AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ 2 0 1 6

|

H e f t

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich | FiBL

J u n i

Umwelt

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­reduzieren Schädlinge in Kulturen

Agrarwirtschaft Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen Nutztiere

Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall

Seite 284 Seite 290

Seite 260

6

Forschende von Agroscope, dem FiBL, der ETH Zürich, der Universität Basel und von der HAFL untersuchen das Potenzial von Blühstreifen zur Förde­ rung der biologischen Schädlingskontrolle, für den ökologischen Ausgleich und zur Förderung von Gegenspielern wichtiger Ackerschädlinge. (Foto: Matthias Tschumi, Agroscope)

Inhalt Juni 2016 | Heft 6 259 Editorial

Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der ­landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB; Institut für Nutztierwissen­schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits­wissenschaften INH), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Z­ ollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch b Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org Redaktion Leitung und deutsche Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00 Französische Redaktion Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57 Stellvertretung Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82 E-Mail: [email protected] Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili, Sibylle Willi und Regula Wolz (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online/App: CHF 61.–* *reduzierter Tarif, siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Simone Zaugg, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: [email protected], Fax +41 58 466 73 00 Adressänderungen E-Mail: [email protected], Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

260

Umwelt



Matthias Tschumi et al.

268

Umwelt

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­reduzieren Schädlinge in Kulturen



Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf



Henryk Luka et al.

276

Umwelt



Hans Ramseier et al.

284

Agrarwirtschaft



Alexander Zorn et al.

290

Nutztiere



Andreas Gutzwiller et al.

Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen

Wirtschaftlichkeit inländischer ­ Körnerleguminosen

Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall 296 Porträt 297

Aktuelles

299

Veranstaltungen

Sortenliste Beilage Liste der empfohlenen Getreidesorten



für die Ernte 2017

Editorial

Landwirtschaft und Nützlinge: Schaffung einer Forschungsplattform Liebe Leserin, lieber Leser

Alexandra Cropt, Schweizer Bauernverband, ­L eiterin des Geschäftsbereichs Energie und Umwelt

Wie der Boden, das Wasser und die Luft ist auch die Biodiversität eine wertvolle Ressource für die Landwirtschaft und den Menschen, der von zahlreichen damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen profitiert. Seit der Jungsteinzeit und der Entwicklung landwirtschaftlicher Produktionsmethoden bilden Landwirtschaft und Biodiversität ein unzertrennliches Paar. Und wie bei allen Beziehungen gab es Hochs und Tiefs: Die ersten landwirtschaftlichen Systeme verursachten mit ihrer Brandrodung eine der grössten ökologischen Umwälzungen der Geschichte, aus der neue Ökosysteme und Anbausysteme hervorgingen. Im Gegensatz dazu führte die letzte Agrarrevolution zu einer Verarmung der Lebensräume und der Vielfalt von Wild- und Kulturpflanzen und der Fauna. Deshalb ist es wichtig, bei diesem Paar für ein Gleichgewicht zu sorgen. In der Schweiz vermochten die Einführung des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) vor rund zwanzig Jahren und die Förderung biologischer und extensiver Anbausysteme zwischen den beiden Partnern zu vermitteln: Die Beeinträchtigung der Umwelt durch die Landwirtschaft wurde reduziert und der Rückgang der biologischen Vielfalt gebremst. Der Druck bleibt jedoch gross und die Mediationsarbeit ist noch längst nicht abgeschlossen. Lancierung der Plattform «Blühende Lebensräume» Seit der Umsetzung des ÖLN wurden weitere Programme ins Leben gerufen, welche die Biodiversität fördern sollen, namentlich das Projekt «Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge», an dem seit 2011 die HAFL, das FiBL, Agroscope und der Schweizer Bauernverband gemeinsam arbeiteten. Im Anschluss an diese Zusammenarbeit beschlossen die Partner 2014, die Forschungsplattform «Blühende Lebensräume» zu schaffen. Ziel dieser Plattform ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen und die angewandte Forschung zu fördern, um in der Schweizer Agrarlandschaft günstige Bedingungen für Nützlinge und Bestäuber zu schaffen. Es handelt sich also um einen Beitrag zur Optimierung des ÖLN in der Landwirtschaft, insbesondere in Ackerbaugebieten. Die Plattform möchte auch den Austausch erleichtern, Synergien schaffen und die interdisziplinäre Arbeit zwischen den verschiedenen Instituten fördern. Zentral ist eine enge Zusammenarbeit mit der landwirtschaftlichen Basis, um deren Erfahrungen und Vorschläge zu berücksichtigen und die Umsetzung in die Praxis gewährleisten zu können. Das Nahrungsangebot verbessern und die Bestäubung sicherstellen, mit Hilfe von Nützlingen Schädlinge auf natürliche Weise bekämpfen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren – das sind nur einige Wegpunkte des laufenden Forschungsprojekts hin zum gemeinsam verfolgten Ziel aller an der Plattform «Blühende Lebensräume» beteiligten Akteure: der Erhalt einer nachhaltigen Landwirtschaft. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 215, 2016

259

U m w e l t

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­reduzieren Schädlinge in Kulturen Matthias Tschumi¹, Matthias Albrecht¹, Viktor Dubsky², Felix Herzog¹ und Katja Jacot¹ ¹Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz ²ETH Zürich, Institut für Agrarwissenschaften (IAS), 8092 Zürich, Schweiz Auskünfte: Katja Jacot, E-Mail: [email protected]

Blühstreifen am Ackerrand fördern nicht nur die Biodiversität und sind schön anzusehen, sondern können auch der biologischen Schädlingsbekämpfung dienen. (Foto: Matthias Tschumi, Agroscope)

Einleitung Für eine effiziente und nachhaltig gesicherte Produktion von Nahrungsmitteln ist die Landwirtschaft auf eine Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen angewiesen. Dazu zählen neben Bodenbildung und Bereitstellung von sauberem Wasser etwa auch die Bestäubung von Kulturen und die biologische Kontrolle von Schädlingen im Feld (Millennium Ecosystem Assessment 2005). Die erfolgreiche biologische Kontrolle von Schädlingen hängt von der Anzahl und Vielfalt der Nützlinge ab (Cardinale et al. 2012). Unter intensiver Bewirtschaftung ist die Dichte und Vielfalt dieser Nützlinge oft vermindert, insbesondere weil ihnen geeignete Lebensräume fehlen und sie durch gewisse Pestizide beeinträchtigt werden (Tscharntke et al. 2012). Für eine nachhaltige Produktion ist der Erhalt von gesunden Nützlings-Populationen jedoch unabdingbar.

260

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 260–267, 2016

Mit der Förderung von halbnatürlichen Lebensräumen wie Hecken, extensiven Wiesen oder Buntbrachen zielt der ökologische Ausgleich auf den Erhalt und die Förderung der Vielfalt von Lebensräumen und Arten ab. Dabei hat sich gezeigt, dass von diesen Fördermassnahmen oft auch Gegenspieler von wichtigen Ackerschädlingen wie Getreidehähnchen und Blattläuse profitieren, denn viele Nützlinge sind ausser auf Schädlinge auch auf Blütenressourcen wie Pollen und Nektar und ungestörte Lebensräume für die Überwinterung angewiesen (Wäckers und van Rijn 2012). Getreidehähnchen sind in der Schweiz sowie in vielen Gebieten Europas, Asiens und Nordamerikas Hauptschädlinge im Getreide. Blattläuse verursachen in verschiedenen Kulturen weltweit bedeutende Schäden durch Saftentzug und Übertragung von Pflanzenviren. Ein geeignetes Angebot an Blütenressourcen kann sowohl die Anzahl ihrer Gegenspieler wie auch deren Effizienz in der Schädlingskontrolle steigern (Albrecht

et al. in Vorbereitung; Tschumi et al. 2015; Tschumi et al. 2016b; Wäckers und van Rijn 2012). Um diese Schädlingskontroll-Leistungen zum richtigen Zeitpunkt in den gewünschten Kulturen optimal nutzen zu können, müssen die Nützlinge gezielt mit einem geeigneten Angebot an Blütenressourcen an die Felder gelockt und dort gefördert werden. Dadurch sollte es möglich sein, einen Mehrwert für die Biodiversität mit einem direkten Nutzen für die Landwirte zu verbinden. Das Ziel der hier beschriebenen Forschung ist es, das Potenzial von ausgewählten Blühpflanzen zur Förderung der biologischen Schädlingskontrolle abzuschätzen und die Grundlagen zur Entwicklung eines Blühstreifens für den ökologischen Ausgleich zu schaffen, der gezielt auf die Förderung von Gegenspielern wichtiger Ackerschädlingen ausgerichtet ist. Durch Sammeln von breiten Praxiserfahrungen soll zudem die Umsetzbarkeit und Akzeptanz bei Landwirten verbessert werden.

Material und Methode Nützlingsblühstreifen (NBS) Für die Samenmischungen wurden Pflanzenarten ausgewählt, die ein reiches und für verschiedene Ziel-Nützlinge zugängliches Angebot an Nektar und Pollen bereitstellen (Tab. 1). Da sich die Vielfalt von Blühpflanzen positiv auf die biologische Schädlingskontrolle auswirken kann (Tschumi et al. 2016a) wurden möglichst viele, möglichst einheimische Pflanzenarten kombiniert, die in einer kontinuierlichen Abfolge Blütenressourcen anbieten. Dabei waren auch agronomische (Deckfrucht, unproblematisch in Fruchtfolge), ästhetische (Farbkombination) und ökonomische (angemessener Preis der Samenmischung) Aspekte wichtig. Seit den ersten Versuchen im Jahr 2012 (siehe unten) wurden die Mischungen kontinuierlich verbessert und die angepasste Mischung (Tab. 1) im Jahr 2015 erneut in breit angelegten Versuchen im Schweizer Mittelland getestet und detaillierte Erhebungen zu deren Entwicklung in 42 Feldern gemacht. Mittels Interviews mit den involvierten Bewirtschaftern wurden zudem Daten zu Management und Akzeptanz der NBS gesammelt und Verbesserungsvorschläge aufgenommen. Versuchsdesign Auf Landwirtschaftsbetrieben wurden im Jahr 2012 dreissig IP-Suisse-Winterweizenfelder und im Jahr 2013 zwanzig Kartoffelfelder ausgesucht. Bei je der Hälfte der Felder wurde im April (Winterweizen) beziehungsweise April–Mai (Kartoffeln) ein 3 m breiter NBS (Abb. 1) in Bewirtschaftungsrichtung eingesät (Benz et al. 2015). Bei der anderen Hälfte der Felder diente ein 3 m breiter

Zusammenfassung

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen | Umwelt

Frühere Studien haben gezeigt, dass halbnatürliche Lebensräume wie Buntbrachen oder extensive Wiesen die Biodiversität von Pflanzen und Tieren erhöhen. Um auch die natürliche Schädlingsregulation zu fördern, wurden Samenmischungen für einjährige Blühstreifen entwickelt, die gezielt auf die Bedürfnisse der Gegenspieler von Ackerschädlingen (insbesondere Getreidehähnchen und Blattläuse) ausgerichtet sind. In den mit diversen Wild- und Kulturpflanzen angesäten Nützlingsblühstreifen, und zum Teil auch in den angrenzenden Kulturen, fand sich eine deutlich erhöhte Zahl an verschiedenen Nützlingen. Im Vergleich zu Kontrollfeldern wurden in Winterweizenfeldern mit eingesätem Nützlingsblühstreifen 40 % bis 53 % weniger Getreidehähnchen und in Kartoffel­ feldern 75 % weniger Blattläuse gefunden. Zudem war auch der von Getreidehähnchen verursachte Pflanzenschaden um 61 % vermindert. Diese Resultate zeigen, dass Blühstreifen nebst der Förderung der Biodiversität auch helfen können, Schädlinge zu reduzieren, und so einen Mehrwert für die landwirtschaftliche Produktion darstellen. Bis 2017 sollen zwei marktfähige Samenmischungen für die neue Biodiversitätsförderfläche «Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge» bereit sein.

Weizen- beziehungsweise Kartoffelrandstreifen als Kontrolle. Wegen schlechter Entwicklung der NBS in fünf (Winterweizen) beziehungsweise zwei (Kartoffeln) Fällen, wurden die Erhebungen in diesen Feldern nicht weiterverfolgt. Erhebung von Schädlingsdichten und Pflanzenschaden In allen Feldern wurden in je zwei Entfernungen der Nützlingsblüh- und Kontrollstreifen Getreidehähnchen und ihr charakteristischer Pflanzenschaden (Winterweizenfelder; Abb. 2A) beziehungsweise Blattläuse (Kartoffelfelder) erhoben. In den Winterweizenfeldern wurden die Getreidehähnchen in einem zufälligen Abstand zwischen 0,5 und 10,4 m vom Streifenrand (nahe Distanz) sowie in zusätzlich 10 m Entfernung der nahen Distanz (weite Distanz; zwischen 10,5 und 20,4 m) erhoben (Tschumi et al. 2015). In den Kartoffelfeldern wurden in den Entfernungen 1 m (nahe Distanz) und 10 m (weite

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 260–267, 2016

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Umwelt | Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen

Tab. 1 | Zusammensetzung der getesteten Samenmischungen für Nützlingsblühstreifen in Winterweizen (Mischung 2012) und in Kartoffeln (­M ischung 2013) sowie der weiterentwickelten Mischung, die 2015 evaluiert wurde. Pflanzenart

Saatmenge [kg/ha] Mischung Winterweizen 2012

Mischung Kartoffeln 2013

Mischung Frühling 2015

Acker-Hundskamille (Anthemis arvensis L.)*

0,43

0,43

0,28

Acker-Ringelblume (Calendula arvensis L.)*



0,45



Ackersenf (Sinapis arvensis L.)*



0,20

0,14

Dill (Anethum graveolens L.)

0,13

0,13

0,33

Echter Buchweizen (Fagopyrum esculentum Moench)

15,00

15,00

7,40



0,05



0,23

0,23

0,66





0,19

Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas L.)*

0,13

0,13

0,09

Koriander (Coriandrum sativum L.)

0,73

0,73

0,66

Kornblume (Centaurea cyanus L.)*

1,33

1,33

0,95

Leindotter (Camelina sativa [L.] Cranz)*



0,10

0,09

Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea L.)*





0,19

Gänseblümchen (Bellis perennis L.)* Garten-Kerbel (Anthriscus cerefolium [L.] Hoffm.) Gelbe Reseda (Reseda lutea L.)

*

Schweizer Ökotypen.

Schädlinge und Pflanzenschaden

Nützlinge

Abb. 1 | In ein Kartoffelfeld eingesäter Nützlingsblühstreifen mit schematischer Darstellung der Funktion. Gegenspieler von Kulturschädlingen werden durch die blühenden Pflanzen angelockt und reduzieren in der angrenzenden Kultur Schädlinge und Pflanzenschaden. (Foto: Matthias Tschumi, Agroscope)

262

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 260–267, 2016

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen | Umwelt

Distanz) vom Streifenrand zwei Mal je 100 Fiederblätter gesammelt und die darauf vorhandenen Blattläuse ausgezählt (Tschumi et al. 2016b). Erhebung von Nützlingen im Feld Die Gegenspieler der Schädlinge wurden in denselben Distanzen wie die Schädlinge sowie in den Blüh- und Kontrollstreifen selber untersucht. In Winterweizenfeldern wurden Mitte Juni und anfangs Juli räuberische Wanzen, Marienkäfer (Abb. 2C) und Florfliegen (Abb. 2B) gekeschert sowie zwischen Anfang Mai und Anfang Juli Laufkäfer mittels Bodenfallen gesammelt (Tschumi et al. 2015). In Kartoffelfeldern wurden auf den gesammelten Kartoffelblättern auch die Eier und Larven von Schwebfliegen, Marienkäfern und Florfliegen sowie parasitierte Blattläuse ausgezählt und adulte Schwebfliegen, Marienkäfer und Florfliegen mit Cornetfallen (Eggenschwiler et al. 2012) gefangen (Tschumi et al. 2016b). Statistische Auswertung Der kombinierte Einfluss der Blühstreifen und der Distanz auf Schädlinge und Nützlinge in der Kultur wurde mittels generalized linear mixed-effects models (GLMM) oder generalized linear models (GLM) und Poisson- oder negativ-binomialer Fehlerverteilung getestet. Alle statistischen Auswertungen wurden mit R 3.1.0 bis 3.1.2 gemacht (Tschumi et al. 2015 und 2016b).

Resultate Entwicklung der Nützlingsblühstreifen Die Deckung der gesäten Pflanzenarten war im Jahr 2013 (92 %) deutlich höher als in den anderen Jahren (61% im Jahr 2012 und 50 % im Jahr 2015). Die uner-

A

B

wartet hohe Deckung von Buchweizen im Jahr 2012 (Abb. 3) ist auf einen fälschlich beigemischten Buchweizen (Fagopyrum tataricum) zurückzuführen, der viel grösser ist und länger grün bleibt als der echte Buchweizen. Deshalb wurden dann in den Jahren 2013 und 2015 deutlich höhere Deckungswerte der anderen Arten der Samenmischung erzielt (Abb. 3). Verschiedene Faktoren wie Saatbeet-Vorbereitung, der trockene Sommer im Jahr 2015, der niederschlagsreiche Frühling im Jahr 2013, Unkrautdruck und Qualität des Saatgutes beeinflussen die Deckung der gesäten Arten. Das Ziel, dass der Anteil der spontanen Arten gegenüber den gesäten Arten nicht mehr als 40 % beträgt, wurde 2013 deutlich, 2015 knapp erreicht. Einfluss auf Schädlingsdichten und Pflanzenschaden In Winterweizenfeldern mit eingesätem NBS war im Jahr 2012 die Anzahl der Getreidehähnchen-Larven um 40 % und jene der adulten Getreidehähnchen der zweiten Generation um 53  % geringer als in Kontrollfeldern ohne Blühstreifen (p < 0,05; Abb. 4A und 4B). Dies führte zu einem signifikant geringeren Pflanzenschaden (–61 %; p < 0,05; Abb. 4C) an den Weizenpflanzen. Auch die Anzahl Blattläuse in Kartoffelfeldern mit eingesätem NBS war 2013 deutlich geringer als in Kontrollfeldern (–75 %; p < 0,05; Abb. 4D). Dabei gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den untersuchten Distanzen. Einfluss auf natürliche Gegenspieler der Schädlinge In den NBS selber waren die Zahlen aller adulten Nützlinge gegenüber den Kontrollstreifen stark erhöht (Abb. 5). Obwohl die meisten Nützlinge auch in den an NBS angrenzenden Feldern häufiger waren, unterschied sich im Winterweizen nur die Anzahl Laufkäfer ­signifikant

C

Abb. 2 | A) Getreidehähnchenlarve mit charakteristischen Frassspuren auf einem Winterweizenblatt, B) Florfliegenlarve sowie C) Marienkäfer beim Verzehr von Blattläusen auf Kartoffelpflanzen. (Fotos: Matthias Tschumi, Agroscope)

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Umwelt | Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen

50 45 40 Anethum graveolens

35

Centaurea cyanus

% Deckung

30

Coriandrum sativum Fagopyrum esculentum

25

Papaver rhoeas

20

Sinapis arvensis

15 10 5 0 2013

2012

2015

Abb. 3 | Mittlere Deckung (± 1 Standardfehler) von sechs angesäten Pflanzenarten Ende Juni 2012 (n = 10), 2013 (n = 8) und 2015 (n = 44).

B 150 100 0

20

Kultur Nahe Distanz

Kultur Weite Distanz

3500

Kultur Weite Distanz

2500

Anzahl Blattläuse

30

40

D

Kultur Nahe Distanz

0

0

500

10

Pflanzenschaden durch GH [%]

Kultur Weite Distanz

1500

Kultur Nahe Distanz C

50

Anzahl adulter Getreidehähnchen

20

40

60

80

Kontrolle Blühstreifen

0

Anzahl Getreidehähnchen-Larven

100

A

Kultur Nahe Distanz

Kultur Weite Distanz

Abb. 4 | Anzahl Schädlinge in Winterweizenfeldern (A und B) und Kartoffelfeldern (D) sowie Pflanzenschaden in ­Getreidefeldern (C) mit (gelb) und ohne (blau) Nützlingsblühstreifen. Winterweizenfelder (A, B und C): nahe Distanz = zufälliger Abstand zwischen 0,5 und 10,4 m vom Streifenrand, weite Distanz = kurze Distanz + 10 m, GH = ­Getreidehähnchen; Kartoffelfelder (D): nahe Distanz: 1 m vom Streifenrand, weite Distanz = 10 m vom Streifenrand.

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Agrarforschung Schweiz 7 (6): 260–267, 2016

100 80 60 40 20 0 80 0

20

40

60

Kultur Weite Distanz

80

Streifen

Kultur Nahe Distanz

Kultur Weite Distanz

60

Anzahl Marienkäfer-Larven (Winterweizen) Kultur Weite Distanz

Anzahl adulter Marienkäfer (Kartoffeln)

30 20 10 20

0

Streifen

I

Kultur Nahe Distanz

40

Kultur Weite Distanz

Streifen

20

Kultur Nahe Distanz

F

0

Anzahl adulter Marienkäfer (Winterweizen)

30 25 20 15 10 5 0 Streifen

40

Kultur Weite Distanz

15

Anzahl Florfliegen-Larven (Winterweizen) Kultur Weite Distanz

Anzahl adulter Florfliegen (Kartoffeln)

40 30 20 10 0 1000 600 400 200

Streifen

H

Kultur Nahe Distanz

10

Kultur Weite Distanz

800

Streifen

Streifen

5

Kultur Nahe Distanz

E

C

0

400 200

Kultur Weite Distanz

0

Anzahl räuberischer Wanzen (Winterweizen) Anzahl adulter Schwebfliegen (Kartoffeln)

G

Kultur Nahe Distanz

50

Streifen

D

Anzahl adulter Florfliegen (Winterweizen)

Blühstreifen

600

800

B Kontrolle

0

Anzahl Laufkäfer (Winterweizen)

A

1000

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen | Umwelt

Streifen

Kultur Weite Distanz

Abb. 5 | Anzahl Nützlinge in Winterweizenfeldern (A–F) und Kartoffelfeldern (G–I) mit (gelb) und ohne (blau) Nützlingsblühstreifen. Winter­ weizenfelder: nahe Distanz = zufälliger Abstand zwischen 0,5 und 10,4 m vom Streifenrand, weite Distanz = kurze Distanz + 10 m, GH =Ge­ treidehähnchen; Kartoffelfelder (G–I): nahe Distanz: 1 m vom Streifenrand, weite Distanz = 10 m vom Streifenrand.

(Interaktion mit Distanz; p < 0,01) und jene der räuberischen Wanzen (p = 0,09) sowie Florfliegen (p = 0,07) tendenziell von den Zahlen in den Kontrollfeldern. In Kartoffelfeldern waren nur die Florfliegen bei NBS signifikant häufiger (p < 0,05). Die auf den gesammelten Kartoffelblättern ausgezählten Eier scheinen ein besseres Mass für die Nützlingsaktivität im Feld zu sein. So waren die Eier von Schwebfliegen deutlich (p < 0,05) und diejenigen von Florfliegen tendenziell (p = 0,09) zahlreicher, wenn ein NBS an das Feld angrenzte (Abb. 6). Bei den Schwebfliegen wurden zudem signifikant mehr Arten in den NBS selber (25 Arten in NBS; 13 Arten in Kontrollstreifen; p < 0,01) wie auch in den angrenzenden Kartoffelfeldern (14  Arten in Feldern neben NBS; 10  Arten in Feldern neben Kontrollstreifen; p < 0,05) gefangen.

Diskussion und Schlussfolgerungen Die vorliegende Studie zeigt, dass sich Biodiversitätsund Produktionsförderung keinesfalls ausschliessen. Blühstreifen können vielmehr nebst ästhetischen Aspekten (Junge et al. 2009) und positiven Effekten auf die Biodiversität (Aviron et al. 2009) auch die biologische Kontrolle von Ackerschädlingen unterstützen. Der Mischungszusammensetzung dürfte beim Erzielen dieser Effekte eine entscheidende Rolle zukommen. Die selektive Auswahl von Pflanzenarten, die den ZielNützlingen ein reiches und zugängliches Angebot an Nektar und Pollen bieten, hat eine Vielzahl verschiedener Nützlinge angelockt. Die gegenüber früheren Studien zur Nützlingsförderung vergleichsweise hohe Diversität der angebotenen Blütenpflanzen (Wäckers

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Umwelt | Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen

30

B Kontrolle Blühstreifen

0

0

10

5

Anzahl Florfliegeneier 10 15 20

Anzahl Schwebfliegeneier 20 30 40 50

25

60

70

A

Kultur Nahe Distanz

Kultur Weite Distanz

Kultur Nahe Distanz

Kultur Weite Distanz

Abb. 6 | Effekte von Nützlingsblühstreifen auf die Anzahl Schwebfliegeneier (A) und Florfliegeneier (B) in Kartoffelfel­ dern mit Nützlingsblühstreifen (gelb) und Kontrollfeldern ohne Nützlingsblühstreifen (blau): nahe Distanz: 1 m vom Streifenrand, weite Distanz = 10 m vom Streifenrand.

und van Rijn 2012) und die zeitlich gestaffelte Abfolge der Blühphasen wurden offensichtlich den Ansprüchen verschiedener Nützlingsgruppen gerecht. Diverse Gemeinschaften sind oft effizienter bei der Schädlingskontrolle und bieten eine Absicherung gegen sich verändernde Umwelteinflüsse (Schmidt et al. 2003). Für einige Nützlinge haben zudem wohl auch strukturelle Komponenten der Vegetation (Eiablage, Schutzfunktion, Mikroklima), verminderte bewirtschaftungsbedingte Störungen und das Angebot von alternativer Beute (z. B. Blattläuse auf Kornblumen und Buchweizen) einen wichtigen Beitrag geleistet. Für die Förderung der biologischen Schädlingskontrolle sind insbesondere auch frühblühende Arten wichtig, die bereits beim Einflug der Schädlinge in die Kulturen Nützlinge ans Feld locken. Mit Buchweizen, Saat-Leindotter und Ackersenf konnte dies zumindest in den Kartoffelkulturen erzielt werden. Im Winterweizen werden nun zudem Mischungen getestet, die im Herbst gesät werden und durch die frühe Entwicklung der Pflanzen im Frühling für Nützlinge einen verstärkten Mehrwert bieten dürften. Die gesäten Arten sollen neben der Nützlings-Förderung auch unerwünschte Pflanzenarten unterdrücken. Ein kleiner Anteil spontaner Arten ist für die meisten befragten Landwirte unbedenklich. Zudem dürften auch seltene Ackerbegleitpflanzen von der, im Vergleich zu sehr dichten Nutzpflanzenbeständen, etwas lückigeren Vegetation profitieren. Die Reduktion von Getreidehähnchen und Blattläusen kann dazu führen, dass der Schädlingsdruck durch das Ansäen eines NBS unter die für das Ausbringen von Insektiziden berechnete ökonomische Schadschwelle

266

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fällt (Tschumi et al. 2015). Zudem können starke Schädlingsentwicklungen frühzeitig eingedämmt werden. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass einjährige Blühstreifen nur im Verbund mit gut vernetzten mehrjährigen halbnatürlichen Habitaten funktionieren können, die den Nützlingen auch im Herbst und Winter Schutz und Überwinterungsmöglichkeiten bieten. In Interviews mit den Landwirten hat sich gezeigt, dass die Förderung von Nützlingen und der Biodiversität per se zu den wichtigsten Gründen für Landwirte gehören, einen NBS anzusäen. Möglicherweise auch aufgrund der starken Resultate dieses Projektes haben 80  % der involvierten Landwirte angegeben, den Umstieg von konventionellem zu Extenso-Winterweizen in Betracht zu ziehen, wenn sich der Schädlingsdruck mit NBS unter die Schadschwelle drücken lässt. Im weiteren Verlauf des Projektes werden nun Ertragsauswirkungen der NBS und entsprechende Kosten-NutzenAnalysen vertieft. Bis 2017 sollen empfohlene Samenmischungen für das neue BFF-Element «Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge» für den Handel bereit sein. Sie ergänzen damit die bereits angebotenen Mischungen zur Nützlingsförderung im Kohlanbau (Luka et al. 2016, S.  268) und zur Förderung von Honigund Wildbienen (Ramseier et al. 2016, S. 276). n

Le strisce fiorite con organismi utili per la campicoltura riducono le criocere dei cereali e gli afidi Studi precedenti hanno dimostrato che habitat seminaturali come maggesi fioriti o prati sfruttati in modo estensivo incrementano la biodiversità di flora e fauna. Per promuovere la regolazione naturale dei parassiti sono state sviluppate miscele di semi per strisce fiorite annuali orientate in modo mirato alle necessità dell’antagonista dei parassiti per la campicoltura (in particolare le criocere dei cereali e gli afidi). Nelle strisce fiorite con organismi utili, seminate con diverse colture e piante selvatiche, e in parte anche nelle colture limitrofe, si trovava un numero nettamente superiore di diversi organismi utili. Rispetto ai campi di controllo, nei campi di frumento autunnale in cui erano presenti strisce fiorite con organismi utili è stato riscontrato il 40–53 per cento in meno di criocere dei cereali e nei campi di patate il 75 per cento in meno di afidi. Inoltre anche i danni alle piante causati da criocere dei cereali si sono ridotti del 61 per cento. I risultati mostrano che le strisce fiorite, oltre alla promozione della biodiversità, possono aiutare anche a ridurre i parassiti e quindi rappresentano un valore aggiunto per la produzione agricola. Entro il 2017 dovranno essere disponibili due miscele di semi commerciabili per le nuove superfici per la promozione della biodiversità «Strisce fiorite per impollinatori e altri organismi utili».

Literatur ▪▪ Aviron S., Nitsch H., Jeanneret P., Buholzer S., Luka H., Pfiffner L., Pozzi S., Schüpbach B., Walter T. & Herzog F., 2009. Ecological cross compliance ­promotes farmland biodiversity in Switzerland. Frontiers in Ecology and the ­Environment 7, 247–252. ▪▪ Benz R. et al., 2015. Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge / Bandes fleuries pour les pollinisateurs et les autres organismes utiles. Agridea, Lausanne. ▪▪ Cardinale B. et al., 2012. Biodiversity loss and its impact on humanity. Nature 486, 59–67. ▪▪ Eggenschwiler L., Roubinet E., Tisch C., Rodriguez P. & Jacot K., 2012. Suitability of two different trap types for catching aphid antagonists and pollinators. IOBC / WPRS Bulletin 75, 69–72. ▪▪ Luka H., Daniel C., Barloggio G. & Pfiffner L., 2016. Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf. Agrarforschung Schweiz 7 (6), 268–275. ▪▪ Junge X., Jacot K.A., Bosshard A. & Lindemann-Matthies P., 2009. Swiss people’s attitudes towards field margins for biodiversity conservation. Journal for Nature Conservation 17, 150 – 159. ▪▪ Millennium Ecosystem Assessment, 2005. Ecosystems and Human Well-being: Synthesis. Island Press, Washington, DC.

Summary

Riassunto

Nützlingsblühstreifen für den Ackerbau ­r eduzieren Schädlinge in Kulturen | Umwelt

Tailored flower strips for arable crops reduce cereal leaf beetles and aphids Sustainable agricultural production relies on ecosystem services such as biological pest control. This service is at risk through intensive agricultural management; but can be improved by offering resources to pests’ natural enemies. Flower strips tailored to the specific needs of natural enemies of crop pests (i.e. cereal leaf beetles and aphids) were evaluated on farms. Natural enemies were strongly increased in tailored flower strips and to some extent also in the neighboring crops. Cereal leaf beetle numbers were 40%–53% lower in winter wheat fields with tailored flower strip and aphid density was 75 % lower in potato fields with flower strip compared to control fields without flower strips. In addition, crop damage caused by cereal leaf beetles was reduced by 61 %. These results suggest that tailored flower strips can help to reduce pests in addition to potential benefits to biodiversity, and as such offer an added value for agricultural production. In 2017 two seed mixtures tailored to the specific needs of natural enemies of crop pests will be available on the market. Key words: flower strips, pest control, crop plant damage, natural enemies, ecosystem services.

▪▪ Ramseier H., Füglistaller D., Lädrach C., Ramseier C., Rauch M. & Widmer Etter F., 2016. Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen. Agrarforschung Schweiz 7 (6), 276–283. ▪▪ Schmidt M.H., Lauer A., Purtauf T., Thies C., Schaefer M. & Tscharntke T., 2003. Relative importance of predators and parasitoids for cereal aphid control. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 270, 1905–1909. ▪▪ Tscharntke T. et al., 2012. Landscape moderation of biodiversity patterns and processes – eight hypotheses. Biological Reviews 87, 661–685. ▪▪ Tschumi M., Albrecht M., Entling M.H. & Jacot K., 2015. High effectiveness of tailored flower strips in reducing pests and crop plant damage. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 282, 1369. ▪▪ Tschumi M., Albrecht M., Bärtschi C., Collatz J., Entling M.H. & Jacot K., 2016a. Perennial, species-rich wildflower strips enhance pest control and crop yield. Agriculture Ecosystems & Environment 220, 97–103. ▪▪ Tschumi M., Albrecht M., Collatz J., Dubsky V., Entling M.H., Najar-Rodriguez A.J. & Jacot K., 2016b. Tailored flower strips promote natural enemy biodiversity and pest control in potato crops. Journal of Applied Ecology, (29. März 2016). ▪▪ Wäckers F.L. & van Rijn P.C.J., 2012. Pick and mix: Selecting flowering plants to meet the requirements of target biological control insects. In: Biodiversity and Insect Pests: Key Issues for Sustainable Management (Eds. G.M. Gurr et al.). John Wiley & Sons, Ltd, Chichester, 139–165.

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U m w e l t

Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf Henryk Luka1, Guendalina Barloggio1,2 und Lukas Pfiffner1 1 Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, 5070 Frick, Schweiz 2 Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, 4056 Basel, Schweiz Auskünfte: Henryk Luka, E-Mail: [email protected]

Blühstreifen fördern Nützlinge, die den Schädling Kohleule dezimieren. (Foto: Henryk Luka, FiBL)

Einleitung Die Biodiversität beeinflusst viele Ökosystem­ dienst­ leis­ tungen und Prozesse in landwirtschaftlichen Anbausystemen (Moonen und Barberi 2008). Mit dem Einsatz funktioneller Agro-Biodiversität wird versucht, diese Leistungen für die Schädlingsregulation zu nutzen (Crowder und Jabbour 2014; Uyttenbroeck et al. 2015). Damit Nützlinge Schädlinge effizient reduzieren können, müssen sie mit verschiedenen Massnahmen auf Landschaftsebene gezielt gefördert werden (Pfiffner et al. 2005; Tschumi et al. 2016). Sie benötigen dazu Lebensräume, in denen sie ausreichend Nahrungsquellen und geeigneten Unterschlupf finden. Für jede Kultur braucht es in Abhängigkeit des Schädlings-Nützlings-Komplexes massgeschneiderte Aufwertungen: Von Blühstreifen und mehrjährigen

268

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 268–275, 2016

Ökoflächen als Quelle am Feldrand bis hin zu blühenden Beipflanzen in den Kulturen, welche die Nützlinge ins Feld locken (Balzan et al. 2016). Die Blühpflanzen sollen nur die Nützlinge, nicht aber die Schädlinge fördern (Wäckers et al. 2005; Van Rijn und Wäckers 2016). Manche Nützlinge sind parasitoide Wespen, die aufgrund ihrer kurzen Mundwerkzeuge Blüten mit leicht zugänglichen Nektarquellen benötigen, das heisst offene, flache Blütenstände mit weitem Kronröhrendurchmesser (Vattala et al. 2006) oder Nektar ausserhalb der Blüten (Winkler et al. 2009). Zudem muss sich die Nektarqualität positiv auf Lebensdauer und Fruchtbarkeit der parasitoiden Wespen auswirken (Lavandero et al. 2006; Winkler et al. 2006; Lee und Heimpel 2008; Witting-Bissinger et al. 2008; Nafziger und Fadamiro 2011).

Für unsere Versuche haben wir Weisskohl als Modell gewählt. Kohlarten werden von einer Vielzahl von Schädlingen befallen, denen wiederum mehrere Gegenspieler (Nützlinge) gegenüberstehen (Ahuja et al. 2010). Die lange Kulturdauer von Weisskohl ermöglicht den Aufbau von Nützlingspopulationen durch ein Habitatmanagement. Die wirtschaftliche Relevanz der Schädlinge und der vergleichsweise intensive Einsatz von Insektiziden sind weitere Gründe für die Wahl von Kohl als Modellkultur. Unsere Arbeiten konzentrierten sich auf die Kohleule (Mamestra brassicae). Ihre wichtigsten Gegenspieler sind parasitoide Schlupfwespen wie Trichogramma evanescens und Telenomus sp., welche die Eier der Kohleule parasitieren, sowie die Brackwespe Microplitis mediator, ein Larvenparasitoid (Abb. 1). Unsere Ziele waren: 1. Auswahl geeigneter Blühpflanzen für die Nützlingsförderung im Kohlanbau basierend auf Literaturangaben 2. Laborprüfung des Einflusses ausgewählter Pflanzen auf die Eiablageleistung und Lebensdauer der Parasitoide. Prüfung der Geruchsattraktivität für die Wespen 3. Entwicklung, Prüfung und Optimierung einer Blühstreifenmischung unter Praxisbedingungen 4. Prüfung der Auswirkungen der Blühstreifen am Feldrand sowie der Beipflanzen im Kohlfeld auf Schädlingsregulation und Artenvielfalt 5. Erhebung der Auswirkungen auf den Kohlertrag

Zusammenfassung

Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf | Umwelt

Die Regulation von Schädlingen kann im Bio-Gemüsebau mit Hilfe von Biodiversitätsflächen verbessert werden. Dies zeigen mehrjährige Untersuchungen am Modellsystem Kohl, am Schädling Kohleule und an dessen Ei- und Larvenparasitoiden (Nützlinge). Gefördert wurden die Nützlinge durch Blühstreifen am Feldrand und Beipflanzen innerhalb des Feldes. Geeignete Pflanzen für die Blühstreifen wurden aufgrund der Fachliteratur und eigener Laborexperimente ausgewählt und in Feldversuchen überprüft. In Laborversuchen verlängerte das Angebot von Buchweizen, Kornblumen oder Futterwicken die Lebensdauer der Kohleulen-Parasitoide um 43 bis 85 %. Die Parasitierung der Kohleule-Larven erhöhte sich im Vergleich zur Kontrolle um das Drei- bis Sechsfache. In den Feldversuchen erhöhten Blühstreifen die Parasitierung von Kohleuleneiern in einem von zwei Jahren um das Zweifache. Die Kornblume als Beipflanze im Kohlfeld konnte den Frass von Kohleuleneiern um 8 bis 95% und die Parasitierung der Larven um 35 bis 68% steigern. Die Artenvielfalt breit wirksamer Nützlingsgruppen (Lauf- und Kurzflügelkäfer sowie Spinnen) erhöhte sich in den Blühstreifen um durchschnittlich 46 %. Kohlköpfe mit Beipflanzen waren in einem von zwei Jahren 18 % schwerer als ohne Kornblumen und wiesen 41% weniger Blätter mit Frassspuren auf.

Abb. 1 | Die Kohleule (links) und ihre Gegenspieler: Schlupfwespen parasitieren die Eier (Mitte), Brackwespen befallen die Larven (rechts). (Fotos: Henryk Luka, FiBL; Claudia Daniel, FiBL; Henryk Luka, FiBL [von links nach rechts])

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269

Umwelt | Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf

Tab. 1 | Übersicht über das Versuchsdesign sowie Ziel-Organismen und erhobene Zielgrössen

Jahr

Anzahl Felder (Plots pro Verfahren)

2007 mit Blühstreifen

2 (4)

2009 ohne Blühstreifen

8 (1)

2010 mit Blühstreifen

7 (1)

Organismen

Zielgrössen

> Kohleulen (M. brassicae)-Eierund Larven

1) Ei-Prädation und -Parasitierung 2) Larven-Parasitierung

> M. brassicae -Eierund Larven

1) Ei-Prädation und -Parasitierung 2) Larven-Parasitierung

> M. brassicae -Eierund Larven > Lauf- und Kurzflügel­ käfer sowie Spinnen

1) Ei-Prädation- und -Parasitierung 2) Larven-Parasitierung 3) Artendiversität

Material und Methoden Auswahl der Blühpflanzen Basierend auf einer umfangreichen Literaturrecherche wurden sechs aussichtsreiche einjährige Pflanzenarten wie Knorpelmöhre (Ammi majus), Kornblume (Centaurea cyanus), Buchweizen (Fagopyrum esculentum), Schleifenblume (Iberis amara), Oregano (Origanum vulgare) und Futterwicke (Vicia sativa) ausgewählt. Ihr Einfluss auf die Parasitierungsleistung und Lebensdauer der parasitoiden Brackwespe Microplitis mediator, sowie auf deren Wirt, die Kohleule (Mamestra brassicae), wurde mit Käfigversuchen (zehn Wiederholungen pro Pflanzenart) im Labor untersucht (Géneau et al. 2012). Um das Anlockungspotenzial der Pflanzenduftstoffe für M. mediator zu testen, wurden im Labor (Belz et al. 2013) und im Freiland (Barloggio et al. eingereicht) Versuche mit einem Y-Olfaktometer durchgeführt. Als Vergleich dienten duftfreie Luft (Kontrolle), Honig, Pflanzen-Stängel und Blüten. Blühstreifen und Beipflanzen für Kohlanbau Die Blühstreifenmischung bestand aus den Hauptarten Kornblume, Buchweizen und Futterwicke sowie den Begleitarten Knorpelmöhre und Klatschmohn und wurde von 2007 bis 2015 in verschiedenen Mischungsverhältnissen in drei biogeographischen Regionen entomologisch und botanisch-herbologisch untersucht. Aufgrund der botanischen (Deckungsgrad von angesäten und spontanen Arten) und entomologischen Eignung (Schädlingsregulation sowie Artendiversitätsförderung) wurde diese Mischung laufend weiterentwickelt.

270

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 268–275, 2016

Verfahren

Entfernung zum Blühstreifen oder Feldrand Nahbereich

Fernbereich

mit Kornblume

3–10 m

29–32 m

ohne Kornblume (Kontrolle)

3–10 m

29–32 m

mit Kornblume

keine Aufnahmen

22–30 m

ohne Kornblume (Kontrolle)

keine Aufnahmen

22–30 m

mit Kornblume

3–6 m

19–22m

ohne Kornblume (Kontrolle)

3–6 m

19–22m

Ergänzend zu den Nützlingsblühstreifen wurden im Kohl sechs bis acht Wochen alte Kornblumen-Setzlinge im Juni als Beipflanzen in die Kulturen gepflanzt, um die Nützlinge stärker ins Feld zu locken und durch das zusätzliche Nahrungsangebot ihre Parasitierungsleistung zu steigern. Schädlings- und Nützlingserfassung im Freiland In der Periode 2007 bis 2010 wurden auf insgesamt 17  Standorten im Schweizer Mittelland Feldversuche durchgeführt. Erfasst wurden die Raub- und Parasitierungsraten der Kohleulen-Eier und -Larven in Verfahren mit und ohne Kornblumen in zwei Distanzen zum Blühstreifen (Tab. 1). Zur Erhebung der Raub- und Parasitierungsrate der Eier wurden im Labor produzierte KohleuleneierGelege (24 bis 48 Eier pro Gelege) zwei bis drei Tage im Feld exponiert. Zur Erhebung der Larvenparasitierung wurden natürlich auftretende Larven der Schadschmetterlinge im Feld gesammelt und im Labor mithilfe der PCR-Methode (Polymerase-Kettenreaktion) auf Parasitierung untersucht. Die Artendiversität und Abundanz der auf der Bodenoberfläche räuberisch lebenden Nützlinge wie Lauf- und Kurzflügelkäfer sowie Spinnen wurden 2010 mit Hilfe von vier Trichterbodenfallen pro Verfahren erfasst (Tab. 1). Bonitur des Ernteverlusts durch Schädlinge Zur Erfassung des Ernteverlusts wurde in zwei Feldversuchen (2009 und 2010) die Anzahl durch Larvenfrass beschädigter Blätter sowie das Gewicht der Kohlköpfe in den Bereichen mit und ohne Kornblumen (beide insektizidfrei) sowie in einem mit Insektizid (Bt-Präparat oder Spinosad) behandelten Kohlfeld-Bereich erhoben.

Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf | Umwelt

B 22

A

20

12

8

a a

6

Verfahren

ns ns

mit Kornblume a

ohne Kornblume

4 a

2

Mittelwert Prädation (%)

Mittelwert Parasitierung (%)

18 10

16 14

ns a

a Verfahren

12 10 8

ns b

mit Kornblume b

ohne Kornblume

6 4 2 0

0 3–10

25–32

Entfernung zum Blühstreifen (m) Fehlerbalken: +/– 1 SE

3–10

25–32

Entfernung zum Blühstreifen (m) Fehlerbalken: +/– 1 SE

Abb. 2 | Parasitierung (A) und Prädation (B) von Kohleulen-Eiern in zwei Entfernungsbereichen zum Blühstreifen im Verfahren mit und ohne Kornblume (Kontrolle) im Jahr 2007. Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede (p < 0,05), ns: nicht signifikant, SE: Standardfehler.

Resultate und Diskussion Pflanzenauswahl Die Laborversuche haben gezeigt, dass einige der getesteten Pflanzen die Lebensdauer der Brackwespe (M. mediator) signifikant erhöhen (p  < 0,0001): Die Lebensdauer weiblicher Wespen erhöhte sich auf 16 bis 28 Tage, wenn sie sich von Buchweizen, Kornblume (Blütennektar und extrafloraler Nektar [EFN]) und V. sativa (EFN) ernährten. Bei der Knorpelmöhre und der Schleifenblume lag die Lebensdauer wie bei der Wasser-Kontrolle bei nur drei bis sieben Tagen (Géneau et al. 2012). Die Parasitierungsrate (Eiablage) wurde durch einige der getesteten Pflanzen ebenfalls signifikant erhöht (p  = 0,001). Die höchsten Parasitierungsraten wurden mit Buchweizen, gefolgt von Kornblume (Blütennektar und EFN) und Futterwicke (EFN) festgestellt. Jede Wespe parasitierte in der Variante mit Buchweizen durchschnittlich 202  Larven, in der Wasserkontrolle nur 14,4 Larven. Die schädlichen Kohleulen wurden durch die getesteten Pflanzenarten nicht gefördert (Géneau et al. 2012). Die Olfaktometerversuche zeigten, dass die Brackwespe (M. mediator) durch den Duft von Blütenpflanzen oder Honig stärker angelockt wurde als durch eine geruchsneutrale Kontrolle (p  < 0,05). Dabei war die Kornblume für die Parasitoiden attraktiver als Buchweizen und Futterwicke (Belz et al. 2013). Aufgrund weiterer positiver Eigenschaften wie Ausscheidung von extrafloralem, leicht zugänglichem Nektar und geringer Wuchshöhe wurde die Kornblume als geeignetste Beipflanze für den Kohlanbau ausgewählt.

Mischungsversuche Die Blühstreifen etablierten sich an sechs von neun Standorten mit einer Bodenbedeckung der eingesäten Arten von 42 bis 61 % recht gut. Drei Streifen, die im Seeland (Grosses Moos) auf organischen Böden angelegt worden waren, mussten wegen sehr starker Verunkrautung umgebrochen werden. Die aktuell empfohlene Blühstreifen-Mischung für Kohlanbau besteht aus 18,3 % Buchweizen, 74,7 % Futterwicke, 6,8  % Kornblume und 0,2  % Klatschmohn. Diese Mischung ist für das Jahr 2016 als Biodiversitätsförderfläche durch das Bundesamt für Landwirtschaft BLW zugelassen und damit beitragsberechtigt. Schädlingsregulierung im Freiland In Freilandversuchen mit Beipflanzen (2009) sowie mit der Kombination von Blühstreifen und Beipflanzen (2007 und 2010) wurde die Parasitierung von Eiern und Larven von M. brassicae untersucht. Ei-Parasitierung und Prädation dank Blühstreifen Die Versuche 2007 (2A) und 2010 zeigten einen Distanzeffekt bei der Parasitierung der Kohleulen-Eier: In den Nahbereichen wurden tendenziell (aber nicht signifikant) mehr Eier parasitiert als in den Fernbereichen (Abb.  2A). Ein negativer Distanzeffekt wurde auch in anderen Arbeiten festgestellt (Skirvin et al. 2011; Sigsgaard et al. 2013; Tschumi et al. 2016). Da die ca. 0,6 bis 1  mm kleinen Eiparasitoide keine aktiven Flieger sind, ist offenbar keine effektive Anlockung von umliegenden Habitaten zu den Blühstreifen und keine aktive

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Umwelt | Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf

Larven-Parasitierung dank Blühstreifen Die Distanz zum Blühstreifen hatte 2007 und 2010 keinen signifikanten Einfluss auf die Parasitierung der Kohleulen-Larven. Die Parasitierungswerte waren aber 2007 im Nahbereich tendenziell höher als im Fernbereich zum Blühstreifen, 2010 gab es keine Unterschiede. Dies kann auf die hohe Mobilität der Larvenparasitoide zurückgeführt werden. Im Unterschied zu den Eiparasitoiden sind die Larvenparasitoide der Kohlschädlinge deutlich grösser (3–5 mm) und können daher aktiv grössere Entfernungen zurücklegen. Yu et al. (2009) stellten für M. mediator Flugstrecken von 5– 6 km fest, die in rund 85 Minuten zurückgelegt wurden. Weshalb hat in unserem Fall die Parasitierung bereits in 20 bis 30  m Entfernung zum Blühstreifen abgenommen? Im Feldexperiment mit dem Y-Olfaktometer haben wir festgestellt, dass die Düfte der Blühstreifen in einer Entfernung von 16 m so stark abnehmen, dass sie für M. mediator nicht mehr attraktiv sind. Auch Tschumi et al. (2016) stellten fest, dass die Blühstreifenwirkung auf die Regulation von Getreidehähnchen (Oulema sp.) im Getreide ab 20 m E ­ ntfernung abnimmt. Sigsgaard et al. (2013) zeigten ebenfalls, dass bereits ab 11 m die Wirkung eines Blühstreifens auf die Schädlingsregulation stark sinkt. Wir vermuten, dass die Insekten trotz hoher Mobilität die Blumen nicht finden, weil sie sich über grössere Distanzen nicht mehr an den Pflanzendüften orientieren können. Ei- Parasitierung und Prädation dank Beipflanzen Um negative Distanzeffekte auf die Eiparasitierung und -prädation zu kompensieren, wurden Kornblumensetzlinge als Beipflanzen ins Feld gepflanzt. Die Ei-Parasitierung wurde durch die Kornblume erhöht, die Unterschiede zur Kontrolle ohne Kornblumen waren aber alle nicht signifikant (2007, Abb.  2A). Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass den Parasitoiden andere Nahrungsquellen zur Verfügung standen (z. B. Honigtau von Blattläusen) oder dass sich die Parasitoiden nach der Eiablage auch von den angestochenen Schädlingseiern ernährten (Rivero und West 2005, Ferracini et al. 2006, Vollhardt et al. 2010; Van Rijn et al. 2013). Begleitende Untersuchungen zeigten, dass die Blattlausdichte in den Bereichen ohne Kornblumen höher war als in den Bereichen mit Kornblumen, wo Blattlausfresser, insbesondere Florfliegen und Schwebfliegen, häufiger auftraten. Als adulte Tiere profitieren diese Fliegen von Blühpflanzen

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Agrarforschung Schweiz 7 (6): 268–275, 2016

a a

Mittelwert Parasitierung (%)

Ausbreitung im Feld möglich. Bei der Prädationsrate der Kohleulen-Eier hingegen hatte die Distanz zum Blühstreifen sowohl 2007 (Abb.  2B) wie auch 2010 keinen signifikanten Einfluss.

60

a b

Verfahren mit Kornblume

40

ohne Kornblume 20

Anzahl Larven 99

106

321

376

0 2009

2010 Jahre Fehlerbalken: +/– 1 SE

Abb. 3 | Parasitierung von Kohleulen-Larven in den Jahren 2009 und 2010 in Kohl mit und ohne Kornblumen als Beipflanzen. Unterschied­ liche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede (p < 0,05), SE: Standardfehler.

als Nahrungsquellen (Tschumi et al. 2016; Van Rijn und Wäckers 2016). Der Anteil von Räubern gefressener Eier wurde 2007 in den Parzellen mit Kornblume als Beipflanze in beiden Distanzen zum Blühstreifen signifikant erhöht (Abb. 2B). Auch 2010 war die Ei-Prädation in den Parzellen mit Kornblumen signifikant höher (p = 0,045). 2009 wurden ähnliche Effekte beobachtet, die Unterschiede waren jedoch knapp nicht signifikant (p = 0,072). Die 2010 ermittelten Individuendichten der räuberischen Lauf- und Kurzflügelkäfer sowie der Spinnen waren in allen drei Fällen in den Parzellen mit Kornblumen höher als in den Parzellen ohne Kornblumen (Abb. 5B). Dies könnte auch zu einer höheren Prädation der Kohleulen-Eier beigetragen haben. Larven-Parasitierung dank Beipflanzen Die Parasitierung der Kohleulen-Larven war 2007 und 2009 (Abb. 3) im Verfahren mit Kornblumen höher als in der Kontrolle, die Unterschiede waren aber nicht signifikant. Nur im Jahr 2010 wurden signifikant mehr Larven in den Parzellen mit Kornblumen parasitiert als ohne Kornblumen (Abb. 3). Der Schädlingsbesatz (Anzahl Larven) war 2007 und 2010 im Bereich ohne Kornblume höher. Dies deutet auf eine positive Wirkung der Kornblume auf die Parasitoiden und Räuber hin. Manandhar und Wright (2015) zeigten, dass Buchweizen als Beipflanzen die Parasitierungsraten durch Trichogramma-Wespen und die Dichte von räuberischen Wanzen (Orius spp.) positiv beeinflussen können.

Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf | Umwelt

A

B

a

1200

40

30

20

Lebensraumtyp

a b b

Blühstreifen mit Kornblume ohne Kornblume

b

b

a b

b

10

Blühstreifen mit Kornblume ohne Kornblume

Mittelwert Aktivitätsdichte

Mittelwert Anzahl Arten

a

Lebensraumtyp

1000

Blühstreifen mit Kornblume ohne Kornblume

800 b

600

a

b a

400

a

0 Laufkäfer

Kurzflügelkäfer

ab

Blühstreifen mit Kornblume ohne Kornblume

b

200 0

a

Laufkäfer

Spinnen

Kurzflügelkäfer

Spinnen

Tiergruppe Fehlerbalken: +/– 1 SE

Tiergruppe Fehlerbalken: +/– 1 SE

Abb. 4 | Mittlere Anzahl Arten (A) und mittlere Aktivitätsdichten (B) der Lauf- und Kurzflügelkäfer sowie Spinnen im Blühstreifen sowie im Kohlfeld mit und ohne Kornblumen. Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede (p < 0,05), SE: Standardfehler.

Auswirkungen auf den Ertrag Das Hauptziel der Versuche war, Frassschäden der Kohleule zu reduzieren. Das mittlere Kopfgewicht war 2009 in den Parzellen mit Beipflanzen um 18 % höher als in den Parzellen ohne Beipflanzen (Abb.  5). 2010 wurde kein Ertragsunterschied festgestellt, auch nicht im Vergleich zu den betriebsüblich mit Insektizid behandelten Parzellen (Abb. 5). Die Anzahl geschädigter Kohlblätter war im Jahr 2009 in den Parzellen mit Beipflanzen um 41 % signifikant reduziert (p = 0,0005). Trotz höherer Parasitierung im Verfahren mit Kornblume wurden 2010 keine Ertragsunterschiede gemessen (Abb. 5; Balmer et al. 2014).

3,0 ns Mittelwert Kopfgewicht (kg)

Effekte der Blühstreifen auf räuberische Nützlinge Um die Auswirkungen von Blühstreifen auf die Biodiversität zu erfassen, wurden 2010 insgesamt 53 431 Laufkäfer- und Kurzflügelkäfer sowie Spinnen untersucht, es wurden über alle drei Gruppen hinweg 252 verschiedene Arten gefunden (Ditner et al. 2013; Luka et al. in Vorbereitung). Laufkäfer und Spinnen sowie Kurzflügelkäfer sind wichtige Nützlinge und geeignete Bioindikatoren (Hänggi 1989; Bohac 1999; Holland 2002; Luka 2004). Die Artenzahlen aller drei Gruppen (Abb. 4A) und die Anzahl Individuen (Aktivitätsdichte) der Laufkäfer waren in den Blühstreifen signifikant höher als im Kohlfeld (Abb. 4B). Bei allen drei Tiergruppen war die Aktivitätsdichte in den Parzellen mit Kornblumen-Beipflanzen höher als in den Parzellen ohne Kornblumen (Abb.  4B). Diese positive Wirkung von Blühstreifen und Beipflanzen auf die Abundanz von Räubern wird von anderen Studien bestätigt (Nilsson et al. 2015; Westphal et al. 2015). Die Blühstreifen bieten zudem einen Lebensraum für viele anspruchsvolle und seltene Arten wie die Laufkäfer Amara littorea, Amara aulica sowie die Spinnen Diplocephalus latifrons, Dicymbium nigrum brevisetosum oder Xerolycosa miniata. Diese Arten kamen ausschliesslich im Blühstreifen vor. Zudem wurde in den Blühstreifen erstmals in der Nordostschweiz die Laufkäferart Dolichus halensis und erstmals in der Schweiz die Weberknechtart Nemastoma bidentatum nachgewiesen. Das individuenreiche Auftreten seltener Arten ausschliesslich in Blühstreifen unterstreicht den ökologischen Wert dieser Biodiversitätsförderfläche.

Verfahren mit Kornblume ohne Kornblume ohne Kornblume (behandelt)

2,0 a b

mit Kornblume ohne Kornblume ohne Kornblume (behandelt)

1,0

0,0 2009

2010 Jahre Fehlerbalken: +/– 1 SE

Abb. 5 | Mittleres Kohl-Kopfgewicht nach Entfernen der beschädig­ ten Blätter. Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede (p < 0,05), SE: Standardfehler, ns: nicht signifikant.

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Umwelt | Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf

Kohlpflanzung

März

Apr.

Mai

Jun.

Jul.

Aug.

Sept.

Okt.

Freilassung der Nützlinge (Eiparasitoide)

Antagonisten-Population

Schadenschwelle

Schadfalter‐Population

B

Antagonisten-Population

Schadfalter‐Population

A

Schadenschwelle

Kohl- und Blühstreifen BeipflanzenPflanzung Ansaat

März

Apr.

Mai

Jun.

Jul.

Aug.

Sept.

Okt.

Blühpflanzen-Blüte (Nützlingsförderung) Abb. 6 | Theoretisches Modell der Wechselwirkungen zwischen Schadfalter- und Parasitoiden-Populationen im Kohlanbau ohne Low-InputPflanzenschutzsystem (A) und mit einem Low-Input-Pflanzenschutzsystem (B), Zeitperiode April bis September.

Schlussfolgerungen Die vorgestellten Labor- und Feldversuche zeigen, dass im biologischen Kohlanbau durch die gezielte Anlage von massgeschneiderten Blühstreifen und Beipflanzen die Gegenspieler von Schadfaltern gefördert werden können. Betrachtet man die Populationsdynamik der parasitoiden Wespen (Nützlinge) sowie ihrer Wirte (Schadfalter), kommen die Nützlinge mit einer Verzögerung vor (Abb. 6A). In Zukunft sollen die Nützlingspopulationen durch gezielte Förderung kombiniert mit einer Massenfreilassungreilassung des Eiparasitoiden Telenomus sp. schon ab April so aufgebaut werden, dass sie die Schädlinge in der Anfangsentwicklung reduzieren und so unter der ökonomischen Schadenschwelle halten können (Abb. 6B). In den nächsten drei Jahren wird das Low-Input–Pflanzenschutzsystem auf seine Wirkung betreffend Regulation von Schadfaltern geprüft. Dabei wird ein weiterer Schädling-Nützling-Komplex untersucht: Der Kohlweissling (Pieris rapae) und eine Brackwespe (Cotesia rubecula).  n Dank Finanzierung: Bristol-Stiftung, Bundesamt für Umwelt BAFU, Coop Fonds für Nachhaltigkeit, Ernst Göhner Stiftung, Parrotia-Stiftung, Schöni Swissfresh AG, Singenberg Stiftung, Spendenstiftung Bank Vontobel, Stiftung Dreiklang, Stiftung Werner Steiger, Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt und EU (Entwicklung des Biokontrollorganismus Telenomus sp.). Zusammenarbeit: Alle Landwirte, Prof. Peter Nagel, PD Dr. Jan Beck, Prof. Mathias Kölliker, Prof. Walter Salzburger (Universität Basel), Prof. Felix Wäckers (Universität Lancaster), PD Dr. Michael Traugott (Universität Innsbruck) sowie Dr. Werner Marggi und Dr. Hannes Baur (Naturhistorisches Museum Bern), Pius Andermatt und Oliver Kindler (Syngenta, Stein), Johannes Burri (Fenaco), Dr. O ­ liver Balmer (Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut), Dr. Elodie Belz (Vannes), Dr. Céline Géneau (Syngenta Basel). Dr. Claudia Daniel und Dr. Thomas Alföldi (FiBL) danken wir für die kritische Durchsicht des Manuskriptes.

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Le strisce fiorite regolano i parassiti nell’orticoltura e rivalutano le terre coltive dal profilo ecologico Studi pluriennali aventi le culture di cavolo come sistema modello, così come il suo parassita la nottua del cavolo e i parassitoidi delle sue uova e larve (organismi utili), mostrano come i parassiti nell’orticoltura possano essere regolati attraverso la promozione della biodiversità. Gli organismi utili sono stati promossi mediante strisce fiorite ai margini del campo e specifici fiori piantati al suo interno. Le piante adatte alle strisce fiorite sono state selezionate sulla base della letteratura scientifica e di alcuni esperimenti in laboratorio, e sucessivamente verificate sul campo. Negli esperimenti in laboratorio l’apporto di grano saraceno, fiordaliso o veccia dolce ha prolungato la durata di vita dei parassitoidi delle larve di nottua del cavolo dal 43 all’85 per cento. La parassitizzazione delle larve di nottua del cavolo, rispetto al controllo, è aumentata da 3 a 6 volte. Negli esperimenti sul campo mediante le strisce fiorite la parassitizzazione delle uova di nottua del cavolo in un anno su due è raddoppiata. Il fiordaliso inserito nel campo di cavolo ha potuto incrementare la predazione delle uova di nottua del cavolo dall’8 al 95 per cento e la parassitizzazione delle larve dal 35 al 68 per cento. La diversità delle specie di gruppi di organismi utili generalisti (coleotteri carabidi e stafilinidi nonché ragni) è aumentata nelle strisce fiorite in media del 46 per cento. I cavoli intercalati con i fiordalisi, un anno su due, hanno presentato un peso maggiore del 18 per cento rispetto a quelli senza fiordaliso e il 41 per cento in meno di foglie danneggiate da insetti erbivori.

Literatur ▪▪ Ahuja I., Rohloff J. & Bones A., 2011. Defence mechanisms of Brassicaceae: implications for plant-insect interactions and potential for integrated pest management. In: Sustainable Agriculture, vol. 2 (Eds. E. Lichtfouse et al.),. Springer, Netherlands, 623–670. ▪▪ Balmer O., Pfiffner L., Schied J., Willareth M., Leimgruber A., Luka H. & Traugott M., 2013. Noncrop flowering plants restore top-down herbivore control in agricultural fields. Ecology and Evolution 3 (8), 2634–2646. ▪▪ Balmer O., Géneau C., Belz E., Weishaupt B., Förderer G., Moos S., Ditner N., Juric I. & Luka H., 2014. Wildflower companion plants increase pest parasitation and yield in cabbage fields: Experimental demonstration and call for caution. Biological Control 76, 19–27. ▪▪ Balzan M.V., Bocci G. & Moonen A.-C., 2016. Utilisation of plant functional diversity in wildflower strips for the delivery of multiple agroecosystem services. Entomologia Experimentalis et Applicata 158, 304–319. ▪▪ Barloggio G., Tamm L., Oberhänsli T., Nagel P. & Luka H., 2015. The egg parasitoid ­Telenomus sp. as a novel biocontrol agent to prevent the cabbage moth. Acta fytotechn. zootechn. 18, 47–49 (online). ▪▪ Belz H., Kölliker M. & Balmer O., 2013. Olfactory attractiveness of flowering plants to the parasitoid Microplitis mediator: potential implications for biological control. BioControl 58,163–173. ▪▪ Crowder D.W. & Jabbour E., 2014. Relationships between biodiversity and biological control in agroecosystems: Current status and future challenges. Biological Control 75, 8–17.

Summary

Riassunto

Blühstreifen regulieren Schädlinge im Gemüsebau und werten Kulturland ökologisch auf | Umwelt

Flower strips control pests in vegetable ­production and ecologically upgrade arable land Multi-year studies of the model system ‘cabbage’, the pest ‘cabbage moth’ and the latter’s egg and larval parasitoids (beneficials) demonstrate how pests can be controlled in vegetable production with the help of tailored biodiversity areas. Beneficials were encouraged by means of flower strips on field margins and companion plants within the field. Suitable plants for the flower strips were selected on the basis of the scientific literature and in-house laboratory experiments, and tested in field trials. In laboratory trials, the provision of buckwheat, cornflowers or common vetch extended the lifespan of the cabbage-moth parasitoids by 43% to 85%. Parasitisation of the cabbage-moth larvae increased three- to six-fold over that of the control. In the field trials, flower strips increased the parasitisation of cabbagemoth eggs twofold in one of two years. Used as a companion plant in the cabbage field, cornflowers increased predation on cabbage-moth eggs by 8% to 95 % and the parasitism of the larvae by 35% to 68%. The species diversity of broadly effective groups of beneficials (ground beetles, short-winged beetles and spiders) increased by an average of 46% in the flower strips. In one of two years, cabbage heads grown with companion plants were 18% heavier than those grown without cornflowers, and had 41% fewer leaves with feeding damages. Key words: flowering strips, conservation biological control, cabbage, companion plants, floral subsidies, natural enemies.

▪▪ Ditner N., Balmer O., Beck J., Blick T., Nagel P. & Luka H., 2013. Effects of experimentally planting non-crop flowers into cabbage fields on the abundance and diversity of predators. Biodivers Conserv 22, 1049–1061. ▪▪ Geneau C.E., Wackers F.L., Luka H., Daniel C. & Balmer O., 2012. Selective flowers to enhance biological control of cabbage pests by parasitoids: Basic and Applied Ecology 13 (1), 85–93. ▪▪ Barloggio G., Kölliker M. & Balmer O., eingereicht. Testing the attractiveness of flower volatiles for insects in the field: a new approach. Arthropod-Plant Interactions. ▪▪ Pfiffner L., Luka H. & Schlatter C., 2005. Schädlingsregulation gezielt verbessern. Ökologie & Landbau 134 (2), 51–53. ▪▪ Tschumi M., Albrecht M., Bärtschi C., Collatz J., Entling M.H. & Jacot K., 2016. Perennial, species-rich wildflower strips enhance pest control and crop yield. Agriculture, Ecosystems and Environment 220, 97–103. ▪▪ Van Rijn P.C.J., Kooijman J. & Wäckers F.L., 2013. The contribution of floral resources and honeydew to the performance of predatory hoverflies (Diptera: Syrphidae). Biological Control 67, 32–38. ▪▪ Wäckers F.L., Van Rijn P.C.J. & Bruin J., (Ed.) 2005. Plant-Provided Food for Carnivorous Insects. Cambridge University Press, 356 S. ▪▪ Yu H., Zhang Y., Wu K., Wyckhuys K. & Guo Y., 2009. Flight potential of Microplitis mediator, a parasitoid of various lepidopteran pests. BioControl 54 (2), 183–193. Ein ausführliches Literaturverzeichnis ist bei den Autoren erhältlich.

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U m w e l t

Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen Hans Ramseier, Dominik Füglistaller, Christina Lädrach, Christian Ramseier, Michael Rauch und Franziska Widmer Etter Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen, Schweiz Auskünfte: Hans Ramseier, E-Mail: [email protected]

Abb. 1 | Blühende Pflanzen während der trachtarmen Zeit im Sommer sollen Bestäubern und anderen Nütz­ lingen Nahrung bieten: Blühstreifen in der Vollblüte von Phacelia. (Foto: Simon Stalder, HAFL)

Einleitung Bestäuber sind unabdingbar für die Erhaltung der Biodiversität und die landwirtschaftliche Produktion. Gemäss Wilson-Rich (2015) sind sie für schätzungsweise 35 % der weltweit produzierten Lebensmittel verantwortlich. Zu den bestäubenden Insekten gehören Bienen, viele Schmetterlinge, Nachtfalter, Fliegen, Käfer und Wespen. Auch die für kommerzielle Zwecke gehaltenen Bienenarten (in erster Linie die Honigbiene, Apis mellifera) sind wichtige Bestäuber. In den meisten geographischen Regionen sind Bienen die ökonomisch bedeutsamste Gruppe der Bestäuber (Tirado et al. 2013). Doch es scheint, dass der Bestand sowohl an Honig- als auch an Wildbienen weltweit zurückgeht (Potts et al. 2010). Neben der Varroa-Milbe,

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Agrarforschung Schweiz 7 (6): 276–283, 2016

die wohl die wichtigste Ursache für das Honigbienensterben darstellt, sind auch die Sauerbrut, Viren, mögliche Umweltgifte und Nahrungsstress weitere wichtige Faktoren, die zum Bienensterben beitragen. In Bezug auf die Gesundheit und Abwehrkraft der Bienen scheint der Ernährung eine übergeordnete Bedeutung zuzukommen. Nektar und Pollen sollten den Bienen kontinuierlich zur Verfügung stehen. Dieser Forderung kann aber in der modernen Kulturlandschaft nur schwierig nachgekommen werden. Trachtlücken während der intensivsten Brutzeit führen zu Wachstumsstopps bei Bienenvölkern und höherer Anfälligkeit gegenüber Krankheiten (Lehnherr und Hättenschwiler 1990). Bei den Wildbienen bestimmt das vorhandene Blütenangebot massgeblich die Fortpflanzungsleistung (Pfiffner und Müller 2014). Um die Trachtlücke zwischen

Ende Mai und Ende Juli zu verringern und den Bienen sowie anderen Insekten attraktive Nahrungs- und Aufenthaltsplätze während des Sommers zur Verfügung zu stellen, entwickelte die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL (ehemals die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL) ab 2011 zusammen mit dem Dachverband der schweizerischen Bienenzüchtervereine apisuisse, dem Inforama Rütti sowie dem Bernischen und dem Schweizer Bauernverband Saatmischungen für Blühstreifen.

Material und Methoden Entwicklung der Mischungen Durch die Blühflächen soll eine nachhaltige Verbesserung des Nahrungsangebotes während der trachtarmen Zeit von Ende Mai bis Ende Juli erreicht werden. Neben den Honigbienen sollen auch die nicht spezialisierten (polylektischen) Wildbienen und landwirtschaftlich wichtige Nützlinge wie zum Beispiel Schwebfliegen und Raubwanzen gefördert werden. Aufgrund dieser Überlegungen wurden folgende Anforderungen an die Mischungspflanzen definiert: •• Sie sind Trachtpflanzen mit hoher Pollen- und/oder Nektarproduktion. Als Grundlage diente einerseits Literatur (Maurizio und Schaper 1994; Pritsch 2007), aber auch Expertenwissen. •• Sie sind interessant für polylektische Wildbienen und landwirtschaftlich wichtige Nützlinge. •• Sie bilden eine Biodiversitätsförderfläche (BFF) im Ackerbau, damit in diesem Gebiet ein höherer Anteil an BFF erreicht wird. •• Sie kommen auch mit nährstoffreichen Böden zurecht. •• Sie stellen keine Konkurrenz zu Bunt- und Rotationsbrachen und zu Ackerkulturen dar.

Zusammenfassung

Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen | Umwelt

Honig- und Wildbienen sind für die landwirtschaftliche Produktion und die Biodiversität unverzichtbar, doch sie sind weltweit unter Druck geraten. Neben der VarroaMilbe, Krankheiten und Umweltgiften dürfte auch fehlende Nahrung ein wichtiger Stressfaktor sein. Mit Blühstreifen in der Kulturlandschaft soll deshalb die Trachtlücke von Ende Mai bis Ende Juli verringert werden. An der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL wurden 2011–2015 Blühstreifenmischungen entwickelt, die Honig- und nichtspezialisierten Wildbienen in der trachtarmen Zeit Pollen und Nektar liefern, aber auch für landwirtschaftlich wichtige Nützlinge wie Schwebfliegen und Raubwanzen attraktiv sind. Ein Vergleich mit Extensivwiesen, Brachen und Säumen ergab, dass Blühstreifen vielen Honig- und nichtspezialisierten Wildbienen Nahrung bieten. Eine Fallstudie im Jahr 2015 mit Erdhummeln hat zudem gezeigt, dass die Nähe eines Blühstreifens die Volksentwicklung positiv beeinflusst. Ein weiterer positiver Aspekt von Blühstreifen dürfte auch darin liegen, dass sie die Nahrungskonkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen auf den übrigen Blühflächen reduzieren.

Von der agronomischen Seite wurden folgende Restriktionen eingebaut: •• Sie gewährleisten gemeinsam eine genügende Unkrautunterdrückung (kein Herbizideinsatz). •• Sie ziehen keine Probleme wie Krankheiten (z. B. Kohlhernie) oder Schädlinge (z. B. Nematoden) in der Fruchtfolge nach sich. •• Sie sind nicht schwer bekämpfbar in den Folgekulturen (wie Malven, Sonnenblumen, Senf in Zuckerrüben oder Kartoffeln). •• Sie bedingen keinen erhöhten Glyphosat-Einsatz beim Aufheben des Blühstreifens. •• Sie können als Grünmasse auf dem Feld bleiben.

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Umwelt | Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen

Bei der Entwicklung ging es darum, eine Auswahl an Pflanzenarten, welche die oben aufgeführten Anforderungen erfüllen, zusammenzustellen, so dass während der trachtarmen Zeit immer ein Blütenangebot zur Verfügung steht. Ausgehend von diesen Zielen wurden im Jahr 2011 zuerst zwei Mischungen zusammengestellt. Weitere Mischungen wurden in den Folgejahren entwickelt und getestet. Getestete Mischungen Im Verlaufe der Versuchsjahre von 2011 bis 2015 wurden viele verschiedene Mischungen getestet. In der Tabelle 1 sind diejenigen zwei Mischungen aufgeführt, die für die hier beschriebenen Versuche verwendet wurden. Die Mischung SHL wurde in allen Versuchen eingesetzt (Abb. 1). Blühverhalten Zur Bestimmung des Blühverhaltens wurde ab B ­ lühbeginn der prozentuale Blühanteil der einzelnen Mischungs­ pflanzen geschätzt. Von jeder Erhebungsfläche wurde zudem senkrecht von oben ein Foto gemacht (Brennweite 35 mm). Mit Hilfe dieser Fotos wurde ein Teil der visuellen Schätzungen mit einem Raster von 200 Punkten überprüft (Ground Cover Frame). Bis Ende Juli / Anfang August wurden die Aufnahmen ungefähr alle zwölf Tage wiederholt. Attraktivität der Blühflächen für Insekten Um die Attraktivität der verschiedenen Blühstreifenmischungen für Insekten zu erheben, wurden Kescherfänge durchgeführt. Dazu wurde ein Kescher mit 40 cm Durchmesser verwendet. Bei jedem Fang wurden pro Verfahren auf einer geraden Laufstrecke bei Schritttempo 20 Schläge mit dem Kescher gemacht. Es wurde darauf geachtet, dass an den Fangtagen ein für pollen- und nektarsuchende Insekten gutes Wetter herrschte. Die in den Keschern gefangenen Insekten wurden eingefroren und anschliessend in verschiedene taxonomische Gruppen wie zum Beispiel Honigbienen, Wildbienen, Raubwanzen, Schwebfliegen und Schlupfwespen eingeordnet und ausgezählt. Kescherfänge wurden während der Blühphase mehrmals durchgeführt. Zudem wurde in den Jahren 2012 und 2014 in zwei Fallstudien mit Hilfe von Pollenfallen abgeklärt, ob und in welchem Umfang die Honigbienen Pollen von den Blühflächen eintragen. Vergleich verschiedener Biodiversitätsförderflächen Um herauszufinden, wie attraktiv Blühstreifen für Bienen und andere Insekten im Vergleich zu Extensivwiesen, Brachen oder Säumen sind, wurden im Jahr 2013 an 13  Standorten Direktvergleiche durchgeführt. Ein Teil

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der Versuchsflächen wurde so gelegt, dass die Verfahren direkt aneinander angrenzten. Der zweite Teil wurde bewusst so gewählt, dass die Flächen zwar in der Nähe lagen (bis 50 m Abstand), aber nicht aneinander grenzten um einen «Konzentrationseffekt» (Weglockung der Bienen durch die Blühstreifen aus den angrenzenden Extensivwiesen- oder Bracheflächen) auszugleichen. Wildbienen in den Blühstreifen Die Wildbienen wurden in den Jahren 2013 und 2015 vom Wildbienenspezialisten Andreas Müller bis auf Artniveau bestimmt, um eine Aussage machen zu können, welche Wildbienen die Blühstreifen besuchen. Diese Artenliste wurde mit folgenden Listen verglichen: •• Ziel- und Leitarten in den Umweltzielen Landwirtschaft (BAFU und BLW 2008) •• Rote Liste der gefährdeten Arten (Amiet 1994) •• Liste «Einschätzung der Gefährdung der Wildbienenarten der Schweiz» von Müller et al. (2007), da die Rote Liste nicht mehr aktuell ist •• Liste der «Top-100»-Bienenarten, die den höchsten Durchschnittsbeitrag bei der Bestäubung leisten: Diese Liste basiert auf einer internationalen MetaAnalyse, welche die Resultate von insgesamt 53 Studien zusammengetragen und ausgewertet hat (Kleijn et al. 2015). 51 dieser Arten kommen auf der Alpennordseite vor. Fallstudie mit Erdhummeln Interessant zu wissen wäre, welchen Einfluss ein Blühstreifen respektive eine Blühfläche auf die Volksentwicklung der Honigbiene hat. Eine solche Studie wäre jedoch hochkomplex, da verschiedenste unkontrollierbare Faktoren mitspielen, und deshalb kaum zu realisieren. Um trotzdem etwas über die mögliche Entwicklung eines Volkes aussagen zu können, wurde im Jahr 2015 eine Fallstudie mit Erdhummeln (Bombus terrestris) in Zollikofen durchgeführt. Die Erdhummel lebt wie die Honigbiene sozial und bildet Staaten. Ein grosses Nest kann bis zu 500  Individuen beherbergen (Wilson-Rich 2015). Das Verhalten im Volksaufbau ist ähnlich wie bei der Honigbiene: Wenn die Arbeiterinnen viel Pollen und Nektar eintragen, legt die Königin viele Eier, mangelt es an Nahrung, wird die Eiablage reduziert oder gar ganz eingestellt. Dabei spielt die räumliche Distanz zwischen Nahrungspflanzen und Nistplatz eine zentrale Rolle. Eine Zunahme der Distanz zwischen Nest und Futterpflanzen kann zu einer Verringerung der versorgten Brutzellen und zu einer beträchtlichen Reduktion der Anzahl überlebensfähiger Insekten führen (Pfiffner und Müller 2014).

Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen | Umwelt

Im Frühling wurde ein Standort für einen Blühstreifen gesucht, bei dem sich nach der Obst- und Rapsblüte keine grösseren Blühflächen in der Nähe befanden. Am 16.  Juni wurden je drei Hummelvölker im Blühstreifen und in fünf Abständen zwischen 112 m und 604 m vom Blühstreifen entfernt aufgestellt. Zu Beginn der Fallstudie und im Herbst, nachdem die neuen Königinnen das Nest verlassen hatten und die Arbeiterinnen abgestorben waren, wurde die Anzahl Zellen pro Nest erhoben. Damit war es möglich, die genaue Zahl der gebildeten Nestzellen pro Volk zu bestimmen.

Resultate und Diskussion Blühverhalten Bei der Zusammenstellung der Blühstreifenmischungen wurde darauf geachtet, dass über die ganze Saison Blüten vorhanden sind. Abbildung  2 zeigt einen typischen Blühverlauf der Mischung SHL: Buchweizen, Phacelia, Kornblume, Mohn und Leguminosen lösen sich in ihrem Blühen ab und liefern Bienen und weiteren pollen- und nektarsuchenden Insekten von Beginn

der Blüte bis ungefähr Mitte August ein durchgehendes Angebot an Nahrung. Attraktivität der Blühflächen für Insekten Im Vergleich der Brachen zu den Blühstreifen ging es nicht darum, die beiden Elemente gegeneinander auszuspielen, sondern zu untersuchen, ob der Blühstreifen für die definierten Zielorganismen wirklich attraktiv ist. Tabelle  2 zeigt die Anzahl gefangener Insekten in den verschiedenen Erhebungsperioden in Buntbrache-/ Saumflächen und in den Blühstreifen. Es ist ersichtlich, dass im Blühstreifen während der Vollblüte mehr Honigund Wildbienen gefangen wurden als in der Buntbrache. Hingegen wurden in der Brache mehr Raubwanzen gefangen (gesichert in den Erhebungsperioden 3 und 4, statistisch knapp nicht gesichert wegen grossen Schwankungen in den folgenden Erhebungsperioden). Die Schwebfliegen-Fänge sind vergleichbar, einzig in der Erhebungsperiode  7 hatte es signifikant mehr Schwebfliegen im Blühstreifen. Es wäre verfehlt, aus den Resultaten zu folgern, dass die Blühstreifen nun allgemein besser sind als die Brachen. Bei den Brachen stehen

Tab. 1 | Zusammensetzung der Blühstreifen-Mischungen SHL und SHL Plus. Angegeben sind die Pflanzenarten, die prozentualen Gewichtsanteile und die Menge Saatgut pro Pflanzenart und Hektare. Deutscher Name

Lateinischer Name

Mischung SHL

Mischung SHL Plus

Gewichtsanteil %

kg/ha

Gewichtsanteil %

kg/ha

Agrostemma githago





3,14

0,44

Centaurea cyanus

2,70

0,41

2,71

0,38

Wiesen-Flockenblume

Centaurea jacea





0,36

0,05

Skabiosen-Flockenbl.

Centaurea scabiosa





0,36

0,05

Fagopyrum esculentum

54,90

8,24

60,70

8,50

Hypochaeris radicata





0,14

0,02

Lotus corniculatus





0,14

0,02

Papaver rhoeas

0,50

0,08

0,50

0,07

Phacelia tanacetifolia

16,50

2,48

13,42

1,88

Gelbe Reseda

Reseda lutea





0,43

0,06

Einjähriger Ziest

Stachys annua





0,36

0,05

Alexandrinerklee

Trifolium alexandrinum

5,50

0,83

4,71

0,66

Trifolium hybridum

7,10

1,07

4,71

0,66

Trifolium incarnatum

3,30

0,50

3,36

0,47

Trifolium pratense

3,80

0,57

1,71

0,24

Trifolium resupinatum

5,50

0,83

3,21

0,45

100

15,00

100

14,00

Kornrade Kornblume

Buchweizen Wiesen-Ferkelkraut Hornklee Klatschmohn Phacelia

Schwedenklee Inkarnatklee Rotklee Perserklee Total

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 276–283, 2016

279

Umwelt | Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen

Tab. 2 | Gefangene Insekten ausgewählter Gruppen in den Blühstreifen (Mischung SHL) und den Bracheflächen in den Erhe­ bungsperioden (EP) 3 bis 9 (Mittelwerte von 13 Standorten). Das Datum in der Klammer gibt den mittleren Erhebungstag in der entsprechenden Erhebungsperiode an. Unterschiedliche Hochbuchstaben bedeuten statistisch gesicherte Differenzen zwischen Blühstreifen und Brachen (p < 0,05).

EP (Datum) 3 (14.06.)

4 (25.06.)

5 (04.07.)

6 (15.07.)

7 (25.07.)

8 (04.08.)

9 (11.08.)

Verfahren

Honigbienen

Wildbienen

Raubwanzen

Schwebfliegen

Blühstreifen SHL

0,0a

0,0a

0,0a

0,0a

Brachen

0,2a

0,0a

7,7b

0,2a

Blühstreifen SHL

0,6a

0,7a

0,3a

1,2a

Brachen

0,6a

1,0a

8,2b

3,1a

Blühstreifen SHL

5,9a

3,2b

4,0a

2,7a

Brachen

0,9a

0,7a

47,0a

1,7a

Blühstreifen SHL

3,2b

10,1b

2,8a

7,3a

Brachen

2,1a

1,7a

65,2a

4,1a

Blühstreifen SHL

14,1b

9,3b

12,3a

10,8b

Brachen

2,2a

2,1a

36,1a

5,1a

Blühstreifen SHL

3,3a

6,4 a

20,9a

3,6a

Brachen

4,5a

3,6a

28,0a

4,5a

Blühstreifen SHL

1,8a

2,8a

4,5a

2,5a

Brachen

1,3a

1,1a

7,0a

2,5a

100 90 Schwedenklee

80

Rotklee

Deckungsgrad Blüten in %

70

Inkarnatklee 60

Klatschmohn Kornblume

50

Alexandrinerklee

40

Perserklee 30

Phacelia Buchweizen

20 10 0 28.05.12

17.06.12

07.07.12

27.07.12

16.08.12

05.09.12

Abb. 2 | Prozentuale Anteile des Blütendeckungsgrades jeder Pflanzenart während 109 Tagen in Subingen. Saattermin: 28.04.2012, Blühstreifenmischung SHL.

280

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Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen | Umwelt

600

Anzahl gebildeter Brutzellen

500

400

300

514,0 a 434,3 ab

200

306,3 ab

248,3 ab

100

253,0 ab

183,3 b

0 0

112

228

324

496

604

Entfernung zum Blühstreifen (m) Abb. 3 | Durchschnittliche Anzahl von gebildeten Nestzellen pro Hummelvolk in verschiedenen Abständen zum Blühstreifen (Mischung SHL Plus). Fallstudie Zollikofen 2015. Unterschiedliche Buchstaben bedeuten statistisch gesicherte Differenzen (p < 0,05).

andere Ziele im Vordergrund, wie zum Beispiel die Förderung bodenbrütender Vögel oder von Kleinwild sowie die Schaffung von Überwinterungsstandorten für Insekten. Die Resultate zeigen aber, dass die Blühstreifen im Sommer für die definierten Zielarten, d. h. für Honigund polylektische Wildbienen attraktiv sind. Zudem zeigten die Resultate der Pollenfallen, dass sich die Honigbienen nicht nur in den Streifen aufhalten, sondern auch fleissig Pollen und Nektar ernten und in den Stock eintragen. In einigen Bienenvölkern machten so an einzelnen Halbtagen Buchweizen- und Phaceliapollen über 30 % der gesammelten Pollenmenge aus. Wildbienen in den Blühstreifen Tabelle  3 gibt einen Überblick über die gefangenen Wildbienen. Im Jahr 2013 wurden in der SHL-Mischung mit der gleichen Methodik wie 2015 deutlich mehr Wildbienen gefangen. Dies dürfte auf das Jahr zurückzuführen sein. Bei der gesamten Anzahl Arten fällt auf, dass in Extensivwiesen deutlich weniger verschiedene Arten gefangen wurden als in der Buntbrache und den Blühstreifen. Die in den Extensivwiesen am häufigsten gefangene Art war die Furchenbiene Halictus simplex. Im Blühstreifen SHL wurde im Jahr 2013 die grösste Zahl an Wildbienen-Individuen gefangen. Dominierend waren hier die Arten Erdhummel (Bombus terrestris) und die Furchenbiene Lasioglossum malachurum. Die gleichen zwei Arten dominierten auch in der Buntbrache, während in den Blühstreifen 2015 die Erdhummel

und die Furchenbiene Lasioglossum pauxillum häufig gefangen wurden. Der grösste Teil der gefangenen Arten gehört in die Gruppe der nicht spezialisierten (polylektischen) Wildbienen. Leitarten gemäss Umweltzielen Landwirtschaft wurden allgemein wenige gefangen, unabhängig von Förderflächentyp und Jahr. In Brachen und der Blühstreifenmischung SHL fanden sich tendenziell etwas mehr als in der Mischung SHL Plus und den Extensivwiesen in den Keschern. Bei den Top-100-Bienenarten sind die Werte vergleichsweise hoch. Bei der Blühstreifenmischung SHL Plus wurde ein Drittel der 51 auf der Alpennordseite der Schweiz vorkommenden Arten gefunden. Dies bedeutet, dass die Blühstreifen für diese Arten attraktiv sind. Bei den Rote-Liste-Arten und der Liste von Müller et al. (2007) fallen die Extensivwiesen ab. Das Resultat erstaunt, da rund die Hälfte davon die biologische Qualität (QII) gemäss Direktzahlungsverordnung erreicht hat. Fallstudie mit Erdhummeln Abbildung 3 zeigt, dass mit zunehmendem Abstand zum Blühstreifen die Anzahl gebildeter Zellen im Nest abnimmt. Eine statistisch gesicherte Differenz gibt es zwischen den drei Völkern im Streifen und am 600  m vom Streifen entfernten Standort. Die 500 m vom Streifen entfernten Völker bildeten zwar ebenfalls weniger Zellen als jene im Blühstreifen, dieser Unterschied war aber knapp nicht signifikant (p = 0,0576). Der Standort mit dem Abstand von 112 m vom Blühstreifen fällt stark

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281

Umwelt | Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen

Tab. 3 | Gefangene Wildbienen (Artenzahl und Anzahl Individuen) in den Extensivwiesen, Brachen und Blühstreifen 2013 (13 Stan­ dorte) und in den Blühstreifen 2015 (14 Standorte), standortunabhängig aufgelistet und eingeteilt in Bewertungskategorien. BFF-Typ resp. M ­ ischung (Jahr)

1

Total Arten

Total Individuen 1

2

3

4

Extensivwiese (2013)

15

20

3

11

1

0

Brachen (2013)

27

89

7

14

5

4

Blühstreifen SHL (2013)

32

388

6

11

4

4

Blühstreifen SHL (2015)

22

149

5

12

4

3

Blühstreifen SHL Plus (2015)

29

148

3

17

5

3

1 = Leitarten gemäss Umweltzielen Landwirtschaft; 2 = Top-100-Bienenarten; 3 = Rote-Liste-Arten; 4 = Liste von Müller et al. 2007

ab (Abb. 3). An diesem Standort wurden bereits in der zweiten Woche nach der Installation zwei von drei Hummelvölkern durch die Hummelnestmotte (Aphomia sociella) befallen, die ein Hummelvolk stark schädigen oder ganz auslöschen kann (Vespa-crabro 2015). Mit dieser Fallstudie konnte gezeigt werden, dass sich die Nähe eines Blühstreifens zu einem Hummelvolk positiv auf die Volksentwicklung auswirkt. Ein ähnlicher Effekt ist auch für die Honigbiene und solitär lebende Wildbienen zu erwarten.

Schlussfolgerungen Die Untersuchungen zeigen, dass die Blühstreifen während der kritischen, trachtarmen Zeit ein gutes Blütenangebot darstellen. Für die definierten Zielarten Honig- und polylektische Wildbienen sind die Streifen attraktiv. Die Honigbienen ernten den vorhandenen Pollen und Nektar in beträchtlichen Mengen und tragen ihn in den Stock ein. Ein möglicher weiterer positiver Aspekt der Blühstreifen dürfte auch darin liegen, dass dadurch die Konkurrenz durch die Honig- und polylektischen Wildbienen auf den übrigen Blühflächen wie Extensivwiesen abnimmt, und so den spezialisierten Wildbienen mehr Nahrung zur Verfügung steht. Obwohl gemäss Literatur unterschiedliche Resultate betreffend Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen vorhanden sind, gibt es doch Hinweise, dass diese Konkurrenz eine Rolle spielen könnte. So schreibt Boecking (2013), dass spezialisierte Wildbienen mit ihrem häufig relativ kleinen Flugradius keine Ausweichmöglichkeiten haben, wenn Trachtpflanzen zuvor durch Honigbienen oder andere Wildbienen genutzt wurden. Auch Zurbuchen und Müller (2012) halten fest, dass eine hohe Honigbienendichte bei geringem Blütenangebot zu einer beträchtlichen Nahrungskonkurrenz zwischen Honigbiene und Wildbienen führen kann.

282

Anzahl Arten je Bewertungskategorie1

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 276–283, 2016

Die Blühstreifen sind auch für landwirtschaftlich wichtige Nützlinge wie Schwebfliegen und Raubwanzen attraktiv, was sicher ein weiterer Nutzen für die Schädlingsregulierung in den angrenzenden einjährigen Kulturen sein kann (s. Artikel auf S. 260 und 268). n

Le strisce fiorite promuovono le api mellifere e selvatiche Le api mellifere e selvatiche sono imprescindibili per la produzione agricola e per la biodiversità, ma certamente a livello mondiale sono sotto pressione. Oltre all’acaro della Varroa, alle malattie e alle sostanze inquinanti nell’ambiente, anche la mancanza di nutrimento potrebbe essere un importante fattore di stress. Pertanto con le strisce fiorite nel paesaggio rurale è ridotto il cosiddetto “buco mellifluo” tra fine maggio e fine luglio. Tra il 2011 e il 2015 presso la Scuola universitaria professionale di scienze agronomiche, forestali e alimentari (HAFL) sono state sviluppate miscele di strisce fiorite che forniscono pollini e nettare alle api mellifere e selvatiche non specializzate nel periodo del “buco mellifluo”, ma sono attrattive anche per organismi utili importanti per l’agricoltura come sirfidi e reduvidi. Da un confronto con prati sfruttati in modo estensivo, maggesi e strisce si è evinto che le strisce fiorite offrono nutrimento a molte api mellifere e selvatiche non specializzate. Nel 2015 uno studio di casi sul bombo terrestre ha, inoltre, dimostrato che la vicinanze di una striscia fiorita influenza positivamente lo sviluppo della colonia. Un ulteriore aspetto positivo delle strisce fiorite potrebbe anche consistere nel fatto che riducono la competizione per il nutrimento tra le api mellifere e selvatiche alle restanti superfici fiorite.

Literatur ▪▪ Amiet F., 1994. Rote Liste der gefährdeten Bienen der Schweiz. Bundesamt für Umwelt, BAFU, Bern. 97 S. ▪▪ BAFU & BLW, 2008. Umweltziele Landwirtschaft. Hergeleitet aus bestehenden rechtlichen Grundlagen. Umwelt-Wissen 0820. Bundesamt für Umwelt BAFU und Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern. 221 S. ▪▪ Boecking O., 2013. Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen. LAVES – ­Institut für Bienenkunde, Celle. 4 S. ▪▪ Kleijn D. et al., 2015. Delivery of crop pollination services is an insufficient ­argument for wild pollinator conservation. Nature Communications 6, Artikel Nr. 7414 , 8 S. ▪▪ Lehnherr B. & Hättenschwiler J., 1990. Nektar- und Pollenpflanzen. ­Fachschriftenverlag VDRB, Köniz. 160 S. ▪▪ Maurizio A. & Schaper F., 1994. Das Trachtpflanzenbuch – Nektar und Pollen die wichtigsten Nahrungsquellen der Honigbiene. Ehrenwirth Verlag, München. 334 S. ▪▪ Müller A., Herrmann M. & Amiet F., 2007. Einschätzung der Gefährdung der Wildbienenarten der Schweiz, unpubliziert.

Summary

Riassunto

Blühstreifen fördern Honig- und Wildbienen | Umwelt

Flower strips encourage honey bees and wild bees Honey bees and wild bees are essential for agricultural production and biodiversity, but have come under pressure worldwide. Besides the varroa mite, diseases and environmental toxins, lack of food is likely to be an important stress factor. For this reason, it is hoped that flower strips in the cultivated landscape will reduce the nectar dearth from late May to late July. From 2011 to 2015, flower-strip mixtures supplying pollen and nectar to honey bees and non-specialised bees during this summer gap, but which also appealed to agriculturally important beneficials such as hoverflies and predatory bugs, were developed at HAFL, the School of Agricultural, Forest and Food Sciences. A comparison with extensively managed meadows, fallow lands and margins revealed that flower strips offer nourishment to many honey bees and nonspecialised wild bees. In addition, a 2015 case study with bumblebees showed that the proximity of a flower strip has a positive influence on colony development. A further positive aspect of flower strips most likely also lies in the fact that they reduce food competition between honey bees and wild bees in the remaining flowering areas. Key words: bees, beneficials, flower strips, pollen, pollinators.

▪▪ Pfiffner L. & Müller A., 2014. Wildbienen und Bestäubung. Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick. 8 S. ▪▪ Potts S.G., Biesmeijer J.C., Kremen C., Neumann P., Schweiger O. & Kunin W.E., 2010. Global pollinator declines: trends, impacts and drivers. Trends in Ecology & Evolution 25, 345–353. ▪▪ Pritsch G., 2007. Bienenweide – 200 Trachtpflanzen erkennen und bewerten. Kosmos Verlag, Stuttgart. 166 S. ▪▪ Tirado R., Simon G. & Johnsten P., 2013. Report Greenpeace Research. Bye bye Biene? Das Bienensterben und die Risiken für die Landwirtschaft in Europa. Greenpeace, Hamburg. 48 S. ▪▪ Vespa-crabro, 2015. Die Hummelnestmotte – Aphomia sociella. Zugang: http://www.vespa-crabro.de/parasit.htm [07.2015]. ▪▪ Wilson-Rich N., 2015. Die Biene. Geschichte, Biologie, Arten. Haupt-Verlag, Bern. 224 S. ▪▪ Zurbuchen A. & Müller A., 2012. Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis. Bristol-Stiftung, Zürich. Haupt-Verlag, Bern. 162 S.

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 276–283, 2016

283

A g r a r w i r t s c h a f t

Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen Alexander Zorn und Markus Lips Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz Auskünfte: Alexander Zorn, E-Mail: [email protected]

Soja aus der Schweiz. Die Analyse der Kosten-/Leistungsrechnung von Körnerleguminosen zeigt, dass deren Anbau für landwirtschaftliche Betriebe interessant sein kann. (Foto: Carole Parodi, Agroscope)

Einleitung Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen hat 2016 zum Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte erkoren. Damit soll die Öffentlichkeit auf den Wert von Hülsenfrüchten für die menschliche und tierische Ernährung aufmerksam gemacht und für den Beitrag von Hülsenfrüchten zu einer nachhaltigen Landwirtschaft sensibilisiert werden. Der Anbau von Körnerleguminosen ist mit positiven Ökosystemleistungen verbunden, von denen sowohl der Landwirt (z. B. durch den reduzierten Stickstoffbedarf oder die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit) als auch die Gesellschaft profitiert (z. B. wegen der positiven Klima­wirkung, des Beitrags zum Wasserschutz oder der Biodiversität) (Murphy-Bokern und Watson 2012; Preißel et al. 2015). In der Schweiz hat der Anbau von Proteinkulturen beziehungsweise Körnerleguminosen wie Sojabohnen, Eiweisserbsen, Ackerbohnen oder Lupinen im Ackerbau gegenwärtig eine geringe Bedeutung. Der Anteil dieser

284

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 284–289, 2016

vier Kulturen an der offenen Ackerfläche (OAF) betrug in den vergangenen Jahren weniger als 2,5 % (Swiss granum 2015), weist jedoch seit dem Jahr 2012 (1,8 % Anteil an OAF) einen steigenden Trend auf. Obwohl Körnerleguminosen u. a. aufgrund ihres positiven Vorfruchteffektes, dem Verzicht auf die Düngung mit mineralischem Stickstoff und ihres potenziellen Beitrags zum Klimaschutz (Dequiedt et al. 2014) in der Landwirtschaft positiv wahrgenommen werden, sprachen in der Vergangenheit primär wirtschaftliche Überlegungen gegen den Anbau dieser Kulturen (Charles et al. 2007). Die gesellschaftliche Diskussion von Futtermittelimporten hat dazu geführt, dass im Rahmen der ­Qualitäts­strategie der Schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft im Jahr 2014 eine «Eiweiss­strategie» entwickelt wurde (Lehmann 2014). Diese zielt darauf ab, pflanzliches Eiweiss möglichst selbst in der Schweiz zu produzieren. Ausserdem soll der Markt für Eiweiss­ pflanzen und deren Folgeprodukte weiter entwickelt werden (Qualitätsstrategie der Schweizerischen Landund Ernährungswirtschaft 2014). Zwar stammen mehr als zwei Drittel des für die Schweizer Milch- und Fleischproduktion benötigten Eiweisses aus der inländischen Raufutterproduktion, doch ein Fünftel des verfütterten Proteins wird importiert (Abb.1; Lehmann 2014). Mit zwei Dritteln entfällt ein Grossteil des importierten Futterproteins auf Sojaschrot (Halter 2014). Jährlich werden rund 260 000  Tonnen Sojabohnen beziehungsweise -ölkuchen zu Futterzwecken importiert, v. a. aus Brasilien (Eidgenössische Zollverwaltung 2016). Dies entspricht rund 30 kg je Einwohner. Soja weist einen hohen Proteingehalt und ein ausgeglichenes Aminosäurenmuster auf, wird von den Tieren gerne gefressen, ist gut verdaulich, gut mit Nebenprodukten der Lebensmittelverarbeitung kombinierbar, in standardisierter Qualität verfügbar und preislich attraktiv. Futtermittel stellen mit einem Anteil von 39% für die Schweizer Landwirtschaft die bedeutendste Kostenposition innerhalb der Vorleistungen dar (BAKBASEL 2014). Um das importierte Rohprotein im Inland zu erzeugen, müsste dazu die gesamte offene Ackerfläche mit Eiweisserbsen bepflanzt werden (Giuliani 2015). Eine reine

Selbstversorgung der Schweiz mit Eiweiss ist daher gegenwärtig nicht möglich. In dieser Situation wird die aktuelle Wettbewerbsfähigkeit des inländischen Anbaus von Körnerleguminosen anhand von Kosten-/Leistungsrechnungen auf Vollkostenbasis für Sojabohnen, Ackerbohnen, Eiweisserbsen und Lupinen untersucht und dem Anbau von Getreide und Winterraps gegenübergestellt. Im Hinblick auf die Inlandsversorgung erfolgt ein Quervergleich zwischen importiertem Sojaschrot und im Inland produziertem Protein. Dadurch soll eine umfassende wirtschaftliche Beurteilung der gegenwärtigen Produktionsbedingungen inländischer Körnerleguminosen ermöglicht werden.

Zusammenfassung

Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen | Agrarwirtschaft

Material und Methoden Kostenkalkulation Die Kalkulation der Produktionskosten von Sojabohnen, Ackerbohnen und Eiweisserbsen erfolgte anhand einer Vollkostenrechnung, nimmt die Plankosten-Sichtweise ein und orientiert sich an gängigen, intensiven Produktionsverfahren gemäss dem Ökologischen Leistungsnachweis (AGRIDEA 2015a). Die Kalkulation des Lupinenanbaus lehnt sich an das Produktionsverfahren von Ackerbohnen an. Infolge des geringen Anbauumfangs der betrachteten Kulturen liegen zu deren Direktkosten (Kosten von Saatgut, Pflanzenschutzmittel, ­Düngemitteln, Trocknungs- und Reinigungskosten, Versicherungsbeiträge sowie Produzentenbeiträge) bei der Zentralen Auswertung von Agroscope nur wenig Buchhaltungsdaten vor. Daher wurden für die Direktkosten die Mittelwerte der Plankostenansätze der letzten fünf

Bei der Diskussion über den Import von Futtermitteln ist die Wirtschaftlichkeit des Anbaus von Körnerleguminosen in der Schweiz von Interesse. Kosten-/Leistungsrechnungen auf Vollkostenbasis für Soja, Ackerbohnen, Eiweisserbsen und Lupinen ergeben unter Annahme einer rationellen Bewirtschaftung auf drei Hektar grossen Parzellen einen realisierten Stundenlohn beziehungsweise eine Arbeitsverwertung von mindestens Fr. 37.–. Diese Arbeitsverwertung ist vergleichbar mit Weizen und sogar deutlich besser als Futtergerste. Umgerechnet auf das Kilogramm Rohprotein verzeichnen die vier Kulturen ­Produktionskosten zwischen Fr. 1.10 und Fr. 1.40. Obwohl bei dieser Kalkulation die Kosten von Verarbeitungsschritten nicht berücksichtigt sind, kann die inländische Produktion von Protein mit importiertem Sojaextraktionsschrot konkurrieren. Qualitative Unterschiede wie die Verdaulichkeit des Proteins sowie die Verfügbarkeit wurden nicht berücksichtigt.

Raufutter 3% 12%

Inlanderzeugung

3% 2%

Getreide Nebenerzeugnisse Ölherstellung andere Futtermittel

5% 1% 5%

Raufutter 69%

Getreide Import Nebenerzeugnisse Öl- und Stärkeherstellung andere Futtermittel

Abb. 1 | Eiweissversorgung in der Schweiz. (Quelle: Lehmann 2014)

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 284–289, 2016

285

Agrarwirtschaft | Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen

Jahre aus der Literatur verwendet (AGRIDEA 2015a, versch. Jgg.-b). Der Ansatz für Land beträgt Fr. 659.– je ha und beruht auf der Auswertung von Buchhaltungsdaten (Zorn et al. 2015). Die Gemeinkostenposition Arbeit wurde anhand der Daten des ART-Arbeitsvoranschlags (www.arbeitsvoranschlag.ch) ermittelt und mit einem Stundenlohn von Fr.  28.– bewertet (Gazzarin 2015). Die Maschinen- und Gebäudekosten stützen sich auf den Maschinenkostenbericht (Gazzarin 2015) und Daten der Ertragswertschätzung. Die Kalkulationen beruhen auf der Annahme eines grösseren, spezialisierten Ackerbaubetriebs mit rationeller Bewirtschaftung und einer Schlaggrösse von drei Hektar (die Höhe eines möglichen Effekts einer geringeren Schlaggrösse auf die Gemeinkosten wird quantifiziert und diskutiert). Leistungen Leistungsseitig wurden Markterlöse (fünfjährige Mittelwerte), gegenwärtige Direktzahlungen sowie der Vorfruchtwert berücksichtigt. Die Bestimmung des Vorfruchtwertes erfolgte anhand von Literaturangaben zum Stickstoffüberschuss, welcher der Folgekultur zugutekommt und anhand des Stickstoffpreises bewertet wurde. Auf die Annahme von Mehrerträgen, die stark von der vorhandenen Fruchtfolge abhängen, wurde verzichtet, obwohl dieser Effekt wirtschaftlich bedeutender sein kann als die Stickstofflieferung (Preißel et al. 2015). Nach Abzug aller Kosten von den Leistungen resultiert der kalkulatorische Gewinn. Dieser wird durch die Anzahl Arbeitsstunden dividiert und zum verwendeten (kalkulatorischen) Stundenlohn addiert, was die resultierende Arbeitsentlohnung beziehungsweise Arbeitsverwertung ergibt. Erzeugungskosten Rohprotein Für alle Kulturen gilt es, die jeweiligen Erzeugungskosten eines Kilogramms Rohprotein zu ermitteln. Dazu wurden von den Vollkosten die relevanten Leistungen (Direktzahlungen, Vorfruchteffekt) abgezogen und die verbleibenden Kosten auf die erzeugte Menge Rohprotein umgelegt, wofür Angaben aus der Schweizerischen Futtermitteldatenbank (http://www.feed-alp.admin.ch) zur Anwendung gelangten. Da Futtergerste und Winterweizen auch Protein enthalten, sind die Proteinerzeugungskosten auch für diese Kulturen ausgewiesen. Die bei der Verfütterung von Soja an Monogastrier erforderliche thermische Behandlung von Sojabohnen wurde mit einem Ansatz von Fr. 6.– je Dezitonne angesetzt. Anhand des mittleren Preises von Sojaschrot kann die Wirtschaftlichkeit der heimischen Proteinerzeugung im Verhältnis zu importierten Proteinen daher lediglich grob abgeschätzt werden. Qualitative Unterschiede, wie beispielsweise die Struktur der Proteine oder die Verdaulichkeit, wurden dabei nicht berücksichtigt.

286

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 284–289, 2016

Resultate Kosten-/ Leistungsrechnung Die Resultate der Körnerleguminosen Sojabohnen, Ackerbohnen, Eiweisserbsen und Lupinen sind in Tabelle 1 dargestellt. Leistungsseitig zeigt sich, dass Sojabohnen trotz ihres relativ geringen Mengenertrags aufgrund des hohen am Markt erzielbaren Preises die höchste Marktleistung erreichen. Zum grossen Teil – im Mittel dieser Kulturen knapp 60 % – beruhen die Leistungen der Körnerleguminosen auf Direktzahlungen, während diese bei Getreide und Raps weniger als 40 % der Leistungen ausmachen. Der anhand des Stickstoffüberschusses (zwischen 26  kg bei Eiweisserbsen und 31  kg Stickstoff je ha bei Ackerbohnen) resultierende Vorfruchteffekt der Leguminosen ist mit einem Anteil von etwa 1,3 % an den Gesamtleistungen dagegen gering. Die Produktionskosten der Körnerleguminosen inklusive kalkulatorischer Ansätze für Arbeit, Land und Kapital bestehen zu etwa einem Viertel aus den Direktkosten (Saatgut, Pflanzenschutzmittel, Dünger und sonstigen Direktkosten). Der Pachtansatz für die Fläche macht etwa 20  % der Produktionskosten aus, die mit rund 55  % hauptsächlich auf die Gemeinkosten entfallen. Insbesondere die Maschinenkosten (27 % bis 30 % der Produktionskosten) und die Arbeitskosten (rund 15 % der Produktionskosten) sind hervorzuheben. Unter den getroffenen Annahmen zeigt sich bei allen Körnerleguminosen ein positives Ergebnis, da die Produktionskosten durch die erzielten Leistungen jeweils gedeckt sind. Der kalkulatorische Gewinn ist bei Sojabohnen am höchsten (Fr.  489.– je ha), gefolgt von Eiweisserbsen (Fr. 363.– je ha), Lupinen (Fr. 272.– je ha) und Ackerbohnen (Fr.  122.– je ha). Entsprechend liegt die erzielte Arbeitsentlohnung über dem angesetzten Stundenlohn von Fr.  28.– je Stunde und zwar zwischen Fr. 37.– bei Ackerbohnen und Fr. 62.– bei Sojabohnen. Der Vergleich dieser Ergebnisse mit den Plankosten und -leistungen von Futtergerste sowie den verbreiteten Ackerkulturen Winterweizen und Winterraps zeigt, dass der Verdienst je eingesetzte Arbeitsstunde von Sojabohnen und Eiweisserbsen mit Weizen konkurrieren kann. Jener von Raps liegt jedoch deutlich darüber. Weizen und Raps erreichen jeweils eine höhere Leistung als Körnerleguminosen, verursachen jedoch auch deutlich höhere Produktionskosten. Dies betrifft sowohl die Direkt- als auch die Gemeinkosten. Im Hinblick auf die Erzeugungskosten von Rohprotein gilt es zu beachten, dass sich der Proteinertrag zwischen Soja- und Ackerbohnen nur minimal unterscheidet, bei Eiweisserbsen jedoch deutlich geringer ausfällt. Dies resultiert in Erzeugungskosten von Fr. 1.12 bei Sojabohnen, Fr. 1.20 bei Ackerbohnen und Fr. 1.44 je kg Rohprotein bei Eiweisserbsen (jeweils unverarbeitet ab Lager auf

Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen | Agrarwirtschaft

Tab. 1 | Vollkostenrechnung Körnerleguminosen: Leistungen, Kosten, Gewinn je Hektar und Erzeugungskosten Rohprotein (in Franken, andern­ falls angegeben) Soja

Ackerbohnen

Eiweisserbsen

Lupine, blau

Futtergerste

Winterweizen

Winterraps

Marktleistung

1822

1449

1584

1299

2364

3605

3037

Ertrag (dt/ha)

31,0

42,0

42,8

30,6

68,5

68,5

35,6

Preis (Fr./dt)

58.78

34.50

37.00

42.50

34.50

52.60

85.31

Direktzahlungen

2300

2300

2300

2300

1300

1300

2000

Einzelkulturbeitrag (EKB)

1000

1000

1000

1000

0

0

700

Versorgungssicherheitsbeitrag (VSB)

1300

1300

1300

1300

1300

1300

1300

49

52

44

44

0

0

0

4171

3801

3927

3643

3664

4905

5037

1013

1064

997

795

1056

1282

1129

1

Vorfruchteffekt² LEISTUNGEN Direktkosten

1

Flächenkosten (Pachtansatz Land)

659

659

659

659

659

659

659

Gemeinkosten

1917

1917

1826

1917

2574

2544

2117

Maschinenkosten (inkl. Lohnunternehmer)4

1028

1028

911

1028

1404

1386

1121

Arbeitskosten

498

498

524

498

664

650

591

3

5

Gebäudekosten

36

36

36

36

152

153

50

sonstige Gemeinkosten7

355

355

355

355

355

355

355

VOLLKOSTEN

3589

3640

3482

3371

4289

4485

3905

KALKULATORISCHER GEWINN

582

161

446

272

– 625

421

1132

6

Resultierende Arbeitsentlohnung (Fr./h)

61

37

52

43

2

46

82

Stärkeertrag (kg/ha)8

134

1537

1910

243

4185

4087

x

Proteinertrag (kg/ha)

1104

1082

799

928

849

929

x

Erzeugungskosten (Fr./kg Rohprotein, unter Berücksichtigung von Direktzahlungen)

1.12

1.19

1.42

1.11

3.52

3.43

x

Erzeugungskosten (Fr./kg Rohprotein, Vollkosten OHNE Direktzahlungen)

3.25

3.37

4.36

3.63

5.05

4.83

x

17,8

17,8

18,7

23,7

23,2

21,1

8

Verfahren Arbeitsbedarf (Stunden)

ÖLN intensiv 17,8

Agridea Deckungsbeiträge, Jahrgänge 2011–2015 (soweit nichts anderes angegeben), Agridea (versch. Jgg.-b). 2 Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) Deckungsbeiträge und Kalkulationsdaten, Stickstoffüberschuss der jeweiligen Kultur, LfL (2016). 3 Eigene Kalkulation: Median des Pachtpreises, Daten der Zentralen Auswertung von ­Buchhaltungsdaten

4

dem Hof). Futtergerste erreicht je ha einen höheren Proteinertrag als Eiweisserbsen, jedoch sind die Produktionskosten deutlich höher und die Direktzahlungen niedriger als bei Eiweisserbsen. Betrachtet man die Erzeugungskosten ohne Direktzahlungen, so zeigt sich eine ähnliche Rangfolge der Kulturen; Ackerbohnen mit einem höheren Proteinertrag weisen bei dieser Betrachtung nun geringere Vollkosten je kg Rohprotein auf als Lupinen. Die Kosten der Aufbereitung von Soja in einem kleinen bayerischen Futtermittelwerk liegen bei rund Fr. 6.– je Dezitonne Vollfettsoja; die Verarbeitung zu Sojakuchen erfolgt kostenlos, wobei das Futterwerk das gewonnene Öl als Ausgleich erhält (Krenn 2014). Die Aufbereitung verteuert das Kilogramm Rohprotein um 27  Rappen. Die Transportkosten zur Aufbereitungsanlage in zwanzig Kilometer Entfernung betragen 5 Rap-

pen je kg Rohprotein, so dass unter den genannten Annahmen für Soja Erzeugungskosten von Fr. 1.44 je kg Rohprotein resultieren.

1

Maschinenkosten 2015 (Gazzarin, 2015). ART-Arbeitsvoranschlag (3 ha-Schlag) und Lohnansatz des Maschinenkostenberichts in Höhe von Fr. 28 je Stunde, Agroscope (2015, 2016). 6 Maschinenkosten 2015 und Ertragswertschätzung (2003). 7 Grundlagenbericht 2014, Hoop und Schmid (2015). 8 Schweizerische Futtermitteldatenbank, Agroscope (2016). 5

Quervergleich mit Importen Der mittlere Preis von Sojaschrot betrug im Zeitraum 2011–2015 Fr.  69.56 je Dezitonne gesackt franko Hof (AGRIDEA 2015b, versch. Jgg.-a) bei einem Eiweissgehalt von 45,3  kg. Dies ergibt einen Preis von Fr.  1.54 je kg Rohprotein beim Sojaextraktionsschrot (franko Hof). Die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Körnerleguminosen hängt auch von den Kosten der Futteraufbereitung und den Transportkosten ab. Können Körnerleguminosen selbst erzeugt und aufbereitet werden, ist es ihnen möglich, unter den getroffenen Kostenansätzen mit importierter Soja mitzuhalten.

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 284–289, 2016

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Agrarwirtschaft | Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen

Diskussion Die wirtschaftliche Analyse von vier in der Schweiz gegenwärtig wenig verbreiteten Körnerleguminosen zeigt, dass deren Anbau grundsätzlich profitabel sein und hinsichtlich der Arbeitsverwertung mit Winterweizen mithalten kann. Der monetär erfasste Vorfruchteffekt von Körnerleguminosen ist konservativ kalkuliert. Da weitere Effekte wie eine verbesserte B ­ odenstruktur, ein geringerer Krankheitsdruck infolge einer erweiterten Fruchtfolge und eine effektive Gräserbekämpfung1 zu erwarten sind, dürfte der ­ Vorfruchteffekt auch monetär grösser ausfallen. Zur fundierten Beurteilung der verschiedenen Fruchtfolgewirkungen von Körnerleguminosen wird daher die wirtschaftliche Betrachtung gesamter Fruchtfolgen empfohlen (Preißel et al. 2015). Im Falle einer kleineren Schlaggrösse von einer Hektare ergeben sich rund 10 % höhere Produktionskosten. Die Protein-Erzeugungskosten steigen deutlicher an, um etwa 30 %, und liegen für Soja, Ackerbohnen und Lupinen bei etwa Fr. 1.50 und für Eiweisserbsen bei Fr. 1.82 je kg Rohprotein. Zu beachten sind die Einsatzgrenzen infolge der spezifischen klimatischen Anforderungen der Kulturen (diese Anforderungen von Soja entsprechen etwa jenen von Körnermais), die erforderlichen Anbaupausen (z. B. mindestens sechs Jahre bei Erbsen) sowie auch begrenzte Einsatzmöglichkeiten in der Fütterung (z. B. Bitterstoffe bei der Ackerbohne oder die Eiweisswertigkeit von Erbsen). Körnerleguminosen können Futterrationen jedoch gut ergänzen und auch zur menschlichen Ernährung dienen, was eine Koppelnutzung, z. B. von Lupinen (Lucas et al. 2015), ermöglicht. Interessant könnte auch der – insbesondere im biologischen Landbau verbreitete – Anbau von Mischkulturen, z. B. Erbse mit Gerste oder Lupine mit Hafer, sein. Die Erträge von Mischkulturen sind im Vergleich mit Leguminosen in Reinkultur relativ hoch und stabil (Clerc et al. 2015). Angesichts des grundsätzlich konkurrenzfähigen Arbeitsverdienstes bestimmter Proteinkulturen und des positiven Vorfruchteffektes stellt sich die Frage, wieso der Anbau von Körnerleguminosen nicht stärker ausgedehnt wird. Mögliche Erklärungsansätze dafür sind a) das im Vergleich zu Weizen relativ geringe Ertragsniveau2, b) die hohe Ertragsvariabilität, c) die traditionelle Ausrichtung und die Spezialisierung auf

1 Körnerleguminosen werden häufig als Sommerfrucht angebaut und e­ rlauben dadurch nach einer Getreidevorfrucht eine effektive Bekämpfung von Gräsern ohne Herbizideinsatz.

Dieser Effekt ist in Europa mit einer hohen Produktionsintensität stärker ausgeprägt als in Ländern wie Kanada oder Australien mit einer geringeren Intensität; in diesen Ländern sind Leguminosen daher wettbewerbsfähiger (Preißel et al., 2015).

2

288

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 284–289, 2016

den Weizenanbau und d) die Schwierigkeit, die positiven Effekte des Anbaus von Körnerleguminosen (kurzund langfristig) monetär zu erfassen (Murphy-Bokern und Watson 2012). Ausserdem könnten hohe Aufbereitungskosten (Mahl-, Misch-, Lager-, Transportkosten) dem Anbau von Körnerleguminosen zur innerbetrieblichen Futterverwertung entgegenstehen. Vonseiten der Mischfutterhersteller spricht die breite Anwendbarkeit sowie die gute ­Verfügbarkeit konstanter Qualitäten für den Einsatz von Soja. Der Einsatz heimischer Körnerleguminosen, deren Menge und Qualität stark variieren, würde die Futtermittelerzeugung wohl verteuern. Die in der Strategie Pflanzenzüchtung 2050 vorgeschlagenen Kriterien zur Weiterentwicklung des Züchtungs-Portfolios (Bundesamt für Landwirtschaft 2015) könnten die nationale Züchtungsforschung im Bereich Körnerleguminosen zukünftig fördern. Das Ziel einer erhöhten Versorgung mit inländischem pflanzlichem Eiweiss geht mit Zielkonflikten einher, da der Anbau von Körnerleguminosen zulasten der Anbauflächen von anderen Kulturen geht. Die mittelfristige Entwicklung des Anbaus von Körnerleguminosen hängt in der Folge stark von den politischen Rahmenbedingungen und Zielen ab. So resultierte etwa die Umsetzung erhöhter Umweltanforderungen (sog. Greening-Auflagen) in der deutschen Landwirtschaft in einer deutlichen Ausweitung des Anbaus von Körnerleguminosen. Welchen Effekt dies mittelfristig auf vor- (z. B. die Züchtung) und nachgelagerte Bereiche (z. B. die Aufbereitungsinfrastruktur) und die damit verbundene Marktentwicklung hat, bleibt abzuwarten.

Schlussfolgerungen Die Analyse der Kosten-/Leistungsrechnung von Körnerleguminosen zeigt, dass deren Anbau für landwirtschaftliche Betrieb interessant sein kann. Die untersuchten Körnerleguminosen weisen alle einen kalkulatorischen Gewinn auf, der bei Sojabohnen am höchsten ausfällt. Diese Kultur weist auch bezogen auf die erzeugte Menge Rohprotein die geringsten Kosten auf. Verschiedene ackerbauliche Vorzüge der Kulturen, von welchen lediglich der Stickstoffüberschuss für die Kalkulation monetär berücksichtigt wurde, sprechen ausserdem für den Anbau von Körnerleguminosen. Die wachsende Sensibilität der Verbraucher für Herkunft und Qualität von Futtermitteln bieten darüber hinaus marktseitig ein gewisses Potenzial, das erschlossen werden kann. n

Redditività delle leguminose a granella indigene Nel dibattito sulle importazioni di alimenti per animali la redditività della coltivazione di leguminose a granella in Svizzera riveste un ruolo centrale. Il rapporto tra costi e rendimento sulla base dei costi totali per soia, favette, piselli proteici e lupini, supponendo una gestione razionale su grandi particelle di tre ettari, genera un salario orario realizzato e una valorizzazione del lavoro di almeno 37 franchi. Tale valorizzazione del lavoro è comparabile al frumento e, ancora meglio, all’orzo da foraggio. In termini di un chilogrammo di proteine grezze, le quattro colture registrano costi di produzione che si attestano tra 1.10 e 1.40 franchi. Sebbene in questo calcolo non siano considerati i costi delle fasi di trasformazione, la produzione indigena di proteine può concorrere con le importazioni dei residui solidi dell'estrazione di soia. Non sono prese in considerazione differenze qualitative come la digeribilità della proteina nonché la disponibilità.

Literatur ▪▪ AGRIDEA, 2015a. Deckungsbeiträge 2015. AGRIDEA, Lindau. ▪▪ AGRIDEA, 2015b. REFLEX 2015 – Betriebswirtschaftliche Datensammlung. ­AGRIDEA, Lindau. ▪▪ AGRIDEA, versch. Jgg.-a. Preiskatalog. AGRIDEA, Lindau. ▪▪ AGRIDEA (Ed.), versch. Jgg.-b. Deckungsbeiträge. AGRIDEA, Lindau. ▪▪ BAKBASEL, 2014. Landwirtschaft – Beschaffungsseite: Vorleistungsstrukturen und Kosten der Vorleistungen. 157 S., BAK Basel Economics AG, Basel. ▪▪ Bundesamt für Landwirtschaft, 2015. Strategie Pflanzenzüchtung 2050. BLW, Bern. ▪▪ Charles R., Gaume A. & von Richthofen J.-S., 2007. Auswertung des Körnerleguminosenanbaus durch die Produzenten. Agrarforschung Schweiz 14 (7), 300–305. ▪▪ Clerc M., Klaiss M., Messmer M., Arncken C., Dierauer H., Hegglin D. & Böhler D., 2015. Mit Mischkulturen die inländische Eiweissversorgung verbessern. A ­ grarforschung Schweiz 6 (11+12), 508–15. ▪▪ Dequiedt B., Maire J., Eory V., Topp C. F. E., Rees R. M., Zander P., Reckling M. & Schläfke N., 2014. Assessment of GHG abatement cost in in European agriculture via increasing the share of rotations with legumes. Aspects of Applied ­Biology 125 (Agronomic decision making in an uncertain climate. ), 73–80. ▪▪ Eidgenössische Zollverwaltung, 2016. Swiss-Impex – Datenbank der schweizerischen Aussenhandelsstatistik. Eidgenössisches Finanzdepartement EFD, Bern. ▪▪ Gazzarin C., 2015. Maschinenkosten 2015. Agroscope Transfer 90, 1–52 S., Agroscope, Ettenhausen. ▪▪ Giuliani S., 2015. Futtermittelbilanz 2013. AGRISTAT aktuell. Zugang: http:// www.sbv-usp.ch/fileadmin/sbvuspch/06_Statistik/Agristat-Aktuell/2015/150511_Agristat_Aktuell.pdf [11.02.2016].

Summary

Riassunto

Wirtschaftlichkeit inländischer Körnerleguminosen | Agrarwirtschaft

Profitability of domestic grain legumes The profitability of growing grain legumes in Switzerland is of interest when discussing the importation of feed. Cost/performance calculations on a full-cost basis for soya, field beans, protein peas and lupins yield a realised hourly rate or work monetisation of at least CHF 37.–, assuming efficient management on three-hectare plots. This work monetisation is comparable to that of wheat, and significantly better than for feed barley. Converted to kilograms of crude protein, the aforementioned four crops notched up production costs of between CHF 1.10 and CHF 1.40. Although the costs of processing steps are not borne in mind in this calculation, domestic production of protein can compete with imported de-oiled soya meal. Qualitative differences such as protein digestibility and availability were not taken into account in this study. Key words: full cost, protein feed, legumes, domestic production, competitiveness.

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Agrarforschung Schweiz 7 (6): 284–289, 2016

289

N u t z t i e r e

Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall Andreas Gutzwiller Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz Auskünfte: Andreas Gutzwiller, E-Mail: [email protected]

eine restriktive Futterzufuhr beziehungsweise die Verabreichung proteinarmer, rohfaserreicher Ferkelfutter sowie von keimhemmenden organischen Säuren oder ihren Salzen kann die Durchfallhäufigkeit gesenkt werden. Es stellt sich die Frage, ob auch Tannine (Gerbstoffe), welche vor der Entdeckung der Antibiotika häufig zur Durchfallbehandlung eingesetzt wurden, eine vorbeugende Wirkung gegen Ferkeldurchfall haben. Den Früchten des im Mittelmeergebiet vorkommenden Johannisbrotbaums, welche Tannine enthalten, wird eine durchfallhemmende Wirkung zugeschrieben. Arobon®, ein aus Johannisbrotextrakt bestehendes Produkt, wurde seit seiner Zulassung im Jahre 1945 während mehreren Jahrzehnten beim Menschen zur Durchfallbehandlung eingesetzt. Am Institut für Nutztierwissenschaften (INT) wurde untersucht, ob Diätfutter, welche gemahlenes Johannisbrot als Tanninquelle sowie Strohmehl oder Obsttrester als Rohfaserquelle enthielt, eine vorbeugende Wirkung gegen Durchfall bei abgesetzten Ferkeln hat und welchen Einfluss eine zehntägige Diätfütterung auf die Gewichtsentwicklung der Ferkel während der gesamten fünfwöchigen Ferkelaufzuchtperiode hat.

Abb. 1 | Ferkel an Elektrolyttränke (pro Liter 20 g Glucose, 3.5 g NaCl, 2,5 g NaHCO3, 1,5 g KCl).

Einleitung Die Trennung von der Muttersau ist mit einem abrupten Wechsel von der Sauenmilch auf getreidebasiertes Festfutter verbunden. Bis sich das Verdauungssystem der Ferkel an Festfutter angepasst hat, treten häufig Durchfallerkrankungen auf. Um das Risiko von durch Durchfall verursachtem Kümmern und von Todesfällen zu vermeiden, werden die abgesetzten Ferkel in vielen Betrieben mit über das Futter verabreichten Antibiotika behandelt. Um das Risiko der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen zu minimieren, rät die EU-Kommission (EC, 2015) von vorbeugenden Antibiotikabehandlungen ab. Durch

290

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 290–295, 2016

Tiere, Material und Methoden Bis zum Versuchsbeginn am dritten Tag nach dem Absetzen blieben die Ferkel in den Abferkelbuchten und erhielten Saugferkelfutter. In jeder der drei Serien wurden 64 Ferkel der Rasse Edelschwein in 32 Geschwisterpaare gleichen Geschlechts mit einem ähnlichen Absetzgewicht eingeteilt. Ein Tier pro Paar wurde in das Verfahren Diät (D), das andere in das Verfahren Kontrolle (K) eingeteilt. Jeweils zwei Tiere des gleichen Verfahrens wurden in Buchten mit einer Bodenfläche von 2,6 x 1 m eingestallt. Nach dem Einstallen erhielten die Ferkel K das Kontrollfutter K, während die Ferkel D zehn Tage lang Diätfutter erhielten, bevor auch sie das Kontrollfutter K erhielten. In den Versuchsserien 1 und 2 wurde ein Johannisbrot und Strohmehl enthaltendes Diätfutter (Futter SM), in der Serie 3 ein Johannisbrot und pektinhaltigen Apfeltrester enthaltendes Diätfutter (Futter AT) gefüttert (Tab. 1). Die Diätfutter waren energieärmer als

Zusammenfassung

Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall | Nutztiere

Abb. 2 | Johannisbrotschoten. (Quelle: www.feedipedia.org)

das Kontrollfutter K, aber alle Futter enthielten pro MJ verdauliche Energie (VES) gleich viel Rohprotein und verdaulichen Phosphor. Alle Futter enthielten bedarfsdeckende Mengen an essentiellen Aminosäuren. Die pelletierten Futter standen zur freien Verfügung. Vom zweiten bis zum elften Versuchstag wurde täglich von jedem Ferkel die Kotkonsistenz benotet (1 = fest; 2 = breiförmig; 3 = flüssig), die Noten wurden zusammengezählt sowie die Anzahl Durchfalltage (d.h. Tage mit der Kotkonsistenznote 3) wurde berechnet. Antibiotische Durchfallbehandlungen waren nur für schwere, lebensbedrohliche Durchfälle vorgesehen, weil die Intensität und die Dauer der Durchfälle wichtige Versuchsmerkmale waren. Wenn Ferkel Anzeichen einer reduzierten Vitalität und einer Austrocknung zeigten, wurde über eine Selbsttränke beiden Tieren der Bucht eine GlukoseElektrolytlösung ad libitum angeboten (Abb. 1).

Resultate Durchfälle In den 18 mikrobiologisch untersuchten Kotproben, welche von 18 an Durchfall leidenden Ferkeln der drei Serien stammten, wurden achtmal krankmachende E. coli, zehnmal eine Mischflora aus verschiedenen Bakterien und zweimal Rotaviren (virale Durchfallerreger) gefunden. Das in den ersten beiden Serien eingesetzte Diätfutter SM, welches 20  % Johannisbrot (Abb. 2) und 8  % mit Natronlauge aufgeschlossenes Strohmehl enthielt, verbesserte die Kotkonsistenz nicht und reduzierte auch nicht die Anzahl Durchfalltage (P > 0,10, Abb. 3 und 4). In der dritten Serie, in welcher häufiger Durchfälle auftraten, verbesserte das Diätfutter AT, welches 30  % Johannisbrot und 9 % Apfeltrester anstelle von Stroh-

Die durchfallvorbeugende Wirkung von zwei Diätfuttermitteln wurde an 192 frisch abgesetzten Ferkeln geprüft. Das Kontrollfutter enthielt pro kg 175 g Rohprotein (RP), 42 g Lignocellulose (ADF), 116 g neutrale Detergentienfaser (NDF) und 13,9 MJ verdauliche Energie Schwein (VES). Das 20% Johannisbrot (mit Kernen) und 8% Strohmehl enthaltende Diätfutter SM und das 30% Johannisbrot und 9% Apfeltrester enthaltende Diätfutter AT enthielten pro kg 150 g RP, 106 beziehungsweise 146 g ADF, 190 respektive 245 g NDF und 11,5 beziehungsweise 11,1 MJ VES. Das Diätfutter SM reduzierte die Anzahl Durchfalltage nicht (pro Ferkel 0,19 Tage in der Diätgruppe, 0,23 Tage in der Kontrollgruppe; P > 0,10) und verbesserte die Noten für die Kotkonsistenz nicht (P > 0,10). Das Diätfutter AT reduzierte die Anzahl Durchfalltage (0,8 gegenüber 2,0 Tage) und verbesserte die Kotkonsistenz (P < 0,01). Da die in den Johannisbrotkernen enthaltenen Kohlehydrate die Viskosität des Dünndarminhalts erhöhen und dadurch durchfallfördernd wirken können, sollte in zukünftigen Untersuchungen entkerntes Johannisbrot eingesetzt werden.

mehl enthielt, die Kotkonsistenz (P < 0,01) und reduzierte die Anzahl Durchfalltage (P < 0,01; Abb. 3 und 4). Kein einziges Ferkel wurde antibiotisch behandelt. Die meisten erkrankten Ferkel tranken sofort von der Glukose-Elektrolytlösung, welche zur Vorbeugung des durchfallbedingten Flüssigkeitsverlustes angeboten wurde. Vier der 192 Ferkel (2 %) starben infolge eines perakuten Durchfalls, davon zwei Kontrolltiere während den ersten zehn Tagen und je ein Tier der Kontroll- und der Diätgruppe zu einem späteren Zeitpunkt. Die übrigen an Durchfall erkrankten Tiere wurden im Verlaufe weniger Tage wieder gesund. Futterverzehr und Wachstum In der ersten Serie konnte der Futterverbrauch während der zehntägigen Diätfütterungsperiode nicht ausgewertet werden, weil wegen ungeeigneter Futtertröge viel Futter verschwendet wurde. In der zweiten Serie kompensierten die Ferkel den tieferen Energie-

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 290–295, 2016

291

Nutztiere | Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall

Tab. 1 | Die wichtigsten Rohkomponenten und Nährstoffe im Futter (g/kg, 88% TS) Kontrollfutter

Diätfutter SM (Serien 1,2)

560

330

Diätfutter AT (Serie 3)

Komponenten Weizen Hafer

180

Haferflocken

180

Gerste Mais

60 120

80

Mischfett

13

Sojaextraktionsschrot

100

Kartoffelprotein

30

70

40

Magermilchpulver

50

50

50

Weizenkleie

90

30

100

100

Johannisbrot

200

300

Strohmehl, mit NaOH aufgeschlossen

80 85

Apfeltrester, pektinhaltig Dikalziumphosphat

4

1

1

Viehsalz

4

4

6

Kalziumformiat

14

9

8

Globamax Performance®1

2

2

2

Spurenelement-Vitamin-Prämix

4

4

4

Rohprotein

176

149

147

Rohasche

46

42

45

Rohfett

43

21

32

Rohfaser

26

52

90

Lignocellulose (ADF)

42

106

146

Nährstoffe und Energie

Neutrale Detergentienfaser (NDF)

116

190

245

Verdauliche Energie Schwein (VES), MJ/kg

13,9

11,5

11,1

Die mit Lysin, Methionin und Threonin supplementierten Futter enthielten pro kg 0,1 g Natuphos 5000 G (Phytase) und 3 g Pellan (Pelletierhilfsmittel; ­wasserlösliches Zelluloseprodukt). 1Kalziumbutyrat SM: Diätfutter mit Strohmehl AT: Diätfutter mit Apfeltrester

und Nährstoffgehalt des strohmehlhaltigen Diätfutters SM nicht mit einem höheren Verzehr (Tab. 2). Dagegen wurden im Vergleich zum Kontrollfutter grössere Mengen des Apfeltrester enthaltenden Diätfutters AT gefressen (P = 0,09), so dass die Ferkel der dritten Serie während der Diätperiode gleich viel Energie und Nährstoffe wie die Kontrollferkel aufnahmen. Während der an die Diätperiode anschliessenden Aufzuchtperiode gab es weder im Futterverzehr noch in der Futterverwertung Unterschiede (P > 0,10). Die durch das Diätfutter verursachte Reduktion der Gewichtszunahme während der Diätperiode (Tab. 3) war wegen der starken Streuung der Zuwachsdaten statistisch nicht gesichert (P > 0,10). Die zehntägige Diätperiode beeinträchtigte die über die gesamte Versuchsperiode berechnete Gewichtszunahme nicht (P > 0,10).

292

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 290–295, 2016

Diskussion Durchfallerkrankungen Die Resultate der mikrobiologischen Kotuntersuchungen zeigen, dass etwa die Hälfte der Durchfälle durch spezifische Durchfallerreger verursacht worden waren, während die Mischflora ohne spezifische Durchfallerreger in den anderen untersuchten Kotproben ein Hinweis auf andere Durchfallursachen, wie zum Beispiel eine übermässige mikrobielle Fermentation von im Dünndarm nicht absorbierten Nährstoffen, ist. Das in den Serien 1 und 2 verwendete Diätfutter SM, welches 20 % Johannisbrot und 8 % Strohmehl enthielt, reduzierte die Durchfallhäufigkeit im Vergleich zum Kontrollfutter nicht. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass das Kontrollfutter dank seines Gehaltes an

Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall | Nutztiere

Tab. 2 | Futterverbrauch pro Tier und Tag und Futterverwertung Serie (64 Tiere pro Seite) Diätfutter

1

2

3

SM

SM

AT

1

Futter-Verbrauch

D

-

287±54

303±108

erste 10 Tage, g

K

-1

276±76

242±73

P

-

0,50

0,09

Futter-Verbrauch

D

722±133

737±98

685±117

Tag 11–31, g

K

722±132

700±107

724±107

P

1,0

0,26

0,22

Futterverwertung

D

1,62±0,12

1,60±0,14

1,58±0,16

Tag 11–31, kg/kg

K

1,59±0,08

1,59±0,12

1,60±0,11

P

0,42

0,66

0,71

P = Irrtumswahrscheinlichkeit; SM: Diätfutter mit Strohmehl; AT: Diätfutter mit Apfeltrester; D = Verfahren Diätfutter; K = Verfahren Kontrollfutter 1 In der ersten Serie wurde während der ersten 10 Tage wegen ungeeigneter Futterautomaten durch die Ferkel viel Futter aus den Trögen auf den ­Boden befördert und nicht gefressen.

Tab. 3 | Lebendgewicht (LG) bei Versuchsbeginn sowie Tageszuwachs (TZW) während der ersten 10 Versuchstage (Periode der unterschiedlichen Fütterung) und während der gesamten 31-tägigen Versuchsdauer Serie

1

Diätfutter LG Beginn, kg

TZW 10 Tage, g

TZW 31 Tage, g

2

3

SM

SM

AT

D

8,64±1.47

8,60±1,21

8,24±1,15

K

8,54±1.41

8,65±1,21

8,32±1,14

P

0,99

0,86

0,91

D

88±113

119±60

137±90

K

115±110

127±113

154±81

P

0,26

0,69

0,40

D

333±97

356±80

341±70

K

347±88

341±86

353±76

P

0,52

0,48

0,39

P = Irrtumswahrscheinlichkeit; SM: Diätfutter mit Strohmehl; AT: Diätfutter mit Apfeltrester; D = Verfahren Diätfutter; K = Verfahren Kontrollfutter

9 % Weizenkleie (Molist et al. 2010) sowie des Zusatzes von Kalzium-Formiat schon günstige diätetische Eigenschaften aufwies. Die Erhöhung des Johannisbrotanteils auf 30 % und der Austausch des Strohmehls durch Apfeltrester im Diätfutter AT der dritten Versuchsserie senkte jedoch im Vergleich zur Kontrollvariante die Durchfallhäufigkeit signifikant. Die Frage bleibt offen, ob das in der dritten Serie eingesetzte Diätfutter AT wegen seines höheren Johannisbrotanteils, wegen des Ersatzes von Strohmehl durch Apfeltrester oder infolge beider Modifikationen Durchfallerkrankungen vorbeugte. Untersuchungen an abgesetzten Ferkeln haben gezeigt, dass 35 g Apfeltrester pro kg Futter einen positiven Einfluss auf die Darmschleimhaut hat (Sehm et al. 2007) und dass die Zulage von 5 g Apfelpektin (entspricht dem Gehalt in 50 –100 g Apfeltrester) pro kg Fut-

ter eine signifikante Leistungssteigerung bei frisch abgesetzten Ferkeln hat (Stalljohann 2010). Der Ersatz des zellulosereichen Strohmehls durch den Hemizellulose und Pektin enthaltenden Apfeltrester dürfte die diätetische Wirkung des Diätfutters voraussichtlich verbessert haben. Die in Feedipedia (www.feedipedia.org) empfohlene Zusatzmenge an Johannisbrot im Schweinefutter beträgt 10–20  %. Durch die Erhöhung des Johannisbrotanteils im Diätfutter B erhöhte sich dessen Gehalt an durchfallhemmenden Tanninen, aber auch an Galactomannanen (in den Kernen vorkommende Kohlehydrate). Galatomannane erhöhen, ähnlich wie die im Weizen vorkommenden β-Glukane, die Viskosität des Dünndarminhaltes, was die Durchfallanfälligkeit der Ferkel erhöht (Hopwood et al. 2002; Van Nevel et al. 2005; Kim et al. 2012; Molist et al. 2014).

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 290–295, 2016

293

Nutztiere | Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall

2,5

Tannine und ihre Wirkungen im Darm Gewisse Pflanzen bilden Tannine (Protein fällende Moleküle), um sich vor Infektionen mit Mikroorganismen und gegen pflanzenfressende Tiere zu schützen. Die Tannine haben sowohl antimikrobielle als auch antinutritive Wirkungen, weil sie sowohl mit mikrobiellen Proteinen als auch mit Nahrungsprotein und mit Verdauungsenzymen unlösliche Verbindungen eingehen. Weil die Tannine die Nährstoffverdaulichkeit senken, wird in der Regel nur ein geringer Anteil an tanninreichen Futtermitteln wie z.B Sorghum ins Schweinefutter gemischt. Bei infektiösen Durchfallerkrankungen können jedoch die Wirkungen der Tannine gegen Mikroorganismen und deren Toxine sowie die Wirkung gewisser Tannine gegen Flüssigkeitsverlust von grösserer Bedeutung sein als ihre antinutritiven Wirkungen. Tannine sind Makromoleküle mit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften und Wirkungsweisen. Sie lassen sich in zwei grosse Klassen einteilen: Hydrolysierbare Tannine, welche z.B. in Eicheln sowie in der Rinde und den Blättern der Eiche vorkommen, können in kleine Moleküle abgebaut werden, welche im Dünndarm absorbiert werden können. Die kondensierten Tannine, welche z.B. in der Esparsette und im Johannisbrot vorkommen, werden im Darm praktisch nicht abgebaut und absorbiert, sondern werden mit dem Kot ausgeschieden.

Futterverbrauch und Wachstum Die rund 20-prozentige Reduktion des Energie- und Nährstoffgehalts im Diätfutter reduzierte die Gewichtszunahme während der Diätperiode nur um rund 10-15 %. Dieses Resultat widerspricht der Aussage von Montagne et al. (2012), dass eine Erhöhung des Rohfasergehalts im Ferkelfutter von 3 auf 5  % (entsprechend einer 4-prozentigen Reduktion des Nettoenergie-Gehalts von 10,4 auf 10,0 MJ NE/kg) den Zuwachs in den ersten zwei Wochen nach dem Absetzen um 20 % reduzierte. Dagegen beeinträchtigte in der Untersuchung von Gerritsen et al. (2012) die Erhöhung des Rohfasergehalts von 3 auf 7 % (entsprechend einer 14-prozentigen Reduktion des NE-Gehalts von 9,9 auf 8,5 MJ NE/kg) die Leistungen der Ferkel während der ersten zwei Wochen nach dem Absetzen nicht. Die Resultate des vorliegenden Versuchs zeigen, dass die von Rantzer et al. (1996) und von Dirkzwager et al. (2005)

294

Agrarforschung Schweiz 7 (6): 290–295, 2016

2 1,5 1 0,5 0

Serie 1

Serie 3

Serie 2 Diät

Kontrolle

Abb. 3 | Anzahl Durchfalltage in den 3 Versuchsserien (Serien 1 und 2: Strohmehl enthaltendes Diätfutter SM; Serie 3: Apfeltrester enthaltendes Diätfutter AT). 16 14 12 10 8 6 4 2 0

Serie 1

Serie 3

Serie 2 Diät

Kontrolle

Abb. 4 | Summe der Kotbeurteilungsnoten (1 = fest, 2 = breiförmig, 3 = flüssig) in den drei Versuchsserien (Serien 1 und 2: Strohmehl enthaltendes Diätfutter SM; Serie 3: Apfeltrester enthaltendes Diätfutter AT).

empfohlene massive Reduktion der Nährstoffaufnahme zur Durchfallvorbeugung bei ad libitum-Fütterung kaum realisierbar ist.

Schlussfolgerungen Ein Diätfutter, welches 30  % Johannisbrot und 9% Apfeltrester enthält, wirkt bei abgesetzten Ferkeln durchfallhemmend, ohne die Futteraufnahme zu reduzieren. Im Vergleich zum im vorliegenden Versuch verwendeten kernhaltigen Johannisbrot dürfte entkerntes Johannisbrot den Durchfall stärker hemmen. In zukünftigen Untersuchungen zur Wirkung der Johannisbrottannine auf Ferkeldurchfälle sollte aus diesem Grunde entkerntes Johannisbrotmehl, ein bei der Herstellung von Johannisbrotkernmehl anfallendes Nebenprodukt, geprüft werden.  n

Alimento dietetico contenente carrube contro la diarrea nei suinetti L’effetto preventivo contro la diarrea di due alimenti dietetici è stato valutato somministrandoli a 192 suinetti svezzati. L’alimento di controllo conteneva per kg 175 g proteina (P), 42 g ADF, 116 g NDF e 13.9 MJ ED. L’alimento dietetico CP, che contiene il 20% di carrube (con semi) e l’8% di farina di paglia, e l’alimento dietetico CM, che contiene il 30% di carrube e il 9% di polpa di mele, hanno ottenuto per kg 150 g P, 106 risp. 146 g ADF, 190 risp. 245 g NDF e 11.5 risp. 11.1 MJ ED. L’alimento dietetico CP non ha ridotto il numero di giorni di diarrea (per suinetto 0.19 giorni nel gruppo dieta, 0.23 giorni nel gruppo controllo; P > 0.10) e non ha migliorato i valori della consistenza delle feci (P > 0.10). L’alimento dietetico CM ha ridotto il numero di giorni di diarrea (0.8 rispetto a 2.0 giorni) e ha migliorato la consistenza delle feci (P < 0.01). Siccome i carboidrati contenuti nei semi di carruba aumentano la viscosità del contenuto dell’intestino tenue e potrebbero dunque favorire la diarrea, per valutazioni future si dovrebbe fare uso di carrube senza semi.

Summary

Riassunto

Diätfutter mit Johannisbrot gegen Ferkeldurchfall | Nutztiere

Diets containing carob for diarrhoea prevention in weaned pigs The effectiveness of two different diarrhoeaprevention diets was tested using 192 newly weaned Large White pigs. The control diet contained 175 g crude protein (CP), 42 g ADF, 116 g NDF and 13.9 MJ digestible energy (DE) per kg. The ‘SM’ and ‘AP’ experimental diets comprising 20% whole carob pods plus 8% straw meal and 30% whole carob pods plus 9% apple pomace, respectively, contained 150 g CP, 106 and 146 g ADF, 190 and 245 g NDF, as well as 11.5 and 11.1MJ DE per kg, respectively. The SM diet neither reduced the number of days with diarrhoea (0.19 vs. 0.23 days per piglet fed the SM diet and the control diet, respectively; P > 0.10) nor the average fecal score (P > 0.10). By contrast, the AP diet reduced the number of days with diarrhoea (0.8 vs. 2.0 days per piglet fed the AP diet and the control diet, respectively; P < 0.01), and improved the average fecal score (P < 0.01). Since carob seeds probably increase intestinal viscosity and may thus increase the risk of diarrhoea, carob pods without seeds may be more effective in preventing diarrhoea. Key words: pig, weaned, diarrhoea, tannin, carob, pomace.

Literatur ▪▪ Dirkzwager A., Veldman B. & Bikker P., 2005. A nutritional approach for the prevention of Post Weaning Syndrome in piglets. Anim. Res. 54, 231–236. ▪▪ EC, 2015. Guidelines for the prudent use of antimicrobials in veterinary medicine. Official Journal of the European Union C299/04. Zugang: http://ec.europa.eu/ health/antimicrobial_resistance/docs/2015_prudent_use_guidelines_en.pdf. ▪▪ Feedipedia. Zugang: http://www.feedipedia.org/node/320. ▪▪ Gerritsen R., van der Aar P. & Molist F., 2012. Insoluble nonstarch polysaccharides in diets for weanling piglets. J. Anim. Sci. 90, 318–320. ▪▪ Hopwood D., Pethick D. & Hampson D., 2002. Increasing the viscosity of the intestinal contents stimulates proliferation of enterotoxigenic Escherichia coli and Brachyspira pilosicoli in weaner pigs. Br. J. Nutr. 88, 523–532. ▪▪ Kim J., Hansen C., Mullan B. & Pluske J., 2012. Nutrition and pathology of weaner pigs: nutritional strategies to support barrier function in the gastrointestinal tract. Anim. Feed Sci. Technol. 173, 3–16. ▪▪ Molist F., Gomez de Segura A., Pérez J.,Bhandari S., Krause D. & Nyachoti C., 2010. Effect of wheat bran on health and performance of weaned pigs challenged with Escherichia coli K 88. Livestock Science 133, 214–217.

▪▪ Molist F., Oostrum M., Pérez J., Mateos G. Nyachoti C. & van der Aar P., 2014. Relevance of functional properties of dietary fibre in diets for weanling pigs. Anim. Feed Sci. Technol. 189, 1–10. ▪▪ Montagne L., Le Floc’h N., Arturo-Schaan M., Foret R., Urdaci M. & Le Gall M., 2012. Comparative effects of dietary fiber and sanitary conditions on the growth and health of weanling pigs. J. Anim. Sci. 90, 2556–2569. ▪▪ Rantzer D., Svendsen J. & Weström B., 1996. Effects of a strategic feed restriction on pig performance and health during the post-weaning period. Acta Agric. Scand. Sect. A Animal Sci. 46, 219–226. ▪▪ Sehm J., Lindermayer H., Dummer C., Treutter D. & Pfaffl W., 2007. The influence of polyphenol rich apple pomace or red wine pomace diet on gut morphology in weaning piglets. J. Anim. Physiol. Anim. Nutr. 91, 289–296. ▪▪ Stalljohann G., 2010. Zugang: http://www.landwirtschaftskammer.de/duesse/tierhaltung/schweine/versuche/ferkel/pdf/2010-pektin-vg254257.pdf. ▪▪ Van Nevel C., Decuypere J., Dieirick N. & Molly K., 2005. Incorporation of galactomannans in the diet of newly weaned piglets: Effect on bacteriological and some morphological characteristics of the small intestine. Arch. Anim. Nutr. 59, 123–138.

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P o r t r ä t

Stéphane Burgos: Inspiration in fremden Disziplinen Spätestens seit dem vergangenen «Internationalen Jahr des Bodens 2015» der UNO dürfte die zentrale Bedeutung des Lebensraums Boden für Gesellschaft und Umwelt in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gerückt sein. Für Stéphane Burgos indes ist der Boden und das, was darauf wächst und gedeiht, Alltag. Seit September 2015 lehrt und forscht der Waadtländer als Dozent für Bodenkunde an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL. Die Landwirtschaft zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Sein Grossvater führte einen Ackerbaubetrieb, auf dem er regelmässig mit anpackte. Zudem arbeitete er während seines Studiums in den Agrarwissenschaften mit Fachrichtung Pflanzenproduktion an der ETH Zürich auf verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben im In- und Ausland. In seiner Doktorarbeit beschäftigte sich Stéphane Burgos mit der genetischen Analyse von Dinkel, der sehr gut mit feuchten Böden zurechtkommt. Zwischen Studium und Doktorat unterrichtete er sechs Monate am Institut agricole de l’Etat de Fribourg in Grangeneuve im Fach Bodenkunde. Die Verbindung von Pflanzen und Böden Auf die Dissertation folgte im Jahr 2000 seine nächste berufliche Station an der Hochschule für Weinbau und Önologie in Changins, wo er bis zu seinem Wechsel an die BFH-HAFL eine Dozentur für Bodenkunde mit Fokus Obst- und Rebbau innehatte. In Changins spezialisierte sich Stéphane Burgos auf die Verbindung von Pflanzen und Boden: «Es gibt klare Zusammenhänge zwischen Pflanzenmerkmalen und Bodenbeschaffenheit. Deshalb ist es wichtig, die beiden Aspekte nicht zu trennen.» Das Potenzial eines Bodens müsse folglich für jede Pflanze unterschiedlich definiert werden. Einen Ansatz, den Stéphane Burgos auch an der BFH-HAFL weiterverfolgt. Im Zentrum steht dabei der Ackerbau generell: Kartoffeln, Weizen, Mais und andere Kulturpflanzen. «In der Forschung stellen sich immer zwei Fragen: Wie komme ich an die relevanten Informationen und welche Schlüsse ziehe ich daraus?» Neben dem Gang ins Feld, der Beobachtung von Pflanzenmerkmalen oder der Untersuchung von Bodenprofilen setzt Stéphane Burgos auf modernste Technik wie den Einsatz von Drohnen für die Bodenkartierung. Ursprünglich für die bessere Untersuchung von Rebbergen verwendet, will er das System künftig im Bereich des Ackerbaus an der BFH-HAFL einsetzen. Seit über einem Jahr läuft ein Projekt, das Aufschluss über den Nutzen von Luftbildern bei der Erforschung von Bodenerosion liefern soll. «Der Blick von oben kann sehr aufschlussreich sein.»

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Eine komplexe Welt braucht Interdisziplinarität Für die Interpretation der Daten aus dem Feld findet Stéphane Burgos Inspiration in vielen Disziplinen. «Um Probleme zu lösen, braucht es Ideen.» Der Blick über den eigenen Tellerrand könne da enorm hilfreich sein. «Auch wenn sich die Verfahren unterscheiden, sind die Probleme doch oft sehr ähnlich.» So gäbe es etwa bei der Bildanalyse in der Medizin und in der Bodenkunde spannende Parallelen. Zusätzlich zur Inter- und Transdisziplinarität interessiert sich Burgos für vergangenes und vergessenes Wissen. Denn einiges, was neu erscheine, sei in Wahrheit Wiederholung. «Leider fehlt in der Forschung oftmals die Zeit, sich mit der Vergangenheit oder mit anderen Disziplinen zu beschäftigen.» Deshalb schätze er die kurzen Wege und die fächerübergreifende Zusammenarbeit an der BFH-HAFL, welche die Interdisziplinarität begünstigen. Ein Leben auf dem Hof kann sich Stéphane Burgos heute nicht mehr vorstellen, zu sehr habe er sich der Wissenschaft verschrieben. Trotzdem sucht er immer wieder die Verbindung von Theorie und Praxis: «Was mich antreibt, ist die Suche nach Lösungen, die wirklich sinnvoll sind und eine Anwendung in der Praxis finden.» Eno Nipp, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel­ wissenschaften BFH-HAFL

A k t u e l l

Neue Publikationen

Aktuelles

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Einladung

nen natürlicherweise vorkommende PflanzenpopulatioAgroSCOPE – der Jahresbericht 2015 von Agroscope ist nen geschützt werden. Agroscope Changins-Wädenswil ACW und die «Internatierschienen Mehr als 100 Vorträge und Poster werden von Foronal Society for Horticultural Science (ISHS)»Die freuen sich, schenden Forschung von Agroscope vorausschauaus der arbeitet ganzen Welt von Korea bis ArgentiSie zum «1st International Symposium on Medicinal, Aroend an relevanten Zukunftsthemen. Was Agroscope nien in vier Sessionen präsentiert: 1) Genetische RessourAgroSCOPE matic and Nutraceutical Plants from Mountainous Areas» unternimmt, diesbezüglich lesen Sie Hauptbeitrag Züchtung und cen und Botanik, 2) im Domestikation, einzuladen. Dieses Symposium findet vom 5. bis 9.Esparsette Juli markergestützte «Dank weniger Dünger, bessere3)Milch und Pflanzenschutz Selektion, Anbau, 2011 in der Schweiz in Saas Fee statt und ist an Personen besseres Fleisch», in und den 4) Beiträgen «Blühstreifen wie Trocknung, undund Ernte Nachernte-Verfahren gerichtet, die in der Forschung, Produktion und Bildung Schädlinge», reduzieren «Gläserne MilchsäurebakteExtraktion und Produktherstellung. Das Symposium wird tätig sind. rien» sowie «Der Weinbau im Wandel des Klimas». in Englisch gehalten, ohne Übersetzung. Das Ziel des Symposiums ist es, neuste Informationen www.jahresbericht.agroscope.admin.ch aus der Wissenschaft über den Anbau und die Nutzung Weitere Infos unter: http://www.agroscope.admin.ch/ von Pflanzen aus dem Berggebiet zu präsentieren und mapmountain/index.html?lang=en zu diskutieren - Pflanzen, die in Medikamenten sowie als Aromastoffe und Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln Verwendung finden. Die in höheren Lagen gedeihenden Wildpflanzen sind im allgemeinen reich an sekundären Inhaltsstoffen und wurden seit Jahrhunderten zu Heilzwecken gesammelt. Doch der Bedarf an einigen dieser Pflanzen ist in den letzten Jahren gestiegen, daher kann die Nachfrage nur über deren professionellen Anbau gewährleistet werden. Zudem erlaubt ein solcher AGRAR AGRAR FORSCH FORSCHUNG SCHWEI UNG Anbau eine nachhaltige Produktion mittels optimalen Z SCHWEIZ Anbaubedingungen und angepassten Genotypen mit gewünschtem phytochemischem Profil, das durch Domestikation und Züchtung erzielt wurde. Damit könJahresbericht 2015

AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ

Agrarforschung Schweiz ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Partner der Zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirtschaft, die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft HAFL, die Beratungszentralen AGRIDEA, die Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften und Agroscope, die gleichzeitig Herausgeberin der Zeitschrift ist. Die Zeitschrift erscheint in Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und an weitere Fachinteressierte.

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F e b r u a r

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Pflanzenbau

ericht Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz von 2009 bis 2012 Seite Kurzb 48

Nutztiere

Heu- oder Haylageproduktion von zwei Grasmischungen Seite 64

Kurzbericht

Genetik der Hornlosigkeit beim Rind Seite 72

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Agrarforschung Schweiz 7 (6): 297–299, 2016

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Aktuell

Medienmitteilungen Medienmitteilungen

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27.05.2016

12.05.2016

Bruno Studer neuer Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Agroscope

Insect-Monitoring – ein neues Werkzeug auf Agrometeo

Die ETH Zürich ernennt Bruno Studer zum Associate Professor of Molecular Plant Breeding – zum ausserordentlichen Professor für den neu geschaffenen Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenzüchtung. An dieser neuen Professur beteiligen sich Agroscope und die ETH Zürich gemeinsam. Das stärkt die Pflanzenzüchtung in der Schweiz. 20.05.2016

Agroscope züchtet fünf neue Klone der Rebsorte Petite Arvine Im Jahr 1992 lancierte Agroscope in Zusammenarbeit mit dem Weinbauamt des Kantons Wallis und der Gesellschaft der Walliser Rebschulisten ein Erbschutzprogramm zur Erhaltung der genetischen Vielfalt von traditionellen einheimischen Rebsorten. Dank dieser Initiative konnten bereits mehr als 1400 Klone von 17 verschiedenen Rebsorten erhalten werden. Aus der so entstandenen Klonsammlung wählt Agroscope die aus agronomischer und önologischer Sicht besten Kandidaten für die Züchtung aus. Fünf neue Klone der Rebsorte Petite Arvine konnten so in diesem Frühling der Schweizer Zertifizierung übergeben werden. 19.05.2016

Nachhaltigkeit von Schweizer Landwirtschaftsbetrieben umfassend beurteilen Agroscope entwickelte ein System, um die Nachhaltigkeit von Schweizer Landwirtschaftsbetrieben zu beurteilen. Es umfasst eine breite Palette von Wirkungsindikatoren, zum Beispiel Ressourceneffizienz, Liquidität und Tierwohl. Die Indikatoren werden Landwirtinnen und Landwirten eine praxistaugliche Bewertung ihres Betriebs in den drei Dimensionen Umwelt, Ökonomie und Gesellschaft erlauben.

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Agrarforschung Schweiz 7 (6): 297–299, 2016

Seit diesem Frühjahr kann man auf www.agrometeo.ch kostenlos den Flugverlauf der wichtigsten Schädlinge im Obst- und Rebbau abrufen. Das von Agroscope entwickelte Werkzeug Insect-Monitoring ermöglicht es allen, die Aktivität eines erfassten Schädlings örtlich wie zeitlich darzustellen. Man bekommt einen besseren Überblick über die Schädlingssituation innerhalb der eigenen Region, des Kantons und der einzelnen Landesteile gewinnen. Dadurch ist eine gezieltere Prävention und Bekämpfung möglich. 03.05.2016

Feldversuch mit cisgenen Apfelbäumen bewilligt Der Feldversuch über Nutzen und Risiken von gentechnisch veränderten Apfelbäumen auf der Protected Site kann starten. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat das entsprechende Gesuch von Agroscope mit einer Laufzeit bis Ende 2021 bewilligt. Getestet werden sollen Apfelbäume, denen man mit gentechnischen Methoden ein Gen aus einem Wildapfel übertragen hat. Das Gen verleiht eine Resistenz gegen Feuerbrand.

Aktuell

Veranstaltungen

Juni 2016

Vor schau Juli–August 2016 / Heft 7– 8 Für die Ernährung von bald acht Milliarden Menschen kommt der Pflanzenzüchtung eine Schlüssel­ rolle zu. Forschende von Agro­ scope präsentieren Resultate aus der Forschung zur Futterpflanzen­ züchtung. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)

•• Mehr Leistung dank Sex: die neuen Wiesenrispengras-Sorten von Agroscope, Christoph Grieder et al., Agroscope •• Timothe: zwei neue Sorten empfohlen, Daniel Suter et al., Agroscope •• Phänologische Entwicklung von Mähwiesen – 21 Beobachtungsjahre, Zoé Vuffray et al., Agroscope •• Auswirkungen eines neuen Phosphatdüngers auf die Versorgung und den Ertrag von Weizen, Aurélien Roger et al., Agroscope, Groupe ­ROUILLER – Centre Mondial d’Innovation und RITTMO Agroenvironnement •• Die maximal tragbare Radlast – eine zweckmässige Kenngrösse für die Praxis, •• Andreas Chervet et al., Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern, HAFL und Agroscope •• Kundensegmente im Agrotourismus, Andreas Hochuli-Stalder et al., HAFL und Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung Schüpfheim BBZN •• Die mikrobielle Biodiversität in Rohmilchkäse, Cornelia Bär et al., Agroscope •• Neue Ausscheidungsrichtwerte für Mutterkühe, Harald Menzi et al., Agroscope

09.06.2016 Bio-Ackerbautagung Brütten ZH Informationen: www.bioackerbautag.ch August 2016 18.08.2016 AGFF-Waldhoftagung 2016 AGFF, Profi-Lait, HAFL, Inforama, Agroscope Inforama Waldhof, Langenthal BE 29.08. – 01.09.2016 20th Eucarpia General Congress EUCARPIA, Agroscope und ETH Zurich, ETH Zürich September 2016 09.09.2016 JUBILÄUMSTAGUNG: Entwicklung von Landwirtschaft und Agrarrecht Schweizerische Gesellschaft für Agrarrecht SGAR Luzern, Informationen: www.sgar-ssda.ch 15.09.2016 39. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Tänikon, Ettenhausen 21.09.2016 9. Ökobilanz-Plattform Landwirtschaft Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Zürich 28.09.2016 Nutztiertagung Agroscope 2016 Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT Landwirtschaftliches Institut Grangeneuve in Posieux 08.11.– 09.11.2016 Weiterbildungskurs für Baufachleute 2016 Gemeinsame Tagung von ALB-CH, AGRIDEA, ­Agroscope und suissemelio, Grangeneuve 17.11.2016 NABO Fachtagung 2016 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Zürich

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

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Donnerstag, 18. August 2016

Erfolgreich produzieren – auch bei Wetterkapriolen AGFF-WALDHOFTAGUNG 2016

• Welche Klimaveränderungen sind zu erwarten? • Wie reagieren Pflanzen, Mischungen, Kulturen und Naturwiesen auf Trockenheit? • Wie geht der Gutsbetrieb Waldhof mit Wetterextremen um? • Welcher Kuhtyp passt zu meinem Betrieb? • Kraftfutter füttern: ja, nein oder jein? • Was heisst Erfolg für die Familie? • Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Produktionssysteme

Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

• Genomics and bioinformatics • Stress tolerance • Secondary metabolites • Phenomics • Genetic resources and pre-breeding • Innovation vs. regulation

Tagungsort Inforama Waldhof, Langenthal BE Detailprogramm und Anmeldung www.agroscope.ch/veranstaltungen

Eidgenössisches Departement für W irtschaft, Bildung und Forschung WBF Agroscope

Topics

• Plant microbe interactions

Der Eintritt ist frei (Veranstaltung für die ganze Familie, mit Festwirtschaft und Kinderhütedienst)

Venue ETH Zurich, main building Rämistrasse 101, 8092 Zurich Registration fee CHF 550.– / 600.– / 650.– (student / Eucarpia member / non-member) Programme and registration www.eucarpia2016.org (Closing date for online registration: 30 June 2016)