Active Body Control -Programm

Informationstechnologie „Active Body Control“-Programm Gewichtsreduktion durch Telemedizin Das an der Universitätsklinik Magdeburg entwickelte telem...
Author: Paul Dressler
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Informationstechnologie

„Active Body Control“-Programm

Gewichtsreduktion durch Telemedizin Das an der Universitätsklinik Magdeburg entwickelte telemedizinische Diät-Programm unterstützt Adipositas-Patienten nachhaltig beim Abnehmen.

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ie Prävalenz der Adipositas ist in den entwickelten Ländern anhaltend hoch mit wachsender Tendenz. Gleichzeitig steigen die damit assoziierte Morbidität und Mortalität. Für die USA wurde geschätzt, dass die Folgen der Adipositas im Jahr 2050 sogar zu einem Sinken der Lebenserwartung führen werden (1). Ebenso besorgniserregend sind die enormen Kosten, die durch Übergewicht verursacht werden (2, 3). Diese Entwicklung belegt, dass die gegenwärtig eingesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der Adipositas unzureichend sind und dass dringend nach wirksameren und nachhaltigeren Verfahren gesucht werden muss.

Foto: Aipermann

Prinzip des ABC-Programms

Abbildung 1: Bewegungssensor „Aipermotion 440“. Er zeigt unter „Essen/Trinken“ die bis zum Ablesezeitpunkt des Tages akkumulierten Nahrungskalorien, den individuell errechneten Grundumsatz, die akkumulierten motorischen Kilokalorien und die daraus errechnete Bilanz. Wunschziel im ABC-Programm: mindestens 1 000 motorische kcal pro Tag.

Als neue und wirksame Maßnahme erwies sich das Telemonitoring der körperlichen Aktivität, deren kontinuierliche Messung ein Kernelement des telemedizinischen „Active Body Control(ABC)“-Programms ist. Das ABC-Programm wurde in der Universitätsklinik in Magdeburg entwickelt und enthält als zweites Kernelement die „Magdeburger duale Diät“. Die an dem Programm teilnehmenden Patienten tragen einen Beschleunigungssensor von der Größe einer Streichholzschachtel ganztägig am Gürtel (Abbildung 1). Das Gerät erfasst die Bewegung des Trägers in

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drei Dimensionen. Daraus errechnet es – abhängig von Geschlecht, Alter, Körpergröße und Gewicht – die verbrauchten motorischen Kalorien, die Gehstrecken und die Bewegungsintensitäten in vier Klassen von passiv bis sportlich. Der Sensor erfragt weiterhin täglich in vereinfachter Form die Nahrungskalorien sowie das Körpergewicht. Alle gesammelten Daten überträgt der Patient wöchentlich durch Anschluss an einen internetfähigen PC auf den Server der Universitätsklinik. Die ABC-Software ermöglicht dem Betreuer, diese Daten auf dem Server einzusehen und aus den aufbereiteten Ergebnissen in wenigen Minuten einen wöchentlichen Betreuungsbrief zu erstellen. Dieser Brief informiert den Patienten über seine Daten, bewertet sie und motiviert ihn. Um an dem Programm teilzunehmen, wird der Patient einmalig für die Dauer von zwei Stunden geschult. Themen der Schulung sind die „Magdeburger duale Diät“, die „richtige“ körperliche Aktivität und der Gebrauch des Sensors. Die nachfolgende Betreuung geschieht dann per Internet und Brief ohne weiteren Kontakt zwischen Betreutem und Betreuer. Prinzipiell ist die Betreuung weltweit möglich (Grafik 1). Als Betreuer im ABC-Programm können Ärzte, Ökotrophologen und Diätassistenten tätig sein, die an einem ganztägigen ABC-Training in Magdeburg teilgenommen haben. Nach bestandener Erfolgskontrolle erhalten sie ein entsprechendes Zertifikat.

„Mittel“ oder „Groß“. Die Entscheidung zwischen diesen Alternativen hängt hier von der Komponentenzahl ab: ein Brötchen, zwei Brötchen oder zwei Brötchen plus Joghurt. Das ABC-Brevier gibt hier illustrierte Hilfen. Die individuell eingebuchte Kalorienzahl ist naturgemäß nicht exakt, gibt aber dem Patienten und seinem Betreuer eine wertvolle Orientierung. Einige wenige Bewegungsarten können vom Sensor gar nicht oder nur unzureichend gemessen werden werden, etwa Schwimmen oder Fahrradfahren, bei dem der am Gürtel getragene Sensor die Beinbewegung nicht erfasst. Diese Bewegungsarten werden separat eingegeben mit den Intensitätsstufen „leicht“, „moderat“ oder „kräftig“ sowie der Dauer in Minuten. Die Berechnung der motorischen kcal berücksichtigt Alter, Geschlecht und BMI (Body mass Index). Der Sensor wird mit dem mitgelieferten Ladegerät wöchentlich geladen. Er speichert seine Daten für die Dauer von 42 Tagen. Zur Datenübertragung schließt der Patient das Gerät mit einem dazugehörenden USB-Kabel an seinen PC an. Wenn auf diesem PC die Software („Aiperdock“) einmal installiert wurde, überträgt der

PC mit jeder neuen Kabelverbindung zum Sensor sämtliche neuen Daten zum Server in der Universitätsklinik.

Komprimierte interaktive Schulung der Patienten Zur Schulung ihrer Patienten verwenden die ABC-Betreuer eine Powerpoint-Präsentation oder wahlweise einen Flipchart, den sie beim Training in Magdeburg erhalten haben. Die Schulung orientiert sich an dem Umstand, dass alle relevanten Informationen in einer einzigen Sitzung vermittelt werden müssen. Daher ist der Schulungsduktus nicht monologisch, sondern bewusst dialogisch gehalten, indem er die Patienten zur aktiven Beantwortung zahlreicher Fragen anhält. Weiterhin berücksichtigt die Schulung, dass die Kaufentscheidung eines Lebensmittels das entscheidende Moment bei der Ernährung ist. Wesentliche Informationen für die „Magdeburger duale Diät“ werden daher vermittelt, indem die Patienten vor Einkaufsentscheidungen gestellt werden. Als Schulungsunterlagen erhalten sie einen Ausdruck des Powerpoint-Vortrags und das 36-seitige „ABC-Brevier“, das die Informationen zum Programm sowie Tabellen mit Kaloriengehalt und glykämischem Index

GRAFIK 1

Schema des Informationsflusses im ABC-Programm

Brief: Information, Motivation

Bewegungssensor und Datenübertragung

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Internet: Aktivität, Gewicht, Kalorien

Fotos: Fotolia

Der Bewegungssensor der Aipermon GmbH, München, ist weitgehend selbsterklärend. Wer mit einem Handy umgehen kann, hat auch mit diesem Sensor keine Schwierigkeiten. Die Erfassung der verzehrten Nahrungskalorien ist aus Praktikabilitätsgründen nur orientierend. So wird zum Beispiel zum „Frühstück“ als mögliche Eingabe angeboten: „Klein“,

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(GI) der häufigsten Nahrungsmittel enthält. Beide Unterlagen werden zusammen mit dem Sensor geliefert. Das „dual“ in der Bezeichnung „Magdeburger duale Diät“ weist darauf hin, dass es sich hier um die Kombination zweier Diäten handelt. Das Prinzip der ersten Diät ist die konventionelle Vermeidung von besonders kalorienreichen Nahrungsmitteln, die nicht weiter erläutert werden muss. Die zweite Diätkomponente strebt die Vermeidung derjenigen Kohlenhydrate an, die zu einem raschen und hohen Anstieg des Blutzuckers führen und damit auch des Insulins. Die Vermeidung hoher Blutspiegel des anabolen Hormons Insulin ist gleich zweifach wirksam: Zum einen wird die rasche Füllung der Adipozyten mit Triglyzeriden verhindert, weil Insulin die Aktivität der Fettgewebslipase hemmt. Zum anderen ist bekannt, dass hohen Insulinanstiegen ein passageres Absinken des Blutzuckers unter das Nüchternniveau folgt, was als Heißhungerattacke wahrgenommen wird. Kohlenhydrate sollen aber nicht völlig vermieden werden, wie bei der Atkins-Diät, sondern es sollen Kohlenhydrate mit einem hohen glykämischen Index durch solche ersetzt werden, die einen niedrigen GI haben. Hiermit verbunden ist ein besserer Sättigungseffekt. Der Erfolg dieser Kombinationsdiät wurde in einer Studie an 110 adipösen Familien deutlich: Hier nahmen die Eltern unter dualer Diät nach sechs Monaten mit 6,4 kg gut anderthalbmal so gut ab wie die Vergleichsgruppe mit 4,0 kg unter alleiniger Kalorienrestriktion (p=0,029) (4). Die Auswertung von Ernährungsprotokollen ergab, dass diese Überlegenheit der dualen Diät nicht auf einer veränderten Kohlenhydratmenge beruhte, sondern auf einem verminderten Verzehr von Fett. Diese Beobachtung deckt sich mit Berichten, dass der Verzicht auf insulinotrope Kohlenhydrate mit weniger Hunger bei Folgemahlzeiten einhergeht (5, 6). In der Schulung stellt der Betreuer die Patienten vor Entscheidungen an-

Abbildung 2: Anonymisierter Brief an einen Teilnehmer der Studie mit Typ-2-Diabetikern (Auszug)

hand der Nährwertangaben auf handelsüblichen Lebensmitteln. Zum Thema „Kalorienrestriktion“ wird gefragt: Hähnchenfilet oder Schweinbraten in Aspik (letzterer hat weniger Kalorien!) oder zum Knabbern: Walnusskerne oder geröstete Sojakerne? Zum Thema Kohlenhydrate: welche Getränke, welcher Trinkjoghurt?

Betreuungsbrief motiviert die Teilnehmer Der Betreuungsbrief informiert und motiviert in drei Grafiken plus Text (Abbildung 2). Die erste Grafik zeigt die Abnehmkurve des Teilnehmers in kg (Y-Achse) über der Teilnahmedauer (X-Achse). Wahlweise können die Abnehmkurven anderer Teilnehmer einer Gruppe eingeblendet werden, so dass der Teilnehmer seine eigene Gewichtsentwicklung – die dann rot dargestellt ist – mit den Abnehmerfolgen anderer Teilnehmer seiner Schulungsgruppe vergleichen kann. Hieraus ergibt sich meist eine zusätzliche Motivation. Die zweite Grafik im Betreuungsbrief zeigt für die abgelaufene Woche die täglich verbrannten Kalorien. Die Säulen setzen sich zusammen aus den

Anteilen der vier verschiedenen Aktivitätsstufen, beginnend mit „passiv“ bis hin zu „sportlich“. Über den Säulen ist die tägliche Gehstrecke angegeben, unter den Säulen die Tragezeit des Sensors in Prozent von 24 Stunden. Den Teilnehmern wird als Ziel empfohlen, täglich die 1 000-kcal-Marke zu erreichen oder gar zu übertreffen. Grafik 3 illustriert in ähnlicher Weise die vom Teilnehmer erfasste Kalorienaufnahme. Die hier empfohlenen Ziele lauten für Frauen beziehungsweise Männer, nicht mehr als 1 500 beziehungsweise 1 800 kcal aufzunehmen. Die Grafiken werden automatisiert in den Brief integriert. Die Erzeugung des Textes dagegen erfolgt individuell, wird aber durch Textbausteine unterstützt und dauert in einer geübten Hand drei bis fünf Minuten je Brief. Der Text beurteilt die Daten zusammenfassend, zum Beispiel auch durch die Mitteilung von Mittelwerten über die gesamte Woche, wie etwa mittlerer täglicher Kalorienverbrauch oder die mittlere tägliche Gehstrecke. Es ist nach Ansicht des Verfassers wichtig, durch kleine Anmerkungen einen persönlichen Bezug zum Betreuten herzustellen. Aus demselben Grund wird auch

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empfohlen, anstelle eines elektronischen Versandes per E-Mail den Betreuungsbrief auf Papier auszudrucken und zu unterschreiben. Wie zuverlässig sind die übermittelten Daten? Beim Gewicht ist denkbar, dass der Teilnehmer „mogelt“. Dies kam jedoch bisher bei circa 1 000 Teilnehmern am Programm noch nie vor. Es ist auch unwahrscheinlich, weil die Patienten tatsächlich abnehmen wollen und sich in der Regel finanziell an den Kosten des Programms beteiligen. Die Bewegungsdaten sind auf jeden Fall zuverlässig, weil sie nicht „gefälscht“ werden können. Weniger zuverlässig sind die erfassten Nahrungskalorien. Hier werden Eingaben vergessen (wie am Samstag in der Abbildung 2), und es gibt ein „under-reporting“. Da der Sensor die Differenz zwischen Nahrungskalorien und motorisch verbrauchten Kalorien bildet und als Bilanz ausgibt, fällt auch diese Bilanz häufig günstiger aus, als durch die Realität gerechtfertigt ist. Am zuverlässigsten ist daher die Bewertung der tatsächlich gemessen körperlichen Aktivität.

Wirksamkeit des Abnehmprogramms

Eine weitere kontrollierte Studie wandte das ABC-Programm bei 60 Patienten mit metabolischem Syndrom an. Nach zwölf Monaten hatten sie 14,4 kg abgenommen ohne erkennbaren JoJo-Effekt (Grafik 2). Wichtigstes Ergebnis in dieser Studie war die Senkung der Inzidenz des Diabetes mellitus, die beim metabolischen Syndrom circa 50 Prozent beträgt. In der Tat trat in der Kontrollgruppe (n=62) ein Diabetes mellitus schon im ersten Jahr bei sieben Patienten auf, in der ABC-Gruppe dagegen nur bei einem Patienten. Das heißt: Sechs von sieben DiabetesNeudiagnosen konnten durch das ABCProgramm vermieden werden. Die wichtige Frage nach der Nachhaltigkeit kann noch nicht endgültig beantwortet werden. Bei Typ-2-Diabetikern mit einem Durchschnittsalter von 59 Jahren wurde in einer noch laufenden Studie nach 18 Monaten ein Wiederanstieg des Gewichtes um 3,5 kg beobachtet. Bei den jüngeren Patienten mit metabolischem Syndrom (50 Jahre) stieg das mittlere Gewicht auch nach 16 Monaten nicht wieder an. Vermutlich spielen das Lebensalter und die indivi-

Die gute Wirksamkeit der „Magdeburger dualen Diät“ wurde zuerst in der oben genannten Studie bei 110 adipösen Familien gezeigt (4). Diese Studie belegte nicht nur die Überlegenheit der speziellen Diät, sondern auch die einer Kombination dieser Diät mit dem Monitoring der körperlichen Aktivität im Vergleich zu herkömmlichen Abnehmprogrammen. Es war zu vermuten, dass eine Bewegungssteigerung zusammen mit einer Diät, die Blutzuckeranstiege vermeidet, vor allem bei denjenigen Patienten sinnvoll ist, die an Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels leiden. Dies wurde dann auch in einer kontrollierten Studie mit 70 übergewichtigen Typ-2-Diabetikern belegt (7). Die ABC-Interventionsgruppe nahm in sechs Monaten 12,3 kg ab und verbesserte sich in allen zu erwartenden Stoffwechselparametern. Gleichzeitig sank der Bedarf an antidiabetischen Medikamenten, was in sechs Monaten zu einer Ersparnis von 86 Euro pro Patient führte.

GRAFIK 2

Gewichtsreduktion bei 60 Patienten mit metabolischem Syndrom

Individuelle Gewichtsreduktionen von 60 Patienten mit dem metabolischen Syndrom im Abnehmprogramm „Active Body Control (ABC)“. Die rote Kurve zeigt den Mittelwert, der nach elf Monaten 14,4 kg erreicht. Bemerkenswert ist das Fehlen eines Wiederanstieges (Jo-Jo-Effekt).

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duelle Adipositas-Anamnese eine Rolle. Noch ungeklärt ist auch die optimale Dauer der Betreuung. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass das Maximum der Gewichtsreduktion bei den meisten Menschen frühestens nach sechs Monaten erreicht wird. Bekannt ist überdies, dass ein „neues“ Körpergewicht erst nach etwa zwei Jahren beibehalten wird. Wir vermuten gegenwärtig, dass eine Betreuung über die sechs Monate hinausgehen sollte, möglicherweise „ausschleichend“ mit größeren Intervallen zwischen den Betreuungsbriefen. Bedeutsam ist hier die Einstellung des Patienten, die sich in seiner Bereitschaft niederschlägt, auch weiterhin Kosten für seine Betreuung zumindest anteilig zu übernehmen.

Kosten und Kostenübernahme Was kostet das ABC-Programm, und wer bezahlt es? Selbstzahler kaufen das ABC-Gerät mit Schulungsmaterial bei der Aipermon GmbH für 176 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Die zweistündige Schulung und die sechsmonatige Betreuung werden mit 288 Euro honoriert, so dass insgesamt 464 Euro aufgewendet müssen. Das Betreuungshonorar orientiert sich an gängigen Leistungskatalogen der Krankenkassen. Vorteil dieses Modells ist zunächst die Eigenbeteiligung des Patienten und die damit verbundene Eigenmotivation. Ein weiterer Vorteil ist der Umstand, dass der Patient den Sensor dauerhaft zur Eigenkontrolle seines Lebensstiles über die Betreuungsphase hinaus besitzt. Falls Patienten eine längere Betreuung als sechs Monate wünschen – dies ist bei der Mehrzahl der Fall – kann dies mit dem Betreuer vereinbart werden, wobei die ABC-Software anstelle der wöchentlichen Betreuungsbriefe auch größere Zeitintervalle erlaubt, zum Beispiel 2- oder 4-wöchentlich. Derzeit werden Verhandlungen mit dem Dachverband der PKV und einzelnen Krankenkassen geführt mit dem Ziel, Kosten anteilig übernehmen zu lassen. Für die Kassen rechnet sich das

ABC-Programm bei teuren Patienten schon jetzt. So beträgt die Ersparnis durch verringerten Medikamentenverbrauch bei insulinpflichtigen Typ2-Diabetikern 240 Euro für die ersten sechs Monate, wodurch sich das Programm bei Eigenbeteiligung der Patienten bereits nach einem Jahr bezahlt macht. Mittelfristig kosteneffizient ist auch die Betreuung von Patienten mit dem metabolischen Syndrom, bei denen sechs von sieben Diabetes-Neudiagnosen vermieden werden können. Solange die Krankenkassen die Kosten noch nicht regelmäßig übernehmen, müssen Einzelanträge gestellt werden, die der Verfasser durch Sonderdrucke der Publikationen gern unterstützt. Es sollte jedoch stets nur eine Teilübernahme angestrebt werden, da die Eigenleistung des Patienten eine zusätzliche Motivation bewirkt. Das ABC-Programm ist grundsätzlich für alle übergewichtigen oder adipösen Menschen geeignet, deren körperliche Beweglichkeit nicht eingeschränkt ist und die über einen Zugang zum Internet verfügen. Es handelt sich um eine intensive Verbesserung des Lebensstils, bei der eine neue Technologie die körperliche Aktivität messbar und so dem Betreuten bewusstmacht und seinem Betreuer eine regelmäßige Fernüberwachung ermöglicht. Das Programm ist in jeder Hinsicht „gesund“ und nebenwirkungsfrei. Medizinisch indiziert ist es vor allem bei Patienten mit dem metabolischen Syndrom und bei Typ-2-Diabetikern. Sinnvoll ist eine ABC-Gewichtsreduktion auch im Rahmen des „betrieblichen Gesundheitsmanagements“, da Adipositas-assoziierte Erkrankungen die Einsetzbarkeit von Arbeitnehmern vermindern, etwa im Schichtdienst. Eine entsprechende Studie wird gegenwärtig im Wasser- und Schifffahrtsamt Schweinfurt durchgeführt. Eine weitere Anwendung findet das Programm bei Frauen mit einem polyzystischem Ovar-Syndrom. Dieses Syndrom ist charakterisiert durch Übergewicht, polyzystische Ovarien im Ultraschall, eine hormonelle Vermännli-

chung, Oligomenorrhoe, Insulinresistenz und unerfüllten Kinderwunsch. In einer soeben beendeten Studie nahmen die ABC-Frauen 8,6 kg in sechs Monaten ab. In dieser Gruppe kam es bei 41 Prozent der Frauen mit Kinderwunsch zu einer spontanen Schwangerschaft gegenüber sieben Prozent in der Kontrollgruppe ohne ABC-Intervention. In Vorbereitung ist ein kontrolliertes Projekt zur Vermeidung einer übermäßigen Gewichtszunahme bei übergewichtigen Schwangeren. Hier soll überprüft werden, ob ein ABC-Monitoring dieser Frauen die Frequenz des Schwangerschaftsdiabetes, der Eklampsien und der Anzahl makrosomaler Neugeborenen senken kann. Claus Luley, Alexandra Blaik, Sabine Westphal Anschrift für die Verfasser: Prof. Dr. med. Claus Luley, Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie im Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität, 39106 Magdeburg, [email protected] LITERATUR 1. Olshansky SJ, Passaro DJ, Hershowet RC et al.: A potential decline in life expectancy in the United States in the 21st century. New England Journal of Medicine 2005, 352 (11): 1138–45 2. Knoll KP, Hauner H: Kosten der Adipositas in der Bundesrepublik Deutschland – Eine aktuelle Krankheitskostenstudie. Adipositas 2008; 2(4): 204–10 3. Withrow D, Alter DA: The economic burden of obesity worldwide: a systematic review of the direct costs of obesity. Obes Rev. 2011 Feb;12(2): 131–41 4. Luley C, Blaik A, Aronica S, Dierkes J, Kropf S, Westphal S: Evaluation of Three New Strategies to Fight Obesity in Families. Journal of Nutrition and Metabolism, 2010 5. Pal S, Lim S, Egger G: The Effect of a low Glycaemic Index Breakfast on Blood Glukose, Insulin, Lipid Profils, Blood Pressure, Body Weight, Body Composition and Satiety in Obese and Overweights Individuals: A Pilot Study. J Am Coll Nutr 2008; 27(3): 387–93 6. Arumugam V, Lee JS, Nowak JK, Pohle RJ, Nyrop JE, Leddy JJ, Pelkman CL: A highglycemic meal pattern elicited increased subjective appetite sensations in overweight and obese women. Appetite 2008; 50 (2–3): 215–22 7. Luley C, Blaik A, Reschke K, Klose S, Westphal S: Weight loss in obese patients with type 2 diabetes: Effects of telemonitoring plus a diet combination – The Active Body Control (ABC) Program. Diabetes Research and Clinical Practice, 2010

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