz Österreich regelmäßig in geschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern im Sinne des § 1 KSchG und verwendete zumindest bis zum Zeitpunkt der Abmahnung der klagenden Partei mit Schreiben vom 14. Juli 2014 im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Vertragsmuster, die unter anderem die noch umstrittenen Klauseln 1, 2, 4, 6, 11, 16, 17, 18, 19 und 20 enthielten.

Die Klägerin begehrt gestützt auf § 6 Abs 3 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB, das MRG und das WGG Unterlassung und Urteilsveröffentlichung hinsichtlich dieser Klauseln. Die Vorinstanzen entschieden teils klagsstattgebend, teils klagsabweisend. Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Rechtsprechung des OGH zur Wirksamkeit von 33 34 35 36 37 38

RIS-Justiz RS0016908; RS0016931. RIS-Justiz RS0115217 [T3]. RIS-Justiz RS0115217 [T8]. RIS-Justiz RS0115217 [T12]. RIS-Justiz RS0126158. RIS-Justiz RS0115219. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 26

Vertragsklauseln, verwendeten, zu. 

welche

gemeinnützige

Bauvereinigungen

bei

Bestandverträgen

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Zum Sachverhalt: Die Revisionen beider Parteien sind zulässig und teilweise berechtigt. a)

Zur Klausel 1 (Festsetzung des Beginns des Mietverhältnisses)

Klausel 1 lautet: „Das Mietverhältnis beginnt spätestens am 1. Jänner 2015 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Vermieterin wird den Mieter zumindest 6 Wochen vorher vom genauen Übergabetermin verständigen.“ Die Klägerin sieht in der Revision die Klausel als einheitliche Regelung an, die der beklagten Bauvereinigung zum Nachteil des Mieters ein (ua) § 1413 ABGB widersprechendes einseitiges vertragliches Änderungs-/Gestaltungsrecht einräume, einen vertraglich nicht fixierten (früheren) Übergabetermin nach ihrem Belieben festzusetzen. Die Klägerin sieht die Gefahr einer Überwälzung von Kosten auf den Mieter in der vorzeitigen Übergabe des Mietobjekts vor dem 1. Jänner 2015 und die gröbliche Benachteiligung [im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB] in der Belastung mit Zahlungen für zwei Wohnungen, wenn die alte Wohnung nicht mehr rechtzeitig zu dem früheren Übergabetermin aufgekündigt werden kann. Dieser mögliche finanzielle Nachteil eines Mieters reicht [aber] für dessen gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB noch nicht aus. Einer sachlichen Rechtfertigung bedarf es erst, wenn ein Verstoß gegen dispositives Recht feststeht. Weder MRG noch WGG regeln, wie der Beginn eines (wie hier) auf unbestimmte Zeit geschlossenen Bestandverhältnisses festzulegen ist. § 1413 ABGB, den die Klägerin als Verstoß gegen dispositives Recht heranzieht, verbietet (ähnlich wie § 6 Abs 2 Z 3 KSchG) nur die einseitige Änderung der bereits vertraglich vereinbarten Leistungspflicht, regelt aber nicht die ursprüngliche Vereinbarung, was, wie, wann und wo zu leisten ist. Bei einem noch nicht fertiggestellten Objekt ist der Abschluss von Mietverträgen mit einem datumsmäßig festgelegten (und nicht durch das Wort spätestens relativierten) Vertragsbeginn sowie einem solchen Übergabetermin nicht unbedingt sinnvoll, weil der Baufortschritt von nicht immer fix kalkulierbaren Bedingungen abhängt. Die Fertigstellung und die daran orientierte Übergabe ist ein bestimmbarer Termin für den Vertragsbeginn. Ergebnis: Die Klausel ist zulässig. Kritik: Der OGH betont folgerichtig, dass es einer sachlichen Rechtfertigung für eine formularvertragliche Vereinbarung erst dann bedarf, wenn diese vom dispositiven Recht abweicht. Nachdem dies hier nicht der Fall ist, ist von der Zulässigkeit der Klausel auszugehen. Die sachliche Kritik der Klägerin, wonach aufgrund dieser Klausel der Mieter mehr oder weniger überraschend (= mit Information lediglich sechs Wochen im Vorhinein) mit einem von der Bauvereinigung festgesetzten Mietvertragsbeginn konfrontiert werden kann, ist indes nachvollziehbar, reicht aber für eine Unwirksamkeit nach § 879 Abs 3 ABGB nicht aus.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 27

b)

Zur Klausel 2 (Einschränkung der Nutzungsbefugnis auf Wohnzwecke)

Klausel 2 lautet: „Der Mietgegenstand darf nur zu Wohnzwecken verwendet werden. Eine andere Art der Benützung des Mietgegenstands ist nur mit Zustimmung der Vermieterin gestattet.“ Die Klägerin sieht diese Klausel, nach der eine Tätigkeit als Lektor oder die Einrichtung eines Arbeitszimmers für eine nebenberufliche Tätigkeit von der Zustimmung der Vermieterin abhängig sei, als gröblich benachteiligend. Die Beklagte verweist auf die Genehmigungspflichten einer Widmungsänderung nach dem WEG und die Notorietät der Tatsache, dass der Begriff „Wohnzwecke“ derartige (nebenberufliche) Tätigkeiten ebenso erfasse wie das Üben auf Musikinstrumenten oder Trainieren auf einem Ergometer oder Fitnessgeräten. Sie bezieht sich in der Revision auf die Voraussetzungen für eine Widmungsänderung nach dem WEG und sieht die Befürchtungen der Klägerin zur Beschränkung des Begriffs „Wohnzwecke“ insbesondere angesichts der Entscheidung 5 Ob 53/15b (bei Benützung einer Wohnung durch eine Tagesmutter liegt noch keine genehmigungspflichtige Änderung der Widmung des Wohnungseigentumsobjekts vor) als an der Realität vorbeigehend.

Die – keine Klauselprozesse betreffende – Rechtsprechung des OGH hält die vertragliche Einschränkung auf Vermietung zu Wohnzwecken – als Abgrenzung zu Geschäftszwecken verstanden – für grundsätzlich zulässig.39 Im Anwendungsbereich des WGG können durchaus berechtigte Interessen der Vermieterin an einer derartigen vertraglichen Einschränkung bestehen wie beispielsweise im Zusammenhang mit der Einhaltung von Förderungsbedingungen oder im Interesse an einem konfliktfreien Zusammenleben der Mieter, das bei übermäßiger Beanspruchung einer reinen Wohnanlage durch Geschäftsverkehr beeinträchtigt werden kann.

Bei kundenfeindlichster Auslegung berechtigt die Klausel jedoch die Vermieterin, alleine darüber zu entscheiden, welche Tätigkeit von Mietern sie nicht mehr Wohnzwecken zuordnet, und in diesem Fall die Zulässigkeit der Nutzung je nach Belieben von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Gerade bei (neben-)beruflichen Tätigkeiten, die in einer zu Wohnzwecken gemieteten Wohnung ausgeübt werden, kann die Abgrenzung schwierig sein, ob noch der Wohnzweck im Vordergrund steht. Eine restriktive Auslegung des Begriffs „Wohnzwecke“ durch einen Vermieter ist schon aus diesem Grund entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vollkommen realitätsfremd. Die Änderung der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts bedarf nach § 16 Abs 2 WEG der Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter.40 Aus dieser Notwendigkeit ergibt sich nicht jener Wertungswiderspruch, den die Beklagte in der Besserstellung eines Mieters (und allenfalls zukünftigen Wohnungseigentümers nach Begründung von Wohnungseigentum) im Vergleich zu einem Wohnungseigentümer sieht. Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist 39 40

RIS-Justiz RS0020522. 5 Ob 53/15b mit weiteren Nachweisen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 28

auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen.41 Erst nach wirksamer Festlegung der Widmung und Begründung von Wohnungseigentum unterliegt eine Widmungsänderung den gesetzlichen Beschränkungen des WEG. Hier handelt es sich jedoch um eine vertragliche, von der Vermieterin in Vertragsformblättern vorgegebene Beschränkung der Nutzung eines Bestandobjekts. An diesem kommt es dann nicht zur Begründung von Wohnungseigentum, wenn kein Mieter seine Kaufoption ausübt.

Ergebnis: Die Klausel ist als unzulässig anzusehen. Kritik: Völlig überzeugend ist die hier zur Schau getragene Ansicht des OGH nicht. Geht man nämlich gemäß der Argumentation der beklagten Bauvereinigung davon aus, dass der Begriff „Wohnzweck“ ohnehin untergeordnete Verwendungsmöglichkeiten zu anderen als Wohnzwecken zulasse (etwa zu frei- und nebenberuflichen Tätigkeiten), dann wäre bei eben diesem vom Begriff „Wohnzweck“ im weiteren Sinn noch umfassten Verwendungen eine Zustimmung der Vermieterin ja gerade nicht notwendig, und berechtigt daher die Klausel die Vermieterin eben nicht, alleine darüber zu entscheiden, welche Tätigkeit von Mietern nicht mehr Wohnzwecken zuordnet sind. c)

Zu den Klauseln 4 und 6 (Vereinbarung des Entgelts nach WGG)

Klausel 4 lautet: „Die Höhe der Entgeltbestandteile wird nach den Bestimmungen des WGG kalkuliert.“ Klausel 6 lautet: „Die Vermieterin ist berechtigt und verpflichtet, eine nach den Bestimmungen des WGG samt Durchführungsverordnungen und dem Wohnbauförderungsgesetz sich ergebenden kostendeckenden Mietzins (inklusive Verwaltungskosten) zu begehren, wobei die nach den genannten Bestimmungen jeweils zulässigen Höchstsätze als vereinbart gelten, jedoch nicht überschritten werden dürfen. Eine Anpassung des Mietzinses ist daher jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zulässig, wenn dies zur Deckung der Finanzierungskosten und der Aufwendungen für die Bewirtschaftung der Baulichkeit sowie der Kosten für die Wirtschaftsführung der Vermieterin (Verwaltungskosten) erforderlich ist, insbesondere daher bei Neuordnung steuerlicher Maßnahmen und Gebühren, sowie Änderungen der Finanzierung oder der Bedingung der Darlehensverträge (Förderungszusagen).“ Beide Klauseln finden sich unter Vertragspunkt V: „Mietzins“. Klausel 4 folgt Klausel 6 nach. Die Klägerin bekämpft beide Klauseln als intransparent. Die Beklagte sieht einerseits § 6 Abs 3 KSchG durch das WGG verdrängt und andererseits eine transparentere Gestaltung aufgrund der Komplexität der Regelungen des WGG als unmöglich. Der von der Beklagten gewünschte Anwendungsvorrang des WGG vor § 6 Abs 3 KSchG ergibt sich indes weder aus der Literatur noch aus der Rechtsprechung des OGH. 41

RIS-Justiz RS0120725; RS0119528. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 29

Nach der Rechtsprechung des OGH regelt § 14 Abs 1 WGG das „Soll-Entgelt“ im Sinn des Kostendeckungsprinzips, normiert aber keinen gesetzlichen Mietzins in dem Sinn, dass die danach errechneten Beträge ohne Rücksicht auf eine bestehende Vereinbarung zwischen der Bauvereinigung und den Mietern eingehoben werden können. Als Basis einer Entgeltzahlungsverpflichtung muss die Bestimmung des § 14 WGG – zumindest konkludent im Sinn des § 863 ABGB – vereinbart werden.42 Die beanstandeten Klauseln nennen keine einzige Bestimmung des WGG, nicht einmal jene des § 14. Die Worte „kostendeckenden Mietzins“ im ersten Satz der Klausel 6 sind zwar Anhaltspunkt dafür, dass ein kostendeckender Mietzins nach § 14 Abs 1 WGG vereinbart werden soll. Dem durchschnittlichen Mieter erschließt sich dies mangels eindeutiger Bezeichnung des Entgelts nach dieser Gesetzesstelle einschließlich der Aufschlüsselung in die darin aufgezählten (möglichen) Entgeltkomponenten nicht zwingend, selbst wenn das Kostendeckungsprinzip im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht als weithin bekannt vorausgesetzt wird. Der Verbraucher kann sich auch nicht sicher sein, ob abweichend von § 14 Abs 1 WGG [Widervermietungsentgelt] im Sinne des § 13 Abs 6 WGG vereinbart wurde und der Festsetzung der monatlichen Entgelthöhe zugrunde lag. Der OGH hat bereits klargestellt, dass eine Bauvereinigung entweder das Entgelt nach § 14 Abs 1 WGG oder jenes nach § 13 Abs 6 WGG vereinbaren muss. Eine „Pendelklausel“, die der Bauvereinigung jederzeit und ausschließlich nach eigenem Gutdünken einen Wechsel zwischen diesen beiden Modellen entgegen der gesetzlichen Regelung einräumt, ist nach § 21 Abs 1 Z 1 WGG unwirksam.43

Ist für den durchschnittlichen Verbraucher nicht einmal klar, auf welcher konkreten Bestimmung des WGG eine Entgeltvereinbarung beruht, so wirkt die Unklarheit auf die in der Klausel 6 geregelte Anpassung des erstmals vereinbarten Mietentgelts fort. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass die Aufgabe, die Klauseln transparenter zu gestalten aufgrund der überaus komplexen gesetzlichen Rahmenbedingungen (WGG, ERVO, GRVO) für sie (und auch einen Universitätsprofessor und Experten im Wohnrecht) unlösbar sei. Diese Meinung, dass bei derartigen unlösbaren Aufgaben kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt, wird auch in der Literatur geteilt. Für die Einhaltung des Transparenzgebots ist zumindest zu fordern, dass die Beklagte jene Bestimmungen des WGG konkretisiert, auf der die vertragliche Entgeltfestsetzung beruht, und die einzelnen Bestandteile, aus denen sich das Entgelt zusammensetzt, aufschlüsselt. Das ist sogar aus der Entscheidung 5 Ob 81/16x abzuleiten, der eine Überspannung des Transparenzgebots nicht vorgeworfen werden kann. Eine unlösbare Aufgabe wird damit nicht gestellt. Ergebnis: Da die Klauseln 4 und 6 nicht einmal dieses Mindesterfordernis erfüllen, sind sie als intransparent zu beurteilen. Daran ändert die 35-seitige, den Mietinteressenten noch vor der Unterzeichnung der Mietvertragsformulare übermittelte Unterlage (einschließlich einer Mietenkalkulation samt Information zur Berechnung der Miete) nichts. Individuelle Vereinbarungen sind bei einer 42 43

5 Ob 111/02p = RIS-Justiz RS0083344 [T2, T3]; 5 Ob 72/14w. 5 Ob 196/12b. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 30

Verbandsklage nach der Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen. Es steht daher der Annahme einer Intransparenz nicht entgegen, wenn eine an sich intransparente Klausel aufgrund zusätzlicher individueller Erklärungen des Verwenders ausreichend verständlich gemacht wurde.44 Die Frage, ob lückenlos angeschlossene Unterlagen mit Erklärungen die Intransparenz einer Klausel beseitigen können45, stellt sich hier nicht. Die Unterlagen waren im konkreten Fall dem Vertrag nicht angeschlossen. Damit handelt es sich um eine im Vorfeld des Vertragsabschlusses vorgenommene Aufklärung von potentiellen Mietern, die ungeachtet der Verwendung derselben Unterlagen für alle Interessenten als individuelle Erklärung im Verbandsprozess unbeachtet bleiben muss. Unabhängig davon schafft die Bauvereinigung mit diesen Unterlagen keine Transparenz, wie schon das Berufungsgericht insofern zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) dargelegt hat.

d)

Zur Klausel 11 (Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsgrundes)

Klausel 11 lautet: „Als für die Vermieterin wichtiger und bedeutsamer Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG wird mangelnde Förderungswürdigkeit oder ein Verstoß gegen die beiliegenden Förderungsbedingungen bzw eine vertragswidrige Verwendung durch den Mieter, die zu einem Entzug der Wohnbauförderung führt, vereinbart.“ Nach Meinung der Klägerin widerspricht diese Klausel § 6 Abs 3 KSchG und § 30 MRG. Ein im Mietvertrag nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbarter ergänzender Kündigungsgrund muss bestimmt bezeichnet, für den Vermieter objektiv bedeutsam sein und den sonst in § 30 Abs 2 MRG angeführten Gründen zwar nicht gleich, aber doch nahekommen. 46 Die in Klausel 11 angeführten Tatbestände zielen offenbar auf Verstöße gegen Wohnbauförderungsbestimmungen ab, die zur (teilweisen) vorzeitigen Rückzahlung des geförderten Kredits zum Nachteil der Bauvereinigung führen können. Der Verlust einer begünstigten Finanzierungsmöglichkeit ist ein bedeutender Nachteil für eine Bauvereinigung, weshalb ihr ein Interesse daran zuzubilligen ist, diesen Verlust verursachende Verhaltensweisen des Mieters als wichtigen Kündigungsgrund zu vereinbaren. Ungeachtet dessen müssen – bei der Überprüfung von Vertragsklauseln auch als Folge des Transparenzgebots – die strengen Vorgaben der Rechtsprechung zur Formulierung von Kündigungsgründen nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG im Vertrag beachtet werden. Danach genügt die Nennung eines allgemeinen Tatbestands (beispielsweise Verkauf oder Eigenbedarf) nicht. Dem Mieter muss klar vor Augen geführt werden, bei welchem Verhalten er mit einer Kündigung zu rechnen hat. 47 Die Begriffe „mangelnde Förderungswürdigkeit und vertragswidrige Verwendung …, die zu einem Entzug der Wohnbauförderung führt“ sind eine zu wenig präzise Umschreibung eines Verhaltens, das der Mieter vermeiden muss, um sich nicht der Gefahr der Kündigung ausgesetzt zu sehen. Er kann im Vorfeld schwer einschätzen, welches den Bestimmungen 44 45 46 47

RIS-Justiz RS0121726; 7 Ob 131/06z; 4 Ob 141/11f. Vgl 7 Ob 131/06z. RIS-Justiz RS0070752. RIS-Justiz RS0070739 [T3]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 31

des Mietvertrags widersprechendes Verhalten den Kreditgeber zur Kündigung geförderter Kredite veranlasst und unter welchen Voraussetzungen [der Mieter] entgegen der ursprünglichen Einschätzung bei Abschluss des Mietvertrags nicht (mehr) als förderungswürdig angesehen wird. Dass die in der Klausel genannten Förderungsbestimmungen dem Mietvertragsformblatt angeschlossen waren, steht nicht fest. Förderungsbestimmungen finden sich im bereits bei Behandlung der Klauseln 4 und 6 erwähnten Urkundenkonvolut, das den Interessenten vor Abschluss des Mietvertrags übermittelt wurde. Sie vermitteln dem Durchschnittsmieter zudem auch kein vollständiges und klares Bild, welche Verstöße eine Kündigung rechtfertigen.

Ergebnis: Die Klausel 11 ist unzulässig, weil sie den Vorgaben in § 30 Abs 2 Z 13 MRG zur konkreten Bezeichnung von Kündigungsgründen nicht gerecht wird und intransparent ist. Kritik: Im Hinblick auf die regelmäßig strenge Auslegung der verbraucherschutzrechtlichen (und hier gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG auch mietrechtlichen) Bestimmtheitserfordernisse ist die Entscheidung anzuerkennen. Die einen Kündigungstatbestand verwirklichenden Umstände müssen dem Mieter konkret vor Augen gehalten werden, insofern stellt die Formulierung der Klausel eine zu allgemeine Umschreibung des Kündigungstatbestands dar. e)

Zur Klausel 16 (Abdingbarkeit von Ersatzansprüchen für nützliche Verbesserungen)

Klausel 16 lautet: „Darüber hinausgehend verzichtet der Mieter auf jegliche Ersatzansprüche gemäß §§ 1097 und 1037 ABGB, soweit es sich nicht um von ihm getätigte Arbeiten handelt, die in die Erhaltungspflicht der Vermieterin gefallen sind.“ Ergebnis: Nach der Rechtsprechung des OGH ist ein derartiger Vorausverzicht auf die Abgeltung nützlicher Aufwendungen (§ 1037 ABGB in Verbindung mit § 1097 ABGB) grundsätzlich zulässig und wirksam.48 Kritik: Die rechtliche Beurteilung des OGH ist im Hinblick auf Ersatzansprüche für nützliche Verbesserungen nach § 1037 ABGB in Verbindung mit § 1097 ABGB einwandfrei. Lediglich der Ausschluss „notwendigen“, also dem Bestandgeber obliegenden Aufwands nach § 1036 ABGB in Verbindung mit § 1097 ABGB ist nach der Rechtsprechung als unwirksam anzusehen, zumal er gegen zwingendes Gewährleistungsrecht49 verstößt.50 f)

Zu den Klauseln 17 und 18 (Rückgabe des Mietgegenstands)

Klausel 17 lautet: „Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist der Mietgegenstand samt Nebenräumlichkeiten im Zustand wie bei Anmietung unter Berücksichtigung der bei schonendem, vertragskonformen Gebrauch sich ergebenden Abnützung, von allen Fahrnissen geräumt und gereinigt, soweit es sich nicht um die Beseitigung von in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallenden Schäden handelt, zu übergeben.“

48 49 50

2 Ob 104/12a; RIS-Justiz RS0021155 [T2]; RS0020595. Im Verbraucherschutz: § 9 Abs 1 KSchG; im Mietrecht allgemein: § 1096 Abs 1 ABGB. 7 Ob 78/06f und 2 Ob 104/12a. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 32

Klausel 18: „Kommt der Mieter den im vorstehenden Abs 1 genannten Verpflichtungen nicht nach, ist die Vermieterin berechtigt, eine Fachfirma mit Ausmalungs- und Reinigungsarbeiten sowie Bodenbelagsarbeiten zu betrauen, wobei der Mieter verpflichtet ist, die dabei aufgelaufenen Kosten binnen 14 Tagen nach Übermittlung der von der Fachfirma ausgestellten Rechnung zu ersetzen. Der Anspruch der Vermieterin ist auf die notwendigen Kosten beschränkt und hat diese die Kosten zu tragen, wenn sie die Instandhaltungspflicht trifft.“ Die Klägerin wertet diese Klauseln als gröblich benachteiligend und intransparent. Klausel 17 verpflichtete bei kundenfeindlichster Auslegung den Mieter zur Behebung von Abnützungen, die dem vertragskonformen Gebrauch entsprächen, jedoch über einen schonenden Gebrauch hinausgingen. Die Erhaltungs- oder Instandhaltungspflicht des Vermieters werde nicht präzisiert. Nach Meinung der Beklagten betrifft die Klausel 17 nur eine nicht dem vertragskonformen Gebrauch entsprechende Nutzung. Eine detaillierte Aufzählung der den Vermieter treffenden Erhaltungspflichten sei unmöglich. Die geforderte Präzisierung würde aufgrund der laufenden Novellierungen, wie erst durch die jüngste WGG-Novelle 2016, das Gegenteil von Transparenz bewirken. Berücksichtige man, wie komplex das intertemporale Übergangsrecht im Bereich des WGG sei, werde umso klarer, dass eine weitergehende Einschränkung als auf die notwendigen Erhaltungspflichten geradezu unmöglich sei. § 14a Abs 2 WGG regle die Erhaltungspflichten des Vermieters abschließend. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso eine Einschränkung auf die Erhaltungspflichten intransparent sein solle.

Zu 2 Ob 215/10x beurteilte der OGH folgende Klausel (Klausel 27): „Das Mietobjekt ist bei Beendigung ordnungsgemäß in weißer Farbe ausgemalt sowie unter Herstellung des Zustands der Oberflächenbelege (zB Fliesen, Bodenbeläge) wie bei Anmietung unter Berücksichtigung der bei schonendem vertragskonformen Gebrauch sich ergebenden Abnutzung zurückzustellen. Bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Vertragspflicht ist der Vermieter berechtigt, eine Fachfirma mit den Ausmalungs- und Reinigungsarbeiten sowie Bodenbelagsarbeiten zu betrauen, wobei der Mieter verpflichtet ist, die dabei aufgelaufenen Kosten binnen 14 Tagen nach Übermittlung der von der Fachfirma ausgestellten Rechnungen zu ersetzen. Der Anspruch des Vermieters ist auf die notwendigen Kosten beschränkt. Der Vermieter hat die Kosten zu tragen, wenn ihn die entsprechende Instandhaltungspflicht trifft.“ Mit Ausnahme der Ausmalverpflichtung erachtete der Senat 2 – soweit hier relevant – (auch) im Vollanwendungsbereich des MRG die Klausel weder als gröblich benachteiligend noch intransparent. Er äußerte keine Bedenken gegen den von der Klägerin hier kritisierten Begriff „schonendem“. Eine Präzisierung der Instandhaltungspflicht des Vermieters oder Abgrenzung zu taxativ in § 3 Abs 2 MRG aufgezählten Erhaltungspflichten wurde im Rahmen einer Transparenzprüfung offenbar nicht für notwendig gehalten, um die Klausel transparent zu gestalten. Die Erhaltungspflicht der Bauvereinigung ist in § 14a Abs 1 und 2 WGG mit Ausnahme der Änderungen durch die WGG-Novelle 201651 im 51

BGBl I 2015/157. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 33

Wesentlichen ident geregelt wie in § 1 und 2 MRG.52 Die zu 2 Ob 215/10x ausführlich dargelegten Kriterien zur Zulässigkeit von Endrenovierungspflichten des Mieters gelten auch hier. Ergebnis: Beide Klauseln sind daher zulässig. Kritik: Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit (und über weite Strecken Identität) der Klauseln 17 und 18 mit der bereits im Verbandsprozess zu 2 Ob 215/10x geprüften Klausel (dort: Klausel 27) ist die Beurteilung des OGH folgerichtig. g)

Zur Klausel 19 (Verbot der Untervermietung und sonstigen Weitergabe)

Klausel 19 lautet: „Der Mieter ist nicht berechtigt, den Mietgegenstand oder Teile davon, entgeltlich oder unentgeltlich, unterzuvermieten, Dritten zur Verfügung zu stellen oder in sonst irgendeiner Weise weiter zu geben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung liegt insbesondere vor, wenn: e) eine in Anspruch genommene Förderung im Rahmen des Tiroler Wohnbauförderungsgesetzes die Nutzung des Mietgegenstands durch den Mieter voraussetzt.“ Die Klägerin stützt sich auf § 6 Abs 3 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB sowie §§ 11, 12 MRG iVm § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG. § 11 MRG schränke ein vertraglich vereinbartes Untermietverbot auf bestimmte Fälle ein. Die Klausel bedeute eine unzulässige Erweiterung der möglichen Untermietverbote. § 12 MRG regle die Voraussetzungen eines Vertragsübergangs abschließend und zwingend. Die Klausel verbiete bei konsumentenfeindlichster Auslegung auch die unentgeltliche Weitergabe oder teilweise unentgeltliche Überlassung der Wohnung an Familienangehörige. Nach Auffassung der Beklagten enthält § 11 MRG nur eine demonstrative Aufzählung. Das Berufungsgericht teilte diese Auffassung nicht und verbot die Klausel als insgesamt intransparent sowie gröblich benachteiligend. Unklar bleibe, ob der im zweiten Satz aufgezählte Grund nur die Untervermietung betreffe und nach dem Verständnis des Begriffs „Untervermietung“ tatsächlich nur eine entgeltliche Weitergabe gemeint sei, und ob einzelne Räume des Bestandgegenstands etwa an Partner oder Freunde auch nicht dann unentgeltlich überlassen werden dürften, wenn der Mieter Wohnbauförderungsnehmer sei, was die Nutzung des Mietgegenstands durch ihn voraussetze. Die Möglichkeit der Abtretung des Mietrechts nach § 12 MRG in Verbindung mit § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG sei nicht von einem wichtigen Grund abhängig. Bei kundenfeindlichster Auslegung verbiete die Klausel auch eine teilweise unentgeltliche Zurverfügungstellung des Mietgegenstands an Lebensgefährten, Freunde, etc, wenn kein wichtiger Grund vorliege. Diese schwerwiegende Benachteiligung sei sachlich nicht zu rechtfertigen. Nach Ansicht der Beklagten in der Revision erfasst die Regelung mehrere eigenständige Tatbestände der Weitergabe. Sie könne bestehen, wenn der Einleitungssatz auf die Untervermietung beschränkt und der eigenständig gewährte Tatbestand „Dritten zur Verfügung zu stellen oder sonst in irgendeiner Weise weiter zu geben“ eliminiert wird. Selbst 52

5 Ob 181/16b = RIS-Justiz RS0124632 [T8]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 34

diese Variante beseitigt die Unklarheit der vom Berufungsgericht treffend als sprachlich missglückt bezeichneten Klausel 19 nicht zur Gänze. Bestehen bliebe die Wortfolge „entgeltlich oder unentgeltlich“, was in Verbindung mit Untervermietung für Verwirrung sorgen kann.

Ergebnis: Die Klausel vermittelt dem Verbraucher ein unklares Bild seiner Rechtsposition und ist mit dem Berufungsgericht zur Gänze als intransparent anzusehen (§ 510 Abs 3 ZPO). Kritik: Es ist anzuerkennen, dass die Klausel zu sehr vom Reglungsinhalt des § 11 MRG abdriftet und in ihrem eigentlichen Gehalt unklar bleibt. Insbesondere bedarf es einer klaren begrifflichen Unterscheidung zwischen entgeltlichen Untervermietungen einerseits und unentgeltlichen Überlassungen (wie insb an Angehörige) andererseits sowie weiters auch einer Differenzierung danach, ob diese Untervermietungen/Überlassungen gänzlich oder nur teilweise erfolgen sollen (ob also der Mieter im Mietgegenstand verbleiben soll oder nicht). h)

Zur Klausel 20 (Überwälzung der Bestandvertragsgebühr auf den Mieter)

Klausel 20 lautet: „Die mit der Vergebührung des Mietvertrages verbundenen gesetzlichen Rechtsgeschäftsgebühren (Bestandsvertragsgebühr) in Höhe von ca EUR … trägt der Mieter.“ Die Klägerin bemängelt einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 14 WGG. Die Rechtsgeschäftsgebühr sei kein nach § 14 WGG auf den Mieter überwälzbarer Entgeltbestandteil. Nach dem Gebührengesetz schuldeten beide Vertragsparteien die Gebühr im Außenverhältnis. Ein Solidarschuldner könne vom anderen nicht den gänzlichen Ersatz verlangen. Die beklagte Partei verweist auf die in § 23 Abs 1 WGG geregelten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit. Das Erstgericht bejahte die Zulässigkeit der Klausel. Das Berufungsgericht war derselben Ansicht. § 14 WGG sehe eine Überwälzung dieser Gebühren zwar nicht vor, verbiete sie aber auch nicht. Mangels vertraglicher Regelung dürfe ein Mitschuldner nach § 896 ABGB von seinen anderen Mitschuldnern nur den Anteil verlangen. Das Abweichen von dieser dispositiven Regelung sei durch das Kostendeckungsprinzip des WGG sachlich gerechtfertigt. Eine sachliche Rechtfertigung könnte auch darin liegen, dass die Ausfertigung einer schriftlichen Mietvertragsurkunde im Interesse des Mieters selbst liege, was nach den Wohnbauförderungsvorschriften in Tirol für die Zuerkennung der Wohnbauförderung der Fall sei.

Die Klägerin verweist in der Revision darauf, dass der Gesetzgeber ausdrücklich regle, wann eine Bauvereinigung Kosten auf die Mieter überwälzen darf. § 14d Abs 1 WGG normiere dies ausdrücklich für Beträge, die die Bauvereinigung als Vermieter für die Erstellung eines Energieausweises für das gesamte Gebäude aufgewendet hat. Das Kostendeckungsprinzip existiere im WGG nur mehr ansatzweise und werde bereits in zahlreichen Bestimmungen durchbrochen.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 35

Der erkennende Senat hält die Argumentation der klagenden Partei für nicht stichhältig. Zu 7 Ob 78/06f (zu Klausel 30) wurde in einem Verbandsprozess die Überwälzung der mit der Errichtung und Vergebührung dieses Mietvertrags verbundenen Kosten und Gebühren, insbesondere der Rechtsgeschäftsgebühr, sowie die Kosten für die seitenweise Vergebührung der (Stempelmarken) auf den Mieter deshalb als intransparent beurteilt, weil sie keine Einschränkung auf die Rechtsgeschäftsgebühr vorsah und damit nicht sicherstelle, dass nur diese Gebühr gemeint sei. Diese Bedenken bestehen hier nicht, weil die Klausel eindeutig nur Rechtsgeschäftsgebühren betrifft.

Prader53 qualifiziert die Überwälzung von Rechtsgeschäftsgebühren sowohl als intransparent als auch als gröblich benachteiligend. Vonkilch54 sieht hingegen im Bereich des WGG das Kostendeckungsprinzip als sachliche Rechtfertigung für die Tragung der gesamten Mietvertragsgebühren durch den Mieter. Prader55 differenziert bei seiner Beurteilung jedoch auch danach, in wessen Interesse die Rechtsgeschäftsgebühr liegt. Er sieht eine Überwälzung der Rechtsgeschäftsgebühr an den Mieter in jenen Fällen als gerechtfertigt an, in denen die schriftliche Ausfertigung des Mietvertrags eine Voraussetzung dafür ist, dass der Mieter in den Genuss einer Wohnung im Rahmen des geförderten Wohnbaus oder einer Wohnbeihilfe kommt. Die in Wohnbauförderungsvorschriften, wie beispielsweise in den Wohnbauförderungsrichtlinien in Tirol verpflichtend vorgesehenen Kaufoptionen lägen sogar im überwiegenden Interesse des Mieters. Ergebnis: Diese Erwägungen treffen im vorliegenden Fall zu. Schon aus diesem Grund ist die Klausel als nicht gröblich benachteiligend zu beurteilen, ohne für dieses Ergebnis das Kostendeckungsprinzip bemühen zu müssen. Kritik: Der OGH hält die Überwälzung der gesamten Bestandvertragsgebühr (für welche im Außenverhältnis beide Vertragspartner solidarisch haften) für gerechtfertigt, wenn eine schriftliche Vertragsausfertigung im erkennbaren (bzw sogar überwiegenden) Interesse des Mieters liegt (hier: um Wohnbauförderung oder Wohnbeihilfe erlangen zu können). Damit ist freilich gerade nicht gesagt, dass eine derartige Gesamtüberwälzung auf den Mieter jedenfalls gerechtfertigt wäre. Im Bereich des WGG wird noch zu entscheiden sein, wie weit schon das Kostendeckungsprinzip eine solche uneingeschränkte Überwälzung auf den Mieter rechtfertigt 56. Abseits des WGG und der Wohnbauförderung wird es für Vermieter wohl anspruchsvoll sein, den Nachweis dafür zu erbringen, eine schriftliche Vertragsausfertigung läge im erkennbaren (bzw sogar überwiegenden) Interesse des Mieters, wenn man möglichen Argumenten den Umstand gegenüberstellt, dass ein schriftlicher Mietvertrag im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG Voraussetzung für eine wirksame (und fraglos im Interesse des Vermieters gelegene) Befristungsabrede ist bzw den sicheren Beweis über eine (wiederum dem Interesse des Vermieters folgende) vertragliche Wertsicherungsvereinbarung liefert. 53 54 55 56

Zur [Un-]Zulässigkeit der Überwälzung von Mietvertragsgebühren, Zak 2014, 267. Mietvertragsgebühren und WGG, wobl 2014, 237. AaO 268. Diese Frage ließ der OGH in der vorliegenden Klauselentscheidung ja explizit offen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 36

*** 

§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG, §§ 28 ff KSchG Siebente mietrechtliche „Klauselentscheidung“ des OGH OGH 20.7.2017, 5 Ob 217/16x

Nach der sechsten mietrechtlichen Klauselentscheidung“ des OGH (5 Ob 183/16x57) ist mit kurzem zeitlichen Abstand aufgrund eines von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte angestrengten Verbandsprozesses auch schon die siebente Klauselentscheidung des OGH ergangen (5 Ob 217/16x). Auch in diesem Verfahren war die Beklagte eine Gemeinnützige Bauvereinigung, weshalb sich die Entscheidung teilweise auf das WGG bzw auf förderungsrechtliche Zusammenhänge stützt. Einige Erwägungen sind mietrechtlich aber auch von ganz allgemeiner Relevanz. Konkret ging es um Rechtsfragen zur Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsgrundes, zum Vorbehalt der Endabrechnung der Herstellungskosten gemäß WGG, zum Änderungsrecht des Mieters einerseits im Hinblick auf die Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bei Zurückstellung und andererseits im Hinblick auf die Außenseite des Mietgegenstands sowie zur Überwälzung der Bestandvertragsgebühr auf den Mieter. 

Rechtlicher Hintergrund:

a)

Zur Verbandsklage (§§ 28 ff KSchG)

Rechtsgrundlage für eine sogenannte Verbandsklage ist § 28 KSchG: Demnach besteht ein Unterlassungsanspruch gegenüber demjenigen, der im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder in Vertragsformblättern Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen. Klageberechtigt sind nach § 29 KSchG die Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die Bundesarbeitskammer (BAK), der Österreichische Landarbeiterkammertag, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Österreichische Seniorenrat. Zumal also nicht ein unmittelbar bettoffener Vertragspartner, sondern eine Interessenvertretung klagelegitimiert ist, kann bei Verbandsprozessen getrost von „Musterprozessen“ gesprochen werden (übrigens im doppelten Wortsinn, zumal in diesen Verfahren ja Vertragsmuster auf dem Prüfstand stehen), weil in ihnen gleichsam „präventiv“ Rechtschutz begehrt wird. Die Auslegung von Klauseln hat im Rahmen einer Verbandsklage im „kundenfeindlichsten“, also im für den Verbraucher ungünstigsten möglichen Sinn zu erfolgen.58 Auf eine etwaige bloß teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klauseln kann

57 58

Siehe hierzu unseren Newsletter vom 20. September 2017. RIS-Justiz RS0016590. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 37

nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist.59 Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig im Sinne des § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks. Zwei unabhängige Regelungen können in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können.60

b)

Zur AGB-Inhaltskontrolle wegen gröblicher Benachteiligung (§ 879 Abs 3 ABGB)

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Mit dieser Bestimmung wurde ein bewegliches System geschaffen, in dem einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigt werden können.61 Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. 62 Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. 63 Nach § 879 Abs 3 ABGB setzt die Inhaltskontrolle voraus, dass die zu prüfende Vertragsbestimmung nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt. Nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung ist der Kontrolle entzogen. Die Ausnahme ist nämlich möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, sodass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem auch Ort und Zeit der Vertragserfüllung oder Umschreibungen vertragstypischer Leistungen in allgemeiner Form nicht unter diese Ausnahme fallen.64

c)

59 60 61 62 63 64

Zum konsumentenschutzrechtlichen Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG)

RIS-Justiz RS0038205. RIS-Justiz RS0121187. RIS-Justiz RS0016914. RIS-Justiz RS0014676 [T7, T13, T43]. RIS-Justiz RS0016914 [T3, T4, T32], RS0014676 [T21]. RIS-Justiz RS0016908; RS0016931. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 38

Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.

Das Transparenzgebot für Verbrauchergeschäfte soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung von AGB sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte dadurch abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden. 65 Die AGB müssen also so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält.66 Einzelwirkungen des Transparenzgebots sind das Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit.67 Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden.68



Sachverhalt:

Die Klägerin (Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte) ist ein zur Unterlassungsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband. Die Beklagte ist eine Bauvereinigung im Sinne des § 1 WGG in der Rechtsform einer Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaft mit beschränkter Haftung. Sie ist Unternehmerin im Sinne des § 1 KSchG und tritt im Rahmen ihrer österreichweiten Geschäftstätigkeit regelmäßig in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern. Sie schließt mit ihnen unter Verwendung von Vertragsmustern Kauf- und Mietverträge bzw Nutzungsverträge nach dem WGG ab. Diese haben (jedenfalls) bis zum 9. Oktober 2013 unter anderem die hier strittigen Klauseln 13, 14, 16, 30, 38, 40 und 57 enthalten.

Die Klägerin begehrte, der Beklagten die Verwendung oder die Berufung auf die beanstandeten oder sinngleiche Klauseln zu untersagen und ihr die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu erteilen. Die Klauseln verstießen gegen gesetzliche Verbote und gegen die guten Sitten; sie seien gröblich benachteiligend und intransparent. Die Wiederholungsgefahr sei indiziert, weil die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung im Sinn des § 28 Abs 2 KSchG abgegeben habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die beanstandeten Klauseln klar formuliert und weder gröblich benachteiligend noch gesetzwidrig seien. 65 66 67 68

RIS-Justiz RS0115217 [T8], RS0115219 [T9]. RIS-Justiz RS0115217 [T14]. RIS-Justiz RS0115217 [T12], RS0115219 [T12]. RIS-Justiz RS0126158. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 39

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich der Klauseln 14 und 30 statt und ermächtigte die Klägerin diesbezüglich zur Urteilsveröffentlichung. In Bezug auf die Klauseln 13, 16, 38, 40 und 57 wies es das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin (gegen den klagsabweisenden Teil des Ersturteils) teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts in Bezug auf die Klauseln 13, 38 und 40 (einschließlich des nicht strittigen Veröffentlichungsbegehrens) im klagsstattgebenden Sinn ab. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil es sich um vom OGH bisher noch nicht beurteilte Klauseln in Vertragsformblättern einer Branche handle, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung seien. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Zum Sachverhalt: Die Revisionen beider Parteien sind zulässig, aber nicht berechtigt. a)

Zur Klausel 13 (Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsgrundes)

Klausel 13 lautet: „Als wichtiger und bedeutsamer Umstand für den Vermieter in Bezug auf die Auflösung des Nutzungsverhältnisses und damit als wichtiger Kündigungsgrund ist – neben den in den §§ 30 ff MRG genannten – auch anzusehen, wenn [...] b) der Mieter nach dem Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 nicht förderungswürdig ist und aus diesem Grund der Vermieter Gefahr läuft, selbst erhaltene Förderungen zurückzahlen zu müssen oder beantragte Förderungen nicht zu erhalten. Die mangelnde Förderungswürdigkeit des Mieters kann sich nach den Förderungsrichtlinien zum Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 insbesondere daraus ergeben, – dass der Mieter nicht binnen sechs Monaten nach Bezug des Nutzungsgegenstandes die Rechte an der davor benützten Wohnung endgültig aufgibt und trotz Aufforderung die Nachweise darüber nicht vorlegt oder – dass der Mieter in seinem Förderungsansuchen unrichtige Angaben über sein Einkommen oder die Anzahl der einziehenden Personen gemacht hat, wenn er nach den wahren Verhältnissen die Förderung nicht erhalten hätte; [...]“ Die Beklagte vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, dass die Klausel den Anforderungen des § 30 Abs 2 Z 13 MRG entspreche. Insbesondere sei darin mit hinreichender Bestimmtheit festgelegt, unter welchen Bedingungen die Beklagte zur Kündigung berechtigt sei. Der Begriff „förderungswürdig“ sei durch das Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 und die dazu ergangenen Förderungsrichtlinien festgelegt. Jedem potentiellen Mieter seien diese Kriterien erfahrungsgemäß schon vor dem ersten Kontakt mit der Beklagten bekannt, zumal sie sowohl im Internet als auch in diversen Broschüren veröffentlicht seien. Auch die Beklagte gebe jedem Interessenten ein Merkblatt für geförderte Wohnanlagen, in dem die Kriterien ebenfalls zusammengefasst seien. Jedenfalls der Begriffskern des Wortes Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 40

„förderungswürdig“ sei hinreichend klar. Die Beklagte habe noch dazu zwei in der Praxis relevante Beispiele genannt. Die Beklagte habe die Kündigungsmöglichkeit zusätzlich davon abhängig gemacht, dass die Beklagte als Vermieterin wegen der mangelnden Förderungswürdigkeit – nach dem einzig möglichen Verständnis des Zusatzes nicht bloß abstrakt, sondern konkret – Gefahr laufen müsse, selbst erhaltene Förderungen zurückzahlen zu müssen oder beantragte Förderungen nicht zu erhalten. Die zweite, im Streitfall von der Beklagten nachzuweisende Voraussetzung für eine Kündigung sei somit für die Mieter vorteilhaft. Deren Wegfall hätte für die Mieter jedenfalls nur Nachteile, weil das Kündigungsrecht dann schon wegen der mangelnden Förderungswürdigkeit bestünde, also schon bei jeder abstrakten Gefahr eines Widerrufs der Förderung. Da das Transparenzgebot den Schutz des Verbrauchers bezwecke, wäre selbst dann, wenn die Formulierung „Gefahr laufen“ im gegebenen Zusammenhang unklar wäre, die Klausel unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden. Die Klausel unterscheide sich nicht von gesetzlichen Regelung in § 28 Abs 1 Z 1 Wohnbauförderungsgesetz 1984 (WFG 1984), zumal ein Mieter auch ohne die Regelung in der Klausel im Streitfall einen Nachweis darüber werde erbringen müssen, dass er sehr wohl seine Rechte an der bisherigen Wohnung aufgegeben habe. Dass dies in der Klausel ausdrücklich festgehalten werde, könne die Klausel schwerlich intransparent machen. Dass bei dem in der Klausel genannten Beispiel für eine mangelnde Förderungswürdigkeit, nämlich die NichtAufgabe des bisherigen Wohnsitzes binnen sechs Monaten, die Einschränkung des § 28 Abs 2 WFG 1984 nicht ausdrücklich angeführt sei, schade keinesfalls, zumal die dort vorgesehene Begünstigung des Mieters ohnedies von Gesetzes wegen eintrete.

Nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG (in Verbindung mit § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG) können im Mietoder sonstigen Nutzungsvertrag – ergänzend zum Katalog des § 30 Abs 2 MRG – wichtige und bedeutsame Umstände als Kündigungsgründe vereinbart werden. Der vereinbarte ergänzende Kündigungsgrund muss bestimmt bezeichnet, für den Vermieter objektiv bedeutsam sein und den sonst in § 30 Abs 2 MRG angeführten Gründen zwar nicht gleich, aber doch nahe kommen.69 Jene Tatsache, die den Kündigungsgrund bilden soll, muss also bereits im Mietvertrag zur Gänze konkret angeführt werden. Es geht nicht an, nur einen allgemeinen Tatbestand (zB Verkauf oder Eigenbedarf) zu nennen und die Konkretisierung der Kündigung zu überlassen.70 Bei der Überprüfung von Vertragsklauseln müssen (nicht nur) die strengen Vorgaben der Rechtsprechung zur Formulierung von Kündigungsgründen nach dem § 30 Abs 2 Z 13 MRG beachtet werden. Im Verbrauchervertrag muss die Formulierung gleichzeitig dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG entsprechen. Dem Mieter muss klar vor Augen geführt werden, welche künftigen Ereignisse zu einer Auflösung des Mietvertrags führen können.71 In der Entscheidung 5 Ob 183/16x 72 hat der Senat jüngst eine mit der hier zu beurteilenden vergleichbare Klausel als unzulässig qualifiziert, weil sie den Vorgaben in § 30 Abs 2 Z 13 69 70 71 72

RIS-Justiz RS0070752, RS0070705. RIS-Justiz RS0070739. 5 Ob 183/16x = Newsletter vom 20. September 2017; RIS-Justiz RS0070739 [T3]) = Newsletter vom 20. September 2017. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 41

MRG zur konkreten Bezeichnung von Kündigungsgründen nicht gerecht werde und intransparent sei.73 Der Senat vertrat die Auffassung, dass die Begriffe „mangelnde Förderungswürdigkeit“ und „vertragswidrige Verwendung …, die zu einem Entzug der Wohnbauförderung führt“ eine zu wenig präzise Umschreibung eines Verhaltens seien, das der Mieter vermeiden müsse, um sich nicht der Gefahr der Kündigung ausgesetzt zu sehen. Er könne im Vorfeld schwer einschätzen, welches den Bestimmungen des Mietvertrags widersprechendes Verhalten den Kreditgeber zur Kündigung geförderter Kredite veranlasse und unter welchen Voraussetzungen er entgegen der ursprünglichen Einschätzung bei Abschluss des Mietvertrags nicht (mehr) als förderungswürdig angesehen werde. Für die hier zu beurteilende Klausel gilt Gleiches. Die Wortfolgen „nicht förderungswürdig“, „mangelnde Förderungswürdigkeit“ und „Gefahr läuft“, sind eine zu wenig präzise Beschreibung dafür, welches Verhalten, welche Umstände und/oder welche künftigen Ereignisse zu einer Auflösung des Mietvertrags führen können. Daran ändert auch der – als Konkretisierung des Begriffs der Förderungswürdigkeit gedachte – Hinweis auf das Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 und das Anführen zweier Beispielfälle nach den Förderungsrichtlinien zum Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 nichts. Die Klausel verweist dabei zur näheren Determinierung der fehlenden Förderungswürdigkeit zunächst auf das Gesetz als solches, in der nachfolgenden Darstellung nimmt sie hingegen auf dazu ergangene „Förderungsrichtlinien“ Bezug. (Auch) Derartige Verweise sind an den Vorgaben des § 6 Abs 3 KSchG zu messen.74 Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass durch die vorliegenden Verweise keine vollständige Information darüber erfolgt, welche weiteren, in der Klausel nicht ausdrücklich angeführten Umstände nach dem Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 und/oder den genannten Förderungsrichtlinien eine Förderungswürdigkeit hindern und für die Beklagte die Gefahr begründen würden, Förderungen nicht zu erhalten oder zurückzahlen zu müssen. In der hier zu beurteilenden Klausel wird nicht nur keine genaue Gesetzesstelle und keine genaue Richtlinienbestimmung bezeichnet, dem durchschnittlichen und damit juristisch ungebildeten Mieter wird insbesondere nicht einmal der Auffindungsort der hinsichtlich ihrer Normenqualität nicht näher beschriebenen „Förderungsrichtlinien“ bekannt sein. Der Verbraucher ist daher darauf angewiesen, sich die benötigten Gesetzesstellen und Richtlinienbestimmungen „zusammenzusuchen“. Der OGH hat in jüngeren Entscheidungen Intransparenz bei Klauseln angenommen, die generell auf bestimmte AGB verwiesen. Ein Pauschalverweis führe typischerweise dazu, dass sich der Kunde aus den AGB erst jene Regelungen heraussuchen muss, die auch für das mit ihm geschlossene Vertragsverhältnis gelten sollen.75 Unabhängig von der Notwendigkeit des „Heraussuchens“ der konkret maßgeblichen Bestimmungen hat der OGH zu 1 Ob 88/14v eine Klausel für intransparent angesehen, weil aus der Klausel nicht einmal hervorging, wo die verwiesenen AGB aufzufinden sind.

73

74 75

Diese Klausel [Klausel 11] lautete: „Als für die Vermieterin wichtiger und bedeutsamer Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 3 Z 13 MRG wird mangelnde Förderungswürdigkeit oder ein Verstoß gegen die beiliegenden Förderungsbedingungen bzw. eine vertragswidrige Verwendung durch den Mieter, die zu einem Entzug der Wohnbauförderung führt, vereinbart.“ Vgl RIS-Justiz RS0122040, RS0121951 [T2]. 6 Ob 120/15p mit weiteren Nachweisen [Punkt 3.18.]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 42

Die von der Beklagten behauptete Information und Aufklärung potentieller Mieter im Vorfeld des Mietvertragsabschlusses ist im vorliegenden Verbandsprozess ohne Relevanz. Nach der Rechtsprechung steht der Annahme einer Intransparenz nicht entgegen, wenn eine an sich intransparente Klausel aufgrund zusätzlicher individueller Erklärungen des Verwenders ausreichend verständlich gemacht wurde 76 Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der erste in der Klausel angeführte Beispielfall dem Verbraucher verschleiert, ob damit lediglich der Kündigungsgrund des § 28 Abs 1 Z 1 WFG 1984 im Vertragstext abgebildet oder ob dieser gesetzliche Kündigungsgrund modifiziert und zu Lasten des Mieters verschärft werden soll. Die Regelung des § 28 Abs 1 WFG 1984 definiert zusätzlich zu den in § 30 Abs 2 MRG aufgezählten Gründen zwei weitere wichtige Kündigungsgründe im Sinne des § 30 Abs 1 MRG, bei deren Vorliegen die Vermieterin auch ohne zusätzliche Vereinbarung das Mietverhältnis kündigen darf. Trotz ihres abschließenden Charakters schließt diese Regelung eine Vereinbarung eines zusätzlichen Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG (in Verbindung mit § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG) bei geförderten Bestandobjekten jedoch nicht aus. Nach § 28 Abs 1 Z 1 WFG 1984 liegt ein wichtiger Kündigungsgrund (§ 30 Abs 1 MRG) hinsichtlich geförderter Wohnungen vor, wenn der Mieter seine bisher zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendete Wohnung nicht aufgegeben hat. Bei Versäumung der rechtzeitigen Aufgabe der Rechte an der Vorwohnung kann der Mieter die Kündigung doch noch dadurch abwenden, dass er vor Schluss der der Entscheidung des Gerichts erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung seine Rechte an der bisherigen Wohnung aufgibt (§ 28 Abs 2 WFG 1984). Die hier zu beurteilende Klausel enthält die Vereinbarung eines selbständigen Kündigungsgrundes. Dessen Verhältnis zum gesetzlichen Kündigungsgrund des § 28 Abs 1 Z 1 WFG 1984 und der diesen ergänzenden Bestimmung über die Möglichkeit der nachträglichen Aufhebung der Kündigung nach § 28 Abs 2 WFG 1984 bleibt unklar. In der Klausel wird nicht offen – gelegt, dass sie diesen gesetzlichen Kündigungsgrund nachbilden soll. Selbst wenn – wie die Beklagte behauptet – die Möglichkeit der Abwendung der Kündigung im Sinne des § 28 Abs 2 WFG 1984 von Gesetzes wegen eintreten würde, wird ein Mieter, der diese Bestimmung kennt, daher – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – zumindest Zweifel daran hegen, dass dies auch ohne ausdrückliche Vereinbarung für den vereinbarten Kündigungsgrund gelten soll.

Ergebnis: Die Klausel 13 ist demnach unzulässig, weil sie den Vorgaben in § 30 Abs 2 Z 13 MRG zur konkreten Bezeichnung von Kündigungsgründen nicht gerecht wird und im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG intransparent ist. b)

Zur Klausel 16 (Vorbehalt der Endabrechnung der Herstellungskosten)

Klausel 16 lautet: „Der Vermieter wird nach Abschluss aller Herstellungsarbeiten die endgültigen Baukosten zunächst der Förderstelle bekannt geben und von dieser im Hinblick auf die gewährten Förderungen überprüfen lassen. Basierend auf dieser von der Förderstelle bereits geprüften Baukostenabrechnung wird der Vermieter dann jedem Mieter im Rahmen der Endabrechnung der Baulichkeit die endgültige Höhe der Herstellungskosten und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den vom Mieter zu tragenden Finanzierungsbeitrag und 'dem' Nutzungsentgelt (Annuitäten) schriftlich bekannt geben.“ 76

5 Ob 183/16x = Newsletter vom 20. September 2017; RIS-Justiz RS0121726. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 43

Die Klägerin vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, dass ein besonders hohes Maß an Transparenz zu fordern sei, gehe es in der vorliegenden Klausel doch darum, dem Mieter bewusst zu machen, dass sich sowohl der von ihm zu leistende Finanzierungsbeitrag als auch das Nutzungsentgelt nachträglich beträchtlich erhöhen könnten. Diese unter Umständen drastische Konsequenz werde durch die Klausel nicht hinreichend deutlich gemacht. Der Verbraucher müsse zuerst wissen, dass er nicht so wie bei anderen Mietverträgen einen fixen Mietzins zu bezahlen habe, sondern dass sich dieser Mietzins ausgehend vom Kostendeckungsprinzip, das nur im Bereich des WGG gelte, erst aufgrund der tatsächlichen Herstellungskosten nach der Endabrechnung des Bauvorhabens ermitteln lasse. Dadurch, dass die Klausel dem Mieter diese Basisinformation vorenthalte, und auch nur undeutlich auf „Auswirkungen“ auf Finanzierungsbeitrag und Nutzungsentgelt hinweise (statt konkret auszusprechen, dass sich Finanzierungsbeitrag und Nutzungsentgelt entsprechend der endgültigen Höhe der Herstellungskosten erhöhen oder allenfalls auch verringern können), könne der Mieter, der kein Vorwissen über die Besonderheiten des WGG habe, nur erahnen, warum und inwieweit die Herstellungskosten einen Einfluss auf seine Hauptleistungspflicht aus dem Vertragsverhältnis hätten. Entscheidend trage zur Intransparenz der Klausel auch noch bei, dass im Einleitungssatz auf die Relevanz der endgültigen Baukosten im Hinblick auf die gewährten Förderungen hingewiesen werde. Es entstehe dadurch der unrichtige Eindruck, dass das Ausmaß der gewährten Förderungen von den tatsächlichen Baukosten abhängig sei und das endgültige Ausmaß der gewährten Förderung von Relevanz für den vom Mieter zu tragenden Finanzierungsbeitrag und das Nutzungsentgelt sein werde. Die Klausel sei aber auch schon aus dem Grund intransparent, dass darin im Zusammenhang mit den Herstellungskosten ausschließlich auf die Baukosten bzw deren Endabrechnung Bezug genommen wird, während die Nutzer in keiner Weise darüber informiert werden, dass zu den Herstellungskosten auch noch andere Kosten, wie Grundkosten, Aufschließungskosten, Bauverwaltungs- und Finanzierungskosten, zählten, und daher auch darüber Rechnung zu legen sei. Dem Mieter werde damit die wirtschaftliche Tragweite der Endabrechnung der Herstellungskosten nicht klar durchschaubar und es werde nicht offengelegt, wodurch und in welchem Ausmaß sich der im Mietvertrag vorgesehene Mietzins nach Maßgabe aller in § 13 Abs 2 WGG genannten Bestandteile der Herstellungskosten noch erhöhen könnte.

Nach der Rechtsprechung des OGH regelt § 14 Abs 1 WGG das „Soll-Entgelt“ im Sinn des Kostendeckungsprinzips, normiert aber keinen gesetzlichen Mietzins in dem Sinn, dass die danach errechneten Beträge ohne Rücksicht auf eine bestehende Vereinbarung zwischen der Gemeinnützigen Bauvereinigung und den Mietern eingehoben werden können. Als Basis einer Entgeltzahlungsverpflichtung muss der Mietzins bzw alle seine Komponenten gemäß § 14 Abs 1 WGG – zumindest konkludent im Sinne des § 863 ABGB – vereinbart werden.77 Gegenstand der Klausel 16 ist nicht die eigentliche Entgeltvereinbarung. Diese findet sich vielmehr in den nachfolgenden Vertragspunkten „V. Aufteilungsschlüssel“ und „VI. Monatliches Nutzungsentgelt“. Die hier beanstandete Klausel zielt darauf ab, den Mieter über die gemäß § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG mögliche Neufestsetzung des Entgelts, die sich aus einer Änderung der Berechnungsgrundlagen für die Entgeltkomponente der 77

5 Ob 183/16x = Newsletter vom 20. September 2017; RIS-Justiz RS0083344 [T2, T3]) Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 44

Annuitäten sowie des Finanzierungsbeitrags ergibt, zu informieren. Die Klägerin begehrt die Unterlassung der Verwendung der angeführten Klausel im Wesentlichen mit dem Argument, dass sie die von Gesetzes wegen ohnehin eintretende Rechtsfolge nicht ausreichend deutlich mache. Auszugehen ist zunächst davon, dass der Unterlassungsanspruch des § 28 Abs 1 KSchG sich auf gesetz- oder sittenwidrige Vertragsbedingungen bezieht, worunter im Kern die Kontrolle von Willenserklärungen zu verstehen ist. 78 Dient ein Satz daher bloß der Aufklärung des Verbrauchers, ist er grundsätzlich unbedenklich.79 Der erkennende Senat teilt auch die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Klausel die darin thematisierte Rechtslage in Bezug auf die nach § 18 Abs 2 und 3 WGG abrechnungspflichtigen Herstellungskosten nicht verschleiert. Dem Mieter wird ausreichend klar und deutlich vor Augen geführt, dass die Herstellungskosten erst mit der Endabrechung nach Abschluss aller Herstellungsarbeiten ermittelt, geprüft und bekannt gegeben werden und sich deren (endgültige) Höhe auf die Höhe des Finanzierungsbeitrags und Nutzungsentgelts in einer Anhebung oder einer Senkung der genannten Entgelte auswirken werde. Eine weitergehende Hinweis- und Aufklärungspflicht kann auch aus § 6 Abs 3 KSchG nicht abgeleitet werden. Ergebnis: Die Klausel 16 verstößt demnach nicht gegen § 6 Abs 3 KSchG und ist zulässig. c)

Zur Klausel 38 (Änderungsrecht des Mieters im Hinblick auf die Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bei Zurückstellung)

Klausel 38 lautet: „Der Vermieter kann seine Zustimmung zu einer wesentlichen Veränderung oder Verbesserung – sofern nicht ein Fall des § 9 Abs 2 MRG vorliegt – von der Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des früheren Zustandes bei der Zurückstellung des Nutzungsgegenstandes abhängig machen.“ Die Beklagte vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, dass die Klausel 38 lediglich die bestehende Gesetzeslage nach § 9 Abs 3 MRG wiedergebe und somit als rein deklatorische Klausel nicht gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoße. Die Klausel wiederhole das sich schon aus dem Gesetz ergebende Recht der Beklagten als Vermieterin, ihre Zustimmung zu einer ihr angezeigten Veränderung dann von der Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen zu dürfen, wenn kein Fall des § 9 Abs 2 MRG vorliege. Die Klausel schränke die Rechte des Verbrauchers nicht ein und verschleiere die Rechtslage auch nicht. Bei richtigem Verständnis des § 6 Abs 3 KSchG sei es nicht erforderlich, (auch) § 9 Abs 2 MRG in die Klausel „abzumalen“. Auch für einen Konsumenten ergebe sich aus der Klausel mit ausreichender Deutlichkeit, dass die Beklagte als Vermieterin nicht generell ihre Zustimmung zu einer Veränderung von der Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen dürfe. Das Berufungsgericht zeigt zutreffend auf, dass das Transparenzgebot zwar in der Regel nicht die vollständige Wiedergabe des Gesetzestextes samt dessen Erläuterungen erfordert. Der bloße Hinweis auf eine in einem bestimmten Paragraphen geregelte Ausnahme kann aber 78 79

10 Ob 28/14m [Klausel 1], 3 Ob 12/09z. 10 Ob 28/14m [Klausel 1], 4 Ob 130/03a [Klausel 10]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 45

den aus dem Transparenzgebot abzuleitenden Geboten der Erkennbarkeit, Verständlichkeit und Vollständigkeit der Regelung nicht Genüge tun.80 Aus dem Transparenzgebot kann also eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben.81 Vor diesem Hintergrund wurden die Formulierungen wie „soweit nicht § 18 KSchG Platz greift“ und „sofern dem nicht die Bestimmungen des KSchG entgegenstehen“82, sowie „unbeschadet der Bestimmungen des § 14 KSchG83 als gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoßend erachtet. Dasselbe gilt für die Klausel „Gerichtsstand ist Wien, Innere Stadt, sofern nicht ein Verbrauchergeschäft gemäß § 1 KSchG vorliegt.“84 Der Beklagten ist zuzugestehen, dass mit den in diesen Entscheidungen beurteilten Klauseln nicht bloß die (auch ohne die Klausel geltende) Gesetzeslage nachvollzogen und dargestellt, sondern eine Vereinbarung im rechtlich gerade noch zulässigen Rahmen getroffen werden sollte. Die dort angestellten Überlegungen sind aber dennoch auf Klauseln, die der Aufklärung des Verbrauchers dienen sollen, übertragbar.

Auch solche Klauseln sind nach § 6 Abs 3 KSchG intransparent, wenn sie dabei dem Verbraucher ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln und geeignet sind, den Vertragspartner des Verwenders von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten.85 Eben das ist hier aber bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung der Klausel der Fall. Die Erkennbarkeit der Rechtslage wird dadurch beeinträchtigt, dass die Klausel den Eindruck erweckt, dass der Vermieter generell seine Zustimmung zu einer wesentlichen Veränderung oder Verbesserung von der Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des früheren Zustandes bei der Zurückstellung des Nutzungsgegenstandes abhängig machen könne, und dass dies nur in (wenigen) Ausnahmefällen nicht möglich sei. Der bloße Hinweis auf § 9 Abs 2 MRG lässt nicht erkennen, wie umfangreich die gesetzlichen Ausnahmetatbestände sind und dass der Vermieter eine Vielzahl von wesentlichen Veränderungen zulassen muss, ohne dass sich der Mieter zur Wiederherstellung zu verpflichten hat. Ergebnis: Die Klausel 38 ist demnach unzulässig, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verstößt. d)

Zur Klausel 40 (Änderungsrecht des Mieters im Hinblick auf die Außenseite des Mietgegenstands)

Klausel 40 lautet: „Die Außenseite des Nutzungsgegenstandes wird nicht mit in Nutzung gegeben. Der Mieter darf daher daran grundsätzlich nichts verändern und insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Bauwerkes nicht beeinträchtigen. Die Anbringung von Vorrichtungen und Aufschriften an Fassaden oder sonstigen allgemeinen Teilen des Bauwerkes ist ohne vorhergehende Zustimmung des Vermieters unzulässig.“

80 81 82 83 84 85

RIS-Justiz RS0121951. RIS-Justiz RS0115219. 4 Ob 221/06p [Klauseln 16 und 17] = RIS-Justiz RS0121951 [T1]. 2 Ob 20/15b [Klausel 23] = RIS-Justiz RS0121951 [T3]. 10 Ob 70/07b [Klausel 21] = RIS-Justiz RS0121953 [T2]. 10 Ob 70/07b [Klausel 21]; RIS-Justiz RS0115219 [T1]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 46

Das Berufungsgericht beurteilte die Klausel als intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG, weil sie dem Verbraucher ein unklares Bild seiner vom Gesetz eingeräumten Position vermittle. Dadurch, dass die Klausel nur einseitig informiere und den Mieter nicht darüber aufkläre, dass der Vermieter nach § 9 Abs 2 Z 5 MRG die Zustimmung zur Anbringung der nach dem Stand der Technik notwendigen Antennen und sonstigen Einrichtungen für den Hörfunk- und Fernsehempfang sowie für Multimediadienste nicht verweigern könne, sofern der Anschluss an eine bestehende Einrichtung nicht möglich oder nicht zumutbar sei, verschleiere sie die Rechtslage. Bei der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung entstehe aber der Eindruck, dass die Beklagte als Vermieterin das von der Klägerin thematisierte Anbringen eines Parabolspiegels an der Fassade verbieten könne. Damit bestehe die Gefahr, dass der Mieter über seine Rechtsposition getäuscht und von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werde. Die Beklagte vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, dass das Berufungsgericht die sachenrechtliche Komponente dieser Klausel außer Acht gelassen habe. Durch die Klausel stelle die Beklagte nämlich primär gegenüber ihren Mietern klar, dass die Außenseite der jeweiligen Baulichkeit nicht mitvermietet werde und Mieter diese grundsätzlich nicht ohne Zustimmung der Beklagten als Vermieterin ändern dürften, die Beklagte also Alleinbesitzerin dieser Teile des Gebäudes sei. Diese Klarstellung sei im Hinblick auf den (sachenrechtlichen) Besitzschutz von besonderer Bedeutung, zumal eine eigenmächtige Veränderung durch den Mieter – unabhängig davon, in welchen Fällen die Beklagte nach dem MRG einer vom Mieter gewünschten wesentlichen Veränderung zustimmen müsse oder nicht – eine Besitzstörung wäre und von der Beklagten mit einer Besitzstörungsklage verfolgt werden könnte. Dies gelte gerade auch für die von der Klägerin und vom Berufungsgericht angesprochene Anbringung eines Parabolspiegels. Der Anwendungsbereich des § 9 MRG betrifft zwar im Allgemeinen nur Veränderungen innerhalb des Mietgegenstands86; freilich ausgenommen der Veränderungen im Rahmen des § 9 Abs 2 Z 5 MRG87. In der jüngeren Rechtsprechung ist jedoch eine Tendenz erkennbar, den Anwendungsbereich etwas weiter zu ziehen. 88 So wurden etwa das Anbringen einer Videokamera 89 oder der Sirene einer Alarmanlage 90 außerhalb des Bestandobjekts nach § 9 MRG beurteilt. Auch solche Maßnahmen erfordern zwar eine Anzeige an den Vermieter, dürfen vom Mieter aber vorgenommen werden, wenn dieser nicht widerspricht oder im Fall der Verweigerung der Zustimmung diese infolge Vorliegens der in § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG normierten Voraussetzungen durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wird. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 9 Abs 2 Z 5 MRG gilt das unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Anbringung der nach dem Stand der Technik notwendigen Antennen und sonstigen Einrichtungen für den Hörfunk- und Fernsehempfang sowie für Multimediadienste. Unwesentliche Änderungen sind überhaupt ohne Zustimmung des Vermieters ja selbst ohne seine Befassung gestattet.91

86 87 88 89 90 91

RIS-Justiz RS0069646. RIS-Justiz RS0069646 [T1]. RIS-Justiz RS0069646 [T4]. 5 Ob 69/13b = Newsletter vom 28. Mai 2014 = RIS-Justiz RS0069646 [T6]. 5 Ob 115/11i = Newsletter vom 4. Jänner 2012. RIS-Justiz RS0069659. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 47

Die beanstandete Klausel vermittelt dagegen den Eindruck, dass alle Veränderungen an der Außenseite des Nutzungsgegenstands der Zustimmung des Vermieters bedürfen. Dieser Eindruck entspricht nicht der geltenden Rechtslage, sodass die Klausel gegen § 6 Abs 3 KSchG verstößt. Dass der Mieter, der Veränderungen eigenmächtig vornimmt, damit möglicherweise den Besitz des Vermieters stört, ändert nichts daran, dass die Klausel den Mieter über seine aus dem MRG erfließenden Rechte im Unklaren lässt. Auch der Hauptmieter, der eine wesentliche Veränderung ohne Anzeige und Einholung der Zustimmung des Vermieters vorgenommen hat, ist berechtigt, im außerstreitigen Verfahren nachträglich die Zustimmung des Vermieters einzuholen.92 Ergebnis: Die Klausel 40 ist demnach jedenfalls deshalb unzulässig, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG verstößt. e)

Zur Klausel 57 (Überwälzung der Bestandvertragsgebühr auf den Mieter)

Klausel 57 lautet: „Dieser Vertrag wird vom Vermieter auf seine Kosten errichtet. Die für diesen Vertrag anfallende Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 5 GebG in der Höhe von EUR 237,17 trägt der Mieter. Der Mieter hat den für die Vergebührung notwendigen Betrag bei der Unterfertigung dieses Nutzungsvertrages beim Vermieter zu erlegen, um die fristgerechte Selbstberechnung bzw Entrichtung dieses Gebührenbetrages beim zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern durch den Vermieter zu gewährleisten.“ Die Klägerin vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, dass die Klausel schon deswegen gesetzwidrig sei, weil die Überwälzung der in der Klausel genannten Kostenposition auf den Mieter im WGG (insbesondere in den Entgeltsbestimmungen der §§ 13 und 14 WGG) nicht vorgesehen sei. Die Rechtsgeschäftsgebühr könne auch den in § 14 Abs 1 Z 6 WGG geregelten „Verwaltungskosten“ zugeordnet werden, sodass deren in der Klausel angeordnete zusätzliche Überwälzung unzulässig sei. Ein Widerspruch mit dem gesetzlichen Kostendeckungsprinzip würde nur dann bestehen, wenn die Rechtsgeschäftsgebühr in dem für Verwaltungskosten verrechneten Pauschalentgelt gemäß § 14 Abs 1 Z 6 WGG keine Deckung finde. Das hänge aber von der Höhe der (halben) Mietvertragsgebühr einerseits und der durchschnittlichen Bestandsdauer der Mietverträge, im Rahmen derer die Bauvereinigung periodisch Verwaltungskosten verrechnen könnten, andererseits ab. Feststellungen, die eine Beurteilung dieser Frage zuließen, würden fehlen. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber ausdrückliche Kostenüberwälzungsregelungen geschaffen habe, sei zu schließen, dass die einer Bauvereinigung entstehenden Kosten nur dann von den Mietern zu tragen seien, wenn es eine solche ausdrückliche Kostenüberwälzungsregel im WGG gebe. Die Begründung des Erstgerichts und des Berufungsgerichts, das gesetzliche, dem WGG inhärente Kostendeckungsprinzip bilde die sachliche Rechtfertigung der Kostenüberwälzung, gehe insofern fehl, als ein gesetzliches Kostendeckungsprinzip im WGG nur mehr am Rande existiere und kein tragendes Prinzip mehr sei. Die – vor dem Hintergrund des Kostendeckungsprinzips – in den Raum gestellte „Entreicherung“ einer 92

RIS-Justiz RS0069681. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 48

Bauvereinigung bzw die Gefahr eines „unterkostendeckenden Agierens“ werde durch ihre zahlreichen Möglichkeiten, sich im Einklang mit dem WGG zu „bereichern“ und überkostendeckende Entgelte und Preise zu lukrieren, jedenfalls aufgewogen. Eine sachliche Rechtfertigung der für den Mieter nachteiligen Klausel liege somit nicht vor. Für alle nicht im MRG oder WGG genannten Entgeltpositionen und Kosten müsse die dispositive Regelung des § 1099 ABGB zur Anwendung kommen. Die Mietvertragsrichtungsgebühren seien in MRG und WGG nicht ausdrücklich erwähnt, daher dürften sie nicht auf den Mieter überwälzt werden. Der Senat hat die Zulässigkeit der Überbindung der (gesamten) Mietvertragsgebühren auf den Mieter im Anwendungsbereich des WGG in der erst jüngst im Verbandsprozess zu 5 Ob 183/16x93 ergangenen Entscheidung bereits ausdrücklich bejaht. Die Klägerin vermag mit ihrer Argumentation nicht die Richtigkeit dieser Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Die Frage, wer die Mietvertragsgebühren zu tragen hat, ist in den §§ 13 f WGG zwar nicht geregelt, insbesondere ist dort die Zulässigkeit der Überwälzung auf den Mieter nicht normiert. Deren Regelungsgegenstand ist aber (nur) die Gestaltung des vom Mieter (oder Nutzungsberechtigten) periodisch zu erbringenden Entgelts für die Überlassung eines Miet- bzw Nutzungsgegenstands. Die aus Anlass der Errichtung eines schriftlichen Mietvertrags entstehende einmalige Rechtsgeschäftsgebühr ist von diesen Bestimmungen daher gar nicht erfasst.94 § 14 Abs 1 Z 6 WGG sieht als eine (periodisch geschuldete) Entgeltkomponente einen Betrag zur Deckung der Verwaltungskosten (der Bauvereinigung) vor. Der pauschalierende Charakter dieser Norm schließt es zwar aus, dass die Bauvereinigung Mietern zusätzlich noch Entgelte für Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter verrechnet, die – wie etwa die Vertragserrichtung, die Durchführung der Vergebührung des Vertrages oder die Berechnung und Auszahlung der Ansprüche scheidender Mieter gemäß § 17 WGG – mit der Begründung und Beendigung von Mietverhältnissen typischerweise verbunden sind. 95 Die bei Abschluss eines schriftlichen Mietvertrags anfallende Rechtsgeschäftsgebühr dient aber gerade nicht der Abgeltung der Verwaltungsätigkeit der Bauvereinigung. Diese sind daher von der Verwaltungskostenpauschale nach § 14 Abs 1 Z 6 WGG nicht gedeckt. Zu Recht verweist Vonkilch96 in diesem Zusammenhang auch (im Allgemeinen) auf die gebotene Rücksichtnahme auf das dem WGG inhärente Kostendeckungsprinzip und (im Besonderen) auf die der § 23 Abs 4c lit d WGG zugrunde liegende und analog zu berücksichtigende Wertung, wonach im Fall der Wohnungseigentumsbegründung durch eine Bauvereinigung ausdrücklich vorgesehen werde, dass die damit verbundenen einmaligen Transaktionskosten von der Bauvereinigung bei der Ermittlung des vom kaufwilligen Mieter zu leistenden Kaufpreises zu berücksichtigen – also auf ihn zu „überwälzen“ – seien. Die Überbindung der gesamten Mietvertragsgebühren auf den Mieter ist daher mit den Entgeltbestimmungen des WGG sehr wohl vereinbar.

93 94 95 96

= Newsletter vom 20. September 2017. Vonkilch, Mietvertragsgebühren und WGG, wobl 2014, 237 [238]. Vonkilch, aaO; RIS-Justiz RS0062318, RS0083424. AaO. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 49

Das Kostendeckungsprinzip ist nach Auffassung Vonkilchs97 zugleich im Sinne von § 879 Abs 3 ABGB auch die sachliche Rechtfertigung dafür, den Mieter zur Tragung der gesamten Mietvertragskosten zu verpflichten. Dadurch werde gerade keine ungerechtfertigte Bereicherung der gemeinnützigen Bauvereinigung herbeigeführt, sondern bloß deren „Entreicherung“ vermieden, für die angesichts des im WGG geltenden Kostendeckungsprinzips keinerlei Rechtfertigung ersichtlich wäre. Abgesehen vom – im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht entgegen der Ansicht der Klägerin ungeachtet einzelner Durchbrechungen nach wie vor vorherrschenden 98 – Kostendeckungsprinzip ist die sachliche Rechtfertigung der Überwälzung auch darin gelegen, dass die Errichtung eines schriftlichen Mietvertrags insbesondere im Bereich des Förderungsrechts (auch) im Interesse des Mieters liegt.99 Ergebnis: Im Anwendungsbereich des WGG stellt die in einem Vertragsformblatt vorgesehene Pflicht des Mieters, die (gesamten) Mietvertragsgebühren zu tragen, daher keine gröbliche Benachteiligung des Mieters im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB dar. *** 

§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG, §§ 28 ff KSchG Achte mietrechtliche „Klauselentscheidung“ des OGH OGH 21.11.2017, 6 Ob 181/17m

Nach der sechsten (5 Ob 183/16x 100) und siebenten (5 Ob 217/16x) mietrechtlichen „Klauselentscheidung“ des OGH ist mit kurzem zeitlichen Abstand aufgrund eines von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte angestrengten Verbandsprozesses auch schon die achte Klauselentscheidung des OGH (6 Ob 181/17m) ergangen. Konkret ging es um Rechtsfragen bezüglich der Verfügungsrechte des Vermieters über Allgemeinflächen, der Zustimmung zu Sturmschaden-, Glasbruch- und erweiterter Leitungswasserschadenversicherung, der Übernahmepflicht des Mieters bei geringfügigen Mängeln, der Haftung für das schuldhafte Verhalten dem Mieter zuzurechnender Personen, des Verzichts auf den Ersatzanspruch für „nützliche Verbesserungen“ sowie der Überwälzung der (gesamten) Bestandvertragsgebühr auf den Mieter. a)

Zur Verbandsklage (§§ 28 ff KSchG)

Rechtsgrundlage für eine sogenannte Verbandsklage ist § 28 KSchG: Demnach besteht ein Unterlassungsanspruch gegenüber demjenigen, der im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder in Vertragsformblättern Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen. Klageberechtigt sind nach § 29 KSchG die Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die Bundesarbeitskammer (BAK), der Österreichische Landarbeiterkammertag, die 97 98 99

100

Wobl 2014, 237 [239]. Vgl RIS-Justiz RS0083326; RS0083301. Prader, Zur [Un-]Zulässigkeit der Überwälzung von Mietvertragsgebühren, Zak 2014, 267 [269 f]. Vgl hierzu schon 5 Ob 183/16x = Newsletter vom 20. September 2017. Siehe hierzu unseren Newsletter vom 20. September 2017. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 50

Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Österreichische Seniorenrat. Zumal also nicht ein unmittelbar bettoffener Vertragspartner, sondern eine Interessenvertretung klagelegitimiert ist, kann bei Verbandsprozessen getrost von „Musterprozessen“ gesprochen werden (übrigens im doppelten Wortsinn, zumal in diesen Verfahren ja Vertragsmuster auf dem Prüfstand stehen), weil in ihnen gleichsam „präventiv“ Rechtschutz begehrt wird. Im Rahmen der Verbandsklage hat die Auslegung von Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen; danach ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten vorliegt.101 Bei der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern erfolgte schon vor dem Inkrafttreten des KSchG nach dem Maßstab des § 879 Abs 1 ABGB eine Orientierung am dispositiven Recht als dem Leitbild eines abgewogenen und gerechten Interessenausgleichs: Eine weitgehende einseitige Abweichung vom dispositiven Recht, das für den „Durchschnittsfall“ eine ausgewogene, gerechte Rechtslage anstrebt, begründet die Inäquivalenz der beiderseitigen Regelung und kann unter den besonderen Verhältnissen der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“, nämlich im Bereich der „verdünnten Vertragsfreiheit“ des Kunden, rechtlich nicht toleriert werden. 102 b)

Zur AGB-Inhaltskontrolle wegen gröblicher Benachteiligung (§ 879 Abs 3 ABGB)

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“. 103 Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. 104 Nach § 879 Abs 3 ABGB setzt die Inhaltskontrolle voraus, dass die zu prüfende Vertragsbestimmung nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt. Nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung ist der Kontrolle entzogen. Die Ausnahme ist nämlich möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, sodass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem

101 102 103 104

RIS-Justiz RS0016590. RIS-Justiz RS0014676. RIS-Justiz RS0016914. 6 Ob 17/16t; 6 Ob 120/15p mit weiteren Nachweisen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 51

auch Ort und Zeit der Vertragserfüllung oder Umschreibungen vertragstypischer Leistungen in allgemeiner Form nicht unter diese Ausnahme fallen.105

c)

Zum konsumentenschutzrechtlichen Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG)

Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Dieses so genannte Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind.106 Der Kunde darf insbesondere durch die Formulierung einer Klausel in Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden. Zweck des Verbandsprozesses ist es nämlich nicht nur, das Verbot von Klauseln zu erreichen, deren Inhalt gesetzwidrig ist, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. 107 

Sachverhalt:

Die klagende Partei (Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte) ist nach § 29 KSchG klagebefugt. Der Beklagte bewirtschaftet unter anderem seinen ausgedehnten Familienbesitz, darunter einige Mietwohnhäuser, durch Vermietung und Verpachtung, was eine dauernde Organisation erfordert. Er ist Unternehmer im Sinn des § 1 KSchG und tritt im Rahmen seiner steiermarkweiten Tätigkeit auch in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern im Sinn des § 1 KSchG und schließt mit diesen Verträge. Er verwendet dabei Vertragsformblätter mit allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen ua 31 Klauseln vorkommen, von denen die klagende Partei behauptet, sie seien gesetzwidrig. Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten, die Verwendung dieser Klauseln oder sinngleicher Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese bereits Inhalt der von der beklagten Partei mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen geworden ist. Sie stellt weiters ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Der Beklagte wendete ein, betreffend einige Klauseln bereits Unterlassungserklärungen abgegeben zu haben. Die übrigen Klauseln seien gesetzeskonform. Zu 25 Klauseln wurde dem Klagebegehren bereits von den Vorinstanzen rechtskräftig stattgegeben. Im von der klagenden Partei angestrengten Revisionsverfahren sind somit nur mehr diejenigen sechs Klauseln, zu denen das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen hat, gegenständlich.

105 106 107

RIS-Justiz RS0016908; RS0016931. RIS-Justiz RS0122169. RIS-Justiz RS0115219 [T1]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 52

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil insbesondere zu Klausel 18 und zu Klausel 35 oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle und diesbezüglich die Rechtslage nicht von vornherein ganz klar sei. Die klagende Partei begehrt zu diesen sechs Klauseln in der Revision die Abänderung im Sinn der Klagestattgebung. Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt. Im Folgenden werden die sechs strittigen Klauseln im Einzelnen abgehandelt: a)

Zur Klausel 3 (Verfügungsrechte des Vermieters über Allgemeinflächen)

Klausel 3 lautet: „Über sämtliche Allgemeinflächen, Allgemeinanlagen, Nebenflächen und Außenanlagen der Liegenschaft, die nicht in Bestand gegeben werden und dem den [sic] allgemeinen Gebrauch dienen (zB Wege, Parkplätze, Grünanlagen etc), verfügt der Vermieter. Es ist dem Vermieter vorbehalten, über diese nicht in Bestand gegebenen Flächen und Einrichtungen, in welcher Form auch immer, zu verfügen und zu entscheiden.“ Die Klägerin bringt vor, diese Klausel schränke den Umfang des Gebrauchsrechts des Mieters ein und bewirke daher eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB. Der Vermieter behalte sich Verfügungen vor, die Eingriffe in die Mietrechte darstellten, womit gegen § 8 Abs 2 MRG verstoßen werde. Der Beklagte wendet ein, mit dieser Klausel werde bloß klargestellt, dass die Allgemeinflächen und Allgemeinanlagen nicht Teil des Mietobjekts seien und der Vermieter daher darüber verfügen dürfe. Damit werde aber nicht die Benützung der Allgemeinflächen durch den Mieter beschränkt. Hierzu wurde erwogen: § 8 Abs 2 MRG sieht vor, dass der Mieter das Betreten, die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstands nur unter den dort angeführten, eng umschriebenen Voraussetzungen dulden muss. Die gegenständliche Klausel betrifft aber nicht den Mietgegenstand, sondern die allgemeinen Teile des Hauses, weshalb kein Verstoß gegen § 8 Abs 2 MRG vorliegt. Nach der Rechtsprechung muss der Bestandgeber aber mangels einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung die Mitbenützung von Zubehör – das sind außerhalb des eigentlichen Bestandobjekts gelegene, allgemein zugängliche Teile der Liegenschaft – durch den Bestandnehmer insoweit dulden, als dies unter Bedachtnahme auf den Zweck der Bestandrechte der Verkehrssitte, dem Ortsgebrauch oder dem Herkommen entspricht. Unter diesem Gesichtspunkt kann die bei Beginn eines Bestandverhältnisses bestehende tatsächliche Übung, auch wenn sie ihren Niederschlag nicht in einer schriftlichen Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 53

Hausordnung gefunden hat, von rechtlicher Bedeutung sein. 108 Zudem steht dem Mieter das Recht auf Anbringung von Firmentafeln, geschäftlichen Ankündigungen und dergleichen an der Außenfläche der von ihm gemieteten Räume ohne weiteres zu, sofern das Haus nicht verunziert wird und andere Mieter nicht belästigt werden. Die Anbringung solcher Tafeln an anderer Stelle des Hauses, etwa im Hausflur, ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Vermieters gestattet, doch kann dieser die Zustimmung nicht verweigern, wenn eine derartige Benützung nach dem Ortsgebrauch oder der Verkehrsübung zum Inhalt des Bestandrechts gehört.109 Nach der gegenständlichen Klausel kann der Vermieter über die allgemeinen Teile des Hauses „in welcher Form auch immer“ verfügen und entscheiden. Dies ist – nicht nur bei kundenfeindlichster Auslegung – dahingehend zu verstehen, dass er eine Mitbenutzung der allgemeinen Teile durch den Mieter gerade nicht dulden muss, also Grünanlagen abzäunen, Gehwege sperren oder das ortsübliche Anbringen von Schildern verbieten kann und dabei nicht auf die Interessen der Mieter Bedacht nehmen muss. Diese einseitige und unbegründete Abweichung vom dispositiven Recht begründet die Unwirksamkeit der Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB. b)

Zur Klausel 12 (Zustimmung zu Sturmschaden-, Glasbruch- und erweiterter Leitungswasserschadenversicherung)

Klausel 12 lautet: „Der Mieter stimmt dem Abschluss der Erneuerung und Änderung von Verträgen über die angemessene Versicherung des Hauses gegen Sturmschäden, Glasbruch und Leitungswasserschäden auch an angeschlossenen Einrichtungen (erweiterte Deckungsvariante) zu orts- und verkehrsüblichen Konditionen zu.… Der Vermieter gibt in diesem Zusammenhang ausdrücklich bekannt, dass sich durch diese Zustimmung der Anteil des Mieters an den Betriebskosten um die anteiligen verkehrsüblichen Prämienvorschreibungen für die genannten Versicherungen erhöht, sofern die Mehrheit der Hauptmieter des Hauses (berechnet nach der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände) einer inhaltlich gleichen Vereinbarung zustimmt bzw zugestimmt hat. Erörtert wird weiters, dass ohne Zustimmung der Mietermehrheit die Kosten der Behebung der durch die genannten Versicherungen abgedeckten Schäden aus der Hauptmietzinsreserve zu entnehmen wären, sich jedoch im Fall trotz gesetzeskonformer Verwendung und Verrechnung der Hauptmietzinseinnahmen bei nicht vorhandenen Mietzinsreserven eine Mietzinserhöhung nach § 18 MRG ergeben könnte.“ Die Klägerin bringt vor, nach dem Wortlaut des § 21 Abs 1 Z 6 MRG sei gefordert, dass der Mieter dem Abschluss, der Erneuerung oder der Änderung eines konkreten Versicherungsvertrags zustimme. Die Klausel sei insofern gesetzwidrig, als auf keinen bestimmten Vertrag Bezug genommen werde, sondern in ihr ganz allgemein „von Verträgen“ über die angemessene Versicherung des Hauses gegen Sturmschäden, Glasbruch und Leitungswasserschäden auch an angeschlossenen Einrichtungen die Rede sei.

108 109

RIS-Justiz RS0020922. RIS-Justiz RS0020548. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 54

Der Beklagte wendet ein, § 21 Abs 1 Z 6 MRG schließe pauschale Zustimmungserklärungen nicht aus. Hierzu wurde erwogen: Nach § 21 Abs 1 Z 6 MRG gelten als Betriebskosten die vom Vermieter aufgewendeten Kosten für die angemessene Versicherung des Hauses gegen Schäden, wie besonders gegen Glasbruch hinsichtlich der Verglasung der der allgemeinen Benützung dienenden Räume des Hauses einschließlich aller Außenfenster oder gegen Sturmschäden, wenn und soweit die Mehrheit der Hauptmieter – diese berechnet nach der Anzahl der vermieteten Mietgegenstände – des Hauses dem Abschluss, der Erneuerung oder der Änderung des Versicherungsvertrags zugestimmt haben. Diese Vorschrift geht auf § 2 Abs 2 Z 5 MG idF BGBl 1929/200 zurück, wonach zu den Betriebskosten die Kosten der angemessenen Versicherung zählen, falls „sämtliche Mieter dem Abschluss jeder dieser Versicherungen zustimmen“. Bereits zu dieser Vorschrift sprach der OGH zu 5 Ob 432/59 = RIS-Justiz RS0067226 aus, dass nach dem Gesetz nicht die Zustimmung der Mieter zu einem bereits abgeschlossenen Vertrag zwischen Vermieter und Versicherer erforderlich ist. Es genüge vielmehr die Erklärung der Mieter, einverstanden zu sein, dass das Haus gegen Wasserleitungsschäden angemessen versichert werde. Liege eine Erklärung der Mieter in dieser allgemeinen Form vor, die als dem § 2 Abs 2 Z 5 MG entsprechend im Zweifel anzunehmen sei, dann seien die Vermieter berechtigt, auch bei späterer Änderung des Versicherungsvertrags oder Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags die Prämien auf die Mieter zu überwälzen, sofern sich der geänderte oder neue Vertrag als eine angemessene Versicherung des Hauses gegen Wasserschäden erweise.

Wenn nunmehr § 21 Abs 1 Z 6 MRG eine Zustimmung zum „Abschluss, der Erneuerung oder der Änderung des Versicherungsvertrags“ fordert, so ist damit insoweit keine Änderung verbunden. Auch lässt sich aus den Materialien nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber vorweggenommene Einverständniserklärungen nicht ausreichen lassen hätte wollen.110 Auch die spätere landesgerichtliche Rechtsprechung hat eine Zustimmung zur angemessenen Versicherung des Hauses gegen bestimmte Risiken ohne Bezugnahme auf einen konkreten Vertrag ausreichen lassen.111 Ein Verstoß gegen § 21 Abs 1 Z 6 MRG liegt daher nicht vor. c)

Zur Klausel 18 (Übernahmepflicht des Mieters bei geringfügigen Mängeln)

Klausel 18 lautet: „Geringfügige Mängel, die einer Nutzung zum vereinbarten Vertragszweck nicht entgegenstehen, berechtigen den Mieter nicht zur Verweigerung der Übernahme.“ Die Klägerin bringt vor, durch diese Klausel werde das dem Mieter nach § 918 ABGB zustehende Recht, den Vermieter bei Mangelhaftigkeit des Mietobjekts zum Zeitpunkt der 110 111

Siehe EBRV 425 BlgNR 15. GP 41. LGZ Wien MietSlg 41.295 und 48.286. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 55

Übergabe in Verzug zu setzen, eingeschränkt. Auch sei unklar, was alles als geringfügiger Mangel anzusehen sei, der einer Nutzung zum vereinbarten Vertragszweck nicht entgegenstehe. Darunter könnte also selbst ein weitergehendes Abweichen des Mietgegenstands vom vereinbarten Zustand in Größe und Ausstattung der Wohnung fallen. Die Klausel sei gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB und intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG. Der Beklagte wendet ein, da sich die Klausel ausschließlich auf geringfügige Mängel beziehe, die die Nutzung durch den Mieter nicht beeinträchtigten, sei sie nicht gröblich benachteiligend. Hierzu wurde erwogen: Nach § 1413 ABGB kann der Gläubiger gegen seinen Willen nicht gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern hat, was auch für die Zeit, den Ort und die Art, die Verbindlichkeit zu erfüllen, gilt. Der Gläubiger kann daher nach ständiger Rechtsprechung die Übernahme einer mangelhaften Sache verweigern, gleichgültig, ob es sich um Mängel handelt, welche ihn berechtigen würden, die Aufhebung des Vertrags zu begehren, oder um solche, die nach der Übernahme eine Verbesserung oder eine Preisminderung zur Folge hätten.112 In der Lehre wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, dieses Annahmeverweigerungsrecht gelte nicht für unwesentliche und unbehebbare Mängel.113 Ob diese Auffassung zutreffend ist, kann jedoch offenbleiben, weil die gegenständliche Klausel das Recht zur Verweigerung der Übernahme auch bei behebbaren Mängeln ausschließt. Im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG kann keine Rücksicht auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen genommen werden, weshalb für eine geltungserhaltende Reduktion kein Raum verbleibt, zumal nach ständiger Rechtsprechung der Richter nicht die Aufgabe hat, sich durch geltungserhaltende Reduktion zum Sachwalter des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu machen. 114 Die Klausel ist daher gemäß § 879 Abs 3 ABGB unwirksam. d)

Zur Klausel 19 (Haftung für das schuldhafte Verhalten dem Mieter zuzurechnender Personen)

Klausel 19 lautet: „Er hat sämtliche Schäden, die er oder ihm zurechnende Personen (insbesondere Mitbewohner, gebetene Gäste, Gehilfe, Angestellte, Kunden) schuldhaft verursacht haben, unverzüglich auf eigene Kosten von einem befugten Unternehmen beheben zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für Schäden, die aus der schuldhaften Verletzung seiner Wartungs-, Instandhaltungs- bzw. Anzeigepflicht entstanden sind.“

112 113

114

RIS-Justiz RS0018248. 5 Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf [2002] 237 ff; P. Bydlinski in KBB [2017] § 918 ABGB Rz 6; Reischauer in Rummel ABGB³ [2000] Vor §§ 918–923 ABGB Rz 10. RIS-Justiz RS0038205. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 56

Die Klägerin bringt vor, die in dieser Klausel vorgesehene unbeschränkte Haftung und Instandhaltungspflicht für Schäden, die Dritte verursacht hätten, stelle auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass diese Personen in einem gewissen Naheverhältnis zum Mieter stünden, eine gröbliche Benachteiligung gemäß § 879 Abs 3 ABGB dar. Der Beklagte wendet ein, bei der Klausel handle es sich um eine im Vergleich zur Unterlassungserklärung abgeänderte Fassung, die im Rahmen der den Mieter treffenden Pflichten jedenfalls zulässig sei. Hierzu wurde erwogen: In der Entscheidung 7 Ob 78/06f wurde folgende Klausel als unzulässig qualifiziert: „Der Mieter ist dem Vermieter gegenüber für jede Beschädigung des Mietgegenstandes und der Gemeinschaftseinrichtungen verantwortlich und zur Schadensbehebung verpflichtet, soweit die Beschädigung durch ihn, seine Angehörigen oder Besucher verursacht wurde.“ Der OGH erblickte dabei eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB darin, dass die Klausel eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung des Mieters vorsehe, während der Vermieter nur nach den gesetzlichen Vorschriften hafte. Die hier zu beurteilende Klausel enthält aber keine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung und ist daher mit der Klausel in der Entscheidung 7 Ob 78/06f nicht vergleichbar. Wird das Miet- oder Pachtstück beschädigt oder durch Missbrauch abgenützt, so haftet der Mieter nach § 1111 ABGB sowohl für „eigenes, als auch des Afterbestandnehmers Verschulden, nicht aber für den Zufall“. Seit jeher steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass der Mieter auch für das Verschulden der ihm zurechenbaren Personen einstehen muss, etwa für Familienangehörige, Personal und Gäste.115 Die gegenständliche Klausel enthält somit keine Abweichung vom dispositiven Recht, was eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB ausschließt. Das Transparenzgebot setzt auch die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung solcher Begriffe geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann. 116 Der Begriff „zurechnende (gemeint: 'zuzurechnende') Personen“, der letztlich nichts anderes als einen Verweis auf die allgemeine Rechtslage enthält, ist zwar nicht exakt bestimmt, aber für den Konsumenten – auch im Hinblick auf die nachfolgende demonstrative Aufzählung – doch ausreichend verständlich. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist daher zu verneinen. Die Klausel ist daher zulässig. 115 116

RIS-Justiz RS0020683. RIS-Justiz RS0115219 [T10] und RS0115217 [T3]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 57

e)

Zur Klausel 24 (Verzicht auf den Ersatzanspruch für „nützliche Verbesserungen“)

Klausel 24 lautet: „Der Mieter verzichtet hinsichtlich allfälliger von ihm vorgenommener Investitionen auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß §§ 1097 iVm 1037 ABGB. Es steht ihm sohin kein Anspruch auf Ersatz für nützlichen Aufwand zum überwiegenden Vorteil des Vermieters zu, sofern nicht im Einzelfall Anderes zwischen den Vertragsteilen vereinbart wird (mit Ausnahme des § 10 MRG).“ Die Klägerin bringt vor, die Klausel sei gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB, da keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar sei, warum dem Mieter keine Abgeltung für nützlichen Aufwand, wie sie in §§ 1097 in Verbindung mit 1037 ABGB ausdrücklich vorgesehen sei, gebühren solle, obwohl dieser zum überwiegenden Vorteil des Vermieters sei. Der Beklagte wendet ein, durch diese Klausel werde lediglich der Ersatz für nützlichen Aufwand abbedungen. Dies sei laut Judikatur ausdrücklich zulässig, weshalb kein Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB vorliege. Auch in seinen Klauselentscheidungen beanstande der OGH solche Klauseln nur dann, wenn sie eben nicht differenzierten und Mieter auch auf Ansprüche gemäß § 10 MRG bzw § 1096 ABGB verzichteten. Hierzu wurde erwogen: § 10 MRG regelt den Ersatz von Aufwendungen in einer Wohnung und sieht dabei in Abs 8 ausdrücklich vor, dass weitergehende Ansprüche nach §§ 1097, 1036, 1037 ABGB unberührt bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verzicht auf den Ersatz von Aufwendungen, soweit nicht § 10 MRG anzuwenden ist, grundsätzlich auch schon im Vorhinein zulässig.117 Diese Rechtsprechung wurde zwar gelegentlich unter Hinweis auf die mit dieser Klausel verbundene Abweichung vom dispositiven Recht kritisiert. 118 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die bloße Abweichung vom dispositiven Recht im gegenständlichen Fall auch im Hinblick auf nützliche Verbesserungen noch keine gröbliche Benachteiligung begründet, weil der Zustand des Objekts im vereinbarten Bestandzins eingepreist wird.119 Darüber hinaus sieht § 1040 ABGB vor, dass Aufwandersatzansprüche ausgeschlossen sind, wenn jemand sich gegen den gültig erklärten Willen des Begünstigten eines fremden Geschäfts anmaßt. Eine Klausel, in der die Ersatzpflicht für nützliche Aufwendungen, deren Vornahme an sich überhaupt untersagt werden könnte, ausgeschlossen wird, bleibt hinter dieser ex lege eingeräumten Möglichkeit insoweit zurück, als sie die Aufwendungen gerade nicht untersagt, sondern bloß die Ersatzpflicht des Vermieters ausschließt.120 Die gegenständliche Klausel ist daher zulässig.

117 118

119 120

RIS-Justiz RS0020595; RS0021155. Rosifka, Glosse zu 2 Ob 104/12a, wobl 2013, 90 [92]; Vonkilch, Glosse zu 10 Ob 52/14s, wobl 2015, 243 4 [246]; Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB [2014] § 1097 Rz 39. 4 Siehe Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB [2017] § 1097 ABGB Rz 41. Graf, Glosse zu 2 Ob 104/12a, immolex 2012, 278. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 58

f)

Zur Klausel 35 (Überwälzung der [gesamten] Bestandvertragsgebühr auf den Mieter)

Klausel 35 lautet: „Die mit der schriftlichen Errichtung des Mietvertrages verbundene gesetzliche Rechtsgeschäftsgebühr (Bestandsvertragsgebühr) trägt der Mieter und beträgt diese EUR 192,96 welche spätestens bei der Wohnungsübergabe bar hinterlegt wird.“ Die Klägerin bringt vor, die Klausel sei gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB, da sie die Zahlungsverpflichtung der Rechtsgeschäftsgebühr entgegen der im Außenverhältnis vorliegenden Mitschuldnerschaft nach § 896 ABGB dem Mieter alleine auferlege. Der Beklagte wendet ein, die Klausel sehe lediglich eine gesetzlich ausdrücklich zulässige, von § 896 ABGB abweichende Vereinbarung im Innenverhältnis vor. Hierzu wurde erwogen: In der Literatur wird die Zulässigkeit von vergleichbaren Klauseln unterschiedlich beurteilt: Kuprian121 hält eine Überwälzung der Mietvertragsgebühren generell für zulässig. Nach Vonkilch122 entspricht die Überwälzung der Mietvertragsgebühren zumindest im Bereich des WGG dem Kostendeckungsprinzip und ist daher nicht gröblich benachteiligend. Prader123 fordert hingegen eine sachliche Rechtfertigung der Überwälzung, etwa dass Wohnbauförderungsgesetze die Vorlage einer schriftlichen Vertragsurkunde verlangen. Demgegenüber erblickt Böhm124 in solchen Klauseln im Vollanwendungsbereich des MRG einen Verstoß gegen §§ 15 ff und 22 MRG, was deren Unzulässigkeit zur Folge habe.

Der OGH hat in der Entscheidung 7 Ob 78/06f eine Klausel, wonach der Mieter die „mit der Errichtung und Vergebührung dieses Mietvertrags verbundenen Kosten und Gebühren, insbesondere der Rechtsgeschäftsgebühr, sowie die Kosten für die seitenweise Vergebührung (Stempelmarken)“ zu tragen hatte, deshalb als intransparent beurteilt, weil sie keine Einschränkung auf die Rechtsgeschäftsgebühr vorsah und damit nicht sicherstelle, dass nur diese Gebühr gemeint sei. Diese Bedenken bestehen bei der gegenständlichen Klausel nicht, weil die Klausel eindeutig nur Rechtsgeschäftsgebühren betrifft. In der Entscheidung 5 Ob 183/16x 125 verneinte der OGH die gröbliche Benachteiligung einer Überwälzung der Rechtsgeschäftsgebühr auf den Mieter im Anwendungsbereich des WGG zumindest in jenen Fällen, in denen die schriftliche Ausfertigung des Mietvertrags eine Voraussetzung dafür ist, dass der Mieter in den Genuss einer Wohnung im Rahmen des geförderten Wohnbaus oder einer Wohnbeihilfe kommt. In der Entscheidung 5 Ob 217/16x 126 begründete der OGH im Anwendungsbereich des WGG die Zulässigkeit einer Überwälzung der Rechtsgeschäftsgebühr auf den Mieter mit dem Kostendeckungsprinzip des WGG.

121 122 123 124 125 126

Der Mietvertrag³ (2014) Rz 333. Mietvertragsgebühren und WGG, wobl 2014, 237 (239).

Zur [Un-]Zulässigkeit der Überwälzung von Mietvertragsgebühren, Zak 2014, 267. Miete und Konsumentenschutz (Teil III), immolex 2007, 166 (169). = sechste Klauselentscheidung = Newsletter vom 20. September 2017. = siebente Klauselentscheidung. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 59

Die gegenständliche Klausel verstößt nicht gegen §§ 15 ff und 22 MRG, weil sie weder den Mietzins noch die Betriebskosten betrifft. Die Klausel ist hier auch nicht gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB: Mit BGBl I 2017/147 wurde mit Wirksamkeit 11. November 2017 § 33 Gebührengesetz dahingehend geändert, dass Verträge über die Miete von Wohnräumen gebührenfrei sind (§ 33 TP 5 Abs 4 Z 1 lit c). Der Initiativantrag zu dieser Novelle 127 wurde unter anderem damit begründet, dass die „Mietvertragsgebühren … üblicherweise auf den Mieter überwälzt“ werden. Eine gröbliche Benachteiligung ist insoweit nicht ersichtlich.

E. 

Judikatur zum MRG

§ 3 Abs 1 und Abs 2 Z 1 MRG Im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters sind Fragen der Verursachung und des Verschuldens ebenso wenig zu prüfen wie die Frage, wer die zu erhaltenden Gebäudeteile und Einrichtungen überhaupt geschaffen hat OGH 20.11.2017, 5 Ob 122/17b

Der OGH (5 Ob 122/17b) hat bekräftigt, dass im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG (bzw im Anwendungsbereich des WGG) auf vertragliche Vereinbarungen gestützte Einwendungen ebenso wenig zu prüfen sind wie Fragen der Verursachung und des Verschuldens. In Fortführung dieser Erwägungen ist es für die Frage der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters und deren Durchsetzung grundsätzlich nicht maßgeblich, ob die zu erhaltenden Gebäudeteile und Einrichtungen (hier: zu einem Mietgegenstand gehörige Lichtkuppel) vom Vermieter geschaffen wurde oder von einem Mieter (bzw ob der betreffende Mieter überhaupt berechtigt war, derartige Änderungen am Gebäude vorzunehmen). Die Beschränkung der möglichen Einwendungen des Vermieters im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht erklärt sich schon daraus, dass die Erhaltungsarbeiten im Sinne des § 3 MRG (bzw des § 14a WGG) im Interesse aller Mieter des Hauses und letztlich auch der Allgemeinheit an der Erhaltung des Hausbestandes liegen. 

Rechtlicher Hintergrund:

Nach § 3 Abs 1 MRG hat der Vermieter im Vollanwendungsbereich des MRG nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden. Die Erhaltung im Sinne des § 3 Abs 1 MRG umfasst unter anderem die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses erforderlich sind (§ 3 Abs 2 Z 1 MRG).

127

2299/A BlgNR 25. GP. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 60

Die Qualifikation einer Maßnahme als Erhaltungarbeit setzt voraus, dass ein Mangel im Sinne einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit vorliegt (dynamischer Erhaltungsbegriff). 128 

Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin ist Alleineigentümerin des Hauses ***** in Wien. Die Antragstellerin ist seit ihrem Eintritt in die Mietrechte ihres verstorbenen Ehemannes Mieterin einer Wohnung in diesem Haus. In den Achtzigerjahren ließ der Rechtsvorgänger der Mieterin den Lichthof des Hauses im Bereich dieser Wohnung verbauen und in den Wohnungsverband einbeziehen. Die Hausverwaltung hatte damals ihre Einwilligung dazu von der Genehmigung durch die Baupolizei abhängig gemacht, wobei diese baupolizeiliche Genehmigung der Rechtsvorgänger der Antragstellerin einzuholen habe. In dem durch den Verbau des Lichthofs gewonnenen Zimmer („Lesezimmer“) befindet sich eine (vom Rechtsvorgänger der Mieterin eingebaute) Lichtkuppel, für die es keine Baubewilligung gibt. Die Lichtkuppel ist die einzige Lichtquelle dieses Raumes und die einzige Möglichkeit der direkten Luftzufuhr; sie ist elektrisch über einen Wandtaster zu öffnen und zu schließen. Der elektronische Öffner der Lichtkuppel funktioniert nicht mehr, ein händisches Öffnen ist nicht möglich. Damit ein Öffnen und Schließen der Lichtkuppel wieder möglich ist, ist der Elektromotor zu tauschen und die Elektroleitungen sind auf deren Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Die Mieterin begehrte als Antragstellerin, der Vermieterin aufzutragen, den Elektromotor der Lichtkuppel im Lesezimmer der Wohnung zu tauschen, die bezughabende Elektroleitung auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Die Vermieterin beantragte als Antragsgegnerin die Abweisung des Antrags und wandte unter anderem ein, dass die Erhaltung der vom Mieter selbst eingebauten Lichtkuppel diesem und nicht dem Vermieter obliege. Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Der Vermieter sei gemäß § 3 Abs 2 MRG zur Erhaltung und Reparatur der allgemeinen Teile des Hauses verpflichtet, sofern ein Mangel im Sinne einer Reparaturbedürftigkeit, Einschränkung der Funktionsfähigkeit und der Brauchbarkeit oder zumindest Schadensgeneigtheit vorliege. Die Lichtkuppel sei Teil der Außenfassade und daher den allgemeinen Teilen des Hauses zuzurechnen. Da der elektrische Öffnungsmechanismus nicht funktioniere und ein händisches Öffnen des Fenster unmöglich sei, sei die Funktionsfähigkeit des Fensters eingeschränkt bzw nicht gegeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Vermieterin nicht Folge.

128

RIS-Justiz RS0116998, RS0069944 [T11]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 61

Die Lichtkuppel sei hinsichtlich der gesetzlichen Erhaltungspflicht nicht anders zu behandeln, als ein Außenfenster. Diese stelle daher – wie das Erstgericht richtig erkannt habe – im Sinne des § 3 Abs 2 Z 1 MRG einen allgemeinen Teil des Hauses dar. Dass eine zuvor jahrzehntelang (elektrisch) öffenbare Fensteröffnung (hier: Glaskuppel) infolge des festgestellten Defektes eine „Funktionseinschränkung“ erfahren habe, sei evident. Zu beurteilen sei nämlich die Lichtkuppel in ihrer seit Jahrzehnten unveränderten Ausstattung und Funktionalität als Ganzes, der Öffnungsmechanismus sei also nicht einer separaten Betrachtung bzw rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Im hier zu beurteilenden Fall sei jedoch eine Erhaltungsarbeit an allgemeinen Teilen zu beurteilen, die auf vom Mieter ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 9 MRG getätigte Änderungen (Arbeiten) zurückzuführen sei. Von einer außergerichtlichen Genehmigung dieser mieterseitigen Arbeiten (Verbauung und Einbeziehung des Lichthofes in den Wohnungsverband) könne nicht gesprochen werden, weil die Erteilung einer Baubewilligung ausdrücklich zur Bedingung der Wirksamkeit der außergerichtlichen Zustimmung der Vermieterin gemacht worden sei. Diese Bedingung sei nach den Feststellungen nicht eingetreten. Der Gesetzeszweck, unter dem Aspekt der Dringlichkeit gebotene Maßnahmen zur Erhaltung des Hauses gerade in jenen Fällen sicherzustellen, in denen der Vermieter seinen Verpflichtungen nach § 3 MRG nicht nachkomme, sei aber in jedem Fall zu verfolgen, also auch dann, wenn zwischen antragstellendem Mieter und Vermieter Uneinigkeit darüber herrsche, ob die Notwendigkeit der Erhaltungsarbeit auf ohne Einhaltung der in § 9 MRG angeordneten Vorgangsweise vorgenommen Änderungen durch den Mieter zurückzuführen sei. Die in aller Regel dringende Entscheidung über die Durchführung der beantragten Erhaltungsarbeiten solle nicht durch zusätzlich zu klärende Tat- und Rechtsfragen verzögert werden. Allein die Berufung auf Unbilligkeit reiche nicht aus, um eine klare Entscheidung des Gesetzgebers zur Zuordnung der Erhaltungspflicht in ihr Gegenteil zu verkehren. Die Lösung, eigenmächtiges Handeln eines Mieters beseitige die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters, sei vom Wortlaut der Norm (§ 3 MRG) mit größter Eindeutigkeit nicht gedeckt und missachte den immanenten Gesetzeszweck einer klaren Zuordnung der Erhaltungspflicht zu Gunsten einzelfallbezogener Billigkeitserwägungen im Verhältnis zwischen antragstellendem Mieter und Vermieter. Dies gelte umso mehr, als Gerechtigkeitserwägungen – mit dem Gesetz im Einklang – auch dadurch gewahrt werden könnten, dass der Vermieter die ihm erwachsenen Folgemehrkosten seiner Erhaltung gegen den eigenmächtigen Mieter im streitigen Verfahren geltend machen könne, ohne dass die Notwendigkeit bestehe, Fragen der Verursachung, der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens im gegenständlichen Außerstreitverfahren zu prüfen. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil der OGH zur Frage, ob die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 MRG davon abhängt, ob ein von Beginn an vorhandener oder später mit Zustimmung des Vermieters geschaffener Liegenschaftsteil oder (nur) ein eigenmächtig vom Mieter veränderter Teil vom Mangel betroffen sei, noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Vermieterin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass der Antrag abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die Mieterin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.



Rechtliche Beurteilung des OGH:

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 62

a)

Eine Lichtkuppel ist gleich wie ein Außen- oder Dachflächenfenster allgemeiner Teil des Hauses

Zum Sachverhalt: Der Umstand, dass die hier zu beurteilende Lichtkuppel gleich wie ein Außen- oder Dachflächenfenster zu behandeln ist und daher im Sinne des § 3 Abs 2 Z 1 MRG einen allgemeinen Teil des Hauses darstellt129, ist im Revisionsrekursverfahren nicht (mehr) strittig. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Lichtkuppel infolge des Defektes des Öffnungsmechanismus in seiner Funktionsfähigkeit und Brauchbarkeit eingeschränkt ist. b)

Zur gegenständlichen Rechtsfrage, ob eine Erhaltungspflicht des Vermieters auch für vom Mieter geschaffene allgemeine Teile des Hauses besteht

Zum Sachverhalt: Der Auffassung der Vermieterin nach sei der Wortlaut [des § 3 Abs 2 Z 1 MRG] jedoch teleologisch dahin zu reduzieren, dass den Mieter jedenfalls dann die volle Erhaltungspflicht für funktionell allgemeine Teile darstellende Veränderungen trifft, wenn er diese Veränderungen eigenmächtig ohne die gesetzlich geforderten Anzeige- und Zustimmungskriterien oder gegen die berechtigte Verweigerung des Vermieters vorgenommen habe. Das Rekursgericht hat die bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung veröffentlichte Rechtsprechung und Lehre im Zusammenhang mit dieser Problematik eingehend dargestellt und die aus seiner Sicht vom OGH noch nicht ausdrücklich beantwortete Frage der Relevanz des Ursprungs der vom Erhaltungsbedarf betroffenen allgemeinen Teile ausgehend von allgemeinen Grundsätzen der gesetzlichen Erhaltungspflicht und deren Durchsetzung verneint. c)

Auf vertragliche Vereinbarungen gestützte Einwendungen sind im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters nicht zu prüfen

Nach der Rechtsprechung des OGH stehen dem Vermieter gegen den Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten nur Einwendungen zu, die sich aus den gesetzlichen Regelungen über die Erhaltungspflicht nach § 3 MRG ableiten lassen.130 Einwendungen, die auf Vereinbarungen gestützt sind, sind im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters nicht zu prüfen, sondern grundsätzlich auf dem streitigen Rechtsweg geltend zu machen.131 Daher kann der Einwand, der Mieter habe selbst die Erhaltungspflicht (im Zusammenhang mit Änderungen des Bestandgegenstands nach § 9 MRG) übernommen, im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 iVm § 6 MRG nicht erhoben werden.132 d)

Ebenso wenig sind im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters Fragen der Verursachung und des Verschuldens zu prüfen

129

Vgl RIS-Justiz RS0069976. 5 Ob 237/16p = Newsletter vom 7. Juni 2017, 5 Ob 181/16b = Newsletter vom 24. Mai 2017 mit weiteren Nachweisen; RIS-Justiz RS0117706. 5 Ob 181/16b = Newsletter vom 24. Mai 2017 mit weiteren Nachweisen. 5 Ob 237/16p = Newsletter vom 7. Juni 2017, 5 Ob 181/16b = Newsletter vom 24. Mai 2017 mit weiteren Nachweisen.

130

131 132

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 63

Auch Fragen der Verursachung und des Verschuldens sind in einem Verfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters betreffend allgemeine Teile des Hauses nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG grundsätzlich nicht zu prüfen.133 Der Grund für diesen Ausschluss der Erörterung von Verursachungs- und Verschuldensfragen liegt darin, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters gegenüber allen Mietern des Hauses und nicht nur gegenüber dem Mieter des betroffenen Objekts besteht. Die gemäß §§ 3 und 6 MRG durchsetzbaren Arbeiten kommen in der Regel nicht allein einem Mieter, sondern allen Benützern des Hauses zu Gute und liegen letztlich sogar im Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Hausbestandes.134 Ein allenfalls erforderlicher Interessensausgleich zwischen Verursacher und erhaltungspflichtigem Vermieter lässt sich über das Schadenersatzrecht (und damit im streitigen Rechtsweg) herstellen. 135 Die Beschränkung der möglichen Einwendungen des Vermieters im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht erklärt sich – wie schon dargestellt – schon daraus, dass die Erhaltungsarbeiten im Sinne des § 3 MRG im Interesse aller Mieter des Hauses und letztlich auch der Allgemeinheit an der Erhaltung des Hausbestandes liegen, sodass es den übrigen Mietern des Hauses durchaus unbillig zum Nachteil gereichen würde, könnte sich der Vermieter seiner gesetzlichen Erhaltungspflicht durch Hinweis auf Vertragsverletzung des die Erhaltung begehrenden Mieters entziehen. Der Vermieter ist daher zur Durchführung der gesetzlich gebotenen Erhaltungsarbeiten jedenfalls verpflichtet, allfälliger Regress gegenüber dem Mieter, der eine vertragliche Erhaltungspflicht missachtet oder den zu behebenden Schaden schuldhaft verursacht hat, muss hernach auf dem streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden.136

e)

Für die Durchsetzung der gesetzlichen Erhaltungspflichten des Vermieters spielt es daher auch keine Rolle, wer die zu erhaltenden Gebäudeteile und Einrichtungen geschaffen hat (bzw ob der Mieter überhaupt berechtigt war, derartige Änderungen am Gebäude vorzunehmen)

In Fortführung dieser Erwägungen ist es für die Frage der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 1 und 2 MRG und deren Durchsetzung grundsätzlich nicht maßgeblich, ob die zu erhaltenden Gebäudeteile und Einrichtungen vom Vermieter geschaffen wurde oder von einem Mieter.137 Der den Ausschluss entsprechender Einwendungen tragende Grund, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters gegenüber allen Mietern des Hauses und nicht nur gegenüber dem Mieter des betroffenen Objekts besteht, gilt auch in dem Fall, dass der antragstellende Mieter in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallende allgemeine Gebäudeteile verändert, ohne dass dieser seine Zustimmung erteilt oder nach § 9 MRG zur Duldung der Änderung verpflichtet ist. In diesem Sinne hat der OGH in seiner Entscheidung 5 Ob 237/16p 138 darauf hingewiesen, dass in einem Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 iVm §§ 3, 6 MRG (nur) die Voraussetzungen 133 134 135 136 137 138

RIS-Justiz RS0069992 [T7], RS0069294 [T1]. Vgl RIS-Justiz RS0069992 [T2], RS0069294 [T1]. 5 Ob 69/17h, 5 Ob 237/16p = Newsletter vom 7. Juni 2017; RIS-Justiz RS0069992 [T6], RS0069294 [T4]. Kothbauer, Zum Umfang und zur Durchsetzung von Erhaltungspflichten, immolex 2017, 196. Kothbauer aaO. = Newsletter vom 7. Juni 2017. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 64

der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 MRG zu prüfen sind und es der Differenzierung der Erhaltungspflicht danach, ob die Einrichtung (dort: Gasleitung) vom Mieter selbst hergestellt oder vom Vermieter bereitgestellt wurde, nicht bedarf. 139

f)

Entscheidung des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Das Rekursgericht hat diese Rechtsprechung des OGH auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend angewandt. Dem Revisionsrekurs kommt daher keine Berechtigung zu.

*** 

§ 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG Eine undichte Gasleitung stellt einen ernsten Hausschaden dar, der vom Vermieter zu beheben ist OGH 1.3.2017, 5 Ob 237/16p

Der OGH (5 Ob 237/16p) hat zu den Erhaltungspflichten des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG einige grundlegende Feststellungen getroffen: Wenn der Weiterbetrieb von fehlerhaften Elektro-, Gas- oder Wasserleitungen im Inneren des Bestandobjekts die Gefahr von Feuer-, Explosions- und Wasserschäden in sich birgt, ist von einem ernsten Hausschaden auszugehen, der nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG vom Vermieter zu beheben ist, und zwar unabhängig davon, wer die Leitungen errichtet hat. Ernste Schäden des Hauses müssen im Rahmen der ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft behoben werden, eine bloße Sperre der Gaszufuhr ist dafür nicht ausreichend, auch wenn damit die unmittelbare Explosionsgefahr gebannt wird. Fragen der Verursachung und des Verschuldens am Entstehen eines ernsten, die Erhaltungspflicht des Vermieters auslösenden Schadens, sind in einem außerstreitigen Verfahren zur Durchsetzung dieser Erhaltungspflicht grundsätzlich nicht zu prüfen, ebenso wenig die Frage, ob der Mieter selbst vertraglich eine Erhaltungspflicht übernommen hat. 

Rechtlicher Hintergrund:

Die zwingende140 Verpflichtung des Vermieters, den Mietgegenstand selbst zu erhalten (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG) erfasst nur die Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung oder die Übergabe eines zu vermietenden Mietgegenstands in brauchbarem Zustand. 

Sachverhalt:

Der verfahrensgegenständliche Mietgegenstand unterliegt zur Gänze dem MRG. Er wurde in den 1940er-Jahren vom Vater des Antragstellers gemietet. Nach dem Tod seines Vaters 1971

139

140

Vgl auch 5 Ob 181/16b = Newsletter vom 24. Mai 2017 [Wiederherstellung einer vom Mieter vorgenommenen Loggiaverglasung als Nacharbeit]. RIS-Justiz RS0112725 [T5]; RS0069928; RS0020841 [T8]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 65

traten der im Jahr 1947 geborene Antragsteller und seine Mutter in die Mietrechte ein. Seit dem Tod der Mutter im Jahr 2011 ist der Antragsteller alleiniger Hauptmieter. Es kann nicht festgestellt werden, seit wann im gegenständlichen Mietgegenstand eine Gasleitung in der Wohnung vorhanden war und von wem diese installiert wurde. Bereits in der Kindheit des im Jahr 1947 geborenen Antragstellers, jedenfalls in den 1950er Jahren, war ein Gasanschluss vorhanden, weil in der Küche mit einem Gasherd gekocht wurde. Im Jahr 1960 wurde eine zuvor bestehende Gasleitung im Haus erneuert. 1961 und 1968 ließ der Vater des Antragstellers die Gasleitung auf seine Kosten erweitern. Dabei wurden mehrere Meter Rohrleitungen neu verlegt. Diese Arbeiten erfolgten mit Wissen und Einverständnis des Hausverwalters, der selbst im Haus wohnte.

1977 erfolgte die Umstellung von Stadt- auf Erdgas. Dabei wurde geprüft, welche Gasgeräte auf das neue Erdgas umgestellt bzw umgebaut werden konnten. Laut Schreiben der Wiener Stadtwerke-Gaswerke vom 27. Mai 1977 war dies bei zwei Heizgeräten in der Wohnung nicht der Fall. Für einen Groß- und einen Kleingaswasserheizer sowie ein Heizgerät wurden die Umbaukosten bekannt gegeben. Der Umbau für den Gasherd erfolgte kostenlos. Die Mutter des Antragstellers ließ auf ihre Kosten die Gasanlage instandsetzen und erweitern. Dabei wurden 18 Meter Rohrleitungen unter Putz neu verlegt. Im Lauf der Jahrzehnte ließen die Mieter die Gasgeräte erneuern und regelmäßig warten. Die gesamte Wohnung wurde durch Gasgeräte beheizt. Es wurde auch weiter ein Gasherd zum Kochen verwendet. 1990 wurde an der Liegenschaft Wohnungseigentum begründet. Der Erstantragsgegner ist Wohnungseigentümer der vom Antragsteller gemieteten Wohnung. Diese Wohnung wird der Kategorie C zugeordnet. Dem Antragsteller wird ein Hauptmietzins gemäß § 45 MRG auf Basis von Kategorie C und einer Nutzfläche von 282,88 m² vorgeschrieben. Am 24. Oktober 2013 stellte ein Installateur fest, dass die Gasinnenleitung der Wohnung undicht ist. Die Zuleitung ist hingegen dicht. Das Energieversorgungsunternehmen ließ den am Gang befindlichen Sektionshahn für die Wohnung sperren. 2013 wurden die Elektroinstallationen im Auftrag und auf Kosten der Antragsgegner zur Gänze erneuert. Die Badewanne im hinteren Badezimmer wurde neu installiert. Seit Herbst 2013 kann aber die Wohnung aufgrund der wegen der undichten Gasleitung vorgenommenen Absperrung nicht mehr mit Gas beheizt werden. Der Antragsteller kaufte zwei Katalytöfen, die mit Propangasflaschen betrieben werden, um die Wohnung notdürftig zu beheizen. Eine Warmwasseraufbereitung ist durch einen Nachtspeicherofen, der nach der Instandsetzung der Elektroinstallation nur mit Tagstrom betrieben werden kann, gegeben. Der Gasherd kann nicht mehr benützt werden, zum Kochen verwendet der Antragsteller einen Campingkocher, der mit Gasflaschen betrieben wird. Der Antragsteller schaffte aber keinen Elektroherd an, um damit kochen zu können.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 66

Zur Behebung der Mängel und Wiederherstellung der Gaszufuhr muss die komplette Gasleitung inklusive der Gaszähleranlage, der abgepfropften Leitungsteile, der Absperrarmaturen der Gaskonvektoren und des Durchlauferhitzers im Bad erneuert bzw dicht gestellt werden. Der Antragsteller begehrt (unter anderem), den Antragsgegnern nach § 3 in Verbindung mit § 6 MRG aufzutragen, die komplette Gasleitung samt der Gaszähleranlage, den abgepfropften Leitungsteilen und den Absperrarmaturen von einem konzessionierten Installationsunternehmen in Unterputzführung erneuern bzw dicht stellen zu lassen und alle Vor- und Nacharbeiten durchzuführen. Die Antragsgegner bestritten insbesondere die Erhaltungspflicht eines Vermieters, wenn der Mieter – wenngleich mit Zustimmung des Vermieters – eine Gasleitung installiert habe. Die Wohnung habe zum Zeitpunkt der Anmietung weder über eine Wärmeversorgungsanlage oder eine Etagenheizung noch eine Warmwasseraufbereitung verfügt. Katgorie C sei Vertragsinhalt. Die Wohnung lasse eine Verwendung zu, wie dies nach dem Vertragszweck erforderlich sei. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen trug das Erstgericht den Antragsgegnern (unter anderem) auf, die komplette Gasleitung samt Gaszähleranlage, abgepfropften Leitungsteilen und Absperrarmaturen von einem konzessionierten Installationsunternehmen in Unterputzführung erneuern bzw dicht stellen zu lassen und alle Vor- und Nacharbeiten durchzuführen. Diese Arbeiten seien innerhalb eines Monats in Angriff zu nehmen und danach innerhalb von 14 Tagen durchzuführen. Rechtlich folgerte es zusammengefasst, das Mietverhältnis falle in den Vollanwendungsbereich des MRG. Die in § 3 MRG geregelte Erhaltungspflicht des Vermieters sei zwingend. Es handle sich um einen ernsten, in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallenden Schaden des Hauses, wenn in der Wohnung eines Mieters verlaufende Gasleitungen unbenützbar würden. Bei Weiterbetrieb der Leitungen bestehe nämlich die Möglichkeit von Feuer- oder Explosionsschäden. Die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG hänge nicht davon ab, ob die zu behebenden Schäden vom Mieter verursacht oder schuldhaft herbeigeführt worden seien. Ein ernsthafter Schaden könne auch nicht durch die Sperre der betroffenen Gasleitung behoben werden. Die nach § 3 Abs 3 Z 2 lit c MRG privilegierten Arbeiten seien ohne Rücksicht auf die Deckung der Kosten und ohne Möglichkeit, die Unwirtschaftlichkeit der Erhaltung des Gebäudes einzuwenden, durchzuführen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge und hob den Sachbeschluss des Erstgerichts im bekämpften Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. In der rechtlichen Beurteilung verneinte es die Erhaltungspflicht des Vermieters für die ausschließlich durch den Mieter hergestellten Gasleitungen. Nach der jüngeren Rechtsprechung liege zwar ein ernster Schaden des Hauses vor, wenn im Fall der Unterlassung einer Reparatur die Möglichkeit von Feuer-, Explosions- oder Wasserschäden bestehe. Zu einer erst durch den Mieter geschaffenen Gasleitung habe der OGH ausgesprochen, dass das ausdrückliche oder konkludente Einverständnis der Vermieterin mit der Zuleitung und der Benützung von Gasgeräten alleine noch nicht ihre Verpflichtung nach sich ziehe, die in der Folge schadhaft gewordene Gasleitung auf ihre Kosten erneuern zu lassen. Die Beurteilung, welche Substanz im Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 67

Inneren des Bestandobjekts zu erhalten sei, müsse daran gemessen werden, in welcher Ausstattung dieses dem Mieter übergeben worden sei. Stelle man ausschließlich auf den gegenwärtigen Zustand ab, führe dies zum unbilligen Ergebnis, dass ein Vermieter für die Erhaltung der bei Anmietung noch gar nicht vorhandenen Gasleitungen, für deren Vorhandensein er auch keine Gegenleistung durch den vereinbarten Mietzins erhalte, aufkommen müsse und infolge Privilegierung der Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs 3 Z 2 lit c MRG nicht einmal die mangelnde Kostendeckung oder Unwirtschaftlichkeit einwenden könne. Werde eine von den Gasleitungen ausgehende Gefahr durch Absperrung der Gaszufuhr gebannt, sei damit auch der ernste Schaden des Hauses beseitigt. Der Vermieter habe seinen Erhaltungspflichten entsprochen. Die Erhaltungspflicht des Vermieters könne jedoch nicht abschließend beurteilt werden, weil nicht feststehe, ob sämtliche Gasleitungen ausschließlich vom Mieter bzw seinen Rechtsvorgängern hergestellt worden seien.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung die Frage, welche Erhaltungspflichten den Vermieter bei Vorliegen eines ernsten Schadens des Hauses infolge undichter, vom Mieter errichteter Gasleitungen träfen, nicht eindeutig beantwortet habe. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur undichten Gasleitung als ernster Hausschaden im Sinne des § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG (Explosionsgefahr)

Die Rechtsprechung des OGH nimmt einen nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG vom Vermieter zu behebenden ernsten Schaden des Hauses auch dann an, wenn der Weiterbetrieb von fehlerhaften Elektro-, Gas- oder Wasserleitungen im Inneren des Bestandobjekts die Gefahr von Feuer-, Explosions- und Wasserschäden in sich birgt.141 Nach Lehre und Rechtsprechung muss es sich dabei aber um eine aktuelle Gefährdung handeln. 142 Ob eine Feuer- oder Explosionsgefahr als Folge fehlerhafter Leitungen die Erhaltungspflicht des Vermieters auch nach dem Tatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 zweiter Fall MRG in der Fassung der WRN 2006 (erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bewohner des Mietgegenstands) auslöst143, ist nicht relevant.

Zum Sachverhalt: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen musste die Gaszufuhr vom zuständigen Energieversorger gesperrt werden, weil die im Bestandobjekt verlaufende Gasleitung undicht war. Dass zuvor Explosionsgefahr bestand, wie die Vorinstanzen ihrer Beurteilung zugrunde legten, wird in dritter Instanz nicht in Zweifel gezogen. Zum Sachverhalt: Das Rekursgericht verneint eine Erhaltungspflicht des Vermieters hinsichtlich der vom Mieter selbst hergestellten Gasinnenleitungen. Die zu RIS-Justiz RS0021048 zitierte Rechtsprechung des OGH stützt seinen Standpunkt allerdings nicht. Danach zieht das Einverständnis der Vermieterin mit der Gaszuleitung und der Benützung von Gasgeräten durch die Mieterin allein noch nicht die Pflicht der Vermieterin nach sich, die in der Folge schadhaft gewordene Gasleitung auf ihre Kosten erneuern zu lassen. Die im eben genannten Rechtssatz 141 142 143

RIS-Justiz RS0069985 [T2]; 5 Ob 42/02s = RIS-Justiz RS0069985 [T6] = RS0067704 [T1, T2]. 5 Ob 42/02s; RIS-Justiz RS0069985 [T6]; RS0067704 [T2]. Vgl 5 Ob 174/10i [Gefahr eines Stromschlags durch mangelhafte Elektroinstallationen]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 68

dokumentierten Entscheidungen betreffen jedoch nicht die zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG.

b)

Ein ernster Hausschaden ist im Rahmen der ordnungsgemäßen Erhaltung zu beheben, eine bloße Sperre der Gaszufuhr ist nicht ausreichend

Zum Sachverhalt: Die Undichtheit der Gasinnenleitung stellte aufgrund bestehender Explosionsgefahr einen ernsten Schaden nach § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG dar. Die Erhaltungspflicht des Vermieters wird durch die Sperre der Gaszufuhr nicht erfüllt, auch wenn dadurch die unmittelbare Explosionsgefahr gebannt wird. Ernste Schäden des Hauses müssen (im Rahmen der ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft) behoben werden.144 Wenn schon die Beseitigung eines schadhaften Radiators als Bestandteil einer zentralen Wärmeversorgungsanlage (§ 3 Abs 2 Z 3 MRG) nach der Rechtsprechung keine Schadensbehebung darstellt 145, muss dies umso mehr für die hier vorgenommene Sperre der Gaszufuhr durch das Energieversorgungsunternehmen gelten. c)

Fragen der Verursachung spielen im Außerstreitverfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht keine Rolle, ebenso wenig die Frage, wer die zu sanierende Gasleitung errichtet hat.

Die Erhaltungspflicht des Vermieters (auch) nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG besteht gegenüber allen Mietern des Hauses und nicht nur gegenüber dem Mieter des betroffenen Objekts. Ein Interessenausgleich lässt sich nur über das Schadenersatzrecht herstellen. 146 Fragen der Verursachung und des Verschuldens am Entstehen eines ernsten, die Erhaltungspflicht des Vermieters auslösenden Schadens, sind in einem außerstreitigen Verfahren zur Durchsetzung dieser Erhaltungspflicht grundsätzlich nicht zu prüfen.147 Der Differenzierung der Erhaltungspflicht danach, ob die Gasleitungen vom Mieter selbst hergestellt oder vom Vermieter bereitgestellt wurden, bedarf es nicht. d)

Auch der Einwand, der Mieter hätte selbst Erhaltungspflichten übernommen, kann im Außerstreitverfahren nicht erhoben werden.

Dem Vermieter stehen Einwendungen gegen den Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten nur aus den gesetzlichen Regelungen über die Erhaltungspflicht nach § 3 MRG zu.148 Der Einwand, der Mieter habe selbst die Erhaltungspflicht (im Zusammenhang mit Änderungen des Bestandgegenstands nach § 9 MRG) übernommen149, kann daher im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 iVm § 6 MRG nicht erhoben werden.150 144 145 146 147 148 149

Vgl RIS-Justiz RS0083089. 5 Ob 8/92. RIS-Justiz RS0069992 [T6]. RIS-Justiz RS0069992 [T2]. RIS-Justiz RS0117706. Die Erhaltungspflichten des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG nach dessen § 3 sind nur zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zwingend, nicht aber später, wenn der für den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses typische ökonomische und soziale Druck auf der Seite des Mieters weggefallen ist. Im Zuge von Änderungen des Mietgegenstands nach § 9 MRG können bei einem unbefristeten Vertragsverhältnis im Rahmen der Genehmigung seitens des Vermieters ohne weiteres auch abweichende Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 69

e)

Ergebnis des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: In Ansehung der Erneuerung oder Dichtstellung der Gasleitung ist der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. 

Anmerkungen:

Durch den Verweis des § 28 Abs 1 Z 1 WEG auf § 3 MRG kann die vorliegende Entscheidung auch unmittelbar für das Wohnungseigentumsrecht nutzbar gemacht werden: Undichte Gasleitungen lösen (sofern nicht zwischen allen Wohnungseigentümern schriftlich Abweichendes vereinbart wurde) eine Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft selbst dann aus, wenn es sich um die Leitungen im Inneren der Wohnungseigentumsobjekte handeln sollte. Jeder Wohnungseigentümer kann die Durchführung einer solchen Erhaltungsmaßnahme im Rahmen seines Individualrechts nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag im Außerstreitverfahren geltend machen. *** 

§ 3 Abs 2 Z 2a MRG Zur Auslegung des Begriffs „mitvermietet“ in Ansehung der Erhaltungspflicht des Vermieters für mitvermietete Wärmebereitungsgeräte im Vollanwendungsbereich des MRG OGH 23.5.2017, 5 Ob 201/16v

Der OGH (5 Ob 201/16v) hatte sich in einem aktuellen Fall mit dem Begriff des „mitvermieteten“ Wärmebereitungsgeräts auseinanderzusetzen (für das es ja gemäß § 3 Abs 2 Z 2a MRG seit Inkrafttreten des WRN 2015 am 1. Jänner 2015 im Vollanwendungsbereich des MRG eine zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters gibt), und zwar im Hinblick auf Wärmebereitungsgeräte, die vom Mieter nachträglich als Ersatz für das ursprünglich im Mietgegenstand vorhandene und mitvermietete Wärmebereitungsgerät eingebaut wurden. Hierbei differenziert das Höchstgericht: Wurde ein mitvermietetes Wärmebereitungsgerät im Laufe der Zeit vom Mieter durch ein gleichwertiges Gerät ersetzt, dann erstreckt sich die Erhaltungspflicht des Vermieters auch auf das Ersatzgerät. Wurde indes das Beheizungssystem vom Mieter mietzinsrechtlich relevant (also unter Anhebung der Ausstattungskategorie) komplett modernisiert und umgestaltet, ist eine solche Umgestaltung einem erstmaligen Einbau gleichzusetzen und liegt daher für das neu eingebaute Wärmebereitungsgerät keine Erhaltungspflicht des Vermieters vor. 

150

Rechtlicher Hintergrund:

Erhaltungspflichten vereinbart werden. Siehe etwa unseren Newsletter vom 28. Dezember 2011 zu 4 Ob 191/10g. 5 Ob 181/16b mit weiteren Nachweisen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 70

Gemäß § 3 Abs 1 MRG hat der Vermieter im Vollanwendungsbereich des MRG nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden. Darunter fallen gemäß § 3 Abs 2 Z 2a MRG in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2015 (WRN 2015)151 auch die Arbeiten, die zur Erhaltung von mitvermieteten Heizthermen, mitvermieteten Warmwasserboilern und sonstigen mitvermieteten Wärmebereitungsgeräten in den Mietgegenständen des Hauses erforderlich sind. 152 Gemäß § 49g Abs 1 MRG traten die Änderungen des § 3 MRG durch die WRN 2015 mit 1. Jänner 2015 in Kraft. § 49g Abs 3 MRG ordnet an, dass die WRN 2015 ab ihrem Inkrafttreten auch auf Mietverträge anzuwenden ist, die vor dem 1. Jänner 2015 geschlossen wurden. 

Sachverhalt:

Der Antragsteller ist Mieter, die Antragsgegnerin Vermieterin einer Wohnung in Wien. Dem Mietverhältnis liegt ein von deren Rechtsvorgängern am 21. Dezember 1984 abgeschlossener Mietvertrag zugrunde. Bei Abschluss des Mietvertrags befand sich in der Wohnung eine alte Ölheizung. Die Ölheizung war mit einem Tank zwischen Schlaf- und Wohnzimmer ausgestattet, die eine undichte Leitung zum Ofen hatte. In der Küche war ein fünf-Liter Boiler installiert, der in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt war.

Der Rechtsvorgänger des Antragstellers, der 1998 diesem sein Mietrecht mit Zustimmung der Vermieterin übertrug, erneuerte die Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlage, indem er noch vor seinem Einzug eine Gasetagenheizung mit Warmwasseraufbereitung einbauen ließ. In § 2 des Mietvertrags vom 21. Dezember 1984 wurden dem Mieter „diverse Ein- und Umbauten auf seine Kosten“ genehmigt. Nach dessen § 5 Z 2 dürfen bauliche Veränderungen innerhalb des Bestandgegenstands nur mit Bewilligung des Vermieters erfolgen und gehen sofort unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters über.

Im August 2014 begann die vom Rechtsvorgänger des Antragstellers eingebaute Therme aufgrund eines undichten Wärmeblocks unkontrolliert Wärme zu produzieren. Diese wurde daraufhin von einem Elektriker stillgelegt und aufgrund ihrer Unbenutzbarkeit auf Wunsch

151 152

BGBl I 2014/100. Siehe zur Ausdehnung der Erhaltungspflichten des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG auf mitvermietete Wärmebereitungsgeräte durch die WRN 2015 ausführlich unseren Newsletter vom 3. Dezember 2014. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 71

des Antragstellers Ende 2014 entsorgt. Die Wohnung wird seither mit einem im Wohnzimmer befindlichen Kachelofen beheizt. Der Antragsteller beantragte, der Antragsgegnerin die „Erneuerung der Heiztherme“ binnen angemessener Frist aufzutragen. Seit der WRN 2015 treffe den Vermieter eine Erhaltungspflicht hinsichtlich sämtlicher Wärmebereitungsgeräte. Die Antragsgegnerin sei ihrer Erhaltungspflicht aber nicht nachgekommen. Den Vermieter treffe die Erhaltungspflicht gemäß § 3 Abs 2 Z 2a MRG zwar nur für mitvermietete Heizthermen. Aber auch eine vom Mieter nachträglich eingebaute Heiztherme gelte als mitvermietet, wenn der Einbau dem Vermieter angezeigt worden sei und dieser – wie hier – seine Zustimmung erteilt hätte.

Die Antragsgegnerin bestritt. Sie wandte ein, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2a MRG nur die bereits bei Beginn des Mietverhältnisses zur Ausstattung des Mietobjekts gehörenden Wärmebereitungsgeräte erfasse, nicht jedoch solche Geräte, die vom Mieter während des laufenden Vertragsverhältnisses eingebaut worden seien. Der Rechtsvorgänger des Antragstellers habe die mitvermietete funktionsfähige Ölheizung und den Warmwasserboiler ohne Zustimmung und auf eigene Kosten entfernt und durch eine Heiztherme ersetzt. Die Wohnung sei zu einem Mietzins der Kategorie B vermietet worden. Hätte eine (nachträgliche) Mitvermietung der Therme stattgefunden, so hätte dies einen Mietzins der Kategorie A gerechtfertigt. Ein solcher sei jedoch nie eingehoben worden. Die Therme sei daher nie mitvermietet gewesen.

Das Erstgericht trug der Antragsgegnerin auf, die Heiztherme im Bestandobjekt binnen einer Frist von längstens sechs Wochen durch eine neue Heiztherme zu ersetzen. Dem Mieter seien vom Vermieter im Mietvertrag diverse Ein- und Umbauten auf eigene Kosten bewilligt worden. Im Hinblick auf den zudem vertraglich vereinbarten Eigentumserwerb an der eingebauten Gasetagenheizung sei diese hier im Sinne des § 3 Abs 2 Z 2a MRG als mitvermietet anzusehen. Darauf, ob – abgesehen von der Zustimmung zu diversen Ein- und Umbauten im Mietvertrag – eine gesonderte, konkrete Zustimmung zum Einbau der Gasetagenheizung erfolgt sei, komme es hier nicht an, weil die getätigte Maßnahme eine privilegierte Arbeit im Sinne des § 9 Abs 2 MRG darstelle. Hierfür reiche eine Anzeige der beabsichtigten wesentlichen Veränderung durch den Hauptmieter aus und es bedürfe keines Nachweises der Übung des Verkehrs und des wichtigen Interesses. Auch komme es nicht darauf an, dass die Vermieterin keinen Mietzins entsprechend der Ausstattungskategorie A habe einheben können, dafür sei allein der Ausstattungszustand zum Zeitpunkt der Anmietung maßgeblich, vorliegend daher jener entsprechend der Kategorie B.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und wies den Antrag ab. Die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2a MRG umfasse – was jeweils durch Hinzufügung des Wortes „mitvermieteten“ zum Ausdruck gebracht werde – nur jene Geräte, die schon bei Beginn des Mietverhältnisses zur Ausstattung der Mietobjekte gehörten und insofern zum Leistungsspektrum des Vermieters gezählt hätten. War bei Anmietung in der Wohnung eine Heizung vorhanden, sei bei späteren, während des Mietverhältnisses auf Kosten und im Auftrag des Mieters erfolgten Installationen neuer Geräte zu unterscheiden: Als

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 72

mitvermietet müsse eine Heiztherme angesehen werden, welche der Mieter als Ersatz einer bei Mietvertragsbeginn übernommenen Heiztherme später eingebaut habe. Wenn nun ein solches Nachfolgegerät reparatur- oder austauschbedürftig werde, müsse daher der Vermieter im Rahmen seiner neuen Erhaltungspflicht für die erforderlichen Maßnahmen Sorge tragen. Im vorliegenden Fall sei die bei Anmietung übernommene Ölheizung aber nicht bloß durch ein in Bauart und Funktion entsprechendes Gerät ersetzt worden, sondern eine Umgestaltung vorgenommen worden, die nicht als Erhaltung der alten Heizungsanlage angesehen werden könne. Eine solche Umgestaltung sei dem erstmaligen Einbau gleichzusetzen. Die im Zuge dessen installierte Heiztherme sei daher nicht mitvermietet, es bestehe demnach keine Erhaltungsverpflichtung des Vermieters. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Auslegung des Wortes „mitvermietet“ in § 3 Abs 2 Z 2a MRG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und eine Klärung dieser Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Mieters. Er beantragt, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt und dem Antrag stattgegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Als Revisionsrekursgrund macht er die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Die Vermieterin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Die Ausdehnung der Erhaltungspflichten des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG bezieht sich nur auf „mitvermietete“ Wärmebereitungsgeräte

Die in § 3 Abs 2 Z 2a MRG normierte Erhaltungspflicht des Vermieters betrifft nur „mitvermietete“ Heizthermen, Warmwasserboiler und sonstige Wärmebereitungsgeräte. Nähere Vorgaben dazu, wann ein Wärmebereitungsgerät als „mitvermietet“ anzusehen ist, enthält das Gesetz nicht. Das Wort „mitvermietet“ wurde erst durch den Bautenausschuss in den Gesetzestext aufgenommen, um deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass sich die Erhaltungspflicht des Vermieters „nur auf mitvermietete Wärmebereitungsgeräte bezieht und nicht etwa auch auf solche, die der Mieter während des laufenden Mietverhältnisses aus Eigenem im Mietgegenstand installiert“.153 b)

Lehrmeinungen zum Begriff „mitvermietet“ Im Schrifttum vertritt Stabentheiner154 die Auffassung, durch die Hinzufügung des Wortes „mitvermietet“ werde zum Ausdruck gebracht, dass die in § 3 Abs 2 Z 2a MRG normierte

153 154

AB 386 BlgNR 25. GP 1. Stabentheiner/Vonkilch, Jahrbuch Wohnrecht 2015, 7; Stabentheiner, Wohnrechtsnovelle 2015, wobl 2015, 2 [5]; Stabentheiner, Tausche Kellerabteil gegen Heiztherme – die Wohnrechtsnovelle 2015, ÖJZ 2015/7 [53]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 73

Erhaltungspflicht des Vermieters nur jene Geräte betreffe, die schon bei Beginn des Mietverhältnisses zur Ausstattung der Mietobjekte gehörten und insofern zum Leistungsspektrum des Vermieters zählten, nicht aber auch solche Geräte, die vom Mieter während des laufenden Vertragsverhältnisses aus Eigenem installiert würden. Wenn allerdings bei einem zunächst noch nicht über eine derartige Beheizung verfügenden Mietgegenstand zwischen den Vertragsparteien vereinbart sei, dass der Mieter für den Einbau einer Heiztherme zu sorgen habe und die dafür anfallenden Kosten entweder vom Vermieter abgegolten erhalte oder sich auf den Mietzins anrechnen könne, wäre dies ebenfalls als eine „mitvermietete“ Therme zu qualifizieren, für die den Vermieter die Erhaltungspflicht treffe. Wenn das Mietobjekt schon zu Beginn des Mietverhältnisses zB mit einer Gasetagenheizung ausgestattet gewesen und die Heiztherme dieser Anlage während des laufenden Vertragsverhältnisses defekt geworden sei und vom Mieter gegen ein neues Gerät ausgetauscht worden sei, erstrecke sich die nunmehr erweiterte Erhaltungspflicht des Vermieters auch auf die neue – streng genommen nicht „mitvermietete“, sondern vom Mieter eingebaute – Heiztherme, weil ja die später vom Mieter installierte Therme nur das alte, bei Mietbeginn mitübergebene Gerät substituiert habe. Wenn nun auch das Nachfolgegerät reparatur- oder austauschbedürftig werde, müsse daher der Vermieter im Rahmen seiner neuen Erhaltungspflicht für die erforderlichen Maßnahmen Sorge tragen. Die vom Mieter angeschaffte Ersatztherme gelte genauso als „mitvermietet“ wie die ersetzte Therme.155 Fraglich könnte aber sein, ob Gleiches auch dann gelte, wenn der Mietgegenstand bei Mietbeginn zB mit einer altertümlichen Öl- oder Kohleheizung ausgestattet gewesen sei und diese vom Mieter dann aus Eigenem gegen ein moderneres Heizungssystem ausgetauscht worden sei.156 Die Frage, ob den Vermieter nun auch die Pflicht zur Erhaltung der – möglicherweise deutlich defektanfälligeren, im Reparaturfall wesentlich kostspieligeren – neuen Heizungsanlage treffe, müsse an anderer Stelle untersucht werden. Für Prader157 vermittle „mitvermietet“ zwar grundsätzlich den Eindruck, dass es darauf ankomme, wer den Einbau vorgenommen habe. Dies müsse aber nicht immer zusammenfallen. So könne es etwa vorkommen, dass der Vormieter ein Wärmebereitungsgerät eingebaut habe, das sich dann bei Anmietung durch den Folgemieter in der Wohnung befinde. Ob ein solches Gerät nun als mitvermietet gelte, hänge davon ab, ob dieses Gerät zinsrechtlich zu berücksichtigen sei oder nicht. Maßgebliche Anknüpfungsnorm ist dabei § 10 Abs 6 MRG. Habe der Nachmieter den Ablöseanspruch des Vormieters befriedigt, gelte dieses den Anspruch auslösende Wärmebereitungsgerät daher nicht als mitvermietet. Ansonsten sei aber der Einbau des Vormieters irrelevant und sohin erhaltungsmäßig im Sinne des § 3 Abs 2 Z 3a MRG zu werten. Die vermeintlichen Klarstellungen im Bericht des Bautenausschusses würden den Eindruck vermitteln, als ob bei Eigeneinbauten des Mieters eine Erhaltungspflicht des Vermieters ausscheiden würde. Es könne aber nicht per se geschlossen werden, dass die Wärmebereitungsgeräte keine Erhaltungspflicht des Vermieters mehr begründen könnten. Es sei davon auszugehen, dass jedenfalls bei gesetzlich oder vertraglich gedeckter Änderung ohne Rückbauverpflichtung und sachenrechtlichem Eigentumserwerb des Vermieters die Erhaltungspflicht dem Vermieter obliegen könne. Mit der Frage, wann ein Wärmebereitungsgerät als „mitvermietet“ anzusehen ist, haben sich Pletzer/Böhm158 sehr ausführlich auseinandergesetzt: Wärmebereitungsgeräte seien im 155 156 157 158

In diesem Sinne auch Kothbauer, Erhaltung und Wartung im Mieterecht, ÖVI 2015, 18. Für eine Erhaltungspflicht des Vermieters auch in diesem Fall Kothbauer, aaO. WRN 2015 – große Auswirkungen mit vielen Fragen, RdW 2015, 8. Wann gilt ein Wärmebereitungsgerät als „mitvermietet“?, wobl 2015, 179. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 74

Sinne der WRN 2015 „mitvermietet“, wenn sie im Eigentum des Vermieters stünden und vom Mieter vereinbarungsgemäß entgeltlich benützt würden. Die Gebrauchsüberlassung am Wärmebereitungsgerät müsse also mit dem Mietzins im Austauschverhältnis stehen. Habe sich im Mietgegenstand ursprünglich keine Heizung befunden, seien nachträglich zur Verfügung gestellte Heizungen daher in der Regel nur dann mitvermietet, wenn der Vermieter dafür verantwortlich gezeichnet habe und in der Folge der Mietzins erhöht worden sei. Sei eine anfänglich mitvermietete Heizung irreparabel defekt und vom Vermieter oder vom Mieter durch eine neue Heizung ersetzt worden, sei die neue Heizung grundsätzlich anstelle der bisherigen mitvermietet. Etwas anderes gelte lediglich in Fällen, in denen der Mieter vor dem 1. Jänner 2015 die irreparabel defekte Heizung gegen eine neue ersetzt und die neue Heizung, verglichen mit der alten, eine wesentliche Verbesserung darstelle. Im Falle wirksamer Untersagung bzw Untersagungsmöglichkeit seitens des Vermieters sei die neue Heizung nicht mitvermietet und der Vermieter dafür nicht erhaltungspflichtig.

c)

Konkreter Sachverhalt: Die ursprünglich mitvermietete Ölheizung wurde vom Rechtsvorgänger des Mieters durch eine Gasetagenheizung ersetzt

Zum Sachverhalt: Im hier zu beurteilenden Fall hat der Mieter die bestehende Ölheizung und den Warmwasserboiler durch eine Gasetagenheizung mit Warmwasseraufbereitung ersetzt. Die Heizung wies eine undichte Leitung auf, der Boiler war in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt. Die Frage, ob bei dieser Konstellation auch die erstmalig eingebaute Heiztherme als „mitvermietet“ anzusehen ist, ließ Stabentheiner159 ausdrücklich offen. Prader160 scheint dies zu verneinen, zumal es am Kriterium der Mitvermietung mangle. Nach Pletzer/Böhm161 ist in derartigen Fällen hingegen auf § 9 MRG abzustellen. Es bestehe nur dann keine Erhaltungspflicht des Vermieters für die neue Heizung, wenn er die Verbesserung in Übereinstimmung mit § 9 MRG untersagt habe bzw untersagen hätte können. Nur im Falle wirksamer Untersagung bzw Untersagungsmöglichkeit seitens des Vermieters sei die neue Heizung nicht mitvermietet und der Vermieter dafür nicht erhaltungspflichtig.

d)

Wurde ein mitvermietetes Wärmebereitungsgerät im Laufe der Zeit vom Mieter durch ein gleichwertiges Gerät ersetzt, dann erstreckt sich die Erhaltungspflicht des Vermieters auch auf das Ersatzgerät

Das Rekursgericht vertritt die Auffassung, dass eine nachträglich erteilte Zustimmung zum Einbau einer Zentralheizung, genauso wie der Umstand, dass der Vermieter einen ohne seine Zustimmung vorgenommenen Einbau einer Gasetagenheizung bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 9 Abs 1 und 2 MRG dulden müsse, nicht dazu führe, dass die dafür angeschaffte Heiztherme als mitvermietet anzusehen sei. Diese sei nämlich nicht vom Vermieter gegen Entgelt zum Gebrauch überlassen worden und sei daher auch nicht Teil der geschuldeten Gebrauchsüberlassung gewesen, für den der vereinbarte Mietzins die Gegenleistung darstelle. Die Berücksichtigung der Zustimmung bzw der Verpflichtung zur Duldung würde der Intention des Gesetzgebers widersprechen. Als mitvermietet müsse daher eine Heiztherme angesehen werden, welche der Mieter als Ersatz einer bei 159 160 161

Wohnrecht Jahrbuch 2015, 7 [14]. AaO. AaO. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 75

Mietvertragsbeginn übernommenen Heiztherme später eingebaut habe. Eine vom Mieter angeschaffte Ersatztherme gelte genauso als mitvermietet, wie die ersetzte Therme. Schließlich umfasse ja auch der dem Mieter geschuldete Gebrauch, für den Mietzins zu leisten sei, ein Bestandobjekt mit einer Heiztherme. e)

Wurde indes das Beheizungssystem vom Mieter mietzinsrechtlich relevant (also unter Anhebung der Ausstattungskategorie) komplett modernisiert und umgestaltet, ist eine solche Umgestaltung einem erstmaligen Einbau gleichzusetzen und liegt daher für das neu eingebaute Wärmebereitungsgerät keine Erhaltungspflicht des Vermieters vor

Anders stelle sich die Sachlage dar, wenn – wie im vorliegenden Fall – bei Anmietung eine veraltete Ölheizung übernommen worden sei und vom Mieter eine komplette Modernisierung und Umgestaltung des Beheizungssystems durch Einbau einer Gasetagenheizung samt Warmwasseraufbereitung vorgenommen worden sei. Hier sei nicht bloß ein Ersatz durch ein in Bauart und Funktion entsprechendes Gerät vorgenommen worden, sondern eine Umgestaltung, die nicht als Erhaltung der alten Heizungsanlage angesehen werden könne. Eine solche Umgestaltung sei dem erstmaligen Einbau gleichzusetzen und die im Zuge dessen installierte Heiztherme sei nicht mitvermietet. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung des Rekursgerichts. Es entspricht der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die Erhaltungspflicht des Vermieters auf die von ihm entgeltlich bereit gestellten Wärmebereitungsgeräte zu beschränken. Diese Erhaltungspflicht des Vermieters umfasst dabei auch die allenfalls notwendige Neuherstellung, das heißt den Austausch einer irreparabel defekten durch eine gleichwertige neue Anlage. Kommt der Vermieter seiner Erhaltungspflicht nicht nach und nimmt der Mieter diese Maßnahme selbst vor, erstreckt sich die Erhaltungspflicht des Vermieters zweifellos auf die neue Anlage, weil das vom Mieter installierte Wärmebereitungsgerät nur das alte, bei Mietbeginn mitübergebene substituiert hat.162 Zum Sachverhalt: Der hier zu beurteilende Fall ist aber anders gelagert. Die vom Mieter vorgenommene Erneuerung des Wärmebereitungsgeräts ist – ungeachtet des dynamischen Erhaltungsbegriffs163 – nicht mehr als bloße Erhaltungsmaßnahme, sondern als Veränderung (Verbesserung) zu qualifizieren. Der durch das Hinzufügen des Wortes „mitvermietet“ zum Ausdruck gebrachten Intention des Gesetzgebers entspricht es, jedenfalls eine solche wesentliche, mietzinsrechtlich relevante Verbesserung dem erstmaligen Einbau einer Heizung gleichzustellen. Im Fall des anfänglichen Fehlens jeglicher Heizung im Mietgegenstand mag zwar der Vermieter Eigentum an der vom Mieter erstmalig eingebauten Heizung erwerben, die Heizung ist aber dennoch nicht als „mitvermietet“ anzusehen und der Vermieter daher nicht erhaltungspflichtig. Pletzer/Böhm164 begründen dies zutreffend damit, dass sich der Heizungseinbau typischerweise nicht im Mietzins niederschlagen werde. Das würde ja voraussetzen, dass der Mieter in eine Mietzinserhöhung wegen einer von ihm selbst getätigten 162 163 164

Pletzer/Böhm, wobl 2015, 179 [182f]; Stabentheiner, Wohnrecht Jahrbuch 2015, 7 [14]. Vgl RIS-Justiz RS0069944, RS0116713. Wobl 2015, 179 [181 f]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 76

und finanzierten Investition einwillige. Zahle der Mieter trotz der nunmehr vorhandenen Heizung aber keinen höheren Mietzins, gebrauche er diese letztlich wieder unentgeltlich, was bedeute, dass die Heizung nicht „mitvermietet“ sei. Für die Frage der Erhaltungspflicht sei daher die Zustimmung bzw Duldungsverpflichtung des Vermieters nach § 9 MRG nicht relevant. Warum die dieses Ergebnis begründenden mietvertraglichen Überlegungen in den Fällen einer mietzinsrechtlich relevanten wesentlichen Verbesserung nicht gelten sollen, stellen auch Pletzer/Böhm nicht dar.

f)

Ergebnis des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Der – aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässige – Revisionsrekurs des Mieters ist nicht berechtigt, weshalb ihm ein Erfolg versagt bleibt. 

Anmerkungen:

Das vom OGH in der vorliegenden Entscheidung vertretene Ergebnis ist folgerichtig, dies aber nur unter der Voraussetzung, dass die vom Mieter herbeigeführte Änderung des Beheizungssystems gleichzeitig eine Kategorieanhebung darstellt und daher gemäß der Formulierung des OGH „mietzinsrechtlich relevant“ ist, denn nur hier trifft das Argument zu, von „mitvermietet“ könne schon aufgrund der fehlenden mietzinsrechtlichen Berücksichtigung keine Rede sein. Wenn hingegen das ursprünglich mitvermietete (und mittlerweile ausgetauschte) Wärmebereitungsgerät wenigstens dem Kategoriemerkmal „gleichwertige stationäre Heizung“ gemäß § 15a Abs 1 Z 1 MRG entsprochen hat, dann greift das Argument einer fehlenden mietzinsrechtlichen Berücksichtigung des neu eingebauten Wärmebereitungsgeräts gerade nicht, weil der Mietgegenstand (unter der Voraussetzung, dass auch alle übrigen Merkmale des § 15a Abs 1 Z 1 MRG erfüllt waren) bereits zum Zeitpunkt der Vermietung die Ausstattungskategorie A aufgewiesen hat. In einem solchen Fall ist kein Grund ersichtlich, warum man zur Lösung der Frage, unter welchen Voraussetzungen man bei einem Austausch einer defekt gewordenen Heizungsanlage durch den Mieter nach wie vor von einem „mitvermieteten“ Wärmebereitungsgerät ausgehen kann, nicht auf eine dynamische Betrachtungsweise zurückgreife sollte. Jede andere Auslegung führte nämlich meines Erachtens zu einem – investitionsfeindlichen – Wertungswiderspruch: Der Mieter, der angesichts eines defekt gewordenen, nicht mehr zeitgemäßen Wärmebereitungsgeräts im Sinne eines „1:1-Austauschs“ neuerlich die in der Zwischenzeit veraltete Technologie einbauen ließ, hat nun das Glück, gegenüber dem Vermieter auch bezüglich des neu eingebauten Geräts einen Erhaltungsanspruch zu haben, während der Mieter, der bei Defekt der alten Anlage vorausblickend eine modernere, energieeffizientere, ökologischere Heizung einbauen ließ, für diese neue Anlage diesen Anspruch nicht hat. 165 Richtig ist jedenfalls der Ansatz, dass es für die Begrifflichkeit „mitvermietet“ auf die mietzinsrechtliche Berücksichtigung des Wärmebereitungsgeräts geht und nicht darum, ob der Einbau vom Vermieter genehmigt wurde, bzw ob er im Hinblick auf § 9 MRG überhaupt die Möglichkeit einer Versagung der Genehmigung gehabt hätte. Andernfalls 165

Vgl Kothbauer, Erhaltung und Wartung im Mieterecht, ÖVI 2015, 18. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 77

würde nämlich schlicht jedes vom Mieter eingebaute Wärmebereitungsgerät eine Erhaltungspflicht des Vermieters auslösen (zumal Heizungseinbauten wohl in aller Regel zwanglos als privilegierte Veränderungen des Mietgegenstands qualifiziert werden können), was aber – wie die vorliegende Entscheidung unmissverständlich aufzeigt – der klaren Intention des Gesetzgebers der WRN 2015 zuwiderliefe. Beachte, dass auf der Grundlage der WRN 2015 eine zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters für mitvermietete Wärmebereitungsgeräte nicht nur im Vollanwendungsbereich des MRG vorliegt, sondern auch für Wohnungen im Teilanwendungsbereich des MRG, zumal mit der WRN 2015 insofern die an sich abdingbaren Erhaltungspflichten des Bestandgebers gemäß § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB zwingend gestellt wurden (Art 4 § 1 WRN 2015). *** 

§ 12a Abs 3 MRG Zur „Machtwechseltheorie“ bei Auslegung des § 12a Abs 3 MRG OGH 29.8.2017, 5 Ob 127/17p

Der OGH (5 Ob 127/17p) bekräftigte in einer aktuellen Entscheidung zur Auslegung des § 12a Abs 3 MRG die sogenannte „Machtwechseltheorie“. Nach dieser indiziert zwar ein „Kippen der Mehrheit“ der Anteilsverhältnisse (im Sinne eines Wechsels von mehr als der Hälfte der Anteile) den Anhebungstatbestand, es ist aber zu prüfen, ob damit auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein „Machtwechsel“ verbunden ist. Ergibt sich, dass mit einer Veränderung der Anteilsverhältnisse (hier: aus einer OG scheidet der bisherige Mehrheitsgesellschafter aufgrund Todes aus) keine wirtschaftlichen Änderungen einhergehen, weil es keinen neuen dominierenden Gesellschafter gibt (hier: keiner der übrigen Gesellschafter erwirbt durch das Ausscheiden des bisherigen Mehrheitsgesellschafters einen Mehrheitsanteil, womit auch niemand die Geschicke der Gesellschaft so bestimmen kann, als hätte er das Unternehmen erworben) dann liegt der Anhebungstatbestand nicht vor. 

Rechtlicher Hintergrund:

Ist im Vollanwendungsbereich eine juristische Person oder eine unternehmerisch tätige eingetragene Personengesellschaft Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit und ändern sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend, wie etwa durch Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, so hat gemäß § 12a Abs 3 MRG (in Verbindung mit § 12a Abs 2 MRG) der Vermieter das Recht, den Hauptmietzins bis zur Höhe des sogenannten „branchenangemessenen“ Mietzinses anzuheben, auch wenn die entscheidende Änderung nicht auf einmal geschieht. Die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person oder unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft sind verpflichtet, solche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des dem Vermieter zustehenden Rechtes auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen wurde, so obliegt es dem Hauptmieter, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 78



Sachverhalt:

Nach Auffassung der Antragsgegnerin seien erhebliche Rechtsfragen darin gelegen, ob der Vermieter ein Mietzinsanhebungsrecht nach § 12a Abs 3 MRG dann habe, wenn der Mieter die Machtverhältnisse in der Gesellschaft derart bestimme, dass bei Ausscheiden eines Mehrheitsgesellschafters kein verbleibender Gesellschafter die Mehrheit der Anteile an der Gesellschaft halte; ob eine wirtschaftliche Änderung bei einer Personengesellschaft eintrete, wenn der bisherige Mehrheitsgesellschafter aus der Personengesellschaft ausscheide und dessen Anteil auf die bisherigen Minderheitsgesellschafter verteilt werde, ohne dass es einen neuen Machtträger in der Gesellschaft gebe und letztlich, ob die Judikatur zu § 12a Abs 3 MRG betreffend die „Machtwechseltheorie“ sowohl auf Kapital- als auch Personengesellschaften anzuwenden sei. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur „Machtwechseltheorie“ in Auslegung des § 12a Abs 3 MRG – zur Erfüllung des Anhebungstatbestands muss neben der rechtlichen auch eine wirtschaftliche Änderung der Einflussmöglichkeiten in einem entscheidenden Ausmaß eingetreten sein

Zur Anwendung des § 12a Abs 3 MRG vertritt die nunmehr herrschende Ansicht die sogenannte „Machtwechseltheorie“, zu der sich auch der erkennende Senat – wenngleich zu anders gelagerten Sachverhalten – mittlerweile mehrfach ausdrücklich bekannt hat. 166 Die „Machtwechseltheorie“ entspricht auch der herrschenden Lehre. 167 Die „Machtwechseltheorie“ besagt, dass eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten nur dann vorliegt, wenn der Erwerber eine Rechtsstellung erlangt, die es erlaubt, mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln die Geschicke der Gesellschaft so zu bestimmen, als hätte er das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen selbst erworben.168 Die im Revisionsrekurs primär ins Treffen geführte Entscheidung 5 Ob 262/02v, wonach es dann, wenn nach den Änderungen in der Mietergesellschaft die Mehrheit der Anteile nunmehr anderen Personen als den bisherigen Gesellschaftern zuzurechnen sei, keines eigentlichen „Machtwechsels“ in der Gesellschaft mehr bedürfe, weil sich bei einer Anteilsverschiebung um mehr als 50 % daraus bereits eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten ergebe, ist als überholt anzusehen; soweit aus der Entscheidung 9 Ob 53/11a, die an sich ebenfalls auf ein „Kippen der

166 167

168

5 Ob 198/09t; 5 Ob 91/12m = Newsletter vom 7. August 2013; 5 Ob 196/13d. Schauer, Geschäftsraummiete und Unternehmensübertragung, GesRZ 1994, 12; ders, aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung des OGH zu § 12a MRG, wobl 1999, 39; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht², § 12a MRG Rz 42 mit weiteren Nachweisen; Hawel in Illedits/Reich-Rohrwig, 23 Wohnrecht² § 12a MRG Rz 19 f; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht § 12a MRG Rz 18 mit weiteren Nachweisen). Vgl RIS-Justiz RS0111297. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 79

Mehrheitsverhältnisse“ abstellte169 zu entnehmen ist, dass es auf einen „Machtwechsel“ im eigentlichen Sinn in einem solchen Fall nicht mehr ankomme, wird sie nicht geteilt. Nach nunmehr gefestigter höchstgerichtlicher Auffassung auch des erkennenden Senats indiziert ein Kippen der Mehrheitsverhältnisse den „Machtwechsel“ zwar, die konkreten Auswirkungen sind aber jeweils im Einzelfall zu prüfen. Ergibt eine solche Prüfung, dass trotz Änderung der rechtlichen Verhältnisse keine wirtschaftliche Änderung eintritt, weil am Ende des Vorgangs letztlich unveränderte Machtverhältnisse stehen, ist kein Anhebungsrecht bewirkt. 170 Es bedarf daher einer Änderung der rechtlichen und der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten der Mietergesellschaft, beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.171 Zur Anwendung des § 12a Abs 3 MRG im Zusammenhang mit Personengesellschaften liegt bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung im nennenswerten Umfang vor.172 Demnach ist bei einer Personengesellschaft eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten dann anzunehmen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter ausgetauscht wird oder sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären einer Kommanditgesellschaft entscheidend verschieben. Erhält ein Komplementär mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile, indiziert dies in Anlehnung an das vom Gesetzgeber ganz generell für den „Machtwechsel“ in einer Gesellschaft erwähnte Beispiel einer Veräußerung der Mehrheit der Anteile eine im Sinn des § 12a Abs 3 erster Satz MRG relevante Verlagerung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten, obwohl sich – wie im gesetzlichen Modell dieser Personengesellschaft vorgesehen – an der Zuteilung der Geschäftsführungsbefugnisse vielleicht gar nichts geändert hat. In diesem Sinn wurde etwa bereits die rechtsformwandelnde Änderung einer OHG mit zwei persönlich haftenden Gesellschaftern in eine KG, bei der einer der bisher persönlich haftenden Gesellschafter die Rechtsposition des Kommanditisten übernimmt, der andere Gesellschafter die des Komplementärs, als rechtlicher und wirtschaftlicher „Machtwechsel“ in der Personengesellschaft angesehen173; ebenso die Auswechslung des einzigen Komplementärs einer KG unabhängig von internen Absprachen.174 Demgegenüber begründet die Fortführung der bisherigen Personengesellschaft durch die bisher einzige Komplementärin als Einzelunternehmen keine erhebliche Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten.175

b)

Konkreter Sachverhalt: Mangels „Machtwechsels“ kein Mietzinsanhebungstatbestand, wenn aus einer OG der bisherige Mehrheitsgesellschafter aufgrund Todes ausscheidet und sein Anteil auf die drei übrigen Gesellschafter derart verteilt wird, dass niemand dieser Gesellschafter einen Mehrheitsanteil erwirbt

169

RIS-Justiz RS0108983. RIS-Justiz RS0125715; RS0111167 [T14, T17]; 5 Ob 228/15p; 10 Ob 79/15p. 1 Ob 180/07p mit weiteren Nachweisen. Für eine Änderung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse, die selbst durch ein „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“, nur indiziert wäre, ist im Übrigen der Vermieter behauptungs- und beweispflichtig (3 Ob 78/07b). RIS-Justiz RS0118946; RS0108809; RS0108984. 5 Ob 244/04z. 5 Ob 236/09f. 5 Ob 196/13d.

170 171

172 173 174 175

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 80

Zum Sachverhalt: Der bisherige Mehrheitsgesellschafter schied aufgrund Todes aus, seinen Anteil übernahmen die drei verbliebenen offenen Gesellschafter in einem solchen Ausmaß, dass unverändert keiner von ihnen über eine Anteilsmehrheit in der Mietergesellschaft verfügt. Die Auffassung des Rekursgerichts, hier liege kein „Kippen der Machtverhältnisse“ verbunden mit einer entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf die Antragstellerin vor, ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Sie hält sich im Rahmen der Rechtsprechung, wonach etwa die bloße Begründung von Streubesitz an der Holding AG der Mieterin nicht den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG zu begründen vermag176 und auch der Wechsel der Mehrheit der Vereinsmitglieder für sich allein noch nicht zu einem die Mietzinsanhebung erlaubenden „Machtwechsel“ führen kann.177 Hier schied der bisherige Mehrheitsgesellschafter zwar durch Tod aus der Gesellschaft aus, die übrigen Gesellschafter blieben unverändert allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugt für die Gesellschaft. Ungeachtet der Übernahme der Anteile des Verstorbenen ist nach wie vor keiner von ihnen Mehrheitsgesellschafter bzw konkret in der Lage, aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Geschicke der Mietergesellschaft so zu bestimmen, als hätte er das Unternehmen selbst erworben. 178 Die Auffassung des Rekursgerichts, die bloße Stärkung der Einflussmöglichkeiten der verbleibenden Minderheitsgesellschafter, die im Zusammenwirken mit anderen Minderheitsgesellschaftern Beschlüsse fassen könnten, reiche hier für eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse (noch) nicht aus, ist angesichts der zu unterstellenden Struktur der Mieterin als reines Familienunternehmen jedenfalls vertretbar. Da die Frage, ob der Tatbestand des § 12a Abs 3 erster Satz MRG verwirklicht wurde, immer nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden kann 179 und diesfalls eine erhebliche Rechtsfrage nur dann vorläge, wenn dem Rekursgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre180, was hier nicht der Fall ist, ist der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) unzulässig und zurückzuweisen. 

Anmerkungen:

Erneut gibt der 5. Senat des OGH ein klares Bekenntnis zur „Machtwechseltheorie“ ab, die auch einige andere Senate des OGH vertreten. Entscheidungen, aus denen sich Gegenteiliges ergibt (dass nämlich das „Kippen der Mehrheit“, etwa im Wege der Veräußerung der Anteilsmehrheit für die Erfüllung des Anhebungstatbestands in aller Regel schon per se ausreicht, ohne dass es eines „Machtwechsels“ im Sinne eines – neuen – dominierenden Einflusses eines Gesellschafters bedarf) werden als überholt angesehen 181 bzw ausdrücklich nicht geteilt 182.

176 177 178 179 180 181

182

3 Ob 114/00m. 10 Ob 79/15p. Vgl 10 Ob 79/15p. RIS-Justiz RS0111167 [T11]; RS0118809 [T1]; vgl auch RS0125715. RIS-Justiz RS0044088. 5 Ob 262/02v: „… bedarf es keines eigentlichen "Machtwechsels" in der Gesellschaft mehr, weil sich in der Regel eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei einer Anteilsverschiebung um mehr als 50 % ergibt…“ 9 Ob 53/11a: „… Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass jedenfalls bei einer Veräußerung der Anteilsmehrheit eine solche entscheidende Änderung vorliegt…“ Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 81

Wenngleich ich natürlich anerkenne, dass es in der gegenständlichen Frage mittlerweile eine nahezu völlig einheitliche Rechtsprechung gibt, erachte ich die Meinung, dass der Anhebungstatbestand nach § 12a Abs 3 MRG nicht schon dann vorliegt, wenn im Laufe der Zeit die Mehrheit der Gesellschaftsanteile übertragen wird, sondern im Sinne der „Machtwechseltheorie“ auch eine beherrschende Stellung eines Gesellschafters neu hinzutreten muss, nach wie vor als nicht restlos überzeugend: Zum einen sei darauf hingewiesen, dass es für den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG ein einziges gesetzliches Beispiel genannt wird, nämlich die „Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft“. Es ist zumindest kein allzu naheliegendes Auslegungsergebnis, wenn dieses einzige gesetzliche Beispiel gar nicht jedenfalls den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht, sondern nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des „Machtwechsels“ (im Sinne einer neuen Machtakkumulierung). Zum anderen erklärte der OGH etwa in 5 Ob 224/14y selbst, dass es tragender Gedanke des § 12a Abs 3 MRG sei, zu verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter zum Nachteil des Vermieters einen niedrigen – weil nicht den Marktverhältnissen entsprechenden – Mietzins verwerten können. Genau diese Überlegung legt aber nahe, in juristischen Personen und Personengesellschaften wenigstens in einigermaßen regelmäßigen Abständen (nämlich jeweils dann, wenn die Mehrheit der Anteile auf neue Gesellschafter, Teilhaber oder Mitglieder übergeht) eine Anpassung des Mietzinses zuzulassen. Gäbe es nämlich im Sinne der „Machtwechseltheorie“ bei gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen im weiteren Sinne ohne „dominierende“ Gesellschafter, Teilhaber oder Mitglieder (man denke etwa an Vereine oder juristische Personen im „Streubesitz“) niemals eine Anhebungsmöglichkeit, würde dem eben zitierten „tragenden Gedanken“ des § 12a Abs 3 MRG keineswegs Rechnung getragen werden können. Vgl zum gegenständlichen Thema bereits unseren Newsletter vom 7. August 2013 zu 5 Ob 91/12m samt Anmerkungen und vielen weiteren Nachweisen. *** 

§ 16 Abs 2 MRG (und § 2 Abs 1 RichtWG) Zu Abschlägen vom Richtwert bei der Ermittlung des Richtwertmietzinses OGH 27.6.2017, 5 Ob 77/17k

Der OGH (5 Ob 77/17k) hatte sich erneut mit Fragen zur Ermittlung des Richtwertmietzinses im Wege der Berechnung von Zuschlägen zum Richtwert bzw Abschlägen vom Richtwert zu befassen. Dabei hat das Höchstgericht sowohl in einem Abschlag für ein fehlendes mitvermietetes Kellerabteil in der Höhe von 2,5 Prozent als auch in einem Abschlag für eine Gangküche im Ausmaß von 2 Prozent eine vertretbare Beurteilung erblickt. 

Sachverhalt:

Das Erstgericht stellte das gesetzlich zulässige Zinsausmaß für die Wohnung Top 15 im Haus der Vermieter für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Jänner 2009 mit 384,08 EUR Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 82

monatlich, vom 1. Februar 2009 bis 31. Jänner 2012 mit 400,95 EUR monatlich und vom 1. Februar 2012 bis 31. Jänner 2014 mit 413,10 EUR monatlich fest, sprach aus, dass die Vermieter dieses durch die Vorschreibung eines Hauptmietzinses von monatlich netto 580 EUR seit 1. Jänner 2006 in Höhe des jeweiligen Differenzbetrags überschritten hätten und verpflichtete sie zur Rückzahlung von insgesamt 17.504,52 EUR zuzüglich USt sowie gestaffelter Zinsen seit 2. Februar 2006 an den Mieter. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Vermieter nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Den von den Vermietern erhobenen Normenprüfungsantrag in Bezug auf §§ 2, 3, 5 RichtWG und § 16 Abs 7 MRG wies der VfGH zu G 673/2015 mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2016 183 teilweise ab, teilweise zurück. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Die Berechnung der Zuschläge zum Richtwert bzw der Abschläge vom Richtwert erfolgt einzelfallbezogen im Wege einer Gesamtschau

Die Frage, ob und in welcher Höhe Abschläge bzw Zuschläge vom bzw zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. 184 Da es mit der im § 16 Abs 2 MRG geforderten Orientierung an der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens unvereinbar ist, alle (auch die winzigsten) Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge einfach zusammenzuzählen185, sondern vielmehr eine Gesamtschau geboten ist, kann die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten nur ein Kontrollinstrument sein, während die Justierung im Einzelfall nach richterlichem Ermessen zu erfolgen hat. 186 Zum Sachverhalt: Die diesbezügliche Ermessensübung durch das Rekursgericht wäre für den OGH im Interesse der Rechtssicherheit nur dann überprüfbar, wenn es zu einer krassen Verkennung der Rechtslage gekommen wäre.187 Dies ist hier nicht der Fall. b)

Zum Abschlag für ein fehlendes mitvermietetes Kellerabteil

Zum Sachverhalt: Abgesehen davon, dass die Vermieter in ihrem Rekurs keinerlei Einwände gegen den Abschlag von 2,5 Prozent wegen Fehlens eines Kellerabteils erhoben hatten, liegt darin schon deshalb keine unvertretbare Fehlbeurteilung, weil das Kellerabteil nach den Feststellungen der Wohnung zwar zugeordnet, nicht aber mitvermietet war, vom Mieter daher nur gegen jederzeitigen Widerruf genutzt werden konnte. Dass es der Mieter tatsächlich dann in der Folge nutzte, ist schon deshalb irrelevant, weil im Mietzinsüberprüfungsverfahren auf den im Anmietungszeitpunkt zulässigen Hauptmietzins 183 184 185 186 187

Siehe hierzu unseren Newsletter vom 19. November 2016. RIS-Justiz RS0117881 [T1]; RS0116132 [T2]. Vgl zuletzt 5 Ob 43/17k = Newsletter vom 5. Juli 2017. RIS-Justiz RS0117881. Vgl 5 Ob 180/00g. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 83

abzustellen ist, dieser ist auch für die Bewertung von Standardabweichungen als für die Preisbildung relevante Faktoren von Bedeutung.188 Im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses war für den Mieter nicht vorherzusehen, dass er das Kellerabteil faktisch über die gesamte Zeit unbeanstandet nutzen würde können. c)

Zum Abschlag für eine Gangküche

Zum Sachverhalt: Vergleichbares gilt für die Einwände gegen den Abschlag wegen der Gangküche im Ausmaß von 2 Prozent. Die mietrechtliche Normwohnung ist eine Wohnung in einem Althaus189, die nach § 2 Abs 1 RichtWG über eine Küche verfügt. Die Auffassung, dabei handle es sich nicht um eine Küche, die bloß auf den Gang entlüftet werde, ist jedenfalls nicht unvertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. d)

Zur Ermittlung des Lagezuschlags

Zum Sachverhalt: Die vom Rekursgericht zutreffend unter Hinweis auf höchstgerichtliche Rechtsprechung190 dargestellten Kriterien für die Berechnung des Lagezuschlags nach § 16 Abs 3 MRG zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Warum sie nur deshalb hier nicht zur Anwendung gelangen sollten, weil sich das Bestandobjekt in unmittelbarer Nähe des ersten Bezirks befindet, ist nicht nachvollziehbar. Mit dem bloßen Hinweis auf Marktgegebenheiten und gestiegene Kaufpreise wird eine vom OGH wahrzunehmende krasse Fehlbeurteilung des Rekursgerichts nicht aufgezeigt.191 e)

Entscheidung im vorliegenden Fall

Zum Sachverhalt: Der außerordentliche Revisionsrekurs der Vermieter zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb er mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG in Verbindung mit § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen wird (§ 71 Abs 3 AußStrG).  188 189 190

191

Anmerkungen: RIS-Justiz RS0115605 [T1]. RIS-Justiz RS0115605. RIS-Justiz RS0114795. Demnach enthalte § 16 Abs 3 MRG genaue Anweisungen über die Ermittlung des Lagezuschlages. Zunächst sei nach gesetzlicher Anordnung der der Lage des Hauses entsprechende Grundkostenanteil je m² Nutzfläche zu berechnen. Dazu bedürfe es der Feststellung der in dieser Gegend üblichen Grundpreise für unbebaute, aber für Wohnbauten geeigneten Grundstücke (in diesem Sinne sei § 16 Abs 3 MRG berichtigend auszulegen) durch einen Realitätensachverständigen und – allenfalls mit Hilfe eines Bausachverständigen – der Umlegung dieser Preise auf die unter Berücksichtigung der Bauvorschriften erzielbaren Wohnnutzflächen. Von der Differenz zwischen dem auf diese Weise errechneten und dem der Richtwertfestsetzung zugrunde gelegten Grundkostenanteil (§ 3 Abs 2 und Abs 5 RichtWG), der aus dem gemäß § 4 Abs 1 RichtWG mit dem Richtwert kundgemachten Prozentanteil rückgerechnet werden könne, bildeten 0,33 % den Lagezuschlag beziehungsweise Lageabstrich. Beispiel für das Bundesland Wien (den Empfehlungen der MA 25 der Stadt Wien folgend, abrufbar unter https://www.wien.gv.at/wohnen/wohnbautechnik/pdf/richtwert-2017.pdf): Beträgt der durchschnittliche Grundkostenteil für die Liegenschaft, auf der sich die zu beurteilende Wohnung befindet, EUR 700,- je m² erzielbarer Nutzfläche und (zurzeit, dh seit 1. April 2017, siehe unseren Newsletter vom 1. März 2017) der durchschnittliche Grundkostenanteil für Wien EUR 288,10, so ergeben 0,33 Prozent der Differenz von EUR 411,90 gerundet einen maximal zulässigen Lagezuschlag im Ausmaß von EUR 1,36 je m² und Monat. Vgl 5 Ob 180/00g. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 84

Dass die hier gegenständlichen Mängel Abschläge vom Richtwert rechtfertigen, ergibt sich bereits aus der Beiratsempfehlung für Wien192, nach welcher für ein fehlendes mitvermietetes Kellerabteil ein Abschlag im Ausmaß von 2,5 Prozent und für eine Gangküche gar ein Abschlag von 5 Prozent anzusetzen ist. Zu Zuschlägen zum Richtwert und Abschlägen vom Richtwert (und dabei besonders auch zum Lagezuschlag bzw auch zum Lagezuschlagsverbot für sogenannte Gründerzeitviertel) siehe insbesondere unsere Newsletter vom 5. Juli 2017 zu 5 Ob 43/17k (wird im Verfahren die Lage der Wohnung in einem sogenannten Gründerzeitviertel im Sinne des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG festgestellt, kommt ein Lagezuschlag zum Richtwert keinesfalls in Betracht), vom 15. März 2017 zu 5 Ob 71/16a (dem Schriftformgebot des § 16 Abs 4 zweiter Halbsatz MRG kann auch ohne Unterfertigung eines Schriftstücks entsprochen werden, weil nämlich bei bloßen Informationspflichten vieles gegen die Notwendigkeit einer Unterschrift spricht), vom 19. November 2016 zu VfGH G 673/2015 ua (Abweisung der auf Aufhebung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG gerichteten Gesetzesbeschwerde; der Gesetzgeber überschreitet nach Ansicht des VfGH seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er für Gebiete, die noch zu mehr als 50 Prozent aus Häusern bestehen, die aus der Gründerzeit stammen, einen Lagezuschlag ausschließt), vom 22. Juli 2015 zu 5 Ob 42/15k (ein Zuschlag zum Richtwert für die Ausstattung der Wohnung bzw des Gebäudes mit Anlagen und Einrichtungen, die dem typischen Althausbestand nicht entsprechen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Anlage oder Einrichtung vom Mieter sinnvoll mitbenützt werden kann; wenn eine solche Mitbenützungsmöglichkeit im Hinblick auf eine Aufzugsanlage bei einer Mezzaninwohnung ohne Kellerabteil verneint wird, so ist dies zu billigen), vom 8. April 2015 zu 5 Ob 188/14d (von einer Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels kann noch nicht automatisch auf eine überdurchschnittliche Wohnumgebung und daher die Zulässigkeit eines Lagezuschlags geschlossen werden) und vom 16. Juli 2014 zu 5 Ob 224/13x (die Wärmedämmung eines Hauses kann als Kriterium für einen sehr guten Erhaltungszustand des Hauses anerkannt werden; hierbei sind aber für die Ermittlung des Zuschlags nicht die Investitionskosten des Vermieters für Energieeffizienzmaßnahmen zu berücksichtigen, sondern muss auf werterhöhende oder wertmindernde Abweichungen von der Normwohnung, also auf den konkreten Wohnwert für den Mieter, abgestellt werden). *** 

§ 16 Abs 2 bis 4 MRG (und § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG) Zur Berechnung von Zuschlägen zum Richtwert und zum Lagezuschlagsverbot in Gründerzeitvierteln OGH 4.4.2017, 5 Ob 43/17k

Der OGH (5 Ob 43/17k) hatte sich in einem aktuellen Fall mit einigen Aspekten der Ermittlung des Richtwertmietzinses auseinanderzusetzen. Dabei hielt er an seiner Linie fest, dass es mit den gesetzlichen Zu- und Abschlagskriterien unvereinbar sei, alle Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge (und 192

Kundmachung des Bundesministers für Justiz, Zl 7127/86-I 7/94. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 85

Abschläge) einfach zusammenzurechnen. Geboten sei vielmehr eine Gesamtschau, weil der Wert einer Wohnung nur insgesamt erfassbar sei. Wird im Verfahren die Lage der Wohnung in einem sogenannten Gründerzeitviertel im Sinne des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG festgestellt, so kommt ein Lagezuschlag zum Richtwert keinesfalls in Betracht. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Allgemeines zu den Zuschlägen zum Richtwert

§ 16 Abs 2 Satz 2 MRG fordert bei Vornahme der Zuschläge oder Abstriche vom Richter, sich an der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu orientieren. Mit diesen Kriterien ist es unvereinbar, alle Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge (und Abschläge) einfach zusammenzurechnen. Geboten ist vielmehr eine Gesamtschau, weil der Wert einer Wohnung nur insgesamt erfassbar ist. Die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten ist nur ein Kontrollinstrument.193 Die Frage, ob und in welcher Höhe Zuschläge zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und unterliegt deshalb grundsätzlich keiner Nachprüfung durch den OGH.194 b)

Zu den zu- und aberkannten Zuschlägen im vorliegenden Fall

Zum Sachverhalt: Die Vorinstanzen sahen Zuschläge a) von 10 Prozent für im Zuge der Generalsanierung gesetzte Maßnahmen zur Energiekosteneinsparung (Fassadendämmung, Einbau von Isolierglasfenstern, Dämmung der Kellerdecke und der obersten Geschossdecke), b) von 10 Prozent für den überdurchschnittlich guten Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Gebäudes, der fast dem eines Neubaus entspreche, sowie c) von 15,5 Prozent für Aufzug, Fahrrad- und Kinderwagenabstellraum, Wärmeversorgung mit Fernwärme und modern ausgestattete Waschküche als zulässig an, nicht jedoch einen Zuschlag in der Höhe von 5 Prozent für den Zweitbezug. Insgesamt wurden Zuschläge von 46,5 Prozent zu Gunsten des Vermieters berücksichtigt. Eine zu korrigierende Fehlbeurteilung liegt darin nicht. Die von den Vorinstanzen insgesamt für den (Ausstattungs-)Zustand des Gebäudes berücksichtigten Zuschläge von 35,5 % müssen nicht nach oben korrigiert werden. Zum Sachverhalt: Der Revisionsrekurswerber will den höheren Zuschlag für die thermische Sanierung mit der Umsetzung der Richtlinien (RL) 2010/31/EU vom 19. Mai 2010 über die 193 194

RIS-Justiz RS0117881; 5 Ob 42/15k = Newsletter vom 22. Juli 2015. RIS-Justiz RS0116132. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 86

Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und 2012/27/EU vom 25. Oktober 2012 (EED) in nationales Recht insbesondere durch die „Techniknovelle 2012“ betreffend die Wiener Bauordnung rechtfertigen, die seit 1. Jänner 2013 auch private Vermieter gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu setzen. Er beantragt die Vorlage an den Gerichtshof der Union (EuGH) zur Klärung der Frage, ob diese Richtlinien dem österreichischen „Richtwertsystem“ entgegenstehen. Ungeachtet der Formulierung der Fragestellung spricht der Revisionsrekurswerber ausschließlich die Auslegung innerstaatlicher Mietzinsbildungsvorschriften – Ermittlung des Zuschlags für den Erhaltungszustand des Hauses nach dem RichtWG – an, um die der EuGH nicht ersucht werden kann. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH. Zum Sachverhalt: Die im außerordentlichen Revisionsrekurs geforderte zusätzliche Berücksichtigung der Investitionskosten für Energieeffizienzmaßnahmen des Vermieters ist mit dem in § 16 Abs 2 MRG geregelten Zu- und Abschlagssystem bei der Richtwertmietzinsbildung nicht zu vereinen, weil dieses sich nicht an tatsächlichen Investitionskosten des Vermieters orientiert, sondern auf werterhöhende oder wertmindernde Abweichungen von der Normwohnung, also auf den konkreten Wohnwert für den Mieter, abstellt.195 Nichts anderes hat für eine Betriebskostenersparnis als Folge der thermischen Sanierung zu gelten. Ein linearer Wert, der durch einen Vorher-Nachher-Vergleich berechnet wird, bringt nicht zum Ausdruck, inwieweit der Wohnwert gegenüber einer Normwohnung erhöht wird. Die von Karauscheck/G. Strafella196 vorgeschlagene Ermittlung des Zuschlags für den energietechnisch verbesserten Zustand des Gebäudes nach dem Heizwärmebedarf (HWB) nutzt dem Revisionsrekurswerber schon deshalb nichts, weil der gewünschte Wert, der einen Zuschlag von 20,41 % rechtfertigen soll, in erster Instanz weder behauptet noch festgestellt wurde.

c)

Die Unterinstanzen gehen im vorliegenden Fall von einem „Gründerzeitviertel“ im Sinne des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG aus, in welchem kein Lagezuschlag zum Richtwert begehrt werden darf

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2016197 § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG198 (= kein Lagezuschlag in „Gründerzeitvierteln“, das sind Wohnumgebungen mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine mangelhaft ausgestattete Wohnungen aufgewiesen hat) als verfassungskonform beurteilt. Nach Punkt 2.2.1.4 der Entscheidung schließt diese Regelung nicht zwingend und in jedem Fall – ausgehend von einer Normwohnung mit durchschnittlicher Lage (Wohnumgebung) – einen Lagezuschlag aus. Vielmehr ist ein solcher dann zulässig, wenn im Sinne der Rechtsprechung des OGH ein ursprüngliches „Gründerzeitviertel“ in der Umschreibung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG zu einer Wohnumgebung geworden ist, auf die die Beschränkung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG hinsichtlich des Lagezuschlags nicht 195

196 197 198

5 Ob 224/13x = Newsletter vom 16. Juli 2014. In dieser Entscheidung wurde aber immerhin klar zum Ausdruck gebracht, dass das Gebäude auch in einem besseren als bloß „ordnungsgemäßen“ Erhaltungszustand sein kann (vgl die Definition der mietrechtlichen Normwohnung in § 2 Abs 1 RichtWG), und dieser Umstand daher – wie im vorliegenden Fall – Zuschläge zum Richtwert rechtfertigen kann. Der Mietzins², 101 f. G 673/2015 ua = Newsletter vom 19. November 2016 (samt ausführlicher Kritik). In Verbindung mit § 16 Abs 4 MRG. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 87

mehr zutrifft.199 Unter Zugrundelegung der Erläuterungen zum Ausschussbericht zum 3. WÄG200 ist ein Lagezuschlag daher im Gründerzeitviertel nicht ausgeschlossen, wenn sich die Wohnumgebung (§ 2 Abs 3 RichtWG) des fraglichen Hauses zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bereits entsprechend geändert hat.201 Zum Sachverhalt: Das Erstgericht hat – disloziert in der rechtlichen Beurteilung – die Lage des Hauses in einem „Gründerzeitviertel“ festgestellt. Den nach der höchstgerichtlichen Judikatur zulässigen Gegenbeweis der Entwicklung des konkreten Wohnviertels zu einem „Nicht–(mehr)–Gründerzeitviertel“ (wie bei Ersatz von etwa mehr als der Hälfte der Gründerzeitgebäude durch Neubauten) sah es als nicht erbracht an. Diese Frage der Beweiswürdigung kann der OGH auch im Außerstreitverfahren nicht überprüfen. 202 

Anmerkungen:

Die vorliegende Entscheidung scheint zu bestätigen, dass der OGH ganz offenkundig einer einschränkenden Interpretation des Lagezuschlagsverbots für Gründerzeitviertel in § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG nicht nähertritt. Macherorts wurde ja aus dem Vorbringen der Bundesregierung im angesprochenen VfGH-Verfahren zu G 673/2015203 die Zulässigkeit eines Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln argumentiert, sobald dies aufgrund der Markteinschätzung gerechtfertigt sei, was aber (und insofern ist die gegenständliche Stellungnahme der Bundesregierung zu kritisieren) keiner rechtsdogmatischen Herangehensweise entspricht: Eine den Wortlaut verengende Auslegung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG wäre nämlich nach dem Regelungszweck des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG gar nicht nachvollziehbar: Wäre es nämlich wirklich so, dass in einem sogenannten „Gründerzeitviertel“ dann, wenn sich aus einem Grundkostenvergleich ein Lagezuschlag rechnerisch ergäbe, ein solcher Lagezuschlag auch tatsächlich verrechnet dürfe, dann gäbe es zwischen einem Gründerzeitviertel und sonstigen Lagen gar keinen Unterschied (weil ja auch außerhalb eines Gründerzeitviertels ein Lagezuschlag nur dann zulässig ist, wenn er mit einem Grundkostenvergleich gemäß § 16 Abs 3 MRG belegt werden 199 200 201

202 203

5 Ob 188/14d = Newsletter vom 8. April 2015. AB 1268 BlgNR 18. GP, 19. Die zuvor getroffene Aussage, dass § 2 Abs 3 RichtWG damit „nicht zwingend und in jedem Fall“ einen Lagezuschlag (in Gründerzeitvierteln) ausschließt, ist vor dem Hintergrund dieser Erklärung als höchst missverständlich zu erachten: Denn es ist nur allzu logisch, dass § 2 Abs 3 RichtWG nicht (mehr) zur Anwendung gelangt, wenn in der betreffenden Wohnumgebung der gesetzliche Tatbestand eines Gründerzeitviertels gar nicht (mehr) erfüllt ist (der OGH spricht in der vorliegenden Entscheidung später selbst von einem „Nicht-(mehr)-Gründerzeitviertel“) . Dass es hingegen auch in Vierteln (die aufgrund ihres überwiegenden Gebäudebestands immer noch als Gründerzeitviertel zu qualifizieren sind) eine Ausnahme vom „Lagezuschlagsverbot“ gäbe, kann aus der Judikatur gerade nicht gewonnen werden und wäre mit dem Wortlaut des § 2 Abs 3 RichtWG auch keineswegs in Einklang zu bringen. Gerade darin liegt aber die Kritik an § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG, der wirtschaftlich sinnvolle und einem Neubau durchaus gleichzuhaltende Sanierungen bestehender Altbauten völlig unberücksichtigt lässt (siehe hierzu ausführlich unseren Newsletter vom 19. November 2016). RIS-Justiz RS0007236 [T4]. („[…] ermöglicht es die angefochtene Bestimmung […] durchaus, in Fällen, in denen die tatsächliche Markteinschätzung einer bestimmten Wohnlage – ablesbar aus einem Grundkostenvergleich im Sinn des § 16 Abs 3 MRG – markant über der Zuschreibung bloß durchschnittlicher Lage steht, auf Grund der besonderen Verhältnisse der jeweiligen Wohngegend einen Lagezuschlag zuzulassen, obwohl die betreffende Wohnung (eigentlich) in einem Gründerzeitviertel liegt“) Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 88

kann). Damit würde aber der zweite Halbsatz des § 2 Abs 3 RichtWG jeglichen Sinn verlieren, und derart (nämlich dahingehend, dass ihr jegliche Anwendung genommen wird) darf eine gesetzliche Bestimmung keinesfalls ausgelegt werden. Es scheint vielmehr im Rahmen einer rein wörtlichen Auslegung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG dabei zu bleiben, dass das Lagezuschlagsverbot für Gründerzeitviertel nur dann nicht mehr gilt, sobald ein Wohngebiet gar nicht mehr die Definition eines Gründerzeitviertels erfüllt (weil es aufgrund von Abriss- und Neubautätigkeiten eines Tages keinen überwiegenden Gebäudebestand mehr aufweist, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde). *** 

§ 16 Abs 3 und 4 MRG (und § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG) Höhere Grundkosten alleine rechtfertigen noch keinen Lagezuschlag OGH 20.11.2017, 5 Ob 74/17v

Der OGH (5 Ob 74/17v) hat sich in einer durchaus aufsehenerregenden Entscheidung zum Lagezuschlag im Rahmen der Ermittlung des Richtwertmietzinses geäußert: Die für die Berücksichtigung eines Lagezuschlags geforderte „Überdurchschnittlichkeit“ einer Lage (Wohnumgebung) könne nicht schon allein aus einem gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung höheren Grundkostenanteil abgeleitet werden (weshalb etwa die Lagezuschlagskarte der MA 25 für Wien, die lediglich Grundkostenniveaus abbildet, keine valide Grundlage für die Verrechnung eines Lagezuschlags darstellt). Es bedürfe vielmehr einer Prüfung, ob im konkreten Einzelfall die Lage (Wohnumgebung) der maßgeblichen Liegenschaft nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens besser als die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) ist. Im Bundesland Wien sei als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht das gesamte Stadtgebiet und auch nicht der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern es sei auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellen. Dies erschwert Lagezuschläge in schon typischerweise in einer guten Infrastruktur eingebetteten zentralen Lagen erheblich. Entnehmen Sie diesem Newsletter auch eine erste inhaltliche Kritik an den durchaus fragwürdigen und eine Nivellierung der Richtwertmietzinse auf niedrigem Niveau heraufbeschwörenden Erwägungen des Höchstgerichts. 

Rechtlicher Hintergrund:

a)

Allgemeines zu den Zuschlägen zum und Abstrichen vom Richtwert

Für die Berechnung des Richtwertmietzinses nach § 16 Abs 2 MRG sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 89

b)

Zum Lagezuschlag (bzw -abstrich)

Einer der in § 16 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG taxativ aufgezählten Umstände 204, die zu Zuschlägen oder Abstrichen vom Richtwert führen können, ist die Lage (Wohnumgebung) des Hauses (Z 3). Ein Lagezuschlag ist gemäß § 16 Abs 4 MRG (nur) dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage. In diesem Zusammenhang verweist § 16 Abs 4 MRG auf § 2 Abs 3 RichtWG, wonach die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen ist, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist (= Lagezuschlagsverbot für Gründerzeitviertel205). Zudem müssen gemäß § 16 Abs 4 MRG die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden sein. 206 

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Mieterin, die Antragsgegner sind Vermieter einer Wohnung im Hause 1050 Wien, *****. Die Antragstellerin begehrte die Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses. Gegenstand des Verfahrens vor dem von der Antragstellerin nach der Entscheidung der Schlichtungsstelle angerufenen Gerichts (§ 40 Abs 1 MRG) war nur mehr die Frage, ob bei der Ermittlung des höchstzulässigen Richtwertmietzinses ein (der Höhe nach unstrittiger) Lagezuschlag nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG zu berücksichtigen ist. In Bezug auf die – in den Rechtsmittelverfahren einzig strittige – Frage der Berechtigung eines Lagezuschlags führte das Erstgericht aus, dass die Liegenschaft sich außerhalb eines Gründerzeitviertels befinde und die im Mietvertrag angegebene „günstige Verkehrslage und gute Infrastruktur“ nach der ständigen Rechtsprechung ausreiche, um die formellen Erfordernisse für die Berücksichtigung des Lagezuschlags zu erfüllen. Es sei auch jedenfalls von einer überdurchschnittlichen Lage auszugehen: Sowohl öffentliche Verkehrsmittel, nämlich Bus und U-Bahn, seien in weniger als 5 Minuten Gehweg erreichbar als auch sämtliche Geschäfte zur Deckung des täglichen Gebrauchs. Diese Lage müsse nicht mit den anderen Gegenden und Bezirken innerhalb des Gürtels verglichen werden, sondern mit sämtlichen anderen Lagen Wiens. Die durchschnittliche Lage einer Wiener Wohnung könne 204 205

206

5 Ob 164/09t. Siehe zu diesem zuletzt unsere Newsletter vom 9. August 2017 zu 5 Ob 102/17m und vom 21. November 2016 zu VfGH G 673/2015 ua. Dabei genügt es, wenn die entsprechenden, den Wohnwert eines Hauses beeinflussenden Kriterien schlagwortartig angeführt werden (RIS-Justiz RS0111201 [T2], RS0111820 [T3]). So reichen beispielsweise Hinweise auf die gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, gute Infrastruktur und/oder Grünruhelage aus (5 Ob 18/17h mit weiteren Nachweisen). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 90

sohin nur in der Gesamtschau aller Wiener Bezirke ermittelt werden. Da die durchschnittliche Wiener Wohnung keine derart optimale Verkehrsanbindung an U-Bahn und Bus habe und sich die Geschäfte, wie beispielsweise Lebensmittelgeschäft, Kleidungsgeschäft, Frisör, Apotheke, in nicht fünfminütiger Entfernung befänden, sei die Lage in der *****gasse als überdurchschnittlich zu bezeichnen. Der Lagezuschlag betrage pro Quadratmeter 0,94 EUR.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge. Den Antragsgegnern sei zwar der ihnen offenstehende Gegenbeweis gelungen, dass die Wohnung entgegen dem für Wien von der Verwaltungsbehörde erstellten Verzeichnis sämtlicher als „Gründerzeitviertel“ anzusehender Gebiete doch nicht in einem Gründerzeitviertel liege. Aus diesem Umstand könnten die Antragsgegner aber nichts gewinnen. Auch außerhalb eines Gründerzeitviertels seien durchschnittliche oder unterdurchschnittlichen Lagen denkbar und in der Praxis anzutreffen. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, Vergleichsmaßstab für eine mögliche überdurchschnittliche Lage sei das gesamte Wiener Stadtgebiet, teile das Rekursgericht nicht. Die Lage der hier zu beurteilenden Wohnung sei nicht besser als eine durchschnittliche Lage. Laut Mietvertrag sei bei der Lage des Hauses auf die verkehrsgünstige Lage („U-Bahn“) hingewiesen und auf „gute Einkaufsmöglichkeiten“. Von einer verkehrsgünstigen Lage an der U-Bahn könne aber nicht gesprochen werden, wenn sich lediglich die (nach oben offene) UBahn-Trasse in unmittelbarer Nähe der Wohnung befinde, nicht jedoch die nächste U-BahnStation. Eine 350 m entfernte U-Bahn-Station sei keine verkehrsgünstige U-Bahn-Anbindung. Vergleichsmaßstab sei dabei nach Ansicht des Rekursgerichts nicht das gesamte Stadtgebiet Wiens, sondern maximal der Bezirk, in dem sich die Wohnung befinde. Die Anbindung an Autobuslinien sei im 5. Bezirk durchaus üblich, auch insofern liege keine überdurchschnittliche Lage vor. Die vom Erstgericht festgestellten Entfernungen zu den diversen Einkaufsmöglichkeiten zeige ebenfalls, dass hier von einer durchschnittlichen, im 5. Bezirk normalen Situation auszugehen sei. Der Lagezuschlag sei daher zu Unrecht verrechnet worden.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil die über den Einzelfall hinaus bedeutsame Frage, welches „Gebiet“ Vergleichsmaßstab für eine überdurchschnittliche Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels sei, noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin abgewiesen, in eventu der Sachbeschluss erster Instanz wiederhergestellt werde. Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.



Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur Berechnung des Lagezuschlags (bzw Lageabstrichs) gemäß § 16 Abs 3 MRG

Die Berechnungsmethode für die Höhe eines Lagezuschlags oder Lageabschlags regelt § 16 Abs 3 MRG. Diese Bestimmung enthält genaue Anweisungen über die Ermittlung der Lagezuschläge und Lageabschläge, weshalb ein solcher nicht unter Anwendung des § 273 ZPO nach Ermessen des Gerichts festgesetzt werden darf. Zu deren Ermittlung ist nach gesetzlicher Anordnung zunächst der der Lage des Hauses entsprechende Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 91

Grundkostenanteil je m² Nutzfläche zu berechnen. Dazu bedarf es der Feststellung der in dieser Gegend üblichen Grundpreise für unbebaute, aber für Wohnbauten geeignete Grundstücke (in diesem Sinne ist § 16 Abs 3 MRG berichtigend auszulegen) und der Umlegung dieser Preise auf die unter Berücksichtigung der Bauvorschriften erzielbaren Wohnnutzflächen. Von der Differenz zwischen dem auf diese Weise errechneten und dem der Richtwertfestsetzung zugrunde gelegten Grundkostenanteil bilden 0,33 % den Lagezuschlag bzw Lageabstrich.207 Ein Lagezuschlag kann sich demnach nur in dem Fall ergeben, dass das lagetypische Grundpreisniveau höher liegt als jenes, das dem jeweiligen Richtwert zugrunde liegt. b)

Die einen Lagezuschlag überhaupt erst rechtfertigende überdurchschnittliche Wohnumgebung kann sich nicht schon aus einem bloßen Grundkostenvergleich ergeben, vielmehr sind Feststellungen nach Maßgabe der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu treffen

Nach Dirnbacher/Heindl/Rustler 208 handelt es sich (schon dann) um eine überdurchschnittliche Lage im Sinne des § 16 Abs 4 MRG, wenn der Grundkostenanteil der zu vermietenden Wohnung über jenem liegt, der bei der Ermittlung des Richtwerts herangezogen wurde. Diese Auffassung vertreten auch Karauscheck/G. Strafella209. Offenbar in diesem Sinne meinen auch Würth210 und Würth/Zingher/Kovanyi211, dass die „durchschnittliche Lage“ des § 2 Abs 3 RichtWG nur eine Fiktion ohne eigenen Inhalt sei, die die in § 16 Abs 3 MRG vorgesehene Verhältnisrechnung für Zu- und Abschläge rechtfertigen solle.

Von diesem Verständnis ausgehend wird in der mietrechtlichen Praxis die „Überdurchschnittlichkeit“ einer Lage (Wohnumgebung) häufig ohne weitere Prüfung ihrer Qualität schon allein aus einem gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung höheren Grundkostenanteil der konkret zu bewertenden Lage abgeleitet.212 Im jüngeren Schrifttum wird diese Praxis als nicht gesetzeskonform kritisiert. Nach Schinnagl213 stelle die von der Abteilung Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser (MA 25) für Wien erstellte Lagezuschlagskarte die Gründerzeitviertel, die von ihr ermittelten Grundkostenanteile für die von ihr ermittelten Lagen und die aus den Grundkostenanteilen nach § 16 Abs 3 MRG ermittelten Lagezuschläge fest, sie gebe jedoch keine Antwort auf die Frage, ob im konkreten Einzelfall die Liegenschaft, auf der sich eine Wohnung befinde, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens besser als die durchschnittliche Lage sei. Die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens 207 208 209 210 211 212

213

RIS-Justiz RS0114795. Der Richtwertmietzins [1994] 55 f, 95 f. Der Mietzins² 72.

In Rummel ABGB³ § 16 MRG Rz 14c. Miet- und Wohnrecht23 RichtWG § 2 Rz 3. Schinnagl, Die Lage als wertbestimmender Faktor bei der Ermittlung des zulässigen Richtwertmietzinses, Wohnen & Recht 2015, 23 [28]; Rosifka, Das Kriterium der Lage im System des Richtwertmietzinses, VbR 2017/33 [55]. Wohnen & Recht 2015, 23 [28f]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 92

konkreter wertbestimmender Faktoren der Wohnumgebung, die die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage rechtfertigen, treffe den Vermieter. Erst wenn zweifelsfrei feststehe, dass es sich bei der Lage (Wohnumgebung), in der sich die Wohnung befinde, um eine bessere als die durchschnittliche und somit um eine überdurchschnittliche Lage handle, sei in einem weiteren Schritt die Höhe des Lagezuschlags zu ermitteln.214 Auch Rosifka215 hält die mietrechtliche Praxis, die Qualifikation einer Lage als „überdurchschnittlich“ mit einem gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung höheren Grundkostenanteil der konkreten bewertungsgegenständlichen Lage zu begründen, für falsch. Für die Beurteilung der Frage, ob bei einer konkreten Wohnung tatsächlich eine qualitativ höher- oder minderwertige Lage gegenüber der Normwohnung vorliege, sage die auf einem Vergleich der Grundkostenanteile beruhende Regelung des § 16 Abs 3 MRG zur Berechnung der Obergrenze eines Lagezuschlags nichts aus. Aus einer sich – nur für den Fall der Zulässigkeit eines Zuschlags oder Abstrichs – rein rechnerisch ergebenden Obergrenze für einen Lagezuschlag oder -abstrich könne nicht schon die Zulässigkeit eines solchen an sich abgeleitet werden.

Zur Definition, was unter einer durchschnittlichen Lage (Wohnumgebung) zu verstehen ist, verweist § 16 Abs 4 MRG auf § 2 Abs 3 RichtWG: Gemäß § 2 Abs 3 RichtWG ist die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen. Auch der OGH hat bereits wiederholt betont, dass die „durchschnittliche Lage“ kraft dieser ausdrücklichen Anordnung des § 2 Abs 3 RichtWG nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen ist. 216 Dies gilt folgerichtig auch für die nach § 16 Abs 4 MRG erforderliche Beurteilung, ob die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die „besser“ ist als diese durchschnittliche Lage.

Wie Rosifka217 zutreffend hervorhebt, hat der Gesetzgeber die Überdurchschnittlichkeit der Lage (Wohnumgebung) also gerade nicht an die für die Berechnung eines allfälligen Lagezuschlags maßgebliche Differenz der Grundkostenanteile geknüpft. Rosifka ist auch darin zuzustimmen, dass sich die Relevanz auch anderer Beurteilungskriterien als den Grundkostenanteilen in gleicher Weise auch aus den in § 16 Abs 4 MRG normierten formalen Erfordernissen für die Verrechnung eines Lagezuschlags ergibt. Auf einen Zuschlag für die besondere Lage des Bestandobjekts ist bei der Ermittlung des zulässigen Hauptmietzinses nur Bedacht zu nehmen, wenn der Vermieter behauptet und nachweist, dem Mieter die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände fristgerecht in Schriftform bekannt gegeben zu haben.218 Die bekanntzugebenden für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände erschöpfen sich offensichtlich nicht in den für dessen Berechnung nach § 16 Abs 3 MRG maßgeblichen Grundkostenanteilen, sondern sind (auch) andere die Qualität der Lage bestimmende Faktoren. 214

215 216

217 218

Vgl auch Schinnagl/Gröschl, Der Lagezuschlag im Mittelpunkt der mietrechtlichen Diskussionen, Jahrbuch Wohnrecht 2017, 157 [163 f]; anders Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht Kurzkommentar² § 16 MRG Rz 24. VbR 2017/33 [55]. 5 Ob 199/98w; 5 Ob 188/14d = Newsletter vom 8. April 2015; 5 Ob 102/17m = Newsletter vom 9. August 2017; RIS-Justiz RS0111204. AaO. RIS-Justiz RS0111820. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 93

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die in § 16 Abs 4 MRG für die Berücksichtigung eines Lagezuschlags geforderte „Überdurchschnittlichkeit“ einer Lage (Wohnumgebung) nicht schon allein aus einem gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung höheren Grundkostenanteil der konkret zu bewertenden Lage abgeleitet werden kann. Es bedarf vielmehr einer Prüfung, ob im konkreten Einzelfall die Lage (Wohnumgebung) der Liegenschaft, auf der sich eine Wohnung befindet, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens besser als die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) ist. Diese Beurteilung „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens“ wird von verschiedenen Faktoren, wie etwa die im vorliegenden Fall geprüften Standorteigenschaften, nämlich Erschließung der Wohnumgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Nahversorgungsmöglichkeiten, beeinflusst sein.219 Dabei hat der Vermieter den Nachweis zu erbringen, dass es konkrete Anhaltspunkte (Wohnumgebungsfaktoren) gibt, die die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage erlauben.220

c)

Als Referenzgebiet für die Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit einer Lage sind weder das gesamte Stadtgebiet noch der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern jene Teile des Stadtgebiets, die aufgrund ihrer Bebauungsmerkmale ein einheitliches Wohngebiet darstellen

Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). Es stellt sich die Frage, welches Gebiet dieser vergleichenden Beurteilung zugrunde zu legen ist, zumal es aus verschiedenen Blickwinkeln zu unterschiedlichen Bewertungen der Lagequalität ein- und derselben Wohnumgebung kommen kann. Auch Schinnagl/Gröschl221 und Rosifka222 werfen aus diesem Grund die Frage auf, ob die nach der Verkehrsauffassung und den Erfahrungen des allgemeinen Lebens zu ermittelnde Durchschnittslage gemeinde-, bezirks- oder sogar landesbezogen zu ermitteln sei; sie beantworten diese aber nicht.

Nach Auffassung des erkennenden Senats bestimmt sich (auch) der geographische Bereich, der die zur Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit miteinander zu vergleichenden Lagen (Wohnumgebungen) umfasst, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Entscheidend ist, welcher Bereich nach der Beurteilung des Wohnungsmarkts ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellt. Dieses Abgrenzungskriterium muss nicht mit politischen Grenzziehungen übereinstimmen und lässt daher, wie es unbestimmten Gesetzesbegriffen immanent ist 223, einen gewissen 219 220 221 222 223

Vgl Schinnagl, Wohnen & Recht 2015, 23 [27]; Rosifka, VbR 2017/33 [55f]. 5 Ob 188/14d = Newsletter vom 8. April 2015. Jahrbuch Wohnrecht 2017, 157 [161]. VbR 2017/33 [56 f]. Vgl 5 Ob 5/00x. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 94

Spielraum bei der Ermittlung der konkreten Lösung. Die Frage, ob Zuschläge zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt daher – wie im Allgemeinen224 – auch in dieser Hinsicht grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist in Wien als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses – entgegen der Auffassung des Rekursgerichts – nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern es ist auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellen. Zum Sachverhalt: Im vorliegenden Fall des im 5. Bezirk gelegenen Hauses sind das die innerstädtischen Gebiete mit der dafür typischen geschlossenen und mehrgeschossigen Verbauung. Im Vergleich zu diesen relevanten Lagen Wiens rechtfertigen die im vorliegenden Fall festgestellte Erschließung der Wohnumgebung des Hauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die dort bestehenden Möglichkeiten der Nahversorgung die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage im Sinne des § 16 Abs 4 MRG nicht. d)

Entscheidung des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Im Ergebnis bedarf die Beurteilung des Rekursgerichts keiner Korrektur. Der – zulässige – Revisionsrekurs der Antragsgegner erweist sich somit als nicht berechtigt. 

Anmerkungen:

Die Erwägungen des OGH in der gegenständlichen – wohnpolitisch äußerst bedeutsamen – Entscheidung sind meines Erachtens keinesfalls haltbar: Zum einen geht der OGH davon aus, dass es sich bei der Ermittlung des Grundkostenanteils einer Liegenschaft einerseits und der qualitativen Einschätzung einer Wohnumgebung nach Maßgabe der allgemeinen Verkehrsauffassung bzw Erfahrung des täglichen Lebens andererseits um völlig Unterschiedliches handelt, weshalb etwa aus der Lagezuschlagskarte der MA 25 für Wien, die die unterschiedlichen Grundkostenniveaus im städtischen Raum darstellt, auch noch keine Aussage über die Zulässigkeit eines Lagezuschlags gewonnen werden kann. Grundkosten und Verkehrsauffassung voneinander abzukoppeln ist aber doch etwas geagt: Es ist doch gerade die allgemeine Verkehrsauffassung, die die Höhe der Grundkosten bestimmt – was denn sonst? Der in § 16 Abs 3 MRG gesetzlich klar normierten Methode für die Ermittlung der Höhe des Lagezuschlags (bzw -abstrichs) die Tauglichkeit abzusprechen, über eine allfällige Über- (oder Unter-)durchschnittlichkeit einer Wohnumgebung dem Grunde nach eine zweifelsfreie Aussage zu treffen, ist daher mehr als fragwürdig. Es bedarf wohl doch schon einiger Deutungskunst, einer Wohnumgebung mit einem höheren als dem (gemäß § 2 Abs 2 Z 1 der jeweiligen Richtwertverordnung bzw den Kundmachungen des Bundesministers für Justiz über die Änderung der Richtwerte aus dem

224

RIS-Justiz RS0117881 [T1]; RS0116132 [T2]; 5 Ob 102/17m = Newsletter vom 9. August 2017 [Gründerzeitviertel]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 95

jeweiligen Richtwert abzuleitenden 225) durchschnittlichen Grundkostenanteil die Qualifikation einer besseren als durchschnittlichen Lage im Sinne des § 16 Abs 4 MRG im Verbindung mit § 2 Abs 3 RichtWG zu versagen. Zum anderen soll in Wien als Referenzgebiet für die Beurteilung der Lagequalität nicht das gesamte Stadtgebiet und auch nicht der jeweilige Gemeindebezirk, sondern die durch eine einigermaßen homogene Bebauungscharakteristik geprägte (innerstädtische oder periphere) Wohnumgebung im Sinne eines "einheitlichen Wohngebiets" herangezogen werden. Dies führt aber – vor dem Hintergrund eines ungeachtet dessen für das gesamte Stadtgebiet einheitlichen Richtwerts226 und eines aus diesem ableitbaren stadtweit einheitlichen durchschnittlichen Grundkostenanteils 227 – zu völlig absurden Ergebnissen: Eine insgesamt mäßige, in ihrem bebauungsspezifischen Umfeld aber überdurchschnittliche Wohnumgebung in einem (peripheren) Bezirk mit entsprechend niedrigerem Wohnwert würde nach dieser "Logik" aufgrund eines diesfalls allenfalls zulässigen Lagezuschlags 228 einen höheren Mietzins rechtfertigen als eine insgesamt viel bessere, in ihrem bebauungsspezifischen Umfeld aber nicht herausragende Wohnumgebung in einem (zentralen) Bezirk mit ungleich höherem Wohnwert. Nach der vom Höchstgericht angestellten Betrachtungsweise ist es ja in einer schlechteren Wohnumgebung leichter, aufgrund einer bloß relativen (statt richtigerweise: absoluten) Überdurchschnittlichkeit zu einem Lagezuschlag zu gelangen als in einem besseren Stadtviertel mit einer insgesamt höheren Wohnqualität.

Damit wird – wie der Anlassfall aufzeigt – in qualitativ höherwertigen Wohnumgebungen die Möglichkeit für die Verrechnung eines Lagezuschlags weitgehend ausgeschlossen und in Folge dessen der höchstzulässige Mietzins in innerstädtischer Lage tendenziell sogar niedriger als in weniger nachgefragten peripheren Gebieten („Preisinversion“). Außerhalb des Stadtzentrums wird ja beispielsweise die Nähe zu Stationen öffentlicher Verkehrsmittel oder Geschäften bereits – gemessen an der Typizität des betreffenden Wohngebiets – überdurchschnittlich sein und einen Lagezuschlag rechtfertigen, während eine solche Nähe für die typischerweise in einer weitaus besseren städtischen Infrastruktur eingebetteten zentraleren Lage kein hervorstechendes Merkmal ist und daher auch nicht als Grundlage für einen Lagezuschlag herangezogen werden kann. Anzumerken ist freilich, dass aufgrund der außerhalb der zentralen Lagen regelmäßig niedrigeren Grundkostenteile ein Lagezuschlag in peripheren Lagen – so sich ein solcher aufgrund eines Grundkostenvergleichs nach § 16 Abs 3 MRG rechnerisch überhaupt ergibt – 225

226 227

228

Formel: Richtwert*(Zahl des verlautbarten Prozentsatzes für den Grundkostenanteil/100)*12*(100/4), gekürzt also: Richtwert*Zahl des verlautbarten Prozentsatzes für den Grundkostenanteil*3. Die verlautbarten Prozentsätze für die Grundkostenanteile der Bundesländer betragen: Burgenland: 3,19, Kärnten: 6,06, Niederösterreich: 8.04, Oberösterreich: 7,5, Salzburg: 11,48, Steiermark: 7,99, Tirol: 9,08, Vorarlberg: 11,35, Wien: 17,21. Zurzeit in Wien EUR 5,58 je Quadratmeter Nutzfläche und Monat. Zurzeit in Wien EUR 288,10 je Quadratmeter Nutzfläche (gemäß der oben dargestellten Formel nämlich 5,58*17,21*3). Vorausgesetzt, ein solcher kann im Wege eines Grundkostenvergleichs im Sinne des § 16 Abs 3 MRG überhaupt rechnerisch dargestellt werden, dh der Grundkostenanteil der betreffenden Liegenschaft muss den durchschnittlichen Grundkostenanteil in der Höhe von zurzeit EUR 288,10 je Quadratmeter Nutzfläche übersteigen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 96

für gewöhnlich (bisweilen deutlich) niedriger ausfallen wird als im Stadtzentrum, weshalb in einer Gesamtbetrachtung der Entfall von Lagezuschlagsmöglichkeiten in zentralen Lagen weitaus schwerer wiegt als die in den relativ überdurchschnittlichen Wohngegenden der Peripherie verbleibende Möglichkeit der Verrechnung eines Lagezuschlags. Die kurz- bis mittelfristige Folge der Preisinversion ist aber ohnehin eine generelle Nivellierung der Richtwertmietzinse auf niedrigem Niveau.229

Die gegenständliche Entscheidung folgt der politischen Zielsetzung leistbaren Wohnens in innerstädtischer Lage, rechtsdogmatisch begründbar ist sie aber keineswegs: Ein landesweit einheitlicher Richtwert und ein landesweit einheitlicher Grundkostenanteil sind mit einer Beurteilung der Lagequalität, die nicht auf das gesamte Landesgebiet, sondern lediglich auf die jeweilige Wohngegend abstellt, schlicht unvereinbar. Vor dem Hintergrund eines für das gesamte Bundesland einheitlichen Richtwerts und eines ebenso landesweit einheitlichen durchschnittlichen Grundkostenanteils kann also im Sinne der bisher herrschenden Lehre eine sachgerechte Beurteilung der Lagequalität nur in einer auf das gesamte Bundesland bezogenen (absoluten) Betrachtung – und zwar im Wege eines Grundkostenvergleichs gemäß § 16 Abs 3 MRG230 – angestellt werden. Genau diese – meines Erachtens allein richtige – Herangehensweise, die im vorliegenden Fall vom Bezirksgericht gewählt wurde (nach welchen die durchschnittliche Lage einer Wiener Wohnung nur in der „Gesamtschau aller Wiener Bezirke“ ermittelt werden könne) wird aber vom OGH in der gegenständlichen Entscheidung explizit abgelehnt.

Wird demgegenüber im Sinne der vorliegenden Entscheidung das Referenzgebiet für die Ermittlung der (Über-)Durchschnittlichkeit einer Wohnumgebung auf das konkrete, durch eine einheitliche Bebauung geprägte Wohngebiet, in dem sich die zu beurteilende Wohnung befindet, beschränkt (und damit die Betrachtung – den „Blick aufs Ganze“ einbüßend – relativiert), so hat dies zunächst Marktverzerrungen in Gestalt eines inversen Preisgefüges und allmählich eine Nivellierung der Richtwertmietzinse auf niedrigem Niveau zur Folge. Die Auswirkungen auf die Höhe des zulässigen Richtwertmietzinses in den zentrumsnahen Lagen sind dramatisch. *** 

§ 16 Abs 4 MRG (und § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG) Zur räumlichen Abgrenzung der „Gründerzeitviertel“ als nicht revisible Tatfrage OGH 27.6.2017, 5 Ob 102/17m

Der OGH (5 Ob 102/17m) hat bezüglich des in § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG normierten Lagezuschlagsverbots für sogenannte Gründerzeitviertel festgehalten, dass die räumliche Abgrenzung der jeweiligen Lage (Wohnumgebung) nach entsprechendem Beweisverfahren einer Tatsachenfeststellung der Unterinstanzen unterliegt, die (als nicht

229

230

Die dargestellte Preisinversion hat nämlich den Effekt, dass die im innerstädtischen Bereich durch Ausschluss eines Lagezuschlags erheblich reduzierten Mietzinse auch das Preisniveau außerhalb der Ballungszentren negativ beeinflussen, weil die in den dort relativ besseren Lagen aufgrund eines Lagezuschlags allenfalls höheren zulässigen Mietzinse am Markt nicht durchgesetzt werden können. Für welchen in Wien hilfsweise die Lagezuschlagskarte der MA 25 herangezogen werden kann. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 97

revisible Tatfrage) einer rechtlichen Beurteilung durch den OGH (als Rechtsinstanz) grundsätzlich nicht zugänglich ist. 

Rechtlicher Hintergrund:

Gemäß § 16 Abs 4 MRG ist bei der Vereinbarung eines Richtwertmietzinses ein Lagezuschlag zum Richtwert nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs 3 RichtWG), und wenn die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden sind. Nach § 2 Abs 3 RichtWG ist die durchschnittliche Lage nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen 231, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist (= Unzulässigkeit eines Lagezuschlags in sogenannten „Gründerzeitvierteln“). 

Sachverhalt:

Das Erstgericht stellte mit seinem Sachbeschluss den für einzelne Perioden jeweils zulässigen Hauptmietzins fest, erklärte die Hauptmietzinsvereinbarung vom 31. Jänner 2011, soweit sie den zulässigen Mietzins übersteigt, sowie die aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung erfolgten Mietzinsanhebungen im jeweils konkret angeführten Umfang für unwirksam und verpflichtete die Antragsgegner zur Rückzahlung der von der Antragstellerin zu viel geleisteten Beträge. Das Bestandobjekt befinde sich in einem Gründerzeitviertel, weshalb die Lage zwingend als „höchstens durchschnittlich“ zu beurteilen sei. Den Gegenbeweis, dass mehr als die Hälfte der Gebäude nicht mehr aus dem Errichtungszeitraum 1870 bis 1917 stammten, etwa weil zahlreiche ursprünglich vorhandene Gebäude aus der Gründerzeit abgerissen und durch Neubauten ersetzt worden wären, hätten die Antragsgegner nicht erbracht. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den Revisionsrekurs über Zulassungsvorstellung der Antragsgegnerinnen gemäß § 63 AußStrG zu, weil „in § 2 Abs 3 RichtWG die Ausdehnung jener 'Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat' nicht näher definiert ist, sodass der Festlegung des 'Evaluierungsraumes' bzw des 'Wohnviertels', hinsichtlich dessen geprüft wird, ob die Voraussetzungen eines sogenannten 'Gründerzeitviertels' im Sinne des § 2 Abs 3 RichtWG vorliegen bzw allenfalls aufgrund baulicher Veränderungen nicht mehr vorliegen, entscheidende Bedeutung für die Frage zukommt, ob ein Lagezuschlag verrechnet werden darf“, und der OGH zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen habe. 231

RIS-Justiz RS0111204. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 98



Rechtliche Beurteilung des OGH:

Zum Sachverhalt: Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den OGH nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG): Die Frage, ob und in welcher Höhe Zuschläge zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt ganz allgemein von den Umständen des Einzelfalls ab und unterliegt deshalb grundsätzlich keiner Nachprüfung durch den OGH. 232 Der OGH hat in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen, dass durch die auf die sogenannten Gründerzeitviertel hinweisende Bestimmung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz für Wiener Verhältnisse lediglich klargestellt werde, dass eine derartige Lage als durchschnittlich und daher als Merkmal einer Normwohnung zu qualifizieren sei. 233 Zum Sachverhalt: Die Revisionsrekurswerberinnen meinen, ein Lagezuschlag sei der vertraglichen Mietzinsregelung zulässig zugrunde gelegt worden, weil die Wohnumgebung, in die der Mietgegenstand eingebunden sei, nicht mehr in einem historischen Gründerzeitviertel liege. Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass sich die Liegenschaft in einem „Gründerzeitviertel“ befindet, also in einer Wohnumgebung mit einem überwiegend dementsprechenden Gebäudebestand liegt. Den nach der höchstgerichtlichen Judikatur234 zulässigen Gegenbeweis der Entwicklung des konkreten Wohnviertels zu einem „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ (wie bei Ersatz einer solchen Anzahl von Gründerzeitgebäude durch Neubauten, dass diese nicht mehr überwiegen) sah es als nicht erbracht an. Das Rekursgericht erachtete die von den Antragstellerinnen dagegen erhobenen Beweisrüge als nicht berechtigt. Diese Frage der Beweiswürdigung kann damit vor dem OGH nicht neuerlich aufgerollt werden.235 Steht für den OGH bindend236 fest, dass das Bestandobjekt in einer Wohnumgebung mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine mangelhaft ausgestattete Wohnungen aufgewiesen hat, kommt der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Frage nach der konkreten räumlichen Ausdehnung der Wohnumgebung („Evaluierungsraum“) keine rechtliche Bedeutung zu. Die Beantwortung bloß theoretischer Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des OGH.237 Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2016238 § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG (in Verbindung mit § 16 Abs 4 MRG: kein Lagezuschlag in „Gründerzeitvierteln“) als verfassungskonform beurteilt. 232 233 234 235 236

237 238

RIS-Justiz RS0116132. 5 Ob 188/14d = Newsletter vom 8. April 2015 mit weiteren Nachweisen. Vgl 5 Ob 43/17k = Newsletter vom 5. Juli 2017. RIS-Justiz RS0007236 [T4; T7]. Vgl RIS-Justiz RS0007070 [T1], wonach der OGH an die Tatsachenfeststellung der Untergerichte gebunden ist. RIS-Justiz RS0111271. G 673/2015 ua; siehe hierzu mit ausführlicher Kritik unseren Newsletter vom 19. November 2016. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 99

Zum Sachverhalt: Damit erübrigt es sich, auf die von den Revisisonswerberinnen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zu § 2 Abs 3 RichtWG näher einzugehen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG). 

Anmerkungen:

Der OGH qualifiziert somit nicht nur die Feststellung darüber, ob hinsichtlich des Errichtungsdatums der in Betracht kommenden Gebäude die Qualifikation eines „Gründerzeitviertels“ erfüllt ist, sondern auch die Feststellung über die räumliche Ausdehnung bzw Abgrenzung einer Lage (Wohnumgebung) als Tatfrage, die nicht revisibel ist, dh vom OGH (dem als Rechtsinstanz lediglich die Lösung von Rechtsfragen erheblicher Bedeutung obliegt), grundsätzlich nicht überprüft werden kann. Betrachtet man die knappe Begründung des OGH und die Überlegungen des Rekursgerichts, so wird man indes den Verdacht nicht los, dass die beiden Instanzen sprichwörtlich „aneinander vorbeigeredet haben“. Die Aussage der OGH ist zunächst schlüssig: Steht bindend fest, dass ein bestimmter Mietgegenstand in einem sogenannten Gründerzeitviertel liegt, dann kann es im Grunde wirklich egal sein, wie groß dieses ist, denn wie weit andere Mietgegenstände (in umliegenden Gebäuden) vom „Lagezuschlagsverbot“ des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG betroffen sind, ist für die Beurteilung des Anlassfalls gleichgültig und daher tatsächlich nur von theoretischem Interesse. Wie aber kommt man – im Einklang mit dem Rekursgericht gleichsam in die Gegenrichtung betrachtet – überhaupt zu einer den OGH bindenden Feststellung, ob ein Mietgegenstand in einem Gründerzeitviertel liegt? Für die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands muss es sich in dem betreffenden Gebiet ja um einen „überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat“ handeln, und für dieses Überwiegen ist es natürlich sehr wohl maßgeblich (und nicht bloß theoretischer Natur), wie die Grenzen der jeweiligen Lage (Wohnumgebung) konkret verlaufen. Nehmen wir aber zur Kenntnis, dass der OGH eben auch diese Grenzziehung als Ergebnis eines Beweisverfahrens im Faktischen und nicht als Ausfluss einer rechtlichen Beurteilung betrachtet, weshalb sie auf höchstgerichtlicher Ebene – von einer groben Fehlbeurteilung der Unterinstanzen abgesehen – nicht bekämpft werden kann. Siehe zur zugrundeliegenden Frage der räumlichen Eingrenzung 239 „Gründerzeitviertels“ auch das Erkenntnis des VfGH G 673/2015 ua:

eines

§ 2 Abs 3 RichtWG ist in diesem Verfahren auch wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots bekämpft worden, da der Begriff der "Lage (Wohnumgebung)" im Hinblick auf das Gründerzeitviertel eine große Bandbreite an Deutungen zulassen würde. Es würden sich sowohl nur die unmittelbar benachbarten Häuser, als auch ganze Bezirke unter den Begriff subsumieren lassen. Der Begriff "Lage (Wohnumgebung)" sei zu vage. Es bleibe offen, welcher Umkreis um die jeweilige Liegenschaft gemeint sei. Dies sei aber 239

= Newsletter vom 19. November 2016. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 100

entscheidend, um feststellen zu können, ob der Gebäudebestand überwiegend in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet worden sei. Der VfGH entgegnete, dass sich bereits aus dem allgemeinen Begriffsverständnis des Wortes "Wohnumgebung" ergäbe, dass damit nicht eine bestimmte, von vornherein festgelegte Verwaltungseinheit (wie etwa ein Bezirk) gemeint sein kann, sondern dass auf die faktische Umgebung der konkreten Liegenschaft im Sinne der Gegend rund um die Wohnliegenschaft abgestellt werde. Im Hinblick auf den Zweck der Regelung gehe es dabei um jene Gegend, die für die Beurteilung der Wohnqualität von Relevanz ist. Insofern stelle die Lage (Wohnumgebung) eine kleinere räumliche Einheit als einen politischen Bezirk oder einen Stadtteil dar, geht aber über einen einzelnen Gebäudeblock hinaus. Die Formulierung "Lage (Wohnumgebung)" lasse somit nach Ansicht des VfGH ausreichend Spielraum, um auf die Besonderheiten des Einzelfalls Bedacht zu nehmen, sei aber andererseits hinreichend klar, um die Ausübung dieses Spielraums im konkreten Einzelfall einer Überprüfung zu unterziehen. Angesichts dessen könne keine Rede davon sein, dass § 2 Abs 3 RichtWG in einem solchen Maße unbestimmt wäre, dass seine Auslegung für den Normunterworfenen nicht vorhersehbar wäre. Dies bedeutet im Ergebnis, dass den Gerichten auf tatsächlicher Ebene für die Beantwortung der – für die Einstufung einer Wohnumgebung als „Gründerzeitviertel“ oft entscheidenden – Frage, wo genau die Grenzen einer Lage (Wohnumgebung) verlaufen, zwischen den Ebenen „politischer Bezirk/Stadtteil“ und „Gebäudeblock“ ein beträchtlicher Entscheidungsspielraum offensteht, der durch keinerlei rechtliche Parameter eingeschränkt oder näher bestimmt wird. *** 

§ 21 Abs 1 MRG Dichtheitsprüfung der Gasleitungen sind keine Betriebskosten OGH 23.10.2017, 5 Ob 169/17i

Der OGH (5 Ob 169/17i) hat die Kosten für eine Dichtheitsprüfung von Gasleitungen nicht als Betriebskostenposition anerkannt, weil derartige Kosten im taxativen Katalog des § 21 Abs 1 MRG nicht aufscheinen. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

§ 21 MRG stellt einen Katalog der auf die Gesamtliegenschaft bezogenen Aufwendungen des Vermieters dar, die als Betriebskosten in der in § 21 Abs 3 bis 5 MRG geregelten Weise auf die Mieter eines Hauses überwälzt werden dürfen. Diese Aufzählung gilt nach ständiger Rechtsprechung 240 und herrschender Lehre als taxativ; eine zu Lasten der Mieter gehende extensive Gesetzesauslegung ist ausgeschlossen.241 Ganz allgemein gilt, dass nur solche Ausgaben als Betriebskosten verrechenbar sind, die in regelmäßigen Zeitabständen wiederkehren, bei denen es sich also um „laufende Kosten des Betriebs“ handelt.242 240 241 242

RIS-Justiz RS0069690; RS0067249. RIS-Justiz RS0069690 [T1]. Vgl 5 Ob 259/08m; 5 Ob 131/09i; 5 Ob 143/09d. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 101

Im Katalog des § 21 Abs 1 MRG sind die Kosten für eine Dichtheitsprüfung von Gasleitungen nicht enthalten. § 21 Abs 1 Z 1 erster Satz MRG bezieht sich ausdrücklich nur auf die Kosten der Versorgung des Hauses mit Wasser (= Wassergebühren, also die regelmäßig wiederkehrenden Kosten für die Wasserlieferung) und die Kosten für die nach den Lieferbedingungen gebotene Überprüfung der Wasserleitungen. Ob bzw inwieweit die Kosten für die Dichtheitsprüfung von Gasleitungen mit dieser Betriebskostenposition vergleichbar sind, kann hier schon deshalb dahinstehen, weil eine Erweiterung des Betriebskostenkatalogs in § 21 Abs 1 MRG durch Auslegung zu Lasten der Mieter nicht in Betracht kommt.

Zum Sachverhalt: Die Vermieterin geht davon aus, dass sie als Inhaberin des gesamten Gasleitungsnetzes im Haus, also auch der Versorgungsleitungen in den Bestandobjekten und der Waschküche, zur Vornahme einer Dichtheitsprüfung verpflichtet war. Sie nennt aber keine Begründung, warum es sich bei diesen Steig- und Versorgungsleitungen, die dazu dienen, Gas zu den Endgeräten zu leiten, um die Warmwasseraufbereitung und/oder Beheizung der Bestandobjekte zu ermöglichen, um eine Gemeinschaftsanlage nach § 24 Abs 1 MRG handeln soll. Nach dieser Gesetzestelle sind die Kosten des Betriebs einer Gemeinschaftsanlage nach den Grundsätzen des § 17 MRG aufzuteilen, soweit nicht das Heizkostenabrechnungsgesetz (HeizKG) anzuwenden ist. Eine Legaldefinition, was eine Gemeinschaftsanlage ist, existiert nicht. Das Gesetz nennt neben der gemeinsamen Wärmeversorgungsanlage den Personenaufzug oder eine gemeinsame Waschküche als Beispiele für typische Gemeinschaftsanlagen. Eine gemeinsame Wärmeversorgungsanlage liegt hier nicht vor; die in Rede stehenden Leitungen sind damit auch nicht Bestandteil einer solchen Anlage (vgl zu den Kosten des Betriebs einer solchen Anlage insbesondere § 2 Z 10 HeizKG). Nach der Rechtsprechung setzt das Vorliegen einer Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 24 Abs 1 MRG voraus, dass es jedem Mieter rechtlich 243 freisteht, sie – gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs – zu benützen.244 Schon danach muss die von der Vermieterin unterstellte Einordnung der Leitungen als Gemeinschaftsanlage scheitern, die sich auch gar nicht darauf beruft, dass die Nutzung der Energieanschlüsse und damit die Versorgung mit Gas über die von ihr geprüften Leitungen auf einer solchen, wohl nicht verkehrsüblichen Vereinbarung beruhen würde. *** 

§ 27 Abs 1 Z 1 MRG (und § 12a Abs 5 MRG und § 1336 ABGB) Zur Zulässigkeit einer Vertragsstrafe im Vollanwendungsbereich des MRG OGH 21.11.2017, 6 Ob 172/17p

Der OGH (6 Ob 172/17p) hat in einer aktuellen Entscheidung bekräftigt, dass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Vollanwendungsbereich des MRG keine im Sinne des § 27 MRG unzulässige Abrede darstellt. Einem Mieter wird nämlich durch die vereinbarte Vertragsstrafe keine zusätzliche Leistung abverlangt, sondern es wird – dem Wesen einer Vertragsstrafe entsprechend – eine vertraglich übernommene Unterlassungsverpflichtung (hier: einer unzulässigen Untervermietung) bestärkt. 243 244

= aufgrund einer Vereinbarung: 5 Ob 87/08t; 5 Ob 83/15i. RIS-Justiz RS0069987; RS0070297; RS0101592. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 102



Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

In der Vollanwendung des MRG hat der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das zwingende Recht, das von ihm betriebene Unternehmen zu verpachten (oder auch zu veräußern)

Nach § 12a Abs 5 MRG darf der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit „das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen“ ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen verpachten; auch die Veräußerung des Unternehmens ist durch ein Untervermietverbot nicht beschränkbar. Die Rechte des Mieters auf Verpachtung bzw Veräußerung des Unternehmens sind zwingend, sodass dem entgegenstehende Weitergabeverbote unwirksam sind und auch nicht durch Konventionalstrafe gesichert werden können. 245 b)

Hierbei muss aber tatsächlich ein lebendes Unternehmen im Wege der Verpachtung oder Veräußerung weitergegeben werden – eine verdeckte Weitergabe von Mietrechten wird dem Geschäftsraumhauptmieter von Gesetzes wegen nicht zugestanden

Allerdings erfasst § 12a MRG nur die Veräußerung und Weiterführung eines „lebenden Unternehmens“; hat der Mieter hingegen nie irgendeine Geschäftstätigkeit im Bestandobjekt entfaltet, dann ist § 12a MRG nicht anzuwenden. 246 Es muss wirklich um die Veräußerung des Unternehmens und nicht um eine verdeckte Weitergabe von Mietrechten gehen. Zum Sachverhalt: Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben: Nach den Feststellungen ist die Klägerin Mieterin des Geschäftslokals, an dem ihr durch Zusatzvereinbarung vom 30. Jänner 2014 ein einmaliges Untervermietrecht hinsichtlich eines konkreten Untermieters eingeräumt wurde. Nachdem dieses Untermietverhältnis wieder aufgelöst worden war, meldete die Mieterin zwar selbst ein Handelsgewerbe am Standort des Bestandobjekts an. Dabei handelte es sich aber nach den Ausführungen des Berufungsgerichts, denen die Mieterin in ihrer außerordentlichen Revision insoweit nicht entgegentritt, um ein Scheingeschäft. Das Handelsgewerbe wird nicht von der Mieterin, sondern einem anderen Unternehmen betrieben; die Mieterin ist also lediglich bemüht, nach außen den Anschein zu erwecken, das Handelsgewerbe am Standort des Bestandobjekts zu betreiben. Tatsächlich hat sie das Geschäftslokal an ein anderes Unternehmen (unter-)vermietet. Dies ist ihr aufgrund der Unterlassungsvereinbarung vom 2. Oktober 2013 verboten. c)

245 246

Zur Unzulässigkeit der Vereinbarung einer Leistung des Mieters ohne gleichwertige Gegenleistung des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG

2 Ob 683/86; RIS-Justiz RS0031995. Vgl RIS-Justiz RS0070089. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 103

Nach § 27 Abs 1 Z 1 erster Halbsatz MRG sind Vereinbarungen (unter anderem) ungültig und verboten, wenn der neue Mieter ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat; die rechtliche Konstruktion ist bedeutungslos. Wesentlich ist dabei, dass die Leistung in Ausnützung des Vermögenswerts und Seltenheitswerts des Mietobjekts gefordert und gegeben wird und eine gleichwertige Gegenleistung fehlt.247 § 27 Abs 1 Z 1 MRG zu unterstellende Vereinbarungen können sich zwar in den verschiedensten Sachverhalten verkörpern und hinter den mannigfachsten Rechtsformen verbergen248; entscheidend ist aber immer der „wahre“ wirtschaftliche Hintergrund der Transaktion.249 Es kommt auch nicht darauf an, ob die Leistung gerade für die Aufgabe des Mietgegenstands (und die Ermöglichung des Abschlusses eines neuen Mietvertrags) gefordert und gegeben wird.250

d)

Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe stellt indes im Vollanwendungsbereich des MRG keine unzulässige Vereinbarung dar

Allerdings ist nach der Rechtsprechung des OGH die Vereinbarung einer Vertragsstrafe 251 für schwerwiegende Verletzungen von Verpflichtungen aus dem Mietvertrag zulässig.252 So hat etwa die Entscheidung 10 Ob 525/87 die Vereinbarung, wonach der Mieter ein „Pönale“ zu zahlen habe, wenn er den Mietvertrag vor einem bestimmten Zeitpunkt kündigt, nicht beanstandet. Die Literatur wiederum vertritt die Auffassung, ein unzulässiger Verstoß gegen ein Untermiet- oder sonstiges Weitergabeverbot begründe einen Anspruch auf Unterlassung; daneben komme auch eine vereinbarte Vertragsstrafe in Betracht.253

Zum Sachverhalt: Damit ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei kein Fall einer nach § 27 Abs 1 Z 1 erster Halbsatz MRG verbotenen Zahlung gegeben, durchaus vertretbar. Anders als in der in der außerordentlichen Revision zitierten Konstellation, wonach der neue Mieter aus Anlass des Abschlusses des Mietvertrags einer Schuld beitreten soll254, wird hier der Mieterin durch die vereinbarte Vertragsstrafe keine zusätzliche Leistung abverlangt, sondern vielmehr – dem Wesen einer Vertragsstrafe entsprechend – eine vertraglich übernommene Unterlassungsverpflichtung (konkret: einer tatsächlichen Untervermietung) bestärkt.255 Eine solche Verstärkung des Erfüllungsdrucks einer insoweit unstrittig zulässigen Verpflichtung ist im Gläubigerinteresse rechtlich durchaus 247 248 249 250 251

252 253

254 255

RIS-Justiz RS0069888. RIS-Justiz RS0069888 [T2]. RIS-Justiz RS0069888 [T8]. RIS-Justiz RS0107273 [T1]. Die Vertrags- oder Konventionalstrafe ist die zwischen Partnern eines Vertragsverhältnisses getroffene Vereinbarung eines pauschalierten Schadenersatzes für den Fall einer Vertragsverletzung (§ 1336 Abs 1 ABGB). Ihr Vorteil liegt darin, dass bei ihrer Geltendmachung der durch eine Vertragsverletzung erlittene Schaden nicht unter Beweis gestellt werden muss. Eine vereinbarte Konventionalstrafe unterliegt dem richterlichen Mäßigungsrecht (§ 1336 Abs 2 ABGB). 5 Ob 117/00t. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ [2013] § 11 MRG Rz 8; 23 Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I § 11 MRG Rz 3). RIS-Justiz RS0114262. Vgl RIS-Justiz RS0032072 [T1], RS0111949. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 104

schutzwürdig.256 Die Mieterin begehrt die Feststellung sämtlicher Bestimmungen der Unterlassungs- und Verpflichtungsvereinbarung vom 2. Oktober 2013 als nichtig/rechtsunwirksam und begründet ihr Feststellungsinteresse damit, dass die beklagten Vermieter die Vertragsstrafe bereits (zwischenzeitig auch teilweise erfolgreich) geltend gemacht haben. Die Begründung hierfür lag jedoch in der (tatsächlich unzulässigen) Untervermietung der Geschäftsräumlichkeit an das andere Unternehmen.257 

Anmerkung:

Die Zulässigkeit einer Vertragsstrafe (konkret: in der Höhe von drei „dann aktuellen“ Bruttomonatsmieten für den Fall einer verspäteten Rückstellung des Mietgegenstands) wurde auch schon in einem verbraucherschutzrechtlichen Verbandsklageverfahren bestätigt. Vgl hierzu Klausel 29 in 2 Ob 215/10x (= fünfte Klauselentscheidung). *** 

§ 29 Abs 1 Z 3 MRG (und § 16 Abs 8 MRG) Zur Vordatierung des Beginns eines befristeten Mietvertragsverhältnisses in der Vertragsurkunde OGH 29.8.2017, 5 Ob 123/17z

Der OGH (5 Ob 123/17z) hat in einem aktuellen Fall erklärt, es sei nicht grundsätzlich unzulässig, anlässlich der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt beginnt bzw begonnen hat; ein derartiges Verbot sei weder dem ABGB noch dem MRG zu entnehmen. 

Sachverhalt:

Die Zweitantragsgegnerin hat das Haus L*****, mit Kaufvertrag vom 8. April 2014 vom Erstantragsgegner erworben. Der Ehegatte der (nunmehrigen) Mieterin schloss am 4. Oktober 2011 mit dem Erstantragsgegner einen schriftlichen Mietvertrag betreffend die Wohnung top 21–22 in diesem Haus. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass das Mietverhältnis am 1. Oktober 2011 beginnt, auf drei Jahre befristet abgeschlossen wird und am 30. September 2014 endet. Die Mietvertragsparteien gingen von der Wirksamkeit dieser Befristung aus. Am 4. oder 5. Oktober 2011 zog die Mieterin mit ihrem Ehemann in die Wohnung ein. Nach Scheidung der Ehe trat der nunmehr ehemalige Ehemann der Mieterin als bisheriger Mieter 256 257

RIS-Justiz RS0032072 [T3]. Soweit sich die Unterlassungs- und Verpflichtungsvereinbarung umfänglicher (auch) auf die Verpachtung und/oder Weitergabe der Rechte an der Geschäftsräumlichkeit bezieht, ist auf die ständige Rechtsprechung des OGH zu verweisen, wonach eine Feststellungsklage grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn ein konkreter aktueller Anlass besteht, der zur Hintanhaltung einer tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht; solange sich der rechtserzeugende Sachverhalt nicht vollständig konkretisiert hat, ist eine Feststellungsklage nicht gerechtfertigt (RIS-Justiz RS0039071 [T1]). Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 105

seine Hauptmietrechte per 1. Februar 2013 an der Wohnung an die Mieterin ab. Auch sie hatte die Vorstellung, ein befristetes Mietverhältnis bis Ende September 2014 zu haben. Nach Verbücherung des Eigentums der Zweitantragsgegnerin an der Liegenschaft beantragte diese am 11. September 2014 einen Übergabsauftrag, der antragsgemäß erlassen und rechtswirksam wurde. Das Erstgericht wies den Mietzinsüberprüfungsantrag der Mieterin258 als präkludiert ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mieterin teilweise Folge. Es stellte fest, dass die Antragsgegner gegenüber der Mieterin durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 436,73 EUR das gesetzlich zulässige Zinsausmaß von 271,12 EUR um monatlich 165,61 EUR überschritten hätten und zwar der Erstantragsgegner im Zeitraum Februar 2013 bis einschließlich Mai 2014, die Zweitantragsgegnerin im Zeitraum Juni bis November 2014.

Das Rekursgericht folgte der Rechtsauffassung der Mieterin, zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine wirksame Befristung sei ausschließlich auf die vereinbarte Vertragsdauer vom 1. Oktober 2011 bis 30. September 2014 abzustellen. Maßgeblich sei der schriftlich und unmissverständlich festgelegte Zeitablauf, nicht der Zeitpunkt der Unterfertigung des Mietvertrags. Dies wurde insbesondere auf die Entscheidung 5 Ob 208/10i gestützt, dort habe der OGH ungeachtet des Ablaufs der ersten Befristung mit 14. März 2004 die Unterfertigung des schriftlichen Vertrags über die Mietvertragsverlängerung um drei Jahre erst am 18. März 2004 als unproblematisch angesehen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, zur Problematik der Unterfertigung des Mietvertrags nach Befristungsbeginn liege keine einschlägige oberstgerichtliche Rechtsprechung vor. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Eine Vordatierung des Mietvertragsbeginns in der Mietvertragsurkunde ist nicht grundsätzlich unzulässig

Aus höchstgerichtlichen Entscheidungen ist abzuleiten, dass es nicht grundsätzlich unzulässig ist, anlässlich der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis bereits am – hier nur drei Tage davor liegenden – Monatsanfang beginnt; ein derartiges Verbot ist weder dem ABGB noch dem MRG zu entnehmen.

258

Dieser Antrag ist offenkundig mehr als drei Jahre nach Mietvertragsabschluss, aber innerhalb der ersten sechs Monate ab Beendigung des Vertragsverhältnisses gestellt worden, sonst hätte sich die hier verfahrensgegenständliche Frage der Präklusion des Antragrechts auf Mietzinsüberprüfung gar nicht gestellt. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 106

Es ist nicht davon auszugehen, der OGH habe in der Entscheidung 5 Ob 208/10i die Wirksamkeit einer erst nach Befristungsbeginn erfolgten Unterfertigung der schriftlichen Verlängerungsvereinbarung nicht geprüft. Die überaus ausführlich begründete Entscheidung hatte – vergleichbar zu dem hier zu entscheidenden Fall – die Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags des dortigen Antragstellers nach § 16 Abs 8 MRG zu beurteilen und sprach aus, diese hänge davon ab, ob die Verlängerungsvereinbarung wirksam erfolgt sei. Ausdrücklich nahm diese Entscheidung auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung259 Bezug, dass im Fall, dass keine gesetzlich durchsetzbare Befristung vereinbart worden sei, die Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG mit dem Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zu laufen beginne. Dass es im dort entschiedenen Fall nicht um den erstmaligen Abschluss des Mietvertrags, sondern um die Verlängerung eines zuvor auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses um wieder drei Jahre ging, macht deshalb keinen rechtlich relevanten Unterschied, weil § 29 Abs 1 Z 3 lit a und b MRG bei Wohnungen sowohl hinsichtlich der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer als auch deren Verlängerung jeweils eine Mindestfrist von drei Jahren verlangt. Wäre es daher rechtlich jedenfalls unzulässig, den schriftlichen Vertrag erst nach dem vereinbarten Befristungsbeginn zu unterfertigen, wäre der erkennende Senat wohl schon deshalb von einer – im Verfahren 5 Ob 208/10i ausdrücklich verneinten – Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags nach § 16a Abs 8 MRG ausgegangen. Auch zu 4 Ob 601/95 sah der OGH den Abschluss des schriftlichen Mietvertrags am 28. Februar 1991 mit der Vereinbarung eines Mietverhältnisses ab 1. Jänner 1991 auf die Dauer von einem Jahr, somit bis 1. Jänner 1992 als unbedenklich an. Die Befristung sei schon nach dem Inhalt der Vertragsurkunde wirksam mit einem Jahr vereinbart worden. Dort ging es im Gegensatz zur Entscheidung 5 Ob 208/10i nicht um eine Verlängerung eines bereits bisher befristeten Mietverhältnisses, sondern um eine erstmalige Vermietung.

Zum Sachverhalt: Dass diese Vereinbarung hier zur Umgehung zwingender Befristungsbestimmungen des MRG getroffen worden wäre, hat niemand behauptet; die Mieterin hat sich bis zuletzt auf die aufgrund der dreijährigen Frist wirksame Befristung berufen und auch die Antragsgegner haben nicht nur keine Umgehungabsicht bei Vertragsabschluss behauptet, sondern gestützt auf die wirksame Befristung sogar einen Übergabsauftrag erwirkt. b)

Voraussetzungen für eine wirksame Befristung: Schriftliche Vereinbarung und bestimmter Endtermin

Im Übrigen orientierte sich das Rekursgericht grundsätzlich an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung 260, wonach die Befristung durchsetzbar ist, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist. Dabei erfüllt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich, dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann, das Erfordernis des § 29 Abs 1 Z 3 MRG, was dann der Fall ist, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn er durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt ist261.

259 260 261

RIS-Justiz RS0109837 [T3]. RIS-Justiz RS0090569. RIS-Justiz RS0070201. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 107

c)

Vertragsauslegung erfolgt einzelfallbezogen und begründet keine erhebliche Rechtsfrage

Der OGH hat schon mehrfach ausgesprochen 262 dass die Auslegung des Inhalts einer konkreten vertraglichen Beziehung – auch bei der Auslegung eines Bestandvertrags unter dem Aspekt der Bestimmung des Endtermins – von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt ist und damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG bildet.263 Ob ein Endtermin ausreichend bestimmt ist, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. 264 Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre.265 Zum Sachverhalt: Dies ist aber hier nicht der Fall. Das Rekursgericht konnte sich bei seiner Auslegung auf den völlig eindeutigen und unmissverständlichen Vertragsinhalt stützen, wonach das Bestandverhältnis am 1. Oktober 2011 beginnen und am 30. Oktober 2014 enden sollte. Diese schriftlich festgehaltene dreijährige Vertragsdauer entsprach nicht nur dem in diesem Sinn auch festgestellten Parteiwillen der damaligen Mietvertragsparteien, sondern auch dem Kenntnisstand der Mieterin bei Abtretung der Hauptmietrechte an sie und wurde letztlich durch den Antrag auf Übergabsauftrag des Zweitantragsgegners, dem die Mieterin im Sinn dieses übereinstimmenden Verständnisses der Parteien keine Einwendungen entgegensetzte, noch einmal bestätigt. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist die Auslegung des Rekursgerichts, hier sei von einer durchsetzbaren Befristung auszugehen, keine unvertretbare Fehlbeurteilung zu erkennen. Zum Sachverhalt: Auch der Revisionsrekurs zeigt eine solche nicht auf. Die Antragsgegner behaupten im Wesentlichen, vor dem 4. Oktober 2011 (dem Datum der Vertragsunterfertigung und Einzug der Mieterin) habe es schon nach dem ABGB kein Vertragsverhältnis der Streitteile gegeben. Abgesehen davon, dass dies dem schriftlichen Vertragsinhalt widerspricht, ist der Bestandvertrag ein Konsensualvertrag, der durch die Willenseinigung über Bestandgegenstand und Bestandzins zustande kommt.266 Der Einzug der Mieter in das Bestandobjekt ist daher entgegen der Meinung des Erstgerichts und der Antragsgegner nicht Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen des Bestandverhältnisses. Dass es vor dem 4. Oktober 2011 schlichtweg keinen Vertrag gegeben hätte, ist den Feststellungen nicht gesichert zu entnehmen; dass der schriftliche Mietvertrag erst am 4. Oktober 2011 abgeschlossen wurde, sagt insbesondere im Hinblick auf den dort ausdrücklich vereinbarten Beginn des Vertragsverhältnisses bereits am 1. Oktober 2011 nichts über einen allenfalls bereits vor dem 4. Oktober 2011 bestehenden natürlichen Konsens der Mietvertragsparteien aus. Eine Umgehungsabsicht wurde – wie bereits ausgeführt – nicht behauptet.

d)

Entscheidung des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner ist ungeachtet des den OGH nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG in Verbindung mit § 37 Abs 3 Z 16 MRG nicht 262 263 264 265 266

7 Ob 85/99x; 7 Ob 215/01w; 5 Ob 2131/96k. Vgl auch RIS-Justiz RS0042776. 7 Ob 215/01w. RIS-Justiz RS0042936. RIS-Justiz RS0020394. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 108

zulässig und daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen (71 Abs 3 letzter Satz AußStrG). 

Anmerkungen:

Im hier vorliegenden Fall wäre die Annahme einer unwirksamen Befristungsabrede ausnahmsweise im Interesse der Vermieterseite gelegen, weil es nicht um die Beendigung des (ohnehin schon aufgelösten) Vertragsverhältnisses ging, sondern um die Frage der Präklusion des Mietzinsüberprüfungsrechts. Diese tritt gemäß § 16 Abs 8 MRG grundsätzlich drei Jahre nach Abschluss des Mietvertrags (= der Mietzinsvereinbarung) ein267, während aber bei befristeten Verträgen die Anfechtungsfrist (Ausschlussfrist, Präklusivfrist) erst frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis zu Ende geht, der Mieter also im Regelfall mehr Zeit hat, um eine Überprüfung des Mietzinses geltend zu machen (und er vor allem – vom selteneren Fall der Umwandlung des befristeten Vertragsverhältnisses in ein unbefristetes abgesehen – für die Mietzinsanfechtung die Beendigung des Vertragsverhältnisses abwarten kann, und er damit nicht den Druck hat, die Auseinandersetzung mit dem Vermieter in einem aufrechten Vertragsverhältnis führen zu müssen). Der OGH geht im vorliegenden Fall von einer wirksamen Befristung aus. Aber selbst bei einer gegenteiligen Auslegung (also der Feststellung einer unwirksamen Befristungsabrede) müsste man meines Erachtens einem Mieter dennoch die für befristete Mietverhältnisse regelmäßig längere Präklusivfrist zugestehen, weil der Mieter ja wohl von der Wirksamkeit der Befristung ausgehen durfte bzw ihm zumindest in Zweifelsfällen wie dem vorliegenden nicht zugemutet werden kann, über die Wirksamkeit bzw Unwirksamkeit der Befristungsabrede Feststellungen zu treffen. Ließe man auch bei einer unwirksamen Befristungsabrede aufgrund der damit verbundenen Nichtdurchsetzbarkeit des vereinbarten Endtermins gleich einem unbefristeten Vertragsverhältnis die Präklusion des Mietzinsüberprüfungsrechts bereits drei Jahre nach Mietvertragsabschluss eintreten, liefe dies dem Vertrauensschutz des Mieters massiv zuwider. Soweit aus der Entscheidung 5 Ob 128/99f268 Gegenteiliges abgeleitet wird, ist dem meines Erachtens nicht zu folgen. Ungeachtet der vorliegenden Entscheidung wird indes Vermietern zu empfehlen sein, mit der Vordatierung des Beginns befristeter Mietvertragsverhältnisse keine unnötigen Risiken einzugehen: Der Sinn einer solcher Vordatierung wird im Regelfall zweifelhaft bleiben, sofern mit der Vordatierung nicht bloß bezweckt wird, die für Wohnungsmietverhältnisse im Vollund Teilanwendungsbereich des MRG vorgesehene dreijährige Mindestbefristung zustande zu bringen, und gerade für diesen Zweck wird die Vordatierung nicht eingesetzt werden dürfen: Wir dürfen nicht übersehen, dass der OGH ja nicht die Vordatierung des Mietvertragsbeginns als jedenfalls zulässig erachtet hat, sondern bloß nicht als grundsätzlich unzulässig. Eine festgestellte Umgehung der zwingenden Befristungsbestimmungen des MRG würde aber genau diese Unzulässigkeit ergeben. Im 267

268

Und nicht etwa drei Jahre nach dem Mietvertragsbeginn oder nach der Übergabe des Mietgegenstands an den Mieter, vgl 5 Ob 90/16w = Newsletter vom 19. Oktober 2016. = RIS-Justiz RS0109837 [T3]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 109

vorliegenden Fall hat sich dieses Problem nicht gestellt, weil eine derartige Umgehung im Verfahren gerade nicht behauptet worden war. Vgl zum Thema Befristung vor allem unsere Newsletter vom 15. Dezember 2010 zu 5 Ob 133/10k (einfache – also nicht mit qualifizierter elektronischer Signatur versehene – E-Mails entsprechen mangels Unterschrift nicht der im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG geforderten Schriftform), vom 6. April 2011 zu 5 Ob 184/10k (eine vor oder gleichzeitig mit Abschluss des Mietvertrags getroffene gerichtliche Räumungsverpflichtung vermag gesetzlich nicht durchsetzbare Endtermine nicht zu sanieren) und 5 Ob 208/10i (die Unterfertigung der ersten Seite einer Befristungs- oder Verlängerungsvereinbarung durch den Vermieter in Verbindung mit der Unterfertigung des gesamten Vertragstextes durch den Mieter genügt dem Schriftformgebot des MRG), vom 28. März 2012 zu 3 Ob 36/11g und 5 Ob 26/11a (von einer Bestimmtheit des Endtermins kann nicht ausgegangen werden, wenn das Erlöschen des Mietverhältnisses von einer Bedingung, wie etwa einer vorhergehenden Erklärung, abhängig gemacht wird; ist hingegen der Endtermin bestimmt, geht also das Mietverhältnis ohne weiteres Zutun mit Ablauf der Befristung zu Ende, so steht die Einräumung von Verlängerungsoptionen der Annahme eines wirksamen Zeitmietvertrags nicht entgegen) sowie vom 2. April 2014 zu 1 Ob 237/13d (eine formlose Annahme einer schriftlichen Verlängerungsofferte entspricht dem für Befristungsvereinbarungen im Vollund Teilanwendungsbereich des MRG geltenden Schriftformgebot des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG nicht; erforderlich ist vielmehr eine schriftliche Unterfertigung der Vertragsurkunde durch beide Parteien in Anwesenheit der jeweils anderen Partei oder die schriftliche Annahme einer schriftlichen Offerte und eine Übermittlung der schriftlichen Annahmeerklärung an den Offerenten binnen der Annahmefrist des § 862 ABGB). *** 

§ 29 Abs 1 Z 3 MRG Zur rechtlichen Qualifikation einer Räumungspflicht bereits knapp vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer OGH 13.9.2017, 10 Ob 43/17x

Der OGH (10 Ob 43/17x) hatte sich mit einer mietvertraglichen Vereinbarung auseinanderzusetzen, nach welcher sich der Mieter dazu verpflichtete, den Bestandgegenstand am letzten Tag des Bestandverhältnisses bereits bis 12:00 Uhr mittags zu räumen. Nach Ansicht der Vorinstanzen hätten die Parteien mit diesem Vertragspunkt nicht die vereinbarte dreijährige gesetzliche Mindestdauer des Bestandvertrags abändern und verkürzen wollen, sondern zusätzlich zum Endigungstag des Bestandverhältnisses noch einen besonderen (nicht durchsetzbaren) Räumungstermin bzw eine Rückstellungsverpflichtung festgelegt. Der OGH erachtete dies als ein jedenfalls vertretbares Auslegungsergebnis. 

Rechtlicher Hintergrund:

Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG wird im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG der Mietvertrag durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer aufgelöst, allerdings nur, wenn die Befristung schriftlich vereinbart wurde und bei Wohnungen die ursprünglich vereinbarte Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 110

Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer (§ 29 Abs 4 MRG) jeweils mindestens drei Jahre beträgt. Nach § 29 Abs 4 MRG können Mietverträge, die nach § 29 Abs 1 Z 3 MRG befristet sind, schriftlich beliebig oft um jede – bei Wohnungen jedoch drei Jahre jeweils nicht unterschreitende – Vertragsdauer erneuert werden. 

Sachverhalt:

Die Streitteile errichteten am 10. Oktober 2010 einen schriftlichen Mietvertrag. Gemäß dessen Punkt II. beginnt das Mietverhältnis am 1. November 2010 und ist auf eine bestimmte Dauer von drei Jahren abgeschlossen, sodass es ohne Aufkündigung und ohne sonstige Erklärung des Vermieters am 31. Oktober 2013 endet. In Punkt XV. des Mietvertrags verpflichtete sich der Mieter dazu, den Bestandgegenstand am letzten Tag des Bestandverhältnisses bis 12:00 Uhr mittags zu räumen. Ist der letzte Tag ein Sonn- oder Feiertag, so gilt der vorhergehende Werktag. Der Mieter ging bei Vertragsunterfertigung von einer dreijährigen Vertragsdauer aus. Er hatte sich zuvor den Mietvertrag durchgelesen, ohne sich an Punkt XV. zu stoßen. Über Punkt XV. wurde zwischen den nunmehrigen Streitteilen auch nicht gesprochen. Im Herbst 2013 kamen die Streitteile mündlich überein, den Mietvertrag um weitere drei Jahre zu verlängern. Der Mieter hat den Bestandgegenstand jedenfalls bis 7. November 2016 nach wie vor bewohnt und diesen bis dahin nicht geräumt übergeben. Der Vermieter begehrt mit seiner bei Gericht eingebrachten Räumungsklage die Räumung der Wohnung Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Die gesetzliche dreijährige Mindestdauer im ersten (schriftlichem) Mietvertrag sei unterschritten worden, indem sich aus dessen Vertragspunkt XV eine Räumungsverpflichtung bis 12:00 Uhr mittags des letzten Tages des Bestandverhältnisses ergibt. Aus diesem Grund sei die Befristung unwirksam und nicht durchsetzbar.

Das Erstgericht verpflichtete den Mieter, die Wohnung binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, das gültig befristete Mietverhältnis sei wirksam um drei Jahre verlängert worden. Daran ändere auch Punkt XV. des Mietvertrags nichts. Es handle sich dabei lediglich um eine die wirksam (befristete) Bestanddauer nicht tangierende und für den Vermieter nicht durchsetzbare Klausel. Ungeachtet dieses Vertragspunkts sei der Kläger selbst von einer Bestanddauer von vollen drei Jahren ausgegangen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Mieterin nicht Folge. Punkt XV. ändere die vereinbarte dreijährige Bestandzeit nicht ab, weshalb das Mietverhältnis durch Zeitablauf zum 31. Oktober 2016 geendet habe. Es sei zwischen Räumung und Übergabe

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 111

des Bestandobjekts zu differenzieren. Im Vertragspunkt XV. sei nur von Räumung die Rede, nicht aber von der Zurückstellung oder Übergabe des Bestandobjekts, wie sie nach Beendigung der Bestandzeit gemäß § 1109 ABGB zu erfolgen habe. Punkt XV. beschränke daher lediglich die vertragliche Nutzungsmöglichkeit in den letzten zwölf Stunden der Vertragsdauer.

Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob eine vertraglich vereinbarte Räumungs-, aber nicht Übergabeverpflichtung vor Mitternacht des letzten Tages des genau auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses dazu führe, dass die Dreijahresfrist rechtserheblich unterschritten werde. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur Wirksamkeit der Befristungsabrede

Zum Sachverhalt: Betrachtet man die in Pkt II. des Mietvertrags vereinbarte dreijährige Befristung des Bestandvertrags vom 1. November 2010 bis 31. Oktober 2013 isoliert für sich, so entspricht die Ansicht, diese Befristung sei zulässig, der bisherigen Rechtsprechung. Nach dieser Rechtsprechung muss entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben sein oder durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt sein.269 Zur Berechnung der Dauer befristeter Mietverhältnisse besteht eine von Art 2 bis 4 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen (BGBl 1983/254) abweichende – im Wesentlichen §§ 902 f ABGB entsprechende – Übung insofern, als diese bei Vereinbarung von Monats- oder Jahresfristen vom Monatsersten (0:00 Uhr) bis zum Monatsletzten (24:00 Uhr) laufen270, im vorliegenden Fall also bis 31. Oktober 2013 24:00 Uhr.

Zum Sachverhalt: Auch dass der befristete Mietvertrag (einmalig) auf drei Jahre erneuert gilt, wenn er gemäß § 29 Abs 3 lit b MRG nach Ablauf der wirksam vereinbarten und verlängerten Vertragsdauer weder vertraglich verlängert noch aufgelöst wurde, wird in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen. Strittig geblieben ist die Frage der Durchsetzbarkeit der ersten (schriftlichen) Befristung als Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der neuerlichen Befristung im Hinblick auf die Vertragsklausel Punkt XV., die den Mieter verpflichtet, den Bestandgegenstand am letzten Tag des Bestandverhältnisses bis 12:00 Uhr zu räumen: Rechtsprechung zu den den Vertragspunkten II. und XV. gleichlautenden Mietvertragsbestimmungen ist nicht vorhanden. Nur im Zusammenhang mit dem (formstrengen) Aufkündigungs- bzw Übergabsverfahren hatte sich der OGH bereits mit einer ähnlichen Situation zu befassen. Hat der Kläger im Übergabsauftrag neben dem – dem Tag nach richtig – angegebenen Übergabstermin eine Uhrzeit („12:00 Uhr mittags“) beigefügt, wurde eine Richtigstellung des Übergabsauftrags zur Vermeidung eines überspitzten Formalismus als zulässig angesehen, zumal unbekämpft feststand, dass der Kläger die Bestandzeit nicht verkürzen wollte und die beigesetzte Uhrzeit dem Beklagten nicht zum Nachteil gerät, weil der vereinbarte Übergabszeitpunkt zur Zeit der Erlassung des Ersturteils schon verstrichen war.271 269 270 271

RIS-Justiz RS0070201. RIS-Justiz RS0124840; siehe auch RS0090569. 8 Ob 647/93. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 112

Ganz allgemein lässt sich die Frage, ob eine durchsetzbare Befristung erfolgt, durch Vertragsauslegung ermitteln.272 Ungeachtet des Wortlauts der förmlichen Erklärung und ihres normativen Verständnisses ist auch eine formbedürftige Willenserklärung entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig.273 Dieser Grundsatz wurde bereits mehrfach bei der Beurteilung mietrechtlicher Befristungsvereinbarungen angewandt.274 Selbst eine Falschbezeichnung in der Urkunde schadet nicht, wenn die Parteien ein übereinstimmendes Verständnis vom Ende der Frist hatten.275 Zum Sachverhalt: Auch im vorliegenden Fall ist – ungeachtet des Punktes XV. des Mietvertrags – ein übereinstimmendes Verständnis der Befristungsvereinbarung durch die Streitteile für die Dauer von (vollen) drei Jahren bis 31. Oktober 2013, 24:00 Uhr zu Grunde zu legen. Dass der Mieter bei Vertragsunterfertigung von einer auf drei Jahre befristeten Vertragsdauer ausging, steht ausdrücklich fest. Auch später hat sich der Mieter – ebenso wie auch der Vermieter – an einer wirksamen dreijährigen Befristung bis 31. Oktober 2013 orientiert, indem er mit dem Kläger eine (mündliche) Verlängerungsvereinbarung für den Zeitraum nach Ablauf dieser Befristung getroffen hat. b)

Zur Unwirksamkeit Mietgegenstandes

der

Abrede

zur

(vorzeitigen)

Zurückstellung

des

Nach dem beidseitigen Vorbringen wurde der Vertragspunkt XV. nur deshalb vereinbart, weil der Vermieter eine Rückstellung der Wohnung außerhalb der Bürozeiten (oder am Wochenende) vermeiden wollte. Wenngleich als Räumungstermin (im Sinn eines Rückstellungstermins nach § 1109 ABGB) das Ende des letzten Tages des Bestandverhältnisses gilt und außer dem Zeitpunkt, zu dem ein Bestandvertrag enden soll, nicht noch ein besonderer Räumungs- (bzw Rückstellungstermin) angegeben werden muss276, hat der Kläger offenbar darauf Wert gelegt, im Mietvertrag eine Räumungs- bzw Rückstellungsverpflichtung festzuhalten und dabei in Kauf genommen, dass diese für ihn mangels Ablauf der vollen Vertragszeit (bis 24:00 Uhr des 31. Oktober 2013) nicht durchsetzbar war. Tatsächlich ist dieser Räumungstermin nicht zum Tragen gekommen und ist dem Beklagten daraus kein Nachteil entstanden, weil feststeht, dass er die Wohnung noch bis 7. November 2016 bewohnt hat. Im Hinblick auf diese Erwägungen stellt die Ansicht der Vorinstanzen, die Parteien hätten mit diesem Vertragspunkt nicht die in Punkt II. vereinbarte dreijährige gesetzliche Mindestdauer des Bestandvertrags (bis 31. Oktober 2013 24:00 Uhr) abändern und verkürzen wollen, sondern zusätzlich zum Endigungstag des Bestandverhältnisses noch einen besonderen (nicht durchsetzbaren) Räumungstermin bzw eine Rückstellungsverpflichtung festgelegt, ein jedenfalls vertretbares Auslegungsergebnis dar.

272 273 274 275 276

RIS-Justiz RS0090569 [T8]. RIS-Justiz RS0017280. RIS-Justiz RS0017280 [T3]. 1 Ob 22/08d. 8 Ob 647/93. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 113

Wie das Berufungsgericht bereits ausgeführt hat, besteht bei unbeweglichen Sachen der Inhalt der Rückstellungsverpflichtung nach § 1109 ABGB nicht nur in der Räumung, sondern in der Regel auch in der Übergabe des Bestandgegenstands277, etwa bei Wohnungen durch Übergabe der Wohnungsschlüssel. Zum Sachverhalt: Ob die Parteien mit dem Vertragspunkt XV. dennoch eine „bloße“ Räumungsverpflichtung vereinbaren wollten (wie das Berufungsgericht meint) oder zusätzlich auch eine Übergabeverpflichtung (wofür das Vorbringen spricht, der Kläger habe offensichtlich eine Übergabe außerhalb der Bürostunden vermeiden wollen), kann im Hinblick auf den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen übereinstimmenden Parteiwillen, die bis 31. Oktober 2013, 24:00 Uhr wirksam vereinbarte Bestanddauer unberührt zu lassen, dahingestellt bleiben.

c)

Entscheidung des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Eine erhebliche Rechtsfrage wäre nur dann vorgelegen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage bei der Vertragsauslegung ein unvertretbares Ergebnis erzielt worden wäre.278 Dies ist hier nicht der Fall. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist die Revision daher (entgegen dem – den OGH nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts) als unzulässig zurückzuweisen. 

Anmerkungen:

Die der Räumungsklage stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts wurde vom OGH als rechtsdogmatisch vertretbar erachtet und entspricht wohl auch dem praktischen Bedürfnis, einem Vermieter nicht bloß wegen einer Verkürzung der dem Mieter an sich ja für den dreijährigen Mindestbefristungszeitraum zugestandenen Nutzungsmöglichkeit an der vermieteten Wohnung um lediglich 12 Stunden (oder, falls der Endtermin auf einen Samstag oder Sonntag fallen sollte, um 36 oder 60 Stunden) den Nachteil eines nicht durchsetzbaren Endtermins zu bescheren. Insofern ist es gerechtfertigt, von einer Aufspaltung der vertraglichen Vereinbarungen in einerseits eine einwandfreie (weil auch den dreijährigen Mindestbefristungszeitraum wahrende) Befristungsabrede und andererseits eine (mangels Ablaufs der vollen Vertragszeit) unwirksame Abrede zur (vorzeitigen) Räumung bzw Zurückstellung des Mietgegenstandes auszugehen. Die Unwirksamkeit der Abrede zur (vorzeitigen) Räumung bzw Zurückstellung des Mietgegenstands vermag also bei dieser getrennten Betrachtung die Durchsetzung des in der Befristungsabrede vereinbarten Endtermins nicht zu berühren. Weniger einleuchtend ist es, dass die bloß mündliche Verlängerung des Vertragsverhältnisses im Herbst 2013 im Sinne des § 29 Abs 3 lit b MRG als automatische Verlängerung des um drei Jahre gedeutet wurde. Dieses Ergebnis mag zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen rechtspolitisch gerechtfertigt sein279, lässt sich aber dessen 277 278 279

RIS-Justiz RS0020765 [T2]. RIS-Justiz RS0042936. Weil nicht einzusehen ist, dass der Vermieter, der den Endtermin komplett „verschläft“, die Rechtswohltat einer lediglich befristeten automatischen Verlängerung um drei Jahre genießt, während der Vermieter, der sich zwar des Endtermins besinnt, hierauf aber mit dem Mieter eine wegen Missachtung des Erfordernisses Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 114

ungeachtet mit dem Gesetz nicht in Einklang bringen. Nach § 29 Abs 3 lit a MRG gelten nämlich Mietverträge auf bestimmte Zeit, deren Ablauf wegen eines Verstoßes gegen die Regelungen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG oder des § 29 Abs 4 MRG (es geht hier jeweils um das Schriftformgebot für Befristungsabreden und die dreijährige Mindestbefristung für Wohnungsmietverträge) nicht durchgesetzt werden kann, als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen oder erneuert. *** 

§ 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (und § 1118 erster Fall ABGB) Zum erheblich nachteiligen Gebrauch vom Mietgegenstand bei baulichen Veränderungen OGH 5.7.2017, 7Ob 99/17k

Der OGH (7 Ob 99/17k) hatte sich mit dem Kündigungs- bzw Auflösungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs vom Mietgegenstand zu befassen. Die Verbindung zweier selbständiger – von verschiedenen Personen gemieteter – Wohnungseigentumseinheiten ohne Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer ist zwar eine Interessenbeeinträchtigung des Vermieters, die seine Duldungspflicht ausschließt. Der Vermieter kann daher die Unterlassung bzw Wiederherstellung des vorigen Zustands begehren. Eine Kündigung oder Auflösung des Mietverhältnisses wird dadurch aber nicht jedenfalls legitimiert, erfordert diese doch – darüber hinausgehend – ein Verhalten des Mieters, das ihn vertrauensunwürdig macht. 

Rechtlicher Hintergrund:

Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand im Sinne des [im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG normierten Kündigungstatbestandes gemäß] § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (wie des gleichlautenden [im Bestandrecht allgemein geltenden] Vertragsaufhebungsgrundes nach § 1118 erster Fall ABGB) liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht 280, oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der anderen Mieter geschädigt oder gefährdet werden.281 § 30 Abs 2 Z 3 MRG, § 1118 erster Fall ABGB sollen die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Grundlage für einen Auflösungsanspruch ist ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist. 282 Ein

280 281 282

der Schriftlichkeit oder der dreijährigen Mindestbefristung unwirksame Befristungsabrede trifft, mit dem unwiederbringlichen Nachteil eines undurchsetzbaren Endtermins konfrontiert wird. Vgl RIS-Justiz RS0020981, RS0067832, RS0068076, RS0102020. Vgl RIS-Justiz RS0020940, RS0021031, RS0070348. RIS-Justiz RS0020867. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 115

Verschulden des Mieters ist dazu nicht erforderlich; es genügt, dass sich der Mieter des nachteiligen Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrunde zu legen ist. 283 Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein geltend gemachter Kündigungsgrund verwirklicht wird, ist der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung. Allerdings kann eine Einstellung eines dem Mieter zum Vorwurf gemachten Verhaltens nach der Aufkündigung bei der Beurteilung, ob das Gesamtverhalten die Aufkündigung im Einzelfall rechtfertigte, mitberücksichtigt werden.284 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens des Auflösungsgrundes ist der Zugang der Auflösungserklärung, somit die Zustellung der Räumungsklage, wenn die Auflösungserklärung in ihr abgegeben worden ist.285 

Sachverhalt:

Die von der Beklagten gemietete Wohnung Top 21 und die daneben liegende – von ihrer Mutter gemietete – Wohnung Top 19/20 standen im Wohnungseigentum der Rechtsvorgängerin des Klägers. 2004 wurden diese Wohnungen – ohne baubehördliche Bewilligung und ohne Zustimmung der Rechtsvorgängerin des Klägers – mittels Durchbruch fachgemäß und entsprechend den Bauvorschriften miteinander verbunden. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur Relevanz baulicher Veränderungen für die Erfüllung des Tatbestands „erheblich nachteiliger Gebrauch“

Die Vornahme von baulichen Veränderungen durch den Mieter ohne Zustimmung des Bestandgebers rechtfertigt die Auflösung des Bestandvertrags gemäß § 30 Abs 2 Z 3 MRG (§ 1118 erster Fall ABGB), wenn die vom Mieter vorgenommenen Veränderungen für die Bestandsache erheblich nachteilig sind. Sachgemäß durchgeführte Vorkehrungen zur Verbesserung oder Modernisierung des Bestandgegenstands können den Auflösungstatbestand grundsätzlich nicht erfüllen.286 Derartige bauliche Veränderungen, die den Intentionen des Bestandgebers zuwiderlaufen, können nur dann einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstands bewirken, wenn dadurch wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Bestandgebers verletzt werden oder wenn die Gefahr der Verletzung solcher Interessen droht. 287 b)

283 284

285 286 287

Die Feststellung eines Einzelfallbeurteilung

erheblich

nachteiligen

Gebrauchs

unterliegt

einer

RIS-Justiz RS0020981, RS0067957, RS0070243, RS0070433. RIS-Justiz RS0070378. Man spricht angesichts dieser Prüfung der Widerholungs- oder Fortsetzungsgefahr von einer „Zukunftsprognose“ im Kündigungsverfahren. RIS-Justiz RS0021049 [T6, T9]. RIS-Justiz RS0067816. RIS-Justiz RS0067816 [T4]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 116

Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.288 c)

Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts – Unterlassungsanspruch der Vermieterseite trotz mangels Vertrauensunwürdigkeit nicht verwirklichten Kündigungsgrunds

Zum Sachverhalt: Bauordnungswidrige oder feuerpolizeiwidrige Einrichtungen oder Unterlassungen können zwar eine erhebliche Verletzung der Interessen des Bestandgebers darstellen.289 Im Hinblick darauf, dass – wenn auch nachträglich – die Errichtung des Durchbruchs bei der Baupolizei angezeigt und von dieser abgenommen wurde, verneinten die Vorinstanzen aber vertretbar die vom Kläger behauptete Gefahr eines drohenden Bauauftrags oder einer drohenden Verwaltungsstrafe. Worin – vor dem Hintergrund der fachgemäßen und baubehördlich abgenommenen Errichtung des Durchbruchs – die vom Kläger unsubstantiiert behauptete Gefahr einer Ausschlussklage der übrigen Wohnungseigentümer gelegen sein soll, ist nicht erkennbar. Selbst in der Revision lässt der Kläger offen, welchen Ausschließungsgrund nach § 36 WEG er gesetzt haben soll, dessen Geltendmachung er nun befürchtet. Richtig ist, dass die Duldungsverpflichtung des Vermieters nur dann besteht, wenn sämtliche positiven und negativen Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1–7 MRG gegeben sind.290 Nach § 9 Abs 1 Z 5 MRG darf durch die Veränderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder eines anderen Mieters zu besorgen sein. Die Verbindung zweier selbständiger – von verschiedenen Personen gemieteter – Wohnungseigentumseinheiten ohne Zustimmung der übrigen Mitund Wohnungseigentümer bietet nicht nur eine wohnungseigentumsrechtliche Problematik, sondern auch eine solche durch eine allenfalls „aufgezwungene“ Mietergemeinschaft. Diese Umstände sind Interessenbeeinträchtigungen des Vermieters, die seine Duldungspflicht ausschließen.291 Der Vermieter kann die Unterlassung bzw Wiederherstellung des vorigen Zustands begehren.292 Zum Sachverhalt: Auf die eben angeführte Rechtsprechung und die Beeinträchtigung der Interessen des Vermieters hat das Berufungsgericht ohnedies bereits hingewiesen. Wie bereits ausgeführt, erfordert die Auflösung des Bestandverhältnisses aber ein Verhalten des Mieters, das ihn vertrauensunwürdig macht. Im hier vorliegenden Einzelfall verneinte das Berufungsgericht diese Voraussetzung aufgrund des festgestellten Sachverhalts. Danach vertraute die Beklagte – insbesondere im Hinblick auf die von der damaligen Vermieterin bereits früher erteilte Zustimmung zur Zusammenlegung der beiden Wohnungen ihrer Mutter – deren Mitteilung, dass der Hausverwalter auch der Verbindung der Wohnungen Top 19/20 und 21 zugestimmt hätte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Beklagten unter den vorliegenden Umständen des Einzelfalls ihr nachteiliges Verhalten nicht bewusst gewesen sein musste und sie damit nicht vertrauensunwürdig sei, ist zumindest vertretbar. 288 289 290 291 292

RIS-Justiz RS0021018, RS0068103, RS0113693. 7 Ob 174/08a mit weiteren Nachweisen. RIS-Justiz RS0069551 [T1]; RS0069662. Vgl 5 Ob 156/00b, 5 Ob 218/15t = Newsletter vom 24. Februar 2016. RIS-Justiz RS0020981 [T11]; 5 Ob 218/15t = Newsletter vom 24. Februar 2016. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 117

*** 

§ 30 Abs 2 Z 6 MRG (und § 1118 erster Fall ABGB) Zur Benützung mehrerer Wohnungen im Kündigungsschutzes OGH 29.8.2017, 5 Ob 70/17f

Lichte

des

mietrechtlichen

Der OGH (5 Ob 70/17f) hat sich abermals zu dem für den Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG relevanten Kündigungsgrund der nicht regelmäßigen Verwendung der vermieteten Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder einer eintrittsberechtigten Person befasst: Wird die Wohnung von einer Mieterin nur als „gelegentliches Absteigquartier“ verwendet, und stellt der künftige Bedarf der Mieterin an dieser Wohnung nur eine abstrakte Möglichkeit dar, so ist der Kündigungstatbestand erfüllt. 

Rechtlicher Hintergrund:

Nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG stellt es im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG einen wichtigen Kündigungsgrund dar, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der [im Fall des Todes des Hauptmieters] eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3 MRG) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, dass der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist. Nach der Rechtsprechung setzt der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG „in gewisser Abweichung zum Gesetzestext“ 1.) das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken (durch wen immer) und 2.) den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus.293 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur regelmäßigen Verwendung des Mietobjekts zu Wohnzwecken

Eine regelmäßige Verwendung setzt voraus, dass die gekündigte Wohnung wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr (bzw einige Tage in der Woche) als Mittelpunkt der Lebensführung294 benützt wird. Selbst die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt noch nicht den Kündigungstatbestand, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt.295 Die bloße Benützung eines zu Wohnzwecken gemieteten Objekts als „Absteigquartier“296 und/oder für einzelne Verrichtungen297 reicht für eine regelmäßige Verwendung nicht aus. 293 294 295

RIS-Justiz RS0070217 [T2]. RIS-Justiz RS0079241 [T1], vgl auch RS0068874. RIS-Justiz RS0079252. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 118

Das Interesse an der Wohnung muss also über das der bloßen Bequemlichkeit hinausgehen.298 b)

Zum dringenden Wohnbedürfnis des Mieters oder einer eintrittsberechtigten Person

Auch wenn der Mieter die Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet, berechtigt dies den Vermieter dann nicht zur Kündigung, wenn der Mieter ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags hat. Diese Voraussetzung ist allerdings nur erfüllt, wenn feststeht, dass der Mieter die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigen wird. Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten ist dabei nicht Bedacht zu nehmen.299 c)

Das Vorliegen des Kündigungsgrundes ist einzelfallbezogen zu ermitteln und daher einer Prüfung durch den OGH regelmäßig nicht zugänglich (nicht revisibel)

Die Beurteilung der Frage, ob im Sinne des § 30 Abs 2 Z 6 MRG von einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken gesprochen werden kann, ist von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig und begründet daher – von Fällen einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.300 Gleiches gilt für die Frage, ob dem Beklagten im konkreten Fall aufgrund der festgestellten Umstände ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags zuzubilligen ist.301 d)

Konkreter Fall: Die Wohnung wird nur als „gelegentliches Absteigquartier“ verwendet, der künftige Bedarf der Mieterin an der Wohnung ist zudem nur eine abstrakte Möglichkeit – daher ist der Kündigungstatbestand erfüllt

Zum Sachverhalt: Eine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts nützt die beklagte Mieterin die aufgekündigte Wohnung zumindest seit dem Sommer 2015 nicht mehr regelmäßig. Vielmehr wohnt und nächtigt die Mieterin seit diesem Zeitpunkt in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Ihre unregelmäßigen, durchaus auch mehrere Tage währenden Aufenthalte samt Nächtigungen in der Wohnung dienen ausschließlich dazu, Post auszuheben, Besuche zu absolvieren, Wäsche zu waschen, diverse Einkäufe zu erledigen und anderen Bequemlichkeitsgründen. Auf Basis dieses festgestellten Sachverhalts ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die aufgekündigte Wohnung werde nicht mehr regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet und stelle im Sinne der Rechtsprechung ein bloßes „gelegentliches Absteigquartier“ dar, ist nicht zu beanstanden. Damit trifft die beklagte Mieterin die Behauptungs- und Beweislast für ihr dringendes Wohnbedürfnis.

296 297 298 299 300 301

RIS-Justiz RS0103931 [T2], RS0068874 [T5, T10]. RIS-Justiz RS0079241 [T3]. RIS-Justiz RS0103931 [T1], RS0079252 [T1]. RIS-Justiz RS0079210, vgl auch RS0068687. RIS-Justiz RS0079241 [T13, T17], RS0103931 [T5], RS0068874 [T8], RS0044086 [T2]. RIS-Justiz RS0079210 [T3]; vgl auch RS0044086. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 119

Das Vorhandensein eines eigenen Hauses schließt das Wohnbedürfnis für eine zusätzliche Mietwohnung regelmäßig aus.302 Zum Sachverhalt: Die Beklagte hat in erster Instanz zwar behauptet, dass sie „möglicherweise zum Verkauf der Liegenschaft gezwungen“ sei. Eine nur abstrakte Möglichkeit eines zukünftigen Bedarfs, nämlich im Fall eines Verlustes der vom Beklagten benutzten anderweitigen Wohngelegenheiten, reicht zur Abwehr des Kündigungsgrundes aber nicht aus.303 Das von der Beklagten erstmals in der Revision erstattete Vorbringen zur zukünftigen berufsbedingten Nutzung der aufgekündigten Wohnung304 verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist unbeachtlich. Zum Sachverhalt: Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO). 

Anmerkungen:

Zum Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 6 MRG siehe aus jüngerer Zeit unsere Newsletter vom 18. Mai 2016 zu 10 Ob 105/15m (wenn der Vermieter im Kündigungsverfahren nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG die nicht regelmäßige Benützung nachgewiesen hat, ist es Sache des Mieters, zu beweisen, dass er in nächster Zeit in die Wohnung zurückkehren wird; dieser Behauptungs- und Beweislast wird der Mieter nicht gerecht, wenn er ohne näheres Vorbringen bloß darauf hinweist, er werde die aufgekündigte Wohnung mit Sicherheit jetzt und in naher Zukunft wieder ständig aufgrund seiner finanziellen und gesundheitlichen Situation benötigen), vom 25. November 2015 zu 5 Ob 77/15g (im Zweifel ist ein konkludenter Kündigungsverzicht des Vermieters nicht anzunehmen; den Vermieter trifft keine Erkundigungspflicht betreffend die zur Verwirklichung des Kündigungstatbestands tauglichen Fakten; die Rechtsprechung des OGH verlangt in der Regel von einem die Wohnung nicht regelmäßig nutzenden Mieter den Nachweis, dass die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigt werden wird – auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten ist nicht Bedacht zu nehmen) sowie vom 12. Februar 2014 zu 5 Ob 187/13f (bei gemeinsamer Bewirtschaftung zweier benachbarter oder zumindest nahegelegener Wohnungen ist es unerheblich, in welcher Wohnung der Schwerpunkt der Wirtschaftsführung liegt; liegt faktisch eine Wohnung vor, so ist der gegenständliche Kündigungsgrund nicht verwirklicht, selbst wenn hinsichtlich der beiden Wohnungen zwei rechtlich voneinander unabhängige Bestandverträge bestehen).

F.

Judikatur zum ABGB-Bestandrecht

***  302 303 304

§ 1096 Abs 1 Satz 2 und 3 ABGB RIS-Justiz RS0079210 [T6]. RIS-Justiz RS0079243 [T1], RS0079210 [T20]. Vgl 9 Ob 78/01p = RIS-Justiz RS0068997 [T10]; RS0079241 [T5]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 120

Zur Mietzinsminderung bei reeller Befürchtung einer Gefährdung OGH 22.2.2017, 8 Ob 7/17p Der OGH (8 Ob 7/17p) hat in einem Verfahren die Feststellung des Berufungsgerichts, dass auch die Befürchtung einer Gefährdung eine Einschränkung im bedungenen Wohnzweck bewirke, welche eine Mietzinsminderung rechtfertigen könne, als Einzelfallbeurteilung unangetastet gelassen. Im zugrundeliegenden Sachverhalt wurden in einer Wohnung einerseits ein unwirksamer Fehlerschutz, der nur die Verwendung von Betriebsmitteln der Schutzklasse II zulässt, sowie Installationsmängel bei Leitungen festgestellt. Wiewohl Feuer- und Explosionsgefahr genauso wenig bestehe wie – mangels zusätzlicher Isolationsmängel – die Gefahr eines Kurzschlusses oder Stromschlags, sei dennoch angesichts der konkreten Umstände in der Wohnung von einer Mietzinsminderung im Ausmaß von 15 Prozent auszugehen. 

Rechtlicher Hintergrund:

Nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Zinses befreit, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder es während der Bestandzeit ohne Schuld des Übernehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt. Ob von einem Mangel auszugehen ist, hängt davon ab, ob die tatsächlich erbrachte von der geschuldeten Leistung abweicht305; im Zweifel ist von einer geschuldeten „mittleren Brauchbarkeit“ auszugehen.306 Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein.307 Der Anspruch auf Zinsbefreiung/Zinsminderung besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit beziehungsweise Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung.308 Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts; die Minderung des Bestandzinses ist durch Vergleich des Bestandzinses, der ohne Mangel und jenem, der mit Mangel für das Bestandobjekt am Markt zu erzielen ist, zu ermitteln.309

Nach § 1096 Abs 1 Satz 3 ABGB kann bei der Miete unbeweglicher Sachen auf den Mietzinsminderungsanspruch nicht im Voraus verzichtet werden; allfällige auf einen Ausschluss des Mietzinsminderungsrechts gerichtete Mietvertragsklauseln sind daher unwirksam. 

Sachverhalt:

Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Beklagte bei Anmietung der Wohnung unter anderem wusste, dass das Wohnhaus um das Jahr 1966 errichtet sowie dass an der Elektroinstallation seit der Errichtung des Hauses nichts verändert wurde. Weiters wurde festgestellt, dass auch der Beklagte keine Änderungen vorgenommen hat. Der Hinweis des 305 306 307 308 309

2 Ob 215/10x mit weiteren Nachweisen. RIS-Justiz RS0021054; RS0020926. RIS-Justiz RS0021443; RS0021420. RIS-Justiz RS0107866; siehe unlängst 1 Ob 183/12m (Newsletter vom 27. Februar 2013). RIS-Justiz RS0021324 [T8]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 121

Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei Übernahme der Wohnung gewusst, dass die elektrische Anlage seit ihrer Errichtung im Wesentlichen unverändert geblieben sei und nicht mehr dem aktuellen Stand entspreche, stimmt – entgegen der Rüge des Beklagten – mit dem festgestellten Tatsachensubstrat überein. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Konkreter Sachverhalt: Trotz unwirksamen Fehlerschutzes besteht keine Brand- oder Explosionsgefahr, auch der geltend gemachte Installationsmangel unter Putz verlegter Leitungen führt mangels zusätzlicher Isolationsmängel nicht zu Kurzschlüssen oder Stromschlägen

Zum Sachverhalt: Zur Frage der Mietzinsminderung ergibt sich aus den Feststellungen, dass das vom Beklagten ins Treffen geführte Gefahrenpotential aufgrund des unwirksamen Fehlerschutzes bei Verwendung von elektrischen Betriebsmitteln der Schutzklasse I besteht. Durch die Verwendung von Betriebsmitteln der Schutzklasse II, die leicht und zahlreich erhältlich sind, kann dieses Gefahrenpotential ausgeschlossen werden. Entgegen den Darstellungen des Beklagten besteht keine Brandgefahr; auch eine Explosionsgefahr ist nicht gegeben. Schließlich war der Beklagte in der Nutzung der Wohnung bei Verwendung seiner elektrischen Geräte nicht beeinträchtigt. Es kam zu keinen Kurzschlüssen und auch zu keinen Problemen bei den elektrischen Geräten. Diese besonderen Gegebenheiten aus Sicht des Beklagten hat das Berufungsgericht ausführlich gewürdigt. Zum Installationsmangel der unter Putz verlegten Zwillingsleitungen hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass für einen Kurzschluss oder einen elektrischen Schlag erforderliche zusätzliche Isolationsmängel nach den Feststellungen nicht bestehen. b)

Dessen ungeachtet rechtfertigen die konkreten Umstände eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 15 Prozent wegen einer reellen Befürchtung einer Gefährdung

Zum Sachverhalt: Dennoch ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auch die Befürchtung einer Gefährdung eine Einschränkung im bedungenen Wohnzweck bewirke. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, aufgrund der konkreten Umstände in der Wohnung des Beklagten sei eine Mietzinsminderung von 15 Prozent angemessen, betrifft typisch den Einzelfall. Eine erhebliche Rechtsfrage dazu zeigt der Beklagte nicht auf. Die Vorinstanzen haben sich mit den Einschränkungen im Gebrauch der Wohnung im Zusammenhang mit der Elektroinstallation umfassend auseinandergesetzt. Auch ein relevanter sekundärer Feststellungsmangel liegt nicht vor. c)

Mietzinsminderung schließt ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB aus

Zum Sachverhalt: Unrichtig ist die Ansicht des Beklagten, dass ihm neben dem Anspruch auf Mietzinsminderung das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB zustehe. Nach der Rechtsprechung verdrängt das dem Mieter durch § 1096 ABGB gewährte zwingende Zinsminderungsrecht für seinen Anwendungsbereich das allgemeine

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 122

Zurückbehaltungsrecht des § 1052 ABGB.310 Das in § 1052 ABGB normierte Leistungsverweigerungsrecht gilt demnach für alle synallagmatischen Verträge, bei denen nicht eine Vorleistung vereinbart oder eine Sonderregelung gesetzlich vorgesehen ist. d)

Entscheidung des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Insgesamt311 gelingt es dem Beklagten nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen. 

Anmerkung:

Vgl zu diesem konkreten Sachverhalt die Entscheidung 8 Ob 90/10h im ersten Rechtsgang: Auf Tatsachenebene sei die „Gefährlichkeit“ alter Elektroanlagen, die bekanntermaßen in Altbauwohnungen nach wie vor häufig anzutreffen sind, streng zu hinterfragen. Das Ausmaß einer dafür allenfalls zuzuerkennenden Zinsminderung hänge davon ab, inwiefern der Gebrauch, wäre die Mangelhaftigkeit bekannt gewesen, tatsächlich beeinträchtigt gewesen wäre. Liegt daher etwa die Gebrauchsbeeinträchtigung nur darin, dass in Nassräumen keine Elektrogeräte (zB Föhn) verwendet werden dürfen bzw bestimmte Stromverbraucher (zB Metalllampen) ungeeignet sind, wirke sich diese Beeinträchtigung angesichts der Tatsache, dass ein Mieter das Objekt mit einer erkennbar alten Anlage mietete, unter Umständen überhaupt nicht zinsmindernd aus. Siehe hierzu samt kritischer Anmerkungen unseren Newsletter vom 21. September 2011. *** 

§ 1096 Abs 1 Satz 2 und 3 ABGB Mietzinsminderung auch bei Mängeln, die vom Mieter nicht wahrgenommen werden OGH 24.8.2017, 8 Ob 85/17h

Der OGH (8 Ob 85/17h) hat bestätigt, dass auch Mängel, die von einem Mieter subjektiv nicht wahrgenommen werden, für einen Mietzinsminderungsanspruch relevant sein können. Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung einer Mietzinsminderung ist in einem solchen Fall, dass die Mängel in objektiver Hinsicht eine Gefahr darstellen bzw zumindest im Falle ihrer Kenntnis eine Gebrauchsbeeinträchtigung mit sich brächten. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zur Mietzinsminderung allgemein

Zum Sachverhalt: Zu der in der außerordentlichen Revision aufgeworfenen Frage der Mietzinsminderung bei einer mangelhaften elektrischen Anlage in einer Altbauwohnung ist

310 311

RIS-Justiz RS0119040; 1 Ob 198/13v. Der Beklagte erhob im Verfahren auch andere Einwände bzw Gegenforderungen gegen die Mietzins- und Räumungsklage der Vermieterin. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 123

das Berufungsgericht – unter Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 90/10h 312 – von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Gemäß § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB steht eine Mietzinsminderung für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts zu, wenn dieses bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft wird, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht (mehr) taugt. 313 Maßstab für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, ist der Zweck des Mietvertrags. Es ist – nach den allgemeinen Grundsätzen des Gewährleistungsrechts – zu fragen, ob die erbrachte Leistung objektiv von der vertraglich geschuldeten Leistung abweicht. b)

Für den Mietzinsminderungsanspruch relevant sind auch Mängel, die vom Mieter subjektiv gar nicht wahrgenommen werden, aber an sich – bei Kenntnis des Mieters – gebrauchsbeeinträchtigend wären bzw eine objektive reale Gefahr darstellen

Nicht einzustehen hat der Bestandgeber für solche Mängel, die objektiv zu keiner Gebrauchsbeeinträchtigung führen. Anderes gilt aber für Mängel, die zwar – mangels Kenntnis des Bestandnehmers – von diesem subjektiv nicht wahrgenommen werden, aber an sich gebrauchsbeeinträchtigend wären. Dies bedeutet, dass der fehlende bedungene Gebrauch nicht zwingend bemerkbar sein muss. Bei alten elektrischen Anlagen in Altbauwohnungen hängt das Ausmaß einer allenfalls dafür zuzuerkennenden Zinsminderung davon ab, inwiefern der Gebrauch tatsächlich beeinträchtigt gewesen wäre, wäre die Mangelhaftigkeit bekannt gewesen. Liegt die Gebrauchsbeeinträchtigung etwa nur darin, dass in Nassräumen keine Elektrogeräte (zB Fön) verwendet werden dürfen, oder dass bestimmte Stromverbraucher ungeeignet sind, wirkt sich eine solche Beeinträchtigung angesichts der Tatsache, dass ein Mieter das Objekt mit einer erkennbar alten Anlage gemietet hat, unter Umständen überhaupt nicht zinsmindernd aus.

Nach diesen Grundsätzen muss die Mangelhaftigkeit, wäre sie bekannt, bei objektiver Betrachtungsweise und vernünftigem Handeln des Mieters zu einer konkreten Gebrauchsbeeinträchtigung führen oder eine objektive reale und unzumutbare Gefahr darstellen. c)

Konkreter Fall: Es besteht zwar eine Divergenz zu den aktuellen gesetzlichen Vorschriften, von der aber keine konkrete Gebrauchsbeeinträchtigung und auch keine konkrete Gefahr ausgeht

Zum Sachverhalt: Ausgehend von der ermittelten Sachverhaltsgrundlage hält das Berufungsgericht fest, dass – vor der Sanierung im April 2013 – die Mängel an der elektrischen Anlage die allgemeinen Teile der Liegenschaft (vor allem Sicherungskästen) betrafen. Aufgrund des vorhandenen Fehlerstromschutzschalters in Verbindung mit der 312 313

= Newsletter vom 21. September 2011. Auf dieses Recht kann bei der Miete unbeweglicher Sachen nicht vorweg verzichtet werden (§ 1096 Abs 1 Satz 3 ABGB), der gewährleistungsrechtliche Behelf Mietzinsminderungsanspruch ist also – auch außerhalb des KSchG – zwingendes Recht. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 124

Versorgung der Schukosteckdosen mit einem Schutzleiter war eine Minderung des elektrotechnischen Sicherheitsrisikos gegeben. Sonst, also in der Wohnung des Mieters, fehlten nur bei den fest angeschlossenen Leuchten entsprechende Schutzleiter. Dieses Problem war aber durch den Anschluss von schutzisolierten Leuchten lösbar. Wenn das Berufungsgericht in dieser Situation den Schluss zieht, dass abgesehen von den fest angeschlossenen Leuchten in der Wohnung des Klägers keine elektrischen Mängel festgestellt worden seien und der Kläger auch nicht vorgebracht habe, weshalb er von den Mängeln am Vorzählersicherungskasten und Hausanschlusskasten betroffen gewesen sei, weshalb ihm aufgrund dieser Mängel kein Anspruch auf Mietzinsminderung zustehe, stellt dies keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Eine konkrete Gebrauchsbeeinträchtigung für den Kläger hat sich nicht ergeben. Auch eine konkrete aktuelle Gefahr bestand nicht. Die Probleme betrafen vielmehr die Divergenz zu den aktuellen gesetzlichen Vorschriften. Zum Sachverhalt: Dieser umfassenden Beurteilung des Berufungsgerichts kann der Mieter nicht lediglich mit dem Argument entgegentreten, die Anforderungen des Berufungsgerichts an sein Vorbringen würden vom Mieter eine elektrotechnische Expertise abverlangen, die nur elektrotechnischen Sachverständigen zukomme. Auch als Laie muss der Kläger in der Lage sein, die konkreten Gebrauchsbeeinträchtigungen darzustellen. In dieser Hinsicht liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor.

Zum Sachverhalt: Insgesamt vermag der Mieter mit seinen Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen. 

Anmerkungen:

Was der OGH in seiner von ihm zitierten Entscheidung 8 Ob 90/10h 314 implizit zum Ausdruck gebracht hat, wird mit der vorliegenden Entscheidung nunmehr ausdrücklich bestätigt: Mängel, die in objektiver Hinsicht eine Gefahr darstellen bzw zumindest im Falle ihrer Kenntnis eine Gebrauchsbeeinträchtigung mit sich brächten, können selbst dann im Wege einer Mietzinsminderung geltend gemacht werden, wenn sie vom Mieter subjektiv nicht wahrgenommen werden, die Mängel also dem Mieter gar nicht auffallen. Im Hinblick auf den gewährleistungsrechtlichen Charakter der Mietzinsminderung ist diese Einschätzung wohl als rechtsdogamtisch richtig zu werten und erspart übrigens im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch mühsame Feststellungen darüber, in welchem Ausmaß ein Mieter von einem konkreten Mangel auch tatsächlich subjektiv beeiträchtigt war (was – um nur eines von zahllosen Beispielen zu nennen – etwa auch ein Beweisverfahren über die Dauer seiner Anwesenheit und der Anwesenheit seiner Angehörigen im Mietgegesntand nötig machen würde etc). Grundsätzlich setzt die Zinsminderung eine Anzeige des zur Gebrauchsbeeinträchtigung führenden Mangels im Sinne des § 1097 ABGB voraus.315 Eine Bestandzinsminderung ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn der Bestandnehmer die Umstände, die seinen

314

315

= Newsletter vom 21. September 2017. Zu dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ist übrigens neulich mit 8 Ob 7/17p = Newsletter vom 10. Mai 2017 eine Entscheidung im zweiten Rechtsgang ergangen. RIS-Justiz RS0126618. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 125

Gebrauch behindern, akzeptiert.316 So kann etwa die vorbehaltlose Zahlung des (vollen) Bestandzinses in Kenntnis eines Mangels unter Umständen als konkludenter Verzicht auf den Rückforderungsanspruch – aber nicht ohne Weiteres auch auf zukünftige Zinsminderungen – zu werten sein. 317 Bei Mängeln, die vom Bestandnehmer gar nicht subjektiv wahrgenommen werden, aber in objektiver Hinsicht dennoch gebrauchsbeeinträchtigend sind, kann naturgemäß dem Bestandnehmer eine Anzeige nach § 1097 ABGB nicht abverlangt werden, und kann in der Zahlung des Zinses in unverminderter Höhe auch kein Verzicht auf das Zinsminderungsrecht erblickt werden. Darüber hinaus ist die Frage nach der Dauer der Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche unter dem Titel der Zinsminderung von besonderer Bedeutung – dies im Hinblick drauf, dass derartige Mängel unter Umständen erst nach vielen Jahren entdeckt werden. Mit der Entscheidung 5 Ob 25/15k318 hat der OGH die kurze Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG für Rückforderungsansprüche aufgrund Zinsminderung analog herangezogen, was durchaus zu begrüßen ist: Damit wird nämlich eine den Vermieter allzu bald wirtschaftlich gefährdende Ansammlung von Rückforderungsansprüchen vermieden, die bei einer 30-jährigen Verjährungsfrist wegen des „Summationseffekts“ (aufgrund des periodischen Charakters der Leistung, die der Rückforderung zugrunde liegt) leicht zustande kommen könnte. *** 

§ 1096 Abs 1 Satz 2 und 3 ABGB Zum Ausmaß der Mietzinsminderung bei mangelhaftem Brandschutz OGH 20.9.2017, 3 Ob 151/17b

Der OGH (3 Ob 151/17b) hat in einem Einzelfall eine gänzliche Mietzinsbefreiung wegen mangelhaften Brandschutzes in einem Mietgegenstand abgelehnt. Die Vorinstanzen hätten zu Recht die objektiv geringe Wahrscheinlichkeit eines Brandes berücksichtigt, außerdem habe die festgestellte Situation nicht etwa die Brandgefahr erhöht, sondern hätten „nur“ im Fall eines Brandes in einer anderen Wohnung des Hauses Rauchgase (früher) in die Wohnung der betroffenen Mieterin eindringen können. Dergestalt hätte im vorliegenden Fall alleine der mangelhafte Brandschutz nur eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 15 Prozent gerechtfertigt. 

Rechtlicher Hintergrund:

Nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Zinses befreit, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder es während der Bestandzeit ohne Schuld des Übernehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt.

316 317 318

RIS-Justiz RS0021408. 6 Ob 42/10k. = Newsletter vom 20. Jänner 2016. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 126

Ob von einem Mangel auszugehen ist, hängt davon ab, ob die tatsächlich erbrachte von der geschuldeten Leistung abweicht319; im Zweifel ist von einer geschuldeten „mittleren Brauchbarkeit“ auszugehen.320 Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein.321 Der Anspruch auf Zinsbefreiung/Zinsminderung besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit beziehungsweise Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung.322 Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts; die Minderung des Bestandzinses ist durch Vergleich des Bestandzinses, der ohne Mangel und jenem, der mit Mangel für das Bestandobjekt am Markt zu erzielen ist, zu ermitteln.323

Nach § 1096 Abs 1 Satz 3 ABGB kann bei der Miete unbeweglicher Sachen auf den Mietzinsminderungsanspruch nicht im Voraus verzichtet werden; allfällige auf einen Ausschluss des Mietzinsminderungsrechts gerichtete Mietvertragsklauseln sind daher unwirksam. 

Sachverhalt:

Die Beklagte ist unter anderem Mieterin einer Wohnung im Haus der Klägerin. Der Schacht, in dem sich Abgassammler (Rauchfang), Rauchsammler (Notkamin), Abluftleitungen, Wassersteigleitungen und Fallleitungen befinden, ist vierseitig aus Gipsdielen hergestellt. Dieses Gipsmauerwerk ist durch unter Putz in die Schachtwand verlegte Elektro-, Gas- und Wasserleitungen und durch die Revisionstürchen durchbrochen. Ob dadurch die erforderliche F90-Wandstärke, die eine Dauer des Feuerwiderstands gegen Versagen, Hitzedurchgang und Flammenüberschlag von 90 Minuten gewährleistet, fehlt, ist nicht feststellbar. Im März 2008 fiel die Therme in der Wohnung der Mieterin zur Gänze aus. Es gab einen Abgasrückstau. Damals wurde festgestellt, dass die Einmündung des Abgassammlers in die Wohnung der Mieterin mangelhaft war. Überdies wurde festgestellt, dass in zahlreichen Wohnungen des Hauses unzulässigerweise Ventilatoren in Betrieb waren. Werden diese gleichzeitig mit der Therme betrieben, kann ein Abgasrückstau entstehen. Auch in der Wohnung der Mieterin war ein solcher Ventilator angebracht, der vermutlich den Abgasrückstau ausgelöst hat und dann sofort abgeklemmt wurde. Sowohl der Abgassammler als auch der Rauchsammler sind ohne Mantelstein ausgeführt, sie bilden also keinen eigenen Baukörper. Das Fehlen des Mantelsteins könnte dann, wenn das Schamottrohr (der Abgassammler) brüchig wird, zu Rissen in der Schachtwand führen, was wiederum das Eindringen von Rauchgasen in die Wohnung der Mieterin nach sich ziehen könnte. 2008 gab es Risse in der Anschlussbuchse zum Rohr. Derzeit ist das Schamottrohr dicht und weist keine Schäden auf. Auch die horizontale Abdichtung des Schachts wurde mangelhaft ausgeführt; sie ist undicht, was im Fall eines Brandes in einer unterhalb der Wohnung der Mieterin liegenden Wohnung dazu führen könnte, dass Rauchgas über den Schacht in die Wohnung der Mieterin gelangt. 319 320 321 322 323

2 Ob 215/10x mit weiteren Nachweisen. RIS-Justiz RS0021054; RS0020926. RIS-Justiz RS0021443; RS0021420. RIS-Justiz RS0107866; siehe 1 Ob 183/12m = Newsletter vom 27. Februar 2013. RIS-Justiz RS0021324 [T8]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 127

Die Brandschutzsituation in der Wohnung der Mieterin war daher jedenfalls bis einschließlich Mai 2016 (bis zur Durchführung von Sanierungsarbeiten durch die Vermieterin) mangelhaft. Die Vermieterin begehrte von der Mieterin die Zahlung rückständiger Mietzinse unter anderem für die Wohnung in Höhe von zuletzt 18.300,03 EUR sA für den Zeitraum November 2013 bis Mai 2016 sowie, gestützt auf § 1118 zweiter Fall ABGB, die geräumte Übergabe dieses Objekts. Die Mieterin wendete ein, dass ihr aufgrund diverser Mängel, insbesondere wegen des mangelnden Brandschutzes, eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 100 Prozent zustehe. Das Erstgericht erachtete eine Mietzinsminderung von insgesamt 73 Prozent als angemessen und verpflichtete die Beklagte mit Teilurteil zur Zahlung von 4.756,87 EUR sA, während es das Zahlungsmehrbegehren abwies. Der mangelnde Brandschutz rechtfertige für sich allein nur eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 15 Prozent, weil das eher geringe Risiko eines Thermendefekts und eines Brandes, wodurch es zu einem Eintritt von Rauchgas in die Wohnung der Beklagten kommen könnte, durch einen Brand- und Rauchgasmelder noch verringert werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Mieterin gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge und änderte dieses über Berufung der Vermieterin dahin ab, dass es ihr einen Teilbetrag von 11.451,70 EUR sA zusprach, während es das Zahlungsmehrbegehren von 6.906,32 EUR sA abwies. Insgesamt sei nur eine Mietzinsminderung im Ausmaß von 35 Prozent angemessen, darin enthalten 15 Prozent für den mangelnden Brandschutz. Entgegen der Ansicht der Mieterin führe der mangelhafte Brandschutz nicht zu einer gänzlichen Unbenützbarkeit der Wohnung, weil die Wahrscheinlichkeit eines Brandes sehr gering sei, wobei der Brandschutz auch nicht vollständig fehle, sondern nur unzureichend sei. Ein Brandüberschlag in eine andere Wohnung und ein Rauchgaseintritt seien nie gänzlich auszuschließen, eine hundertprozentige Brandsicherheit gebe es nie. Der vorliegende Mangel erhöhe lediglich die Gefahr der Brandausbreitung um eine weitere Möglichkeit. Mit einem Brand- und Rauchgasmelder sei zwar nicht die Wahrscheinlichkeit eines Brandüberschlags oder Raucheintritts durch den Kamin zu vermindern, allerdings könnten die Folgen eines solchen Ereignisses dadurch erheblich reduziert werden. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Frage fehle, ob und in welcher Höhe unzureichender Brandschutz eine Mietzinsminderung rechtfertige. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 128

a)

Einzelfallbeurteilung bezüglich des Ausmaßes der Mietzinsminderung, die einer Revision an den OGH regelmäßig nicht zugänglich ist

Zum Sachverhalt: Da die Vorinstanzen der Mieterin – insoweit unbekämpft – eine Zinsminderung im Ausmaß von 15 Prozent zugebilligt haben, stellt sich die vom Berufungsgericht primär als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob für den mangelhaften Brandschutz überhaupt eine Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB gebühre, in dritter Instanz nicht mehr. Das – in der Revision dementsprechend allein relevierte – Ausmaß der Mietzinsminderung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab 324, weshalb seine Beurteilung regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft.325 b)

Zu den Umständen des vorliegenden Einzelfalls

Zum Sachverhalt: Mit ihren Ausführungen gelingt es der Mieterin nicht, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen bei der Bemessung der Mietzinsminderung aufzuzeigen: Der von der Mieterin als Beleg für die (gänzliche) Unbrauchbarkeit der Wohnung infolge des mangelhaften Brandschutzes ins Treffen geführte Abgasunfall im Jahr 2008 war nach den Feststellungen gerade nicht auf den (zumindest) bis Mai 2016 bestehenden Mangel (fehlende horizontale Abdichtung des Schachts) zurückzuführen, sondern auf das Vorhandensein von – in der Folge behobenen – Rissen und den unzulässigen Betrieb von Ventilatoren. Wegen der mangelhaften horizontalen Schachtabdichtung würde im Fall eines Brandes im Haus der Klägerin die nach den einschlägigen Normen erforderliche Dauer des Feuerwiderstands von 90 Minuten nicht erreicht. Eine gänzliche objektive Unbenützbarkeit der Wohnung lässt sich daraus jedoch entgegen der Ansicht der Mieterin nicht ableiten. Der Mieterin ist zuzugestehen, dass die Installation eines Rauchmelders weder die Gefahr eines Brandes oder Brandüberschlags noch die Folgen eines Brandes (mit Ausnahme der Gefährdung des Lebens der in der Wohnung anwesenden, rechtzeitig gewarnten Personen) verhindern kann. Es trifft auch zu, dass die Gefahr eines Brandes – anders als etwa eine veraltete Elektroanlage, aufgrund derer etwa im Badezimmer keine Elektrogeräte betrieben werden dürfen326 – die gesamte Wohnung betrifft und überdies der Zeitpunkt der Manifestierung dieser Gefahr nicht vorhersehbar ist. Allerdings haben die Vorinstanzen völlig zu Recht die (auch von der Mieterin selbst eingeräumte) objektiv geringe Wahrscheinlichkeit eines Brandes berücksichtigt. Außerdem ist festzuhalten, dass die festgestellte Situation nicht etwa die Brandgefahr erhöht, sondern nur im Fall eines Brandes in einer anderen Wohnung des Hauses Rauchgase (früher) in die Wohnung der Mieterin eindringen können. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das Ausmaß der von den Vorinstanzen zuerkannten Mietzinsminderung nicht zu beanstanden. c)

324 325 326

Entscheidung im vorliegenden Fall

RIS-Justiz RS0021324 [T3]. Jüngst 1 Ob 50/17k. Vgl hierzu 8 Ob 90/10h = Newsletter vom 21. September 2011; zur Entscheidung zu diesem Sachverhalt im zweiten Rechtsgang 8 Ob 7/17p = Newsletter vom 10. Mai 2017. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 129

Zum Sachverhalt: Die Revision der Mieterin, mit der sie die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens anstrebt, weil der mangelhafte Brandschutz (für sich allein) eine Mietzinsminderung von 100 Prozent rechtfertige, ist entgegen dem – den OGH nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. 

Anmerkungen:

Ohne der Entscheidung als Einzelfallbeurteilung in einer Auseinandersetzung über das Ausmaß der Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB nähertreten zu wollen, ist eindringlich davor zu warnen, aus ihr unzulässige haftungsrechtliche Schlüsse zu ziehen: Mangelhafter Brandschutz in den Bestandobjekten und auch den allgemeinen Teilen des Hauses darf keinesfalls bagatellisiert werden. Die geringe Wahrscheinlichkeit eines Brandereignisses entlastet den Vermieter keinesfalls, sofern sich die Brandgefahr doch realisiert hat. Gleichfalls wird es haftungsrechtlich keine Rolle spielen, ob von den Unzulänglichkeiten eine erhöhte Brandgefahr ausgeht oder aber das Gefährdungspotential in der Möglichkeit eines Brandüberschlags oder eines Rauchgaseintritts liegt. Fakt ist jedenfalls, dass es punkto Brandschutz in vielen Gebäuden erheblichen Handlungsbedarf gibt. Die haftungsrechtlichen Folgen bleiben gerade bei Brandunfällen häufig nicht auf zivilrechtlichen Schadenersatz beschränkt, sondern greifen rasch auch auf die unechten Unterlassungsdelikte des Strafrechts (§ 2 StGB) über. *** 

§ 1096 Abs 1 Satz 2 und 3 ABGB Zur Mietzinsminderung wegen Schimmels im Mietgegenstand und dem damit verbundenen Einwand der Mitverantwortung des Mieters für den aufgetretenen Schimmelbefall OGH 28.9.2017, 8 Ob 34/17h

Der OGH (8 Ob 34/17h) hatte sich im Zusammenhang mit einem wegen Schimmels im Mietgegenstand geltend gemachten Mietzinsminderungsanspruchs mit einer allfälligen Mitverantwortung des Mieters am Schimmelbefall zu befassen. Dabei kam er zum Schluss, der Mieter einer Wohnung dürfe grundsätzlich erwarten, dass mit einem durchschnittlichen Lüften des Mietgegenstands das Auslangen gefunden werden könne. Kann Schimmelbildung nicht mit einem normalen Lüftungsverhalten verhindert werden, sei dies nicht dem Mieter, sondern dem Vermieter zuzurechnen. Zu einer gewöhnlichen Nutzung eines Bestandobjekts gehöre auch das Aufhängen von Wäsche zum Trocknen, wobei dies aber einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung zugänglich sei. 

Rechtlicher Hintergrund:

Nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Zinses befreit, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder es während der Bestandzeit ohne Schuld des Übernehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 130

Gebrauch nicht taugt. Im Zweifel ist von einer geschuldeten „mittleren Brauchbarkeit“ auszugehen.327 Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein.328 Der Anspruch besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw Gebrauchsbeeinträchtigung bis zu deren Behebung. 329 Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach Grad und Dauer der Beeinträchtigung 330, wobei der Vertragszweck im Vordergrund steht. Es ist eine Verwendbarkeit zu fordern, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt. 331 Keine Mietzinsminderung steht zu, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung vom Bestandnehmer zu vertreten ist, soweit er den Mangel selbst verursacht hat. Sein etwaiges Allein- oder Mitverschulden an der Gebrauchsminderung ist entsprechend zu berücksichtigen. Bei Ausmessung der Mietzinsminderung sind die jeweiligen Anteile an der Mängelentstehung zu berücksichtigen. 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Vermieterin der Wohnung Top 13 des Hauses *****. Mit Mietvertrag vom 1. Juli 2012 mieteten die Beklagten dieses Objekt. Das gegenständliche Objekt besteht aus einem Wohn-/Esszimmer, einer Küche, drei Kinderzimmern, einem Schlafzimmer, Bad, WC, Garderobe, Abstellraum, Vorraum sowie PkwAbstellplatz. Der monatliche Mietzins betrug 813,49 EUR, erhöhte sich ab April 2014 auf 1.034,11 EUR, ab Jänner 2015 auf 1.055,26 EUR und ab Oktober 2015 auf 1.090,42 EUR.

Im Mietvertrag ist unter anderem festgehalten: „4. Beheizung und Lüftung Es wird darauf hingewiesen, dass insbesondere in den ersten beiden Jahren nach Bezug aufgrund der Baufeuchtigkeit entsprechend intensiv zu heizen und häufig zu lüften ist (Querdurchlüftung). (…) 6. Wasch- und Trockenraum In der Waschküche des Hauses (…) befindet sich 1 Waschmaschine und 1 Trockner, die mittels Münzzähler betrieben werden. (…) Das Aufhängen der Wäsche ist nur in den dafür vorgesehenen Räumen gestattet. In den übrigen Kellerräumen sowie in der Wohnung ist das Aufhängen von Wäsche zum Trocknen nicht gestattet.“

Die Mieter zogen mit ihren beiden Kindern, damals ca vier und sieben Jahre alt, in das Objekt ein. Im Winter 2012/2013 begann sich Kondenswasser im Bereich der Dachfenster zu bilden sowie um die Fenster Schimmel. Von der Vermieterin wurden daraufhin Trocknungsgeräte aufgestellt, die zu einer Verminderung der Luftfeuchtigkeit in den Räumlichkeiten führte. Im Februar 2013 meldeten die Mieter, dass es zu keiner Besserung gekommen sei. Die 327 328

329 330 331

RIS-Justiz RS0020926. RIS-Justiz RS0021443; RS0021420. Dies erklärt sich mit dem gewährleistungsrechtlichen Charakter der Mietzinsminderung. RIS-Justiz RS0107866. RIS-Justiz RS0021324. RIS-Justiz RS0021054; RS0020926; RS0021324. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 131

Schimmelbildung nehme wieder extrem zu wie auch das Tropfen des Kondenswassers. In der Folge wurden von der Vermieterin die Fenster im Schlafzimmer der Wohnung getauscht, später auch die Dachflächenfenster. Mit Schreiben vom Februar 2014 erklärte der Vertreter der Mieter, Mietzinsminderungsansprüche von 30 Prozent geltend zu machen. Ab März 2014 wurde ein entsprechend reduzierter Mietzins bezahlt. Im Dezember 2014 teilte der Rechtsvertreter der Mieter der Vermieterin mit, dass aufgrund der unveränderten Situation eine Mietzinsminderung von nunmehr 60 Prozent vorgenommen werde. Für die erhöhte Luftfeuchtigkeit und die damit verbundene Schimmelbildung bestehen mehrere Ursachen. Durch ein intensiveres Querlüften würden die Spitzlasten und durch ein längerfristiges Durchlüften die Feuchteanreicherung und die Schimmelgefahr nachhaltig gesenkt. Zur Abfuhr von Feuchteinträgen ist ein aktives Lüftungsverhalten erforderlich, das etwa sieben Mal am Tag notwendig wäre. Aktuelle Feuchte und Schimmelbildungen lassen sich an neuralgischen Wärmebrücken auch bei guter Lüftung nicht gänzlich ausschließen und sind baulich bedingt. Durch die Wohnungsstruktur, die Wärmebrücken und dem teilweise kleinen Luftvolumen in den Räumen, der Beheizungsart, der geringen Feuchteabfuhrmöglichkeit durch den mechanischen Lüfter im WC sowie die fehlende Abluft des Dunstabzugs weist die Wohnung im Vergleich zu anderen geringere Toleranzgrenzen auf, die bei höheren internen Feuchtewerten das Gesamtsystem früher zum Kippen bringen. Die Vermieterin begehrte 12.539,94 EUR sA sowie die Räumung des Bestandobjekts. Die Raumfeuchtigkeit sei auf ein trotz Belehrung durch die Vermieterin fortgesetztes vollkommen falsches Lüftungsverhalten der Mieter zurückzuführen. Diese hätten zu Unrecht den Mietzins gemindert, weshalb nach § 1118 ABGB die Auflösung des Bestandverhältnisses erklärt werde. Die Wohnung sei den Mietern im Juni 2012 in ordnungsgemäßem, schimmelfreien Zustand übergeben worden. Durch das falsche Nutzungsverhalten, unrichtiges Lüften und Aufhängen von Wäsche zum Trocknen in der Wohnung sei es zu einem Ansteigen der Raumfeuchtigkeit gekommen. Diese sei nicht auf Mängel der Wohnung selbst zurückzuführen. Ein Mietzinsminderungsanspruch besteht daher nicht zu Recht.

Die Mieter bestritten und brachten vor, dass bereits im Spätherbst 2012 sowie im Winter 2012/2013 im Bereich der Wände und Fenster Feuchtigkeit aufgetreten sei. Trotz Austausch der Dachflächenfenster sei es zu keiner Besserung gekommen und es habe sich Schimmel gebildet, dies habe zu Atembeschwerden der Mieter und ihrer Kinder geführt. Die Vermieterin habe keine Maßnahmen zur Brauchbarmachung und Schadensbehebung gesetzt. Aufgrund dieses Zustands hätten die Mieter ihr Mietzinsminderungsrecht von 30 bzw 60 Prozent in Anspruch genommen. Dies sei dadurch gerechtfertigt, dass das Bestandobjekt nicht dem bedungenen Gebrauch entspreche, in unzumutbarer Weise Feuchtigkeit an den Wänden und Fenstern vorhanden gewesen sei, die weit über den Normwerten liege, es zu einer ausgeprägten Schimmelbildung gekommen sei, woraus auch gesundheitliche Schäden resultierten. Die Mieter treffe an diesen Schäden kein Verschulden. Ein fehlerhaftes Lüftungsverhalten liege nicht vor. Eine besondere Aufklärung durch die Vermieterin darüber sei nicht erfolgt. Die Mieter hätten keine Vertragsverletzungen oder sonstige Fehlverhalten Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 132

gesetzt. Die vorprozessualen Kosten der Rechtsvertretung der Beklagten von 1.812 EUR würden compensando eingewendet.

Mit Teilurteil verpflichtete das Erstgericht die Mieter zur ungeteilten Hand, der Vermieterin 9.004,63 EUR sA zu zahlen. Die Entscheidung über das Räumungsbegehren […] behielt es der Endentscheidung vor. Es ging davon aus, dass ein Mietzinsminderungsanspruch für die Dauer und im Ausmaß der Unbrauchbarkeit ex lege eintrete. In der Wohnung habe es eine Beeinträchtigung durch Feuchtigkeit sowie der damit verbundenen Bildung von Schimmel gegeben. Eine wesentliche Ursache dafür sei im Verhalten der Mieter gelegen, die nicht für eine ausreichende Lüftung der Mietwohnung Sorge getragen hätten. Nach den Feststellungen sei täglich nur allenfalls ein paar Mal kurz gelüftet worden. Die Frequenz des Lüftens sowie die Dauer habe nicht genügt. Unabhängig davon habe auch eine bauliche Situation bestanden, die die Feuchtebildung in der Mietwohnung begünstigt habe. Unter Berücksichtigung der Nutzungseinschränkung sei ein Mietzinsminderungsanspruch von 15 Prozent angemessen. Davon ausgehend bestehe die Forderung der Vermieterin mit 9.004,63 EUR zu Recht.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Mieter gab das Berufungsgericht nicht Folge. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es dahingehend ergänzt werde, dass das Mehrbegehren, die Mieter seien zur ungeteilten Hand schuldig, einen weiteren Betrag von 3.535,31 EUR sA zu zahlen, abgewiesen werde. Das Verfahren habe mietzinsmindernde Umstände ergeben, die der Sphäre der Vermieterin zuzurechnen seien, wie die bauliche Situation. Die vom Erstgericht angenommene Mietzinsminderung von 15 Prozent sei nicht korrekturbedürftig. Demgegenüber hätten auch die Mieter einen maßgeblichen Anteil an der in der Wohnung herrschenden Feuchtigkeit und einer dadurch bedingten Schimmelbildung aufgrund ihres Lüftungs- bzw Wohnverhaltens. Auch hätten sie vertragswidrig Wäsche zum Trocknen in der Wohnung aufgehängt. Eine über die 15 Prozent hinausgehende Mietzinsreduktion sei daher nicht gerechtfertigt.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu, da die Mietzinsminderung regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragen die Mieter, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Vermieterin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.



Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Schimmel ist grundsätzlich ein für Mietzinsminderung relevanter Mangel

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Mieter mit dem Auftreten von Schimmelbildung in zum Wohnen gewidmeten Räumlichkeiten weder bei Beginn des Mietverhältnisses noch im Laufe der Zeit zu rechnen braucht. Schimmelbildung kann, […] Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 133

wenn sie nicht bloß oberflächlich ist, sogar gesundheitliche Nachteile nach sich ziehen. Daher ist grundsätzlich auch davon auszugehen, dass Schimmel der (mittleren) Brauchbarkeit entgegensteht. b)

Ein Mieter wird erwarten dürfen, dass mit einem durchschnittlichen Lüften des Mietgegenstands das Auslangen gefunden werden kann

Zum Sachverhalt: Dass die Beschaffenheit des Objekts ursächlich für die Schimmelbildung war, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Zu prüfen ist nur mehr eine allfällige Mitverantwortlichkeit der Beklagten. Dass die Feuchtigkeitsbildung auf „interne feuchte Quellen“ (darunter ist nach dem Gutachten Atmung, Waschen, Kochen, Aufstellen von Pflanzen zu verstehen) zurückzuführen ist, ist bei normalem Wohnverhalten unvermeidbar und sagt nichts über ein Fehlverhalten der Mieter aus. […] Wird ein Objekt zu Wohnzwecken vermietet, hat der Vermieter dafür einzustehen, dass es in ortsüblicher Weise auch dafür genutzt werden darf und nutzbar ist. 332 Bei der wie ausgeführt üblicherweise anzunehmenden, durchschnittlichen Brauchbarkeit eines als Wohnung vermieteten Bestandobjekts wird der Mieter daher auch erwarten können, dass mit einem durchschnittlichen Lüften das Auslangen gefunden werden kann. Ist ein darüber hinausgehendes Lüftungsverhalten erforderlich, um Schimmelbildung zu verhindern, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass dies an der Beschaffenheit des Bestandobjekts, nicht am normalen Wohnverhalten des Bestandnehmers liegt. Kann Schimmelbildung nicht mit einem normalen Lüftungsverhalten verhindert werden, ist dies daher dem Vermieter, nicht dem Mieter zuzurechnen. Zum Sachverhalt: Soweit die Vorinstanzen den Mietern ein fehlerhaftes Lüftungsverhalten vorwerfen, lässt sich den Entscheidungen nicht entnehmen, von welchem Lüftungsverhalten der Mieter sie konkret ausgehen. Dazu fehlen konkrete Feststellungen. Aus den Vorentscheidungen lässt sich aber auch nicht ableiten, von welchem richtigen Lüftungsverhalten ausgegangen wird. Wenn das Erstgericht dazu festhält, dass (technisch gesehen) zur Abfuhr von Feuchteinträgen aufgrund der konkreten Verhältnisse ein siebenmal tägliches Querlüften erforderlich ist, bedeutet das nicht, dass ein derartiges Lüftungsverhalten ohne eine konkrete Vereinbarung, die im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden konnte, von einem Wohnungsmieter auch gefordert werden kann. Tatsächlich wird ein solches Lüften in der Regel nicht zumutbar sein, insbesondere nicht während der Wintermonate. Anschaulich zeigt sich dies etwa bei den Feststellungen hinsichtlich des Schlafzimmers und der Erforderlichkeit einer aktiven Lüftung während der Schlafphase, die realistischerweise nicht umsetzbar ist. Auch ist es einem Mieter nicht zumutbar, im Winter – wie nach den Feststellungen erforderlich – während des gesamten Kochvorgangs aktiv zu lüften. Es sind daher zu einer abschließenden Beurteilung zusätzliche Feststellungen erforderlich, ob die Mieter das ihnen zumutbare Lüftungsverhalten vernachlässigt haben und ob dadurch relevant zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit und der Schimmelbildung beigetragen wurde. 332

Vgl dazu anschaulich LG für ZRS Wien, 40 R 104/08b. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 134

c)

Das Aufhängen von Wäsche gehört an sich zwar zur gewöhnlichen Nutzung einer Wohnung, doch kann Gegenteiliges vertraglich vereinbart werden

Zu einer gewöhnlichen Nutzung eines Bestandobjekts gehört auch das Aufhängen von Wäsche zum Trocknen. Zum Sachverhalt: Im konkreten Fall wurde allerdings zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart, dass dies vom Bestandnehmer zu unterlassen ist. Weiters wurde im Haus ein Trockner zur Verfügung gestellt, der mit Münzeinwurf bedient werden kann. Insoweit kann den Mietern das – vertragswidrige – Aufhängen von Wäsche in der Wohnung allenfalls als mitursächlich für die Schimmelbildung vorgeworfen werden. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen die Mieter zunächst einen eigenen Trockner, nachdem dieser defekt geworden ist, einen Trockner im Keller des Objekts verwendeten. In diesem Zusammenhang ist daher unklar, ab welchem Zeitraum die Mieter tatsächlich Wäsche aufhängten und inwieweit dies mit dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Mietzinsminderung korreliert. Auch diesbezüglich sind weitere Feststellungen erforderlich. d)

Zu (weiteren) Feststellungsmängeln im bisherigen Verfahren

Zum Sachverhalt: Unabhängig von einem noch zu klärenden, für die Nutzungsbeeinträchtigung mitursächlichem Verhalten der Mieter lässt sich die von der Revision bestrittene Angemessenheit der vorgenommenen Mietzinsreduktion aber auch schon deshalb nicht überprüfen, weil das Erstgericht zwar umfangreiche Feststellungen zu der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz und zu einzelnen Behebungsmaßnahmen getroffen hat, jedoch Feststellungen dazu fehlen, in welchen Räumen und in welcher Intensität es tatsächlich zu Schimmelbildung und damit einer Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit gekommen ist. [Es bedarf auch Feststellungen darüber], ob die Beeinträchtigung während des gesamten Zeitraums gleich war, sich über einen längeren Zeitraum erst entwickelt hat oder aber etwa abhängig von den Jahreszeiten differierte. Aufgrund des Fehlens wesentlicher Feststellungen kann daher derzeit nicht beurteilt werden, in welchem Umfang den Mietern ein Mietzinsminderungsanspruch zukommt, insbesondere ob dieser über den von den Vorinstanzen angenommenen 15 Prozent anzusetzen ist. Daher waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die – zur Klarstellung der Rechtslage zulässige – Revision ist daher im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt. 

Anmerkungen:

Zur Klärung einer allfälligen Mitverantwortung des Mieters für den in der Wohnung aufgetretenen Schimmelbefall sind naturgemäß Zumutbarkeitsüberlegungen anzustellen: Aus den Ausführungen des OGH geht klar hervor, dass dem Mieter nur ein solches Lüftungsverhalten abverlangt werden kann, das zumutbar ist. Die Zumutbarkeit einer aktiven Lüftung während der Schlafphase oder während der Gesamtdauer eines Kochvorgangs wird dabei vom OGH zu Recht in Zweifel gezogen. Die Zumutbarkeit ist nicht nur dann ein relevanter Maßstab, wenn man sich – wie hier – vor dem Hintergrund Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 135

allgemeiner vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten mit der Frage eines ordnungsgemäßen Gebrauchs des Mietgegenstands seitens des Mieters (oder vice versa mit einer Verantwortung des Mieters für einen im Gegenstand aufgetretenen Mangel) auseinanderzusetzen hat. Vielmehr sind natürlich auch vertraglich konkret auferlegte Sorgfaltspflichten des Mieters (zB über Art, Ausmaß und Häufigkeit des Lüftens) dahingehend zu überprüfen, ob deren Beachtung dem Mieter überhaupt zumutbar ist (oder ob nicht mit überbordenden vertraglich definierten Sorgfaltspflichten das Risiko für einen im Grunde genommen für einen gewöhnlichen Gebrauch gar nicht tauglichen Mietgegenstand auf den Mieter überwälzt wird). Auch bei einem – hier gegenständlichen – vertraglich vereinbarten Verbot des Aufhängens von Wäsche im Mietgegenstand zum Trocknen wird man davon auszugehen haben, dass dieses Verbot nur dann durchsetzbar ist, wenn – wie hier in Gestalt eines in der Waschküche des Hauses befindlichen Trockners – für den Mieter eine probate Alternative besteht. *** *** 

§ 1116 ABGB Zur Wirksamkeit eines seitens der Vermieterin gegenüber dem Mieter eines Rohdachbodens erklärten ca 100-jährigen Kündigungsverzichts vor dem Hintergrund eines dem Mieter eingeräumten Rechts zum Ausbau des Dachbodens samt Lifteinbau auf eigene Kosten OGH 21.12.2017, 6 Ob 134/17z

Der OGH (6 Ob 134/17z) hat einen seitens der Vermieterin gegenüber dem Mieter eines Rohdachbodens erklärten ca 100-jährigen Kündigungsverzicht vor dem Hintergrund eines dem Mieter eingeräumten Rechts zum Ausbau des Dachbodens samt Lifteinbau auf eigene Kosten als zulässig erklärt und der Klage des Mieters auf Feststellung des wirksamen Bestandes des Mietverhältnisses stattgegeben. Nur eine völlige Ausschaltung einer vorzeitigen Vertragsauflösung aus wichtigem Grund sei sittenwidrig, nicht aber ein Kündigungsverzicht, der ohnehin eine sofortige Auflösung aus wichtigem Grund zulässt. Aufgrund einer mit dem Baurecht vergleichbaren Interessenlage hat der OGH im vorliegenden Fall auch die Dauer des Kündigungsverzichts nicht beanstandet. 

Sachverhalt:

Am 21. April 1993 schlossen die Beklagte und ihre Mutter als Miteigentümer eines Hauses in Wien IX. mit dem Erstnebenintervenienten einen Mietvertrag über den (Roh-)Dachboden dieses Hauses mit einer Fläche von 297 m². Mit dem Mietrecht war auch das Nutzungsrecht an einem Flachdach im Ausmaß von 68 m² verbunden. Die am Dachboden gelegene ehemalige Waschküche war zu diesem Zeitpunkt an einen Künstler vermietet, der den Raum als Atelier nutzte. Die Mutter der Vermieterin, die die Vertragsverhandlungen führte, äußerte gegenüber dem Erstnebenintervenienten den Wunsch, dass der Dachboden, solange es gehe, nicht ausgebaut werde. Dem

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 136

Erstnebenintervenienten kam dies sehr gelegen, weil er mangels finanzieller Mittel mit dem Ausbau nicht sofort beginnen wollte. Beiden war klar, dass jedenfalls solange, als der Künstler die ehemalige Waschküche am Dachboden nutzte, mit den Ausbauarbeiten nicht begonnen würde. Im Mietvertrag heißt es: „I. … 3. … Dem Mieter wird das unwiderrufliche Recht eingeräumt, den oben näher dargestellten Dachboden unter Einbeziehung des Flachdaches im Rahmen der Bestimmungen der Bauordnung für Wien sowie der sonstigen gesetzlichen Bestimmungen nach eigenen Plänen auszubauen und zu nutzen sowie einen Aufzug zuzubauen. Alle damit im Zusammenhang stehenden Kosten trägt der Mieter.

II. … 3. Es wird dem Mieter überlassen, wann mit den oben erwähnten Arbeiten begonnen wird. III. 1. Das Mietverhältnis beginnt am 20. April 1993 und wird auf unbestimmte Zeit errichtet. 2. Die Vermieter sind berechtigt, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer vierteljährigen Kündigungsfrist zum Ende des Kalendermonats aus den Kündigungsgründen des MRG gerichtlich aufzukündigen. 3. Die Vermieter sind jedoch berechtigt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist die Aufhebung dieses Vertrags zu verlangen, wenn der Mieter mit drei aufeinanderfolgenden Mietzahlungen im Rückstand ist und die rückständigen Mietzinszahlungen nach eingeschriebenen Mahnungen an die zuletzt bekannt gegebene Anschrift des Mieters nicht innerhalb einer Frist von 10 Tagen an die Vermieter bezahlt werden. 4. Im Hinblick auf die hohen vom Mieter zu tätigenden Investitionen verzichten die Vermieter, mit Ausnahme des zu III.3. genannten Kündigungsgrundes, auf ihr Recht auf Aufkündigung sowie Aufhebung dieses Mietvertrags aus welchem Rechtsgrund immer, bis zum 31. Dezember 2093. 5. Die Vertragsteile vereinbaren hiermit die Verdinglichung des Bestandrechts des Mieters iSd § 1095 ABGB für einen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2093, … IV.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 137

1. Der vereinbarte Mietzins ist monatlich im Voraus zu entrichten und besteht aus dem Hauptmietzins, dem Anteil an den Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben sowie der Umsatzsteuer und ist wertgesichert. Als Hauptmietzins wird ein Betrag von 7,40 ATS pro Quadratmeter Nutzfläche (§ 17 Abs 2 MRG) vereinbart. … 3. Die Höhe des Hauptmietzinses wird nach Fertigstellung des Dachbodenausbaus neu zu ermitteln sein und errechnet sich nach der tatsächlichen Nutzfläche (iSd § 17 MRG) des fertiggestellten Dachgeschossausbaus unter Zugrundelegung eines Hauptmietzinses von 7,40 ATS pro Quadratmeter Nutzfläche zuzüglich der in IV.1. genannten Betriebskosten, laufenden Abgaben sowie der Umsatzsteuer. ... 5. Der monatliche Mietzins ist erstmalig ab dem der Erteilung der Benützungsbewilligung für den fertiggestellten Dachgeschossausbau folgenden Monatsersten zu bezahlen. 6. Als Sicherstellung für seine, ab dem in IV.5. genannten Zeitpunkt beginnende Mietzinszahlungsverpflichtung leistet der Mieter bei Vertragsunterfertigung eine Kaution in Höhe von 320.000 ATS, zahlbar auf das Konto bei der … zu Konto … aus dieser Kaution sind, außer dem Falle des Punktes V.2., ab dem in Punkt IV.5. genannten Zeitpunkt die monatlichen Mietzinse zugunsten des Mieters abzudecken, solange bis diese Kaution aufgebraucht ist. V. … 2. Sollte aufgrund des Bau- und/oder Erhaltungszustands oder aus sonstigen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der vom Mieter gewünschte Dachgeschossausbau nicht oder nur mit einem erheblichen Mehraufwand für den Mieter möglich sein oder wird die Baubewilligung für den vom Mieter beabsichtigten Ausbau bzw die Errichtung des Aufzugs rechtsbeständig versagt, so ist der Mieter zur sofortigen Auflösung dieses Vertrags berechtigt. In diesem Fall haben die Vermieter die zu IV.6. genannte Sicherstellung in Höhe von 320.000 ATS zuzüglich hiermit vereinbarter Zinsen in Höhe von 9 % pA, ab 1. Mai 1993 an den Mieter zur Gänze zurückzubezahlen. 3. Zur Sicherstellung der Forderung des Mieters auf Rückzahlung der Kaution samt Zinsen gemäß V.2. dieses Vertrags räumen die Vermieter dem Mieter ein Pfandrecht für den Höchstbetrag von 460.000 ATS hinsichtlich der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft … ein und der Mieter erklärt die Vertragsannahme. … VII. 1. Im Hinblick auf die zu tätigenden Investitionen räumen die Vermieter dem Mieter das Recht ein, sämtliche Rechte und Pflichten aufgrund dieses Vertrags hinsichtlich des

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Bestandobjekts, nach Wahl des Mieters im ausgebauten oder unausgebauten Zustand, gänzlich oder teilweise an Dritte weiter zu geben (Weitergaberecht), sowie das Bestandobjekt im ausgebauten oder unausgebauten Zustand gänzlich oder teilweise unterzuvermieten (Untervermietungsrecht). Im Falle der Ausübung des Weitergaberechts tritt mit dem Zeitpunkt der schriftlichen Bekanntgabe des Neumieters an die Vermieter dieser mit allen Rechten und Pflichten an die Stelle des Altmieters in das Vertragsverhältnis ein, wozu die Vermieter bereits jetzt ihre Zustimmung erteilen (§ 1405 ABGB). 2. Die zu VII.1. genannten Rechte des Mieters kommen auch den vom Mieter namhaft gemachten Neumieters sowie auch deren Nachfolgern zu. ... 5. Das Mietverhältnis mit all seinen Rechten und Pflichten geht beiderseits auf die Rechtsnachfolger über. Die Vermieter verpflichten sich, soweit ein solcher Übergang nicht von gesetzeswegen stattfindet, die Bestimmungen dieses Mietvertrags auf ihre Rechtsnachfolger in der Verfügungsberechtigung über das Haus … in der Weise zu überbinden, dass diese zugleich verpflichtet sind, ihrer dieselben Bestimmungen auf ihre Rechtsnachfolger und deren etwaige Rechtsnachfolger zu überbinden.“

Der Betrag von 320.000 ATS, der vom Erstnebenintervenienten auf das Konto der Mutter der Vermieterin überwiesen wurde, sollte nach dem Parteiwillen gleichsam eine Mietzinsvorauszahlung sein. Aus steuerlichen Gründen war über Wunsch der Mutter der Vermieterin auf Anraten ihres Steuerberaters dieser Betrag als „Kaution“ betitelt. Um zunächst einmal sicherzugehen, dass für einen Dachbodenausbau überhaupt eine Baubewilligung zu erlangen war, stellte der Erstnebenintervenient Ende der 1990er Jahre einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung, die er auch erhielt. Die Vermieterin ist als eingeantwortete Erbin nach ihrer Mutter seit September 2000 Alleineigentümerin der Liegenschaft. Am 17. April 2003 wurde der Erstnebenintervenient von einem Mitarbeiter der Hausverwaltung verständigt, dass der Künstler verstorben war und der Erstnebenintervenient daher den ganzen Dachboden zur Verfügung habe. Mit Vereinbarung vom 1. Februar 2007 trat der Erstnebenintervenient sein Mietrecht samt allen im Mietvertrag näher geregelten Rechten und Pflichten mit Wirkung zum 1. Jänner 2007 an den Kläger ab. Der Kläger beauftragte einen Architekten mit der Entwurfs- und der Einreichplanung. Im Juni 2007 kam es zum ersten persönlichen Treffen der Streitteile. Der Kläger sagte der Vermieterin, er werde den Dachbodenausbau durchführen und wolle mit seinen beiden Kindern in das Haus einziehen.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 139

Am 28. Juni 2007 kam es in der Kanzlei der Hausverwaltung zu einem Treffen, bei dem er der Beklagten ein vom Erstnebenintervenienten verfasstes Schreiben vom 26. Juni 2007 über die Abtretung des Mietrechts übergab. Der Kläger beauftragte einen Einreichplan für den Dachbodenausbau und für den Aufzugsanbau. Beide Einreichpläne wurden von der Vermieterin unterfertigt und bei der Baubehörde eingereicht. Die Baubewilligung für den Dachbodenausbau wurde mit Bescheid vom 16. Juni 2008 und die Bewilligung des Aufzugsanbaus wurde mit Bescheid vom 12. November 2009 erteilt. Nachdem die Ehe des Klägers im Oktober 2010 geschieden worden war und ihm nun finanzielle Mittel für den Dachbodenausbau fehlten, sprach der Kläger mit der Vermieterin über die Umwandlung des Mietvertrags in einen Baurechtsvertrag. Der Beklagten war jedenfalls ab diesem Zeitpunkt bekannt, dass dem Kläger aufgrund der Scheidung die finanziellen Mittel für das konkret geplante Bauvorhaben fehlten, weil der Kläger die Umstände offengelegt hatte. Der Baubewilligungsbescheid für den Dachbodenausbau lief 2012 ab. Bei einem Treffen im Jahr 2013 erkundigte sich der Kläger bei der Vermieterin, ob nicht sie selbst oder ein Mieter im Haus Interesse habe, mit ihm den Dachboden auszubauen und den Lift einzubauen. Im Juni 2014 sagte der Kläger der Vermieterin, dass er jedenfalls den Dachboden ausbauen wolle, er sich aber leichter tun würde, wenn er den Dachboden in Eigentum bekommen würde. Dies habe für die Vermieterin den Vorteil, dass sie einen entsprechenden Kaufpreis von ihm erhalten würde. Im Juli 2014 lehnte die Vermieterin einen Verkauf des Dachbodens ab. Mit Vereinbarung vom 27. März 2015 trat der Kläger an den Zweitnebenintervenienten und die Drittnebenintervenientin die Mietrechte aus dem Mietvertrag vom 21. April 1993 samt allen darin näher geregelten Rechten und Pflichten unter der aufschiebenden Bedingung ab, dass die Vermieterin in grundbuchsfähiger Form zustimmt, dass die beiden Nebenintervenienten anstatt des Erstnebenintervenienten als Berechtigte des einverleibten Bestandrechts und der Höchstbetragshypothek eingetragen werden. Zu keinem Zeitpunkt drängte die Vermieterin den Erstnebenintervenienten oder den Kläger, mit dem Dachbodenausbau zu beginnen. Die Vermieterin war vielmehr froh, dass weder der Erstnebenintervenient noch der Kläger tatsächlich mit dem Dachbodenausbau begannen. Ab ca 2015 war es ihr Bestreben, vom Mietvertrag los zu kommen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung, dass die Mietrechte hinsichtlich des Rohdachbodens gemäß den Bestimmungen des Mietvertrags vom 21. April 1993 aufgrund der Vereinbarung vom 1. Februar 2007 vom Erstnebenintervenienten wirksam an den Kläger übertragen wurden und dass daher zwischen dem Kläger als Mieter einerseits und der Beklagten als Vermieterin andererseits ein aufrechtes Mietverhältnis hinsichtlich des Rohdachbodens gemäß den Bestimmungen des Mietvertrags vom 21. April 1993 besteht.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 140

Die Vermieterin beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Vereinbarung sei von Anfang an nichtig und binde daher nicht. Der Vertrag sei nämlich höchst unausgewogen und nachteilig für die Beklagte, weshalb er sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 1 und Abs 3 ABGB sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, der vereinbarte Mietzins habe der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zwingenden gesetzlichen Regelung entsprochen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Kosten für den Dachbodenausbau und den Aufzugseinbau ausschließlich vom Mieter zu tragen seien und dieser auch die Verpflichtung zur „Instandhaltung des Dachgeschossausbaus nach dessen Fertigstellung, soweit es den Innenraum betrifft, sowie des Aufzugs und auch der Außenfenster im Bereich des Dachausbaus“ übernommen habe. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände könne keine Rede davon sein, dass Leistung und Gegenleistung in einem derart auffallenden Missverhältnis stünden, dass der Mietvertrag sittenwidrig und ungültig wäre. Der Erstnebenintervenient habe sein Mietrecht wirksam an den Kläger übertragen. Eine bestimmte Frist für den Dachbodenausbau sei nicht vereinbart worden. Im Gegenteil habe es dem Willen der Mehrheitseigentümerin im Vertragsabschlusszeitpunkt entsprochen, so lange wie möglich mit dem Dachbodenausbau zuzuwarten. Auch die Vermieterin habe nicht auf einen Dachbodenausbau gedrängt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Vermieterin Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts im klagsabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Sittenwidrigkeit des Mietvertrags ergebe sich schon aus dem Zusammenspiel der Bestimmungen des Mietvertrags vom 21. 4. 1993, insbesondere der Punkte I.3., II.3., III.1. und 4., IV.5. und 6., V.2. und 3., und deren rechtlichen Konsequenzen für die wechselseitigen Rechte und Pflichten. Nach den Feststellungen sei im Ergebnis dem Rechtsvorgänger des Klägers der Rohdachboden 1993 mit der Abrede übergeben worden, dass ihm das unwiderrufliche Recht zukomme, zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt seiner Wahl einen Ausbau vorzunehmen, eine Mietzinszahlungspflicht aber erst durch die Erteilung der Benützungsbewilligung für den fertiggestellten Dachausbau in Kraft gesetzt werde. Gleichzeitig sei ein 100-jähriger Kündigungsverzicht abgegeben worden. Dies habe zur Folge, dass das Bestandobjekt dem Mieter zwar sofort zur Verfügung stehe, aber unklar sei, ab wann und ob überhaupt jemals ein Entgelt für die Nutzungsrechte am Dachboden fällig werde. Die Rückzahlung der bei Vertragsabschluss übergebenen Mietzinsvorauszahlung (zuzüglich Zinsen) sei zwar nur für den Fall vereinbart worden, dass ein Dachausbau unmöglich sei, doch führe die Konstruktion der Vereinbarung durch Verknüpfung des Beginns der Mietzinszahlungspflicht mit der Erteilung einer Benützungsbewilligung für den nur vom Mieter zu veranlassenden Dachausbau zum Ergebnis, dass niemals Mietzins fällig werden könne, wenn der Mieter den Dachausbau nicht fertig stelle, keine Benützungsbewilligung erwirkt werden könne und der Vertrag beendet werde. Diese Rückzahlungsverpflichtung sei noch dazu mit einer Höchstbetragshypothek auf der Liegenschaft gesichert. Dass die als „Kaution“ betitelte Mietzinsvorauszahlung im Jahr 1993 dem Kaufpreisäquivalent für den Rohdachboden entsprochen habe, ändere an der Sittenwidrigkeit des Vertrags wegen der hinausgeschobenen Fälligkeit und der Rückzahlungsverpflichtung nichts. Gegenständlich sei der Schutz des Vertragspartners vor massiver Übervorteilung durch einen Knebelungsvertrag. Die Dispositionsbefugnis der Beklagten über den Bestandgegenstand werde ohne gesicherte Aussicht auf eine äquivalente

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 141

Gegenleistung für die ungewöhnlich lange Zeit von 100 Jahren faktisch und rechtlich beseitigt. Damit liege eine derart massive Äquivalenzstörung vor, dass Sittenwidrigkeit angenommen werden müsse.

Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen des Klägers, des Zweitnebenintervenienten und der Drittnebenintervenientin. Die Vermieterin hat die Revisionen nach Freistellung beantwortet.



Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Konkreter Fall: Es liegt bereits ein Bestandvertrag (und nicht bloß eine Option) vor

Zum Sachverhalt: Entgegen der in der Revisionsbeantwortung wiederholten Ansicht der Vermieterin ist der von ihr und ihrer Mutter mit dem Erstnebenintervenienten geschlossene Vertrag keine Option oder einer Option vergleichbar. Die Vermieterin meint, es liege „bis heute“ kein Mietvertrag vor, weil zwar eine Gebrauchsüberlassung, aber kein Entgelt gegeben sei. Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht.333 Zum Sachverhalt: Das Gestaltungsrecht besteht nach Meinung der Vermieterin darin, durch Herbeiführung einer Benützungsberechtigung nach dem Dachgeschossausbau die Verpflichtung zur Zahlung von Mietzins in Gang zu setzen oder auszulösen. Erst dann läge ein „eigentlicher“ Mietvertrag vor. Dem ist zu erwidern, dass der mit dem Erstnebenintervenienten abgeschlossene Vertrag bereits den notwendigen Inhalt eines Bestandvertrags hat, der nicht erst in Geltung gesetzt werden muss, und bloß die Fälligkeit des Mietzinses hinausgeschoben wurde. Im Übrigen konnten die Vermieter die bei Vertragsabschluss geleistete Mietzinsvorauszahlung fruchtbringend nutzen. b)

Zur Sittenwidrigkeit allgemein

Zum Sachverhalt: Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Mietvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 879 Abs 1 ABGB) nichtig. Sittenwidrig sind nach ständiger Rechtsprechung Verträge, wenn eine Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt oder wenn bei Interessenkollisionen ein grobes Missverhältnis zwischen den verletzten und den geförderten Interessen vorliegt.334 Ob ein Vertrag sittenwidrig ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen das Rechtsgeschäft geschlossen wurde, anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung ankommt. 335 333 334 335

RIS-Justiz RS0115633. 8 Ob 112/13y mit weiteren Nachweisen; RIS-Justiz RS0113653; RS0045886. RIS-Jusitz RS0113653 [T3]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 142

c)

Ein Kündigungsverzicht ist nicht sittenwidrig, wenn eine Auflösung aus wichtigem Grund möglich bleibt

Ein allgemeiner Kündigungsverzicht (auch nur von einer Seite) auf bestimmte oder bestimmbare Zeit ist nach Lehre und Rechtsprechung nicht als unzulässiger Knebelungsvertrag sittenwidrig, sondern wirksam.336 Auch ein über den Tod des Bestandgebers hinaus wirksamer Kündigungsverzicht bedeutet keine sittenwidrige Knebelung, wenn ohnehin eine Auflösung nach § 1118 ABGB möglich ist. Auch sonst unkündbare Bestandverträge können ja selbst im Anwendungsbereich der Kündigungsschutzbestimmungen des MRG aus in der Person des Bestandnehmers liegenden Gründen, die eine Fortsetzung des Bestandverhältnisses unzumutbar erscheinen lassen337, vorzeitig aufgelöst werden können. Dies gilt bei nicht unter die Anwendbarkeit des MRG fallenden Bestandverhältnissen auch aus anderen Gründen, die für den Bestandgeber die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bewirken.338

d)

Nur die völlige Ausschaltung einer vorzeitigen Vertragsauflösung aus wichtigem Grund ist sittenwidrig

Nur die völlige Ausschaltung einer vorzeitigen Vertragsaufhebung aus wichtigem Grund wird als sittenwidrig beurteilt. 339 Zum Sachverhalt: Davon ist bei dem hier zu beurteilenden Kündigungsverzicht im Zweifel nicht auszugehen, weil er eine außerordentliche Kündigung nicht ausdrücklich ausschließt 340 und die Vereinbarung eines Grundes für die sofortige Aufhebung des Vertrags in Punkt III.3. des Mietvertrags darauf hindeutet, dass die Vertragsparteien eine Kündigung aus in der Sphäre des Mieters liegenden Gründen, die für die Vermieter die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses begründen, nicht ausschließen wollten. e)

Konkreter Fall: Aufgrund einer mit dem Baurecht vergleichbaren Interessenlage ist auch die (ca 100-jährige) Dauer des Kündigungsverzichts nicht zu beanstanden

Zum Sachverhalt: Nach den Umständen des Falls ist auch die (ca 100-jährige) Dauer des Kündigungsverzichts nicht bedenklich, hat doch der Mieter auf seine Kosten den Dachboden auszubauen und einen Aufzug zu errichten, also massiv zu investieren. Diese Situation ist der eines Baurechtsberechtigten ähnlich. Ein Baurecht kann aber auf höchstens 100 Jahre bestellt werden (§ 3 Abs 1 BaurechtsG). Hinzu kommt, dass es Wille der Vertragsparteien war, den Beginn des Dachbodenausbaus solange wie möglich hinauszuschieben und mit dem Ausbau keinesfalls vor dem Ende des Bestandverhältnisses über die ehemalige Waschküche am Dachboden zu beginnen. Demnach sind die 336

337 338 339 340

5 Ob 102/09z; 10 Ob 34/05f; 9 Ob 4/03h; 4 Ob 324/00a – 40-jähriger Kündigungsverzicht; 1 Ob 514/92 – 50jähriger Kündigungsverzicht. 3 Ob 66/06m; 4 Ob 145/04h; 4 Ob 324/00a mit weiteren Nachweisen. 3 Ob 274/02v. RIS-Justiz RS0016630. Vgl 5 Ob 102/09z. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 143

Kündigungsmöglichkeiten zwar erheblich eingeschränkt, aber die Dispositionsbefugnis der Beklagten über den Bestandgegenstand durch den Kündigungsverzicht nicht beseitigt. f)

Konkreter Fall: Es liegt auch keine massive Leistungsäquivalenzstörung vor

Zum Sachverhalt: Die vom Berufungsgericht angenommene massive Äquivalenzstörung besteht nicht. Punkt V.2. des Mietvertrags nennt als Gründe der Verpflichtung der Vermieter zur Rückzahlung der Mietzinsvorauszahlung nur solche, die nicht im Einflussbereich des Mieters liegen. Ein davon abweichender Parteiwille wurde weder behauptet noch festgestellt. Die Auslegung des Vertrags durch das Berufungsgericht dahin, dass die Rückzahlungsverpflichtung schon dann besteht, wenn der Mieter schlicht den Dachausbau nicht beginnt oder nicht fertigstellt, ist daher nicht zu teilen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts war den Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags bekannt, dass zur gleichen Zeit ein Dachboden in einem Haus guten Zustands in Wien IV. mit bereits vorhandener Baubewilligung und schon errichtetem Lift um 500.000 ATS verkauft wurde. Selbst wenn die Vermieterin während des vom Kündigungsverzicht umfassten Zeitraums nie Mietzinszahlungen lukrieren würde, hätte sie einen einem damaligen Kaufpreis in etwa äquivalenten Betrag erhalten, den sie nicht zurückzahlen müsste, wenn der Mietzins aus im Einflussbereich des Mieters gelegenen Gründen nicht fällig werden sollte. g)

Entscheidung des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Die Revisionen des Klägers, des Zweitnebenintervenienten und der Drittnebenintervenientin sind aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und auch berechtigt. Das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung ist zu bejahen, weil die Vermieterin den Bestand des Mietvertrags bestreitet.341 *** 

§ 1117 ABGB Eine sofortige Auflösung des Mietverhältnisses durch den Mieter nach § 1117 ABGB setzt einen schwerwiegenden Mangel der Gebrauchsfähigkeit des Mietgegenstands voraus OGH 22.2.2017, 8 Ob 89/16w

Der OGH (8 Ob 89/16w) hat festgestellt, dass eine sofortige Auflösung des Mietvertrags durch den Mieter nach § 1117 ABGB einen schwerwiegenden Mangel der Gebrauchsfähigkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses voraussetzt. Ein solcher liegt nicht vor, wenn dem Mietgegenstand nur „Schönheitsfehler“ anhaften, die aber dessen grundsätzliche Gebrauchsfähigkeit nicht in Frage stellen, des weiteren Mängel der EDV-Verkabelung bei gleichzeitig vorhandenen EDV-Anschlüssen im Sinne der vertraglich zugesagten „Grundausrüstung“ für den Bürobetrieb. Im Übrigen hat die Mieterin im zugrunde liegenden Sachverhalt nach der Durchführung einiger Ausbesserungen durch die Vermieterin erklärt, den Zustand des Mietgegenstands „entgegenkommenderweise“ zu akzeptieren. 341

Vgl RIS-Justiz RS0038974; RS0038962: Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 144



Rechtlicher Hintergrund:

Gemäß § 1117 ABGB ist der Bestandnehmer berechtigt, auch vor Ablauf der bedungenen Zeit den Vertrag vorzeitig aufzulösen, wenn das Bestandstück zum bedungenen Gebrauch untauglich ist oder ein beträchtlicher Teil davon durch Zufall auf längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. 

Sachverhalt:

Die Klägerin schloss als Vermieterin mit der Beklagten als Mieterin einen ab 1. Oktober 2011 auf die Dauer von neun Jahren und drei Monaten befristeten Mietvertrag über teilweise möblierte, mit einer „Grundausrüstung an Verkabelung für Telefon und EDV“ versehene Büroräume. Der Beklagten wurden bei Mietbeginn acht Schlüsselkarten zu dem Objekt ausgehändigt. Die beklagte Mieterin beanstandete in der Folge diverse Mängel, insbesondere am Zustand der Wanddekoration und der Fenster- und Türanstriche, weiters eine unzulänglich funktionierende EDV-Verkabelung. Die Vermieterin veranlasste aufgrund dessen nach Mietbeginn eine Ausbesserung der angezeigten Mängel durch einen Malerbetrieb, einige kleine Beschädigungen (zB ein Haarriss an der Wand) verblieben auch danach. Im Dezember 2011 erklärte die Mieterin, dass hinsichtlich der Reparaturen „erhebliche Fortschritte erzielt wurden“ und der Zustand von ihr „entgegenkommenderweise akzeptiert“ werden könne. Eine in diesem Schreiben verlangte Reinigung ließ die Vermieterin noch im Dezember 2011 durchführen. Von den unter dem Fußboden verlegten EDV-Kabeln waren rund ein Drittel nur eingeschränkt verwendbar oder funktionslos, wegen ihrer großen Anzahl war aber dennoch in jedem Büroraum zumindest eine fehlerfrei funktionierende Kabelverbindung vorhanden. Die Mieterin hat das Bestandobjekt nie bezogen. Nach Mietvertragsbeginn ließ sie aber Vorarbeiten für geplante Ein- und Umbauten vornehmen sowie eine Glaswand demontieren. Mit Schreiben vom 9. Jänner 2012 erklärte die Mieterin, den Mietvertrag gemäß § 1117 ABGB vorzeitig aufzulösen, weil die Klägerin ihren vertraglichen Verpflichtungen teils gar nicht, teils erst nach beträchtlichem Verhandlungs- und Korrespondenzaufwand nachgekommen sei. Der Rechtsvertreter der Vermieterin widersprach der Auflösungserklärung. Am 18. Jänner 2012 ließ die Mieterin die Zutrittskarten zum Mietobjekt zurückstellen und teilte mit, dass sie es definitiv nicht beziehen werde. Die Klägerin vermietete das Objekt schließlich beginnend mit 1. Dezember 2013 neu. Die klagende Vermieterin begehrt die Zahlung der vereinbarten Mietzinse für die Zeit von Oktober 2011 bis November 2013.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 145

Die beklagte Mieterin wandte ein, der Bestandgegenstand sei ihr nie ordnungsgemäß übergeben worden. In eventu brachte sie vor, den Vertrag berechtigt vorzeitig aufgelöst zu haben. Das Erstgericht sprach der Vermieterin unter Abweisung des Mehrbegehrens 464.834,78 EUR sA zu und gab dem Klagebegehren der hier beklagten Mieterin auf Rückzahlung der Kaution im ursprünglich verbundenen Verfahren 95 C 61/12s statt. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Mieterin teilweise Folge, änderte den Zuspruch auf 445.141,77 EUR unter Abweisung des Mehrbegehrens ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Die außerordentliche Revision der Mieterin ist unzulässig, weil sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt. Die Begründung kann sich auf die kurze Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). a)

Konkreter Fall: Eine Übergabe des Bestandobjekts hat stattgefunden, eine Verweigerung der Übernahme durch die Mieterin wäre mangels Gebrauchsunfähigkeit wohl auch gar nicht gerechtfertigt gewesen

Die Übergabe von Bestandobjekten nach § 1096 ABGB ist bewirkt, wenn der Mieter in die Lage versetzt wurde, die Räumlichkeiten in Gebrauch zu nehmen. Bei versperrten Objekten gehört dazu die Ausfolgung der Schlüssel. Will der Bestandnehmer das Objekt in dem Zustand, in dem er es vorfindet, nicht übernehmen, muss er dies unverzüglich erklären und den Bestandgegenstand zurückweisen.342 Nur bis zur Übergabe hat der Bestandnehmer die Möglichkeit, ein nicht gehöriges Übernahmeangebot des Bestandgebers abzulehnen und – nach Setzung einer Nachfrist – den Rücktritt vom Vertrag mit der Wirkung ex tunc zu erklären. 343 Zum Sachverhalt: Im vorliegenden Fall verfügte die beklagte Mieterin bei Vertragsbeginn über die Schlüsselkarten zu dem gemieteten Büro. Es war zu diesem Zeitpunkt noch mit einigen Mängeln (Abnützungsspuren) behaftet und enthielt neben den übernommenen Mobiliarstücken auch solche, über deren Verbleib die Parteien noch keine endgültige Einigung erzielt hatten. Die grundsätzliche Gebrauchsfähigkeit als Büro war nicht beeinträchtigt. Die Beklagte ließ nach dem 1. Oktober 2011 Professionisten in den Büroräumen Vermessungs- und Planungsarbeiten durchführen und eine Glaswand demontieren. Den Standpunkt, dass das Mietobjekt noch gar nicht übergeben worden sei, äußerte die Beklagte erstmals im November 2011. Unter den festgestellten Umständen ist aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die eine Übergabe bejaht haben, nicht korrekturbedürftig.

342 343

RIS-Justiz RS0045803. 6 Ob 301/02m ua. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 146

b)

Konkreter Fall: Bloß Abnützungsspuren im Sinne von „Schönheitsfehlern“ bewirken mangels Gebrauchsunfähigkeit des Mietgegenstands ebenso wenig ein Auflösungsrecht nach § 1117 ABGB wie Mängel der EDV-Verkabelung, die aber der vertraglich zugesagten „Grundausrüstung“ mit EDV-Anschlüssen nicht entgegenstehen

Die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist nur das „äußerste Notventil“, sodass ein strenger Maßstab an die Qualität der dafür notwendigen wichtigen Gründe anzulegen ist.344 Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist in aller Regel eine Frage der Abwägung im Anlassfall, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt und die zur Wahrung der Rechtssicherheit im Rahmen einer Grundsatzrevision nur dann aufgegriffen werden könnte, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung des Gewichts der Auflösungsgründe erkennbar wäre.345 Zum Sachverhalt: Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sich die Beklagte auf keinen schwerwiegenden Auflösungsgrund stützen konnte, ist zumindest nicht unvertretbar. Auch wenn dem Mietobjekt noch kleinere, die Gebrauchsfähigkeit aber nicht beeinträchtigende Mängel im Sinne von „Schönheitsfehlern“ anhafteten, hat die Mieterin doch in ihrem Schreiben vom 13. Dezember 2011 erklärt, dass der zu diesem Zeitpunkt nach teilweiser Sanierung noch bestehende Zustand „entgegenkommenderweise akzeptiert“ werden könne, wenn das Objekt sauber wäre. Dass die Mieterin eine restlose Erfüllung der Ausbesserungspflicht zur Bedingung für den Fortbestand des Mietverhältnisses erhebe, lässt sich dieser Erklärung nicht entnehmen. Die im Gegenzug geforderte Objektreinigung wurde von der Vermieterin kurzfristig veranlasst. Zum Sachverhalt: Die Revision bekämpft auch die Ansicht der Vorinstanzen, dass die EDVVerkabelung den im Mietvertrag bedungenen Standard erfüllt habe. Welche Qualität der Verkabelung zwischen den Parteien vereinbart war, ist ein Problem der Vertragsauslegung im Einzelfall. Diese wirft – außer im Fall einer krassen Fehlbeurteilung – keine erheblichen Rechtsfragen auf.346 Im Lichte der maßgeblichen Tatsachenfeststellungen ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass die funktionierenden EDV-Anschlüsse im Mietobjekt dem vereinbarten Kriterium einer „Grundausrüstung“ entsprochen haben, jedenfalls nicht unvertretbar. 

Anmerkungen:

Der Fall zeigt auf, dass sowohl an die Verweigerung der Übernahme des Bestandobjekts als auch an die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrags nach § 1117 ABGB hohe Anforderungen zu stellen sind:

344 345 346

10 Ob 68/08k. RIS-Justiz RS0042834. RIS-Justiz RS0042776 ua. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 147

Eine Verweigerung der Übernahme des Mietgegenstands muss unverzüglich erklärt werden, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist. Mängel des Mietgegenstands wurden von der Mieterin nämlich erst nach dessen Übernahme geltend gemacht. Im Übrigen wurde im Verfahren festgestellt, dass die grundsätzliche Gebrauchsfähigkeit des Mietgegenstands als Büro nicht beeinträchtigt war, eine Verweigerung der Übernahme daher wohl auch gar nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Eine vorzeitige Auflösung nach § 1117 ABGB kann nur bei Vorliegen eines schwerwiegenden Auflösungsgrunds geltend gemacht werden. Mängel, die nicht zur Gebrauchsunfähigkeit des Bestandgegenstands führen, lösen kein Auflösungsrecht nach § 1117 ABGB (das die an die Besonderheit des Mietvertrags als Dauerschuldverhältnis adaptierte Form des Gewährleistungsbehelfs der Wandlung ist), sondern können auf der Grundlage des § 1096 ABGB nur im Wege der Vertragszuhaltung (welche dem Verbesserungsanspruch im allgemeinen Gewährleistungsrecht entspricht) oder Mietzinsminderung (diese ist das Äquivalent zur gewährleistungsrechtlichen Preisminderung) verfolgt werden. *** 

§ 1118 erster Fall ABGB Die Herstellung geringer Suchtgiftmengen ist per se kein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand OGH 20.4.2017, 9 Ob 17/17s

Der OGH (9 Ob 17/17s) hat in der Herstellung geringer Suchtgiftmengen in einem Mietgegenstand keinen Tatbestand für eine im Wege der Räumungsklage geltend zu machende Auflösung des Mietvertrags gemäß § 1118 erster Fall ABGB erblickt. Im konkreten Fall hat eine Beschädigung (oder eine Gefahr der Beschädigung) der Substanz des Hauses oder der Wohnung ebenso wenig festgestellt werden können wie ein finanzieller oder sonstiger Nachteil der Vermieterin. Das einmalige Herstellen einer geringen Menge von Suchtgift für den Eigengebrauch sei weiters objektiv (noch) nicht geeignet, anderen Mitbewohnern des Hauses das Zusammenleben zu verleiden, mag es auch keineswegs zu verharmlosen sein und auch tatsächlich zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des Mieters geführt haben. 

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung im Haus der Klägerin. Im Sommer/Herbst 2014 stellte der beklagte Mieter in dieser Wohnung einmalig vier Gramm Suchtgift (Methamphetamin oder „Crystal Meth“) her. Er wurde deshalb am 20. August 2015 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1, 1., 2., 3., 5., 6. und 8. Fall, Abs 2 SMG gemäß § 27 Abs 2 SMG (Begehung der Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Der Verurteilung war eine Hausdurchsuchung vorangegangen, im Zuge derer die Wohnungseingangstüre zerstört worden war. Der Mieter hatte die Wohnungseingangstüre auf eigene Kosten wieder reparieren lassen. Dass durch die Lagerung

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 148

der für die Suchtgiftgewinnung erforderlichen Mittel die Bausubstanz des Hauses gefährdet wäre, kann nicht festgestellt werden. Es kann weder festgestellt werden, dass die Vermieterin durch die Handlung des Mieters finanzielle oder sonstige Nachteile erlitten hat, noch dass aus diesem Grund ein potentieller Mieter nicht in das Haus eingezogen ist. Die Vermieterin wurde lediglich von anderen Mietern auf diesen Vorfall angesprochen. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass sich im Haus Vorfälle, wie zB das häufige Anläuten an der Gegensprechanlage in der Nacht, die Beschädigung der Gegensprechanlage bzw des Schlosses der Haustüre, das Auffinden von Spritzen oder Tabletten im Stiegenhaus, Schreiereien im Haus durch hausfremde Personen oder ähnliches ereignet haben, die dem Mieter zuzurechnen sind oder durch Besucher des Mieters oder vom Mieter selbst verursacht wurden. Zwei Mieter teilten der Vermieterin mit, dass sie das Haus verlassen möchten, weil sie Angst vor dem Beklagten und „seinem Gefolge“ hätten. Die klagende Vermieterin stützt die vorliegende Räumungsklage darauf, dass der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch mache, weil er in der Wohnung ein auf Dauer eingerichtetes Drogenlabor zur Herstellung und zum Vertrieb illegaler Drogen betreibe. Dadurch würden ihr Ruf als Vermieterin und finanzielle Interessen geschädigt. Andere Mieter hätten sich beschwert und die Sicherheit im Haus sei gefährdet. Der beklagte Mieter bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass er die Wohnung im Rahmen des Mietvertrags nutze. Er habe nur einmal Suchtgift, und dies auch nur für den Eigengebrauch, hergestellt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Auflösungstatbestand des § 1118 erster Fall ABGB liege nicht vor, weil ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstands im Sinne einer erheblichen Verletzung wichtiger ideeller oder wirtschaftlicher Interessen nicht nachgewiesen habe werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und dem Klagebegehren statt. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstands könne auch in einem den Ruf oder die Interessen des Bestandgebers schädigenden oder gefährdenden Verhalten des Bestandnehmers liegen. Auch wenn der Mieter das Suchtgift im Wesentlichen nur für den Eigenbedarf hergestellt habe, ändere dies nichts an der Verwerflichkeit seines Verhaltens und an der potentiellen Gefährdung der übrigen Hausbewohner. Keinem Mieter könne es zugemutet werden, mit seiner Familie in einem solchen Haus zu wohnen, zumal die Suchtgiften anhaftende Anziehung allgemein bekannt sei. Zwei Mieter hätten der Vermieterin bereits erklärt, das Haus verlassen zu wollen, weil sie vor dem Mieter Angst hätten. Zu den Interessen des Vermieters gehöre es schließlich auch, Ruhe und Ordnung im Haus zu halten und unleidlichem Verhalten eines Mieters gegenüber anderen Hausbewohnern wirksam entgegenzuwirken. Der Aufhebungstatbestand des erheblich nachteiligen Gebrauchs nach § 1118 erster Fall ABGB durch den Beklagten sei daher verwirklicht.

Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 149

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen gewesen sei. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt der beklagte Mieter die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Vermiteterin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Mieters mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.



Rechtliche Beurteilung des OGH:

a)

Zum erheblich nachteiligen Gebrauch im eigentlichen Sinne (im gegenständlichen Fall verneint)

Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Bestandgegenstand im Sinn des § 1118 erster Fall ABGB liegt nicht nur dann vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht 347, sondern nach ständiger Rechtsprechung auch dann gegeben ist, wenn das Verhalten des Mieters geeignet ist, den Ruf oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Vermieters oder der Mitmieter zu schädigen oder zu gefährden.348 Zum Sachverhalt: Ein nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstands durch das einmalige Herstellen des Suchtgifts des Mieters im Sinne einer Beschädigung oder Gefahr der Beschädigung der körperlichen Substanz der Wohnung oder des Hauses der Vermieterin konnte nicht festgestellt werden. Ebenso war im Verfahren nicht erweislich, dass der Vermieterin dadurch finanzielle oder sonstige Nachteile entstanden sind. Worin konkret die von der Vermieterin – trotz Belehrung des Gerichts nur unsubstantiiert – behauptete Rufschädigung der Vermieterin durch das Verhalten des Mieters gelegen sein soll, ist nicht erkennbar und lässt sich dem festgestellten Sachverhalt auch nicht entnehmen. Dazu lässt sich auch aus der Revisionsbeantwortung der Vermieterin nichts gewinnen. b)

Zum unleidlichen Verhalten, welches auch unter § 1118 erster Fall ABGB zu subsumieren ist (im gegenständlichen Fall ebenso verneint)

Auch ein „unleidliches Verhalten“ des Mieters im Sinn des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG ist unter den Tatbestand des § 1118 erster Fall ABGB zu subsumieren.349 Ein unleidliches Verhalten liegt dann vor, wenn das friedliche Zusammenleben durch längere Zeit oder durch häufige Wiederholungen gestört wird. 350 347 348 349 350

RIS-Justiz RS0067832. RIS-Justiz RS0020940; 8 ObA 67/14g mit weiteren Nachweisen. RIS-Justiz RS0020956. Vgl jüngst 5 Ob 236/16s = Newsletter vom 12. April 2017 RIS-Justiz RS0067678. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 150

Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur dann, wenn sie schwerwiegend sind. 351 Schwerwiegend ist ein Vorfall, wenn er das Maß des Zumutbaren überschreitet und objektiv geeignet erscheint, auch nur einem Mitbewohner das Zusammenleben zu verleiden. 352 Zum Sachverhalt: Davon kann aber hier – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – noch nicht ausgegangen werden. Das einmalige Herstellen einer geringen Menge von Suchtgift für den Eigengebrauch und die Überlassung zum persönlichen Gebrauch eines Dritten ist zwar keineswegs zu verharmlosen und führte auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des Mieters, ist aber nach der Lage des Falls objektiv (noch) nicht geeignet, anderen Mitbewohnern des Hauses das Zusammenleben zu verleiden. Die Ausführungen der Revisionsbeantwortung, der Mieter habe andauernd über einen längeren Zeitraum Suchtgift hergestellt und vertrieben, gehen am festgestellten Sachverhalt vorbei. Konkrete Gründe, die übrigen Hausbewohner seien durch das einmalige Fehlverhalten des Mieters (in der Zukunft) gefährdet, sind nicht ersichtlich. Die subjektive Besorgnis einzelner Hausbewohner gründet auf Vorfälle, die nicht dem Mieter zugerechnet werden konnten. c)

Ergebnis des vorliegenden Falls

Zum Sachverhalt: Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil der vom Berufungsgericht herangezogene Auflösungstatbestand des erheblich nachteiligen Gebrauchs im vorliegenden Fall nicht verwirklicht ist. Der Revision des beklagten Mieters war daher Folge zu geben und das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen. *** 

§ 1120 ABGB Zum Volleintritt des Liegenschaftserwerbers in Kündigungsbeschränkungen von Bestandverträgen durch Nichtausübung des Kündigungsrechts nach § 1120 ABGB OGH 14.11.2017, 10 Ob 51/17y

Der OGH (10 Ob 51/17y) hat betont, dass die Frage, ab wann außerhalb der Voll- und Teilanwendung des MRG bzw des Anwendungsbereichs des WGG der Volleintritt eines Liegenschaftserwerbers in allfällige Kündigungsbeschränkungen (Befristung, Kündigungsverzicht) von Bestandverträgen aufgrund der Unterlassung deren Kündigung gemäß § 1120 ABGB eintritt, einzelfallbezogen zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall erfolgten rund drei Monate nach der Einverleibung des Eigentumsrechts des Erwerbers Gespräche zwischen den Streitteilen (aus denen den Bestandnehmern erkennbar war, dass der Erwerber nicht am gegenständlichen Bestandvertrag festhalten wollte), die ergebnislos verliefen und in einer im Folgemonat eingebrachten Kündigung zum nächstmöglichen Termin gipfelten. Der OGH erachtete der Beurteilung der Vorinstanzen, dass in diesem Verhalten keine Handlung liege, die als Vereinbarung eines „Volleintritts“ des Erwerbers in den Bestandvertrag anzusehen sei, als nicht korrekturbedürftig.  351 352

Rechtlicher Hintergrund:

RIS-Justiz RS0070303 [T1, T9]. RIS-Justiz RS0070303 [T2, T5]. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 151

Gemäß § 2 Abs 1 Satz 4 und 5 MRG (im WGG: in Verbindung mit § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG) sind im Vollanwendungsbereich des MRG sowie auch im Anwendungsbereich des WGG (und nach der Rechtsprechung 353 auch im Teilanwendungsbereich des MRG) an einen wirksam abgeschlossenen Hauptmietvertrag (inklusive aller gewöhnlichen Nebenabreden) ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter die Rechtsnachfolger des Vermieters auch dann gebunden, wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher (= ins Grundbuch) eingetragen ist („Kauf bricht Miete nicht“). Enthält ein Hauptmietvertrag hingegen Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts, so ist der Rechtsnachfolger des Vermieters an diese Nebenabreden nur gebunden, wenn er sie kannte oder kennen musste.354 Außerhalb des Voll- und Teilanwendungsbereichs des MRG bzw des Anwendungsbereichs des WGG besteht ein derartiger Bestandschutz nicht. Im Falle der Veräußerung (bzw auch Zwangsersteigerung der Liegenschaft) ist ein allfälliger Erwerber oder Ersteher der Liegenschaft an vereinbarte Kündigungsbeschränkungen (Befristungen und Kündigungsverzichte) nicht gebunden, sofern der Bestandvertrag (bzw dessen Befristung oder dessen zeitlich befristeter Kündigungsbeschränkung) nicht gemäß § 1095 ABGB verbüchert ist (= gesetzliches Kündigungsrecht, §§ 1120 f ABGB). Es besteht also mangels Verbücherung trotz Befristung oder Kündigungsverzicht keine Bestandsicherheit für den Bestandnehmer!355 

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Hat der Eigentümer das Bestandstück an einen andern veräußert, und ihm bereits übergeben; so muss der Bestandinhaber, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§ 1095 ABGB), gemäß § 1120 ABGB nach der gehörigen Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Ungeachtet einer – wie im vorliegenden Fall – vertraglich vereinbarten Befristung kann der Erwerber daher das Bestandverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsmodalitäten („gehörige Kündigung“) auflösen. 356 Der Erwerber kann [indes] in allfällige vertragliche Kündigungsbeschränkungen – wie hier die vereinbarte Befristung – durch ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung mit dem Bestandnehmer eintreten (sogenannter „Volleintritt“ des Erwerbers 357). Ein schlüssig

353 354 355

356 357

Siehe etwa 4 Ob 556/90. Vgl hierzu unsere Newsletter vom 6. Mai 2015 zu 7 Ob 208/14k und vom 15. Jänner 2014 zu 1 Ob 168/13g. In der Praxis mag im Verkaufsfall das Risiko der fehlenden Bestandsicherheit für den Bestandnehmer freilich nicht gar so groß sein wie in der Theorie, wird doch der veräußernde Bestandgeber in aller Regel die sich aus dem Bestandvertrag ergebenden Bindungen kaufvertraglich auf den Erwerber überwälzen (der damit kein Kündigungsrecht mehr hat). Tut er es nämlich nicht, wird er gegenüber dem Bestandnehmer, der dem Erwerber trotz Befristung oder trotz aufrechten Kündigungsverzichts weichen muss, schadenersatzpflichtig. Dass es indes auch einen freiwilligen ausdrücklichen oder schlüssigen Eintritt des Erwerbers in bestehende Befristungen bzw Kündigungsbeschränkungen geben kann, zeigt der vorliegende Fall auf. 6 Ob 66/05g; RIS-Justiz RS0014444. 1 Ob 344/99s. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 152

erklärter Volleintritt kann – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 863 ABGB – auch in der Unterlassung einer Kündigung des Bestandvertrags durch den Erwerber liegen.358 Die Frage, ob der Erwerber derart gemäß § 863 ABGB schlüssig einen „Volleintritt“ auch in eine vereinbarte Kündigungsbeschränkung erklärt hat, kann aber immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar. Zum Sachverhalt: Die Pächter machen allein geltend, dass der Erwerber auch die vereinbarte Befristung des Pachtvertrags gegen sich wirken lassen müsse, weil er zwei mögliche Kündigungstermine ungenützt verstreichen lassen und damit die Kündigung des Vertrags nicht binnen angemessener Frist ausgesprochen habe. Im vorliegenden Fall erfolgten im Oktober 2015, daher rund drei Monate nach der Einverleibung des Eigentumsrechts des Erwerbers (maßgeblicher Zeitpunkt der Übergabe im Sinn des § 1120 ABGB359), Gespräche zwischen den Streitteilen, die ergebnislos verliefen, aus denen den Pächtern aber erkennbar war, dass der Erwerber nicht am Pachtvertrag festhalten wollte. Am 2. November 2015 kündigte der Erwerber den Pachtvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen (§ 560 Abs 1 Z 2 lit b ZPO) zum nächstmöglichen Termin, dies war der 30. November 2016, außergerichtlich auf. Eine Korrekturbedürftigkeit der Beurteilung der Vorinstanzen, dass in diesem Verhalten keine Handlung liege, die ohne „vernünftigen Grund, daran zu zweifeln“ (§ 863 ABGB) als Vereinbarung eines „Volleintritts“ des Erwerbers in den Pachtvertrag anzusehen sei, zeigen die Pächter nicht auf. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

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3 Ob 247/59; Ausübung des Kündigungsrechts 8 Jahre nach Übernahme: 6 Ob 95/63 [RIS-Justiz RS0021154]; Ausübung des Kündigungsrechts 20 Jahre nach Übernahme, 6 Ob 66/05g. 1 Ob 344/99s mit weiteren Hinweisen. Aktuelle Judikatur zum Mietrecht, 15. März 2018 C. Kothbauer, Seite 153