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Frist zur Abgabe der Stellungnahme: 7. September 2007 Stand: 10. September 2007 Teil 1 Ausschussvorlage ULA/16/70 eingegangene Stellungnahmen zu der ...
Author: Tomas Geisler
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Frist zur Abgabe der Stellungnahme: 7. September 2007 Stand: 10. September 2007 Teil 1

Ausschussvorlage ULA/16/70 eingegangene Stellungnahmen zu der mündlichen Anhörung zu dem Thema Geplanter Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg

1. E.ON

S.

1

2. Prof. Dr. Eiding

S. 48

3. Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie

S. 115

4. Manfred Horn

S. 126

5. Prof. Dr. Petry

S. 141

6. Prof. Dr. Voß

S. 146

7. Ursula Philipp-Gerlach

S. 162

8. Landrat Dr. Reuter

S. 182

9. Hessischer Städtetag

S. 185

10. Vereinigung hessischer Unternehmerverbände

S. 188

11. Bundesverband Erneuerbare Energien

S. 192

12. Deutsche Gebirgs- und Wandervereine

S. 200

13. Verband Hessischer Fischer

S. 201

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 1 von 202

Beantwortung der Fragen zur Anhörung im hessischen Landtag Fragen der CDU Frage Nr. 1

Woher stammen die in Deutschland zur Stromproduktion eingesetzten Primärenergieträger? In 2006 war die Bruttostromerzeugung im Deutschland bei 536 Terrawattstunden (TWh). Der Energiemix: TWh % Braunkohle

152

24%

Steinkohle

136

21%

Kernenergie

167

26%

Erdgas

74

12%

Sonstige

58

9%

Wasserkraft/Windkraft

49

8%

Zu den fossilen Brennstoffen im Jahr 2006: „ Braunkohle: 100% aus Deutschland. „ Erdgas: 16% Inlandsgewinnung und 84% Importe. Über 96% des Importgases stammt aus Russland, Norwegen und den, Niederlanden. „ Steinkohle:. Fast 65% Importe. Hauptsächlich aus Südafrika (8,5 Mio. t), Polen (7.2 Mio t), Russland (8,2 Mio. t) und Kolumbien (4,0 Mio t). Der Steinkohleabsatz für Kraftwerke lag in Deutschland bei 50,8 Mio. t

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 2 von 202

Frage Nr. 2

Wie sind die in Deutschland eingesetzten Primärenergieträger hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Kriterien Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu bewerten? Es gibt keinen Energieträger, der die energiewirtschaftlichen Kriterien Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen erfüllt. Jeder Energieträger hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. Aus Gründen der Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit ist es für den Industriestandort Deutschland wichtig, dass auch für die Zukunft ein möglichst breiter Energiemix bestehend aus fossilen Energieträgern (Stein- und Braunkohle, Erdgas), regenerativen Energien (Windkraft, Wasserkraft und Biomasse) sowie Kernkraft erhalten bleibt. Für eine sichere und zuverlässige Stromversorgung sind fossil befeuerte Kraftwerke weiterhin notwendig, auch wenn isoliert betrachtet unter dem Aspekt der Umweltverträglichkeit erneuerbare Energien wie Wind und Sonne besser als Kohle abschneiden. Konventionelle Kraftwerke decken die benötigte Grundlast ab und stellen sicher, dass unabhängig von der Witterung stets so viel elektrische Energie zur Verfügung steht, wie von den Verbrauchern benötigt wird. Dies ließe sich auch mit Gas befeuerten Kraftwerken gewährleisten. Gas hat zudem gegenüber der Kohle den Vorteil der besseren Umweltverträglichkeit. Allerdings ist Gas im Vergleich zur Kohle in der Beschaffung teuerer. Darüber hinaus existieren deutlich weniger Anbieterländer als beim Energieträger Steinkohle, der darüber hinaus im Unterschied zum Erdgas über Jahrhunderte weltweit verfügbar ist. Die Lieferstopps für Gas aus Russland Anfang des Jahres 2006 haben gezeigt, wie wichtig es ist, nicht einseitig auf den Energieträger Erdgas zu setzen, sondern weiterhin auf ein ausgewogenes Portfolio zu achten (Risikoverteilung). Deshalb baut E.ON sowohl hochmoderne Gasund Dampf- als auch Steinkohlekraftwerke. Darüber hinaus setzt auch E.ON auf den 2

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 3 von 202

Ausbau der erneuerbaren Energien. Um einen Beitrag zu den Zielen der Bundesregierung zu leisten, bis 2020 in 20 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbaren Energien zu decken, setzt das Unternehmen vor allem auf den Ausbau der Windeenergie (Offshore) und investiert in die Erschließung von Biogas. Zur Deckung des tagtäglichen Strombedarfs können wir jedoch noch nicht auf die konventionellen Energieträger wie Kohle und Gas verzichten. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund des von der Bundesregierung ebenfalls beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie.

Frage Nr. 3:

Kann die Stromproduktion des geplanten Blocks 6 sowohl mengenmäßig als auch im benötigten Lastbereich durch regenerative Energien wie Wind, Photovoltaik oder Biomasse in der Region erzeugt werden? Rein physikalisch lässt sich die im geplanten Neubau erzeugte Strommenge in anderen, also auch regenerativ betriebenen Kraftwerken, abdecken. Mit Bezug auf die räumliche Begrenzung „in der Region“ kann man diese Frage jedoch nur mit „nein“ beantworten. Alle auf Basis der genannten regenerativen Primärenergieträger arbeitenden Kraftwerke in der Region zusammen sind nicht in der Lage, auch nur einen nennenswerten Anteil der im Neubau geplanten Strommenge zu ersetzen. Bei einer Leistung einer modernen Windkraftanlage von rund 2 Megawatt (MW) wären rechnerisch 500 Anlagen erforderlich, um bei maximaler Windstärke die Leistung des geplanten Neubaublocks zu erreichen. Allerdings steht der Wind nicht immer mit maximaler Stärke zur Verfügung. Rechnet man mit einer durchschnittlichen Verteilung der Windstärke zwischen völliger Flaute und Sturm, so ergibt sich, dass etwa die 10fache Windanlagenleistung erforderlich ist, um ein Steinkohlekraftwerk zu ersetzen. Das bedeutet, dass rund 5000 Windkraftanlagen benötigt werden, um die Strommenge zu ersetzen, die von einem 1000 MW-Steinkohlekraftwerk produziert wird. 3

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 4 von 202

Darüber hinaus gibt es Zeiten, in denen die Windkraft überhaupt nicht zur Verfügung steht (Flaute). Wichtig für die Stromversorgung ist darüber hinaus, dass die geforderte Strommenge jederzeit im benötigten Umfang erzeugt werden kann. D.h., um in konventionellen Kraftwerken erzeugte Leistung durch regenerative zu ersetzen, muss diese im Augenblick der Lastanforderung durch das Kraftwerk auch erbracht werden können. Hier ist bei der Grundlastfähigkeit der regenerativen Kraftwerken zu unterscheiden in solche, die über diese Eigenschaft verfügen und solche, die nur „stochastisch“, also unplanbar bzw. ungesichert, Strom in das Netz einspeisen können. Naturgemäß bringen Wind- und Photovoltaikanlagen praktisch keine gesicherte Leistung, können somit also keinen Beitrag leisten, nach Plan einsetzbare Kraftwerke zu ersetzen. Diese Rolle kann von den genannten regenerativen Kraftwerken nur die Biomasse für sich in Anspruch nehmen – Voraussetzung ist natürlich, dass die Versorgung und Bevorratung mit Biomasse gesichert ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass bei einer aktuell üblichen Anlagengröße von ca. 20 MWel entsprechend rund 50 solcher Anlagen benötigt werden, um rechnerisch den geplanten Block 6 zu ersetzen. Der Brennstoffbedarf für diese 50 Anlagen würde jährlich 10 Mio. t Holz betragen.

Frage Nr. 4:

Falls ja, wie könnte das geschehen, mit welchen Investitionskosten ist zu rechnen und wie ändern sich die Stromkosten in dieser Variante im Vergleich zur Stromerzeugung auf Basis Steinkohle? Ein vollständiger Ersatz unseres geplanten Steinkohleblocks 6 wäre auf regenerativer Basis theoretisch nur durch ein Äquivalent von rund 50 Biomasseanlagen möglich (siehe Frage 3). Die Logistik für die hierfür erforderliche Biomassemenge ist, sowohl was das Aufkommen in der Region anbelangt, als auch bezüglich des erforderlichen Flächenbedarfs der Anlagen in der Region, schwer vorstellbar. 4

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 5 von 202

Ein wesentlicher Bestandteil der Stromgestehungskosten sind die Abschreibungen auf Investitionen. Die Investitionsausgaben einer Biomasseanlage sind spezifisch etwa 2 bis 3 mal so hoch wie bei Steinkohlekraftwerken.

Frage Nr. 5

Gibt es Alternativen zum geplanten Energieträger Steinkohle, mit dem sich ein geringerer Schadstoff- und CO2-Ausstoß sowie ggf. eine höhere Energieeffizienz erreichen lässt? Die Stromerzeugung in einem Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) ist mit geringeren spezifischen Emissionen an Schadstoffen und CO2 verbunden als die bei einem Kohlekraftwerk der Fall ist. Auch hat eine GuD-Anlage aufgrund der effizienten Brennstoffausnutzung (doppelte Nutzung des Brennstoffs durch gekoppelte Gas- und Dampfturbinen) einen noch höheren Wirkungsgrad als die Steinkohlekraftwerke der neusten Generation. Allerdings kann Deutschland aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Preisstabilität nicht ausschließlich auf den Energieträger Erdgas setzen. Erdgas kommt aus wenigen, politisch instabilen Regionen und ist nur noch für ca. 40-60 Jahre verfügbar. Steinkohle dagegen ist in vielen Regionen weltweit verfügbar und hat eine Reichweite von ca. 200 Jahren. E.ON setzt also auch an dieser Stelle auf einen ausgewogenen Energiemix. Im Süden Deutschlands, wo Steinkohlekraftwerke aufgrund des Brennstofftransports weniger gut versorgt werden können, errichtet E.ON derzeit zwei neue GuDKraftwerke (Irsching). Der Standort Staudinger ist als vorhandener Steinkohlestandort jedoch ideal für ein neues Steinkohlekraftwerk geeignet. Dies gilt insbesondere aufgrund der bereits vorhandenen Infrastruktur für die Kohlelogistik durch Schiff und Bahn.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 6 von 202

Eine Reduzierung des spezifischen CO2-Ausstoßes und sonstiger Emissionen ergibt sich auch bei Beibehaltung des bestehenden Energiemix dadurch, dass die Energieeffizienz neuer Anlagen erheblich höher ist als die der dadurch abgelösten Altanlagen. Nach Einführung des Emissionshandels im Jahr 2005 wird durch die Gesamtzahl der ausgegebenen CO2-Zertifikate eine Mengensteuerung der CO2-Emissionen vorgenommen, d.h. die CO2-Emissionen werden vorgegeben und infolge marktwirtschaftliche Mechanismen die wirtschaftlichsten Maßnahmen realisiert, um die vorgegebene CO2-Emissionsmenge nicht zu überschreiten. Sinn dieses Instrumentes ist es, die Entscheidung über die verwendeten Technologien (Effizienzsteigerung, Energieträgerwechsel) zu einem möglichst großen Teil als unternehmerisches Risiko den Stromproduzenten zu überlassen. Diese müssen auf Basis ihrer Marktinformationen, ihrer technischen Kenntnisse, ihrer Erwartungen der zukünftigen Brennstoffpreisentwicklungen und ihrer Risikobewertung die Investitionsentscheidungen treffen.

Frage Nr. 6

Halten Sie die in der E.ON-Pressemitteilung vom 28. Juni 2007 enthaltene Aussage "Das Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg wird nach Inbetriebnahme des geplanten Blocks 6 und Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 weniger Luftschadstoffe abgeben als heute - obwohl so viel Strom erzeugt werden soll wie bisher." für realistisch? Ja. Mit Bau der neuen geschlossenen Kohlelager und dem Einsatz hocheffektiver Rauchgasreinigungssysteme werden wir weniger Luftschadstoffe als im Durchschnitt der letzten 11 Jahre (1996 – 2006) emittieren.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 7 von 202

Fragen der SPD Frage Nr. 1

Falls Sie die Regierungsanhörung vor Ort verfolgen konnten: Welche Konsequenzen müssen nach Ihrer Meinung aus der Anhörung gezogen werden? Die durchgeführte Regierungsanhörung diente dem Ziel, eine belastbare Einschätzung zu der Frage zu erhalten, ob sich im Zusammenhang mit dem zukünftigen Genehmigungsantrag zur Errichtung des Blockes 6 relevante Faktoren herausstellen, die nur in einem Raumordnungsverfahren zu berücksichtigen wären und nicht im BImSchG- Verfahren gleiche inhaltliche Beachtung und öffentliche Erörterung erfahren werden. Der Standort Staudinger ist bereits im Regionalplan Südhessen 2000 als Kraftwerksstandort ausgewiesen. Damit liegt bereits ein hinreichend räumliches und sachliches Raumordnungsziel vor. Zudem sieht das Hessische Landesplanungsgesetz für diesen Fall der Änderungsgenehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz kein Raumordnungsverfahren vor. Selbst für den Fall der Neugenehmigung ist kein Raumordnungsverfahren erforderlich, da die Beurteilung der Raumverträglichkeit bereits gewährleistet ist. Der bereits vorhandene Flächennutzungsplan der Gemeinde Großkrotzenburg ist aus dem Raumordnungsplan entwickelt worden und geht mit dessen Zielen einher. Des Weiteren können die im Regionalplan im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durch ein Kraftwerksvorhaben geforderten ökologischen Vorteile sinnvoll in den Untersuchungsrahmen des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG eingestellt werden (so bereits geschehen). Ein Raumordnungsverfahren wäre deshalb entbehrlich gewesen, da der Untersuchungsrahmen der UVU für das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG bereits wesentliche relevante raumordnerische Aspekte zur Untersuchung aufgibt.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 8 von 202

Dennoch akzeptieren wir die von der Hessischen Landesregierung am 24. August d.J. getroffene Entscheidung, zusätzlich zum BImSchG-Verfahren noch ein Raumordungsverfahren durchzuführen. Wir haben die Erwartung, dass das ROV parallel zum immissionsschutzrechtlichen Verfahren zügig und sachorientiert durchgeführt wird.

Frage Nr. 2

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass ein länderübergreifendes Raumordnungsverfahren - zumindest bis jetzt - noch nicht vorgesehen ist und halten Sie dies gegenüber den betroffenen Regionen, Gebietskörperschaften und ihrer Bewohner für verantwortlich? Das Hessische Landesplanungsgesetz sieht u. E. für den Fall der Errichtung des Blockes 6 kein Raumordungsverfahren vor. Die von unserem Vorhaben betroffene Region, deren Gebietskörperschaften und ihre Bewohner sind bereits im Vorfeld des noch anstehenden Anlagenzulassungsverfahrens durch eine Vielzahl durchgeführter Veranstaltungen informiert worden und zwar sowohl auf hessischer als auch auf bayerischer Seite. Das Anlagenzulassungsverfahren, indem wiederum die zuständigen bayerischen Fachbehörden und die betroffene Öffentlichkeit eingebunden sind, wird als öffentliches Verfahren ab Anfang 2008 durchgeführt. In das nunmehr durchzuführende ROV wird sich unsere Gesellschaft konstruktiv einbringen.

Frage Nr. 3

Kann die Entscheidung über den Bau des Blockes 6 mit all den zu erwartenden direkten und indirekten Umweltfolgen ohne Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt verantwortbar getroffen werden?

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 9 von 202

Das Anlagenzulassungsverfahren für den Block 6 des Kraftwerkes Staudinger ist ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren. Dieses sogenannte Trägerverfahren beinhaltet eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Die Abstimmung über den Untersuchungsrahmen der UVP –das sogenannte Scopingverfahren- hat bereits stattgefunden. Der vorläufige Untersuchungsrahmen der UVP ist im Internet unter dem Link www.rp-darmstadt.hessen.de veröffentlicht. Wir gehen davon aus, dass sowohl der Untersuchungsrahmen als auch die eigentliche, im Rahmen des ROV durchzuführende UVU der Öffentlichkeit bekanntgegeben wird.

Frage Nr. 4

Sehen Sie das Land Hessen nicht in der (moralischen) Pflicht, aufgrund seiner klimapolitischen Verantwortung nach dem Klimagipfel sein Antragsrecht auf Durchführung eines ROV wahrzunehmen? Die Beantwortung dieser Frage ist durch die Entscheidung der hessischen Landesregierung ein ROV durchzuführen nicht mehr notwendig.

Frage Nr. 5

Welche Strommenge wird gegenwärtig mit den vorhandenen fünf Blöcken am Standort Staudinger erzeugt? Das Kraftwerk Staudinger hat in den vergangenen Jahren (2000-2006) durchschnittlich 5,5 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr Strom produziert.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 10 von 202

Frage Nr. 6

Welche Rolle spielt der Standort Staudinger gegenwärtig für die Strombedarfsdeckung der Rhein-Main-Region oder Hessens? Mit einer jährlichen Stromerzeugung von rund 5,5 Milliarden Kilowattstunden (5,5 TWh) trägt das Kraftwerk Staudinger zu rund einem Siebtel zur Deckung des Strombedarfs des Bundeslandes Hessen bei. (Strombedarf Hessen: ca.34 TWh/Jahr, Quelle: BMWi )

Frage Nr. 7

Wären nach einer Abschaltung der Blöcke 1 bis 3 die dann noch vorhandenen Blöcke 4 und 5 technisch "in der Lage", dieselbe Menge Strom zu erzeugen? Block 4 wäre theoretisch zwar in der Lage mehr Strom zu erzeugen als heute, er dient heute schließlich nicht als Grundlast-, sondern als Spitzenlastkraftwerk, allerdings wird er in dieser Funktion auch benötigt, um Strombedarfsspitzen abzudecken und vor allem die unregelmäßige Stromeinspeisung der Windkraft auszuregeln. Da Strom stets in dem Augenblick produziert werden muss, wenn er gebraucht wird, kann auch zukünftig nicht auf die Spitzenlastkraftwerke verzichtet werden. Die Rolle der Spitzenlastkraftwerke nimmt darüber hinaus aufgrund der wachsenden Bedeutung der erneuerbaren Energien und ihren Einspeiseschwankungen stetig zu. Ein wirtschaftlicher Betrieb dieses mit Erdgas betriebenen Kraftwerks ist zudem nur in vergleichsweise wenigen Stunden des Jahres möglich. Ein „Zwangseinsatz“ würde also die Stromerzeugung verteuern.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 11 von 202

Frage Nr. 8

Wie viel Prozent der möglichen Fernwärme wird heute genutzt? Bzw.: Weshalb ist die heutige Nachfrage an Fernwärme so gering?

Das Kraftwerk Staudinger versorgt heute rund 16.000 Haushalte in Hanau und in Großkrotzenburg mit Fernwärme. Die Nachfrage nach Fernwärme ist aufgrund der fehlenden Infrastruktur derzeit noch nicht ausreichend. Um Fernwärme beziehen zu können, werden die entsprechenden Fernwärmeleitungen benötigt. In den Haushalten ist der Einbau eines Wärmetauschers notwendig. E.ON Kraftwerke bemüht sich derzeit intensiv um eine Ausweitung der Fernwärmeauskopplung aus dem Kraftwerk Staudinger und führt in diesem Zusammenhang Gespräche mit verschiedenen Partnern, Firmen und Hochschulen aus der Region. Notwendig ist ein langfristiges Konzept für die Fernwärmeversorgung im Umkreis des Kraftwerks Staudinger. Ein solches Konzept kann E.ON jedoch nicht im Alleingang umsetzen. Hierzu ist die politische und raumplanerische Unterstützung aller Beteiligten in der Region notwendig.

Frage Nr. 9

Wie viele Haushalte werden gegenwärtig mit Fernwärme versorgt, wie viele 2013, und findet die zusätzliche Fernwärme Verwendung? Das Kraftwerk Staudinger versorgt heute rund 16.000 Haushalte in Hanau und in Großkrotzenburg mit Fernwärme. Block 6 ist technisch so konzipiert, dass maximal 300 MW Fernwärme ausgekoppelt werden können. Dies entspräche dem Bedarf von ca. 30.000 Haushalten. E.ON 11

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 12 von 202

Kraftwerke bemüht sich bereits intensiv darum neue Abnehmer für die umweltschonende Kraft-Wärme-Kopplung zu finden (vgl. auch Frage Nr. 8). Allerdings ist hierfür auch der politische Wille und die Unterstützung der Region notwendig.

Frage Nr. 10

Wie groß ist der CO2-Ausstoß der Blöcke 1 bis 5 gegenwärtig pro Jahr insgesamt? Das Kraftwerk Staudinger hat in den letzten Jahren (2000-2006) rund 5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittiert.

Frage Nr. 11

Welcher CO2-Ausstoß ist vom neuen Block 6 pro Jahr zu erwarten? E.ON Kraftwerke geht davon aus, dass sich die Stromerzeugung am gesamten Standort von heute 5,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich auf bis zu 10 Milliarden Kilowattstunden erhöhen kann und damit nahezu verdoppeln wird. Der CO2-Ausstoß dagegen erhöht sich dabei aufgrund des höheren Wirkungsgrads des neuen Blocks 6 um lediglich gut 50%. Er kann bei verdoppelter Erzeugung von heute fünf auf 7,5 bis 8 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen. Wichtig ist jedoch, dass jede vom Verbraucher benötigte Kilowattstunde Strom nur einmal erzeugt werden kann. Wenn wir also mehr Strom am Standort Staudinger produzieren, verringert sich die Strommenge der übrigen Kraftwerke entsprechend. Unter dem Strich sinkt der CO2 - Ausstoß somit in jedem Fall um mindestens 20 Prozent. 12

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 13 von 202

Frage Nr. 12

E.ON will das anfallende CO2 abscheiden. Ist der Standort für das sogenannte CCS (cabone capture storage), also die Abscheidung von CO2, geeignet? Der geplante Kraftwerksneubau ist gut geeignet für eine spätere Nachrüstung der CO2 Abtrennung und -speicherung. Dies liegt im Wesentlichen an der hohen Effizienz dieses Kraftwerkes, die dem Verlust an Wirkungsgrad, der mit Anwendung von CCS einhergeht, entgegenläuft. Von der Vielzahl technischer Varianten der CO2 Abtrennung ist daher vor allem die nachgeschaltete CO2 - Abtrennung aus dem Abgas des Kraftwerks attraktiv. Der Standort ist für eine CCS Technologie von seiner geographischen Lage wie auch vom benötigten Platzbedarf für eine solche Anlage geeignet.

Frage Nr. 13

Wo soll es gelagert werden, und auf welche Weise gelangt es dorthin? Unter den grundsätzlich denkbaren Lagerungsmöglichkeiten kommen aus unserer Sicht unter ökologischen Gesichtspunkten vor allem solche Optionen in Frage, bei denen das CO2 in geologischen Gesteinformationen eingelagert wird. In dieser Kategorie unterscheiden Geologen verschiedene Optionen, die von den natürlichen Gegebenheiten des Untergrundes klassiert werden. Sofern Gesteinsformationen zur Anwendung kommen, die zum Zeitpunkt der Einlagerung des CO2 noch flüssige oder gasförmige Brennstoffe enthalten, kann unter gewissen Umständen die Ausbeutung dieser Ressourcen durch die Einlagerung des CO2 positiv beeinflusst werden. Jüngste geologische Untersuchungen zeigen, dass in der direkten Umgebung des Kraftwerkes selbst keine geeigneten Lagerstätten verfügbar sind. Naheliegende Lagerstätten befinden sich in der Norddeutschen Tiefebene und beispielsweise unter der Nordsee. 13

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 14 von 202

Die Frage der Erreichbarkeit von Lagerstellen bzw. der Entfernung zwischen Kraftwerken und Lagerstätten ist lediglich ein wirtschaftliches Kriterium, das in die Gesamtwirtschaftlichkeit großtechnischem

eingeht.

Einsatz

von

Zudem

ist

anzunehmen,

CCS-Technologien

eine

dass

sich

bei

Transportinfrastruktur

(Pipeline) entwickeln wird, die die Kosteneffizienz des Transports erhöhen wird. Die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Transportoptionen hängt grundsätzlich von den zu befördernden Mengen und von der zu überbrückenden Entfernung ab. In den meisten Fällen wird der Transport durch Pipelines erfolgen, so wie bei nahezu allen technischen Gasen, die in großen Mengen befördert werden müssen. Bei großen Transportentfernungen auf See kann der Transport per Schiff die wirtschaftlichere Alternative darstellen (ähnlich LNG - Transport).

Frage Nr. 14

Ist CCS überhaupt eine tragfähige Option unter wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Gesichtspunkten? CCS-Technologien weisen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nach heutigem Kenntnisstand geringere CO2-Vermeidungskosten auf als Erneuerbare Energien und sind daher eine gesamtwirtschaftlich sinnvolle Option. Zudem haben CCSTechnologien nicht den prinzipbedingten Nachteil der meisten Erneuerbaren Energien, der sich aus der mangelnden Gleichzeitigkeit von Energiebereitstellung und Energienachfrage ergibt.

Es ist durch die Entwicklung der Technologien sicher zu stellen, dass eine sehr sichere und wirtschaftlich optimierte Abtrennung und Speicherung ermöglicht wird. E.ON ist mit einem sehr umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsprogramm bestrebt, die Entwicklung zu beschleunigen.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 15 von 202

Frage Nr. 15

Wie hoch sind die weiteren Schadstoffemissionen des Kraftwerkes derzeit pro Jahr? Zu den relevanten Luftschadstoffen, zu denen es Grenzwerte in der 13. BImSchV geregelte Grenzewerte für Deutschland gibt, zählen Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Staub. Das Kraftwerk Staudinger emittiert heute im Jahr durchschnittlich 1219 Tonnen Schwefeldioxid, 3554 Tonnen Stickstoffdioxid und 442 Tonnen Staub.

Frage Nr. 16

Welche Schadstoffemissionen sind in welcher Höhe nach dem Neubau des Blockes 6 seitens des Kraftwerkes pro Jahr zu erwarten? Das Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg wird nach Inbetriebnahme des geplanten Blocks 6 und Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 weniger Luftschadstoffe abgeben als heute - obwohl am Standort etwa doppelt so viel Strom erzeugt werden soll wie bisher. Die bei der vorhergehenden Frage genannten Jahresmengen der für die Region bedeutsamen Luftschadstoffe Staub, Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid wird künftig also niedriger sein als in den vergangenen Jahren. Mit diesen Werten setzt E.ON Kraftwerke neue Maßstäbe in der Rauchgasreinigung. Ermöglicht wird diese Verbesserung durch den Einsatz modernster Technik, die Luftschadstoffe noch wirksamer zurückhält. Block 6 wird mit neuer Filtertechnik für Staub, noch leistungsfähigeren Wäschern für Schwefeldioxid und zusätzlichen Katalysatoren zur Stickoxidminderung ausgestattet sein. Die vom Gesetzgeber geforderten Grenzwerte werden von Block 6 mehr als deutlich unterschritten.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 16 von 202

Frage Nr. 17

Wie groß wäre das Auskopplungspotenzial (Kraft-Wärme-Kopplung) des neuen Blockes 6? Block 6 ist technisch so konzipiert, dass maximal 300 MW Fernwärme ausgekoppelt werden können. Dies entspräche dem Bedarf von ca. 30.000 Haushalten.

Frage Nr. 18

Mit welcher Laufzeit eines neuen Blockes 6 ist zu rechnen? Die planmäßige Laufzeit von Steinkohlekraftwerken beträgt bei E.ON Kraftwerke 45 Jahre (Steinkohlekraftwerke sind auf 200000 Betriebskunden ausgelegt). Durch kontinuierliche Modernisierung und Nachrüstung ist es möglich, die Lebenszeit eines Kraftwerks über diesen Zeitraum hinaus zu verlängern oder auch aus Gründen der Einsparung von Instandhaltungskosten zu verringern.

Frage Nr. 19

Welche Laufzeit haben die weiterhin bestehenden Blöcke? E.ON Kraftwerke geht derzeit davon aus, dass Block 4 noch bis 2026 und Block 5 bis 2036 in Betrieb sein wird. Da die Anlagen stets im Rahmen der Möglichkeiten an den neuesten Stand der Technik angepasst werden, kann es sein, dass sie länger wirtschaftlich betrieben werden können. Aufgrund der Marktentwicklung ist es aber ebenfalls denkbar, dass sie schon früher vom Netz gehen. Gutes Beispiel hierfür ist Block 2. Das Kraftwerk aus dem Jahr 1965 wurde bereits 2001 aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit konserviert. Eine fehlende Neubaualternative bedeutet eine notwendige Renaissance der alten ineffizienteren Kraftwerkseinheiten. 16

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 17 von 202

Frage Nr. 20

Welche äußeren Dimensionen haben die Bauwerke zum Block 6 und die beiden Kohlelager? Das Kesselhaus von Block 6 wird eine Höhe von ca. 120 Metern haben. Der notwendige dazugehörige Kühlturm wird maximal 180 Meter hoch. Die beiden Kohlelager sollen jeweils einen Durchmesser von ca. 120 Metern haben und knapp 60 Meter hoch werden.

Frage Nr. 21

Welche Nachteile oder Gefahren für die direkte Umgebung sind durch die Dimensionen des neuen Blocks 6 und der beiden Kohlelager zu erwarten? Im Zusammenhang mit der Errichtung des neuen Blockes 6 und des neuen Kohlelagers ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Realisierung der Neubauvorhaben das alte Kohlelager und die ab 2012 stillgelegten Blöcke 1 bis 3 zurückgebaut werden und insofern für eine Entlastung des Landschaftsbildes gesorgt werden wird. Zudem ist festzustellen, dass der Standort Staudinger seit mehr als 40 Jahren das Landschaftsbild der Region prägt. Insofern ist die Empfindlichkeit der Landschaft aufgrund der Vorprägung durch die bestehenden Kraftwerksanlagen und der bereits vorhandenen Flächenversiegelungen durch Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflächen relativ gering. Aufgrund der Abmaße der neuen Kraftwerksanlagen (Kühlturm, Kesselhaus und Kohlelager) werden dennoch nachteilige Wirkungen auf das Landschaftsbild gegeben sein. Details zum Thema Landschaftsbild werden wir in einem Fachgutachten „ der Landschaftsbildanalyse“ einschließlich möglicher Kompensationsmaßnahmen betrachten. Dieses Gutachten wird Bestandteil der Genehmigungsunterlagen sein, die wir zum Jahreswechsel 2007/08 einreichen und für die Öffentlichkeit einsehbar auslegen werden.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 18 von 202

Gefahren für die Nachbarschaft durch die neuen Kubaturen der Kraftwerksanlagen können wir ausschließen. Eine mögliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes lässt sich nicht ausschließen, wir werden diese aber durch architektonische, gestalterische Maßnahmen bei der Planung der Bauwerke begrenzen und soweit möglich durch landschaftspflegerische Maßnahmen kompensieren.

Frage Nr. 22

Wie viele Menschen sind derzeit am Standort beschäftigt, wie viele werden es nach Fertigstellung des Blockes 6 sein? Am Standort Staudinger sind derzeit insgesamt etwa 420 Mitarbeiter und 40 Auszubildende beschäftigt. Mit Außerbetriebnahme der Blöcke 1 bis 3 und der Inbetriebnahme von Block 6 sowie des neuen, automatisierten Kohlelagers werden ca. 30 Arbeitsplätze weniger benötigt als heute. Ohne den neuen Kraftwerksblock 6 als Ersatz für die Blöcke 1 bis 3 würden 100 Arbeitsplätze wegfallen. Mit dem neuen Block bleiben also 70 Arbeitsplätze erhalten. Klar ist sicher auch, dass der Neubau von Block 6 zur langfristigen Standortsicherung beiträgt und damit nicht nur Arbeitsplätze vor Ort, sondern auch bei zahlreichen Zulieferfirmen der Region sichert.

Frage Nr. 23

Wie bewerten Sie die bekannt gewordenen Vorschläge zur Wasserkraftnutzung neben einem neuen Block 6? Wird dieser dadurch "ökologischer"?

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 19 von 202

E.ON setzt auf einen breiten Energie-Mix, zu dem auch die Wasserkraft gehört. Gemeinsam mit seiner Schwestergesellschaft E.ON Kraftwerke prüft E.ON Wasserkraft derzeit die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit eines Wasserkraftwerks an der Staustufe in Kleinkrotzenburg. Dieses besitzt ein mögliches elektrisches Leistungspotential entsprechend der Ausbauvariante zwischen 0,5 bis 2,1 Megawatt. Block 6 mit einer Leistung von 1.100 Megawatt, kann ein solches Wasserkraftwerk selbstverständlich nicht ersetzen. Jede Kilowattstunde, die jedoch durch erneuerbare Energien erzeugt wird, muss nicht mehr mit Hilfe von Kernkkraft, Gas oder Kohle produziert werden. Aus dieser Perspektive macht jede regenerative Energiequelle genauso wie das Einsparen von Energie Block 6 „ökologischer“. Die Nutzung von Wasserkraft ist ein bedeutender Beitrag zur regenerativen Energieerzeugung und wird daher von E.ON intensiv unterstützt. Neben vielen anderen Maßnahmen leistet E.ON mit der verstärkten Nutzung von Wasserkraft und dem Bau hochmoderner Steinkohlekraftwerke einen entscheidenden Beitrag zur umweltfreundlichen Energieerzeugung. Die Nutzung der Wasserkraft an der Staustufe Krotzenburg entspricht alleine nicht den wirtschaftlichen Kriterien. Im Gesamtkonzept mit Block 6 ist eine Neubewertung möglich.

Frage Nr. 24

Wie ist der von E.ON geplante Neubau angesichts der weltweit geführten Klimadebatte und der auch auf allen politischen Ebenen unstreitigen Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren, energiepolitisch zu bewerten? E.ON plant, mit dem Block 6 am Standort Staudinger ein hochmodernes Steinkohlekraftwerk zu bauen. Modern ist das Kraftwerk unter anderem deswegen, weil es wesentlich weniger Kohle verbraucht, um Strom erzeugen, als die alten Kraftwerke. Damit ist auch der CO2 Ausstoß wesentlich geringer. Das für die Energiewirtschaft maßgebliche politische Instrument zur Steuerung der 19

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Treibhausgasemissionen ist der im Jahr 2005 eingeführte Emissionshandel. Für Kraftwerke mit kohlenstoffhaltigen Brennstoffen bedeutet dies, dass nur soviel CO2 ausgestoßen werden darf wie Emissionsrechte vorhanden sind. Mit dem Handel von Emissionsrechten wird durch ein marktwirtschaftliches Verfahren sichergestellt, dass die wirtschaftlichsten Maßnahmen zur CO2-Minderung durchgeführt werden. Dabei bleibt es der wirtschaftlichen Bewertung und der Risikoeinschätzung der investierenden Unternehmen überlassen, in welchem Maße CO2-Minderung durch Effizienzsteigerung (wie bei Staudinger 6) oder durch Wechsel auf andere kohlenstoffärmere, aber teurere Energieträger erzielt wird. Durch den Neubau des Block 6 werden weder die Nachfrage nach Strom, noch die europaweiten Emissionen von CO2 beeinflusst, da diese durch die Gesamtzahl der verteilten CO2-Zertifikate bestimmt wird – sehr wohl aber die Kosten die Stromerzeugung. Aufgrund des hohen Wirkungsgrades emittiert das Kraftwerk deutlich über eine Million weniger Tonnen CO2 als ältere Steinkohlekraftwerke, die durch die modernere Anlage aus dem Markt verdrängt werden. Das neue Kraftwerk Staudinger kann also zu einer Reduzierung der in Deutschland benötigten CO2-Zertifikate um etwa 1,2 Million Tonnen CO2 beitragen – ohne dass dies nennenswert zu einer Steigerung der Zertifikats- und damit der Strompreise führt. Zugleich werden im Vergleich zu den außer Betrieb gehenden Anlagen deutlich weniger Steinkohle eingesetzt. Der neue Block des Kraftwerks Staudinger trägt also maßgeblich dazu bei, die Klimaschutzziele der Bundesregierung auf möglichst wirtschaftlichem Weg durch Effizienzsteigerung der Energieumwandlung zu erreichen.

Frage Nr. 25

Welche Standortalternativen für die Maßnahme sind vorstellbar, welche wurden mit welchem Ergebnis geprüft? Der Kraftwerkstandort Staudinger hat sich im Ranking möglicher Neubaustandorte für ein Steinkohlekraftwerk dieser Größenordnung qualifiziert und durchgesetzt. 20

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Damit erfolgt ein klares Bekenntnis der E.ON zur Weiterentwicklung und Stärkung dieses Wirtschaftsstandortes. Eine denkbare aber von uns derzeit nicht favorisierte Alternative ist der Weiterbetrieb der Altanlagen an diesem Standort über den Zeitpunkt 2012 hinaus.

Frage Nr. 26

Welche regionale Planungsverantwortung der Landesregierung stellt sich aus Ihrer Sicht, Alternativen zu prüfen im Dialog mit dem Antragsteller und den betroffenen Kommunen, darüber hinaus im Rahmen ihrer Planungsverantwortung für das Rhein-Main-Gebiet und dessen anderweitige Belastungen? Wie bereits unter der Antwort zur Frage 1 ausführt, werden die für die Umwelt relevanten regionalplanerischen Aspekte im Rahmen der UVU innerhalb des nunmehr durchzuführenden ROV geprüft.

Frage Nr. 27

Wie sehen Sie diese Planungsverantwortung, hier bezogen auf den Dialog mit dem Land Bayern und den bayerischen Anrainerkommunen, gegenüber dem östlichen Untermain und seinen besonderen klimatischen Bedingungen? In dem von dem Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Darmstadt, eingeleiteten Anlagenzulassungsverfahren (derzeit das Scopingverfahren) sind die nachfolgend genannten Fachbehörden und Anrainerkommunen bereits eingebunden. Auch insofern ist u. E. das Land Hessen seiner Planungsverantwortung durch die länderübergreifende Beteiligung der bayerischen Behörden und Kommunen an dem Genehmigungsprozess nachgekommen. Beteiligte bayerische Behörden und Kommunen: 21

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Regierung von Unterfranken, Abtlg. VIII,



Amt für Landwirtschaft und Forsten Würzburg,



Landratsamt Aschaffenburg,



Magistrat der Stadt Alzanau,



Gemeinverwaltung Kahl a. Main,



Gemeindeverwaltung Karlstein,

Wir gehen davon aus, dass in dem nunmehr durchzuführenden ROV das Land Bayern und die bayerischen Anrainerkommunen wiederum eingebunden sein werden.

Frage Nr. 28

Wie stehen Sie zu der aus dem kommunalen Bereich erhobenen Forderung nach einem einjährigen Moratorium zur landesseitigen Prüfung von Alternativen? Für ein einjähriges Moratorium sehen wir keinen sachlichen Grund. Alle notwendige Informationen über dieses Vorhaben liegen seit 9 Monaten (Scopingtermin 12/2006) vor. Es widerspricht außerdem den Forderungen an die Energieeffizienz aus Wirtschaft und Politik zügig mit modernen Kohlekraftwerken, bei einem Wirkungsgrad von 46 % alte, ineffiziente Kraftwerksleistung zu ersetzten. Dies ist ein entscheidender Beitrag mit einem ressourcenschonenden Brennstoffeinsatz und bedeutet eine deutliche Reduzierung der CO2–Emission, insbesondere in der Grundlastversorgung. Dies ist nicht nur unter klimapolitischen Gesichtspunkten geboten, sondern sichert die Versorgung zu wettbewerbsfähigen Energiepreisen.

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Frage Nr. 29

Welche Alternativen aus regenerativen Energieträgern bieten sich bereits heute zu der am Standort Staudinger erzeugten Energie aus Steinkohle an? Rein physikalisch lässt sich die im geplanten Neubau erzeugte Strommenge in allen anderen, also auch regenerativ betriebenen Kraftwerken, abdecken. Mit Bezug auf die räumliche Begrenzung „in der Region“ kann man diese Frage jedoch nur mit „nein“ beantworten. Alle auf Basis der genannten regenerativen Primärenergieträger arbeitenden Kraftwerke in der Region zusammen sind nicht in der Lage, auch nur einen nennenswerten Anteil der im Neubau geplanten Strommenge zu ersetzen. Bei einer Leistung einer modernen Windkraftanlage von rund 2 Megawatt (MW) wären rechnerisch 500 Anlagen erforderlich, um bei maximaler Windstärke die Leistung des geplanten Neubaublocks zu erreichen. Allerdings steht der Wind nicht immer mit maximaler Stärke zur Verfügung. Rechnet man mit einer durchschnittlichen Verteilung der Windstärke zwischen völliger Flaute und Sturm, so ergibt sich, dass etwa die 10fache Windanlagenleistung erforderlich ist, um ein Steinkohlekraftwerk zu ersetzen. Das bedeutet, dass rund 5000 Windkraftanlagen benötigt werden, um die Strommenge zu ersetzen, die von einem 1000 MW- Steinkohlekraftwerk produziert wird. Darüber hinaus gibt es Zeiten, in denen die Windkraft überhaupt nicht zur Verfügung steht (Flaute). Wichtig für die Stromversorgung ist darüber hinaus, dass die geforderte Strommenge jederzeit im benötigten Umfang erzeugt werden kann. D.h., um in konventionellen Kraftwerken erzeugte Leistung durch regenerative zu ersetzen, muss diese im Augenblick der Lastanforderung durch das Kraftwerk auch erbracht werden können. Hier ist bei den regenerativen Kraftwerken zu unterscheiden in solche, die über diese Eigenschaft verfügen und solche, die nur „stochastisch“, also unplanbar bzw. ungesichert, Strom in das Netz einspeisen können. Naturgemäß bringen Wind- und 23

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Photovoltaikanlagen praktisch keine gesicherte Leistung, können somit also keinen Beitrag leisten, nach Plan einsetzbare Kraftwerke zu ersetzen. Diese Rolle kann von den genannten regenerativen Kraftwerken nur die Biomasse für sich in Anspruch nehmen – Voraussetzung ist natürlich, dass die Versorgung und Bevorratung mit Biomasse gesichert ist. Darüber hinaus ist anzumerken, dass bei einer aktuell üblichen Anlagengröße von ca. 20 MWel entsprechend rund 50 solcher Anlagen benötigt werden, um rechnerisch den geplanten Block 6 zu ersetzen. Der Brennstoffbedarf für diese 50 Anlagen würde jährlich 10 Mio. t Holz betragen. Für die Versorgung wäre eine umfangreiche Infrastruktur mit entsprechendem Transportverkehr nötig. Ähnlich verhält es sich mit Biogasanlagen.

Ein vollständiger Ersatz unseres geplanten Steinkohleblocks 6 wäre auf regenerativer Basis theoretisch nur durch ein Äquivalent von rund 50 Biomasseanlagen möglich (siehe Frage 3). Die Logistik für die hierfür erforderliche Biomassemenge ist sowohl was das Aufkommen in der Region anbelangt, als auch bezüglich des erforderlichen Flächenbedarfs der Anlagen in der Region schwer vorstellbar. Ein wesentlicher Bestandteil der Stromgestehungskosten sind die Abschreibungen auf Investitionen. Die Investitionskosten einer Biomasseanlage sind spezifisch etwa 2 bis 3 mal so hoch wie bei einem Steinkohlekraftwerken.

Frage Nr. 30

Wie groß sind die Anteile heimischer und Import-Kohle an der zur Verbrennung am Standort Staudinger vorgesehenen Kohlemenge? Der geplante Block 6 wird 100% Importkohle verbrennen. Einheimische Steinkohleförderung wird voraussichtlich 2018 beendet werden.

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Frage Nr. 31

Von woher wird E.ON die Steinkohle beziehen, die in Staudinger 6 verbrannt würde? Der Bezug von Importkohle für die EKW Kraftwerke erfolgt auf breit differenzierter Basis. Diese Vorgehensweise wird auch für den Neubau von Staudinger 6 beibehalten werden. Wir gehen davon aus, dass die Steinkohle für Staudinger 6 im Wesentlichen aus folgenden Ländern erfolgen wird: Südafrika, Russland, Kolumbien, Indonesien und Australien. Damit kann sichergestellt werden, dass stets die notwendigen Qualitäten verfügbar sind und einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Ländern bzw. Produzenten vermieden werden können.

Frage Nr. 32

Wie ist die Preisentwicklung für Kohle auf dem Weltmarkt vor dem Hintergrund des wachsenden Energiebedarfs und der Endlichkeit des Produktes einzuschätzen? Seit 2000 haben sich die Preise für Öl und Gas stark erhöht. Ursachen waren u.a. ein stark steigender Verbrauch in den Entwicklungsländern Asiens und ungenügende Investitionen in die Entwicklung zusätzlicher Förderkapazitäten (u.a. Öl- und Gasfelder, Infrastruktur und Bergbau). Viele internationale Studien gehen davon aus, dass der Verbrauch von fossilen Energierohstoffen bis 2030 weiter zunehmen wird. Hinsichtlich der Preisentwicklung für Kohle geht die IEA in ihrer Studie bezüglich des Energieverbrauches davon aus, dass die Preise für Steinkohle langfristig sich unter den Preisen von Öl und Gas liegen werden.

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Frage Nr. 33

Welche preispolitischen Probleme sehen Sie für neue Energieerzeugungstechniken durch eine weitere jahrzehntelange Zementierung fossiler Energieträger in Hessen? Strom aus fossilen Energieträgern ist preiswerter als Strom aus erneuerbaren Energiequellen und auch die Forschung und Entwicklung neuer Erzeugungstechniken erfordert wesentliche Investitionen. Aus diesem Grund ermöglicht die relativ preisgünstige Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern die Weiterentwicklung neuer Erzeugungstechniken bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Preisniveaus. E.ON forscht im Rahmen eines umfangreichen F&E Portfolios an sämtlichen Technologien zur Stromversorgung: Erzeugung in Großkraftwerken, dezentralen Kleinkraftwerken wie Brennstoffzellen, regenerativen Energien, Transport und Speicherung von Energie bis hin zu Energiesparmaßnahmen.

Frage Nr. 34

Mit wie vielen zusätzlichen Verkehrsbewegungen muss im Umfeld des Standortes in welchem Zeitraum alleine durch die beabsichtigte Baumaßnahme schätzungsweise gerechnet werden? Während der Bauphase (voraussichtlich März 2008 bis Dezember 2012) wird das Verkehrsaufkommen um ca. 13 LKW’s und 20 PKW’s pro Stunde (ausschließlich in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr) erhöht. In der Nachtzeit ist mit einer Erhöhung von ca. 2-3 PKW’s pro Stunde zu rechnen.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Fragen von Bündnis 90 / die Grünen Frage Nr. 1

Welche Techniken zur Schadstoffreduktion werden in modernen Steinkohlekraftwerken angewandt, und welche Rückhaltequoten lassen sich damit erreichen? Die aus der Verbrennung der Steinkohle erzeugten Rauchgase werden 1. in der DeNox-Anlage entstickt 2. in einem Elektrofilter entstaubt 3. in einer Rauchgasentschwefelungsanlage entschwefelt NOx-Abscheidung: Die Reduktion der Stickoxide im DeNox-Reaktor erfolgt nach dem SCR-Verfahren. Dabei werden die Stickoxide mittels Ammoniak und Sauerstoff mit Hilfe von Katalysatoren zu molekularem Stickstoff und Wasserdampf umgesetzt. Als Reduktionsmittel wird Ammoniak eingesetzt, da es selektiv mit den Stickoxiden reagiert und keine unerwünschten Nebenprodukte bildet. In Kombination mit der SCR-Technik wird primärseitig die NOx-Bildung durch den Einsatz von Low-NOx-Brennern bereits während der Verbrennung reduziert. Die gesetzlichen Grenzwerte werden mit Hilfe dieser Technik unterschritten. Staub-Abscheidung: In dem Elektrofilter werden die Staubpartikel des Rauchgases elektrisch aufgeladen und unter dem Einfluss elektrischer Feldkräfte an Elektroden angelagert. Die Ablösung der angesammelten Staubschicht erfolgt mechanisch durch Abklopfen. Die Abscheideraten für Partikelgrößen zwischen 5 und 10μm beträgt >99 %. Für Partikel > 1 μm beträgt die Abscheiderate >96 %. Entschwefelung: Bei der Rauchgasentschwefelung wird ein Nasswaschverfahren mit Kalkstein als 27

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Absorptionsmittel eingesetzt. Es werden Rückhaltequoten von > 98 % erzielt.

Frage Nr. 2

Welche alternativen Techniken zur Schadstoffreduktion stehen zur Verfügung und welche Reduktionsquoten werden damit erreicht? Welche Nachteile sind damit ggf. verbunden? NOx-Abscheidung: Als Alternative zur SCR Technik steht die nichtkatalytische Entstickung (SNCR) zur Verfügung, bei welcher das Ammoniak ohne die Katalysatoren mit den Stickoxiden im Rauchgas reagiert. Bei diesem Verfahren ist der Reduktionsgrad allerdings niedriger als beim SCR-Verfahren bei gleichzeitig höherem Ammoniakverbrauch. Staub-Abscheidung: Anstelle der Elektrofilter können alternativ auch Gewebefilter eingesetzt werden. Bei ähnlichen Abscheideraten besteht der Nachteil der Gewebefilter in der eingeschränkten Betriebstemperatur der Filtermaterialien und in dem hohen Druckverlust von 15 -20 mbar gegenüber 3 mbar bei Elektrofiltern. Der hohe Druckverlust hat wiederum einen negativen Einfluss auf den gesamten Wirkungsgrad. Entschwefelung: Zur Rauchgasentschwefelung könnten alternativ Waschverfahren mit Na-basierten Absorbentien wie NaOH, Na2CO3 oder NaHCO3 eingesetzt werden. Dies ist bei Steinkohlekraftwerken jedoch üblicherweise nicht der Fall, da die Einsatzstoffe wasserlösliche SO2-Reaktionsprodukte erzeugen, die aufgrund der großen Mengen weder wassergeschützt deponiert werden können, noch als Vorprodukt für weitere Stoffumwandlungen weiterverwendet werden.

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Frage Nr. 3

Welche Schadstoffmengen sollte ein modernes Steinkohlekraftwerk mit 1.000 MW im Grundlastbetrieb maximal ausstoßen? In Verbindung mit der TA Luft gelten hier die Werte der 13. BImSchV. Sie garantieren den Schutz für Mensch und Umwelt.

Frage Nr. 4

Wie könnten die Schadstoffmengen durch ein neues Gas- und Dampfkraftwerk reduziert werden? Bei GuD-Kraftwerken können Wirkungsgrade bis zu 60 % erzielt werden. Der vergleichbare Wert bei Kohlekraftwerken liegt heute bei etwa 46 %. Bedingt durch die Brennstoffeigenschaften wie C-Gehalt und Heizwert liegt die spezielle CO2-Emission (auf Primärenergie bezogen) beim Erdgas um 40 % niedriger als bei der Kohle. Bezogen auf die Stromerzeugung sinkt die spezielle Emission der KohleVerstromung gegenüber der Erdgas-Verstromung von etwa 750 auf 330 g/kWh. Tendenziell schneidet Erdgas bei anderen Emissionen besser ab, da der Brennstoff staub- und fast schwefelfrei ist. Bei NOx-Emission werden alle vorgeschriebenen Grenzwerte durch Primär- und Sekundärmaßnahmen eingehalten. Grundsätzlich ist die Festlegung einer Kraftwerkstechnologie von zahlreichen Faktoren wie Platzbedarf, Brennstoffverfügbarkeit inkl. Preis, Lasteinsatz usw. abhängig.

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Frage Nr. 5

Wie könnten die Schadstoffmengen durch dezentrale gasbetriebene Blockheizkraftwerke reduziert werden? Der sinnvolle Einsatz dezentral betriebene Blockheizkraftwerke ist als Ersatz für ein Steinkohlekraftwerk mit 1100 MW in der Grund- und Mittellast keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative. Die übliche Größe wärmegeführter Blockheizkraftwerke liegt bei 300 kW.

Frage Nr. 6

Welche Reststoffarten und -mengen sind durch die Schadstofffilterung und den Kraftwerksbetrieb bei einem modernen Kohlekraftwerk mit 1.000 MW Leistung zu erwarten? Bei 1000MW und 7500 VBh pro Jahr: Gips aus der REA: max: 38,4 t/VBh = 287.727 t/a Grobasche aus der Brennkammer: max. 5,3 t/VBh = 39.546 t/a Flugasche aus dem E-Filter: max. 47,4 t/VBh = 355.227 t/a Bei der Rauchgasentschwefelung entsteht Gips als Endprodukt, der u. a. zur Herstellung von Gipskartonplatten verwendet wird. Es entsteht bei Einsatz der Kohle mit dem höchsten Schwefelgehalt ca. 39 t/h verkaufsfähiger Gips.

Frage Nr. 7

Welche Kohlemengen sind bei einem modernen Kohlekraftwerk mit 1.000 MW Leistung notwendig?

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Bei, 1000MW und 7500 VBh pro Jahr bei einer Kohle mit geringstem Heizwert von 22,5 MJ/kg ergibt sich ein max. Verbrauch von ca. 350 t/VBh = 2.625.000 t/a

Frage Nr. 8

Welche Mengen (Masse und Volumina) müssten für Block 6 transportiert werden: Kohle, Entsorgung Asche, Filterstäube usw. und welche transporttechnischen Möglichkeiten bestehen dafür? Reststoffmengen: siehe Frage 6 Transportmöglichkeiten für Kohle: per Schiff oder Bahn Transportmöglichkeiten für Gips, Grobasche, Flugasche: per Bahn und LKW (die Option Schiff wird untersucht)

Frage Nr. 9

Welche Wassermengen würden nach dem Bau des Blocks 6 am Standort Staudinger als Kühlwasser verbraucht? Der Kühlwasserverbrauch ist die Summe der beiden Massenströme Kühlturmschwaden und Sprühverlust. Der Massenstrom Kühlturmschwaden ist keine feste Größe, sondern ergibt sich über die Faktoren Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur Der Massenstrom Sprühverlust wird durch die sich einstellende Luftgeschwindigkeit im Kühlturm und die Ausführung der Tropfenabscheider bestimmt. Als Garantiewert gemäß BVT werden 0,01% des Hauptkühlwasservolumenstroms gefordert; welcher durch die von E.ON eingeplanten Abscheider für das aktuelle Kühlturmdesign sicher eingehalten werden kann. Dementsprechend ergibt sich im Sommerbetrieb mit einer mittleren Luftgeschwindigkeit von 2,2 m/s ein Sprühverlust von 310 t/h. Nimmt man für die Bestimmung des Massenstroms dieselben 31

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Temperaturdaten wie für Sprühverlust an, so ergibt sich eine Verdunstungsmenge von ca.1.300 t/h.

Frage Nr.10

Welche Wassermengen werden mit Kühltürmen bei Kohlekraftwerken mit 1.000 MW Leistung in der Regel verbraucht? Siehe Pkt. 9 Der Sprühverlust reduziert sich auf Grund der ausgewählten Tropfenabscheider von geforderten (gemäß BVT) max. zulässigen 890 t/h auf die unter Pkt. 9 genannten Sommerdurchschnittswerte von 310 t/h.

Frage Nr.11

Welche alternativen Kühlmöglichkeiten stehen zur Verfügung? Welche Nachteile sind dadurch zu erwarten? Als mögliche Rückkühlvarianten stehen nachfolgende Techniken zur Verfügung: 1. reine Durchlaufkühlung mit dem Nachteil der starken Erwärmung des Oberflächengewässers; daher keine Alternative 2. Luftkondensator mit den Nachteilen Platzbedarf, Schallleistungspegel, elektr. Eigenbedarf, zu hohem Temperaturniveau und damit zu hohem spezifischem CO2Ausstoss; daher keine Alternative 3. Trockenkühlturm; siehe Pkt. 2; daher keine Alternative 4. Hybridkühlturm mit den Nachteilen zusätzliche Schornstein erforderlich, elektr. Eigenbedarf und damit zu hohem spezifischem CO2-Ausstoss; daher keine Alternative

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Frage Nr.12

Wie sicher ist der langfristige Betrieb des Kraftwerkes angesichts der Folgen des Klimawandels mit längeren Niedrigwasserperioden und wärmeren Gewässern? Vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels hat sich auch in Hessen das Klima geändert. Auswertungen langer Messreihen lassen für Hessen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine Temperaturzunahme von 0,9 °C erkennen. Dabei tritt insbesondere eine Zunahme um 1,6 °C im Winter hervor, die geringste Erwärmung tritt im Herbst mit 0,2 °C auf. Hinsichtlich der längjährigen Entwicklung der Niederschlagsmengen ist im Jahresmittel ein Anstieg um + 8,5 % festzustellen. Hierbei beträgt die Zunahme im Herbst im Mittel + 25 %, im Winter + 22 % und im Frühling + 20 %. In den Sommermonaten zeigt sich hingegen eine Trendabnahme um – 18 %. Aus diesem Grund wurde das Hauptkühlsystem des Blockes 6 als sogenannte kombinierte Kreislauf- und Ablaufkühlung konzipiert. Das bedeutet, dass bei hohen Mainabflußmengen und niedrigen Wassertemperaturen eine hohe Kühlwasserwassermenge in Höhe von 93.600 m³/h dem Main entnommen und nach der Passage durch den Kühlturm wieder dem Main zugeführt wird. Diese Kühlvariante ermöglicht die höchsten Wirkungsgrade des Kraftwerkes. In Zeiten, in denen die Abflußmenge gering und/oder die Maintemperatur hoch ist, kann die Kühlfahrweise auf Kreislaufkühlung mit einer geringen Kühlwasserentnahme und – Einleitmenge in Höhe von 1.605 m³/h umgeschaltet werden.

Frage Nr.13

Welche Auswirkungen des Klimawandels sind insbesondere am Kraftwerksstandort Staudinger zu erwarten? Siehe hierzu die Antworten unter der Frage zu 12. 33

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 34 von 202

Frage Nr.14

Welche Auswirkungen auf das lokale und regionale Kleinklima wären durch die im Rahmen der Kühlung ausgestoßenen Wasserdampfmengen und Rauchgase eines neuen Blockes 6 zu erwarten? Die Ermittlung möglicher lokalklimatischer Auswirkungen des Kühlturmbetriebes am Standort Staudinger ist Gegenstand eines bereits durch E.ON Kraftwerke beauftragten Gutachtens. Dieses Gutachten liegt uns derzeit noch nicht vor. Auf der Grundlage von für den Standort repräsentativen Klimadaten werden die lokalklimatischen Auswirkungen beschrieben. Die Verschattung wird mit speziellen Simulationsmodellen für einen Zeitraum von 5 Jahren ermittelt. In die aufwendigen Modellrechnungen fließen die Kühlturmgeometrie sowie andere zu berücksichtigende Baukörper des Kraftwerkes ein. Das Modell berücksichtigt sowohl die Rauchgaseinleitung, die tages- und jahreszeitlich wechselnden Sonnenstände am Standort als auch die Standortmeteorologie (Feuchte, Temperatur, Windgeschwindigkeit und –Richtung).

Frage Nr. 15

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze bestehen derzeit jeweils in den Kraftwerksblöcken (Staudinger 1 - 3 und an anderen Standorten), die durch den Neubau des Blocks 6 ersetzt werden sollen? Am Standort Staudinger sind derzeit insgesamt etwa 420 Mitarbeiter und 40 Auszubildende beschäftigt. Mit Außerbetriebnahme der Blöcke 1 bis 3 und der Inbetriebnahme von Block 6 sowie des neuen, automatisierten Kohlelagers werden am Standort Staudinger circa 30 Arbeitsplätze weniger benötigt als heute.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Im Rahmen der Stilllegung von Altblöcken und gleichzeitigem Ersatz durch neue Anlagen wird grundsätzlich der Personalstand der neuen Blockstruktur angepasst. Es wird hierfür jeweils ein standortspezifisches Konzept erarbeitet.

Frage Nr. 16

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze würden im Kraftwerksblock 6 geschaffen werden? Ohne den neuen Kraftwerksblock 6 als Ersatz für die Blöcke 1 bis 3 würden 100 Arbeitsplätze wegfallen. Mit dem neuen Block bleiben also 70 Arbeitsplätze erhalten.

Darüber hinaus trägt Block 6 zur allgemeinen Standortsicherung und damit zur dauerhaften Sicherung von mehr als 460 Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie zahlreichen Arbeitsplätzen bei Zulieferfirmen in der Region bei.

Frage Nr. 17

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze in den Kraftwerken der E.ON würden durch den Neubau des Blocks 6 deutschlandweit gegenüber dem heutigen Stand abgebaut werden? Am Kraftwerksstandort reduziert sich die Belegschaft um ca.30 MA (Produktionspersonal). Ein weiterer Personalabbau durch verdrängen unwirtschaftlicher Kraftwerkskapazitäten kann nicht Gegenstand einer seriösen Betrachtung sein.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 36 von 202

Frage Nr. 18

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze könnten durch ein GuD-Kraftwerk geschaffen werden? Der Betrieb eines GuD-Kraftwerks für die Grundlastversorgung ist am Standort Staudinger keine Alternative. Die Erzeugungskosten des Standortes würden sich trotz des höheren Wirkungsgrades und geringeren Investitionsausgaben verdoppeln. Die Arbeitsplätze würden sich am Standort um ca. 75 MA reduzieren.

Frage Nr. 19

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze könnten durch dezentrale BHKW geschaffen werden? Die Installation von Blockheizkraftwerken ist für die Grundlasterzeugung von 1.100 MW keine Option. Die modernen mit Gas oder Öl betriebenen Blockheizkraftwerke haben heute eine Leistung, in Abhängigkeit der Verbraucher von 100 - 500 kW und sind sinnvoll nur wärmegeführt direkt beim Verbraucher einzusetzten. Für den Personalbedarf liegen derzeit keine detaillierten Kenntnisse vor. Da moderne BHKWs dezentral installiert und ohne vor Ort-Personal betrieben werden, ist eine zentrale Überwachung und Steuerung in einem „virtuellen Kraftwerkspark“ notwendig. Diese Entwicklung befindet sich in der Pilotphase und kann eine entsprechend vergleichbare Energieerzeugung in der Grundlast nicht bereitstellen. Der Personalbedarf liegt aber wohl deutlich unter dem eines Steinkohlekraftwerkes, da die Zusammenführung der einzelnen Erzeuger mehr eine Steuerungsaufgabe der Hard- und Software ist.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Frage Nr. 20

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze könnten durch eine Energieerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien geschaffen werden? Hier fehlt der Bezugspunkt der Frage.

Frage Nr. 21

Würden die erzeugten Strommengen des Blocks 6 den Import/Einspeisung von Windkraftstrom oder anderen erneuerbaren Energien (z.B. durch die Überlastung der Stromnetze) nach Deutschland und nach Hessen erschweren? Das ist nicht der Fall. Gemäß dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) hat die Einspeisung aus regenerativen Erzeugungseinheiten eine Vorrangstellung bei der Einspeisung in das Stromnetz. Bei hohen Windeinspeisungen werden daher konventionelle Kraftwerke heruntergeregelt oder abgestellt, um Netzüberlastungen zu vermeiden. Das gilt grundsätzlich für alle Standorte in Deutschland – besonders betroffen von solchen Zuständen sind jedoch die Kraftwerke in den windreichen Regionen Deutschlands, also primär Norddeutschland. Aufgrund der besonderen Lage des Kraftwerks Staudinger in der Nähe von Verbrauchsschwerpunkten und tendenziellem Erzeugungsmangel ist der Standort von solchen netzbedingten Maßnahmen nicht betroffen und ganz im Gegenteil ein herausragend wichtiger Standort für das 380 kV-Übertragungsnetz, das die Regionen Deutschlands untereinander und diese wiederum mit dem benachbarten Ausland verbindet.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 38 von 202

Frage Nr. 22

Würden durch die Produktion des Blocks 6, der als Grundlastkraftwerk auch Kraftwerke im Mittellastbereich ersetzen soll, insbesondere die bereits jetzt durchgeführten Einspeisebeschränkungen in der E.ON-Regelzone für erneuerbare Energien weiter verstärken? Zunächst eine kurze Anmerkung zur Unterscheidung in Grund- und Mittellastkraftwerke: Hier gibt es keine scharfe Trennung; vielmehr gehen diese Bereiche ineinander über. Steinkohlekraftwerke werden generell im Übergang zwischen Grund- und Mittellast betrieben. Beim Ausbau der regenerativen Kraftwerke, speziell von Windkraftanlagen, ist derzeit die Leistungsfähigkeit der abführenden Leitungen das begrenzende Element. Dabei gilt bei einer drohenden Netzüberlastung der Grundsatz des EEG, wonach von Leistungsreduzierungen zunächst konventionelle Kraftwerke betroffen sind und erst, nachdem diese alle vom Netz gegangen sind, regenerative Anlagen heruntergefahren werden. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass dieses Phänomen in erster Linie Norddeutschland betrifft, wird der Einsatz eines Steinkohleblocks in der Mitte Deutschlands, das darüber hinaus in das 380 kV-Netz einspeist, keinen Einfluss auf den Einsatz regenerativer Kraftwerke haben. Abschaltungen von Windkraftanlagen sind nur vereinzelt zu verzeichnen, und zwar in windreichen Gebieten bei hoher Windlast und sofern diese Anlagen in das 110 kVNetz einspeisen. Ein Steinkohlekraftwerk, das in das 380 kV-Netz einspeist, führt zu keinen Einspeisebeschränkungen von Windkraftanlagen.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Frage Nr. 23

Welche Auswirkungen würden sich durch die Steigerung der Stromproduktion auf die Einspeisemöglichkeiten Dritter auf Basis konventioneller und erneuerbarer Energieträger ergeben? Eine Beeinflussung der Einspeisemöglichkeiten Dritter durch den neuen Block ist nicht erkennbar. Bezüglich der Einspeisungen durch Anlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger sei an dieser Stelle auf das EEG verwiesen, wonach diese Anlagen grundsätzlich einen Vorrang gegenüber konventionellen Kraftwerken haben. Für die Einspeisemöglichkeiten aus konventionellen Anlagen gelten unabhängig vom Betreiber der Anlage die gleichen Regeln. E.ON Kraftwerke als Betreiber des neuen Blocks und andere Betreiber konventioneller Anlagen werden daher gleich behandelt. Eine Begrenzung der Einspeisung kann erst dann auftreten, wenn Netzüberlastungen drohen. Das Problem der Verdrängung von konventioneller Kraftwerkseinspeisung ist primär, aufgrund fehlender Netzkapazitäten, ein Phänomen windreicher Gebiete Norddeutschlands. Auf der 380 kV-Netzebene in einem Bereich Deutschlands, in dem tendenziell mehr Strom verbraucht als erzeugt wird (Nettostromimporteur), sind solche Zustände eher nicht zu erwarten.

Frage Nr. 24

Wie flexibel würde sich der Block 6 betreiben lassen? Wäre insbesondere auch ein Mittellastbetrieb möglich und welche Auswirkungen hätte diese Betriebsweise auf den Wirkungsgrad der Anlage? Der Block 6 ist für Grundlast konzipiert. In diesem Bereich liegt auch der max. Wirkungsgrad von 46%. Mit einer Lastreduzierung auf durchschnittlich 60 % der verringert sich der Wirkungsgrad nur auf 44,5%. 39

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Frage Nr. 25

Welche Gründe sprechen gegen den Bau eines Gas- und Dampfkraftwerkes am Standort Staudinger? Der Standort ist mit seinen ausgebildeten und motivierten Mitarbeitern, seiner Lage in Hessen und am Main, seiner Infrastruktur, und seiner Netzanbindung der ideale Standort für ein Grundlastkraftwerk.

Frage Nr. 26

Bestehen für E.ON mit Tochter Ruhrgas Probleme für die Gasversorgung? E.ON Ruhrgas kommt wie jeder Energieversorger seinen Lieferverpflichtungen nach. Dass E.ON Kraftwerk am Standort Staudinger den Bau eines Steinkohle- und keines Gaskraftwerks plant, hängt mit der Notwendigkeit eines ausgewogenen Energiemix zusammen, in den neben den erneuerbaren Energien und Gas auch die Steinkohle gehört. Im Süden Deutschlands, wo Steinkohlekraftwerke aufgrund der weiten Transportwege nicht wirtschaftlich betrieben werden können, baut E.ON Kraftwerke deshalb auch Gaskraftwerke. Der Standort Staudinger ist als vorhandener Steinkohlestandort jedoch ideal für ein neues Steinkohlekraftwerk geeignet.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Frage Nr. 27

Mit welchem Planungs-/Genehmigungsverfahren lässt sich eine Prüfung mit unterschiedlichen Kraftwerkstechnologien, Energieträgern und Standorten sicherstellen? Für die Errichtung und den Betrieb des Blockes 6 ist ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß § 16 Abs.1 BImSchG (Änderungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung) mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen. Der Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hat hierbei den Bestimmungen der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) zu entsprechen. Hinsichtlich der Prüfung von Verfahrensalternativen innerhalb der UVP besagt die 9. BImSchV, dass die Unterlagen eine Übersicht über die wichtigsten vom Vorhabensträger geprüfte technische Verfahrensalternativen zum Schutz vor und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen sowie zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen enthalten muss. Nach der einschlägigen rechtlichen Kommentierung der 9. BImSchV sind in der UVP vorzunehmende Verfahrensalternativenprüfungen nur Modifikationen innerhalb des Anlagenbetriebes (z.B. bei der Art der Abgasreinigung), nicht jedoch Alternativen zur Erreichung des Vorhabenszwecks durch eine andersartige Anlage (z.B. Gaskraftwerk statt Kohlekraftwerk). Die raumordnerische Aspekte des Vorhabens werden aufgrund der Entscheidung der Hessischen Landesregierung vom 24.08.07 im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens geprüft. Der Umfang der hierfür erforderlichen Verfahrensunterlagen ist mit der oberen Landesplanungsbehörde noch abzustimmen.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Frage Nr. 28

Welche Möglichkeiten hat E.ON bei der Auswahl der Planungs/Genehmigungsverfahren? Die für das Neubauvorhaben Block 6 anzuwendenden Planungs- und Genehmigungsverfahren basieren auf folgenden rechtlichen Grundlagen: o Planungsrechtliche Situation: Hess. Landesplanungsgesetz o Bauleitplanung : Baugesetzbuch o Anlagenzulassung: Bundesimmissionsschutzgesetz i.V.m. 9. BImSchV und dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz o Eingriff in Natur und Landschaft einschl. Landschaftsbild: Hessisches Naturschutzgesetz o Gewässerausbau und Gewässerbenutzungen: Wasserhaushaltsgesetz i.V.m. dem Hess. Landeswassergesetz. Nach den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen der Fachgesetze hat E.ON, wie jeder andere Vorhabensträger auch, die Genehmigungsverfahren durchzuführen. Eine Wahlmöglichkeit für das eine oder andere Verfahren besteht für den Vorhabensträger nicht.

Frage Nr. 29

Welche Möglichkeiten hat die Landesregierung bzw. nachgeordneten Dienststellen, um ein bestimmtes Planungs-/Genehmigungsverfahren anzuordnen? Diese Frage ist nicht durch E.ON, sondern von der Hessischen Landesregierung zu beantworten.

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Frage Nr. 30

Können im Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gleichwertig wie im Raumordnungsverfahren unterschiedliche Kraftwerkstechnologien, Energieträger und Standorte überprüft werden? Hierzu verweisen wir auf unsere Antworten zu der vorstehenden Frage 27.

Frage Nr. 31

In welcher Form können freiwillige Selbstverpflichtungen von E.ON als verbindliche Rechtspositionen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger bzw. Kommunen verankert werden? Die freiwilligen Selbstverpflichtungen von E.ON, z. B. zur Begrenzung des Schadstoffausstoßes, können Bestandteil des Genehmigungsantrages werden und damit im Falle einer Genehmigungserteilung eine für E.ON begrenzende Betriebsbedingung.

Frage Nr. 32

a)Welche Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur hätte die Vergrößerung der Kohlelieferung und Entsorgung? b)Welche Folgewirkungen (Lärm, Luftschadstoffe usw. auch durch Schiffe) würden auftreten? Zu a) Der geplante Neubau des Blockes 6 und die Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 ziehen, bedingt durch eine Änderung der Massenbilanz, eine veränderte Ver- und Entsorgungslogistik nach sich. 43

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Bisher betrug der jährliche Massentransport für Kohlelieferungen und Entsorgungen 2.250.000 t/a, hiervon entfielen 61 % auf den Schiffsverkehr, 25 % auf den Schienenverkehr und 14 % auf den LKW-Verkehr. Zukünftig ist von einem Massentransportaufkommen in Höhe von 3,5 – 3,9 Mio.t/a auszugehen (+ 72 %). Zur Bewältigung des zukünftigen Massentransports wurde ein neues Logistikkonzept mit der Zielsetzung erarbeitet, das zukünftige LKW-Aufkommen zur Ver- und Entsorgung des Kraftwerkes Staudinger gegenüber dem derzeitigen betrieblichen LKW-Verkehr nicht zu erhöhen. Mit folgenden infrastrukturellen Maßnahmen am Standort Staudinger lässt sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Randbedingung der zukünftig ansteigende Massentransport bewerkstelligen: o Für den Abtransport von Steinkohle und den Abtransport von Flugasche sind zwei neue Gleisspangen eingeplant. o Zudem ist ein Schiffsbelader für Flugasche und Gips angedacht. Zu b) Diese Fragen lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantworten, da die Antworten Gegenstand des Genehmigungsantrages sein werden. Der von der Behörde mit Datum vom 10. Mai 2007 festgesetzte Untersuchungsumfang der UVP enthält hierzu folgende Anforderungen: Es sind die derzeit anfallenden Mengen an Flugasche und Gips den zukünftig prognostizierten Mengen gegenüber zu stellen. Weiterhin sind die zurzeit stattfindenden und zukünftigen LKW-Fahrten gegenüber zu stellen. Es ist darauf einzugehen, ob die Flugasche als auch der Gips alternativ per Bahn abtransportiert werden kann. Untersuchungen über die verkehrlichen Auswirkungen des Neubaus Block 6 des Kraftwerks Staudinger, insbesondere hinsichtlich des zu erwartenden LKW-Verkehrs, sowohl während der Bau- als auch während der Betriebszeit sind mit aufzunehmen. Hierzu hat der Antragsteller und Vorhabensträger ein entsprechendes Verkehrsgutachten durch ein hierfür qualifiziertes Ingenieur-Büro in Absprache mit den zuständigen Straßenbaulastenträgern und unteren Straßenverkehrsbehörden erstellen zu lassen, welches die möglichen Mehrbelastungen des Umfeldes durch LKW-Verkehr durch das Projekt ermittelt und möglichst belastungsarme 44

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Fahrtstrecken vorschlägt. Die anfallenden Transporte sollten sowieso soweit möglich per Bahn erfolgen. Wenn die Fahrzeugflotte, die Fahrwege und die Häufigkeiten festliegen, ist auf Basis des UBA-Handbuch Kfz-Emissionsfaktoren ein Kataster aufzustellen, das für eine Ausbreitungsrechnung für die relevanten Schadstoffe NO2, PM 10, Benzol, Ruß aufzubereiten ist. Der betriebsbedingte Fahrzeugverkehr ist im öffentlichen Verkehrsraum noch 500 m jenseits des eingezäunten Betriebsgeländes mit in die Betrachtung einzubinden.

Frage Nr. 33

Wie könnten die Belastungen durch Transporte (Kohle und Entsorgung) durch ein neues Gaskraftwerk reduziert werden? Durch den Betrieb eines Gaskraftwerkes und den Betrieb des Kohleblockes 5 am Standort Staudinger würden die Massentransporte für die Kohle und die Entsorgung auf 1.450.000 t/a reduziert.

Frage Nr. 34

Würden durch den neuen Block 6 und die damit verbundene Kapazitätssteigerung am Standort Staudinger neue Stromleitungstrassen erforderlich? Nein. Es wird lediglich eine Netzanschlussleitung vom Kraftwerk zum 380-kV-UW Großkrotzenburg erforderlich. Die Leistung von 1055 MW (Nettoleistung) kann vom UW Großkrotzenburg abgeführt werden, so dass außer der genannten Anschlussleitung kein weiterer Leitungsbau im Übertragungsnetz erforderlich ist. Dies ist ein weiterer Infrastruktur – Standortvorteil für den Kraftwerksstandort. 45

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Frage Nr. 35

a)Wie würde sich der neue Kühlturm auf das lokale und regionale Klima auswirken? b) Wie würden sich die Wasserdampfmengen gegenüber dem heutigen Stand entwickeln? Zu a) Wie bereits unter Frage 14 ausgeführt, werden die Auswirkungen des Kühlturmbetriebes Block 6 auf das lokale Klima in einem Fachgutachten betrachtet. Dieses Fachgutachten, das Bestandteil des Genehmigungsantrags sein wird, liegt uns jedoch derzeit noch nicht vor. Zu b) Die bestehenden Blöcke 1-2 werden in der Regel im Durchlauf mit Mainwasser gekühlt werden, also ohne Kühlturm. Das Kühlwasser des Blockes 3 wird über den vorhandenen Kühlturm rückgekühlt, hierbei entsteht natürlich auch Wasserdampf. Die Blöcke 1-3 werden Ende 2012 stillgelegt. Hinsichtlich der Änderung der Kühlturmfahnen wird die des Blocke 3 entfallen und die des Blockes 6 hinzukommen. Die Wasserdampfmenge wird sich aufgrund der größeren Kühlleistung des Kühlturms 6 erhöhen.

Frage Nr. 36

Wie würde das Landschaftsbild durch die neue Landschaftsmarke Kühlturm mit Dampfwolke verändert? Das Landschaftsbild ist bereits durch das bestehende Kraftwerk Staudinger deutlich vorgeprägt. Jeder andere unvorbelastete Standort würde durch die Errichtung eines Kraftwerkes nebst notwendiger Infrastruktur stärker belastet. Aus diesem Grund besteht die raumordnerische Zielvorgabe, bestehende Kraftwerksstandorte auszubauen, sofern der Bedarf gegeben ist. Visuell dominierend aus nördlicher Richtung werden im Nah- und Mittelsichtbereich der bis zu 179 m hohe Kühlturm, das Kesselhaus und die Kreislager sein. Der 46

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Kühlturm erreicht durch seine Höhe und Wasserdampfschwaden die größte Sichtwirkung. Die Landschaftsbildauswirkungen werden durch ein anspruchsvolles architektonisches Konzept gemindert. Positive Auswirkungen auf das Landschaftsbild wird der vorgesehen Rückbau der bestehenden Blöcke 1-3 entfalten.

Frage Nr. 37

Wie soll der Widerspruch des Vorhabens der E.ON mit den geltenden Grundsätzen der Raumordnung im Regionalplan Südhessen in kommenden Planungs- und Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden? Es besteht u.E. kein Widerspruch zwischen den Zielen des Regionalplans Südhessen 2000 und dem Vorhaben der E.ON. Diesen Sachverhalt werden wir im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung darlegen. Hiervon betroffen sind die raumordnerischen Aspekte: o Entwicklung der Luftschadstoffbelastung in der Region, o Verbrauch und Qualitätsentwicklung der Umweltmedien sowie Begrenzung der Belastung der Atmosphäre, o Gewährleistung der Nachhaltigkeit der Nutzung natürlicher Lebensgrundlagen, o Vorzug der Kraftwärmekopplung bei Ausbau der Stromerzeugung, o Bei Ausbau der Stromerzeugung sind in der Gesamtbetrachtung die ökologischen Vorteile darzulegen, o Ausbau der Fernwärmeversorgung, o Nutzung regenerativer Energiepotentiale.

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HESSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE

Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie Postfach 32 09 · D-65022 Wiesbaden

Aktenzeichen (Bitte bei Antwort angeben) I1-53 d 02 - 324/2007 Bearbeiter/in:

Hessischer Landtag Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Postfach 32 40

Durchwahl: E-Mail:

Herr Dr. Lehne Herr van der Pütten 267 / 201 [email protected]

Ihr Zeichen: Ihre Nachricht vom:

08. August 2007

Datum:

September 2007

65022 Wiesbaden

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Öffentliche mündliche Anhörung zum Thema „Geplanter Bau des Blocks 6 des E.ONKraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg“ Schreiben vom 08. August 2007, Az.: I A 2.3

Mit Schreiben vom 08. August 2007 übersandten Sie mir die Einladung zur öffentlichen mündlichen Anhörung zum geplanten Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger im Hessischen Landtag am 13. September 2007. Beigefügt waren Fragekataloge zu diesem Thema von den Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie baten um schriftliche Stellungnahme zu diesen Fragenkatalogen. Da nicht näher spezifiziert war, welche Fragen genau das HLUG betreffen, beantworte ich im Folgenden die Fragen aus den Bereichen Emissionen, Immissionen und Klima. Fragen der Fraktion der SPD: Wie groß ist der CO2-Ausstoß der Blöcke 1 bis 5 gegenwärtig pro Jahr insgesamt? Wie hoch der der Blöcke 1 bis 3 und der der Blöcke 4 bis 5? Aufgrund der Emissionserklärung nach 11. BImSchV liegen mir Informationen über die Emissionen von Luftschadstoffen inkl. Kohlendioxid für das Jahr 2004 vor (Anlage 1). Danach emittieren die Blöcke 1 bis 5 5.054.453 t CO2 pro Jahr, die Blöcke 1 bis 3 2.205.158 t CO2 pro Jahr sowie die Blöcke 4 und 5 2.849.295 t CO2 pro Jahr. Welcher CO2-Ausstoß ist vom neuen Block 6 pro Jahr zu erwarten? Da bisher noch kein Genehmigungsantrag vorliegt, kann für die Beantwortung dieser Frage nur eine Präsentation der Firma E.ON herangezogen werden (Anlage 2). Aus dieser geht hervor, dass

Rheingaustraße 186, 65203 Wiesbaden Telefon (0611) 69 39-0 Telefax (0611) 69 39-555 Besuche bitte nach Vereinbarung

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nach Inbetriebnahme des Blocks 6 mit CO2-Emissionen in Höhe von 5.406.453 t pro Jahr durch den Block 6 gerechnet werden muss. Wie hoch sind die weiteren Schadstoffemissionen des Kraftwerks derzeit pro Jahr? Aktuelle Daten zu weiteren Schadstoffemissionen des Kraftwerks Staudinger liegen mir aufgrund der Großfeuerungsanlagenberichterstattung nach 13. BImSchV §19 (1) vor. Dies sind Informationen über die jährlichen Emissionen von SO2 und NO2 sowie von Gesamtstaub für das Jahr 2006 (Anlage 3). Welche Schadstoffemissionen sind in welcher Höhe nach dem Neubau des Blockes 6 seitens des Kraftwerks pro Jahr zu erwarten? Hierzu liegen mir keine eigenen Zahlen vor. Für die Beantwortung der Frage muss auf Angaben der Firma E.ON Kraftwerke GmbH zurückgegriffen werden (Anlage 4). Zu diesen Angaben ist anzumerken, dass die Daten für NO2 unvollständig sind und sich derzeit in Überarbeitung durch die Firma E.ON Kraftwerke GmbH befinden. Daraus ergibt sich, dass nach Inbetriebnahme des Blocks 6 auch nach Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 mit einer Erhöhung der Emissionen von SO2, NO2 und Gesamtstaub zu rechnen ist, wenn die Grenzwerte der 13. BImSchV zu Grunde gelegt werden. E.ON hat sich in einer Pressemitteilung vom 28. Juni 2007 (Anlage 5) zu einer Selbstbeschränkung der Emissionsgrenzwerte bereit erklärt. Damit ist mit ähnlich hohen (NO2) oder niedrigeren (SO2, Gesamtstaub) Belastungen – verglichen mit dem momentanen Zustand – zu rechnen. Diese Selbstbeschränkung der Grenzwerte wird laut E.ON ein Bestandteil der Betriebsgenehmigung für den neuen Block sein. In einer E-Mail der E.ON Kraftwerke GmbH an das Regierungspräsidium Darmstadt vom 01. August 2007 macht der Betreiber folgende Aussagen: „Da die Schadstoffemissionen von mehreren Faktoren abhängen (Blockeinsatz, Kohlequalität, etc.) können hierzu in Bezug auf Block 6 noch keine konkreten Angaben gemacht werden. Wir haben allerdings verbindlich zugesagt, dass wir am Standort Staudinger nach Inbetriebnahme des geplanten Blocks 6 und Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 trotz nahezu verdoppelter Erzeugung weniger Luftschadstoffe abgeben werden als heute. Als Benchmark haben wir uns dabei die durchschnittlichen Emissionswerte der Jahre 1996-2006 gesetzt. Diese betragen bei Staub 442 Tonnen/Jahr, bei Schwefeldioxid 1.219 Tonnen/Jahr und bei Stickstoffdioxid 3.554 Tonnen/Jahr. Diese Werte werden wir künftig unterschreiten und dies auch entsprechend in den Genehmigungsantrag für Block 6 einbringen. Die CO2-Emissionen von Block 6 werden auf Grund seiner fortschrittlichen Technik nur noch ca. 784 kg CO2/MWh gegenüber ca. 980 kgCO2/MWh für die Blöcke 1 und 3 betragen. Es ist möglich, dass die Erzeugung am Standort Staudinger von heute 5,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich auf bis zu 10 Milliarden Kilowattstunden jährlich steigt - je nachdem wie sich die Marktlage und Menge der eingespeisten erneuerbaren Energien entwickeln. Das bedeutet, dass auch der CO2-Ausstoß von heute circa fünf Millionen Tonnen CO2 jährlich auf zukünftig 7,5 bis acht Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen kann. Auf Block 6 entfallen bei diesem Szenario circa fünf Millionen Tonnen. Wichtig ist hierbei jedoch, dass Block 6 aufgrund seines hohen Wirkungsgrades, den bisher noch kein Kohlekraftwerk erreicht hat, der Atmosphäre im

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Vergleich zu den vom Netz gehenden Altanlagen jährlich über 1,2 Millionen Tonnen CO2 ersparen wird.“ Welche Nachteile oder Gefahren für die direkte Umgebung sind durch die Dimensionen des neuen Blocks 6 und der beiden Kohleleger zu erwarten? Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass „insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können“ (§ 5, Abs. 1 (1)). Schon aus diesem Grund sollten Nachteile und Gefahren für die direkte Umgebung des Kraftwerks nicht zu erwarten sein. Eine weitere wesentliche Genehmigungsvoraussetzung für jedes Vorhaben, das nach dem BImSchG zu genehmigen ist, ist die Einhaltung der aktuell gültigen Immissionsgrenzwerte der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Diese Grenzwerte sind identisch mit den auch europaweit gültigen Immissionswerten der 22. BImSchV für den gebietsbezogenen Immissionsschutz. Für den Fall einer z. B. durch eine Vorbelastungsuntersuchung festgestellten Immissionswertüberschreitung kann eine Anlage jedoch trotzdem genehmigt werden, wenn sie nicht wesentlich zu dieser Immissionswertüberschreitung beitragen wird. Dies ist der Fall, wenn die zu erwartenden Zusatzbelastung nach Ziffer 4.2.2 der TA Luft, die durch eine Immissionsprognose bestimmt wird, kleiner als 3 % des jeweiligen Immissionswertes für das Jahr sein wird. In einem solchen Fall handelt es sich nach der TA Luft um eine irrelevante Zusatzbelastung. Voraussetzung für die Anwendung der 3 %-Regelung (Irrelevanzregel der TA Luft) ist, dass weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik hinausgehen, durchgeführt werden. Für das konkrete Vorhaben bedeuten die Vorgaben aus dem BImSchG im Falle der Erteilung der Genehmigung, dass innerhalb des Planungsgebietes (Beurteilungsgebiet) um die Anlage, das nach meinem derzeitigen Kenntnisstand mindestens einen Radius um die Emissionsquelle von 10 km haben wird, die Immissionswerte durch die Vorbelastung und durch die zu erwartende Zusatzbelastung des Vorhabens eingehalten werden oder dass die zu erwartenden Zusatzbelastung durch das Vorhaben kleiner als 3 % sein wird. Außerhalb des Planungsgebietes werden die Zusatzbelastungen deutlich unterhalb der 3 % des jeweiligen Immissionswertes bleiben, so dass ein relevanter Beitrag des geplanten Vorhabens auf die Gesamtbelastung z. B. im Großraum Frankfurt ausgeschlossen werden kann. Im Rahmen der Voruntersuchungen zu dem geplanten Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) wurde vom Gutachter der E.ON eine Immissionsprognose Immissionsbelastung des Gesamtkraftwerks Staudinger im Rahmen der Vorplanung von Block 6 vom Januar 2007 durchgeführt, mit der die Immissionen des zukünftigen Gesamtkraftwerkes untersucht wurden. Ein wesentlicher Grund für die Erstellung dieser vorläufigen Prognose war neben dem Vergleich der Immissionsbelastung durch das Gesamtkraftwerk bei Ableitung der Rauchgase von Block 6 über einen Kühlturm oder über einen Kamin auch die Feststellung der Orte der maximalen Immissionszusatzbelastung. Diese Voruntersuchung war u. a. die Grundlage für die Festlegung der Standorte der Vorbelastungsmessungen zur Ermittlung der vorhandenen Belastung ohne

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Emissionen des Blocks 6. Der Messplan für die Vorbelastungsmessungen ist auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Darmstadt allgemein verfügbar (http://www.rp-darmstadt.hessen.de). Da diese vorläufige Prognose auf der Basis vorläufiger Planungsdaten für Block 6 sowie unter Berücksichtigung der Gesamtemissionen von Block 4 und 5 erstellt wurde, kann das Gesamtergebnis dieser Prognose nicht zur Abschätzung allein der Auswirkungen der zusätzlichen Emissionen des von E.ON geplanten Blocks 6 auf die Kommunen des Planungsgebietes und auf die Immissionskenngrößen im Planungsgebiet herangezogen werden. Für eine Abschätzung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Immissionssituation innerhalb des Beurteilungsgebietes (Planungsgebiet) ist neben den konkreten Angaben zu den beantragten Emissionsmassenströmen, die von der Größenordnung her bekannt sind, vor allem eine belastbare Immissionsprognose, mit der die von dem beantragten Vorhaben zu erwartenden Zusatzbelastungen berechnet werden, erforderlich. Aussagen zu den Auswirkungen der von dem Vorhaben verursachten Luftschadstoffimmissionen in Form konkreter Zusatzbelastungskenngrößen können erst gemacht werden, wenn der Genehmigungsantrag nach BImSchG offiziell vorliegt. Unabhängig von den Vorgaben des BImSchG, die auf jeden Fall abgeprüft werden müssen, wird sich nach Aussage von E.ON die Immissionssituation durch den Betrieb von Block 6 gegenüber dem jetzigen Zustand nicht ändern. Wie der Vorsitzende der Geschäftsführung von E.ON Kraftwerke, Herr Dr. Ingo Luge in einer Pressemitteilung vom 28. Juni 2007 (Anlage 5) erklärt hat, werden die Schadstoffemissionen der Komponenten SO2, NO2 und Staub nach Inbetriebnahme von Block 6 künftig nicht höher sein als bisher. Diese Zusicherung wird laut E.ON ein Bestandteil der Betriebsgenehmigung für den neuen Block sein. Begründet wird dies mit dem Abschalten der Blöcke 1 bis 3 zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Blocks 6 sowie mit dem Einsatz modernster Emissionsminderungstechnik für den Block 6. Diese Zusage wird, wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, durch den Genehmigungsbescheid verbindlich festgeschrieben und während der Betriebsphase überwacht. Damit kann auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes eine Verschlechterung der lufthygienischen Situation gegenüber dem jetzigen Zustand durch den Betrieb des Blocks 6 ausgeschlossen werden. Auf Grund der obigen Ausführungen sehe ich innerhalb des Planungsgebietes keine Nachteile oder Gefahren für die direkte Umgebung der Anlage. Fragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie sicher ist der langfristige Betrieb des Kraftwerkes angesichts der Folgen des Klimawandels mit längeren Niedrigwasserperioden und wärmeren Gewässern? Ich gehe davon aus, dass grundsätzlich Durchlauf- und Umlaufkühlung für den Kraftwerksbetrieb zur Verfügung stehen. Die Durchlaufkühlung belastet den Fluss thermisch. Somit kann angenommen werden, dass künftig (anhand der durchgeführten Klimaprojektionen) – im Wesentlichen im Sommer/Frühherbst, wo gelegentlich Tiefwasserstände auftreten könnten – diese Art der Kühlung in diesen Fällen nicht oder nur mit Sondergenehmigung möglich ist.

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Umlaufkühlung sollte aber immer möglich sein. Möglicherweise muss jedoch in beiden Fällen die Kraftwerksleistung reduziert werden. Welche Auswirkungen des Klimawandels sind insbesondere am Kraftwerksstandort Staudinger zu erwarten? Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht kleinräumig zu sehen. Die verwendeten Modelle lassen nur Aussagen über großräumige Änderungen zu. Von daher können keine Aussagen zu lokalen (auf den Kraftwerksstandort Staudinger begrenzte) Auswirkungen getroffen werden. Die Auswirkungen des Klimawandels hängen vom betrachteten Szenarium ab. Nach dem Stand der aktuellen Modell-Daten muss mit einer Temperaturerhöhung im Laufe des 21. Jahrhunderts zwischen 1,8 und 2,3 (Mitteltemperatur im Jahresmittel; Frühjahr: 0,9 bis 1,2; Sommer: 1,6 bis 2,1; Herbst: 1,8 bis 2,2; Winter: 2,7 bis 3,6) Grad gerechnet werden. Der Niederschlag würde sich auf Grund dieser Datenbasis im Jahresmittel um 5 bis 10% erhöhen (Frühjahr: gleichbleibend; Sommer: -10 bis -15%; Herbst: leicht abnehmend; Winter: +50 bis +80%). Zusammen mit den höheren Temperaturen sind damit verstärkte Niedrigwasserstände in Flüssen im Sommer und Frühherbst zu erwarten und höhere Hochwasserstände im Winter. Auch sind erhöhte Grundwasserstände zu erwarten. Welche Auswirkungen auf das lokale und regionale Kleinklima wären durch die im Rahmen der Kühlung ausgestoßenen Wasserdampfmengen und Rauchgase eines neuen Blockes 6 zu erwarten? Wie würde sich der neue Kühlturm auf das lokale und regionale Klima auswirken? Wie würden sich die Wasserdampfmengen gegenüber dem heutigen Stand entwickeln? Mit dem jetzigen Kenntnisstand können Aussagen zum lokalen und regionalen Kleinklima nicht getroffen werden.

In Vertretung

(H. Stein)

Anlagen: 1) CO2-Emissionen des Kraftwerks Staudinger, 2004 (11. BImSchV) 2) Präsentation E.ON Kraftwerke 3) sonstige Emissionen des Kraftwerks Staudinger, 2001 bis 2006 (13. BImSchV) 4) CO2-Emissionen durch Block 6 5) Presseerklärung der E.ON vom 28. Juni 2007

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Emissionserklärung 2004; Stand: 03.08.2007 E.ON Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg - hier Kohlendioxid Anlagenteil Block 1 Block 2 Block 3 Block 4 Block 5 Hilfskesselanlage (Kessel 1 bis 3) Gesamt (Block 1-5 und Hilfskessel)

CO2 in t/a 866.639 0 1.338.519 127.463 2.721.832 1.681 5.056.134

Anlagenteil Block 1 - 3

CO2 in t/a 2.205.158

Block 4 + 5 Block 1-5

2.849.295 5.054.453

Ausschussvorlage ULA/16/70

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13. BImSchV §19 - 2006; Stand: 03.09.2007 E.ON Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg für 2006 Anlagenteile Block 1 Block 2 Block 3 Block 4 Block 5 Hilfskesselanlage (Kessel 1 bis 3) Gesamt

SO2 in t/a 323 0 359 0 370

1.051

NOx in t/a Gesamtstaub in t/a 672 48 0 0 807 40 280 1 1.309 39 2 3.070

Block 1-3

SO2 in t/a 682

Block 4+5

370

127

GFA 2006

NOx in t/a Gesamtstaub in t/a 1.479 87

1.588

40

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Gegenüberstellung der bisher genehmigten Emissionen und zukünftigen Antragswerte (Planungstand März 2007)

Daten und Emissionen KWS 11.05.2007 Fg

Seite 2

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Anlage 3

Pressemitteilung 28.06.2007 Kraftwerk Staudinger: Weniger Luftschadstoffe durch neuen Block E.ON Kraftwerke sichert Unterschreitung heutiger Emissionen für Standort Staudinger zu

Das Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg wird nach Inbetriebnahme des geplanten Blocks 6 und Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 weniger Luftschadstoffe abgeben als heute - obwohl am Standort etwa doppelt so viel Strom erzeugt werden soll wie bisher. Die Gesamtabgabe der für die Region bedeutsamen Jahresmengen an Staub, Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid wird künftig niedriger sein als in den vergangenen Jahren.

Ermöglicht wird diese Verbesserung durch den Einsatz modernster Technik, die Luftschadstoffe noch wirksamer zurückhält. E.ON Kraftwerke geht hierbei deutlich weiter als der Gesetzgeber fordert: Die ohnehin schon strengen Grenzwerte wird das Kraftwerk durch den Einsatz neuer Filtertechniken für Staub, noch leistungsfähigere Wäscher für Schwefeldioxid und zusätzliche Katalysatoren zur Stickoxidminderung unterschreiten. Damit setzt das Unternehmen neue Maßstäbe, an denen sich künftig alle vergleichbaren Kraftwerke messen lassen müssen. Heute gibt das Kraftwerk Staudinger im Jahr durchschnittlich 442 Tonnen Staub, 1219 Tonnen Schwefeldioxid und 3554 Tonnen Stickstoffdioxid ab.

E.ON Kraftwerke wird diese freiwillige Zusicherung auch im Antrag zur Genehmigung für Block 6 festschreiben lassen.

„Wir haben schon mehrfach zugesichert, dass die Inbetriebnahme von Block 6 nicht mit zusätzlichen ökologischen Belastungen für die Region verbunden ist. Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter: Die Schadstoffemissionen werden künftig geringer sein als bisher. Das ist mehr als ein unverbindliches Versprechen. Wir werden diese Zusicherung zum Bestandteil der ... E.ON Kraftwerke GmbH Tresckowstraße 5 30457 Hannover www.eon-kraftwerke.com

Rückfragen bitte an: Julia Katzenbach Telefon: 0 61 86 29 27 27

Ausschussvorlage ULA/16/70

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2 Betriebsgenehmigung für den neuen Block machen“, erläutert Dr. Ingo Luge, Vorsitzender der Geschäftsführung von E.ON Kraftwerke.

Luge zufolge ist eine solche Festschreibung in der Anlagengenehmigung der beste Weg, um der Region verbindlich zu garantieren, dass die Gesamtmenge der vom Kraftwerk Staudinger abgegebenen Luftschadstoffe sinkt. Die Genehmigung für Block 6 soll Ende des Jahres beantragt werden. „Wenn aus dem Umfeld des Kraftwerks jedoch der Wunsch geäußert wird, unsere Absichtserklärung vorab gemeinsam festzuschreiben, sind wir auch hierzu gern bereit“, so die Aussage des Vorsitzenden der Geschäftsführung.

Der am Kraftwerksstandort Staudinger in Großkrotzenburg geplante Block 6 ist ein Steinkohlekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1.100 Megawatt. Zusätzlich kann der Block 6 mittels Kraft-Wärme-Kopplung 300 MW Fernwärme auskoppeln. Mit einem Wirkungsgrad von 46 Prozent, den bislang noch kein Kohlekraftwerk erreicht hat, setzt dieses Kraftwerk neue Maßstäbe bei der Kohleverstromung. Der geplante Block 6 leistet dadurch einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz: Er wird der Atmosphäre im Vergleich zu den vom Netz gehenden Altanlagen jährlich über 1,2 Millionen Tonnen CO2 ersparen. Dies entspricht in etwa dem jährlichen Ausstoß von mehr als 700.000 deutschen Mittelklassewagen bei einer durchschnittlichen Fahrleistung.

Der geplante Block 6 soll 2012 ans Netz gehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden die Blöcke 1 bis 3 stillgelegt. Die Investition für die Neuanlage beträgt rund 1,2 Milliarden Euro.

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Schriftliche Stellungnahme des DIW Berlin zur öffentlichen mündlichen Anhörung des Hessischen Landtags am Donnerstag, den 13. September 2007

zum Thema:

Geplanter Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger

Berlin, 7. September 2007

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Fragen der CDU-Fraktion: 1. Woher stammen die in Deutschland zur Stromerzeugung eingesetzten Primärenergieträger? 2. Wie sind diese Primärenergieträger hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Kriterien Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu bewerten? 5. Gibt es Alternativen zum geplanten Energieträger Steinkohle, mit dem sich ein geringerer Schadstoffausstoß sowie ggf. eine höhere Energieeffizienz erreichen lässt?

Zu 1.: Der Primärenergieeinsatz zur Stromerzeugung teilte sich nach den Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen in 2006 wie folgt auf die einzelnen Energieträger auf: Kernenergie 33,5 %, Braunkohle 27 %, Steinkohle 23,2 %, Erdgas 8,5 %, Wasser u. Windkraft 3,5 %. Der in den Energiebilanzen ausgewiesene Beitrag der erneuerbaren Energien zum Primärenergieeinsatz wird durch die Bewertung von Wasserkraft- und Windkraftstrom mit seinem Wärmeäquivalent (damit wird in Übereinstimmung mit den Konventionen der IEA ein Wirkungsgrad von 100 % unterstellt) im Vergleich zu den fossilen Energieträger reduziert, bei denen auch die bei der Stromerzeugung entstehenden Verluste als Primärenergieeinsatz erfasst werden (wie auch bei Biomasse, bei der der durchschnittliche Wirkungsgrad der konventionellen Wärmekraftwerke der öffentlichen Stromversorgung von ca. 40 % zugrunde gelegt wird). Der Primärenergiebeitrag der Kernenergie erscheint demgegenüber relativ hoch, weil mit 33 % ein vergleichsweise niedriger Wirkungsgrad der Kernkraftwerke unterstellt wird und die Energieverluste dementsprechend besonders hoch ausfallen. Die Beiträge zur Bruttostromerzeugung fallen in Relation zur gesamten Bruttostromerzeugung vor allem bei der Kernenergie geringer und bei den erneuerbaren Energien größer aus als zum Primärenergieeinsatz. Die entsprechenden Anteile lauten dann für 2006: Kernenergie 26,4 %, Braunkohle 23,8 %, Steinkohle 21,7 %, Erdgas 11,6 %, Wasserkraft und Wind 9 %. Die Abhängigkeit der deutschen Energieversorgung von Importen ist nach einzelnen Energieträgern sehr unterschiedlich. Regenerative Energien können zum Teil aufgrund ihrer natürlichen Eigenschaften nicht über größere Strecken transportiert und damit auch nicht importiert 2

Ausschussvorlage ULA/16/70

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werden. Das trifft insbesondere auf Wind- und Wasserkraft zu, die im Gegensatz zu chemisch gebundenen Energien direkt weder gelagert noch transportiert werden können. Die Wasserkraft kann zwar durch Stauhaltung in gewissem Umfang ohne Energieverluste temporär gelagert werden, wird Wasser aber zu höher gelegenen Staubecken transportiert, muss die Lageenergie, die später zur Verfügung steht, zunächst durch eine entsprechende Transportleistung mittel Einsatz von Pumpstrom geschaffen werden. Die in Pumpspeicherkraftwerken vorrätige bzw. in Strom transformierte Wasserkraft wird daher zu Recht nicht als regenerative Energie bewertet. Am ehesten ist Biomasse in Hinblick auf die Lagerfähigkeit mit fossilen Energieträgern vergleichbar. Wegen der im Vergleich zu Erdöl oder Erdgas geringen Energiedichte von Rohstoffen wie Holz, Rohrzucker, Rüben oder Mais sind allerdings Importe von Biomasse am ehesten in Form von bereits veredelten Produkten wie Ethanol oder Biodiesel möglich. In geringem Umfang spielt aktuell z. b. der Einsatz von importiertem Palmöl in Blockheizkraftwerken ein Rolle, künftig könnten auch indirekte Importe (und Exporte) von regenerativen Energien in Form von Strom bzw. Wasserstoff an Bedeutung gewinnen. Braunkohle kann wegen ihrer geringen Energiedichte und ihrem hohem Wassergehalt über größere Entfernungen nicht wirtschaftlich transportiert werden. Die im Rheinland, in der Lausitz, in Mitteldeutschland und in Helmstedt gewonnene Braunkohle wird daher direkt vor Ort zur Stromerzeugung eingesetzt oder weiterverarbeitet. Deutschland importiert Braunkohlen bzw. Braunkohlenprodukte daher nur in unbedeutendem Umfang. Wegen der im Vergleich zur Braunkohle höheren Energiedichte können Steinkohlen per Schiff und Eisenbahn und Erdgas per Pipeline und/oder in verflüssigter Form per Schiff über große Strecken hinweg transportiert werden. Da außerdem diese Energieträger in Deutschland nur zu international nicht wettbewerbsfähigen Kosten gewonnen werden können (Steinkohle) oder nicht in ausreichender Menge verfügbar sind (Erdgas), werden sie in großem Umfang importiert. Von den 50,8 Mio. t Steinkohle, die 2006 an Kraftwerke abgesetzt worden sind, wurden 32,7 Mio. t importiert, das entsprach etwa 60 % des gesamten Einsatzes (Verein der Kohleimporteure, Jahresbericht 2006). Da die inländische Gewinnung von Steinkohle rückläufig ist, nimmt der Anteil der Importe zu. Die größten Kraftwerkskohlemengen wurden in 2006 aus folgenden Staaten geliefert: –

Südafrika

8,5 Mio t



Russland

8,2 Mio. t

3

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Polen

7,2 Mio. t



Kolumbien 4,0 Mio. t



Indonesien 1,5 Mio. t

Hinzu kommen kleinere Mengen aus Norwegen (1,1 Mio t), Australien (0,8 Mio. t), Tschechien (0,5 Mio. t), USA (0,3 Mio. t), Venezuela (0,1 Mio.t) und sonstigen Drittländern (0,4 Mio. t). Die Lieferungen aus Indonesien sind in 2006 sprunghaft gestiegen. Der Verband der Kohlenimporteure erwartet, dass dieses Land, das mit 26 % den größten Anteil am Weltkohlenmarkt hat, aber vorrangig den pazifischen Raum beliefert, seinen Beitrag für Deutschland künftig noch deutlich steigern wird. Zum gesamten Erdgasaufkommen in Deutschland (ohne Bestandsveränderungen) trug in 2006 die Inlandsgewinnung nur noch 16 % bei, Importe 84 %. Von den Erdgasimporten entfielen 42 % auf die ehemalige Sowjetunion – insbesondere auf Russland, 30 % auf Norwegen, 23 % auf die Niederlande, die restlichen 4 % kommen überwiegend auf Dänemark und Großbritannien. Über die Anteile der Kraftwerke und anderer Verbraucher an diesen Importen liegen dem DIW keine Informationen vor. Deutschland verfügt über keine wirtschaftlich gewinnbaren Natururanvorkommen. Seit der Stilllegung der Wismut AG in 1990 wird in Deutschland Uran auch nicht mehr gewonnen, die zur Stromerzeugung benötigten Kernbrennstoffe bzw. die Rohstoffe, die zu solchen Brennstoffen verarbeitet werden können, müssen daher importiert werden.. In 2006 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (nach persönlichen Informationen von Hilmar Rempel, BGR Hannover) folgende Mengen Natururan importiert (Angaben in Tonnen): –

1403 aus Frankreich



805 aus Kanada



362 aus den USA



und 152 aus Großbritannien.

Insbesondere von den Lieferungen aus Frankreich dürften erhebliche Anteile ursprünglich aus anderen Ländern stammen. Nach einer Übersicht der Arbeitsgruppe Energierohstoffe im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vom 29. März 2006 (Verfügbarkeit und 4

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Versorgung mit Energierohstoffen) haben im Jahr 2004 folgende Länder zu den Uranimporten Deutschlands beigetragen (Angaben in %): –

Kanada

28,5



Australien 23,1



Kasachstan 9,1



Niger

8,1



Russland

7,9.

Außerdem wurden 24 Tonne spaltbare Isotope als angereichertes Uran importiert, die überwiegend aus Frankreich, den Niederlanden, Russland und Großbritannien kamen. Geringe Mengen abgereichertes Uran wurden aus Frankreich importiert (6,8 t)

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Zu 2.: Umweltverträglichkeit Bei den Umweltauswirkungen der Stromerzeugung sind Gesundheitsschäden und wirtschaftliche Schäden etwa in der Landwirtschaft, Auswirkungen auf den Klimawandel sowie Auswirkungen möglicher nuklearer Großunfälle zu unterscheiden. Bei dem Vergleich der Umweltwirkungen sind auch die durch den Bau der Anlagen bewirkten Effekte zu beachten. Bei der Reduktion konventioneller Luftschadstoffe sind auch bei der Stromerzeugung in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt worden. Die externen Kosten der Stromerzeugung, die mit dem heutigen Stand der Technik durch Emissionen konventioneller Luftschadstoffe nicht vermieden werden können und noch nicht internalisiert sind, werden von DLR für die Braunkohle mit etwa einem halben Eurocent/kWh veranschlagt, bei Einsatz von Steinkohle sind diese Beträge etwas und von Erdgas deutlich geringer. Abgesehen von Photovoltaikanlagen sind diese Kosten bei Nutzung von regenerativen Energien in der Regel gering (Wolfgang Krewitt, Barbara Schlomann: Externe Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Vergleich zur Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern. Stuttgart und Karlsruhe, 6. April 2006. Die Mehrheit der Klimaforscher geht davon aus, dass nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft davon auszugehen ist, dass die Menschheit auch durch die Verfeuerung von fossilen Energieträgern und insbesondere durch die damit verbundenen CO2- und Methan-Emissionen zur Erwärmung der Erdatmosphäre beiträgt. Entsprechend der Rangfolge bei den spezifischen Emissionen klimaschädlicher Gase sind die Klimawirkungen am stärksten bei Einsatz von Braunkohle, gefolgt von Steinkohle und mit deutlichem Abstand von Erdgas. Die spezifischen CO2-Emissionen sind bei Einsatz von Braunkohle mit über 110 kg CO2/GJ Brennstoffeinsatz und von Steinkohle mit über 90 kg CO2/GJ Brennstoffeinsatz deutlich höher als bei Einsatz von Erdgas, der Emissionen von mit 56 kg CO2/GJ Brennstoffeinsatz bewirkt. Aufgrund der gegenüber Kohleanlagen um etwa 10 %-Punkte höheren Wirkungsgrade von mit Erdgas befeuerten Kraftwerken (bei jeweils etwa gleichem technischem Stand) fällt der Vorteile des Erdgases je erzeugte kWh Strom noch größer aus. Bei Zugrundelegung von Schadenskosten von 70€/t CO2 kommt DLR auf dieser Basis zu externen Kosten des Treibhauseffektes bei Einsatz von Kohlen von 6 bis 8 Eurocent/kWh im Vergleich mit unter 3 Eurocent/kWh bei Einsatz von Erdgas.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Grundsätzlich können die CO2-Emissionen auch von Kohlenkraftwerken durch Abscheidung und Entsorgung dieses Stoffes erheblich vermindert werden, die Technik dafür ist aber in absehbarer Zeit noch nicht kommerziell nutzbar. Außerdem ist die langfristige Sicherheit der CO2-Lagerung umstritten. Kernenergieanlagen und Kraftwerke auf Basis regenerativer Anlagen emittieren beim Betrieb entweder überhaupt kein CO2 (Wind-, Wasserkraft, Photovoltaik) bzw. nur so viel wie durch Anbau der eingesetzten Pflanzen wieder gebunden wird (bei nachhaltiger Nutzung von Biomasse). Für den Bau solcher Anlagen und für die Beschaffung der Brennstoffe (gewinnen bzw. sammeln, verarbeiten, transportieren), müssen allerdings auch fossile Energieträger eingesetzt werden. Die damit verbundenen Emissionen sind im Normalfall geringfügig im Vergleich zu den Emissionen fossiler Energieträger. Die Bewertung der Risiken der Kernenergie ist wegen der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit und der besonders großen möglichen Folgen von schweren Unfällen besonders unsicher und umstritten. Ewers und Rennings schätzten die spezifische Kosten großer Nuklearunfälle (ohne Accident-Management Maßnahmen) auf 4,3 Pf je kWh (entspricht etwa 2,2 Eurocent). Dieses Ergebnis ist wegen einiger vereinfachender Annahmen umstritten. Insbesondere im Zusammenhang mit dem europäischen ExternE-Projekt sind für Deutschland mit 0,000340,00046 Cent/kWh (0,0034-0,0046 mECU/kWh) die Kosten deutlich geringer beziffert worden. (Rennings, K.: Versicherbarkeit von Atomrisiken (Korreferat).Vortrag im Fachgespräch zur Förderung erneuerbarer Energien im Vergleich zur Atomenergie. Berlin, 27.02.2007) Insgesamt ist nach diesen Daten unter Umweltgesichtspunkten der Einsatz von regenerativen Energien zur Stromerzeugung am vorteilhaftesten, Kernenergie und Kohlen erscheinen wegen der Risiken großer Unfälle bzw. wegen ihren besonders hohen spezifischen CO2-Emissionen und deren möglichen Klimafolgen als problematisch. Sicherheit der Versorgung Die Sicherheit der Energieversorgung kann unter technischen (z.B. technische Ausfallrisiken bei Förderanlagen oder Kraftwerken), politischen (politische Auswirkungen einer starken Abhängigkeit von Energieimporten) oder ökonomischen Gesichtspunkten (Verknappungen und starke Preissteigerungen) betrachtet werden. Hier stehen die ökonomischen Risiken von importierten Energieträgern im Vordergrund (obwohl auch die Energiegewinnung im Inland z.B. aufgrund von Streiks oder Klimaextremen starken Fluktuationen unterworfen sein kann). 7

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Unter ökonomischen Gesichtspunkten kann zwischen kurz- und langfristigen Risiken der Energieversorgung unterschieden werden. Kurzfristig kann die Versorgung mit solchen Energieträgern als besonders sicher gelten, bei denen der Ausfall einzelner Lieferanten jederzeit kompensiert werden kann. Im Normalfall ist dies auf den globalen Märkten für Kesselkohle (nicht auf dem deutlich engeren Markt für Kokskohle) derzeit noch der Fall. Die Erdgasversorgung Deutschlands und Europas erfolgt derzeit noch weit überwiegend per Rohrleitungen. Ausfallende Lieferanten können in einem solchen System kurzfristig nur durch Konkurrenten aus Ländern und Regionen ersetzt werden, die an diese Erdgasnetze angeschlossen sind. Der Ausfall des wichtigsten Lieferanten – für Deutschland ist das mit deutlichen Abstand vor Norwegen und den Niederlanden Russland – könnte wegen begrenzter alternativer Produktions- und Transportkapazitäten in diesem System kurzfristig nicht vollständig kompensiert werden. Zur Sicherheit der Energieversorgung trägt die Existenz von Lagerbeständen vor Ort und – im Fall von Öl – auch von strategischen Lagerbeständen in Deutschland und Nachbarländern bei. Wegen seiner großen Energiedichte können Brennstoffe für Kernkraftwerke für mehrere Betriebsjahre vorgehalten werden, für Öl ist in Deutschland eine strategische Lagerhaltung für mindestens 90 Tage des Verbrauchs vorgeschrieben. Für Kohle existieren entsprechende Vorschriften nicht, die derzeit noch relativ hohe inländische Gewinnung und die Halden der Zechen stellen allerdings ein entsprechendes Sicherheitspolster dar (das allerdings mit der rückläufigen Förderung an Bedeutung verliert). Die Lagerung von Erdgas ist wegen seines – im gasförmigen Zustand – hohen Volumens und seiner spezifisch geringen Energiedichte relativ teuer und ist daher bisher noch nicht ausreichend ausgebaut. In mittel- und langfristiger Perspektive stellt sich die Frage, ob die Versorgung von heute neu gebauten Kraftwerken über einen Zeitraum von zwanzig bis dreißig Jahren sichergestellt werden kann. Dies scheint bei der Kohle am ehesten der Fall zu sein. Mit den derzeit nachgewiesenen Kohlenreserven könnte rechnerisch die aktuelle Produktion noch 147 Jahre fortgesetzt werden, bei Öl noch 41 und bei Erdgas 63 Jahre. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Kohlenverbrauch seit dem Jahr 2000 vor allem in China und Indien stark gestiegen ist, die Investitionstätigkeit in wichtigen Förderländern aber nicht ausgereicht hat, um die Reserven auf dem zuvor hohen Stand zu halten. Dementsprechend ist seitdem die Relation von Reserven zur Produktion in diesen Ländern und auch im Weltdurchschnitt stark gesunken. Würde diese Entwicklung anhalten, könnte diese derzeit im Durchschnitt noch komfortable

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Quote bei der Kohle in wenigen Jahren auf das geringere, aber in den letzten Jahren relativ stabile Niveau des entsprechenden Wertes für Öl und Erdgas sinken. Zur Investitionszurückhaltung im Kohlesektor könnten die bis Ende der neunziger Jahre niedrigen Energiepreise, Unsicherheiten in Hinblick auf die internationale Klimapolitik nach Auslaufen des KyotoAbkommens (nach 2012), aber auch eine zunehmende Konzentration in der Kohlenindustrie beigetragen haben (Der Weltkohlemarkt wird inzwischen zu 70 % von nur vier Ländern und zu 30 % von neun Unternehmen beherrscht. Vgl. Institut für Energetik und Umwelt: Risiken bei Energierohstoffen. Leipzig. 3. März 2005)). In den nächsten Jahren könnten sich auch auf den Weltmärkten für Kesselkohle Verknappungen abzeichnen, da China sowie die USA dabei sind, sich von kohleexportierenden zu kohleimportierenden Ländern zu entwickeln und so den Nachfragesog, der von dem steigenden Bedarf Indiens ausgehen wird, noch verstärken (Vgl.: B. Kavalov, S.D. Peteves (DG JRC, Institute for Energy): The Future of Coal. Petten, February 2007). Nach einschlägigen Prognosen wird der Erdgasverbrauch in der Europäischen Union und in Deutschland langfristig noch deutlich steigen, während die Erdgasgewinnung sinkt. Zu dem künftigen Rückgang der Erdgasgewinnung in Europa wird vor allem beitragen, dass die Erdgasgewinnung auch in Norwegen in wenigen Jahren zu sinken beginnen wird. Grundsätzlich sind Erdgasreserven, mit denen die Versorgung der Europäischen Union in den nächsten zwanzig Jahren sichergestellt werden könnte, in ausreichend großen Mengen vorhanden. Der Mittlere Osten verfügt über 40 % der konventionellen Welterdgasreserven, seine Dominanz ist damit bei Erdgas weniger stark ausgeprägt als beim Öl (über 60 %). Immerhin knapp ein Drittel der konventionellen Weltgasreserven befinden sich auf dem Territorium der GUS-Staaten, ein Großteil davon in der Russischen Föderation; etwa 8 % liegen in Afrika – davon über die Hälfte in Nordafrika, das mit den Erdgasnetzen in Europa bereits über mehrere Rohrleitungen verbunden ist. Ein Teil des im Mittleren Osten und in der ehemaligen Sowjetunion gewonnenen Erdgases kann ebenso kostengünstig wie nach Europa auch nach Asien (insbesondere nach China und Korea, Pakistan und Indien) geliefert werden. Bekannt geworden sind Verhandlungen zwischen Russland und China über den Bau einer Gaspipeline von Ostsibirien nach China. Sollten diese Pläne realisiert werden, würde Europa seine überragende Stellung als Erdgasabnehmer für russisches Erdgas verlieren, und ein „Eurasischer“ Gasmarkt würde entstehen. Auch

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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die USA treten inzwischen als Konkurrent um russische Ressourcen auf (Shtokman-LNGProjekt). Derzeit sind etwa zwei Drittel des für 2020 geschätzten Gasaufkommens in Europa bereits vertraglich gesichert, und Projekte zum weiteren Ausbau der Produktionskapazitäten (Erdgas und LNG) und der Infrastruktur sind in Planung bzw. in Bau. Um den Neubau von Erdgaskraftwerken zu rechtfertigen, muss allerdings die Sicherheit der Erdgasversorgung auch über 20202 hinaus gesichert werden. Inwieweit dies gelingt, ist angesichts der erheblichen politischen Risiken in den meisten potentiellen Lieferländern unsicher (Vgl. auch DIW Wochenbericht 42/2006: Europäische Erdgasversorgung erfordert Diversifizierung und Ausbau der Infrastruktur). Wettbewerbsfähigkeit Die Wettbewerbsfähigkeit von Kohle gegenüber Erdgas hängt von der Entwicklung der Energiepreise und der Preise für CO2-Zertifikate ab. Bei den aktuell hohen Preisen für Erdgas und den im Vergleich zum Stand in 2005/2006 gesunkenen Strompreisen können Erdgaskraftwerke im Dauerbetrieb nicht einmal ihre Brennstoffkosten voll erwirtschaften. Im März 2007 lagen die durchschnittlichen Preise für Erdgas, das an öffentliche Kraftwerke geliefert wurde, sogar unter dem durchschnittlichen Spotpreis für Strom an der EEX in Leipzig (Felix-Base). Bestehende Erdgaskraftwerke müssen unter solchen Bedingungen gezielt in der Mittel- und Spitzenlast in Zeiten eingesetzt werden, in denen Strompreise erzielt werden können, die zumindest die variablen Kosten decken. Zuletzt ist die Spanne zwischen Strom- und Erdgaspreisen wieder etwas größer geworden. Im Jahr 2000 war der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung – bezogen auf den Energiegehalt –etwa doppelt so teuer wie Steinkohle, seitdem ist der Preisabstand noch gestiegen. Im Jahr 2007 war Erdgas bereits dreimal so teuer wie Kohle, die Wettbewerbsfähigkeit des Gases ist dadurch gesunken. Auch der aktuell sehr geringe Preis für CO2-Zertfikate von nahezu Null begünstigt den Erdgaseinsatz nicht.

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Abbildung 1: Entwicklung von Brennstoffpreisen für Kraftwerke und der Spotpreise für Strom (Felix-Base) 60

Steinkohle KW

50

Strom Phelix Base Erdgas EVU

€/MWh

40

30

20

10

0 2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007, Jan 2007, Feb 2007, Mer 2007, Apr 2007, Mai 2007, Jun

Quellen: Statistik der Kohlenwirtschaft e.V., EEX Leipzig. Berechnungen des DIW

In dem Maße wie das Angebot an CO2-Zertifikaten durch eine sukzessive Reduktion der Emissionsrechte im Zeitablauf verknappt wird, werden die CO2-Preise wieder deutlich steigen. Um Erdgas bei anhaltend hohen Preisdifferenzen zur Kohle wieder im gesamten Lastbereich wettbewerbsfähig zu machen, wäre allerdings ein sehr starker Preisanstieg für CO2-Rechte erforderlich. Auch bei Preisen für CO2-Zertifikate von immerhin 20 €/Tonne (der Futurepreisfür CO2-Zertifikate liegt aktuell bereits auf diesem Niveau) ist die Stromerzeugung in modernen Erdgaskraftwerken bei einer Auslastung über 3000 bis 3500 Stunden immer noch teuerer als in Kohlekraftwerken. Erst bei CO2-Preisen von etwa 40 €/t kann mit Erdgas in allen Lastbereichen kostengünstiger Strom erzeugt werden als mit Kohle. Ein solcher Preis läge allerdings immer noch deutlich unter dem Schadenswert von 70€/t CO2, den Krewitt/Schlomann bei der Ermittlung der externen Kosten der Stromerzeugung zugrunde legen. Demnach wäre ein verstärkter Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung wegen der damit verbundenen geringeren negativen externen Effekte grundsätzlich gerechtfertigt. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass Erdgas auch bei hohen Preisen (für Erdgas und CO2) nur begrenzt zur Verfügung steht und daher europaweit nicht beliebig stark ausgebaut werden kann.

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Abbildung 2: Stromerzeugungskosten bei anhaltend hohen Energieund CO2- Emissionspreisen 11 Erdgas GuD, 800 Mwel, 20 €/t CO2 Steinkohle, 700 Mwel, 20 €/t CO2 Erdgas GuD, 800 Mwel, 40€/t CO2 Steinkohle, 700 Mwel, 40 €/t CO2

€cts/kWh

9

7

5 2500

3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

6500

7000

7500

8000

Auslastung in Stunden

Quellen: Berechnungen des DIW

Zu 5.: Für die Stromerzeugung in der Grund- und Mittellast stellt vor allem der Erdgaseinsatz eine Alternative zum Kohleneinsatz dar. Bei Einsatz von Erdgas werden aufgrund seiner günstigeren natürlichen Eigenschaften spezifische deutlich geringere Mengen von Klimagas bzw. Schadstoffen emittiert als bei Einsatz von Kohlen. Wird noch der in modernen GuDErdgaskraftwerken im Vergleich zu modernen Steinkohlenkraftwerken etwa 10 %-Punkte höhere Wirkungsgrad berücksichtigt, sind die CO2-Emissionen je erzeugte kWh Strom bei Einsatz von Erdgas fast nur halb so hoch wie bei Einsatz von Steinkohle. Hinzu kommt, dass auch konventionelle Schadstoffe bei Einsatz von Steinkohle in größerem Umfang emittiert werden als bei Einsatz von Erdgas. So machen in Kohlenkraftwerken die Emissionen von Staub (und damit zusammenhängend von Schwermetallen) sowie von Schwefeldioxid ein Mehrfaches der zulässigen Emissionen von Erdgaskraftwerken aus, ihre NOx-Emissionen dürfen immerhin noch doppelt so hoch ausfallen wie bei Erdgas. Hinzu kommt, dass nicht nur

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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bei der Verfeuerung, sondern auch beim Umschlag von Steinkohle erhebliche Staubemissionen auftreten können.

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Fragen der SPD-Fraktion: Punkt 24:

Wie ist der von E.ON geplante Neubau angesichts der weltweit geführten Kli-

madebatte und der auch auf allen politischen Ebenen unstreitigen Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren, energiepolitisch zu werten? Punkt 32:

Wie ist die Preisentwicklung für Kohle auf dem Weltmarkt vor dem Hinter-

grund des wachsenden Energiebedarfes und der Endlichkeit des Produktes einzuschätzen?

Punkt 24: Die Energiepolitik strebt eine zugleich umweltfreundliche, sichere und kostengünstige Energieversorgung an. Auf einen Beitrag der Kohle zur Stromerzeugung zur Erreichung dieser Ziele kann in Deutschland – auch vor dem Hintergrund des geplanten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie - sicher nicht verzichtet werden. Andererseits muss der Einsatz von Kohle zur Stromerzeugung gegenüber dem heutigen Stand wohl reduziert werden, wenn eine Chance bestehen soll, das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, die CO2-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 % zu senken. Nach den Energieszenarien für den Klimagipfel 2007 (Vgl. EWI/Prognos: Energieszenarien für den Energiegipfel 2007. Basel/Köln, 17. Juli 2007) kann die angestrebte Reduktion der CO2-Emissionen bei erheblichen Anstrengungen in allen Bereichen der Energieversorgung – insbesondere durch Steigerung der Energieeffizienz (jährlich 3 %) tatsächlich erreicht oder bei Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke - sogar etwas übertroffen werden. Dabei ist allerdings unterstellt, dass die Kapazitäten der Steinkohlenkraftwerke von 2005 bis 2020 sinken, die Stromerzeugung nimmt – wegen der zunehmenden Einspeisung von Strom auf Basis erneuerbarer Energien und der dadurch bewirkten geringeren Auslastung auch der Kohlenkraftwerke - noch stärker ab und der Brennstoffeinsatz (und die CO2-Emissionen) darüber hinaus wegen der bis 2020 erfolgten Modernisierung des Kraftwerksparks.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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Die Kapazitäten der Steinkohlenkraftwerke nehmen von 29 GW in 2005 auf 25 GW in den Szenarien „Koalitionsvertrag“ (KV) und „Stärkerer Ausbau erneuerbare Energien“ (EE) sowie auf 19 GW bei „Längere Laufzeit von Kernkraftwerken“ (KKW) ab, also um 4 bis 10 GW. Der Umfang der Kraftwerksstilllegungen soll bei 15 bis 20 GW liegen, also sind Kraftwerksneubauten in der Größenordnung von 10 GW notwendig. Nach einer Liste des „Bund Freunde der Erde“ (Stand 26. Juni 2007) sind derzeit 24 neue Steinkohlenkraftwerke in Planung mit einer Leistung von insgesamt 23 GW, das ist mehr als doppelt so viel wie nach den Szenarien für den Energiegipfel 2007 notwendig ist. Bei weitem nicht alle der derzeit in Planung befindlichen Steinkohlenkraftwerke müssen und werden also realisiert werden (einige Projekte sind bereits wegen der aktuell sehr hohen Anlagenpreise aufgegeben worden). Inwieweit Block 6 des Kraftwerkes Staudinger zu den Anlagen gehört, die tatsächlich gebaut werden, hängt von den Bedingungen des Standortes im Vergleich zu Alternativen ab.

Punkt 32: Auf die zunehmend gespannte Lage auch auf den Weltkohlenmärkten sind wir bereits in der Antwort auf die Frage 2 der CDU eingegangen. Das wird zur Folge haben, dass die Kohlenlieferanten bei ihrer Preisgestaltung den Spielraum voll nutzen werden, den die Preisentwicklung für die Konkurrenzenergien Erdgas und Mineralöl (letzteres vor allem indirekt wegen der Bindung der Erdgas- an die Mineralölpreise) eröffnen. Eine von der Preisentwicklung bei den Konkurrenzenergien völlig unberührte Preisentwicklung für Kohlen (wie noch in der Referenzprognose von EWI/Prognos von Mai 2005 angenommen), ist daher eher unwahrscheinlich.

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Ausschussvorlage ULA/16/70 Stellungnahme zu Block 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger, Prof. Dr.-Ing. L. Petry

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Fragen der CDU, Antworten 1. Woher stammen die in Deutschland zur Stromproduktion eingesetzten Primärenergieträger? Außer Braunkohle und den regenerativen Energieträgern (Sonne, Wind, Wasserkraft, Biomasse, Geothermische Energie), die aus Deutschland stammen, werden Uran und Steinkohle vollständig und Gas zum überwiegenden Teil importiert. Somit basieren mehr als 80 % der Stromerzeugung auf Importenergien. 2. Wie sind diese Primärenergieträger hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Kriterien Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu bewerten? Braunkohle, Steinkohle und Gas sind CO2-und Schadstoffverursacher. Bei der Urangewinnung werden Luft, Wasser und Erde ratioaktiv belastet, bei der Nutzung besteht das Risiko eines großen Unfalls und die Entsorgungsprobleme sind noch nicht gelöst. Alle Regenerativen Energiequellen sind nahezu CO2-neutral oder CO2-frei. Braunkohle verursacht spezifisch die höchsten CO2-und Schadstoffemissionen pro erzeugte kWh und der Abbau greift extrem in die Natur und den Grundwasserhaushalt ein. Die Versorgungssicherheit der importierten Primärenergien lässt sich mit Hilfe der folgenden Kriterien definieren: - Verfügbarkeit (Ressourcen, Marktsituation): Es gilt für die Primärenergien Gas, Öl und Uran eine Prognose der Reichweite von ca. 50 Jahren bei heutigem Verbrauch. - Politische Stabilität der Lieferländer: Bekanntermaßen sind vor allem die Ursprungsländer von Gas und Öl politisch instabile oder zumindest unzuverlässige Staaten. - Wettbewerb: Die Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Primärenergien ist heute klar geprägt von einem hohe Preis für Öl und Gas und einem vergleichsweise niedrigen Preis für Steinkohle. Es kann vermutet werden, dass der Steinkohlepreis mittelfristig den steigenden Preisen der anderen Primärenergien folgen wird. Als wichtiger Preisfaktor bei der elektrischen Energieerzeugung dürfte in Zukunft die Verwertung der Abwärme der Kraftwerke hinzukommen. Die Kosten für Emissionszertifikate werden alle fossilen Energieträger in Zukunft verteuern, so dass ihre Wettbewerbsfähigkeit abnehmen wird. 3. Kann die Stromproduktion des geplanten Blocks sowohl mengenmäßig als auch im benötigten Lastbereich durch regenerative Energien wie Wind, Photovoltaik oder Biomasse in der Region erzeugt werden? Die geplante Stromerzeugung des Kraftwerks Staudinger kann komplett aus Regenerativen Energien in der Region erzeugt werden. Die Leistungsbereitstellung in den verschiedenen Lastbereichen erfordert schon heute, vor allem aber bei steigendem Anteil der regenerativen Energien, eine weiträumige Einbeziehung der Erzeugungskapazitäten und das aktive Mittel der Laststeuerung (Demand Side Management). D. h. eine regionale Betrachtung ist nicht zielführend.

Ausschussvorlage ULA/16/70 Stellungnahme zu Block 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger, Prof. Dr.-Ing. L. Petry

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Daneben sollten bisher zur Erzeugungssteuerung nicht eingesetzte kleine Kraftwerke, wie z.B. Blockheizkraftwerke zu virtuellen Kraftwerken zusammengefasst und bedarfsgerecht genutzt werden.

4. Falls Ja, wie könnte das geschehen, mit welchen Investitionskosten ist zu rechnen und wie ändern sich die Stromkosten in dieser Variante im Vergleich zur Stromerzeugung auf Basis Steinkohle? Die Investitionskosten von Staudinger 6 betragen nach E.ON-Angaben 1,2 Mrd. €. Wenn die Kapitalkosten während der 5-jährigen Bauphase berücksichtigt werden, erhält man ca. 1,5 Mrd. € Baukosten bei Inbetriebnahme. Daraus ergeben sich Stromgestehungskosten von ca. 3 ct/ kWhel ohne Berücksichtigung von Kohlepreissteigerungen. Hinzugerechnet werden müssen noch die Kosten für CO2-Emissionszertifikate, die für Steinkohlekraftwerke bei 0,75...2 ct/ kWhel liegen dürften. Daraus errechnet man Stromgestehungskosten für das geplante Steinkohlekraftwerk von ca. 3,75...5 ct/ kWhel. Die Stromgestehungskosten von Kraftwerken, die regenerative Energie nutzen, können aus den EEG-Vergütungssätzen abgelesen werden. Danach kommt die Grundvergütung für Windenergie im Jahre 2012 mit dann 4,68ct/ kWhel an den Preis von Strom aus dem Kraftwerk Staudinger Block 6 heran. 5. Gibt es Alternativen zum geplanten Energieträger Steinkohle, mit dem sich ein geringerer Schadstoff- und CO2-ausstoß sowie ggf. eine höhere Energieeffizienz errechen lässt? Außer den genannten regenerativen Energien gibt es eine fossile Alternative zum Steinkohlekraftwerk, nämlich ein Gas - befeuertes Kraftwerk, z. B. ein Block GasDampf-Kraftwerk kombiniert mit einem GuD-Block. - Vorteil: höherer Wirkungsgrad (58%) gegenüber Steinkohlekraftwerke, geringerer CO2-Ausstoß: 0,2 kg/ kWhth entspricht 0,35 kg/ kWhel, das ist weniger als die Hälfte verglichen mit den Emissionen eines Steinkohlekraftwerks. - Nachteil: Gas ist eine endliche Ressource, CO2 – und Luftschadstoffemissionen sind deutlich höher verglichen mit dem Einsatz von regenerativen Energien. 6. Halten Sie die in der E.ON - Pressemitteilung vom 28. Juni 2007 enthaltende Aussage „ Das Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg wird nach Inbetriebnahme des geplanten Blocks 6 und Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 weniger Luftschadstoffe abgeben als heute – obwohl am Standort etwa doppelt so viel Strom erzeugt werden soll wie bisher.“ für realistisch? Die Aussage ist im Hinblick auf den CO2-Aussstoß sicherlich nicht zutreffend, denn dann müsste der Block 6 einen gegenüber den alten Blöcken mindestens doppelten Wirkungsgrad aufweisen, was wohl nicht zutrifft. Im Hinblick auf die Luftschadstoffe, halte ich die Aussage nur dann für zutreffend, wenn in den heute betriebenen Kraftwerksblöcken Reinigungstechniken eingesetzt werden, die bei weitem nicht dem Stand der Technik entsprechen.

Ausschussvorlage ULA/16/70

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Stellungnahme zu Block 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger, Prof. Dr.-Ing. L. Petry

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Fragen von BÜNDNIS 90/ Die Grünen, Antworten Bei den von mir nicht beantworteten Fragen verweise ich auf E.ON oder die Genehmigungsbehörden. 1. Welche Techniken zur Schadstoffreduktion werden in modernen Steinkohlekraftwerden angewandt, und welche Rückhaltequoten lassen sich damit erreichen? Es gibt die Möglichkeit der REA zur Entschwefelung. Für Grob- und Feinstäube werden Zyklon und E – Filter eingesetzt. Für NOX – Schadstoffe werden NOXWäscher verwendet. Bei der REA und Entstaubung werden Rückhaltequoten von bis zu 95% und mehr erreicht. Bei NOX-Wäschern werden Rückhaltequoten von ca. 60% errecht. 2. Welche alternativen Techniken zur Schadstoffreduktion stehen zu Verfügung und welsche Reduktionsquoten werden damit erreicht? Welche Nachteile sind damit ggf. verbunden? Es gibt die Möglichkeit der aktiven Verbrennungskontrolle, um Schadstoffe in der Entstehung zu vermeiden. Nachteil ist hierbei die entstehenden höheren Kosten für die Prozesstechnik. 6. Welche Reststoffarten und –mengen sind durch die Schadstofffilterung und den Kraftwerksbetrieb bei einem modernen Kohlekraftwerk mit 1000MW Leistung zu erwarten. Es ist mit Gips, Filterstäuben, Flugasche und belasteten Abwässern zu rechnen. 21. Würden die erzeugten Strommengen des Blocks 6 den Import/ Einspeisung von Windkraftstrom oder anderen erneuerbaren Energien (z.B. durch die Überlastung der Stromnetze) nach Deutschland und nach Hessen erschweren? Eine Überlastung der Netze ist nicht zu erwarten. Der Import aus Windenergieanlagen wird nicht erschwert. Beide Aussagen sind durch die Tatsache begründet, dass die Windenergie schwerpunktmäßig an der Küste oder Offshore erzeugt wird, und es damit bei erhöhter Windenergieerzeugung bei gleichzeitigem Betrieb von Block 6 auf Grund der Leistungsflussverhältnisse zu einer Entlastung der Übertragungsleitungen kommen wird.

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22. Würden durch die Produktion des Blocks 6, der als Grundlastkraftwerk auch Kraftwerke im Mittellastbereich ersetzen soll, insbesondere die bereits jetzt durchgeführten Einspeisebeschränkungen in der EON Regelzone für erneuerbare Energien weiter verstärken? Gemeint ist mit dieser Frage sicherlich das bei einigen Windparks in Küstennähe eingeführte Erzeugungsmanagement. Da das Erzeugungsmanagement m. W. nur in Norddeutschland angewendet wird, hat Block 6 hierauf keinen Einfluss. 23. Welche Auswirkungen würden sich durch die Steigerung der Stromproduktion auf die Einspeisemöglichkeiten Dritter auf Basis konventioneller und erneuerbarer Energieträger ergeben? Dies ist eine reine Frage der Marktwirtschaft und der flankierenden gesetzlichen Randbedingungen. 25. Welche Gründe sprechen gegen den Bau eines Gas- und Dampfkraftwerkes am Standort Staudinger? Keine!

Fragen der SPD Bei allen Fragen der SPD verweise ich auf E.ON oder die Genehmigungsbehörden. Anmerkung: Die Angabe von E.ON, pro Stunde 385 Tonnen Kohle zu verfeuern,führt bei der Annahme von üblichen Energiegehalten von Steinkohle zu einem Wirkungsgrad deutlich unter 46 %. Umgekehrt erhält man bei 46 % Wirkungsgrad einen Kohlebedarf von knapp unter 300 Tonnen pro Stunde. Wie ist die Abweichung begründet?

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- Teil 1 - Seite 145 von 202 Seite 5

Zusammenfassung Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist heute für jeden fühl- und sichtbar. Er hat weltweit dramatische Folgen, die zum Teil auch Hessen treffen. Die immer häufiger auftretenden Starkregenfälle führen zu extremen Überschwemmungen, die Trocken- und Hitzeperioden zu Ernteausfällen und Waldschäden. Die CO2-Emissionen bei der energetischen Nutzung, d. h. der Verbrennung der fossilen Energien Öl, Gas und Kohle sind als Hauptursache für den Klimawandel erkannt. Damit sich der Klimawandel nicht zur Katastrophe auswächst, ist kurzfristig eine Stabilisierung der CO2-Emissionen und mittelfristig eine drastische Reduktion erforderlich. Da die Energiewirtschaft, neben dem Verkehr, der Hauptemittent von CO2 ist, ist hier der Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Energien besonders wirksam und deshalb auch besonders wichtig. Durch den Bau von Kraftwerken, die Solarenergie, Wind, Wasser, Geothermie und Biomasse nutzen, lässt sich elektrische Energie nahezu CO2-frei gewinnen. Die Steigerungsraten der installierten Leistungen von Kraftwerken, die die regenerativen Energien Wind, Sonne und Biomasse nutzen, lagen in den letzten Jahren zumeist im hohen zweistelligen Prozentbereich. Die nationalen Ziele sehen bereits im Jahre 2020 einen etwa 30 % - igen Anteil der regenerativen Energien vor. Die CO2-Emissionen sollen noch weiter sinken. Diese Ziele fordern den beschleunigten Zubau von auf regenerativen Energien basierenden Kraftwerken, sowie den Einsatz von weiteren CO2-sparenden Maßnahmen. Energieeinsparungen, der verstärkte Einsatz von Gas statt Kohle bei der Stromerzeugung sowie die Kraft-Wärme-Kopplung verringern die CO2-Emissionen dabei am effektivsten. Die Beteiligung von regionalen hessischen Energieversorgungsunternehmen an allen hessischen Kraftwerksprojekten lässt hierbei eine wirksame Umsetzung der genannten Ziel erwarten und sollte verbindlich festgeschrieben werden.

Prof. Dr.-Ing. Lothar Petry, 07.09.2007

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 146 von 202

Universität Stuttgart Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung Prof. Dr.-Ing. A. Voß Institute of Energy Economics and the Rational Use of Energy⋅Institut d´Economie Energétique et d´Utilisation Rationnelle de l´Energie

Anhörung

des Ausschusses für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Hessischen Landtags zum Thema „Geplanter Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg“

Schriftliche Stellungnahme zum Fragenkatalog

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 147 von 202

A. Energiewirtschaftliche Aspekte o Woher stammen die in Deutschland zur Stromproduktion eingesetzten Primärenergieträger? o Wie sind diese Primärenergieträger hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Kriterien Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu bewerten? Die Abbildung 1 zeigt den Anteil der verschiedenen Energieträger an der Bruttostromerzeugung in Deutschland im Jahr 2006.

2006 Erneuerbare Energien 11,5%

Steinkohle 21,4%

Erdgas 11,6% Mineralöl / Sonstiges 5,3%

Braunkohle 23,9% Kernenergie 26,3%

gesamt: 636 TWh

Abbildung 1: Brutto-Stromerzeugung nach Energieträger in Deutschland in 2006

Im Bezug auf die bei der Stromerzeugung eingesetzten Energieträger betrug der Importanteil bei Uran 100 %, bei Mineralöl 96 %, bei Erdgas 84 % und bei der Steinkohle 66 %. Die Frage, wie die verschiedenen Primärenergieträger hinsichtlich der Kriterien Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu bewerten sind, lässt sich so sinnvoll nicht beantworten, weil die Umwelteffekte und die Wettbewerbsfähigkeit maßgebend von den Technologien zur Umwandlung z.B. der Kraftwerktechniken mitbestimmt werden. 1/16

Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 148 von 202

Die Versorgungssicherheit ist ein quantitativ kaum fassbares Kriterium, das insbesondere durch die Importabhängigkeit eines Energieträgers nicht hinreichend beschrieben wird. Die Diversifizierung der Bezugsquellen und die Bevorratung bzw. Bevorratungsmöglichkeiten eines Energieträgers sind weitere Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Für die erneuerbaren Energien sind die natürlichen Schwankungen des Angebots zu beachten. Beispielsweise bewegt sich das jährliche Windangebot in einem Bereich von +20 bis -20% bezogen auf ein Windnormaljahr. Eine erste Orientierung bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit der Stromerzeugung aus den verschiedenen Primärenergieträgern ermöglichen die jeweiligen Stromerzeugungskosten. Für typische Referenzkraftwerke, die dem heutigen Stand der Technik entsprechen, sind in Abb. 2 die spezifischen Stromgestehungskosten (Average Lifetime Levelized Generation Costs), die die Kapital-, Betriebs- und Brennstoffkosten beinhalten, gegenübergestellt. Bei den Kraftwerken, die erneuerbare Energieträger nutzen, sind, mit Ausnahme des Biomasse-Kraftwerkes, auch die Kosten von so genannten Back-up Kraftwerken zur Bereitstellung einer gesicherten Leistung mit erfasst.

[€/MWh] 700

600

Brennstoffkosten

Betriebskosten

Kapitalkosten

Min. Back-Up Kosten

Mehrkosten der max. Back-Up Kosten 500

400

300

200

100

0 Braunkohle- Steinkohle- Erdgas GuD Dampf-KW Dampf-KW

DWR

Biomasse

Laufwasser

Wind onshore 1400 h/a

Wind onshore 2200 h/a

PV Freifläche

PV Dach

Abbildung 2: Stromerzeugungskosten der Referenzkraftwerke (Diskontrate 7,5 %)

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 149 von 202

Die Stromerzeugungskosten eines Steinkohle-Dampf-Kraftwerks sind im Grundlastbereich um etwa 25 % geringer als die eines Erdgas-GuD-Kraftwerks und deutlich geringer als die Stromerzeugungskosten aus Erneuerbaren Energien. Die Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Stromerzeugungsoptionen erfordert eine Ermittlung der Umwelteffekte, die neben den Umweltwirkungen durch den Anlagenbetrieb auch die Umwelteffekte aller vor- bzw. nachgelagerten Prozesse zur Bereitstellung des Brennstoffs sowie der Materialien für die involvierten technischen Anlagen, insbesondere der Kraftwerke selbst, erfasst. Notwendig ist eine Bilanzierung über den gesamten Lebensweg, also eine Betrachtung von der Wiege bis zur Bahre. Die Ergebnisse einer derartigen ganzheitlichen Bilanzierung für ausgewählte Schadstoffe sind in Abb. 3 dargestellt.

CO2 [g / kWh];

SO2 , NOx [mg / kWh]

1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

Kohlendioxid

Schwefeldioxid

Stickoxide

Steinkohle-Kraftwerk

Braunkohle-Kraftwerk

Erdgas GuD

Kernkraftwerk

Holz-HKW

Photovoltaik 5 kW

Wind 1500 kW (5,5)

Wind 1500 kW (4,5)

Laufwasser 3,1MW Quelle: IER 2005/07

Abbildung 3:

Kumulierte Lebenswegemissionen verschiedener Stromerzeugungssysteme

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 150 von 202

Die unterschiedlichen Umwelteffekte der verschiedenen Stromerzeugungssysteme lassen sich nun über die damit verbundenen umweltseitigen Schäden vergleichbar machen und mittels einer monetären Bewertung als externe Kosten quantitativ erfassen. Die entsprechend dem derzeitigen Stand quantifizierten externen Umweltkosten der verschiedenen Stromerzeugungssysteme sind in Abb. 4 zusammen mit den sonstigen Erzeugungskosten für verschiedene Stromerzeugungsoptionen dargestellt.

Sind die externen Kosten ein Maß für die Umweltinanspruchnahme (Umwelteffekte) der verschiedenen Stromerzeugungssysteme, so stellen die Gesamtkosten ein Maß für die Inanspruchnahme aller knappen Ressourcen (Energie, nichtenergetische Rohstoffe, Umwelt usw.) dar und können als Ressourcennutzungseffizienz der verschiedenen Stromerzeugungssysteme interpretiert werden.

Steinkohle-Kraftwerk Braunkohle-Kraftwerk Erdgas GuD Kernkraftwerk Holz-HKW Photovoltaik 5 kW Wind 1500 kW (5,5) Wind 1500 kW (4,5) Laufwasser 3,1 MW 0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

44,0 16,0

Stromgestehungskosten und Externe Kosten

46,0 18,0

48,0 20,0

50,0 22,0

[€-Cent/kWh]

Stromgestehungskosten

Externe Kosten (ohne Klimaschäden)

Klimaschäden - Vermeidungskosten

Back-up-Kosten Quelle: IER 2005/07

Abbildung 4: Gesamtkosten der Stromerzeugung

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 151 von 202

o

Kann die Stromproduktion des geplanten Block 6 sowohl mengenmäßig als auch im benötigten Lastbereich durch regenerative Energien wie Wind, PV oder Biomasse in der Region erzeugt werden.

o

Welche Alternativen aus regenerativen Energieträgern bieten sich bereits heute zu der am Standort Staudinger erzeugten Energie aus Steinkohle an?

o

Falls ja, wie könnte das geschehen, mit welchen Investitionskosten ist zu rechnen und wie ändern sich die Stromkosten in dieser Variante im Vergleich zur Stromerzeugung auf Basis der Steinkohle?

In Tabelle 1 ist das technische Stromangebotspotenzial sowie die Stromerzeugung der verschiedenen erneuerbaren Energien in Hessen dargestellt

Tabelle 1: Stromangebotspotenzial und Stromerzeugung erneuerbarer Energien in Hessen Stromangebotspotenzial [TWh/a]

Stromerzeugung 2004 [TWh/a]

Wasserkraft

0,82

0,34

Windenergie

1,0

0,46

Biomasse

3,5

0,33

Photovoltaik

24,2

0,032

Quelle: /IGW 2005/, /ZEW 2006/

Das große technische Potenzial der Photovoltaik ist auf absehbare Zeit wirtschaftlich nicht erschließbar und kann auch keinen Beitrag zu einer Grundlaststromerzeugung leisten. Die verbleibenden derzeit noch ungenutzten Potenziale der Wasserkraft, der Windenergie und der Biomasse sind insgesamt mengenmäßig nur etwa halb so groß wie die geplante Stromerzeugung von Block 6 (6,8 TWh/a). Eine alternative Option zur Stromerzeugung des geplanten Block 6 stellen sie nicht dar. Dies gilt erst recht, wenn man wirtschaftliche Überlegungen mit einbezieht.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

o

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Welche Strommenge wird gegenwärtig mit den vorhandenen fünf Blöcken am Standort Staudinger erzeugt?

Tabelle 2: Erzeugte Strommengen im Kraftwerk Staudinger Block 1

o

Block 3

Block 4

Block 5

Summe

2003

649.0 GWh

1252.0 GWh

509.6 GWh

3354.6 GWh

5765 GWh

2004

868.0 GWh

1379.1 GWh

227.1 GWh

3110.5 GWh

5585 GWh

2005

1092.2 GWh

1160.6 GWh

772.1 GWh

2254.3 GWh

5279 GWh

2006

1016.8 GWh

1035.7 GWh

661.5 GWh

2312.1 GWh

5026 GWh

Welche Rolle spielt der Standort Staudinger gegenwärtig für die Strombedarfsdeckung der Rhein-Main Region oder Hessens?

Der Standort Staudinger trägt mit ca. 20 % zur Stromerzeugung in Hessen bei. Der Anteil am Stromverbrauch ist aufgrund des Importstromanteils leicht geringer und liegt bei ca. 16 %.

o

Wären nach einer Abschaltung der Blöcke 1-3 die dann noch vorhandenen Blöcke 4 und 5 technisch „in der Lage“ dieselbe Menge Strom zu erzeugen?

Aus rein technischer Sicht wären die Blöcke 4 und 5 wohl in der Lage, dieselbe Menge Strom, die derzeit am Kraftwerksstandort erzeugt wird, zu erzeugen. Ob damit auch die zu Spitzenlastzeiten nachgefragte Leistung bereitgestellt werden kann, lässt sich aus den uns verfügbaren Daten nicht beantworten. Entscheidend ist aber die Frage, ob der so erzeugte Strom auch im Markt abgesetzt werden könnte, da in wettbewerblichen Erzeugungsmärkten die variablen Grenzerzeugungskosten (also im Wesentlichen die spezifischen Brennstoffkosten) eines Kraftwerks seine jährliche Stromerzeugung determinieren. Insbesondere für den mit Erdgas betriebenen Block 4 mit einem Wirkungsgrad von 40 % gilt wohl, dass er auch in Zukunft nur zu Spitzenlastzeiten wirtschaftlich betrieben werden kann. Eine erhebliche Ausweitung der jährlichen Stromerzeugung dieses Blocks ist in einem wettbewerblichen Erzeugungsmarkt somit nicht möglich.

6/16

Ausschussvorlage ULA/16/70

o

- Teil 1 - Seite 153 von 202

Wie viel Prozent der möglichen Fernwärme wird heute genutzt? Bzw.: Weshalb ist die heutige Nachfrage an Fernwärme so gering?

Die bestehenden Blöcke 1 u. 5 sind technisch so konzipiert, dass eine Fernwärmeleistung von 350 MWth ausgekoppelt werden könnte. Im Jahr 2006 betrug die Fernwärmeerzeugung 146.950 MWth . Die maximal benötigte Fernwärmeleistung liegt bei ca. 100 MWth.

o

Wie viele Haushalte werden derzeit und in 2013 mit Fernwärme versorgt?

Derzeit werden etwa 16.000 Haushalte mit Fernwärme versorgt. Das entspricht einer Anschlussleistung von ca. 90 MW. Über die Fernwärmeversorgung 2013 kann derzeit keine Aussage getroffen werden.

o

Wie groß wäre das Auskoppelungspotenzial (Kraft-Wärme-Kopplung) des neuen Blockes 6?

Der neue Block 6 ist so konzipiert, dass eine Fernwärmeauskopplung von 300 MWth möglich ist.

o

Wie ist die Preisentwicklung für Kohle auf dem Weltmarkt vor dem Hintergrund des wachsenden Energiebedarfes und der Endlichkeit des Produktes einzuschätzen?

Aufgrund der großen Menge der sicher gewinnbaren Reserven an Steinkohle (statische Reichweite ca. 220 Jahre) sowie der zusätzlichen Ressourcen (etwa das sechsfache der sicher gewinnbaren Reserven) und aufgrund der geringen Förderkosten der großen Lagerstätten werden knappheitsbedingte Preissteigerungen auch bei einem weltweit steigenden Verbrauch als wenig wahrscheinlich angesehen. Die meisten internationalen Untersuchungen gehen davon aus, dass die Preise für Steinkohle auf den Weltmärkten deutlich geringer ansteigen werden als die für Erdöl und Erdgas.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

o

- Teil 1 - Seite 154 von 202

Welche preispolitischen Probleme sehen Sie für neue Energieerzeugungstechniken durch eine weitere jahrelange Zementierung fossiler Energieträger in Hessen?

Da es, anders als beim Strom aus erneuerbaren Energien, keine auf zwanzig Jahre garantierten Vergütungspreise für den erzeugten Strom aus Steinkohlekraftwerken gibt, ist mit dem Bau eines neuen Steinkohlekraftwerks auch keine Zementierung der Nutzung fossiler Energieträger in Hessen verbunden. Das Kraftwerk wird nur Strom erzeugen können, wenn dieser im europäischen Wettbewerbsmarkt konkurrenzfähig ist. Wenn dies erreicht wird, dann trägt das Kraftwerk auch zum energiepolitischen Ziel einer wirtschaftlichen Stromversorgung bei. Hemmnisse für neue Energieerzeugungstechniken, die Strom wirtschaftlicher erzeugen können, sind nicht erkennbar.

o

Wie viele Menschen sind derzeit am Standort beschäftigt, wie viele werden es nach Fertigstellung des Blocks 6 sein?

o

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze bestehen derzeit jeweils in den Kraftwerksblöcken (Staudinger 1-3 und an anderen Standorten), die durch den Neubau des Blocks 6 ersetzt werden sollen.

o

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze würden im Kraftwerksblock 6 geschaffen werden?

Derzeit sind 210 Mitarbeiter im Kraftwerk Staudinger beschäftigt. Ca. 100 Mitarbeiter sind für den Betrieb der Blöcke 1-3 eingesetzt. Für den neuen Block werden ca. 60-65 Mitarbeiter benötigt. Dauerhaft sind die Arbeitsplätze nur dann, wenn der neue Kraftwerksblock im Erzeugungswettbewerb bestehen kann.

o

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze können durch dezentrale BHKW geschaffen werden?

o

Wie viele dauerhafte Arbeitsplätze könnten durch eine Energieerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien geschaffen werden?

Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive schafft nur der Einsatz solcher Erzeugungstechnologien dauerhaft Arbeitsplätze, die ohne finanzielle Förderung wettbewerbsfähig sind. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann ist der heimische Anteil an der Wertschöpfung eine weitere Größe, die die inländischen Beschäftigungseffekte mitbestimmt.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

- Teil 1 - Seite 155 von 202

o

Würden die erzeugten Strommengen des Blocks 6 den Import/Einspeisung von Windkraftstrom oder anderen erneuerbaren Energien (z.B. durch die Überlastung der Stromnetze) nach Deutschland und nach Hessen erschweren?

o

Würden durch die Produktion des Blocks 6, der als Grundlastkraftwerk auch Kraftwerke im Mittellastbereich ersetzen soll, insbesondere die bereits jetzt durchgeführten Einspeisebeschränkungen in der E.ON Regelzone für erneuerbare Energien weiter verstärken?

o

Welche Auswirkungen würden sich durch die Steigerung der Stromproduktion auf die Einspeisemöglichkeiten Dritter auf Basis konventioneller und erneuerbarer Energieträger ergeben?

Aufgrund der gesetzlich festgelegten Abnahmeverpflichtung für Strom aus erneuerbaren Energien, gibt es keine Auswirkungen auf die Einspeisemöglichkeiten von Strom aus erneuerbaren Energien, die vom Bau und Betrieb des neuen Blocks 6 ausgehen.

o

Welche Gründe sprechen gegen den Bau eines GuD-Kraftwerks am Standort Staudinger?

Ein wesentlicher Grund, der gegen den Bau eines GuD-Kraftwerks am Standort Staudinger sprechen könnte, ist dass die Risiken für einen wirtschaftlichen Betrieb im Rahmen des gesamten Erzeugungsportfolios des Kraftwerksbetreibers höher eingeschätzt werden, als bei einem Steinkohlekraftwerk.

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Ausschussvorlage ULA/16/70

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B. Klimaseitige Aspekte und Einordnung o

Wie groß ist der CO2 Ausstoß der Blöcke 1 bis 5 gegenwärtig pro Jahr insgesamt? Wie hoch ist der Ausstoß der Blöcke 1 bis 3 und der der Blöcke 4 bis 5?

Die CO2 Emissionen der einzelnen Blöcke des Kraftwerks Staudinger für die letzten 4 Jahre sind in der folgenden Tabelle dargestellt.

Tabelle 3: CO2-Emissionen des Kraftwerks Staudinger Block 1

o

Block 3

Block 4

Block 5

Summe

2003

615 kt

1194 kt

285 kt

2743 kt

4838 kt

2004

836 kt

1319 kt

127 kt

2602 kt

4886 kt

2005

1049 kt

1145 kt

430 kt

1945 kt

4569 kt

2006

1020 kt

1011 kt

359 kt

1971 kt

4361 kt

Welcher CO2 Ausstoß ist vom neuen Block 6 zu erwarten?

Unter der Annahme, dass sich die am Standort Staudinger erzeugte Strommenge mit der Inbetriebnahme des Blocks 6 verdoppeln soll, werden sich die CO2-Emissionen von Block 6 in einer Größenordnung von 5100 bis 5400 kt/a bewegen. Dabei wurde unterstellt, dass die Stromerzeugung der Blöcke 4 und 5 sich im Rahmen der Erzeugung der letzten Jahre bewegt.

o

E.ON will das anfallende CO2 abscheiden. Ist der Standort für das so genannte CCS (carbon capture storage), also die Abscheidung von CO2, geeignet?

Derartige Pläne sind uns nicht bekannt. Allerdings soll der Block 6 als sogenannte „Capture-Ready“ Anlage ausgeführt werden, die die notwendigen verfahrenstechnischen Schnittstellen für CO2-Abscheidungstechniken vorsieht.

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o Wie ist der von E.ON geplante Neubau angesichts der weltweit geführten Klimadebatte und der auch auf allen politischen Ebenen unstreitigen Notwendigkeit die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren, energiepolitisch zu bewerten? Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Rahmen der Umsetzung der Eckpunkte einer gemeinschaftlichen Energie- und Klimapolitik, die die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten im März dieses Jahres beschlossen haben, die Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2020 um 40% gegenüber 1990 gesenkt werden müssen. Für die energiebedingten CO2-Emissionen resultiert daraus eine Absenkung der Emissionen von rd. 950 Mio t/a in 1990 auf rd. 570 Mio. t/a im Jahr 2020. Für den Zeitraum nach 2020 sollen die Treibhausgasemissionen weiter reduziert werden. Die Erfüllung und Umsetzung dieser Klimaschutzziele mit ihrer im Zeitverlauf sinkenden Emissionsmenge steckt dabei einen Rahmen ab, der den Bau und Betrieb eines Kohlekraftwerkes nicht in Konflikt mit diesen Zielen stellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit dem neuen Kraftwerk (aufgrund seines höheren Wirkungsgrades) die Stromerzeugung in Altanlagen mit höheren spezifischen CO2-Emissionen ersetzt wird. Wird weiterhin berücksichtigt, dass ein neues Kohlekraftwerk mit hohem Wirkungsgrad, vergleichsweise geringe CO2-Minderungs- wie auch Stromerzeugungskosten aufweist, dann leistet es einen positiven Beitrag im Sinne des energiepolitischen Zieldreiecks Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.

o

Gibt es Alternativen zum geplanten Energieträger Steinkohle, mit denen sich ein geringerer Schadstoff- und CO2-Ausstoß sowie ggf. eine höhere Energieeffizienz erreichen lässt.

Eine Alternative zum geplanten Energieträger Steinkohle wäre Erdgas. Bei einem Erdgas-GuD-Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 58 % wären die spezifischen CO2-Emissionen um etwa 50 % geringer und die NOx-Emissionen in etwa gleich hoch. SO2 und Staub werden praktisch nicht emittiert. Die Stromerzeugungskosten wären wohl höher als bei einem Steinkohlekraftwerk (Grundlastbereich).

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B. Regionale Umweltaspekte

o Wie hoch sind die weiteren Schadstoffemissionen des Kraftwerkes derzeit pro Jahr? Die derzeitigen Schadstoffemissionen der Blöcke 1 bis 5 (Mittelwerte 2003-2006) sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Der Block 2 ist in dem Zeitraum nicht in Betrieb gewesen. Zu den Staubemissionen der Blöcke kommen zusätzlich etwa 240 t/a Staub von den Kohlehalden hinzu.

Tabelle 4: Jährliche Emissionen des Kraftwerks Staudinger (2003-2006) Block 1

Block 3

Block 4

Block 5

Summe

NOx

606 t

943 t

208 t

1546 t

3303 t

SO2

267 t

429 t

---

372 t

1068 t

Staub

61 t

71 t

---

65 t

197 t

o Halten Sie die in der E.ON-Pressemitteilung vom 28. Juni 2007 enthaltene Aussage „Das Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg wird nach Inbetriebnahme des geplanten Blocks 6 und Stilllegung der Blöcke 1 bis 3 weniger Luftschadstoffe abgeben als heute – obwohl am Standort etwa doppelt so viel Strom erzeugt werden soll wie bisher.“ für realistisch?

o Welche Schadstoffemissionen sind in welcher Höhe nach dem Neubau des Blockes 6 seitens des Kraftwerkes pro Jahr zu erwarten? Bei einer Verdopplung der Strommenge und der Annahme, dass die spezifischen Emissionen der Blöcke 4 und 5 konstant bleiben, ergeben sich, unter der Restriktion die Gesamtschadstoffe des Kraftwerkes nicht zu erhöhen, für den Block 6 folgende Bandbreiten für die spezifischen Emissionen: ƒ

NOx:

zwischen 92

und

98,2

mg/Nm3

ƒ

SO2:

zwischen 41

und

42

mg/Nm3

ƒ

Staub:

zwischen 7

und

8

mg/Nm3.

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Diese Werte liegen deutlich unter den Anforderungen der Großfeuerungsanlagen Verordnung (200 mg/Nm3 NOx, 200 mg/Nm3 SO2 und 20 mg/Nm3 Staub), sind aber technisch realisierbar.

o Welche Schadstoffmengen sollte ein modernes Steinkohlekraftwerk mit 1000 MW im Grundlastbetrieb maximal ausstoßen? Der Schadstoffausstoß von Großfeuerungsanlagen ist durch die 13. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geregelt. Diese geforderten, verbindlichen Grenzwerte werden, bei Einhaltung der von E.ON veröffentlichten Maßgabe, die Schadstoffe am Standort nicht zu erhöhen, durch den Block 6 deutlich unterschritten.

o Wie könnten die Schadstoffmengen durch ein neues Gas- und Dampfkraftwerk reduziert werden? Bei einem Erdgas-GuD-Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 58 % wären die spezifischen CO2-Emissionen um etwa 50 % geringer und die NOx-Emissionen in etwa gleich hoch. SO2 und Staub werden praktisch nicht emittiert.

o Wie könnten die Schadstoffmengen durch dezentrale gasbetriebene Blockheizkraftwerke reduziert werden? Da ein Blockheizkraftwerk sowohl Strom als auch Wärme erzeugt, erfordert ein sachgerechter Vergleich die Zugrundelegung einer einheitlichen Versorgungsaufgabe (Bereitstellung der gleichen Menge Strom und Wärme), die dann durch ein KWK-System bzw. getrennte Erzeugungsanlagen für Strom und Wärme zu erfüllen sind. Für eine Versorgungsaufgabe, die durch ein Strom-/Wärmeverbrauchverhältnis von 0,2 charakterisiert ist, sind in der Abbildung 5 die CO2-Emissionen und der Primärenergieaufwand verschiedener gekoppelter und getrennter Erzeugungssysteme gegenübergestellt.

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Strommix Hessen / Wärmepumpe (Strom)

BHKW Erdgas / Spitzenkessel Erdgas

GuD-Kond. / Brennwertkessel Erdgas

Steinkohle-Kond. / Brennwertkessel Erdgas

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

1,4

300

350

Primärenergieaufwand [MWhprimär/MWh]

Strommix Hessen / Wärmepumpe (Strom)

BHKW Erdgas / Spitzenkessel Erdgas

GuD-Kond. / Brennwertkessel Erdgas

Steinkohle-Kond. / Brennwertkessel Erdgas

0

50

100

150

200

250

Spezifische direkte CO2-Emissionen in [kg/MWh]

Abbildung 5:

Primärenergieaufwand und CO2-Emissionen für verschieden Strom- und Wärme- Versorgungskonzepte

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D. Literatur

/E.ON 2007/

E.ON Kraftwerke GmbH, persönliche Mitteilung Kraftwerksleiter Block 6 Herr Freitag; September 2007

/IER 2005/07/ Mayer-Spohn et al., „Lebenszyklusanalyse ausgewählter Stromerzeugungstechniken – Stand 2005, aktualisierte Fassung 2007“; Arbeitsbericht 01, Institut für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, Juli 2007. http://www.ier.uni-stuttgart.de/publikationen/arbeitsberichte/Arbeitsbericht_01.pdf /IGW 2005/

IGW, Projektgemeinschaft Biomasse, „Grunddaten und Modelle zur Biomassenutzung und zum Biomassepotenzial in Hessen“, September 2005. http://www.biomasse-hessen.de/pdf/Potenzialstudie-Hessen.pdf

/ZEW 2006/

ZEW et al., „Integriertes Klimaschutzprogramm Hessen, InKlim 2012 – Endbericht“, Gutachten für das Hessische Ministerium für Umwelt, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz; März 2006.

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Rechtsanwälte Philipp-Gerlach • Teßmer Niddastraße 74 - 60329 Frankfurt a.M. Tel. 069 / 232071 - Fax : 069 / 232090

Stellungnahme Zur Anhörung des Ausschusses für Umwelt, ländlicher Raum und Verbraucherschutz des Hessischen Landtages am 13.09.2007 zum Thema:

„Geplanter Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg“

I. Vorbemerkung Durch die Entscheidung der Hessischen Landesregierung vom 29.08.2007 ein Raumordnungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb eines neuen Blocks des Kraftwerkes Staudingers durchzuführen, muss auf die grundsätzliche rechtliche Frage, ob ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist, nicht mehr eingegangen werden. Vielmehr stellen sich in dieser Situation Fragen hinsichtlich der Kriterien, was in einem Raumordnungsverfahren zu prüfen ist und wie das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sein wird.

II. Nach welchen Kriterien ist bei dem bevorstehenden Raumordnungsverfahren die Raumverträglichkeit zu prüfen? In einem Raumordnungsverfahren sind gem. § 15 Abs. 1 ROG; § 18 HLPG raumbedeutsame Planungen untereinander und mit den Erfordernissen der Raumordnung abzustimmen. Durch ein Raumordnungsverfahren soll festgestellt werden, ob raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmen und wie diese Planungen aufeinander abgestimmt oder durchgeführt werden können. Gem. § 18 Abs. 3 Satz 2 HLPG sind die raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung auf die in den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 ROG und nach den Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen, wie diese im Landesentwicklungsplan und in den Regionalplänen enthalten sind (§ 2 Abs. 3 HLPG) unter überörtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Der Träger der Planung hat die erforderlichen In-

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formationen und Unterlagen für das Raumordnungsverfahren zu beschaffen und vorzulegen.

Das Raumordnungsverfahren stellt sich mithin als ein Verfahren dar, welches die raumplanerische Integration von raumrelevanten Planungen prüfen soll. Es stellt sich für den geplanten Bau des Blocks 6 des Kraftwerkes Staudinger die Frage, ob ein solches Großkraftwerk mit den Erfordernissen, wie sie in den entsprechenden Regelwerken enthalten sind, in Einklang zu bringen ist. Da es sich um ein länderübergreifendes Projekt handelt, darf nicht nur die hessische Landesplanung berücksichtigt werden, sondern es müssen auch die Maßstäbe, die sich sowohl aus dem bayerischen Landesplanungsgesetz, als auch aus dem Landesentwicklungsplan sowie dem Regionalplan bayerischer Untermain und dessen Fortschreibungsentwürfe ergeben, im Raumordnungsverfahren berücksichtigt werden.

Im Folgenden werden die einschlägigen raumordnungsrechtlichen Regelungen auf Maßstäbe hinsichtlich des Klimaschutzes und der Gesamtschadstoffbelastung näher betrachtet.

1. Rechtliche Grundlagen zur Berücksichtigung des Klimaschutzes bei der Abwägung der Raumverträglichkeit.

1.1 Das hessische Landesplanungsgesetz stellt keine eigenen Ziele und Grundsätze fest, sondern verweist zum einen auf die Grundsätze wie sie sich aus § 2 Abs. 2 ROG ergeben und auf die im LEP und den Regionalplänen enthaltenen Erfordernisse der Landes- und Regionalplanung.

In § 18 Abs. 5 HLPG ist vorgesehen, dass in einem Raumordnungsverfahren die raumbedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Wasser, Luft, Klima und Landschaft unter überörtlichen Gesichtspunkten zu ermitteln und zu bewerten ist. Hierbei soll auch geprüft werden, ob der Zweck des Vorhabens mit geringeren Nachteilen für den Naturhaushalt erreicht werden kann. Schon hier-

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aus kann ein Maßstab für das Raumordnungsverfahren im Hinblick auf die klimarelevanten Auswirkungen unter überörtlichen Gesichtspunkten abgeleitet werden. Diese Prüfung schließt auch die vom Träger der Planung eingeführten Standort- und Trassenalternativen mit ein. Aus dieser Formulierung wird abgeleitet, dass nur die von einem Vorhabensträger eingeführten Standortalternativen geprüft werden dürfen. Dem ist jedoch in Anbetracht der sich aus anderen Regelungen ergebenden Prüfpflichten im Hinblick auf einen effektiven Klimaschutz nicht der Fall. Vielmehr kann die Landesplanungsbehörde gutachterlich prüfen lassen, ob sowohl hinsichtlich anderer Technologien als auch hinsichtlich eines anderen Standorts eine raumverträglichere Variante gewählt werden muss.

Aus dem Landesentwicklungsplan ergeben sich konkretisierte Maßstäbe für ein Raumordnungsverfahren. So wird in der Begründung zu dem Themenkomplex Energie (Ziffer 11 LEP 2000) ausgeführt, dass der zukünftige Energiebedarf vorrangig umweltschonend und mit minimalen Kohlendioxid-Emissionen klimaverträglich, sicher, zuverlässig und sozialverträglich gedeckt werden muss. Weiter wird in der Begründung zu Ziff. 11 darauf abgestellt, dass es unter Beachtung der gebotenen ökonomischen Anforderungen an Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit der Energieversorgung gilt, die umweltverträgliche Energiebereitstellung zu forcieren. Die oberste Landesplanungsbehörde hat somit bereits zum Ende des letzten Jahrhunderts zukunftsorientiert Maßstäbe gebildet, die bei der künftigen Energiebereitstellung geprüft werden müssen. Diese vorsorgenden Grundsätze bilden nunmehr die Grundlage für die Maßstäbe an ein durchzuführendes Raumordnungsverfahren. In der Begründung des LEP 2000 heißt es dann auch weiter, dass die für die umweltverträgliche Energiebereitstellung unabdingbar notwendige Ausschöpfung von Energieeinsparpotenzialen sowie die verstärkte Nutzung regenerativer Energien sowie dezentraler Technologien der rationellen Energieerzeugung zugleich dazu beitragen sollen, den Anteil überregionaler und regionaler Transports von Elektrizität und fossilen Energieträgern zu verringern und die regionale und lokale Energiebereitstellung zu stabilisieren.

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Inwieweit ein für die überörtliche Energiebereitstellung geplantes Kraftwerk, einem solchen Konzept der Bereitstellung umweltverträglicher Energie entspricht, wäre in einem Raumordnungsverfahren zu prüfen. Die Maßstäbe sind die in Zif. 11.2 genannten Grundsätze und Ziele der Energiebereitstellung, die wiederum unter Berücksichtigung der soeben zitierten Begründungen auszulegen sind. Als Grundsatz wird im LEP formuliert: „Für Planung und Realisierung der zu einer bedarfsgerechten Bereitstellung von Energie erforderlichen Infrastruktur sowie der hierzu notwendigen Einrichtungen ist zu berücksichtigen, dass - die rationelle und preisgünstige Energienutzung einschließlich der Abwärmenutzung durch planerische Maßnahmen aktiv unterstützt wird, - die Potenziale zur Verringerung des Energieverbrauchs und zur Nutzung regional und lokal erneuerbarer Energien ausgeschöpft werden, - eine Raumstruktur mit möglichst geringem Bedarf an Energiedienstleistungen, insbesondere zur Einsparung fossiler Energieträger angestrebt und - eine geringe Flächeninanspruchnahme und Landschaftsbildbeeinträchtigung bei Planung und Bau von Hochspannungsfreileitungen angestrebt wird.“ Als Zielfestlegung wird sodann formuliert: „In die Regionalpläne sind regional bedeutsame Planungen und Maßnahmen aufzunehmen, die eine Optimierung der Energieinfrastruktur unter den vorgenannten Grundsätzen unterstützen. Dies betrifft sowohl den Aus- bzw. Neubau von regional bzw. überörtlich bedeutsamen Erzeugungsanlagen sowie Leitungen zur Elektrizitäts-, Fernwärme- und Gasversorgung unter Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung als auch die verstärkte Anwendung von Technologien zur Nutzung regenerativer Energien. Die Errichtung von Anlagen, die diesen Zielsetzungen entsprechen, ist mit Ausnahme von Windkraftanlagenparks in den regionalplanerischen Bereich für Industrie und Gewerbe mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar.“

Einschlägig ist vor allem die Zielbestimmung: „Standorte bestehender Kraftwerke für die überregional bedeutsame Elektrizitätsversorgung sind unter der Maßgabe einer nachfolgenden Anwendung von Erzeugungstechniken mit hoher Energieeffizienz und geringer Emission klimaschädlicher Gase landes- und regionalplanerisch zu sichern. Diese Maßgaben gelten auch bei einer raumordnerischen Verträglichkeitsprüfung für neu geplante Kraftwerksstandorte.“ In einem Raumordnungsverfahren ist demnach zu prüfen, ob diese Ziele, insbesondere ob von einer „hohen Energieeffizienz“ und „geringer Emission klimaschädlicher

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Gase“ ausgegangen werden kann. Diese Kriterien sind im Lichte der vorgenannten Grundsätze und Ziele sowie der nachfolgenden Begründungen auszulegen und anzuwenden. Hieraus ergibt sich, dass die Pflicht zur Sicherung bestehender Standorte nur dann besteht, wenn alle anderen Möglichkeiten, die vorrangig zur umweltverträglichen Energiebereitstellung zur Verfügung stehen bzw. zur Verfügung gestellt werden können, nicht ausreichen. Kriterien für ein Raumordnungsverfahren ergeben sich aus dem bestehenden Regionalplan Südhessen. Derzeit liegt der Entwurf für die Neuaufstellung des Regionalplans Südhessen vor. Auch die dort formulierten Ziele und Grundsätze sollten bei einem Raumordnungsverfahren berücksichtigt werden, wobei eine gesetzliche Berücksichtigungspflicht nur für die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung gem. § 3 Ziffer 5 ROG besteht. So sieht der in Aufstellung befindliche Regionalplan Südhessen in seiner zur Anhörung freigegebenen Fassung folgenden Grundsatz vor: „Für die Energienutzung der Bevölkerung und Wirtschaft sind die Inanspruchnahme, der Verbrauch und die Qualitätsverschlechterung von Umweltmedien sowie die Inanspruchnahme der Aufnahmekapazität der Atmosphäre für jegliche Belastungen so zu begrenzen, dass eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleistet ist und damit die Lebensräume und Wirtschaftsgrundlagen künftiger Generationen erhalten bleiben.“ (Ziffer: G8-1)

Mit diesem Grundsatz wird deutlich, dass die Energienutzung zukünftig nur noch mit solchen Technologien betrieben werden soll, die dem Klimaschutz nicht nur Rechnung trägt, sondern der Klimaveränderung entgegen wirken sollen. Damit trägt die Regionalversammlung insbesondere der verfassungsrechtlich verankerten Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG Rechnung, welche für die nachfolgenden Generationen den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen vorsieht.

Einer gutachterlichen Aufarbeitung wird aber vor allem der Grundsatz, Ziffer 8-6 des bestehenden Regionalplan Südhessen (Ziffer 8-3 des Entwurfs RegP Südhessen) bedürfen:

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„Großkraftwerke (mehr als 200 MW) sollen nur erweitert oder an einem neuen Standort errichtet werden, wenn sich aus dieser Maßnahme in der Gesamtbetrachtung ökologische Vorteile ergeben.“

Für die Gesamtbetrachtung, ob eine Erweiterung eines Großkraftwerkes ökologisch vorteilhaft ist, bedarf es einer gründlichen sachverständigen Aufarbeitung. Die Gesamtbetrachtung darf nicht nur das bestehende Kraftwerk mit dem geplanten Kraftwerkspark vergleichen, sondern muss auch die ökologischen Vor- und Nachteile der geplanten Technologie im Verhältnis zu anderen Technologien und Standorten berücksichtigen.

Auch die anderen Grundsätze (G8-4 bis G8-8) des Entwurfs des Regionalplans Südhessen sind im Hinblick auf die Raumverträglichkeit des geplanten neuen Block 6 zu prüfen. Denn dieses Kraftwerk soll eine auf Jahrzehnte vorgezeichnete Energiebereitstellung festlegen. Die in der Aufstellung befindlichen Grundsätze intendieren gerade die Energiewende hin zu anderen Energieträgern, einer dezentralen Energieversorgung sowie der Einsparung von Energie durch vorausschauende Planung. Ob ein weiteres Großkraftwerk mit diesen Erfordernissen der Raumplanung in Einklang gebracht werden kann, erscheint zweifelhaft.

1.2 Eine erste Einschätzung anhand der vorliegenden Informationen zu dem geplanten Block 6 des Kraftwerkes anhand dieser Maßstäbe ergibt folgendes:

Die dargestellte Effizienzsteigerung von Kraftwerken auf den modernsten Stand der Technik und die damit verbundene relative Verringerung von Emissionen, kann die Nachteile des geplanten Kraftwerkes nicht überwiegen. Der Vergleich mit Altkraftwerken zwischen den nur relativen Vorteile von neuen Kraftwerken in Bezug auf die Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung, die Sicherung eines hohen Umweltschutzniveaus und die Erfordernisse des Klimaschutzes trägt nicht. So wird von E.ON dargestellt, dass der geplante neue Block 6 20 % weniger CO2 ausstoßen wird. Jedoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch die Leistungssteigerung der geplanten Erweiterung der CO2-Ausstoß um 33 % steigen wird.

(1) Klimaschutz als Gebot der Stunde

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Die Erhaltung und Sicherung der natürlichen Lebensverhältnisse ist ein verfassungsrechtlich statuiertes Gebot (Art. 20 a GG), welches der Bundes- und Landesgesetzgeber durch verschiedene Regelungen ausgefüllt hat. Inwieweit die bisherige Ausgestaltung ausreicht, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, muss an anderer Stelle aufgearbeitet werden. Für die Beurteilung der Raumverträglichkeit muss maßgeblich auf die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel abgestellt werden. Danach ist unstreitig, dass eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den für die Menschheit bedrohlichen Klimawandel entgegenzuwirken. Ansonsten kann von der heutigen Generation nicht gewährleistet werden, dass den nachfolgenden Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Angesichts der empfindlichen Mengen an klimaschädlichen CO2-Emissionen, die durch den Betrieb des neuen Kraftwerks in die Atmosphäre gelangen werden, wird deutlich, dass der Klimaschutz unter Berücksichtigung sämtlicher nachteiliger Folgen eines veränderten Klimas für den Einzelnen und die Allgemeinheit eine erhebliche und zentrale Bedeutung hat, so dass in einem Raumordnungsverfahren eine Prüfung der zukünftigen Klimaentwicklung und der Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation erfolgen muss, die sich nicht auf eine bloße Relation von Alt- zu Neukraftwerk beschränken kann und darf. (a) Erfordernisse des Klimaschutzes (aa) UN-Klimabericht: Der Klimawandel ist Realität Nach dem aktuellen Klimareport des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) „Climate Change 2007“ besteht am menschgemachten Klimawandel kein Zweifel mehr. Die Erde hat sich danach in den letzten 100 Jahren um 0,74 °C erwärmt; die Erwärmung in den letzten 50 Jahren dieses Zeitraums war doppelt so stark wie die in der ersten Hälfte, und 11 der letzten 12 Jahre waren die wärmsten seit Beginn der flächendeckenden Temperaturmessung im Jahr 1850. Auch die Ozeane wurden wärmer, und zwar mindestens bis in 3000 m Tiefe. Dabei haben sie 80 Prozent der insgesamt durch die Zunahme des Treibhauseffektes entstandenen Wärme absorbiert. Durch die Erwärmung dehnen die Ozeane sich aus, wodurch sie dazu beitragen, dass der Meeresspiegel ansteigt: Insgesamt stieg er im 20. Jahrhundert um 17 cm an; im Zeitraum von 1993 bis 2003 sogar um 3,1 mm pro Jahr. Neben den wärmeren Ozeanen trugen schmelzende Gletscher und schmelzendes Eis zum Anstieg des Meeresspiegels bei. (bb) Die Erderwärmung hat weitere klimatische Folgen In Nordeuropa, Nord- und Südamerika hat es mehr geregnet, im Mittelmeerraum, in der Sahelzone, in Südafrika und Teilen Südasiens ist es dagegen trockener geworden; die Westwinde sind sowohl auf der Nord- als auch auf der Südhalbkugel stärker geworden. Die Häufigkeit von Starkregen hat zugenommen, Hitzewellen sind häufiger geworden und tropische Stürme wurden heftiger. Untersuchungen zur Klimageschichte zeigen, dass es zumindest in den letzten 1.300 Jahren auf der Erde nie so warm gewesen ist wie heute. Vor 125.000 Jahren, als es während einer Warmzeit das letzte Mal in den Polarregionen für längere Zeit wärmer war als heute (um 3 - 5 °C), stieg der Meeresspiegel um 4 bis 6 Meter an - wahr-

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scheinlich verursacht vom Tauen der Eisschicht auf Grönland und anderer arktischer Eisfelder. Darüber hinaus beobachtete man die elf weltweit wärmsten Jahre seit 1861 allesamt nach 1990. Dazu gehören alle Jahre von 1997 bis 2006. Mit einer Durchschnittstemperatur von 9,5°C war das Jahr 2006 in Deutschland eines der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Winter in Deutschland sind durchschnittlich 2,3 ° wärmer als früher. Der „Rekordwinter“ 2006/2007 lag sogar 4,1 Grad über dem vieljährigen Mittel. Im langjährigen Mittel liegt der Durchschnittswert bei 8,3 °C. Seit 1901 wurden insgesamt 19 Mal Werte von 9°C und mehr erreicht. Zwischen 1901 und 1950 allerdings lediglich sechs Mal, seit 1999 hingegen sind solche Durchschnittstemperaturen die Regel. Die Niederschlagsmenge nahm in den letzten 100 Jahren in Nordeuropa in verschiedenen Regionen um 10-40 % zu, in Südeuropa bis zu 20 % ab. Im selben Zeitraum verringerte sich die Zahl kalter Tage, während die der Hitzetage anstieg. (cc) Klimatrends in Deutschland In Deutschland stieg die mittlere Temperatur in den letzten 100 Jahren um etwa 0,95 °C, wobei in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Beschleunigung des Anstiegs auf etwa 0,17 °C pro Dekade eingetreten ist. Der Erwärmungstrend zeigt jahreszeitliche Unterschiede, in den letzten Jahrzehnten war die Erwärmung im Winter am stärksten. Nach den Prognosen des Max-Planck-Instituts für Meteorologie dürften sich der Süden und Südosten Deutschlands im Winter am stärksten erwärmen. Bis zum Jahr 2100 könnten die Winter hier um mehr als 4°C wärmer werden als im Zeitraum 1961 bis 1990. Aber auch im Rheineinzugsgebiet werden die Wintertemperaturen steigen, was einher geht mit einem dramatischen Rückgang der Frost- und Eistage. Die Rechenmodelle des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg zeigen, dass bis zum Jahre 2100 sich die Jahresmitteltemperatur in Deutschland um weitere + 2,5 bis + 3,5°C erhöhen wird, mit gravierenden Folgen. Auch die vom Umweltbundesamt beim Institut für Atmosphäre und Umwelt der Universität Frankfurt/Main in Auftrag gegebene Untersuchung über beobachtete Klimaänderungen in Deutschland hat signifikante Veränderungen im Niederschlagsverhalten ergeben. In dem Zeitraum 1901 bis 2000 hat die Wahrscheinlichkeit für relativ trockene Monate abgenommen, die für extreme Starkniederschläge zugenommen, wobei letzteres Ereignis im Osten Deutschlands seltener, hingegen im Westen häufiger eingetreten ist. Dies gilt für Tageswerte als auch für Monatswerte in ähnlicher Weise. Im Winter zeigte sich ein starker Trend zu höheren, hingegen im Sommer zu verringerten Niederschlagssummen. Entsprechend haben Tage mit hohen Niederschlagssummen im Sommer verbreitet ab-, in den anderen Jahreszeiten (vor allem im Winter und in Westdeutschland) jedoch zugenommen. Diese Entwicklung wird durch die Analysen des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPIM) in Hamburg bestätigt. Analog zu den prognostizierten steigenden Durchschnittstemperaturen in Deutschland werden bis zum Jahre 2100 auch die Niederschläge zunehmen. Doch mehr Niederschläge im Winter haben nicht unbedingt auch mehr Schnee bedeutet. Seit den 1950er Jahren nahm die Schneedeckendauer in

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Süddeutschland um 30-40% im Flachland und um 10-20% in Mittelgebirgslagen bis 800m ab. Lediglich über 800m gibt es bisher keinen Negativtrend. Zukünftig werden Schneetage in Eifel und Sauerland gemäß der MPIM-Prognosen die Ausnahme bleiben. Von einem verringerten Wasserdargebot in den Sommermonaten sind vor allem die zentralen und östlichen Gebiete Ostdeutschlands betroffen. Hier steigt die Gefahr von Dürren, die Einschränkungen in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Energieversorgung und Schifffahrt und evtl. auch in der Trinkwasserversorgung mit sich bringen. Eine weitere mögliche negative Folge des Klimawandels ist die Reduzierung der Grundwasserneubildungsrate. (dd) Ursachen des Klimawandels Nach Ansicht des IPCC ist der größte Teil der Erderwärmung vom Menschen verursacht. Weitaus wichtigste Ursache sind Treibhausgase, die den Treibhauseffekt um 2,3 Watt pro m² erhöhten. In der Summe hat der Mensch mit seinen Aktivitäten den Treibhauseffekt um 1,6 Watt pro m² verstärkt; Änderungen der Sonneneinstrahlung hatten dagegen seit 1750 nur eine Änderung von 0,12 Watt pro m² zur Folge. Dass die Erderwärmung auch ohne menschliche Aktivitäten stattgefunden hätte, ist nach Stand der Wissenschaft “extrem unwahrscheinlich”. Das wichtigste Treibhausgas ist Kohlendioxid. Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre ist von vorindustriellen 280 ppm auf 379 ppm (2005) angestiegen; weit mehr als jemals in den letzten 650.000 Jahren, in denen die Kohlendioxidkonzentration aus Eisbohrkernen bekannt ist (und sich immer zwischen 180 und 300 ppm bewegte). Wichtigste Ursache dieses Anstieges ist die Verbrennung fossiler Brennstoffe - im Zeitraum von 2000 bis 2005 setzte sie jedes Jahr durchschnittlich 26,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid frei. Ebenfalls bedeutsam sind Änderungen der Landnutzung, die 5,9 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr freisetzen. Zweitwichtigstes Treibhausgas ist Methan. Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist von vorindustriellen 715 ppb auf 1774 ppb (2005) angestiegen, ebenfalls weit über den Werten der letzten 650.000 Jahre (die zwischen 320 und 790 ppb schwankten). Ursachen für diesen Anstieg sind die Landwirtschaft und die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die weltweite atmosphärische Stickstoffoxid-Konzentration - das drittwichtigste Treibhausgas - hat sich seit der vorindustriellen Zeit von etwa 270 ppb auf 319 ppb in 2005 erhöht. Die Zunahme war seit 1980 in etwa konstant. Mehr als ein Drittel aller Stickstoffoxid-Emissionen sind anthropogenen Ursprungs; sie resultieren v.a. aus der Landwirtschaft. Eine Verdoppelung der vorindustriellen Konzentration von Kohlendioxid hätte nach den vorliegenden Daten eine Erwärmung um 3 °C zur Folge; wobei die mögliche Spanne 2 bis 4,5 °C beträgt - diese Spanne liegt vor allem daran, dass die Auswirkungen von Wolken auf den Strahlungshaushalt der Erde unsicher sind. (ee) Zukünftige Erderwärmung

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Welche weitere Erwärmung in Zukunft auf uns zukommt, hängt neben den Annahmen über die Temperaturerhöhung bei einer Kohlendioxid-Verdoppelung von den Annahmen über künftige Emissionen an Treibhausgasen und - davon abhängig - ihrer künftigen Konzentration in der Atmosphäre ab. Aber selbst wenn die Konzentration ab sofort gleich bliebe, würde die Temperatur weiter ansteigen - um 0,1 °C pro Jahrzehnt für die nächsten beiden Jahrzehnte, und dann langsamer. Dieser Anstieg liegt vor allem an der langsamen Reaktion der Ozeane auf die Treibhausgase. Gleichbleibende oder ansteigende Emissionen und der damit einhergehende Anstieg an Treibhausgasen in der Atmosphäre führen zu stärkeren Temperaturerhöhungen, am wahrscheinlichsten liegt diese zunächst bei 0,2 °C pro Jahrzehnt. Je nach Szenario liegt die mögliche Erwärmung im 21. Jahrhundert zwischen 1,1 und 6,4 °C. Die niedrigste Temperaturerhöhung (1,1 - 2,9 °C, am wahrscheinlichsten 1,8 °C) würde eintreten, wenn durch schnellen Strukturwandel und die Einführung sauberer und effizienter Technologien der Anstieg der Treibhausgase auf etwa 600 ppm CO2 beschränkt würde (B1-Szenario). Aber selbst wenn danach die Konzentration an Treibhausgasen nicht weiter ansteigen würde, würde die Temperatur wegen der Trägheit des Klimasystems im folgenden Jahr-hundert um mindestens weitere 0,5 °C ansteigen. Dieses Szenario berücksichtigt allerdings keine weiteren expliziten Maßnahmen zum Klimaschutz (das heißt: Bei Durchführung solcher Maßnahmen kann der Temperaturanstieg auch niedriger bleiben). Den höchsten Temperaturanstieg (um 2,4 - 6,4 °C, am wahrscheinlichsten 4,0 °C) erwartet der IPCC, wenn bei anhaltendem Wirtschaftswachstum der Weg der Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht verlassen wird (A1Fl-Szenario). (ff) Folgen des Klimawandels in Deutschland Das Umweltbundesamt rechnet selbst bei einem vergleichsweise geringen Anstieg der mittleren globalen Lufttemperatur um bis zu 2°C mit gravierenden Folgen für Menschen in Deutschland: • Klimafolgen und Anpassung im Bereich Gesundheit Das Umweltbundesamt unterscheidet bei den möglichen negativen Auswirkungen des Klimawandels auf den Bereich Gesundheit in Deutschland direkte und indirekte Auswirkungen. Die wichtigste direkte Auswirkung ist danach die Belastung des menschlichen Organismus durch Hitze, die bis zum Tode führen kann. Betroffen ist v.a. das Herz- und Kreislaufsystem. Ein Beispiel hierfür ist die Hitzewelle 2003, die in Deutschland vermutlich zu ca. 7.000 Todesfällen führte. Indirekte Auswirkungen von Klimaveränderungen seien Veränderungen in Verbreitung, Population und Infektionspotenzial von Krankheitsüberträgern (Vektoren) wie blutsaugenden Insekten und Zecken sowie Nagetieren. Insbesondere von der durch Zecken übertragenen Borreliose gehe eine deutliche und steigende Gefahr für die Gesundheit aus. Potenziell bestehe auch die Gefahr eines Wiederauftretens von Malariainfektionen. Weitere indirekte Auswirkungen sind danach negativ veränderte Umweltbedingungen wie die Qualität von Wasser, Luft und Nahrungsmitteln. Hier spielen unter an-

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derem Luftallergene eine große Rolle. Neben den natürlichen, wie Pollen, spielen besonders in den Ballungsräumen Schadstoffe wie Stickoxide, Ozon und Staubpartikel eine wesentliche Rolle. Wasserknappheit in einigen Regionen kann zur Einschränkung der Verfügbarkeit von Trinkwasser führen. Eine indirekte Folge stellt die vermehrte Blüte von Blaualgen in Flüssen, Seen sowie in Nord- und Ostsee dar. Diese bilden toxische Stoffe, die das Wasser für Verzehr und Erholung unbrauchbar machen bzw. zu Krankheiten führen. Im Sommer 2003 konnten Blaualgenblüten an Nord- und Ostsee nachgewiesen werden und einige Strände wurden daraufhin auch gesperrt. • Klimafolgen und Anpassung im Bereich Land- und Forstwirtschaft Mögliche negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in Deutschland betreffen nach Angaben des Umweltbundesamtes Ertragseinbußen durch zu hohe Temperaturen und Einschränkungen in der Wasserversorgung. Die erwartete Zunahme der Klimavariabilität kann zu stärkeren Ertragsschwankungen führen und erschwert die Anpassung durch geeignete Sortenwahl. Eine höhere Temperatur hätte darüber hinaus eine beschleunigte Zersetzung und Mineralisierung organischer Substanzen im Boden zur Folge. Daraus resultiere ein Rückgang an Kohlenstoffvorräten und somit ein Verlust an Bodenfruchtbarkeit. Bis 2100 wird mit einem Rückgang von 20 – 30%, möglicherweise auch bis 60%, gerechnet. Hinzu kommt eine steigende Gefahr an Pflanzenkrankheiten und – schädlingen, welche von höheren Temperaturen profitieren. Kritische Faktoren sind nach UBA-Angaben die erwartete Verminderung der Wasserverfügbarkeit durch eine Abnahme der Sommerniederschläge, besonders in Gebieten, die schon unter heutigen Bedingungen eine ungünstige Wasserbilanz aufweisen (v.a. Brandenburg), die Zunahme der Klimavariabilität (Schwankungen von Jahr zu Jahr), welche die Wahrscheinlichkeit von Ertragseinbußen erhöht und eine Anpassung erschwert (ganz Deutschland), die Zunahme von Witterungs- und Wetterextremen sowie eine langfristige Erwärmung über das Temperaturoptimum vieler Kulturpflanzen hinaus (v.a. Südwestdeutschland). Auch der Bereich der Forstwirtschaft wird vom menschgemachten Klimawandel stark betroffen sein. Unter den Hauptbaumarten ist die Fichte vom Klimawandel besonders betroffen. Sie bevorzugt feuchte, kühle Standorte und ist daher wenig trockenheits- und hitzetolerant. Da die Fichte aufgrund ihrer guten Wuchsleistung vielerorts auch außerhalb ihrer natürlichen Standorte angebaut wird, ist sie oft schon heute an der Grenze ihres Toleranzbereichs angelangt. Zudem ist die Fichte besonders anfällig gegenüber den indirekten Auswirkungen des Klimawandels wie Kalamitäten (Borkenkäfer) und Schäden durch Extremereignisse (Windwurf). Die Anfälligkeit der Fichte gegenüber dem Klimawandel ist ökonomisch besonders bedeutsam, weil sie die am häufigsten angebaute Baumart in Deutschland ist. Anfällig, aber nicht in dem Maß wie die Fichte, ist die ebenfalls eher feuchtigkeitsliebende Buche. Insbesondere besteht eine Gefährdung für solche Standorte, an denen die Buche ihre Trockenheitsgrenze erreicht. • Klimafolgen und Anpassung im Bereich Biodiversität Bedeutende Auswirkungen des Klimawandels auf den Bereich Biodiversität und Naturschutz sind gemäß der Studien des Umweltbundesamtes die bereits zu beobach-

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tenden und weiter zu erwartenden Verschiebungen von Artenarealen nach Norden und in höhere Lagen sowie Veränderungen in der Phänologie von Pflanzen und dem Verhalten von Tieren. Die Verschiebung der Artenareale führt danach zu einer Wanderungsbewegung von Arten mit einer entsprechenden Migrationsfähigkeit (bei Tieren durch Wanderung, bei Pflanzen u.a. durch Samentransport). Arten mit einer artenspezifisch eingeschränkten Migrationsfähigkeit sowie Arten, die durch geographische Hindernisse (Gebirge, Gewässer) oder fehlende Vernetzung von Biotopen in ihrer Migration beschränkt sind, sind langfristig vom Aussterben bedroht. Besonders betroffen sind seltene Arten (Rote-Liste Arten), Arten mit einem engen ökologischen Toleranzbereich sowie kälte- und feuchtigkeitsliebende Arten. Schätzungen sprechen von 5 bis 30% der Pflanzen- und Tierarten in Deutschland, die durch den Klimawandel aussterben könnten – vor allem Süd- und Ostdeutschland werden davon betroffen sein. Der UN-Klimarat IPCC konstatiert, dass ein Großteil der europäischen Organismen und Ökosysteme Probleme haben wird, sich an den Klimawandel anzupassen. Insbesondere die alpinen Regionen werden davon betroffen sein. Hier rechnet der IPCC in einigen Gebieten mit einem Artenverlust von bis zu 60%. (gg) Kosten des Klimawandels Die erwartete Zunahme der Anzahl und Intensität von extremen Klimaereignissen führt zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden und zu erhöhten Anpassungsund Energiekosten. Sollte keine nennenswerte Intensivierung des Klimaschutzes erreicht werden, können sich die durch den Klimawandel insgesamt verursachten Kosten bis zum Jahr 2100 auf fast 3.000 Mrd. Euro belaufen. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft. Steigt die globale Oberflächentemperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu 4,5°C, entstünden dadurch in Deutschland bereits bis zum Jahr 2050 Kosten von insgesamt knapp 800 Mrd. Euro. Allein die durch Klimaschäden verursachten Kosten betrügen rund 330 Mrd. Euro. Die erhöhten Energiekosten beliefen sich auf knapp 300 Mrd. Euro, wovon die privaten Haushalte einen großen Teil tragen müssten. Die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel lägen bei knapp 170 Mrd. Euro. Der Klimawandel würde damit in den kommenden 50 Jahren durchschnittlich zu realen gesamtwirtschaftlichen Wachstumseinbußen von bis zu 0,5 Prozentpunkten pro Jahr führen. Die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden 50 Jahren betreffen nach der DIW-Studie in Deutschland fast alle Wirtschaftsbereiche: Der Land- und Forstwirtschaft entstehen, unter anderem für eine erhöhte Wasserbereitstellung, Kosten von bis zu 3 Mrd. Euro. Eine globale Temperaturveränderung um 1°C würde dazu führen, dass etwa 60 Prozent der heutigen Wintersportgebiete in Deutschland keinen Schnee mehr aufweisen. Auf die Tourismusindustrie kommen Anpassungskosten von bis zu 11 Mrd. Euro zu. Die Kosten für Schäden durch den Klimawandel liegen bei bis zu 19 Mrd. Euro. Mit zunehmender Temperatur treten Krankheiten auf, die es bisher nur in tropischen oder subtropischen Gebieten gibt. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts führt der Anstieg der Temperatur zu einer deutlichen Zunahme der Hitzebelastung. Dies führt verstärkt zu hitzebedingten Sterbefällen und zu einem deutlichen Leistungsabfall der Beschäftigten. Für den Gesundheitssektor können so zusätzliche Kosten in Höhe von bis zu 61 Mrd. Euro entstehen. In der Energiewirtschaft kann eine Verknappung des Wasserangebots zu

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erhöhten Energiekosten führen. Aufgrund von Niedrigwasser in Flüssen wird nicht genügend Wasser für die Kühlung der Kraftwerke vorhanden sein. Stürme oder extreme Eislasten können zudem die Energieinfrastruktur und die Ölförderung beeinträchtigen. Durch eine Energiepreiserhöhung um 20 Prozent entstehen volkswirtschaftliche Kosten von bis zu knapp 130 Mrd. Euro. Versicherungsunternehmen werden durch die Zunahme extremer Klimaereignisse und durch die dadurch verursachten Kosten belastet. Insbesondere bei großen Rückversicherungsunternehmen fallen in den kommenden 50 Jahren zusätzliche Kosten von bis zu 100 Mrd. Euro an.

(hh) Stern-Report: Klimaschutz macht auch ökonomisch Sinn In dem am 30. Oktober 2006 veröffentlichen sog. „Stern-Report“ hat der ehemalige Ökonom der Weltbank Sir Nicholas Stern im Auftrag der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland die wirtschaftlichen Gefahren der globalen Erwärmung zusammengefasst. Stern konstatiert: „Der Klimawandel bedroht die Grundelemente des menschlichen Lebens in der ganzen Welt – Zugang zu Wasser, Lebensmittelproduktion, Gesundheit und Nutzung von Land und Umwelt.“ Es sei aber immer noch möglich, die schlimmsten Risiken und Auswirkungen des Klimawandels mit tragbaren Kosten zu vermeiden, wenn jetzt schnell auf nationaler und internationaler Ebene gehandelt wird. Nach dem Report können die Folgen des Klimawandels Kosten in Höhe von 5 bis zu 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts auslösen. Dies wäre vergleichbar mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren. Kosten in einer Größenordnung bis zu 3,68 Billionen Britische Pfund (entspricht 5,5 Billionen Euro), hat Stern hochgerechnet, kämen auf die Menschheit zu, wenn nichts gegen den Klimawandel unternommen werde. In diesem Fall würde bis Ende des Jahrhunderts die globale Durchschnittstemperatur um 5-6 Grad Celsius ansteigen. Die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Volkswirtschaft bringe zwar Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit, aber auch Wachstumsmöglichkeiten. Gemäß der durchgeführten Ressourcenkostenschätzungen liegt die Obergrenze für die erwarteten jährlichen Kosten von Emissionsreduzierungen in Verbindung mit einem Ansatz, der zu einer Stabilisierung bei 550 ppm CO2 führt, bis 2050 wahrscheinlich bei etwa 1% des Bruttoinlandsprodukts. (ii) Fazit Der Klimawandel bringt für den Einzelnen und die Allgemeinheit einschneidende und erheblich belastende Folgen mit sich. Die Gefahr von Naturkatastrophen und Gesundheitsschädigungen wird deutlich erhöht. Der Naturhaushalt sowie die Land- und Forstwirtschaft werden erheblich beeinträchtigt. Der betriebs- und volkswirtschaftliche Schaden ist von so enormen Ausmaß, dass die kurzfristigen finanziellen Vorteile für Energiewirtschaftsunternehmen und die Volkswirtschaft aus der Beibehaltung der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen, insbesondere der Braun- aber auch der Steinkohle, um ein vielfaches von den finanziellen Nachteilen übertroffen bzw. aufgezehrt werden. Damit zeigt sich, dass das Festhalten an fossilen Brennstoffen zum Zwecke der Energiegewinnung im Ergebnis zu einem massiven Eingriff in das Wohl der Allgemeinheit führt.

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(b) Beitrag des geplanten Kraftwerkes Selbstverständlich kann das geplante Kraftwerk der E.ON nicht für sich allein für diese Klimafolgen verantwortlich gemacht werden. E.ON kann – ähnlich wie bei dem Phänomen des Waldsterbens – nach haftungsrechtlichen Regelungen die oben aufgeführten eintretenden Schäden nicht in adäquat kausaler Weise zugerechnet werden. Da das Verursacherprinzip nicht anwendbar ist, muss hinsichtlich der Schadensbehebung, sofern möglich, das Gemeinlastprinzip greifen. Der Raumordnung kommt die wesentliche Aufgabe zu, vorsorgend planend und den Raumverhältnissen angepasste Nutzungen vorzusehen, die dieser gesamtsstaatlichen Aufgabe des Klimaschutzes Rechnung trägt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass dies nicht alleine in einem Raumordnungsverfahren für ein bestimmtes geplantes Kraftwerk geleistet werden kann, sondern gesamtdeutsche Regelungen für ein zukunftweisendes dem Klimaschutz Rechnung tragendes Energiekonzept vorbehalten bleiben muss. Denn solange ein solches gesetzlich festgelegtes und nachweisbares Konzept nicht verbindlich festgelegt ist, obliegt es im Rahmen des Föderalismus jedem Land seinen Beitrag zu einem effektiven Klimaschutz zu leisten. Gerade wenn strikte Zielvorgaben fehlen, muss zur Auslegung des Rechts auch auf andere grundlegenden Prinzipien des Umweltrechts, insbesondere auf das Vorsorgeprinzip, zurückzugreifen. Mit Blick auf die Höhe und das Ausmaß der erwarteten Schäden, die im Nachhinein der Allgemeinheit zur Last fallen, ist es mangels einer Verursacherhaftung dringend geboten, den Eintritt des Schadens durch vorsorgendes, nachhaltiges Handeln zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren. Insofern ist zu bedenken, dass das Kraftwerk jährlich ca. 6,2 Mio t CO2 emittiert. Bezogen auf die gesamtdeutschen jährlichen CO2-Emissionen nach dem Nationalen Allokationsplan 2008 – 2012 (851,1 Mio t) entfällt ein Anteil von rund 0,73 % auf das neu geplante Steinkohlekraftwerk. Für eine einzelne Anlage handelt es sich um einen ernorm hohen Emissionswert. Dieser Beitrag zum Treibhauseffekt kann nicht nivelliert werden, indem gesagt wird, dass das geplante Kraftwerk als Ersatz für andere Kraftwerke dient und aufgrund der Wirkungsgrade energieeffizienter ist und damit zu einer Minimierung an CO2Emissionen führt. Denn zum einen handelt es sich um die Zulassung eines neuen (Gesamt)-Vorhabens, das vom derzeitigen Stand der Dinge und der Rechtslage aus betrachtet zu beurteilen ist. Aus dem Bestand an Altanlagen und der Menge der von diesen ausgestoßenen CO2-Emissionen können nicht für die Zukunft, für „Ersatzanlagen“, deren Werte als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Ein vernünftiger Maßstab für die Errichtung von Neuanlagen kann nur unter Berücksichtigung der vorangestellten Überlegungen betreffend den Klimawandel und die Notwendigkeit der massiven CO2-Emissionsreduktion – nicht im Relativ, sondern im Absolut – gefunden werden. Auf die Heranziehung der Regelungen über den Treibhausemissionshandel, der sektorspezifisch bestimmte Reduktionsziele für das gesamte Bundesgebiet vorsieht, kann in Bezug auf die Bestimmung der Erfordernisse des Klimaschutzes insofern nicht zurückgegriffenen werden. Zwar handelt es sich hierbei um eine politische Entscheidung zugunsten des Klimaschutzes durch die Entwicklung und Wirkung eines staatlich überwachten und begrenzten freien Marktes. Jedoch kann, auch wenn im

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NAP II die Gesamtemissionsmenge an CO2 jüngst reduziert wurde, nicht von einer den Klimaschutz abschließend regelnden Bestimmung gesprochen werden. Vielmehr ändern die Regelungen über den Treibhausemissionshandel nichts an der wissenschaftlich nachgewiesenen Notwendigkeit einer erheblich stärkeren Vermeidung von CO2-Emissionen. Die Tatsache, dass ein bestimmter politischer Wille hinter dem Treibhausemissionshandel steht, kann nicht darüber hinweg helfen, dass trotz dieser geplanten Emissionsreduzierung ein erheblich höherer Schaden eintreten wird, als bei einer möglichst raschen und drastischen Reduzierung der Emissionen. Diese würde auch bei Berücksichtigung der kurz- und/oder mittelfristig eintretenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der behaupteten kurz- und/oder mittelfristigen Energieversorgungsengpässe langfristig gerade zu einer nachhaltigeren Entwicklung und zur Vorsorge vor erheblich größeren Schwierigkeiten, Schäden und Engpässen führen. Allein die aufgezeigten finanziellen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Schadensszenarien der Klimaerwärmung zeigen unabhängig von den materiellen und immateriellen Verlusten die Verpflichtung des Staates zu einer über den Treibhausemissionshandel hinausgehenden Berücksichtigung der Vermeidung und Minimierung der CO2-Emissionen. Denn auch wenn kein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen Emissionen einer bestimmten Anlage und einem bestimmten Schaden hergestellt werden kann, stellt die Neuerrichtung und der Betrieb vermittels deren Klimawirkungen eine erhebliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. (2) Tatsächliche Wirkungsgrade Einer näheren Überprüfung bedürfen die von E.ON vorgelegten Wirkungsgrade der Anlage. Soweit ersichtlich, ist der elektrische Wirkungsgrad der Anlage von 45,5 % als rein theoretischer Planwert zu werten, der nur bei optimalen, in der Praxis nicht gegebenen Begleitumständen realisierbar ist. (3) Nachweis der Erforderlichkeit für die Versorgungssicherheit Als zentrales Anliegen für das Kraftwerk wird geltend gemacht, dass nur durch die Errichtung des geplantes Blocks 6 die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Ein entsprechender Nachweis konnte bislang jedoch noch nicht erbracht werden. Angesichts zweier überragender Interessen (Versorgungssicherheit und Klimaschutz), die sich hier gegenüberstehen und angesichts der unabweisbaren Notwendigkeit zur Klimaschonung, kann es nicht ausreichen, wenn die Erforderlichkeit eines Kraftwerksbaus allein mit Bedürfnissen hinsichtlich der Gewährleistung der Versorgungssicherheit begründet wird, ohne weitergehend zu prüfen, mit welchen Vor- und Nachteile die Planung eines bestimmten Kraftwerkstyps verbunden ist und ob es nicht ein überwiegendes Allgemeinwohlinteresse daran gibt, einen Bedarf bzgl. der Verbesserung der Versorgungssicherheit durch einen anderen Kraftwerkstyp bzw. eine andere Technik der Stromerzeugung zu realisieren. Insbesondere angesichts der zentralen - über Art. 20a GG auch in Verfassungsauftrag erhobenen - Aufgaben des Umweltschutzes sowie des Klimaschutzes ist eine solche Betrachtung dringend geboten. Ein Kraftwerk, welches - wie das vorliegend geplante - einen erheblichen Beitrag zur Forcierung des Klimawandels leistet, kann bei der gegebenen Ausgangslage allen-

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falls dann im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Allgemeinwohlbedürfnisse ein Vorrang eingeräumt werden, wenn der Nachweis erbracht ist, dass einem Bedarf an zusätzlicher Gewährleistung der Versorgungssicherheit nur durch die Realisierung eben dieses Kraftwerkes vernünftigerweise nachzukommen ist und eine weniger klimaschädliche Problemlösung nicht zur Verfügung steht. Diesen Nachweis muss E.ON erbringen.

2. Gesamtbelastungssituation im Rhein-Main-Gebiet In einem Raumordnungsverfahren müssen die Luftschadstoff- und sonstigen Umweltbelastungen, die durch das geplante Projekt ausgehen, im Hinblick auf die Raumverträglichkeit geprüft werden. Maßstab für die Raumverträglichkeit ist jedoch nicht - wie im immissionsschutzrechtlichen Verfahren – ausschließlich die Prüfung, ob die Emissionen nach den einschlägigen Regelwerken eingehalten und insbesondere dem Stand der Technik genügen, die Maßstäbe müssen vielmehr aus den raum- und landesplanerischen Regelwerken abgeleitet werden.

Im bestehenden

Regionalplan Südhessen ist der Grundsatz aufgestellt, dass die Verunreinigung der Luft vor allem im Verdichtungsraum verringert werden soll (Ziffer 5.1-1). Weiterhin soll die Frischluftversorgung von Siedlungsgebieten sichergestellt und optimiert werden, Wärmeinseln sollen vermieden werden (Ziffer 5.1-2). Das geplante Kraftwerk soll in einem Ballungsraum errichtet und betrieben werden, welches bereits eine hohe Vorbelastung an Luftschadstoffbelastung aufweist. Es stellt sich somit die Frage, ob eine zusätzliche Belastung zu befürchten ist. Bei der Betrachtung der Gesamtbelastungssituation sind die weiteren in der Region geplanten Projekte zu berücksichtigen. So würde die Luftschadstoffbelastung großräumig durch den geplanten Bau einer neuen Landebahn am Frankfurter Flughafen zunehmen, wenn es zu der prognostizierten Zunahme an Flugbewegungen kommen wird. Hinzu kommen weitere geplante Anlagen, wie z.B. die neu geplanten Anlagen auf dem Gelände der InfraServ in Frankfurt-Höchst, sowie ein geplantes Kraftwerk in Wiesbaden-Mainz.

In § 2 Abs. 2 Zif. 5 ROG werden raumordnerische Grundsätze für verdichtete Räume aufgestellt. Das Rhein-Main-Gebiet, zu dem auch Hanau bzw. Großkrotzenburg zu zählen ist, stellt einen solchen Verdichtungsraum dar. Der Bundesgesetzgeber hat erkannt, dass solche Verdichtungsräume besonderen Umweltbelastungen ausge-

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setzt sind. Trotzdem oder gerade deswegen stellt er den Grundsatz auf, dass Umweltbelastungen abzubauen sind. Abzubauen „sind“ bedeutet, dass an die Raumund Landesplanung eine besondere Verpflichtung gestellt wird, bei ihren Planungen darauf zu achten, dass keine zusätzlichen Umweltbelastungen hervorgerufen werden. Es geht hier nicht nur um die Vermeidung zusätzlicher Umweltbelastungen, sondern die Landesplaner sind aufgerufen, aktiv zu werden, Umweltbelastungen abzubauen. Weiterhin sieht § 2 Abs. 2 Zif. 8 Satz 7 ROG vor, dass die Reinheit der Luft sicherzustellen ist. Auch hieraus ergibt sich die Verpflichtung in einem Raumordnungsverfahren zu prüfen, ob die mit dem geplanten Kraftwerk verbundenen Luftschadstoffbelastungen nicht vermieden werden kann, indem die Energieversorgung durch Vermeidungskonzepte, der Nutzung von regenerativen Energien und einer dezentralen Energieversorgung gewährleistet werden kann. Auch die Grundsätze zum Klima und zur Luftreinhaltung, wie sie in Ziffer 8.3 des LEP formuliert sind, müssen als Maßstäbe im Raumordnungsverfahren berücksichtigt werden. So wird z.B. im 3. Spiegelstrich der Grundsatz formuliert, dass die Summe der Emissionen in Untersuchungsgebieten nach Bundesimmissionsschutzgesetz durch geplante Maßnahmen nicht ansteigen dürfen. Zusätzliche Emissionen sollen durch Emissionsminderungen im Untersuchungsgebiet ausgeglichen werden. In einem Raumordnungsverfahren muss daher der Nachweis gelingen, dass die Luftschadstoffbelastung in Zukunft durch die geplanten neuen Anlagen nicht zunehmen wird. Weiterhin sind gemäß dem 2. Spiegelstrich die lufthygienischen Verhältnisse bei Planungen insbesondere für Großprojekte und zur Errichtung emissionsintensiver Betriebe verstärkt zu berücksichtigen.

Die Problematik der lufthygienischen Belastungssituation führte zu der Aufnahme des fachlichen Ziels in dem Fortschreibungsentwurfs des Regionalplans bayerischer Untermain im Bereich des technischen Umweltschutzes: Im Grenzbereich der Länder Bayern und Hessen am Untermain sollen zur Verbesserung der lufthygienischen Situation umweltrelevante Planungen länderübergreifend abgestimmt werden. Schon hieraus ergibt sich die Verpflichtung in einem Raumordnungsverfahren die Gesamtbelastungssituation zu prüfen.

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III. Verfahrensrechtliche Aspekte

1.

Handelt es sich bei dem Raumordnungsverfahren um ein vor einem fachgesetzlichen Genehmigungsverfahren vorgelagertes Verfahren?

Das Verhältnis zwischen Raumordnungsverfahren und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wird in § 23a 9. BImSchV geregelt. Nach dieser Vorschrift hat die Genehmigungsbehörde die im Raumordnungsverfahren ermittelten, beschriebenen und bewerteten Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt nach Maßgabe des § 20 Abs. 1b bei der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Gem. § 20 Abs. 1b 9. BImSchV hat die Genehmigungsbehörde eine Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die in § 1a 9. BImSchV genannten Schutzgüter vorzunehmen und diese Bewertung dann nach den für die Entscheidung maßgeblichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bei der Entscheidung über den Antrag nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Nach der Kommentarliteratur bedeutet dies, dass die Behörde die Bewertung nicht nur einfach zur Kenntnis nehmen darf, sondern sie muss sich inhaltlich mit dem Ergebnis auseinander setzen. Der Charakter der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung führe dazu, dass die Bewertung die Entscheidung der Genehmigungsbehörde weitgehend indiziert (Dietlein, in: Landmann/Rohmer, BImSchG-Komm., I. Band, § 10, Rdnr. 240).

2. Ist es zulässig das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren parallel zum Raumordnungsverfahren durchzuführen? Obwohl das Rechtssystem davon ausgeht, dass es sich bei dem Raumordnungsverfahren um ein dem fachgesetzlichen Genehmigungsverfahren vorgelagerten Verfahren handelt, gibt es keine verbindliche Regelung darüber, dass das Raumordnungsverfahren abgeschlossen sein muss, bevor der Vorhabensträger einen Antrag auf eine Projektzulassung stellt. Das Risiko, dass aufgrund eines negativen Ergebnisses im Raumordnungsverfahren, die Anlage nicht genehmigt wird, verbleibt bei parallel durchgeführten Verfahren, beim Vorhabensträger.

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Das zeitliche Verhältnis zwischen Raumordnungsverfahren und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist explizit im Gesetz nicht geregelt. Allerdings spricht vieles dafür, dass das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens abgewartet werden sollte, bevor das immissionsschutzrechtliche Verfahren durchgeführt wird:

(1) Käme daher das Raumordnungsverfahren zu dem Ergebnis, dass der geplante Block 6 aus Umweltgesichtspunkten nicht raumverträglich ist, wäre ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren überflüssig. (2) Da das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens bei der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen ist, sollten die Antragsunterlagen, die durch den Vorhabensträger zu erstellen sind, auf das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens abgestimmt sein. Nur auf diese Weise lässt sich ein effektives Genehmigungsverfahren durchführen. (3) Nicht zuletzt spricht auch § 23a Abs. 2 9. BImSchV dafür, dass es sich bei dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren um ein dem Raumordnungsverfahren nachfolgendes Verfahren handelt. In dieser Vorschrift wird normiert, dass im immissionsschutzrechtlichen Verfahren von zahlreichen Prüfanforderungen abgesehen werden kann, wenn dies bereits v o r h e r in einem Raumordnungsverfahren geprüft worden ist.

Durch ein parallel zum immissionsschutzrechtlichen Verfahren durchgeführtes Raumordnungsverfahren besteht die Gefahr, dass die Prüfungen und Erkenntnisse, die die Behörden im Laufe eines Erkenntnisprozesses erhalten, nicht in der Art und Weise, wie es der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber mit § 23a 9. BImSchV bezwecken wollte, Eingang in das immissionsschutzrechtliche Verfahren erhalten. Erst wenn alle rechtlichen Anforderungen, die im Rahmen des Raumordnungsverfahrens abzuprüfen sind, durch die Raumordnungsbehörde bewertet worden ist, kann daher ein dem Ergebnis des Raumordnungsverfahrens integrierter Antrag im immissionsschutzrechtlichen Verfahren gestellt werden. Ggfs. kann auch von einer Antragstellung abgesehen werden, wenn der Standort, an dem der Block 6 des Kraftwerks Staudingers errichtet werden soll, nicht raumverträglich ist.

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Sowohl im Raumordnungsverfahren als auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren haben die zuständigen Behörden eine Öffentlichkeitsbeteiligung und einer Beteiligung der Umweltvereine durchzuführen. Aufgrund der Komplexität der Verfahren und der Vielzahl an Konflikten, die es zu lösen gilt, muss davon ausgegangen werden, dass umfangreiche Gutachten und Unterlagen zur Anhörung vorgelegt werden. Schon aus diesem Grund sollten die Verfahren nacheinander durchgeführt werden, damit eine Beteiligung aufgrund des Umfangs der zu sichtenden und zu bewertenden Unterlagen für die Betroffenen noch möglich bleibt. Ansonsten würde zwar die Möglichkeit zur Beteiligung formal gewährt werden, jedoch aufgrund der aufzuarbeitenden Materie de facto nicht möglich sein.

Frankfurt, den 09.09.2007

U. Philipp-Gerlach Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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VEREINIGUNG DER HESSISCHEN UNTERNEHMERVERBÄNDE

Stellungnahme der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände zur Öffentlichen mündlichen Anhörung zum Thema Geplanter Bau des Block 6 des E.ON – Kraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg am 13.09.2007

1. Teil: Grundsätzliches Statement aus Sicht der hessischen Wirtschaft Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände als Dachverband aller Branchen der hessischen Wirtschaft sieht in dem Vorhaben „Erweiterung des Kraftwerks „Staudinger“ in Großkrotzenburg, Main-Kinzig-Kreis, einen • Beitrag zum vorsorgenden Gesundheitsschutz; • Beitrag zum vorsorgenden Umweltschutz; • Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung in Hessen • Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Wirtschaft; • Beitrag zur Standortsicherung Hessen und für zukunftssichere Arbeits- und Ausbildungsplätze. Dem vorsorgenden Gesundheits- und Umweltschutz wird u.a. dadurch Rechnung getragen, dass die Luftwerte durch die neue innovative Anlagentechnologie drastisch gesenkt werden konnte. Dadurch wird dem Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger in der Region Rechnung getragen Auch der spezifische CO2 Ausstoß wird trotz einer doppelten potentiellen Strommenge deutlich gegenüber der alten Anlagentechnik reduziert. Sicherlich kann Energie auch außerhalb von Hessen und auch außerhalb von Deutschland produziert werden. Aber die Produktion innerhalb Deutschlands erfolgt im Regelfall nachweislich unter deutlich höheren Umwelt- und Gesundheitsstandards als im Ausland. Das kann über den Ferneintrag von Emissionen zu einer Beeinträchtigung nicht nur in Deutschland sondern in Hessen beitragen. Zudem machen wir uns politisch unabhängiger bei der Produktion im eigenen Land. Mit seiner modernen Technologie ist das Werk Staudinger als ein Demonstrationsobjekt für exzellente Kohle-Kraftwerkstechnologie anzusehen, die es weltweit zu etablieren gilt. Nur so können uns kräftige Emissionsreduktionen gelingen. Würde eine derartige Technologie in die prosperierenden Wirtschaftsregionen, wie z.B. China und Indien exportiert werden, könnten gewaltige CO2 Minderungen erreicht werden, durch eine deutlich höhere Energieeffizienz der neuen innovativen Technologie. Zudem befinden wir uns in einer Zeit, in der Strom knapp wird. In Hessen, in Deutschland und in Europa. D.h. in einer Phase wirtschaftlichen Aufschwungs bleibt das Angebot von Strom knapp und kann auch nicht über Lieferungen aus dem europäischen Ausland aufgefangen werden. Von daher dürfen wir unter der Beachtung der rechtlichen Vorgaben ein Vorhaben wie die Modernisierung des Kraftwerkes Staudinger nicht mutwillig verzögern. Emil-von-Behring-Str. 4 . 60439 Frankfurt Telefon 069 9 5808-0 . Telefax 069 95808-126 . E-Mail [email protected]

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Wir werden in Hessen mit den sich abzeichnenden Stilllegungen der Kernkraftwerke Biblis A und B eine zusätzliche Stromverknappung haben, die nicht über Importe kompensiert werden kann. Dadurch gerät der wirtschaftliche Aufschwung in Gefahr, da Energie der Schlüssel für wirtschaftliche Betätigung ist. Um so mehr ist Eile geboten, Ressourcen zu schaffen. Bereits heute zahlen wir die höchsten Strompreise in Europa, was durch eine weitere – völlig unnötige – Verknappung noch gesteigert würde. Die Energieerzeugung im Inland bedeutet auch langfristige Gewährleistung von Lieferverträgen, was Innovationssicherheit für die Wirtschaft und damit den Standort Hessen bedeutet. Die hessische Wirtschaft beobachtet mit großer Sorge die zunehmende Tendenz, Infrastrukturvorhaben abzulehnen oder unnötig zu verzögern und zu behindern. Ohne die notwendige Infrastruktur, sei es Strassen- oder Energieinfrastruktur, können wir nicht leben. Erst Recht kann es ohne Infrastruktur keine weitere Entwicklung mehr geben. Von einer weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Region Frankfurt Rhein Main aber profitieren alle Bürgerinnen und Bürger dieser Region. Zudem ist es notwendig hier in Hessen große leistungsfähige und mit modernster Technologie betriebene Kraftwerke zu haben, da nur so wettbewerbsfähige Energiepreise erzielt werden können, die allen zu Gute kommen. Hierzu ist ein umfangreicher Energiemix einschließlich der Kernenergie notwendig.

2. Verfahrensrechtliche Fragestellung Raumordnungsverfahren / Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG Der Standort des Kraftwerks „Staudinger“ ist im Raumordnungsplan als ein Kraftwerksstandort ohne Einschränkungen, auch hinsichtlich Kapazitätserweiterungen, ausgewiesen. Von daher wurde eine Raumverträglichkeit bereits zur früheren Zeit geprüft und bejaht. Aus dem Regionalplan Südhessen wurde der geltende Flächennutzungsplan der Standortgemeinde Großkrotzenburg entwickelt, der eine Beurteilung der Raumverträglichkeit vornimmt und ebenfalls eine allgemeine Ausweisung eines Kraftwerksstandortes vorsieht. Nach dem Raumordnungsgesetz des Bundes (§ 15 Absatz 2 ROG) in Verbindung mit dem Hessischen Landesplanungsgesetz (§ 18) ist ein Raumordnungsverfahren von Gesetzes wegen entbehrlich. In einem Raumordnungsverfahren werden raumordnungsrechtliche Fragestellungen geprüft und bewertet, wie beispielsweise die Inanspruchnahme von Infrastrukturen über den bereits genehmigten Standort hinaus. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Im Raumordnungsverfahren werden nach den geltenden Gesetzen weder die Emissionsauswirkungen betrachtet, noch die CO2. Die Prüfung der Emissionsauswirkungen bleibt dem Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorbehalten, die CO2 Emissionen unterliegen dem Emissionshandel. Es ist zwar richtig, dass im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens eine Alternativenprüfung vorgenommen wird. Es ist nicht Gegenstand eines solchen Verfahrens, ob E.ON das Kraftwerk in den Niederlanden, in Bayern oder in Großkrotzenburg errichten und betreiben kann. Diese Fragestellung ist vom Gesetz nicht erfasst und kann daher auch nicht gefordert werden. 2

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Das hier geforderte Raumordnungsverfahren dient allein nur dazu, das Vorhaben der Firma E.ON zeitlich hinauszuzögern und das Genehmigungsverfahren sowie den Umbau und Betrieb der Anlagen zu verzögern. Gewichtige raumordnerische Gründe, die dieses Verfahren erforderlich machen, sind rechtlich nicht gegeben. Die Beteiligungsrechte der betroffenen Bevölkerung sowie der Behörden benachbarter Bundesländer sind im Raumordnungsverfahren möglich, hingegen im Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Gesetz über eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zwingend vorgeschrieben So werden in dem Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, einschließlich der für das konkrete Verfahren notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung, der Öffentlichkeit im Rahmen eines Erörterungstermins in einem sehr transparenten Verfahren umfangreiche Möglichkeiten zur Stellungnahme gegeben. Die Einwendungen werden im Einzelnen erläutert und diskutiert. Diese detaillierten gesetzlichen Vorgaben gehen weit über die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens hinaus, so dass die Beteiligungsrechte der betroffenen Bevölkerung in jedem Fall gewahrt bleiben. In einem Verfahren nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung werden sowohl hinsichtlich der Behördenbeteiligung als auch bzgl. der Öffentlichkeitsbeteiligung die Umweltauswirkungen über Ländergrenzen hinaus berücksichtigt. D.h. eine Beteiligung sowohl der bayerischen Behörden als auch der bayerischen Bevölkerung ist im Genehmigungsverfahren geregelt. Die Auswirkungen auf die Umwelt werden im Genehmigungsverfahren und nicht im Raumordnungsverfahren geprüft. Zudem haben die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens keine Bindungswirkung auf eine Entscheidung im Genehmigungsverfahren, so dass es nach unserer Überzeugung nur um die Verzögerung des für den Wirtschaftsstandort Hessen dringend notwendigen Vorhabens geht. Sie wird weitere Preissteigerungen für Strom sowie eine Abschwächung des Aufschwungs in Hessen nach sich ziehen. Für Neuinvestitionen wird der Standort Hessen so nicht attraktiver. Unverständlich ist daher aus Sicht der VhU, dass trotzdem ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird. Die Hessische Landesregierung hat durch die sog. „Posch-Kommission“ ein Gesetz zur Beschleunigung von Infrastrukturmaßnehmen vorbereiten lassen und das Gesetz via Bundesrat initiiert. Zudem wurde dafür gesorgt, dass Öffnungsklauseln für optierende Bundesländer enthalten sind, die weitergehende Erleichterungen ermöglichen. Von dieser Option hat das Land Hessen mit Vorlage des Entwurfs des Landesplanungsgesetzes Gebrauch gemacht. Umso erstaunter sieht die hessische Wirtschaft, wie im ersten praktischen Anwendungsfall von einer ursprünglich gewollten Beschleunigung wieder abgewichen wird. Wa – ststaudinger070907 Abteilung Wirtschafts- und Umweltpolitik 07.09.2007

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BEE Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. BEE e.V. • Teichweg 6 • 33100 Paderborn

Hessischer Landtag Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Herrn Karl-Heinz Thaumüller Postfach 3240 65022 Wiesbaden

Korrespondenz BEE-Vorstand: Teichweg 6 33100 Paderborn Telefon: 05252 / 939 800 05252 / 504 45 Telefax: 05252 / 529 45 e-mail: [email protected] www.bee-ev.de

Berlin, 07. September 2007 Stellungnahme zum geplanten Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg Sehr geehrte Damen und Herren, für die Einladung zur mündlichen Anhörung zum geplanten Bau des Blocks 6 des E.ON-Kraftwerks Staudinger und die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bedanken wir uns herzlich. Zur Vorbereitung der Anhörung übersende ich dem Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum die beigefügte schriftliche Stellungnahme, die sich in freier Form an dem von den Fraktionen erstellten Fragenkatalog orientiert. Mit freundlichen Grüßen

Johannes Lackmann - Präsident -

Büro Berlin: Marienstr. 19-20 10117 Berlin Telefon: 030 / 278 794 31 Bankverbindung: Sparkasse Paderborn BLZ: 472 501 01 Kto.: 19003334 Eintrag: Vereinsregister Amtsgericht Charlottenburg 21078 Ehrenpräsident: Matthias Engelsberger † Präsident: Johannes Lackmann Vizepräsident(in)en: Herman Albers Carsten Körnig Doris Meyer Josef Pellmeyer Simone Probst Schatzmeister: Harm Grobrügge Weitere Vorstandsmitglieder: Dr. Peter Ahmels Ralf Bischof Helmut Jäger Dr. Uwe Hartmann Helmut Lamp Claus Sauter Anton Zeller Geschäftsführer: Milan Nitzschke

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Stellungnahme des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. zum geplanten Bau des Blocks 6 des E.ON Kraftwerks Staudinger in Großkrotzenburg anlässlich der öffentlichen mündlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Hessischen Landtages am 13. September 2007 1. Allgemeine Bewertung des Bauvorhabens Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) lehnt das vorgeschlagene Bauvorhaben der E.ON Kraftwerke GmbH ab. Der geplante Kraftwerksblock 6 des Kraftwerks Staudinger mit einer elektrischen Leistung von 1.055 MW und einem Ausstoß von jährlich ungefähr 8 Mio. Tonnen CO2 entspricht nicht den Anforderungen an eine moderne, nachhaltige Struktur der Energieversorgung. Mit einem Wirkungsgrad von nur 46 Prozent würde das Kraftwerk endliche Ressourcen leichtfertig verschwenden und eine unverantwortliche Belastung für das Weltklima bewirken. Der Bau des Kraftwerks würde den EU-Zielen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bis 2020 zuwider laufen. Ebenfalls steht das Kraftwerk in Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung, die mit dem gerade in Meseberg beschlossenen Integrierten Klima- und Energieprogramm bekräftigt worden sind. Das vorgeschlagene Großkraftwerk würde eine Kraftwerksstruktur zementieren, die dem Ausbau dezentraler Kraftwerkskapazitäten mit hohen Wirkungsgraden (Kraft-Wärme-Kopplung) und dem Ausbau Erneuerbarer Energien zuwider läuft. Damit widerspricht das Projekt ebenfalls den EU-Ausbauzielen für Erneuerbare Energien (20% in 2020), die von der Bundesregierung im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft maßgeblich vorangetrieben worden sind. Die angesprochenen EU-Ziele zur CO2-Reduktion und zum Ausbau Erneuerbarer Energien sind verbindlich. Ebenfalls sind die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland verbindlich. Daher hat die Entscheidung über dieses Kraftwerksprojekt mindestens eine bundesweite Bedeutung. In das Genehmigungsverfahren ist somit ein möglichst weiter Akteurskreis einzubeziehen, dies sollte mindestens mit Hilfe eines länderübergreifenden Raumordnungsverfahrens geschehen. Die Netzbetreiber kommen ihrer Verpflichtung zum Netzausbau nach wie vor nur unzureichend nach. Dies führt bereits heute dazu, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien langsamer verläuft, als er verlaufen könnte. Ebenfalls wird bereits heute in vielen Regionen nicht der gesamte von Erneuerbare-Energien-Anlagen angebotene Strom in das Netz aufgenommen. Dies widerspricht dem im Erneuerbare-Energien-Gesetz definierten Vorrang für Strom aus Erneuerbaren Energien. Eine Verdoppelung der Stromproduktion am zentralen Standort Staudinger wird diese Situation noch verschärfen. Der BEE spricht sich für ein Alternativkonzept zum vorgeschlagenen Kraftwerksprojekt aus, das auf den drei Säulen „Ausbau Erneuerbarer Energien“, „Ausbau der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung“ und „Erhöhung der Energieeffizienz“ beruht (s.u.). Der Ausbau Erneuerbarer Energien verläuft in Deutschland trotz der oben beschriebenen von den Netzbetreibern zu verantwortenden Restriktion in großen Schritten. Allein im vergangenen Jahr ist die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien im Vergleich zum Vorjahr um 11,41 Milliarden Kilowattstunden angestiegen. Diese Strommenge entspricht der Jahresstromproduktion eines gesamten Atomkraftwerks und übertrifft die von E.ON geplante Stromproduktion des vorgeschlagenen Blocks 6 um mehr als 2 Mrd. Kilowattstunden. Dies verdeutlicht die hohe Geschwindigkeit mit der Stromerzeugungskapazitäten auf Basis Erneuerbarer Energien im Vergleich zu fossilen Großkraftwerken entstehen. Die E.ON Kraftwerke GmbH begründet den geplanten Bau des Blocks 6 mit dem vorgesehenen Ende der Laufzeit der Blöcke 1-3 am selben Standort. Die Blöcke 1-3 produzieren pro Jahr nach E.ON-Angaben maximal 4 Mrd. Kilowattstunden. Insgesamt werden am 2

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Standort Staudinger heute rund 5 Mrd. Kilowattstunden produziert. Nach dem Bau des Blocks 6 sollen es 10 Mrd. Kilowattstunden sein. E.ON plant demnach für den geplanten Block 6 eine Jahresstromproduktion von 9 Mrd. Kilowattstunden. Wenn Block 6 ein Ersatz für die Blöcke 1-3 darstellen soll, ist eine Zunahme der Kohlestromproduktion auf mehr als das Doppelte der bisherigen Produktion nicht zu begründen. Ein Alternativkonzept zum geplanten Block 6 wird daher auch nur die Produktion einer Strommenge von 4 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr (bzw. die Bereitstellung der Dienstleistungen, für die heute 4 Mrd. Kilowattstunden Strom benötigt werden) für die Zeit nach dem Abschalten der Blöcke 1-3 erreichen müssen Ländergrenzen sind für den Strommarkt in Deutschland nicht relevant. Notwendig ist eine ausreichende Versorgung in jedem Netzgebiet. Dabei bieten dezentrale Einheiten auf Basis von Erneuerbaren Energien und KWK verbrauchsnahe Erzeugung mit geringen Übertragungsverlusten. Eine isolierte Betrachtung Hessens oder gar des Kraftwerksstandorts Großkrotzenburg ist energiewirtschaftlich nicht geboten. 2. Alternativkonzept: Mit der Skizze des Alternativkonzepts wird gezeigt, dass die wegfallende Strommenge aus Staudinger 1-3 mit einem weiterhin entschlossenen Ausbau Erneuerbarer Energien, dem Ausbau dezentraler hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung und Energieeffizienzmaßnahmen deutlich Klima schonender produziert werden kann, als mit dem vorgeschlagenen Block 6. a. Ausbau Erneuerbarer Energie Der Ausbau Erneuerbarer Energien verläuft in Deutschland rasant. Seit 1990 hat sich die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien von 18,46 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr auf 73,87 Mrd. Kilowattstunden im vergangenen Jahr erhöht. Im Durchschnitt sind pro Jahr 3,46 Mrd. Kilowattstunden hinzugekommen. Dabei hat sich die Zuwachsrate in den vergangenen Jahren noch erhöht (s.o.). Das Mindestziel des heute gültigen EEG, ein Anteil von 12,5% Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2010, wurde bereits in der ersten Jahreshälfte 2007 übertroffen. Bis 2020 können 35% des Stromverbrauchs in Deutschland aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden. Das BEE-Ausbauszenario sieht für das Jahr 2050 eine Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien von 555 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr und damit 481 Mrd. Kilowattstunden mehr als heute vor. In jedem Jahr kommt somit die von E.ON geplante Stromproduktion des Blocks 6 allein aus Erneuerbaren Energien hinzu. Der Ausbau Erneuerbarer Energien überkompensiert die zwischen 1999 und etwa 2023 wegfallende Atomstromproduktion von 165 Milliarden Kilowattstunden jährlich und macht neue fossile Großkraftwerke überflüssig. Bereits bis zur geplanten Inbetriebnahme des vorgeschlagenen Blocks 6 im Jahre 2012 wird die jährliche Stromenge aus Erneuerbaren Energien um etwa 54,67 Mrd. Kilowattstunden gewachsen sein. Im Jahr 2020 wird sich die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nach dem BEEAusbauszenario wie folgt auf die einzelnen Energieträger verteilen: Windenergie: Wasserkraft: Bioenergie: Photovoltaik: Geothermie: GESAMT:

110 TWh 25 TWh 65 TWh 10 TWh 5 TWh 215 TWh

Dieser „Energiemix“ der Zukunft ermöglicht jederzeit eine nachfragegerechte Stromproduktion. Die Erneuerbare Energien Branche hat dies im Rahmen des von Bundeskanzlerin Angela Merkel initiierten Energiegipfelprozesses belegt. Die drei beteiligten Erneuerbare Energien Unternehmen haben dort das gemeinsam mit weiteren Partnern entwickelte „Regenerative Kombikraftwerk EE100“ vorgestellt. Es zeigt in einer ersten Simulationsphase, dass ein regeneratives Kombikraftwerk die Möglichkeit bietet, durch die gemeinsame Regelung kleinerer, dezentraler Energieerzeuger Energie wie ein herkömmliches Groß3

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kraftwerk bereitzustellen. Das Kombikraftwerk verknüpft und steuert 25 über ganz Deutschland verteilte Wind-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraftanlagen. Es simuliert im Maßstab 1/10.000 den Strombedarf in Deutschland, d.h. es deckt einen Strombedarf von maximal 4,15 Millionen Kilowattstunden. Diese Menge versorgt etwa 1200 Haushalte im Jahr. Das Projekt EE 100 zeigt, dass Erneuerbare Energien regelbar sind, im Verbund funktionieren, das Netz als Speicher nutzen und so einen wesentlichen Beitrag zur tageszeitunabhängigen Energieversorgung liefern können. Die Begriffe Grund, Mittel- und Spitzenlast sind überkommen und entsprechen dem Denken in fossil-atomaren Strukturen. Die Energieversorgung der Zukunft erfordert intelligente Steuerungen vieler dezentraler Einheiten, um die Energieversorgung sicherstellen. Dass die Übertragung der skizzierten Ausbauraten Erneuerbarer Energien auf alle Bundesländer – auch Hessen – möglich ist, haben verschiedene Expertisen belegt (zuletzt: Scheer/Longo/Stubner/Traube (2007), Neue Energie – für ein atomfreies Hessen; Neumann/BUND (2007), Intelligente Nutzung erneuerbarer Energien statt Kohlekraftwerk). Derzeit werden in Hessen rund 38,5 Mrd. Kilowattstunden Strom verbraucht. Erneuerbare Energien decken bisher in Hessen rund 5 Prozent dieses Verbrauchs ab, steuern also etwa 1,9 Mrd. Kilowattstunden bei. Der hessische Anteil der deutschlandweiten Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien beträgt demnach 2,6%. Würde in Hessen künftig bis zum Jahr 2020 in jedem Jahr nur dieser Anteil am deutschlandweiten Zuwachs der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien realisiert, kämen pro Jahr 284 Mio. Kilowattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien hinzu. Im Jahr 2020 würden Erneuerbare Energien in Hessen dann knapp 6 Mrd. Kilowattstunden beisteuern. Bis 2012, der geplanten Inbetriebnahme des vorgeschlagenen Kraftwerksblocks wird die jährliche Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien in Hessen bei mindestens 3,6 Mrd. Kilowattstunden liegen. Gegen Ende der Laufzeit von Block 6 liegt die hessische Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien bereits bei mehr als 14 Mrd. Kilowattstunden. Kann Hessen seinen Anteil am deutschlandweiten Ausbau Erneuerbarer Energien steigern, kann die Entwicklung wie folgt aussehen. Hessischer Anteil am bundesweiten Ausbau Erneuerbarer Energien in % 2,6% (= heutiger Anteil Hessens an der deutschlandweiten EEStromproduktion) 3% 5%

Stromproduktion aus EE in Hessen in 2006 in Mrd. kWh

… 2012

…2020

…2050

1,9

3,6

5,88

14,41

---

3,87 5,18

6,49 9,55

16,33 25,95

Der hessische Anteil am bundesweiten Stromverbrauch liegt mit 6,4% deutlich über dem aktuellen hessischen Anteil an der bundesweiten Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien. Würde Hessen den bundesweiten Durchschnitt erreichen, würden 2020 bereits mehr als 12 Mrd. Kilowattstunden aus Erneuerbaren Energien kommen. Dies zeigt den konservativen Charakter des hier skizzierten Ausbauszenarios. a. Kraft-Wärme-Kopplung Bis die Stromerzeugung vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt werden kann, müssen noch für einige Dekaden auch fossile Kraftwerkskapazitäten betrieben werden. Die Klimaschutzziele der Europäischen Union und der Bundesregierung lassen sich jedoch nur erreichen, wenn der Wirkungsgrad der fossilen Kraftwerke deutlich gesteigert werden kann. Diese Steigerung ist mit Großkraftwerken, wie von E.ON vorgeschlagen, nicht zu erreichen. Nach Angaben der E.ON Kraftwerke GmbH soll der Wirkungsgrad des vorgeschlagenen Blocks 6 bei ungefähr 46% liegen.

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Gedankenexperiment: „Längere Laufzeit der Blöcke 1-3“ Der Bau des Blocks 6 würde die fossile Stromproduktion mit einem inakzeptabel niedrigen Wirkungsgrad auf mindestens 40 Jahre zementieren. Nach dem Ausbauszenario für Erneuerbare Energien des BEE wird aber im Jahre 2050 kaum noch fossile Stromproduktion in Deutschland benötigt. Die Investition wäre damit vermutlich nicht rentabel. Oben wurde gezeigt, dass allein in Hessen bis zum Jahr 2012 – dem Jahr der geplanten Inbetriebnahme von Block 6 – im mittleren Szenario (in Hessen finden 3% des deutschen EE-Ausbaus statt) eine zusätzliche jährliche Strommenge aus Erneuerbaren Energien von 2 Mrd. Kilowattstunden (50% der mit den Blöcken 1-3 wegfallenden Stromproduktion) produziert werden wird. Nach Angaben von E.ON stoßen die alten Blöcke 1-3 etwa 900 Gramm CO2 pro Kilowattstunde aus. Diesen Wert will E.ON mit dem Block 6 um 20% auf dann etwa 720 Gramm pro Kilowattstunde reduzieren. Würden die genannten Blöcke 1-3 stattdessen bis 2020 weiterbetrieben, würden sie bis dahin gegenüber der Produktion der gleichen Strommenge von 4 Milliarden Kilowattstunden im neuen Block 6 ab 2012 pro Jahr 720.000 Tonnen CO2 mehr ausstoßen. Allerdings würde die bis 2020 in Hessen erreichte zusätzliche Strommenge aus Erneuerbaren Energien bereits vollständig die mit den Blöcken 1-3 wegfallende Strommenge ersetzen. Ab 2020 könnte die Produktion der Blöcke 1-3 also durch 100%-CO2-freien Strom ersetzt werden. Der Block 6 ist dann überflüssig. Unter der Annahme, dass Block 6 nach dem E.ON-Vorschlag bis 2050 am Netz bleiben würde, würde unter diesem alternativen Szenario (ohne Neubau Block 6, dafür Weiterbetrieb Blöcke 1-3 bis 2020) im Zeitraum 2020-2050 in jedem Jahr 2,8 Mio. Tonnen CO2 gegenüber dem Szenario mit dem Neubau von Block 6 eingespart. Insgesamt erspart ein Weiterbetrieb der Blöcke 1-3 bis 2020 und dafür ein vollständiger Verzicht auf den Neubau eines dann überflüssigen Kohlekraftwerks an diesem Standort bis 2050 dem Klima annähernd 80 Millionen Tonnen CO2.

E.ON Szenario (Abschalten der Blöcke 1-3 in 2012, Inbetriebnahme Block 6 in 2012) BEE-Beispielrechnung (Weiterbetrieb Blöcke 1-3 bis 2020, Verzicht auf Block 6)

CO2-Ausstoß bei einer Jahresstromproduktion von 4 Mrd. kWh 2008-2011 14,40 Mio. Tonnen 2012-2020 25,92 Mio. Tonnen 2021-2050 86,40 Mio. Tonnen Gesamt 126,72 Mio. Tonnen 2008-2011 14,4 Mio. Tonnen 2012-2020 32,4 Mio. Tonnen 2021-2050 0 Mio. Tonnen Gesamt 46,8 Mio. Tonnen

Hier werden nur die Zahlen für den CO2-Ausstoß verglichen, der bei der Produktion von 4 Mrd. Kilowattstunden entsteht (wegfallende Strommenge der Blöcke 1-3). Vermutlich wird E.ON den Block 6 auf 9 Mrd. Kilowattstunden auslegen, um auch andere Kraftwerkskapazitäten außerhalb Hessens oder den Wegfall der Atomstrommengen zu kompensieren. Auch hierzu sind jedoch keine neuen fossilen Kraftwerke erforderlich. Das BEE-Ausbauszenario belegt, dass Erneuerbare Energien die zwischen 1999 und etwa 2023 wegfallende Atomstromproduktion von rund 165 Mrd. Kilowattstunden mehr als ersetzen werden (s.o.). Die Klimaschutzziele lassen sich jedoch generell nur erreichen, wenn die isolierte Betrachtung des Verwendungsbereichs Strom überwunden und mit der Betrachtung des Wärmesektors verknüpft wird. So lässt sich durch den Einsatz von Erneuerbaren Energien im Wärmesektor so schnell und kostengünstig wie nirgendwo sonst das klimaschädliche CO2 vermeiden. Im Wärmesektor kann durch den Einsatz von Solar- und Geothermie sowie Bioenergie direkt Erdgas und Öl substituiert werden. Diese Brennstoffe stehen dann – ohne Erhöhung der Importmengen und Importabhängigkeit für den Stromsektor zur Verfügung. Die fossilen Brennstoffe sollten dann jedoch in hocheffizienten Kraft-WärmeKopplungsanlagen eingesetzt werden. Dezentrale Anlagen dieser Art erreichen Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent. Damit wird beinahe die gesamte eingesetzte Primärenergie als Endenergie in den Bereichen Strom und Wärme nutzbar.

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Gedankenexperiment: „Dezentrale KWK statt Block 6“ Die gesamte mit den Blöcken 1-3 wegfallende Strommenge von 4 Mrd. Kilowattstunden wird mit fossilen Brennstoffen produziert, jedoch in dezentralen KWK-Anlagen statt an einem Standort konzentriert. Diese KWK-Anlagen erreichen einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 80% statt der on E.ON angestrebten 46%. Den hessischen Energieverbrauchern stünde damit bei gleichem Primärenergieeinsatz eine zusätzliche Wärmemenge von rund 3 Mrd. Kilowattstunden zur Verfügung. Bei Umsetzung der von E.ON vorgeschlagenen Planung würde diese Menge (abzüglich der vergleichsweise geringen nutzbaren Wärmeproduktion des Großkraftwerks) ungenutzt an die Umgebung abgegeben werden. Die hessischen Energieverbraucher müssten diese Wärmemenge stattdessen über den Einsatz von Erdgas und Heizöl produzieren. Die Ausgaben für diese Brennstoffe würden aus Hessen in die Lieferländer abfließen. b. Effizienzmaßnahmen Das BEE-Ausbauszenario sieht neben dem Ausbau Erneuerbarer Energien auch ein Absinken des gesamten Endenergieverbrauchs von heute 2724 Milliarden Kilowattstunden auf 1677 Mrd. Kilowattstunden im Jahre 2050 vor. Je schneller unsere Volkswirtschaft weniger energieintensiv wird, desto schneller funktioniert die Umstellung auf Erneuerbare Energien. Wirksame Effizienzmaßnahmen sind eine echte Alternative zum Bau neuer fossiler Großkraftwerke. Die bereits angesprochene BUND-Expertise hat belegt, dass zur Einsparung von jährlich 2,5 Mrd. Kilowattstunden Strom Anfangsinvestitionen in Höhe von 4 Mrd. Euro und jährliche Kosten in Höhe von nur 25 Mio. Euro benötigt würden. Diese Investitionen würden vor allem dem regionalen Handwerk zu Gute kommen und hätten enorme Beschäftigungseffekte für Hessen. Die BUND-Expertise geht von der Annahme aus, dass die gleiche Dienstleistung (Licht, Kälte, Antrieb) mit der Hälfte des heutigen Energieverbrauchs möglich wäre. Von der mit dem Abschalten der Blöcke 1-3 wegfallenden Stromproduktion könnte demnach bereits auf 2 Mrd. Kilowattstunden verzichtet werden, wenn die skizzierten Effizienzinvestitionen getätigt würden. Entsprechend schneller könnte der verbleibende Stromverbrauch durch Erneuerbare Energien ersetzt werden. 3. Wirtschaftliche Aspekte des Alternativkonzepts a. Mehr Versorgungssicherheit Im Jahre 1996 sind aus der Bundesrepublik Deutschland rund 20 Mrd. Euro für die Importe von fossilen Brennstoffen in die Lieferländer abgeflossen, im vergangen Jahr waren es bereits 65 Mrd. Euro. Zu einem sehr großen Teil stammen diese Importe aus politisch instabilen Ländern. Das in Deutschland verbrauchte Erdgas stammt zum größten Teil aus Russland, dessen Ruf ein uneingeschränkt sicherer Gaslieferant zu sein in den vergangenen Jahren erhebliche Einschränkung erfahren hat. Zunächst schreckten die Lieferengpässe im Winter 2005/2006 als Folge des Streits zwischen Russland und der Ukraine die Westeuropäer auf. Im vergangenen Winter tauchte dieser Konflikt erneut auf, bevor vor einigen Wochen Russland seine Öllieferungen in den Westen kurzzeitig eingeschränkt hat. Ein Szenario des Ölkonzerns Shell aus dem Jahre 2020 sagt einen bedrohlichen Anstieg des weltweiten Energieverbrauchs voraus und stellt gleichzeitig fest, dass die fossilen Ressourcen schon in wenigen Jahren nicht mehr annähernd ausreichen werden, diese Nachfrage zu decken. Die Folge werden massive Preissteigerungen und allgemein zunehmende Konflikte um die verbleibenden fossilen Ressourcen sein. Auch der Brennstoff Kohle steht nicht unendlich zur Verfügung. Das „Joint Research Centre der EU-Kommission hat kürzlich darauf hingewiesen, dass die statistische Reichweite der Kohle zwischen 2000 und 2005 um ein Drittel gesunken ist. Ursache ist unter anderem das rasante Wirtschaftswachstum in China und Indien. Es ist demnach volks- und betriebswirtschaftlich unverantwortlich, die Abhängigkeit von importierten Ressourcen weiter zu steigern. Kraftwerksbetreiber aus Süddeutschland haben bereits zu erkennen gegeben, wegen der hohen Transportkosten für Importkohle auf Kohlekraftwerksplanungen in Süddeutschland zu verzichten.

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Für die Energieversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien werden hingegen zum allergrößten Teil heimische Ressourcen genutzt. Schon heute vermeidet der Einsatz Erneuerbarer Energien Energieimporte im Wert von mehr als 4 Milliarden Euro jährlich. Bis zum Jahr 2020 wird dieser Wert auf 20 Mrd. Euro pro Jahr steigen. Dieses Geld steht stattdessen für Wertschöpfung im Inland zur Verfügung. b. Stabilere Energiepreise Die Investment Bank Goldman Sachs hat kürzlich eine Prognose veröffentlicht, nach der der Ölpreis noch in diesem Jahr auf 90 US-$ pro Barrel steigen kann. Langfristig gelten Steigerungen auf bis zu 250 US-$ als wahrscheinlich (Bush-Berater Simmons). Erneuerbare Energien sind hingegen keine endlichen Ressourcen, sondern stehen nach menschlichem Ermessen unendlich lange zur Verfügung. Bei der Nutzung endlicher Ressourcen ist eine Preissteigerung vorprogrammiert, spätestens von dem Zeitpunkt, ab dem die jährliche Fördermenge abnimmt. Beim Öl ist dieser Punkt schon in wenigen Jahren erreicht (Peak Oil). Langfristig haben die Volkswirtschaften, die einen hohen Anteil Erneuerbarer Energien nutzen, gegenüber den fossil-atomar geprägten Volkswirtschaften einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Bereits heute hat die Nutzung Erneuerbarer Energien in Deutschland preisdämpfende Effekte. Diese beruhen auf drei Teilaspekten: •





Ressourcenökonomie: Die Preis der unendlich zur Verfügung stehenden Erneuerbaren Energien bildet die Obergrenze für den Preis der endlichen Energieträger (backstop-Ressource) und dämpfen damit den Preisanstieg. Liquiditätswirkung: Jede Kilowattstunde aus Erneuerbaren Energien führt zur Verdrängung der jeweils teuersten Kilowattstunde aus konventioneller Energie (merit order) und damit zur Senkung des allgemeinen Preisniveaus. Das Bundesumweltministerium hat diesen Effekt in seinem Entwurf für einen Erfahrungsbericht zum EEG mit 5 Mrd. Euro jährlich beziffert. Allein dieser Effekt überkompensiert die geringen Mehrkosten der Förderung Erneuerbarer Energien im Stromsektor deutlich. An einigen Tagen im Juli dieses Jahres wurde in Deutschland erstmals mehr Windstrom als Atomstrom produziert. Die Energiepreise an der Strombörse stiegen aber nicht etwa an, sondern verharrten auf demselben niedrigen Niveau. Die hohe Windstromeinspeisung konnte offenbar die Preissprünge verhindern, die aufgrund der in diesem Jahr unzuverlässigen Produktion der deutschen Atomkraftwerke zu erwarten gewesen wären. Umweltwirkung: Allein das EEG führt Jahr für Jahr zu einer Steigerung der CO2Reduktion bei der Stromerzeugung um fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Seit dem Jahr 2000 macht dies bereits 35 Millionen Tonnen CO2 aus. Das entspricht bei CO2-Zertifikatpreisen von nur 15 Euro pro Tonne bereits einem Wert von 525 Millionen Euro. Da der Nationale Allokationsplan keine Gegenrechnung hierzu vorsieht, kommt diese Einsparung alleine der im Emissionshandel agierenden Industrie zugute. Hinzu kommen vermiedene Folgeschäden für Klimawandel und Luftschadstoffe, die das Bundesumweltministerium allein für das EEG auf 3,4 Mrd. Euro im Jahr 2006 beziffert.

c. Zukunftssichere Arbeitsplätze in der Region Mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien und wirksamen Effizienzmaßnahmen wird die Energieversorgung weniger brennstoffintensiv und dafür investitionsintensiver. Dies führt zu einer Verschiebung der Wertschöpfung ins Inland. Zudem ist eine auf Erneuerbaren Energien basierende Struktur der Energieversorgung deutlich dezentraler angelegt, als eine fossil-atomare Struktur, was zu deutlich positiven Beschäftigungseffekten beispielsweise im Handwerk führt. Inzwischen bietet die Erneuerbare Energien Branche in Deutschland etwa 250.000 Arbeitsplätze. Diese Zahl wird sich bis 2020 auf rund 500.000 verdoppeln. Zunehmend spürbar wird der Effekt des „first-mover-advantage“. Weil Erneuerbare Energien in Deutschland früher als in anderen Ländern ausgebaut wurden, haben sich die Unternehmen dieser Branche inzwischen einen deutlichen Technologievorsprung erarbeitet. Dies führt zu einer stetig wachsenden Exportquote der Unternehmen. Allein im vergangen Jahr betrug das 7

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Exportvolumen 6 Mrd. Euro. Dieser Wert wird bis 2020 auf 15,7 Mrd. Euro ansteigen. Setzt Hessen auf dezentrale Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien statt auf ein fossiles Großkraftwerk, wird das Bundesland ein umso attraktiverer Standort für die Branche. Künftig wird das Bundesland dann noch stärker als bisher am Exportboom und Beschäftigungswachstum der Branche teilhaben. Fazit Der vorgeschlagene Bau des Blocks 6 muss abgelehnt werden. Stattdessen muss die Struktur der Energieversorgung weiter dezentralisiert werden. Hierzu sind der weitere entschlossene Ausbau Erneuerbarer Energien, der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und wirksame Effizienzmaßnahmen erforderlich.  Erneuerbare Energien kompensieren den Atom-Ausstieg und ersetzen fossile Stromerzeugung.  Bis 2020 kann der Anteil Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch deutlich über 35 Prozent betragen.  Gemeinsam mit verstärkten Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz können die international und national vereinbarten Klimaschutzziele übererfüllt werden.  Erhalt oder Zubau zentraler Kraftwerkskapazitäten wird sich als Fehlinvestition erweisen und blockiert den Ausbau und Anschluss neuer, dezentraler Kapazitäten.  Oberste Priorität müssen die optimale Ausnutzung der Netze, der Netzausbau und die effiziente Systemintegration der Erneuerbaren Energien erhalten.  Für die angekündigten Investitionen in neue Kraftwerke und Anlagen im Bereich der Erneuerbaren Energien (120 Milliarden Euro für Kraftwerke zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, 80 Milliarden für Heizungen, Kühlsysteme und Kraftstoffproduktion bis 2020) sind stabile Investitionsbedingungen und ein verlässlicher Gesetzesrahmen notwendig.

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Stellungnahme des deutschen Gebirgs- und Wanderverband LV Hessen zum Kohlekraftwerk Großkrotzenburg 1.) Was wird unternommen gegen die atomare Strahlung der Steinkohle und der Strahlung außerhalb des Steinkohlekraftwerkes? 2.) Wie hoch ist die Erwärmung der Kraftwerksumgebung; da jetzt schon der Schnee in der Nähe der Kühltürme schmilzt und dadurch eine große Glatteisgefahr besteht? 3.) Welche Erwärmungsgrade erreicht im Durchschnitt der Main dessen Wasser zur Kühlung genommen wird und jetzt schon die Temperatur beeinflusst? 4.) Ich bezweifle, dass es möglich ist bis zum Baubeginn die technischen Voraussetzungen zur Senkung des CO² Gehaltes zu Bewerkstellen? 5.) Beim Anfahren der Öfen wird trotz guter Vorraussetzungen immer noch viele Schadstoffe in die Atmosphäre geblasen, wie wird dieses Problem gelöst?

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Verband Hessischer Fischer

Verband Hessischer Fischer, Rheinstraße 36, 65185 Wiesbaden

Sekretariat des Ausschusses für Umwelt, ländlichen Raum u. Verbraucherschutz des Hessischen Landtags Herrn Karl-Heinz Thaumüller

Wiesbaden, den 5.7.2007 Betr.: Anhörung zur geplanten Erweiterung des KW Staudinger in Großkrotzenburg („Block 6“)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir danken für die Beteiligung an der Anhörung zur geplanten Erweiterung des Kraftwerks Staudinger und nehmen vorab schriftlich dazu Stellung wie folgt: Im Allgemeinen sind wir verwundert, dass einerseits der Schadstoffausstoß in der nahen Zukunft drastisch vermindert werden soll und andererseits über die bisher installierte Leistung hinaus weitere Kohlekraftwerke von bisher unerreichter Dimension gebaut werden sollen. Das Ziel, klimarelevante Schadstoffe und Gase aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in der Atmosphäre erheblich zu vermindern, lässt sich so u. E. nicht erreichen. Die hier geplante Errichtung des weltgrößten Kohlekraftwerks mit einem Leistungsplus von 50% gegenüber den vorhandenen Kraftwerksblöcken, die durch den Neubau „ersetzt“ werden sollen, ist da vollends fragwürdig: Hier handelt es sich nicht um einen Ersatz, sondern um einen massiven Ausbau. Quer durch die gesamten Antragsunterlagen, soweit sie uns zugänglich waren, sind eine durchweg verharmlosende Sprache und häufig vorab vorgenommene Bewertungen möglicher Beeinträchtigungen als „begrenzt“, „vorübergehend“, „unerheblich“ etc. festzustellen. Solche Bewertungen können aber allenfalls als Ergebnis einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden. Im Genehmigungsverfahren sind aus unserer Sicht vier grundsätzliche Prüfungen vorzunehmen: • Besteht für einen solchen Ausbau überhaupt ein energiepolitischer Bedarf? • Wurde die effizienteste und verträglichste Variante der Energieerzeugung ausgewählt? • Ist das weltgrößte Kohlekraftwerk mit dem Ballungsraum Rhein/Main als Standort verträglich? • Eine umfassende Prüfung der mit dem Ausbau verbundenen Risiken und Umweltbelange, auch für die Kohlelager und für den Kohletransport.

Geschäftsstelle: Rheinstraße 36 65185 Wiesbaden

Telefon: 0611-302080 Telefax: 0611-301974

E-Mail: [email protected] Internet: www.vhsf.de

Bankkonto: Deutsche Bank Wiesbaden Kto.-Nr. 0300145 (BLZ 510 700 21)

Ausschussvorlage ULA/16/70 StN VHF e.V. zu Neubau Block 6 KW Staudinger, 5.9.2007

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Die Planungen für das Kohlelager sind aus unserer Sicht so lange anzuhalten, bis eine umfassende, gemeinsame Umweltverträglichkeitsprüfung für beide Neubauvorhaben vorliegt: Der Neubau des Blocks 6 darf auf keinen Fall getrennt von dem Neubau der Kohlelager und auch nicht getrennt von den Auswirkungen des Kohletransports, nicht nur für die zusätzlich installierten Kapazitäten, betrachtet werden. Die Kohlelager selbst Insbesondere der Transport der Kohle auf dem Wasserweg muss unseres Erachtens kritisch auf seine Umweltauswirkungen überprüft werden: Abgesehen von der Tatsache, dass der geplante Ausbau des Kraftwerks Staudinger zumindest einen Gesichtspunkt in der Begründung für den derzeit ebenfalls im Verfahren befindlichen Ausbau der Wasserstraße Main darstellt, sind die (überschlägig berechnet) jährlich nötigen annähernd 1700 Schubverbände für den Transport der benötigten Kohlemengen eine ganz erhebliche zusätzliche Belastung für das Ökosystem des Mains. Die erheblichen Auswirkungen des Schiffsverkehrs auf Wasserstraßen und ihre Biozönosen rücken in Europa erst in den letzten Jahren in das wissenschaftliche Bewusstsein (vergleiche zum Beispiel WOLTER & ARLINGHAUS, 2003, OEBIUS, 2000, WOLTER, 2004). In den Vereinigten Staaten gibt es bereits länger eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Problemkreis (u. A. GUTREUTER, DETTMERS & WAHL, 2003 sowie bereits zusammenfassend BARTELL & CAMPBELL, 2000 und eine ganze Reihe weiterer Environmental Reports des USACE zum Illinois River Project). Diese weisen beträchtliche direkte und indirekte Mortalität von Fischen und anderen Wassertieren durch den Schiffsverkehr nach (Propellermortalität, durch Druck und durch Sog bedingte Mortalität, Hub-Sunk-Problematik, Zerstörung von Wasserpflanzenfeldern etc.). Darüberhinaus werden die Lebensräume der Wasserorganismen erheblich und nachhaltig beeinträchtigt: Die Schiffsschrauben wirken im Wasser wie riesige Propeller, die den gesamten Boden, Schlamm, Schlick, Sand (kiesige Substrate gibt es leider schon lange nicht mehr) aufwirbeln und den bescheidenen Rest-Lebensraum der Wasserstraße vollends zu Grunde richten. Diese Auswirkungen betreffen den gesamten Mainstrom, sind also grenzübergreifend. Sie sind, zumindest für den durch den Ausbau des Kraftwerks verursachten zusätzlichen Anteil an Schiffsbewegungen, zu untersuchen und zu bilanzieren. In diesem Zusammenhang ist auch die Verträglichkeit des Projekts mit der europäischen Richtlinie 2000/60 EG („Wasserrahmenrichtlinie“) zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf das in der Richtlinie vorhandene Verschlechterungsverbot. Unter dem darüberhinaus in der WRRL verankerten Gebot der Herstellung zumindest des guten ökologischen Potenzials bis 2015 ebenfalls abzulehnen ist eine am Standort Staudinger geplante Wasserkraftnutzung: Aus den etwa 100 m³/Sekunde des Mains und der geringen Fallhöhe eines Main-Wehres lässt sich eine vergleichsweise unbedeutende Menge elektrischer Energie gewinnen, deren Nutzen (< 10/00 der elektrischen Leistung des projektierten Blocks 6) in keinem Verhältnis zur nachhaltigen Schädigung der Ökologie des Mains und der noch darin wandernden Fische steht. Unter all diesen Gesichtspunkten sind wir der Meinung, dass allein die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens geeignet ist, die umfassende Problematik des vorliegenden Antrages raum- und gesellschaftsverträglich aufzuarbeiten.

(Rainer Hennings) Vizepräsident und Referent für Naturschutz

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