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MARKEN-WISSEN Leapfrogging Behavior

Leapfrogging: Verbraucher überspringen Produktgenerationen aus Angst vor veralteten Offerten.

Achtung, Bockspringer! Innovationen sollen Kaufanreize setzen – und erreichen oft das genaue Gegenteil. Aus Angst, ein an sich veraltetes Produkt zu erwerben, warten die Kunden ab. Insbesondere das Marketing in technologiegetriebenen Märkten muss dieses „Leapfrogging Behavior“ („Bockspringen“) verstehen, um Kunden zu halten – und zu gewinnen.

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as Konzept des „Lebenszyklus“ bestimmt in vielen Unternehmen das Produktmanagement. Es besagt, dass Produkte nach einer erfolgreichen Zeit zunächst in die Sättigungs- und dann in die Degenerationsphase rutschen. Damit wird es für sie schwieriger, vernünftige Umsätze und Erträge zu erwirtschaften. In die Jahre gekommene Automodelle, die vor der Ablösung stehen, sind dafür ein gutes Beispiel, aber auch Computer und Handys mit ihrer rasanten technologischen Weiterentwicklung. Mit Blick auf ihr Sortiment sehen sich viele Unternehmen veranlasst, Produkte in den letzten „Lebensphasen“ durch Innovationen zu ersetzen und somit langfristig das Überleben am Markt zu sichern. Diese Strategie birgt eine Gefahr: Da sich die Produktlebenszyklen in vielen Kategorien ständig verkürzen, reagieren Käufer nicht wie gewünscht mit Akzeptanz, sondern mit Attentismus, einer aus Unsicherheit gespeisten Enthaltsamkeit. Sie befürchten, einen Fehler zu machen, und verschieben ihre Kaufentscheidung auf eine zukünftige Produktgeneration. Davon erhoffen sie sich eine erhöhte Leistung oder eine schönere Anmutung. Im Fachjargon heißt dieses Verhaltensmuster „Leapfrogging Behavior“ („Bockspringen“): Die Verbraucher betrachten die aktuelle Produktgeneration als überholt und überspringen sie. Dem Marketing können daraus zwei Aufgaben erwachsen: Entweder müssen Leapfrogger an die eigene Produktrange gebunden oder von der Konkurrenz abgeworben werden. 1. ANFORDERUNGEN DES LEAPFROGGING AN DIE GESTALTUNG Die Firma Apple hat es als einer der ersten Computerhersteller geschafft, Leapfrogging bei designaffinen Computernutzern auszulösen. Durch die außergewöhnliche Gestaltung des iMac konnten einerseits markentreue Kunden an die Firma gebunden werden. Andererseits war es möglich, Leapfrogger von der Konkurrenz abzuwerben. Viele Kunden, die zuvor keinen Apple hatten, sind mit dem

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Launch des iMac ebenfalls zu AppleKunden geworden und bleiben seither durch die stetig weiter entwickelte Apple-Produktlinie der Marke treu. Apple setzt dabei vor allem auf die Kraft starker Gestaltungsprinzipien in Design und Identitätsbildung. In der Tat liegen darin einige Ansatzpunkte für den erfolgreichen Umgang mit dem Leapfrogging. Ein Beispiel dafür ist die Standardisierung: Sie stellt sicher, dass der Produktcharakter zuvor festgelegten Vereinheitlichungs-, Normungs- oder Typisierungsaspekten folgt, und ist geeignet, die Kundenbindung zu erhöhen. Ein prägnantes Beispiel dafür liefert Bang&Olufsen.DieverbindendenKomponenten der einzelnen Hi-Fi-Geräte des Unterhaltungselektronikherstellers sind alle standardisiert. Auch mehr als 15 Jahre alte Geräte lassen sich problem-

los in neue Anlagen integrieren. Der Kunde erhält die Sicherheit, dass die einzelnen Komponenten über einen längeren Zeitraum kompatibel sind. Neben den technischen Aspekten der Kaufsicherheit trägt B&O – ähnlich wie Apple – auch durch das Gestaltungsprinzip der Stilidentität den Konsumentenansprüchen Rechnung. Gelernte Produkt- und Bedienungsabläufe können immer angewendet werden, da die Produktentwicklung über einen langen Zeitraum auf Kontinuität ausgerichtet ist. 2. KONSEQUENZEN FÜR VERMARKTUNG UND KOMMUNIKATION Parallel zur Produktgestaltung muss sich der Produktmanager die Frage stellen, wie er ein Produkt auf dem Markt platzieren kann.

Glossar Inokulationsstrategie: „Inokulation“ ist Lateinisch und bezeichnet in der Medizin die Impfung als vorbeugende und therapeutische Maßnahme. Im Sinne des Beitrags über „Leapfrogging“ ist gemeint, die Zielgruppe durch aktive Kommunikation gegen Kontra-Argumente zu immunisieren. Lead User: Vor allem US-Professor Eric van Hippel hat seit den 80erJahren das Konzept der Lead User entwickelt. Lead User nutzen Produkte und Services früher als andere Kunden und stellen hohe Ansprüche daran. Sie liefern wertvolle Informationen für das Innovationsmanagement und die Produktentwicklung. Leapfrogging Behavior: Kaufpassivität eines Konsumenten, die in der subjektiv empfundenen Veralterung eines Produkts begründet ist. Der Nachfrager verschiebt bewusst und freiwillig seine Kaufentscheidung auf eine in der Zukunft erwartete Produktalternative, deren Leistungen er als überlegen erachtet. „Leapfrogging“ bedeutet „Bockspringen“. Obsoleszenz: Lateinisch für „das Veraltern“. Pre-Marketing: Marketing vor der Produkteinführung, auch PreAnnouncement. Produktlebenszyklus: Nach diesem Modell durchläuft ein Produkt die Phasen Einführung, Wachstum, Reife, Marktsättigung und Degeneration (Verfall, Absterben). Sinus-Milieus: Typisierungsansatz des Sinus-Instituts, das anhand der Dimensionen „soziale Lage“ und „Grundorientierung“ die Tiefenstrukturen sozialer Differenzierung erfasst. Die Sinus-Milieus gehören zu den gängigsten Modellen für die Segmentierung von Kundengruppen im Marketing. Info: www.sinus.de Vaporware: Ankündigung eines Produkts, das nie auf den Markt kommt, aus taktischen Gründen.

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Gerade die eigenen Produktvorteile stehen im Vordergrund, wenn es darum geht, Kunden daran zu hindern, auf das Zukunftsprodukt der Wettbewerber zu warten. Dabei hilft vergleichende Werbung, die das eigene Angebot besser dastehen lässt als das der Konkurrenten. Eine weitere Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf ein Gegenwartsprodukt zu richten, bildet die sogenannte Inokulationsstrategie. Hierbei soll eine aktive Auseinandersetzung mit den Pro- und Kontra-Argumenten zur Stabilisierung der eigenen Einstellungen und Überzeugungen herbeigeführt werden. Indem Konsumenten möglichst umfassend mit Gegenargumenten ausgestattet werden, werden sie immun gegen etwaige Gründe, das von ihnen bevorzugte Produkt abzulehnen. Ein prägnantes Beispiel hierfür liefert die Mercedes-Kampagne für die A-Klasse: „Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker ist, wer aus seinen Fehlern lernt. Die A-Klasse ist wieder da.“ Mit dieser Überschrift wurde nach dem „Elch-Test“ für die Sicherheit des Kleinwagens geworben. Will man hingegen ein noch nicht auf dem Markt vorhandenes Produkt anbieten, spielt vor allem der Zeitpunkt der Produktankündigung eine wichtige Rolle. Man spricht dann von Pre-Marketing oder von Pre-Announcement. Ein Beispiel für Pre-Announcement stellt die Einführung von High Definition TV (HDTV) dar. So haben diverse Hersteller von Fernsehgeräten bereits lange, bevor die ersten

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„Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt.“ Boris Becker

Die A-Klasse ist wieder da. und sicherer machen. Aufgrund der Ereignisse der letzten Monate haben wir sie

Optimum an Platz, Komfort und Sicherheit:

darüber hinaus mit ein paar technischen

In der A-Klasse stecken viele Erfahrungen,

Errungenschaften ausgestattet, die sonst

die kommenden Autogenerationen helfen

nur in unseren Oberklasse-Limousinen

können, einen neuen Standard zu erreichen.

nicht an der Spitze, wenn sie diese Fähigkeit nicht besäßen. Aber auch in anderen

Die A-Klasse ist heute nicht nur ein

Lebensbereichen wären viele außergewöhn-

zum Einsatz kommen. Zum Beispiel ist

liche Leistungen nie erbracht worden,

die A-Klasse jetzt serienmäßig mit ESP®*

Neuerungen erfahren Sie kostenlos unter

wenn es nicht immer wieder Menschen

ausgestattet. Ein System, das u. a. die drei

Tel. 0130/0140 und im Internet: http://www.

gegeben hätte, die mit Ehrgeiz und Herz-

zur Zeit wirksamsten Fahrhilfen bein-

mercedes-benz.com. Oder direkt vor Ort bei

blut konsequent an ihrem Ziel festhielten.

Mehr über die A-Klasse und ihre

haltet: das Antiblockiersystem ABS, die

einer Probefahrt. Ihr Mercedes-Benz Ver-

Nur durch ständiges Hinterfragen und

Antriebsschlupfregelung ASR und den

triebspartner freut sich auf Ihren Besuch.

Optimieren können neue, ungewöhnliche

Bremsassistenten BAS. Daneben sorgen

Lösungen entstehen. Wie bei der A-Klasse

eine andere Fahrwerksabstimmung und

Wir glauben an die nächste Generation.

von Mercedes-Benz.

neue Niederquerschnittsreifen zusätz-

Viele Jahre Entwicklungszeit und viel Liebe zum Detail haben dafür gesorgt,

lich für eine verbesserte Straßenlage. *ESP® (Elektronisches Stabilitätspro-

daß die A-Klasse voller Innovationen

gramm) ist eine eingetragene Marke der

steckt, die das Autofahren angenehmer

Daimler-Benz AG.

Geimpfte Verbraucher: Um nach dem legendären Elchtest-Debakel die A-Klasse besser vermarkten zu können, ging Daimler in die Offensive und immunisierte die Verbraucher gegen Polemik und Kritik.

Rundfunkanstalten ihre Programme hochauflösend übermittelt haben, mit dem Logo „HDTV Ready“ proaktiv auf die Kompatibilität ihrer Geräte mit dieser neuen Norm aufmerksam gemacht. Aber nicht nur technisch hochwertige Produkte werden durch Pre-Announcement frühzeitig in den Köpfen der Konsumenten platziert. Auch im Dienstleistungsbereich ist die Vorgehensweise ähnlich. So kommuniziert Fitcom die Neueröffnung von Fitnessstudios bis zu eineinhalb Jahren vorher, um potenziell neue Kunden frühzeitig zu gewinnen und von der Konkurrenz fernzuhalten.

Apples Mac mini: Mit dem preisgünstigen Mini und der Fähigkeit, neben dem eigenen Betriebssystem „OS X (Tiger)“ auch mit dem Konkurrenzprodukt „Windows XP“ arbeiten zu können, geht Apple auf die Jagd nach wankelmütiger Kundschaft.

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Man kann nur besser werden, wenn man fähig ist, aus seinen Fehlern zu lernen. Viele Sportler wären heute

Jedoch dürfen die im Zusammenhang mit der Vorankündigung von Produkten auftretenden Schwierigkeiten nicht vernachlässigt werden: Intel publiziert sogenannte Roadmaps. Diese haben zum Ziel, die innerhalb des nächsten Jahres neu erscheinenden Produkte anzukündigen. Intel-Käufer wissen somit, dass in absehbarer Zeit ein neuer, noch schnellerer Prozessor erscheint und stellen ihre Kaufentscheidung vielleicht zurück. Eine interne Kannibalisierung, die gerade in entwicklungsintensiven Branchen wie der Halbleiter- oder auch der Telekommunikationsbranche verstärkt auftritt, könnte die Folge sein. Ferner ist seit Jahren durch diese frühzeitigen Vorankündigungen ein Innovationskampf entstanden, der den Käufern ein enormes Leistungspotenzial zu erschwinglichen Preisen beschert hat. Eine weitere Möglichkeit zur aktiven Beeinflussung von LeapfroggingEntscheidungen ist die Nutzung von Lead Usern. Sie werden in der Innovationsforschung häufig dazu eingesetzt, künftige Bedürfnisse der Kunden zu prognostizieren und in innovative Produkte sowie Dienstleistungen zu übersetzen, können aber auch als wichtige Informationsquelle dienen. Die Smart GmbH nutzte dieses Konzept für die Kommunikation des Smart

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Segmentierung

Neigen Ihre Käufer zum Leapfrogging?

Produktmanager müssen sich stets die Frage stellen, wie groß die Neigung zum „Leapfrogging Behavior“ ist, um ihm entgegenzuwirken oder um Leapfrogger von der Konkurrenz abwerben zu können. Aufschlüsse darüber gibt der ganzheitliche Typisierungsansatz des SinusInstituts, das anhand der Dimensionen „soziale Lage“ und „Grundorientierung“ die Tiefenstrukturen sozialer Differenzierung erfasst. Im Folgenden soll der Fokus auf die Milieus gelegt werden, bei denen Leapfrogging Behavior in besonderem Maße ausgeprägt ist. Das etablierte Milieu hat einen Anteil von zehn Prozent an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik und stellt die gebildete, gut situierte und selbstbewusste Elite mit hohen Exklusivitätsansprüchen und dementsprechender Kennerschaft dar. Neben dem Ziel, beruflich Erfolg zu haben, um schnell Verantwortung und Führung übernehmen zu können, haben die Etablierten eine eher pragmatische Lebensphilosophie. Sie können, bedingt durch ihre überdurchschnittlich hohe Formalbildung, flexibel mit neuen Situationen umgehen. Ihre privilegierte finanzielle Situation ermöglicht es ihnen, ihre Ansprüche primär durch den Konsum von „Besonderem“ zu erfüllen. Sie konsumieren Edles und haben ein sicheres Gespür für das Außergewöhnliche. Gerade durch Ansprüche an das Besondere geht dieses Milieu wiederholt dem Motiv des Leapfrogging nach: Die Etablierten sind bereit, auf neue, noch bessere und damit wiederum besondere Produkte zu warten. Je kürzer die Produktlebenszyklen, umso häufiger wird auf die gegenwärtige Kaufalternative zugunsten einer zukünftigen, innovativeren Alternative verzichtet. Die bewusst gelebte Exklusivität äußert sich dann wiederum

durch den sehr frühzeitigen Erwerb eines neuen Produkts. Der Kauf „als einer der Ersten“ ist wichtig. Konsum-Materialisten sind – Kompensationsversuch sozialer Benachteiligung – st ark geprägt von dem Streben nach Anschluss an den durchschnittlichen Konsumstandard. Um zu beweisen, dass man finanziell mit der breiten Mitte mithalten kann, konzentriert man sich ganz auf das „Hier und Jetzt“, auf spontanen und vor allem prestigeträchtigen Konsum. Als Beispiel dafür kann die umfangreiche Ausstattung mit moderner Unterhaltungselektronik, ein repräsentativer Wagen oder regelmäßiger Urlaub angesehen werden. Die Freizeit ist geprägt von Unterhaltung, Action und Spaß – von allem, was die Konsum-Materialisten von der Realität ablenkt. Der Drang, immer das Neueste zu haben, ist besonders hoch, da das Neueste als Beweis für den Erfolg gilt. Bezieht man die Charakteristik dieses Milieus auf Leapfrogging, so kann, vor allem im Bereich der Unterhaltungselektronik, eine hohe Ausprägung konstatiert werden: Um sich mit einem begrenzten Budget immer das neueste Produkt leisten zu können, sind die KonsumMaterialisten bereit, auf die nächste Generation, das nächste Upgrade oder die neueste Produktvariante zu warten.

Die bürgerliche Mitte hat prozentual gesehen mit 16 Prozent die größte Marktmacht. Ihr Lebensziel ist es, in gut gesicherten, harmonischen Verhältnissen zu leben. Dabei zeigt sie Leistung und Streben nach beruflichem Erfolg. Der damit verbundene erarbeitete Wohlstand ermöglicht Investitionen in die Ausstattung des Lebensraums und ein angenehmes, komfortables Leben. Die bürgerliche Mitte konsumiert gerne und mit Genuss. Sinus B1 Oberschicht Etablierte Obere Sie ist convenience-orien1 10% Mittelschicht tiert und hat ein ausgeprägSinus A12 Sinus C12 Sinus B12 Konservative Moderne tes Selbstbewusstsein als Postmaterielle 5% Performer Verbraucher. Dies äußert 10% 8% sich vor allem in dem Motiv Sinus B2 Sinus Mittlere des „Smart Shopping“. Bürgerliche Mitte AB2 Mittelschicht 2 16% Daraus resultierend, ist für Sinus C2 DDRExperimentalisten diese Zielgruppe ein ausSinus A23 Nostalgische 7% Traditions6% geprägtes Leapfroggingverwurzelte Verhalten charakteristisch: 15% Bei Produkten, die entweSinus BC3 Untere der beruflichen Erfolg symHedonisten Sinus B3 Mittelschicht 3 11% Konsum-Materialisten bolisieren und damit als Unterschicht 11% repräsentativ angesehen werden oder im Rahmen Soziale von Smart-ShoppingA C B Lage Modernisierung II Aktivitäten besonders günsTraditionelle Werte Modernisierung I Patchworking, GrundPflichterfüllung, Ordnung Konsum-Hedonismus, Postmaterialismus tige Alternativen darstellen, Virtualisierung orientierung ist das bürgerliche Milieu bereit, dem Leapfrogging Nicht alle Zielgruppen sind anfällig für Leapfrogging. Betroffen sind vor allem die Etablierten, Behavior nachzugehen. die bürgerliche Mitte und die Materialisten (Quelle: Sinus 2004)

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forfour. Als Titelsponsoren begleitete sie die Robbie-Williams-Tour mit der ersten öffentlichen Präsentation des Smart forfour. Vor den Konzerten konnten „Smart forfour ambassadors“ das neue Modell erleben. Sie fungierten als Multiplikator der Markenbotschaft. Smart machte so sehr frühzeitig auf das neue Modell aufmerksam und gewann Leapfrogger aus der Zielgruppe. Die Obsoleszensangst der Kunden nutzend, bedienen sich einige Firmen des Pre-Announcement, ohne die versprochenen Produkteigenschaften überhaupt erfüllen zu können oder teilweise sogar ohne das Produkt jemals wirklich zur Marktreife bringen zu wollen („Vaporware“). Das Konzept findet in erster Linie in der Technologiebranche Anwendung. Hier können schon Gerüchte über eventuell erscheinende Produkte ausreichen, um Kunden vom Kauf abzuhalten. 3. BRINGEN PREISE UND GELDWERTE VORTEILE EINE ENGERE BINDUNG? Auch Preise und Konditionen können Zielgruppen davon abhalten, Angebote eines Konkurrenten anzunehmen. Apple hat dafür einen intelligenten Weg gefunden und im Jahr 2005 den Mac mini auf den Markt gebracht. Bei dem Designkonzept haben die Apple-Ingenieure von Anfang an den Schwerpunkt darauf gelegt, einen vollwertigen Mac für möglichst wenig Geld

Literatur

zu entwickeln. In einem Koppelmann, U.: sehr kompakten GehäuProduktpolitik, 6. Aufl., Berlin 2001 se bietet der Mac mini Pohl, A.: mit seinem modularen Leapfrogging bei technologischen Innovationen: Design die Möglichkeit, Ein Erklärungsansatz auf Basis der Theorie des bereitsvorhandeneSystemwahrgenommenen Risikos, Wiesbaden 1996 komponenten anderer Volkmann, M.: Anbieter (Monitor, TastaZum Konstanzprinzip bei der Produktpflege, tur, Maus, Drucker) in das Köln 2003 System zu integrieren – Weiber, R./Pohl, A.: für Wankelmütige im Das Phänomen der Nachfrageverschiebung, in: PC-Lager ein echter geldZfB, Heft 6, 1996, S. 675–696 werter Vorteil. Zudem ist der neue Mac mini mit Core-Prozessor zu einem Preis von Rabatte bieten eine weitere Möglichunter 600 Euro auch einer der güns- keit, Leapfrogging zu verhindern. Zum tigsten Macs aller Zeiten. einen ermöglichen sie es, den Zeitraum Durch Kommunikation der Kompati- zwischen der Markteinführung des bilität sowie der Niedrigpreisstrategie Gegenwarts- und des Zukunftsprobaut Apple vorhandene Wechselbarrie- dukts für den Konsumenten preislich ren ab. Ein einfacher und tendenziell attraktiv zu halten, zum anderen vereher risikoloser Anbieterwechsel wird anlasst beispielsweise die Vergabe von attraktiv. Frühbucher- oder Frühkäuferrabatten, Und der nächste Angriff auf die PC-Welt Kunden sehr zeitig zum Produktkauf läuft schon: Die Firma Apple verwendet zu bewegen und damit vom Warten seit vergangenem Jahr Intel-Prozes- auf eine eventuell zukünftig bessere soren, die es ermöglichen, Windows XP Alternative abzuhalten. parallel zum Betriebssystem Mac OS X zu installieren und zu verwenden. Apple WER DAS LEAPFROGGING stellt das dafür notwendige Programm BERÜCKSICHTIGT, KANN „Boot Camp“ als Public-Beta-Version VIEL BODEN GUTMACHEN zum Download zur Verfügung. Somit In der heutigen Konsumgesellschaft kann zukünftig die Entscheidung für herrscht eine Innovationsoffensive, viele Verwender zugunsten eines Macs die mit stetig verkürzenden Produktimmer einfacher werden. Apple wird lebenszyklen einhergeht. Die Folge: es dann gelingen, Leapfrogger von der Oftmals wird das Neue zum Feind des Konkurrenz zu gewinnen. eigentlich Guten. Wenn sich innerhalb der eigenen Zielgruppe oder der Konkurrenten Leapfrogger befinden, müssen betroffene Unternehmen dem drohenden illoyalen Kaufverhalten entgegenwirken oder das sich hieraus ergebende Kundenpotenzial realisieren. Dem Leapfrogging wird in diesem Zusammenhang in der Praxis nach wie vor zu wenig Bedeutung beigemessen. Wer dieses Konsummotiv in seinem Marketingkonzept stärker berücksichtigt, kann derzeit im Wettbewerb viel ■ Boden gutmachen.

Leapfrogging-Fall Windows Vista: Gutscheine und die Ankündigung vergünstigter Updates von XP auf Vista sollten im Weihnachtsgeschäft 2006 zum PC-Kauf animieren – obwohl das neue Betriebssystem Vista erst Ende Januar 07 verfügbar war.

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Dr. Michael Volkmann ist MarketingManager bei L’Oréal in Düsseldorf. E-Mail: [email protected] Dr. Kristina Steinbiß ist Professorin für Marketing an der FH Reutlingen. E-Mail: [email protected]

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