Aber heute versuchen wir das mal zusammen zu bringen

Predigt  beim  Vespergottesdienst  am  Heiligabend  2012     Liebe Gemeinde am Heiligabend, eine Familie versammelt sich jedes Jahr zur Geburtstagsfei...
Author: Heinz Hertz
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Predigt  beim  Vespergottesdienst  am  Heiligabend  2012     Liebe Gemeinde am Heiligabend, eine Familie versammelt sich jedes Jahr zur Geburtstagsfeier. Alle kommen und alle kommen gern. Es gibt leckeren Kuchen und pikante Häppchen und die Geschenke kennt man auch schon: Spielsachen und alles, was ein Kind freut. Papa hat einen Beamer aufgestellt und zeigt stolz Babybilder vom Geburtstagskind. Die Mutter erzählt gerade, wie aufregend das war, dass die Geburt so überraschend kam während dieser Reise. Aber alles sei ja gut gegangen. Da klingelt es an der Haustür und noch mehr Gäste kommen – ganz so wie jedes Jahr. Freunde, die einen Bauernhof mit 100 Schafen haben und die etwas merkwürdigen Typen, die ganz in der Nähe bei der Sternwarte arbeiten. Und dann fängt man an Lieder zu singen. Doch, hört sich ganz passabel an. Es scheint, die werte Festgesellschaft kennt die Sachen schon länger. Da meldet sich einer der Gäste. Ein netter junger Mann, so um die dreißig. Er redet höflich und etwas zögerlich. „Ich würde gern mal was von mir erzählen, was ich gerade so mache...“ „Du, das ist total nett von dir, gleich, ich verspreche es dir“, antwortet der Vater. „Aber du weißt doch, wir feiern hier deinen Geburtstag. Da geht alles seinen Gang. Schau mal, ich habe noch ein altes Fotoalbum gefunden mit Bildern aus deinen ersten Lebenswochen. Schau mal, wenn du so guckst. Das sind doch unverkennbar deine Augen.“ Der Sohn schaut etwas verzweifelt. „Aber ich würde euch gern mal erzählen, woran ich arbeite! Das wird glaube ich eine große Sache. Wir sind schon zwölf Leute in der Arbeitsgruppe und das wird echt gut.“ Ja, klar, erzähl mal. Willst du noch ein Stück Kuchen?

Ich unterbreche diese surreale Szene. Sie ahnen, um was es geht? Es geht um die merkwürdige Tatsache, dass wir an Weihnachten, Jahr für Jahr, die Geburt eines Babies feiern, alle Jahre wieder das süße Kind bestaunen, und dabei kaum nach dem Mann fragen, der aus dem Kind geworden ist. Klar, der hat gelebt und wir kennen die Geschichte seiner Arbeitsgruppe mit den zwölf Leuten und das Scheitern des Projekts: Er wurde gekreuzigt und ist gestorben. Und das mit dem Comeback feiern einige von uns – na, ja – nicht ganz so viele wie heute an Ostern. Aber heute versuchen wir das mal zusammen zu bringen. Wir feiern Geburtstag von ihm, der geboren ist, gelebt hat, gestorben ist. Einige sagen, dass er auferstanden ist, der heute bei uns ist. Probieren wir es aus.

Wir feiern heute Geburtstag, nicht im Gedenken an, sondern in der Gegenwart von Jesus Christus. Und wenn ich sage, wir feiern, dann tun wir nicht so, dann feiern wir auch wirklich. Liebe Konfis, ihr seid dran! Action-Zeit Licht aus. Song ab. Stevie Wonder: Happy Birthday Konfis kommen mit Papierschlangen und Wunderkerzen. Pappteller und Gabeln und drei Torten.

Ich weiß nicht, liebe Freunde, wie es Ihnen jetzt geht. Ob Sie ganz und gar irritiert sind, dass wir hier eine Geburtstagsparty für Jesus veranstalten. Aber seien Sie versichert. Wenn Sie jetzt irritiert sind, dann sind Sie auf der besten Spur, das Geburtstagskind zu verstehen. Den 30 – jährigen Mann zu verstehen, der aus dem Geburtstagskind geworden ist und der als Jesus von Nazareth berühmt wurde. Er hat die Menschen irritiert. „Fresser und Weinsäufer“ hat man ihn genannt, weil er gern gefeiert hat und hinzu kommt, die skandalöse Tischgesellschaft der betrügerischen Zöllner und Sünder! Und von einer stadtbekannten Hure lässt sich Jesus die Haare salben! Und sein Anspruch ist dabei skandalös. Das Johannesevangelium – heute der Predigttext – zeichnet überdeutlich heraus, wie Jesus gelebt hat und in welche Streit- und Schusslinie er mit seinem Leben und seinen Worten hinein geraten ist: Johannes 7 28 Da rief Jesus, der im Tempel lehrte: »´Ihr meint,` mich zu kennen und zu wissen, woher ich komme. Aber ich bin nicht im eigenen Auftrag gekommen; es gibt einen, der mich gesandt hat, und das ist der wahre ´Gott`18. Doch den kennt ihr nicht. 29 Ich hingegen kenne ihn, denn ich komme von ihm; er ist es, der mich gesandt hat.« Liebe Freunde, Sie können sich sicher sein: Mit diesen Worten hat sich Jesus keine Freunde gemacht. „Ihr kennt mich nicht. Ich rede im Auftrag Gottes. Ihr kennt mich nicht, denn ihr kennt Gott nicht.“ So hat Jesus in Jerusalem mit den Spitzenvertretern der religiösen Verbände gesprochen, die sich sicher waren Gott genau zu kennen.

Und genauso fordert er uns heraus. Klar ist es schön und süß, das Kind von Bethlehem zu feiern. Und viel Gutes kann darüber gesagt werden, dass Gott ein Kind wird, armselig und klein und gerade ein Kind die Macht der Mächtigen bricht. Aber stellen Sie sich vor, Sie sind dreißig und die Familie feiert Ihren Geburtstag und wenn Sie erzählen von dem, was Ihnen auf der Seele brennt, kommt wieder jemand mit einem süßen Kinderfoto von Ihnen und sagt: Damals – das war echt schön mit dir! Dann fühlen Sie sich nachgerade nicht gerade ernst genommen. Wie nimmt man einen Menschen ernst? Indem man auf ihn oder sie hört, zuhört, sich erzählen und beschreiben lässt, von was er oder sie träumt, wofür er oder sie bereit ist, einen Preis zu bezahlen, ein Risiko einzugehen. Man könnte ein Kapitel des Neuen Testamentes aufschlagen und hören, was Jesus zu sagen. In der Vorbereitung bin ich ziemlich zufällig auf das 10. Kapitel des Markusevangeliums gestoßen und nehme die drei ersten Abschnitte heraus. Da gibt es erstens einen Dialog um Ehe und Ehescheidung. Ja, ich weiß, das hat nichts mit Weihnachten zu tun, aber mit dem, der Geburtstag hat, und den wir ehren, indem wir auf ihn hören. Da kommt es zu einem Wortwechsel über Scheidungsrechte. Einige jüdische Gelehrte wollen von Jesus wissen, unter welchen Umständen ein Mann sich von seiner Frau scheiden lassen kann. Und Jesus vertritt radikale Ansichten – er gibt nichts frei: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe. (Mk 10,11) Und wenn Sie sich jetzt ärgern, weil Sie empfinden, das wird dem Leben nicht gerecht, weil man sich ja auseinander leben kann und nur noch untereinander leiden kann, dann muss man wissen: Jesus hat das gesagt, weil in der damaligen Zeit nur die Männer und nicht auch die Frauen das Recht hatten, sich scheiden zu lassen und einige rabbinische Schulen den Männern das Recht, sich von der Frau zu trennen, für den schlimmen Fall eingeräumt haben, wenn die Frau das Essen mehrfach anbrennen hat lassen! Und dann spüren wir in dem, was Jesus sagt, etwas anderes. Dass Menschen wirklich füreinander da sein sollen und nicht nach Belieben und nach Geschmack die Bindungen lösen! Und dann sind wir mit einem Mal bei uns: Wir sind ja nur noch damit beschäftigt, auf uns selbst zu achten, ob das was wir tun, „uns gut tut“ und die Zahl der Single-Haushalte in Deutschland macht darauf aufmerksam, dass es nicht nur um einen selbst geht, sondern um einen Ausgleich der Ansprüche von Gemeinschaft und Individuum. Und dass wir in

Beziehungsfragen zu schnell das Handtuch werfen. Und wenn uns das jetzt ärgert, haben wir es verstanden! Und wir nehmen Jesus ernst. Dann folgt eine Szene, in der Menschen Kinder zu Jesus bringen. Kinder galten in der Antike nichts, sie wurden nicht ernst genommen und Jesus lässt die Kinder zu sich bringen: »Lasst die Kinder doch zu mir kommen und hindert sie nicht daran; denn für Menschen wie sie steht Gottes neue Welt offen. Ich versichere euch: Wer sich Gottes neue Welt nicht schenken lässt wie ein Kind, wird niemals hineinkommen.« (Mk 10, 14+15) Ja, das finden wir gut, dass Jesus das so sagt. Und überhaupt Kinder sind uns ja so wichtig. Die große Spendengala „Ein Herz für Kinder“ im ZDF in vergangenen Woche! Fast 15 Millionen kommen zusammen. Kinder liegen uns am Herzen. Unsere Kinder! Meistens sehr speziell unsere eigenen Kinder. Mit der Solidarität für Kinder könnte es bei uns schon begrenzt zugehen, wenn auffällige Kinder hyperaktive Kinder das Lerntempo unserer Kinder beeinflussen, unsere Kinder ablenken und die Klassenlehrerin zu sehr beschäftigen. Dann könnte die Zukunft unserer Kinder in Gefahr sein und dann wäre es doch besser für die anderen Kinder – wir haben überhaupt nichts gegen die – wenn sie in einer besonderen Schule wären und da besonders gefördert würden. Das wäre doch besser. Wie weit ist es her mit unserer Liebe für alle Kinder? Ich frage nicht mal weltweit.

In Markus 10 geht es weiter: Gleich danach kommt ein junger Mann zu Jesus und fragt, wie er das Ticket in den Himmel bekommt. Eines steht außer Frage: Diese Mann ist topfit in der Einhaltung der Gebote Israels. Nach etwas Gespräch kommt Jesus darauf, woran dieser Mann sein Herz hängt: Jesus sah ihn an; er gewann ihn lieb und sagte zu ihm: »Eines fehlt dir: Geh, verkauf alles, was du hast, und gib das Geld den Armen, so wirst du bei Gott einen unverlierbaren Besitz haben. Und dann komm und folge mir!« Mk 10,21 Was wir denken, haben die Jünger damals auch schon gedacht. Das ist aber ein bisschen „heftig“. Wer kann denn dann in den Himmel kommen? Der junge Mann „ ging traurig weg; denn er hatte großen Grundbesitz.“ Dann folgt das berühmte Gespräch über das Kamel, das durch das Nadelöhr geht und wir könnten uns nun über die Finanzkrise unterhalten und welche Anlagestrategie die beste ist und wieviel Vorrorge gut tut und warum Aktienkurse steigen, wenn Firmen Mitarbeiter „freisetzen“ und und und.

Wir sind nun mitten im Gespräch mit dem Geburtstagskind Jesus, der nicht mehr länger der holde Knabe im lockigen Haar ist, den wir süß in der Krippe liegen lassen, sondern dessen provokante Thesen uns herausfordern! Wir könnten mit ihm streiten über seine Meinungen zu Ehe und Kindern und Geld und ihm sagen: Du hattest es ja leicht: Warst nicht verheiratet, hattest keine Kinder, aber viele Menschen um dich herum, die dich versorgt haben! Nur zu! Wir würden dem auf die Spur kommen, dass einige Menschen Jesus nachgefolgt sind, andere ihn nicht zur Kenntnis genommen haben und viele so wütend waren, dass sie ihn ans Kreuz gebracht haben. Er hat radikal die Frage gestellt: Woran hängst du dein Vertrauen und viele unscheinbaren Kleinigkeiten des Lebens auf diese Vertrauensfrage bezogen. Jesus hat die kritisiert, die mit Habgier auf Kosten anderer das irdische Leben sichern und die gegen sich aufgebracht, die mit äußerer Erfüllung der Gebote das himmlische Leben sichern wollten. Und wenn wir miteinander ins Gespräch kommen über das, was das Geburtstagskind uns heute zu sagen hat, wäre es gut, wenn wir dabei auch aufeinander hören. Menschen, die engagiert sind im Leben der Kirche und solche, die nur ab und zu mal kommen. Denn eins ist klar. Wenn wir eng mit einem Menschen zusammen zu leben, dann kennen wir seine Eigenarten, stellen uns darauf ein und richten uns ein und hören die Provokation nicht mehr. Wir könnten sehr gut eine Kirche ohne Jesus sein und würden es vielleicht gar nicht merken. Deshalb ist es wichtig, dass wir seinen Geburtstag feiern – miteinander über das reden, was er uns zu fragt und sagt: Seiner Kirche und dieser Gesellschaft. Wem vertraust du? Auf wessen Kosten lebst du? Kann man dir vertrauen? Was passiert mit deiner Schuld? Was ist deine Hoffnung? Worin investierst du deine Kraft? Wem schenkst du deine Solidarität? Wem gehört deine Liebe? Das wär doch ein Geburtstag! Amen.

© Andreas Klein, www.traisa-lebt.de, 2012