Agr 124)

Gt 08020 / p. 158 / 28.9.2007 Vertrauen in die Sorge Gottes (Sorgt euch nicht) Q 12,24.26-28 (Mt 6,26.28-30 / Lk 12,24.26-28 / EvThom [P.Oxy. 655] 36...
Author: Ida Becke
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Gt 08020 / p. 158 / 28.9.2007

Vertrauen in die Sorge Gottes (Sorgt euch nicht) Q 12,24.26-28 (Mt 6,26.28-30 / Lk 12,24.26-28 / EvThom [P.Oxy. 655] 36,1-4 / Agr 124) (24) Beobachtet die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und Gott ernährt sie. Seid ihr nicht mehr wert als die Vögel? (26) Und was sorgt ihr euch um Kleidung? (27) Lernt von den Lilien, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht ab und sie spinnen nicht. Ich sage euch aber: Auch nicht Salomo in all seiner Pracht war angezogen wie eine von diesen. (28) Wenn aber Gott das Gras auf dem Feld, das heute dasteht und morgen in den Ofen geworfen wird, so anzieht – um wie viel mehr nicht euch, ihr Kleingläubigen?

Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit) Das Doppelbildwort von den Raben und Lilien (Jeremias 11 1998, 89; Steinhauser 1981, 215-235) in Q 12,24.26-28 gehört zum ältesten Bestand und argumentativen Kern der größeren Spruchkomposition Q 6,22b-31 (Mt 6,25-33 / Lk 12,22b-31). In V. 22b (»daher sage ich euch«) knüpft der Q-Redaktor an die Empfehlung in Q 12,33 f. (Mt 6,19-21 / Lk 12,33 f.) an, Vorräte im Himmel zu sammeln. V. 22c.d geben dann das Thema an: Sorgt euch nicht um Nahrung (»euer Leben«) und Kleidung (»euren Leib«)! »Sorgen« meint dabei weniger »sich sorgende Gedanken machen« als »sich abmühen« (vgl. V. 27; Jeremias 11 1998, 212). »Es wird nicht einfach davor gewarnt, sich das ohnehin schon schwere Leben durch Angst und Unruhe noch schwerer zu machen. Sondern es wird dem üblichen Verhalten von Menschen, die sich aktiv um ihr Existenzminimum bemühen und sich ihres Erfolges dabei ständig unsicher sind, vorgehalten, wie verläßlich sich Gott um seine Geschöpfe kümmert« (Schmeller 1999, 86). In V. 23 folgt eine rhetorische Frage, die in weisheitlicher Tradition zur Mäßigung mahnt und den höheren Wert von Leben und Leib gegenüber Nahrung und Kleidung herausstellt. Gegenüber V. 22 werden damit jedoch ganz neue Gegensätze eingeführt, wodurch sich die »anthropologische Reflexion« (Ebner 1998, 258) in V. 23 als sekundärer Kommentar erweist. In den V. 24 und 27 f. wird V. 22c.d in einer folgerichtigen Argumentationsperspektive aufgenommen, wenn am Beispiel der Raben und Lilien Gottes alles menschliche Sorgen umgreifende Fürsorge demonstriert wird. Im Schlussverfahren vom Geringeren auf das Bedeutendere (a minore ad maius) wird solche göttliche Fürsorge gerade auch für die Menschen reklamiert (Hoffmann 1995, 91). Die beiden Beispiele von der Nahrung in V. 24 und der Kleidung in den V. 27 f. sind in ihrer Struktur parallel angelegt; allerdings ist das zweite breiter ausgeführt und erhält so ein größeres Gewicht (Hoffmann 1995, 91 f.). V. 24 besteht aus vier Teilen: (a) Zunächst fordert ein Imperativ in der zweiten Person positiv dazu auf, die Raben zu beobachten. (b) Dann wird knapp die allgemeine 144

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Beobachtung darüber mitgeteilt, was sie nicht tun: säen, ernten und in Scheunen sammeln – drei landwirtschaftliche Grundtätigkeiten. (c) Das Nichttun der Raben wird daraufhin mit dem Tun Gottes kontrastiert: Er ernährt sie. (d) Abschließend werden die Adressaten mit einer rhetorischen Frage zum Schluss vom Leichten auf das Schwere aufgefordert: Gilt das nicht erst recht für euch? V. 25 (»Wer von euch vermag mit seiner Sorge seiner Lebenszeit eine Spanne hinzuzufügen?«) ist ein ursprünglich selbstständiges Wort, das erst sekundär aufgrund des Stichworts »sorgen« in unseren Kontext eingeschaltet worden ist (u. a. Bultmann 10 1995, 84; Gnilka 1990, 182, Anm. 20; Jeremias 11 1998, 171). Ähnlich wie in V. 23 wird nämlich gut weisheitlich herausgestellt, dass der Mensch trotz aller Anstrengungen über die Grundkonditionen seiner Existenz nicht verfügen kann (Hoffmann 1995, 91). Dieser Pessimismus passt nicht recht zur optimistischen Sichtweise des Kontextes (Schmeller 1999, 85, Anm. 3). Außerdem warnen die V. 23 und 25 nur vor einer ängstlichen Überschätzung der Sorge, nicht vor aktiver Vorsorge an sich; diese sekundären Ergänzungen öffnen die Sorgensprüche auch für ortsfeste Christen, die um eine gewisse Vorsorge nicht herumkamen (Schmeller 1999, 87). Die rhetorische Frage in V. 26 ist traditionsgeschichtlich ebenfalls eine sekundäre Erweiterung, die die ursprünglichen Bildworte strukturieren wollte. Nach der den Zusammenhang unterbrechenden Frage in V. 25 lenkt V. 26 ausdrücklich auf die Sorge um die Kleidung zurück und bereitet so V. 27 vor (Bultmann 10 1995, 84; Hoffmann 1995, 91). V. 27 beginnt mit der positiven Aufforderung, von den Lilien zu lernen (vgl. V. 24a). Darauf folgen wie in V. 24 drei allgemeine Lernerfahrungen, allerdings zunächst eine positive (»wie sie wachsen«), dann zwei negative (»sie mühen sich nicht ab und sie spinnen nicht«). Wie in V. 24 besteht auch hier kein Interesse an einer präzisen biologischen Bestandsaufnahme; die pragmatische Aussageabsicht dirigiert ganz das Bild (Rondez 2006, 102 mit Anm. 505). Mit einer Redeeinleitung in der ersten Person (»ich sage euch aber«) erscheint Jesus als Sprecher, der einen deutlichen Gegensatz zwischen der Kleidung der Lilien und derjenigen Salomos feststellt – wobei Salomo schlechter abschneidet als jede Lilie. Gegenüber V. 24 kommt in V. 27 neben der praktischen eine ästhetische Dimension neu ins Spiel: Es geht nicht mehr nur um Ernährung und Kleidung an sich, sondern auch um die Pracht bzw. Herrlichkeit der Kleidung (Rondez 2006, 103). In V. 28a wird wie in V. 24 das kontrastierende Handeln Gottes beschrieben: Er zieht das vergängliche Gras – gemeint ist nicht kultiviertes Grünzeug, das zumeist der Futterversorgung von Tieren diente und hier als »Ofenfutter« fungiert (Rondez 2006, 103, Anm. 510) – so überaus prachtvoll an. Unversehens kommt Vergänglichkeit in den Blick, wo eben noch allein überragende Schönheit das Thema war (Rondez 2006, 104). Darauf folgt schließlich wie in V. 24 der Schluss vom Leichteren auf das Schwerere: »um wie viel mehr nicht euch, ihr Kleingläubigen?« Wie in V. 24 wird außerdem von einem konkreteren zu einem allgemeineren Begriff übergegangen: Raben ! Vögel (V. 24), Lilien ! Gras (V. 27 f.). Die V. 29-31 sind gegenüber Q 12,24.26-28 keine komplett sekundäre Einheit (gegen Allison 1997, 24; Bultmann 10 1995, 92; Kloppenborg 1987a, 218). V. 29 nimmt V. 22b.c resümierend wieder auf und fasst zusammen, ebenso gehört V. 30b.c (»euer Vater weiß, dass ihr das alles braucht«) wahrscheinlich zum auf Jesus zurückgehenden 145

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Parabeln in der Logienquelle Q

Grundbestand (Hoffmann 1995, 106). Sekundäre Teile sind die im Kontext überraschende und eher störende negative Profilierung gegenüber den »Heidenvölkern« in V. 30a und die ebenfalls im Kontext überraschende und wie ein Nachtrag wirkende Empfehlung der Suche der Königsherrschaft Gottes, in der es Nahrung und Kleidung als »Zugaben« geben werde (V. 31). Q 6,24.26-28 ist weisheitlich gestimmt (vgl. Ps 104,10 ff.; Sir 30,14-31,11; PsSal 5,10). Jesus erscheint als ein Weisheitslehrer, »einen heiteren, in der Geborgenheit Gottes sich sicher fühlenden Menschen« (Gnilka 1990, 183). Das Doppelbildwort gehört näherhin zur Gattung der weisheitlichen Mahnsprüche (Zeller 3 1993, 79): Ein Imperativ (V. 24a.27a) wird durch drängende und stimulierende rhetorische Fragen (V. 24c.26.28) oder Aussagen (V. 24b.27b.c) unter Hinweis auf allgemein zugängliche Naturerfahrungen begründet. Ferner wird der auch bei Jesus beliebte Argumentationsschluss vom Geringeren zum Größeren (von den Vögeln und Lilien zu den Jüngern) verwendet (V. 24c. 28; vgl. Q 12,6 f.). Auch inhaltlich fügt sich der Text ohne Schwierigkeiten in die Predigt Jesu ein, insofern Besitzlosigkeit und absolutes Vertrauen auf Gottes Fürsorge thematisiert werden (Gnilka 1990, 182 f.). Der Text war wohl ursprünglich Teil einer rhetorisch wohlgeformten Jüngerbelehrung. Genau die Tätigkeiten werden verneint, die in der radikalen Nachfolge Jesu aufgegeben werden sollen. Jeremias (11 1998, 212) vermutet daher den ursprünglichen Kontext der Bildworte in der Aussendungsrede Jesu (Mk 6,8 par. Q 10,4). Die parallele Struktur stellt Nahrung und Kleidung, Säen/Ernten und Arbeiten/ Spinnen sowie die Arbeit des Mannes und die Arbeit der Frau (Hearon/Wire 2002; Melzer-Keller 1997, 335) gegenüber. Dazu passt, dass die Vögel im Aramäischen männlich, die Lilien weiblich sind (Jeremias 11 1998, 212, Anm. 5). Hier wie in einer ganzen Reihe anderer Doppelgleichnisse (Q 11,11 f.; 13,18-21; 15,4 f.7/Lk 15,8-10; Q 17,34 f.) wird Nachfolge sowohl von Männern wie von Frauen illustriert, so dass indirekt Männer und Frauen in der radikalen, engeren Nachfolge Jesu belegt sind (Ebner 1998, 377-380; Melzer-Keller 1997, 344-346).

Sozialgeschichtliche Analyse (Bildspendender Bereich) Raben (V. 24; zum Folgenden vgl. Glatz 2001, 30 f.; Riede 2001, 268) sind nach Lev 11,15; Dtn 14,14 unrein und daher nicht essbar, da sie Aas vertilgen (Spr 30,17) und sich mit anderen furchterregenden Tieren und Dämonen in Ruinenstätten und wüsten Gebieten aufhalten (Jes 34,11; Zeph 2,14). Dennoch wurden sie im antiken Israel zu verschiedenen Zwecken gezüchtet und gezähmt, da sie wie die Tauben für ihren guten Orientierungssinn bekannt waren. Als Orientierungshilfe sendet Noach den Raben und die Taube aus, um trockenes Land zu erspähen (Gen 8,6-12). Als Werkzeug Gottes versorgen Raben den sich am Bach Kerit versteckenden Elija mit Brot und Fleisch (1Kön 17,4.6). Ein von besonderer Fürsorge geprägtes Gottesverhältnis der Tiere setzen Ps 147,9; Hi 38,41 voraus, wonach die nimmersatten jungen Raben von Gott ihre Nahrung erhalten: »Gott gibt den Tieren ihre Nahrung, den jungen Raben, die zu ihm rufen« (Ps 147,9). »Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, wenn seine Jungen zu Gott rufen und irrefliegen, weil sie nichts zu essen haben?« (Hi 38,41). »Rabe« ist schließlich einer von sieben Vogel-Personennamen, die sowohl vor wie 146

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nach dem Babylonischen Exil belegt sind. Damit ist der Rabe ein Beispiel dafür, dass auch Tiere, die von den nachexilischen Priestern als unrein klassiert wurden, weiterhin als Personennamen übernommen wurden. Mit »Lilien« (V. 27) ist hier keine bestimmte Pflanzenart bezeichnet, sondern allgemein großblühende Arten der Liliaceen und Iridaceen (zum Folgenden vgl. Kilwing 1995, 646; ferner Habbe 1996, 105). Nach 1Kön 7,19.22 sollen die Kapitäle der Säulen Jachin und Boas des salomonischen Tempels, nach 1Kön 7,26; 2Chr 4,5 der Rand des Ehernen Meeres in Form von Lilienblüten gestaltet gewesen sein. Im Hhld ist die Lilie Bild der Schönheit des Geliebten wie der Geliebten: Ihr Leib gleicht einem mit Lilien bekränzten Weizenhaufen (7,3), seine Lippen sind (duftend?) wie Lilien (5,13). Der Geliebte geht in den Garten, um Lilien zu pflücken. Sie preist sich selbst als »Lilie der Täler« (2,1), der Geliebte stimmt ihr zu (2,2). »Der unter den Lilien weidet« ist festes Epitheton für den Geliebten (2,16; 6,3; vgl. 4,5). Nach Sir 50,8 (hebr.) gleicht der Hohepriester Simeon einer Lilie an Wasserbächen. Bei Hosea ist Gott selbst der Tau, der Israel wie eine Lilie erblühen lässt (Hos 14,6). Mit der Erwähnung von König Salomo (V. 27) wird das ländliche Milieu der bisherigen Bilder durchbrochen. Die Beispiele aus der Natur (Raben/Vögel, Lilien/Gras) und die Aufzählung ländlicher Tätigkeiten (säen, ernten, in Scheunen sammeln) werden in Kontrast gesetzt zur städtischen Pracht Salomos (vgl. 1Kön 2-11, bes. 10,14-29; 2Chr 1-9, bes. 9,13-28). Der Sohn und Nachfolger König Davids ist gerade in weisheitlicher Tradition zum Prototyp des Weisen geworden, was sich auch in Q 11,31 (Mt 12,42 / Lk 11,31) noch spiegelt. In unserem Text fungiert Salomo jedoch nicht als Musterbeispiel des Weisen, sondern als prachtvoller König, der hinsichtlich der Kleidung dennoch von jeder Lilie übertroffen wird. Es geht in Q 12,24.26-28 jedoch nicht um den Gegensatz zwischen überfeinerter Lebensart in der Stadt und echtem, einfachem Landleben (Schmeller 1999, 86), und es soll nicht »die Stimmung eines sonntäglichen Familienspaziergangs« geweckt werden. Vielmehr spricht aus diesem Doppelbildwort »die Härte der heimat- und schutzlosen vogelfreien Existenz wandernder Charismatiker, die ohne Besitz und Arbeit durch die Lande ziehen« (Theißen 3 1989a, 85; so schon Hoffmann 3 1982, 326-328). Der Text kann jedoch nicht nur als Bestärkung in der besitz-, heimat- und arbeitslosen Nachfolge Jesu verstanden werden, sondern auch als Aufforderung an Menschen im normalen bäuerlichen Erwerbsleben, sich dem inneren Kern der Jesusbewegung anzuschließen und sich der Fürsorge Gottes – konkret: der gastfreundlichen Unterstützung durch sesshafte Anhängerinnen und Anhänger Jesu – zu überlassen (Rondez Drammeh 2004, 126-128; Rondez 2006, 98 f.; Schmeller 1999, 86; Zeller 3 1993, 80). Zu Q 12,24.26-28 gibt es neben den jüdischen Parallelen ebensolche aus der stoisch-kynischen Philosophie (Berger/Colpe 1987, 101 f.; Downing 1988a, 68-71). So lässt etwa Dion Chrysostomus († ca. 115 n. Chr.) in seiner Rede 10 den Kyniker Diogenes von Sinope († 323 v. Chr.) sprechen: »(15) Willst du dich nicht zuerst um das ernsthaft bemühen, womit du aus allem Nutzen ziehen und alle deine Angelegenheiten richtig ordnen kannst, bevor du, ohne die richtige Einsicht zu haben, dem Geld, Ländereien, einem Sklaven, Gespann, Fahrzeug oder Haus nachjagst? Ihr Sklave wirst du sein und ihretwegen keine ruhige Minute mehr haben, dir viel vergebliche Mühe machen und mit Sorgen um sie dein ganzes Leben zubringen, Nutzen aber wirst du kein bisschen davon haben. (16) Sieh doch, wie viel sorgloser als die Menschen die Tiere und Vögel 147

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Parabeln in der Logienquelle Q

hier leben, wie viel glücklicher! Sie sind gesünder und kräftiger, und jedes lebt, solange es kann, und hat doch keine Hände und keinen menschlichen Verstand. Und dennoch haben sie als Ausgleich für alle diese Mängel das beste Los: Eigentum ist ihnen unbekannt.« Im Unterschied zu Q 12,24.26-28 wird betont, wie viel Sorgen durch Reichtum zusätzlich entstehen. Wie in Q wird allerdings die Freiheit von der Sorge bei Vögeln vor Augen geführt; freilich ist das Argument bei Dion Chrysostomus nicht die Fürsorge Gottes, sondern die sich aus der Freiheit vom Besitz von selbst ergebenden Vorteile. Für die Parallelen aus der stoisch-kynischen Philosophie gilt insgesamt, dass sie in den Formulierungen teilweise interessante Übereinstimmungen zu Q 12,24.26-28 bieten, jedoch nicht unmittelbar zu dessen bildspendendem Bereich gehören. Diese Parallelen sind eher relevant für die Frage, unter welchen Voraussetzungen hellenistisch gebildete Christen Q 12,24.26-28 gelesen haben.

Analyse des Bedeutungshintergrunds (Bildfeldtradition) Das Doppelbildwort in Q 12,24.26-28 steht in der jüdischen Tradition der Erfahrbarkeit und Erkennbarkeit der göttlichen Fürsorge aufgrund seiner Schöpfung (vgl. Hi 12,7-9; 1Hen 2,1-5,3). Das Alte Testament und das Frühjudentum kennen unterschiedliche Aspekte der Sorge (zum Folgenden Hieke 2001). Sie frisst z. B. in der eigenen Seele (Ps 119,28), vertreibt den Schlaf (Sir 31,1 f.; 40,5) und kann sogar töten (Sir 30,23). Ausweg aus der Sorge ist zum einen die Weisheit (SapSal 6,15; 7,23; 8,9), zum anderen das Vertrauen auf Gott (Ps 4,9; 55,23; Jer 17,8), denn Gott sorgt für die Gerechten (SapSal 5,15) und für alle in gleicher Weise (SapSal 6,7; 12,13). In der Mischna (mQid 4,14) heißt es: »Hast du je in deinem Leben ein wildes Tier oder einen Vogel gesehen, die ein Gewerbe gehabt hätten? Und doch werden sie ernährt ohne quälende Sorgen; und sind sie nicht bloß zu meinem Dienst erschaffen? Und ich bin erschaffen worden, um meinem Schöpfer zu dienen; sollte ich da nicht ernährt werden ohne quälende Sorgen?« (Billerbeck I 2 1926, 436; Bultmann 10 1995, 111). Hier wird stärker als in Q 12,24 (»Seid ihr nicht mehr wert als die Vögel?«) und 12,28 (»um wie viel mehr nicht euch, ihr Kleingläubigen?«) das Gefälle zwischen Mensch und Tier betont. In Q bleibt der Unterschied zwischen Raben/ Lilien und Mensch unbestimmt; alle sind gleichermaßen abhängig von Gottes Fürsorge, und alle haben auch eine eigene Gottesbeziehung. Rondez Drammeh (2004, 124) formuliert daher als ironische Pointe von V. 24: »Gott als Rabenvater sehen lernen«. Nach mQid 4,14 sind dagegen die Tiere zum Dienst am Menschen, der Mensch jedoch zum Dienst an seinem Schöpfer erschaffen worden. In der Fassung des babylonischen Talmuds (bQid 82b) wird schließlich die Erfahrung der Sünde ergänzt: Sie macht eine ganz auf Gott vertrauende Sorglosigkeit unmöglich (Berger/Colpe 1987, 102 f.). Keinen Hintergrund hat das Doppelbildwort Q 12,24.26-28 in einem Teil der alttestamentlichen und jüdischen Weisheit, in dem Beispiele aus der Natur als Vorbilder der fleißigen Vorsorge dargestellt werden, etwa Spr 6,6-8: »(6) Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh an ihr Tun und werde weise! (7) Wenn sie auch keinen Fürsten noch Hauptmann noch Herrn hat, (8) so bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte.« In Q 12,24.26-28 geht es nicht um den Gegensatz von weisem Fleiß und törichter Faulheit, sondern um den Gegensatz von unnötiger Sorge und nötigem Gott148

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Vertrauen in die Sorge Gottes Q 12,24.26-28

vertrauen. Von den Raben und Lilien ist nicht ihr Nichtstun zu lernen, sondern die Bedingung ihres Nichtstuns, nämlich die verlässliche Fürsorge Gottes (Schmeller 1999, 86). Im Neuen Testament erscheint das Bildfeld der »Sorge« ebenfalls in vielen Varianten (zum Folgenden Hieke 2001): Jesu Boten brauchen sich vor den Gerichten der Welt nicht um ihre Verteidigung zu sorgen, da der Heilige Geist das rechte Wort eingeben wird (Q 12,11 f.; Mk 13,11). Wie die Dornen den Getreidehalm, ersticken die Sorgen der Welt das Wort Jesu (Mk 4,19 parr.). Paulus empfiehlt in 1Kor 7,32-34, unverheiratet für die Sache des Herrn zu sorgen, denn die Verheirateten sorgen sich um die Dinge der Welt. Timotheus sorgt sich wie Paulus vorbildlich um die Sache der Gemeinde (Phil 2,20). Die Glaubenden mögen sich angesichts des nahen Endes um nichts sorgen, sondern immer mit Dank und Bitte vor Gott hintreten (Phil 4,6) und alle Sorgen auf den Herrn werfen (1Petr 5,7 unter Rückgriff auf Ps 55,23). Die Erwähnung der Raben in Q 12,24 als Empfänger von Gottes Sorge geht zweifellos auf Traditionen wie in Hi 38,41 und Ps 147,9 zurück; diese Verbindung ist auch wiederholt in der frühen rabbinischen Literatur zu beobachten (Cadbury 1972, 6). Am artspezifischen Verhalten der Raben hat Q 12,24 kein Interesse (Rondez Drammeh 2004, 117-119). Wie ist die Erwähnung Salomos und »seiner Pracht« zu verstehen? Wahrscheinlich nicht als positive Referenzfigur, die jedoch von den Lilien übertroffen wird, sondern als negatives Beispiel (Carter 1997, 4 und passim): Den Leserinnen und Lesern von Q 12,27c wird Salomo hier als jemand präsentiert, der sich zu viele Sorgen gemacht und nicht Gottes Ehre oder Herrschaft gesucht hat.

Zusammenfassende Auslegung (Deutungshorizonte) Die beiden Bildworte in Q 12,24.26-28 antworten auf sehr reale Sorgen der Jüngerinnen und Jünger Jesu. Insgesamt weist der bildspendende Bereich auf arme Menschen als Adressaten hin, die sich mit erheblicher Anstrengung Nahrung und Kleidung erwerben und sich um das lebensnotwendige Existenzminimum sorgen müssen. Die Mahnung, sich nicht um Nahrung und Kleidung zu sorgen und stattdessen auf die größere Sorge Gottes um die Menschen zu vertrauen, stellte also schon die ersten Adressaten vor eine große Herausforderung (Schmeller 1999, 85). Hier spricht sich der einfache Gottesglaube Jesu aus, der der souveränen Fürsorge des Schöpfers für alle Geschöpfe vertraut und daher ein aktives Bemühen um das Existenzminimum ablehnt. Der Humor Jesu, der bei dieser ernsten Forderung mitschwingt (Jeremias 11 1998, 212), zeigt sich auch noch bei Martin Luther, von dem mit deutlichem Bezug auf Q 12,24.26-28 Folgendes überliefert ist: »Da Doctor Martinus sahe das Vieh im Felde gehen an der Weide, sprach er: ›Da gehen unsere Prediger, die Milchträger, Butterträger, Käseträger, Wollenträger, die uns täglich predigen den Glauben gegen Gott, dass wir ihm, als unserm Vater, vertrauen sollen, er sorge fur uns und wolle uns ernähren« (WA TR 4, 67; vgl. Riede 1999, 87, Anm. 117). Den radikalen Verzicht auf die Sorge um Nahrung und Kleidung lebten allerdings schon nicht alle Anhängerinnen und Anhänger Jesu, und bereits in Q kann man Tendenzen entdecken, die Forderung Jesu für das alltägliche Gemeindeleben zu aktualisieren (s. u.). Ebenso kann Q 12,24.26-28 für die Gegenwart redlich ausgelegt werden, wenn 149

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Parabeln in der Logienquelle Q

man hier die Aufforderung zu einer entschiedenen Orientierung des Lebens an Gott erkennt, der solches Leben zur Fülle bringt. Dabei fragt der Text unaufhörlich und direkt, ob die unbedingte Orientierung an Gott nicht durch andere Sorgen abgelenkt wird, von denen man sich frei machen kann. »Aber es widerspricht dem zentralen Anliegen des Textes, wenn dieser als eine weitere Vorschrift zu den vielen anderen, deren Erfüllung uns Sorge bereitet, hinzukommt. … Es wäre sinnlos, mit dem Fleiß der Ameise die Faulheit des Raben nachzuahmen. Mit anderen Worten: Um Sorglosigkeit soll man sich keine Sorgen machen« (Schmeller 1999, 88). Ein weiterer wichtiger Aspekt des Doppelgleichnisses für die Gegenwart liegt schließlich in seinem Bild von Gott als einem sorgenden Schöpfer, wobei jede futurischeschatologische Konnotation fehlt (Bultmann 10 1995, 109). Die Natur wird in Q 12,24.26-28 außerdem ohne »ökonomische Nutzenkalkulation« wahrgenommen, anders als in den anderen Naturparabeln und Bildern der synoptischen Tradition (L. Schottroff 2005, 98). Der Text ermutigt so zu einem lebensfreundlichen Blick in die gegenwärtige Welt als Schöpfung Gottes, wodurch sich neue Wege und Möglichkeiten eröffnen (Rondez Drammeh 2004, 129 f.; Rondez 2006, 99). P. Riede (1999, 87) formuliert im Hinblick auf Q 12,24 sehr treffend: »Wo uns die Tiere … das Staunen lehren, wo wir uns an ihren Gestalten, an ihren Stimmen, an ihrem Dasein erfreuen, da durchbrechen wir auch ein Stück der Entfremdung, die letzte Ursache ist für manche Fehlentwicklungen unserer Tage, unter deren Folgen auch die Tiere leiden. Durch ihr einfaches Dasein können uns die Tiere die Wunder der Schöpfung, die um uns herum sind, lehren und uns hinweisen auf den, der alles geschaffen hat und wunderbar erhält.«

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Mt 6,26.28-30: (26) Schaut auf die Vögel des Himmels: Sie säen nicht und ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht mehr wert als sie? (28) Und was sorgt ihr euch um Kleidung? Lernt von den Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht ab und sie spinnen nicht. (29) Ich sage euch aber: Auch nicht Salomo in all seiner Pracht war angezogen wie eine von diesen. (30) Wenn aber Gott das Gras des Feldes, das heute dasteht und morgen in den Ofen geworfen wird, so anzieht – um wie viel mehr nicht euch, ihr Kleingläubigen? Matthäus platziert die Sorgensprüche in die Bergpredigt und setzt Q 16,13 (Mt 6,24 / Lk 16,13) als Leseanweisung davor: »Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.« Das Doppelbildwort von den Raben und Lilien wird somit im Blick auf diese Opposition verstanden; die Adressaten sollen wie Raben und Lilien Gott dienen und sich nicht um den Mammon sorgen. Das Ende der Sorgensprüche rahmt Matthäus in 6,34; hier wird die Vorsorge für die Zukunft verboten, die aktive Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten der Gegenwart aber durchaus anerkannt, wenn auch als eine bedauerliche Notwendigkeit (Schmeller 1999, 87). Zur matthäischen Bearbeitung von Q 12,24.26-28: Die Critical Edition of Q liest in Q 12,24 mit Lukas »beobachtet die Raben« (J. M. Robinson/Hoffmann/Kloppenborg 2000, 338 f.; gegen Melzer-Keller 1997, 333 f.; Rondez 2006, 84), während Matthäus 150

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Vertrauen in die Sorge Gottes Q 12,24.26-28

»schaut auf die Vögel des Himmels« bietet. Matthäus hat die am Ende von Q 12,24 erwähnten »Vögel« durch ein Personalpronomen ersetzt und am Anfang des Verses die unreinen »Raben« durch die biblische Formulierung »Vögel des Himmels« (vgl. Dan 4,12; Ez 17,23) ausgetauscht (Melzer-Keller 1997, 333 f.; gegen Gnilka 1990, 182, Anm. 20). »Die Bibel spricht häufig zusammenfassend von ›den Vögeln des Himmels‹. Durch ihre Fähigkeit zu fliegen sind sie mit der himmlischen Sphäre verbunden. Sie partizipieren an deren Allgegenwart und Allwissenheit« (Glatz 2001, 30). Matthäus hat das ursprüngliche »Gott« durch das seinem Sprachstil entsprechende »euer himmlischer Vater« ersetzt (vgl. Mt 5,48; 6,9.14.32; 15,13; 18,35; 23,9). In 6,28 ergänzt Matthäus die Lilien, in 6,30 das Gras mit dem biblisch geprägten Genitiv »des Feldes« (vgl. Gen 2,5; 3,18; 4Kön 19,26 LXX; Jer 12,4). Diesen adnominalen Genitiv, ein Semitismus, verwendet im Neuen Testament allein Matthäus (Jeremias 11 1998, 81, Anm. 12). Lk 12,24.26-28: (24) Beobachtet die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keine Vorratskammer und keine Scheune, und Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel. (26) Wenn ihr nun auch nicht das Geringste vermögt, was sorgt ihr euch um das Übrige? (27) Beobachtet die Lilien, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht ab und sie spinnen nicht. Ich sage euch aber: Auch nicht Salomo in all seiner Pracht war angezogen wie eine von diesen. (28) Wenn aber Gott das Gras auf dem Feld, das heute dasteht und morgen in den Ofen geworfen wird, so anzieht – wie viel mehr euch, ihr Kleingläubigen. Lukas rahmt die Sorgensprüche zu Beginn durch die Parabel vom reichen Kornbauern (12,16-21), das die Dummheit einer Vorsorge durch Besitz schildert und mit der Unterscheidung von irdischen Schätzen und Reichtum bei Gott endet. Das Ende der Sorgensprüche aus Q kommentiert Lukas mit der Zusage des Königreichs Gottes an die »kleine Herde« (12,32; vgl. 22,29), worauf in 12,33a die typisch lukanische Aufforderung zum Almosengeben und die Aufnahme von Q 12,33 f. (»Sammelt euch Schätze im Himmel!«) folgt. Ähnlich wie Matthäus aktualisiert also auch Lukas Q 12,24.26-28: Der Text wird zu einer Mahnung für (städtische) Gemeinden und insbesondere für die Besitzenden in ihnen, sich nicht um irdische Schätze zu sorgen. Die ungeteilte Ausrichtung auf das Reich Gottes statt auf den Besitz befreie von Unruhe und Existenzangst. Zur lukanischen Bearbeitung von Q 12,24.26-28: Während in Q 12,24 die drei Tätigkeiten »säen, ernten, sammeln« parallel formuliert werden, unterbricht Lukas diesen Parallelismus mit einem stilistisch kunstvolleren Relativsatz: »welche (= die Raben) haben keine Vorratskammer und keine Scheune«. Während Q den Schluss vom Leichten auf das Schwere mit einer negativ gefassten rhetorischen Frage formuliert, ändert Lukas in eine positive Aussage (so erneut am Ende von Lk 12,28). In V. 26 ersetzt Lukas das ursprüngliche »und« mit einem Konditionalsatz: »Wenn ihr nun auch nicht das Geringste vermögt«. Außerdem spricht er nicht wie Q von der Sorge um die Kleidung, sondern allgemeiner von der Sorge um »das Übrige«. In V. 27 ersetzt Lukas den Imperativ »lernt« aus Q mit »beobachtet«; er wiederholt damit den Imperativ aus 12,24 (J. M. Robinson/ Hoffmann/Kloppenborg 2000, 344 f.). In V. 28 verwendet Lukas ein moderneres griechisches Wort für »anziehen« als Q und formuliert den Schluss nicht als rhetorische Frage, sondern als positives Statement (vgl. oben zu V. 24). 151

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Parabeln in der Logienquelle Q

EvThom 36,1-4 (P.Oxy. 655 I,1-17) / Agr 124: (1) [Jesus spricht: Sorgt euch nicht] vom Morgen bis [zum Abend und] von der Abendzeit [bis] zum Morgen, weder [um] eure [Nahrung], (nämlich) was [ihr] essen [sollt, noch] um [eure] Kleidung, (nämlich) was ihr anziehen [sollt]. (2) [Ihr seid] (doch) viel besser als die [Lilien], die keine (Wolle) krempeln und auch nicht spinnen. (3) [Und] wenn ihr ein Gewand habt, … ihr … ? (4) Wer könnte hinzufügen eurem Lebensalter? Er selbst wird euch euer Gewand [geben]! EvThom 36 im koptischen Codex II (p. 39,24-27) von Nag Hammadi: Jesus spricht: »Tragt nicht Sorge vom Morgen bis zum Abend und von der Abendzeit bis zum Morgen, was ihr anziehen werdet«. P.Oxy. 655 I,1-17 bietet eine ungefähre Parallele zu Q 12,22c.d.25.27a.b. Allerdings fehlt das Bildwort von den Raben (Q 12,24), ebenso die überleitende rhetorische Frage von Q 12,26, der Vergleich mit Salomo (Q 12,27c) und die Folgerung in Q 12,28. Statt der rhetorischen Frage von Q 12,28 bietet P.Oxy. 655 am Ende der Spruchreihe die ausdrückliche Zusage: »Er (scl. Gott) wird euch euer Gewand geben!« Aufgrund dieser Unterschiede ist es eher unwahrscheinlich, dass der Autor von P.Oxy. 655 den Q-Text verwendet hat (Nordsieck 3 2006, 156 f.; gegen Crossan 1994a, 59 f., wonach der Autor von P.Oxy. 655 z. B. den Text von Q 12,24 kannte, ihn aber strich, um EvThom 36 mit EvThom 37 zu harmonisieren). Ausgehend von der Beobachtung, dass in P.Oxy. 655 I,9 f. und im ursprünglichen Text von Mt 6,28 im Codex Sinaiticus »sie [die Lilien] krempeln nicht, noch spinnen sie« zu lesen ist, haben J. M. Robinson/Heil argumentiert, dass hier ein Indiz für eine ältere Sammlung von Jesus-Logien vorliegt, die in Q aufgenommen und bearbeitet wurde (J. M. Robinson 2005, 713-728 in Aufnahme von Skeat 2004; zustimmend Nordsieck 3 2006, 158; dagegen Porter 2001; Schröter 1999; 2001a; 2001b). In der Sicht von Jongkind (2006) ist das ein realistisches Szenario, auch wenn der ursprüngliche Schreiber des Codex Sinaiticus gut selbst auf die Formulierung »sie krempeln nicht, noch spinnen sie« gekommen sein könnte, ohne hier eine Sammlung von Jesus-Logien benutzt zu haben. Robinson hat ferner P.Oxy. 655 I,1-17 (J. M. Robinson 2005, 838 = Hoffmann/ Heil 2002, 82 f.) als Beleg einer Tradition gedeutet, die in Q aufgenommen und durch ursprünglich unabhängige Überlieferungen ergänzt wurde (J. M. Robinson 2005, 729794.809-834.845-883; dagegen Gundry 2005). Die koptische Fassung von EvThom 36 (H.-M. Schenke/Bethge/Kaiser u. a. 2007, 130 = Hoffmann/Heil 2002, 82 f.) ist eine sekundäre Kürzung gegenüber der griechischen Fassung von P.Oxy. 655. Die Gründe für diese Kürzung liegen allerdings im Dunkeln (Nordsieck 3 2006, 155; J. M. Robinson 2005, 735-740).

Christoph Heil Literatur zum Weiterlesen M. Ebner, Jesus – ein Weisheitslehrer? Synoptische Weisheitslogien im Traditionsprozeß, HBS 15, Freiburg i. Br./Basel/Wien 1998, 250-275. P. Hoffmann, Tradition und Situation. Studien zur Jesusüberlieferung in der Logienquelle und den synoptischen Evangelien, NTA.NF 28, Münster 1995, 62-134.

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Vertrauen in die Sorge Gottes Q 12,24.26-28

O. Keel/T. Staubli (Hg.), »Im Schatten deiner Flügel«. Tiere in der Bibel und im Alten Orient, Bibel+Orient-Museum, Freiburg (Schweiz) 2001, bes. 27-31. J. S. Kloppenborg, The Formation of Q: Trajectories in Ancient Wisdom Collections, Studies in Antiquity & Christianity, Philadelphia 1987 (Nachdruck Harrisburg, PA/London 2000), 216-221. R. Nordsieck, Das Thomas-Evangelium. Einleitung – Zur Frage des historischen Jesus – Kommentierung aller 114 Logien, Neukirchen-Vluyn 3 2006, 154-159. P. Riede, »Doch frage die Tiere, sie werden dich lehren.« Tiere als Vorbilder und »Lehrer« des Menschen im Alten Testament, in: B. Janowski/P. Riede (Hg.), Die Zukunft der Tiere. Theologische, ethische und naturwissenschaftliche Perspektiven, Stuttgart 1999, 61-91. J. M. Robinson, The Sayings Gospel Q. Collected Essays, BEThL 189, hg. v. C. Heil/J. Verheyden, Leuven/Dudley, MA 2005, 713-883. P. Rondez Drammeh, »Seid ihr nicht mehr wert als die Vögel?« Das Rabenlogion Q 12,24 im Gespräch mit einer zerrissenen Welt, in: C. Fischer/P. Rondez/E. Straub (Hg.), Solidarität in der Krise, Zürich 2004, 113-130. P. Rondez, Alltägliche Weisheit? Untersuchung zum Erfahrungsbezug von Weisheitslogien in der Q-Tradition, AThANT 87, Zürich 2006, 83-113. T. Schmeller, Die Radikalität der Logienquelle: Raben, Lilien und die Freiheit vom Sorgen (Q 12,22-32), BiKi 54 (1999), 85-88.

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