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Ausgaben-Nr. 4; Seite 42

Wirtschaft' Titel

Risikoreiche Russendeals Die Schweiz ist eine wichtige Drehscheibe im Milliardenpoker um russische Investitionen. Aufder Achse Zürich-Zug-Moskau hat sich nun auch Gerhard Schröder ideal positioniert. Doch mit seinem Gazprom-Mandat betritt der Ex-Kallzler ein Minenfeld.

Die Firmen sind vor allem in den Kantonen Zürich, Zug und Genf domiziliert. Überrasch~nd: Die Deutschschweiz ist bei den geschäftigen Russen inzwischen beliebter als der welsche Landesteil. 431 Firmen geschäften in der Deutschschweiz. In der bei Russen traditionell bevorzugten Romandie sind es 246.

Von Claude Baumann, Monica Fahmy und Mattin Stoll Gerhard Schröder darf sich freuen. Sein kugelsicheres Büro an der Zürcher Dufourstrasse ist bezugsbereit. Um allen Wünschen des früheren deutschen Bundeskanzlers zu entsprechen, wird zwar noch da und dort Hand angelegt. Doch insgesamt ist der einstige SPD-Spitzenpolitiker, der seit Januar im Sold des Medienkonzems Ringier steht, in der Schweiz angekommen.

Dabei sind die Russenfirmen in gewinnträchtigen Branchen tätig. Laut der Auswertung beschäftigen sich 251 Unternehmen mit Grosshandel, vorab dem Handel mit Öl, Eisen und chemischen Produkten. 180 Firmen mit russischem Bezug treten als Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Managementbüro auf. Ein wichtiger und mächtiger Faktor sind Banken: 84 Finanzinstitute m)t Russlandbezug sind in der Schweiz registriert.

Gross war das Echo, als Ende November bekannt wurde, der 59-jährige Deutsche baue sich hier ein neues Standbein auf. Schröder wird bei Ringier als Türöffner und Berater ftir «Fragen der internationalen Politik» dienen. Inzwischen ist es aber ein offenes Geheimnis, dass ihn weitere Motive in die Schweiz ziehen: Sein Verbindungsbüro zum staatlichen russischen Energiekonzern Gazprom, die North European Gas Pipeline (NEGP), befindet sich nur gerade 40 Kilometer von der Dufourstrasse entfernt in der Steueroase Zug.

In den kantonalen Handelsregistern finden sich prominente Namen: Viktor Feliksovich Vekselberg etwa. Der russische Industriemilliardär, der eine namhafte Beteiligung am lmmobilienkonzern Züblin erworben hat, lebt im Kanton Zürich. Oder Michail Gorbatschow: Der letzte sowjetische Präsident hat seine Umweltorganisation Grünes Kreuz in Chene-Bougeries bei Genf einschreiben lassen. Insgesamt erscheinen in den Schweizer Handelsregisterämtern 850 russische Staatsbürger. 322 von ihnen leben in Russland und 88 im übrigen Ausland. Die Mehrzahl aber, exakt 440 Personen, haben ihren Wohnsitz in der Schweiz. Das Visum erhalten sie problemlos, wenn sie Investitionen in Millionenhöhe tätigen und Arbeitsplätze generieren.

Mit Präsident Wladimir Putin, den Schröder gern als «lupenreinen Demokraten» bezeichnet, verbindet ihn eine enge Freundschaft. Dieser Beziehung verdankt er seinen neuen Job als Verwaltungsratsvorsitzender der NEGP, an der Gazprom die Mehrheit hält. Das deutsch-russische Unternehmen wird die 1200 Kilometer lange Erdgaspipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland betreiben. Sein neues geschäftliches Umfeld hat Schröder mit Bedacht ausgewählt. In keinem anderen Land Westeuropas laufen so viele Fäden des russischen Geschäftsaktivismus so diskret zusammen wie in der Schweiz. «In der Schweiz sind gegen 150 Firmen bekannt, die von Bürgern der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) kontrolliert werden oder in denen diese Einsitz im Verwaltungsrat haben», schreibt der Schweizer Inlandgeheimdienst DAP (Dienst fUr Analyse und Prävention) im Bericht zur inneren Sicherheit des Landes. Tatsächlich sind es vielmehr Firmen. Das hat eine exklusive Analyse ergeben. Im Auftrag von FACTS eruierte die Orell Füssli Wirtschaftsinformationen AG alle in der Schweiz registrierten Firmen, in denen russische Staatsangehörige im Verwaltungsrat oder in der Geschäftsleitung sitzen. Anfang 2006 waren in der Schweiz 712 russisch beeinflusste Untemehmen aktiv - fast flinf Mal mehr als offiziell angenommen.

Die Zahlen zeigen: Das Russland-Geschäft in der Schweiz floriert. In der Tat legt das russische Bruttoinlandprodukt jährlich um'sechs bis sieben Prozent zu. Dieses Wachstum generiert riesige Vermögenswerte, vor allem seit die Rohstoffpreise steigen. «Früher brachten die Russen Vermögen in die Schweiz, weil es in ihrer Heimat zu wenig sicher war. Heute suchen sie hier langfristige und breit abgestützte Anlagemöglichkeiten», erklärt Walter Fetsche- rin, ehemaliger Schweizer Botschafter in Moskau. Die Schweiz biete steuerliche Vorteile, attraktive Hotdingstrukturen, qualifiziertes Personal und eine gute Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund hat sich Gerhard Schröder mit seinen künftigen Betätigungen ohne Zweifel ideal positioniert - auf der Achse Zürich-Zug-Moskau. Aller wirtschaftlichen Euphorie zum Trotz: Das Geschäft mit dem Osten ist mit enormen Risiken verbunden: zweifelhafte Geschäftspartner, dubiose Geldquellen, politische Rällkespiele,juristisches Glatteis· all das macht Russland zu einem heissen Pflaster auch ftir Schröder. Ein Indiz liefert der Korruptionsindex der regierungsunabhängigen Organisation

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Transparency International: In der aktuellen Erhebung belegt RusslandRang 126,36 Plätze schlechter als im Vorjahr. Russland ist heute korrupter als Moldawien, Kasachstan, die Ukraine oder Weissrussland.

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, sagt Incorpore-Direktor Nicolas Stucki. Die Kosten verrät er nicht. Über Geld spricht man nicht, man hat es. Die Zeiten, wo noble Gäste ob dem auffälligen Gebaren der «ungehobelten neureichen Russen» indigniert das Weite suchten, sind vorbei. Wenn heute Wodka und Champagner in Strömen messen, lassen die Russen zwar immer noch den Bären tanzen - aber sie halten ihn an der kurzen Leine. partys im privaten Rahmen, an denen Wodka aus dem Bauchnabel einer Tänzerin geschlUrft und Kaviar von Brnsten geleckt wird, werden seltener. Selbst an der traditionellen Neujahrsfete von Hoteliere Ljuba Manz in der Zürcher Herberge «St. Gotthard» geht es inzwischen gesitteter zu und her als einst. Für Wladimir Putins Landsleute ist die Schweiz längst mehr als ein Vergnügungs- und Geschäftsort. Allein im Raum Zürich leben inzwischen über 3000 Russen. «Unauffallige, schicke Leute», sagt Andy Stutz. «Sie sind sehr gebildet, die meisten haben einen Hochschulabschluss.» Noch lieber als Zürich sind den Russen die Gestade des Genfersees, wo etwa Wiatcheslaw Kantor, Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und einer der hundert reichsten Russen, in Pully ein 8200 Quadratmeter grosses GrundstUck kaufte. Auch ftlr ihre Sprösslinge ist der russischen Oberschicht gerade das Beste gut genug. In Schweizer Luxusinternaten wie Le Rosey in Genf ist die Nachfrage wohlhabender Russen mittlerweile so gross, dass die Bildungsanstalten eine Obergrenze festlegen mussten. Maximal zehn Prozent der Schüler dürfen Russen sein. Ans hiesige Leben haben sich die Russen schnell angepasst. Gab bisher die Monatszeitung «Russkaja Schwejzarija» NeuzuZUgem banale Tipps. um sich in der Schweiz

I; SMD schweizer mediendeeenbank zurechtzufinden, wurde in der letzten Ausgabe selbstbewusst darauf hingewiesen, dass die Schweizer die Russen lieben. Zur Beweisftlhrung bediente man sich grosszilgig der Statistik: Fast die Hälfte der Schweizer, so behauptete das Blatt, habe mittlerweile eine Russin als Frau. Monica Fahmy Die Russische Kommerzial Bank in Zürich ist die Schweizer Antenne der staatlichen Aussenhandelsbank in Moskau, KOl1zern-CEO Andrei Kostin gilt als «Putins Banker». Hofackerstrasse, Zürich Hier verwalten Ex-Botschaf-ter Thomas Borer und Wirt-schaftsanwalt Carl Stadelhofer das Milliardenvermögen des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg. Haus zur Palme, Zürich Bei Wirtschaftsanwalt Hans W. Niederer trifft Hochfinanz auf Öl: Niederer sitzt in der mssischen Lukoil-Bank SLB und in der Russischen Kommerzial Bank. Bahnhofstrasse, Zürich Die Rosbank ist die älteste Russenbank in der Schweiz. Milliardär Wladimir Potanin erhielt die Lizenz per Gegengeschäft: Die SKA war die erste Schweizer Bank in Moskau. Rue du Rhöne, Genf Untermüli, Zug Anwalt Urs Hausheer ist ftlr die Gazprom-Tochter NEGP Company tätig, zusammen mit dem deutschen Ex-Kanzler Schräder und einem einstigen Stasi-Mitarbeiter. Rue Senebier, Genf Sitz des Ölhändlers Lukoil. 2000 lies Präsident Putin Lukoil-ChefVagit Alekperow wegen Steuerbetmgs anklagen. Heute kooperiert PlItins Gazprom mit der Firma. Ave LOllis-Casai, Genf Die Ölhandelst1rma Petroval steht im Visier der mssischen Behörden. Im Zusammenhang mit der Yukos-Affare sollen Firmenkonten blockiert worden sein. Forchstrasse, Zürich Gute Adresse furs Networking. Tatneft-Europe-Präsident Thomas Ladner ist Präsident des «Entrepreneur's Roundtable», des exklusiven Zirkels der jungen Schweizer Wirtschaftselite. Rampe de Cologny Am Genfersee lebt Guennadi Timtchenko, ein einflussreicher, diskreter Berater des russischen Präsidenten. Timtchenkos Millionen kommen aus dem RohstofthandeI. Rte Arsenaux, Fribourg Die von Russland aus gesponserte Firma Finas organisiert Symposien mit hochkarätigen Namen, im März auch in

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Zürich, mit mssischen Ministern, Oligarchen und Bundesrat Deiss.

FACTS: Welchen Anteil machen russische Gelder im Depotbestand der Schweizer Banken aus?

Rue C.-Bonnet, Genf

Fetscherin: Vorläufig wohl weniger als zehn Prozent. Tendenz steigend.

Seit 1967 berät die Anwaltskanzlei Secretan Troyanoy aus Genfrussische und andere ausländische Businessleute, die mit der Schweiz Geschäfte machen. Sihlporte, Zürich Der Russisch sprechende Anwalt Andres P. Baumgartner setzte rur den Aluminiumhändler Aldeco AG eine lOQ·MilIiollen-Dollar-Klage gegen zwei Oligarchen durch. Bahnhofstrasse, Zürich Rechtsanwalt Richard C. Ritter sitzt in einer Treuhandfirma die laut Schweizer Polizei mit einem Mafiaführer aus St. ' Petersburg Kontakte gepflegt hat. Hegibachstrasse, Zürich Vor dem Schiedsgericht der Intel11ationalen Handelskammer streiten die Alfa-Gruppe und der Investmentfonds IPOC um Aktienpakete des russischen Mobilfunkanbieters Megafon. Rte d'Hermance, Genf Die Bundeskriminalpolizei stürmt in einer filmreifen Aktion mit Schützenpanzem das Anwesen von Roustam Aksenenko bei Genf. Der Verdacht: Geldwäscherei. Brunnademrain, Bern Dimitri Tscherkaschin ist der russische Botschafter in der Schweiz. Moskau unterhält heuer seit 60 Jahren diplomatische Beziehungen mit Bem. Sälistrasse, Olten Die Firma Glohe Nuclear Servioes and Supply GNSS soll Drehscheibe für illegalen Geschäfte des ehemaligen russisohen Atomministers Jewgeni Adamow gewesen sein.

«Die russische Seele verstehen lemen» Der kUhere Schweizer Botschafter in Russland, Walter Fetscherin, tiber Putin, Korruption und andere Risiken. Facts: Herr Fetscherin, russische Geschäftsleute stehen unter Generalverdacht, mit der Mafia verbandelt zu sein. Zu Recht? Waltel' Fetscherin: Überhaupt nicht. Die organisielte Kriminalität in Russland spielt längst nicht mehr dieselbe Rolle wie in den Neunzigerjahren, und auf die Aussenhandelsbeziehungen hat sie weniger Einfluss, als man im Westen annimmt. Das Image, das russischen Geschäftsleuten vorauseilt, hängt eher mit der Korruption im Land zusammen. FACTS: Fliesst deshalb so viel Geld aus Russland in die Schweiz? Fetscherin: Nein. Der Auslöser daflir sind die prosperierende Wirtschaft und die zurzeit hohen Rohstoffpreise.

FACTS: Ist es alles Schwarzgeld? Fetscherin: Nein. Heute gelangen kaum mehr illegal erworbene russische Gelder auf Schweizer Bankkonten. Die Branche wird streng überwacht und kontrolliert sich selber genau. Auch bei Anwälten und anderen Finanz- intermediären scheinen die Lücken nun weit gehend geschlossen zu sein. FACTS: Was sind die grössten Risiken im Geschäft mit den Russen? Fetscherin: Dass Sie den falschen Leuten aufsitzen und in unrentable Projekte investieren. Vertrauen ist unerlässlich. Deshalb sollten Sie sich Zeit und Mühe nehmen, um die Verhaltensmuster der «russischen Seele» verstehen zu lernen FACTS: ... und trinkfest sein. Fetscherin: Sagen wir es so: Wollen Sie mit einem Russen ins Geschäft kommen, müssen Sie ein bissehen sein Herz erobern. Sie sollten ihm zu spUren geben, er sei Ihnen wichtig. FACTS: Wie haben Sie Wladimir Putin während Ihrer Zeit in Moskau erlebt? Fetscherin: Präsident Putin hat ein besonderes Geschick, jederzeit aufseine Gesprächspartner einzugehen. Er wirkt als Russe aus dem Norden eher scheu und zurückhaltend. Er ist sehr intelligent und jemand, der viel arbeitet. Selbst die kleinsten Dossiers kennt er aus dem Effeff. Er spricht fliessend Deutsch. Seine Rolle als Staatschefin der russischen Geschichte ist nicht zu unterschätzen. FACTS: Wie wird Russland in zehn Jahren aussehen? Fetscherin: Geht die Normalisierung weiter, wird Russland eine wirtschaftliche Supermacht sein; ideal gelegen zwischen den asiatischen Wachstumsmärkten im Osten und Europa im Westen. Russland ist ein «re~emerging»-Land. Der Wohlstand gedeiht schneller und wird sich besser konsolidieren. FACTS: Wo steht Russland politisch? Fetscherin: Die Staatsflihrung hegt nicht mehr die hegemonialen AnsprUche der Sowjetzeit. Sie setzt die Prioritäten im Land, wo grosse Herausforderungen bestehen. Bis zu 30 Prozent der Be-völkerullg lebt unter dem Existenzminimum. Auf Grund seiner Dimensionen wird Russland weiterhin den Anspruch erheben, eine Grossmacht zu sein. Es wird aber versuchen, sein politisches Gewicht wirtschaftlich besser zu untermauern. Interview: Claude Baumann Zürich: Die heiklen Branchen des Russengeschäfts sind hier und in Zug besonders stark vertreten.

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Gerhard Schröder vor Erdgastanks der BASF-Tochter Wintershall in der libyschen Wüste: Geht ein erhebliches Image-Risiko ein. Spatenstich für ein Thermalbad in Charmey FR: Spekulationen über die Herkunft des Geldes. Gebäude in Moskau, in dem die UBS ein Büro unterhält (1.), Anhänger des inhaftierten Ex-Yukos-Besitzers Chodorkowski: Schweiz sperrte 6,2 Milliarden Franken. St. Moritz: Russen zählen fur den Schweizer Tourismus zu den zehn wichtigsten Gästegruppen. Russische Silvesterparty im Hotel «St. Gotthard», Zürich: Inzwischen geht es gesitteter zu. Ehemalige Yukos-ÖJraffinerie in Sibirien (1.), Gaspipeline des deutsch-russischen Jointventures Achimgaz: Schröders neues Geschäftsumfeld. Walter Fetscherin, Schweizer Botschafter in Russland 2000-2003, heute Präsident der Handelskammer Schweiz-Russland. Foto: luca zanier/keystone Foto: peer grimm/pool/ddp Fotos: c1aude haymozlla gruyere, thomas burIa, keystone (2), judith stadler, dominique meienberg, rdb Fotos: dmitry kostjukovlkommersantldukas, keystone (3), judith stadler (2), reuters Foto: laifFoto: judith stadler Fotos: halls-juergen burkard/bilderberglkeystone, dpalkeystone Fotos: alessandro della valle/keystone

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