7.0

Die Philosophie der Kunst

Inhaltsverzeichnis 7.1 Die Entwicklung der Epistemologie (Erkenntnistheorie) 7.2 Beweisbarkeit und Wirklichkeit 7.3 Resümee zum siebenten Kapitel

Die analytische Philosophie des Geistes stellt einen Versuch dar, in Form von systematischer Theoriebildung und in Auseinandersetzung mit den relevanten empirischen Wissenschaften, die Natur dieser beiden Phänomene des Geistigen zu erklären. Geistige Zustände des Menschen sind durch Merkmale gekennzeichnet und werden gelegentlich mit einem phänomenalen Bewusstsein verbunden. Geistiges wird auf bestimmte Weise, wie zum Beispiel Lust oder Schmerz, erlebt. Zum anderen weisen geistige Zustände häufig inhaltliche Ausrichtungen auf Gegenstände (Intentionalität) auf. Die einzelnen hermeneutischen Situationen, wie beispielsweise die Auslegung eines Bildwerks oder überlieferten Textes, lassen in aller Regel eine Reihe von Situationen folgen, die ihrerseits wieder neue hervorrufen. Hans- Georg Gadamer nannte diese Dimension, Wirkungsgeschichte. Auch die analytische Ästhetik, als sprachphilosophisch begründete Kritik an traditionellen Formen ästhetischer Theorie, ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Ästhetik wurde nicht als Philosophie der Kunst, sondern als eine Art der Kunstkritik verstanden. Demnach waren Philosophen wie Nelson, Goodman und Arthur C. Danto, jene, die die analytische Ästhetik, wieder der Kunst selbst zuwandten. Die analytische Ästhetik ist ein Versuch, Begriffe der Bedeutung, des Verstehens oder der Interpretation, für ein philosophisches Verständnis von Kunst zugänglich zu machen. Die Kunstpsychologie ist als Teilgebiet der Psychologie in diesem Zusammenhang nennenswert, da Sachverhalte aus dem Bereich der Kunst, wie zum Beispiel das Erleben und Verhalten des Künstlers und der Kunstbetrachter, analysiert und erklärbar werden. Es gibt in der Kunstpsychologie wahrnehmungspsychologische, philosophisch- ästhetische und psychoanalytische Ansätze. Kunstpsychologie ist auch ein Teilgebiet der Kunstwissenschaft, die beispielsweise ikonographische Betrachtungen und Beiträge zur Psychologie des Kunstwerkes liefern kann. Die analytische Kunstpsychologie basiert auf tiefenpsychologischen Grundlagen. Die Analyse eines Kunstwerkes ist eine Zusammenführung verschiedener psychologischer und kunsthistorischer Verfahren. Ein tiefenhermeneutischer Zugang zum Kunstwerk, beinhaltet ein Sinn-Verstehen, der unbewussten Bedeutung von Kunst. Erst der unbewusste Inhalt ergibt bei Analyse, Aufschlüsse über mögliche Aspekte des Künstlers und über die psychologischgesellschaftliche Situation seiner Zeit. Es gibt die Aussage „dass Philosophie und Kunst eins sind und dass der Grund, warum es eine Philosophie der Kunst gibt, einfach der ist, dass die Philosophie sich schon immer für sich selbst interessierte und erst vor kurzen erkannt hat, dass Kunst eine zeitweise entfremdete Form ihrer selbst war“ (Danto, 1984, S. 95).

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Zwei unterschiedliche Zitate, die zwar der Literatur gewidmet sind, aber dennoch für diese Problematik signifikant zu sein scheinen, möchte ich an dieser Stelle anführen: „Ich habe einmal die Vermutung ausgesprochen, der radikale Unterschied zwischen Poesie und der Prosa sei in der jeweils anders gearteten Erwartung des lesenden Menschen begründet. Bei der ersten wird eine Intensität vorausgesetzt, die man bei der zweiten nicht duldet“ (Borges, 2003, S. 34). Des Weiteren: In der englischen Literatur gibt es sehr viel Poesie und es gibt sehr viel Prosa und zuweilen haben Poesie und Prosa etwas miteinander zu tun und sehr oft nicht“ (Stein, 1985, S. 15). So könnte man auch sagen, dass Philosophie oft mit Kunst zu tun hat und die Kunst mit der Philosophie, oder aber auch nicht. Auch ist die Erwartungshaltung hinsichtlich der zwei Disziplinen unterschiedlich. Anders, als Frage formuliert: Wie viele Philosophen widmen sich der Kunst und wie viele Künstler widmen sich der Philosophie? Die heutige Realität lehrt uns, dass die Disproportion ziemlich groß ist. Wie ich meine, verfügt ein Kunstwerk über verschiedene Ebenen des Ausdrucks, sodass der Wahrnehmung des Betrachters in Verbindung mit dessen Erwartungshaltung, immer verschiedene Ebenen als Stimmung oder Aussage, etc., begegnen. Vermutlich entstand die Philosophie im Allgemeinen durch die Verwunderung von Menschen, welche es so seltsam fanden zu leben, dass sie philosophische Fragen einfach entstehen lassen mussten. Auch heute dämmert es manchen Menschen, dass sie an etwas sehr Rätselhaftem beteiligt sind und anderen Menschen wiederum ist das alles egal. Einige wiederum würden gern mehr ergründen und klarstellen, was und wie alles zusammenhängt. Die Fähigkeit sich zu wundern ist wahrscheinlich eine der Voraussetzungen, die der Mensch benötig, um ein Philosoph zu werden. Eine zunächst einfache nicht unbedingt philosophische Frage ist die, nach Antworten der großen Denker der Geschichte und Gegenwart, zu dringlichsten und existenziellen Fragen. Doch welches sind die dringlichsten Fragen? Nach einem ersten Studium der Philosophie dürfte man bald zu der ersten Erkenntnis kommen, dass es sich in der Philosophie ähnlich verhält, wie in der zeitgenössischen Politik auch, Fragen dürfen gestellt werden, aber konkrete Antworten folgen, wenn überhaupt, kaum. Es scheint sich um ein Spiel zu handeln, so möchte ich meinen, in welchem die Regel gilt, die schönste umfangreichste Antwort zu geben, die in der Aussage jedoch, so gering wie möglich zu halten ist. Faktum ist, auf philosophische Fragen werden selten übereinstimmende Antworten gegeben. Wie Politik, ist auch die Philosophie immer ein Produkt der jeweiligen Zeit, anders jedoch als diese, versucht die ernsthafte Philosophie die gegenwärtige Zeit und das herrschende zeitgenössische Denken zu überwinden, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Dieses könnte auch für die Kunst gelten. „Die Philosophie ist weder eine Wissenschaft, die an Sammlung neuer Informationen interessiert ist, noch eine Kunstform, in der sich die Reaktion auf die wahrgenommene Welt widerspiegelt. Philosophie ist etwas völlig anderes“ (Stokes, London 2002, S. 5). 84

Gibt es in Bereichen der Wissenschaften noch weitgehende Übereinstimmungen in deren Konzepten und Erklärungen, so sind in der Philosophie im Gegensatz, viele unterschiedliche Meinungen und Theorien geläufig, oder auch gar konkurrierend. Jedoch verband alle Philosophen die Suche nach Erkenntnissen, im günstigsten Fall meinte man ein allgemeines System entwickeln zu können, welches Antworten auf Fragen liefere, ein philosophisches System. Im Wesentlichen dürfte zunächst die Suche nach einem ordnenden System gewesen sein, um altes und neues Wissen in eine überschaubare Verbindung zu bringen. Einer der ersten großen Systembauer war angeblich Descartes. Descartes wurde 1596 geboren, studierte Philosophie und Mathematik und bereiste nach Überlieferung, Zeit seines Lebens Europa. Descartes war überzeugt, dass nur die Vernunft die sichere Erkenntnis erbringen könnte und stand damit in der antiken Tradition von Platon und Sokrates. Platon und Aristoteles galten im Übrigen als die großen Systembauer der Antike. Descartes meinte, dass nicht einmal den Sinnen vertraut werden könne. Aus heutiger Sicht betrachtet, war er Verfechter des radikalen Skeptizismus, indem er die Quellen seiner Überzeugungen in Frage stellte und überprüfte, ob diese Quellen über Zweifel erhaben sind. Er erkannte, dass viele seiner Überzeugungen von seinen Sinneswahrnehmungen herrührten und beobachtete, dass sich die Sinne oft täuschen.

7.1

Die Entwicklung der Epistemologie (Erkenntnistheorie)

Der moderne Skeptizismus über die Existenz der externen Welt begann wahrscheinlich mit Descartes. Vor Descartes hatte es Skeptiker gegeben, die auch Infragestellten, aber nicht speziell ihre Wahrnehmung, sie unterschieden nicht zwischen der Welt der inneren Erfahrung und der externen Welt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts veranlassten Descartes drei Einflüsse dazu, den verhängnisvollen Unterschied zwischen dem Verstand und dem Rest der Realität zu machen. Zum einen erweiterten Instrumente wie das Teleskop und das Mikroskop die Wahrnehmungskräfte der Menschen, einhergehend mit solchen indirekten Zugängen kamen Zweifel auf über die Zuverlässigkeit dessen, was man mit Hilfe solcher Prothesen sah. Bekanntermaßen zweifelte die Kirche Galileos Berichte über Flecken auf der Sonne an und es gab bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts, ernsthafte Debatten darüber, ob die Kügelchen, die man durch ein Mikroskop sah, Erzeugnisse des Instruments oder echte Elemente lebenden Materials waren (sie waren Erzeugnisse des Instruments). Zum anderen waren die Zweifel realistisch motiviert, zumal nach dem Verständnis der Zeit, auch die Sinnesorgane des Menschen selbst als Instrumente verstanden wurden, welche Informationen zur Auswertung zum Gehirn transportieren. Descartes leistete in dieser Forschung Pionierarbeit mit seiner Arbeit über Optik, einschließlich einer Darstellung darüber, wie das Auge auf Licht reagiert und die Information mit Hilfe von „kleinen Fasern“ (des Sehnervs), an das Gehirn weitergeleitet werden. Ebenso erkannte Descartes, dass andere Nerven Informationen über den Körper zum Gehirn und von dort an „den Verstand“ weiterleiten. 85

In der Tat bemerkte er, dass der Verstand nicht von allen Körperteilen unmittelbar beeinflusst wird, sondern nur von Gehirn, oder vielleicht auch nur von einem kleinen Teil des Gehirns. In Versuchen nutzte er das Phänomen von Patienten mit einer Prothese, die nämlich über Schmerzen klagten, obwohl zum Beispiel die Extremitäten des Fußes nicht mehr betroffen sein konnten, da nicht mehr vorhanden, dennoch aber Regungen, die im Gehirn entstehen, diese verursachten, so als wären die Extremitäten noch vorhanden. Dem Schein nach simulierte also das Gehirn, oder die Wahrnehmung etwas was von einer Verletzung am Fuß, den gleichen Schmerz, so als wäre der Fuß tatsächlich verletzt vorhanden, was aber real nicht mehr sein konnte, den „Phantomschmerz“. Descartes folgerte, da er nur wissen konnte was seine Sinnesorgane übermittelten, dass er keine direkte Erfahrung von der Welt hatte und sogar sein Wissen über seinen eigenen Körper indirekt und somit unzuverlässig war. Dies veranlasste Descartes, dass alles, dessen wir in der letzten Analyse sicher sein können, nur der Inhalt unseres eigenen Verstandes ist, unsere persönliche subjektive Erfahrung. Die Frage, wie in sich abgeschlossene Subjekte überweltliche Objekte überhaupt kennen können, führte zu einer neuen Version des Skeptizismus. Skeptizismus über die Existenz der externen Welt und zu einer neuen philosophischen Disziplin, der Epistemologie, die versuchte zu bestimmen, wie und bis zu welchem Grad täglicher Glaube gerechtfertigt sein könne. Über die nächsten drei Jahrhunderte (ca. von 1650 bis 1950) gingen Philosophen dazu über, das Bild des inneren Verstands und die externe Welt, durch eine ontologische Kluft voneinander getrennt, nur durch einen engen und unzuverlässigen Informationskanal verbunden, unkritisch zu akzeptieren. Die britischen Empiriker Berkeley und Hume begannen Versuche nur das zu bestimmen, was direkt durch die Sinne gegeben sei, sofern man überhaupt irgendetwas über die externe Welt auf der Basis solcher Sinnesdaten wissen könne. Allmählich fanden die Philosophen heraus, dass sie sich auf persönliche Sinnesdaten keinen Reim machen konnten und gaben schließlich diesen Forschungsbereich auf. Das Problem des Skeptizismus über die externe Welt, ist im Grunde genommen bis Heute nicht beantwortet. Der Zugang zur Realität ist über die Sinnesorgane im Grunde und je nach Standpunkt des Einzelnen, nur indirekt. Andere Auffassungen und Schulen der Philosophie behaupten, jede aus ihren eigenen Gründen, dass unsere grundlegende Beziehung zur Welt direkt sei, sodass pauschale skeptische Zweifel unvereinbar mit der täglichen Erfahrung sind. Dieser Auffassung scheint meines Erachtens, zumindest die verträglichste mit dem Leben zu sein, zumal Erfahrungen nicht nur umgedeutet werden, ohne Besseres, nachvollziehbar und auf schlüssige Weise prüfbar, liefern zu können. Heidegger zum Beispiel war der Ansicht, dass Menschen Stellung darüber beziehen müssen, wer sie sind, indem sie sich mit Dingen befassen und soziale Rollen übernehmen. Er griff diese Idee in seiner Behauptung auf, dass Menschen hauptsächlich „in der Welt“ sind. Er argumentierte, wenn Menschen hauptsächlich „in der Welt“ seien, die skeptische Frage, ob die Welt und andere existieren, vernünftigerweise nicht von Menschen gestellt werden könne. Heidegger behauptete daher, dass jeder Versuch, den Skeptikern zu antworten falsch sei. 86

Der Versuch, Skeptiker ernst zu nehmen und zu beweisen, dass wir sicher wissen können, dass es eine externe Welt gibt, setze eine Trennung des Verstandes von der Welt der Dinge und anderen Menschen voraus. Phänomenologische Beschreibungen, oder die Art wie Menschen Sinn aus den täglichen Geschehnissen und Dingen finden, steht dieser Skepsis im Grunde genommen entgegen. Jenes auch im künstlerischen gebräuchliche Unterrichtssystem, welches (philosophisch) im Fachbereich voraussetzt, dass, bevor man die Dinge in irgendeinem Bereich näher erkunden kann, man zunächst eine Vorstellung darüber haben müsste, wie diese Dinge sich zum Beispiel (haptisch) anfühlen, scheint mir vom Ansatz her das plausiblere zu sein. Die Grunderfahrungen über die fühlbaren Eigenschaften von Dingen, stehen weiterem Wissen, wie dieses früher in Pflichtkursen wie zum Beispiel in Metaphysik und Ontologie erlangbar war, meines Erachtens nicht entgegen. Vergleichsweise stellen sich heutzutage Scheinprobleme in ähnlicher Weise als Pseudoprobleme dem Skeptiker dar. Hervorgebracht durch neue Teletechnologien, wie Mobiltelefone, Telekommunikation, Homeshopping, Teleroboter und Internet- Chatrooms, etc., treten alte Fragen in ein neues Licht. Descartes, der in Frage stellte, dass er, wenn er aus dem Fenster heraus auf Menschen blickte, diese unten auf der Straße tatsächlich sah, er aber nicht sicher sein könne, dass er Menschen sehe, die auch Menschen seien, da vielleicht auch jenseits der Hüte und Mäntel möglicherweise nur automatische Maschinen seien, bekommt heute neue Nahrung, da Maschinenmenschen ohne Seele, im virtuellen Bereich zunehmend möglich sind. So ist nun die Wirklichkeit erneut in Frage zu stellen, woher Informationen wirklich zu erhalten sind? Sind die Fernsehbilder, die Internetinformationen, die Nachrichten wirklich alle echt und zu welchem Zweck informieren mich diese ganzen Einrichtungen, welche(Informations-) Wohltäter der Menschheit sind hier am Werk? Descartes folgerte, dass er, da er kein direktes Wissen habe, nur folgern das heißt Schlüsse ziehen könne. Nun ist mehr und mehr von unserem Wissen gleichermaßen indirekt, in vielen Fällen basiert unser Wissen über das Unbeobachtete auch wissenschaftlich nur auf Rückschlüssen. In der Tat scheint Skeptizismus die intuitivste Antwort auf die anwachsende Vielfalt der (Tele-) Erfahrungen und ihre damit assoziierten möglichen Illusionen zu sein. 7. 2

Beweisbarkeit und Wirklichkeit

Rund ein Jahrhundert nach Descartes revolutionierte Newton mit Erkenntnissen die Physik und Mechanik, welche heute noch von Gültigkeit sind, wenn man sie im täglichen Erfahrungsraum anwendet. J.- Robert Oppenheimer, der im heute, meines Erachtens im eher zweifelhaften Ruhm stehen dürfte, ein „Vater der Atombombe“ zu sein, der aber ohne jeden Zweifel zu den größten Physikern des vergangenen Jahrhunderts zählte, hat, wenn man es so deuten mag, 1953 eine philosophisch zeitlose Beschreibung abgegeben: „Vergänglich ist das Zeichen, unter dem das Schauspiel des menschlichen Fortschritts steht- die Höherentwicklung des Menschen, das Wachstum seiner Kenntnisse, die Zunahme seiner Macht, seine Verderbnis und seine teilweise Erlösung. 87

Unsere Kulturen gehen unter. Der gemeißelte Stein, das geschriebene Wort, und die heldenmütige Tat werden zur Erinnerung einer Erinnerung und schließlich verweht. Der Tag wird kommen, da unser Geschlecht stirbt. Dieses Haus, diese Erde, auf der wir leben, wird eines Tages, so wie die Sonne altern und sich verändern, für Menschen unbewohnbar werden. Und dennoch sieht keiner von uns, sei er Agnostiker, Buddhist oder Christ, es alles nur in diesem Licht. Sein Tun, sein Denken, was er von der Welt um sich herum wahrnimmt- das Fallen eines Blattes, die Freude eines Kindes oder der Aufgang des Mondes- all das gehört der Zeitlichkeit an. Aber es ist nicht nur ein Teil der Zeitlichkeit. Es ist ein Teil des Werdens und der Entwicklung und nicht nur das. Es gehört auch der Welt außerhalb der Zeit an, steht im Licht der Ewigkeit. Diese beiden Formen der Anschauung, die zeitliche und geschichtliche und die ewige und zeitlose, sind zwei Seiten des Bemühens des Menschen, die Welt, in der er lebt, zu begreifen. Keine von beiden ist in der anderen enthalten oder auf sie zurückführbar. Sie sind, wie wir es in der Physik auszudrücken gelehrt haben, komplementär, jede die andere ergänzend, keine von beiden erfassend“ (Oppenheimer, 1955, S. 66). Die Frage, wie sichereres Wissen zu erlangen sei, ließ auch die philosophische Interpretation zu, dass der Mensch sich damit abfinden zu müsse, eigentlich nichts zu wissen. Die Einflüsse einer zunehmend entwickelten Naturwissenschaft erbrachten jedoch im Gegensatz zu einer langen Zeit des Mittelalters, in welchem der Glaube im Vordergrund stand, zunehmend Beweisbarkeiten. Ein optimistischer Glaube entwickelte sich einhergehend und genährt durch Erfolge dahingehend, künftig vieles, wenn nicht alles beweisen zu können. Die Entdeckung der Mechanik, die Bestimmbarkeit der Fallbewegung, das Zusammenwirken von Masse, Anziehungskraft und Beschleunigung, zeigte, das Beziehungen von Ursache und Wirkung, vorhersagbar wurden. Die Übertragung dieser Vorhersagbarkeit in andere Bereiche, schien das Näherrücken eines gigantischen Ziels, die Lösung eines alten Menschheitstraums, in Aussicht zu stellen, nämlich Vorgänge genau vorherzusagen und steuerbar zu gestalten. Die Lenkbarkeit bis dahin unbeherrschbarer Gegebenheiten schien möglich. Vergangene Menschengenerationen, welche die Götter für Missgeschicke und Katastrophen jedweder Art verantwortlich machten, ihnen zur Gnädigstimmung Opfer darbrachten, schienen nun Generationen zu folgen, welche die Vorausberechenbarkeit entdeckt hatten und die von Umkehr- und Veränderungsprozessen nie geglaubter Art, auch Gebrauch zu machen gedachten. Newton bewies, dass die Beobachtungen Galileis in Entsprechung zu bringen waren und Berechenbarkeit und Vorhersage Realität wurden. Stellte sich den Ahnen der Himmel als Zentrum der Schöpfung dar, gerieten Glaube und Wissenschaft zusehends in Unvereinbarkeit, mit den Aussagen der Naturwissenschaft. Die Lehren des Kopernikus konnte die damalige Autorität der Kirche und Gesellschaft noch lange Zeit machtvoll unterdrücken, doch auch diese, waren letztlich nicht aufzuhalten. Eine bis dahin mystisch und übernatürlich anmutete Sonnenfinsternis, welche Angst und Schrecken auslöste, wurde vorhersagbar. Fliegen, was nur Vögeln und Sagengestalten möglich war, wurde mittels Gerät, auch dem Menschen möglich. 88

Nachweis von Kausalität und wissenschaftliche Methoden der Messung, sowie logisch mathematische Folgerungen, bescherten ein Wissen, welches alte Traditionen und Glaubensinhalte abzuschaffen drohte. Glaube, Religion, das Transzendente wurden mehr und in eine Lückenbüßerrolle des nur Noch- nicht- Erforschten gedrängt. „Die naturwissenschaftliche Erkenntnis bereitete sich vor, Religion und allen vermeintlichen Aberglauben ein für alle Mal zu überwinden und den Glauben letztlich durch exaktes Wissen zu ersetzen“ (Physik und Transzendenz, Bern, 1988, S. 7/ 8). Den Höhepunkt dürfte diese Einschätzung in der vorindustriellen Blütezeit im ausgehenden 19. Jahrhundert erreicht haben, bevor der erste Weltkrieg mit technischen Materialschlachten und nie da gewesenen Menschenopfern, die Anzahl derartig Gläubiger ernsthaft reduziert haben mag und erneut Zweifler hervorbrachte. In Anbetracht einer Fülle von philosophischen und auch konträren Ansichten orientiert der Mensch sich lieber, wie ich denke, an seinen eigenen geistigen und körperlichen Erfahrungen. Die Frage ist, wie eine Orientierung erfolgen könnte? Antworten führen durchaus in beide Richtungen, nämlich der Körperlich- und der Geistigkeit. So schrieb zur Körperlichkeit Konrad Oberhuber: „Indem wir uns selbst unseres eigenen Körpers und seiner Haltungen und damit unserer verschiedenartigen Sehweisen und psychischen und geistigen Einstellungen bewusst werden, können wir beginnen, mit mehr innerer Klarheit zu beobachten, zu empfinden und zu wirken“ (Oberhuber, 1993, S.207). Ergänzend sei hier das Zitat zum geistigen Prozess angeführt: C.- G. Jung schrieb zur Geistigkeit: „Und doch war die Erringung des Bewusstseins die köstlichste Frucht am Lebensbaum, die magische Waffe, welche dem Menschen den Sieg über die Erde gab, und von der wir hoffen, dass sie ihm noch den größeren Sieg über sich selber ermöglichen werde“ (Jung, 1990, S.32). Die Kunstphilosophie jedoch „spiegelt keine Tatsachen, da es in der Welt keine philosophischen Tatsachen gibt, und dementsprechend gehören ihre Sätze nicht in der Weise zur Welt, wie die Sätze der Wissenschaft; sie beschreibt keinen Teil der Welt und deshalb auch keinen besonders geheimnisvollen Teil“ (Danto, 1991, S. 126). Im Gegensatz zur Kunstphilosophie gründet die Naturwissenschaft auf Beobachtung und den sich daraus zwingend und nachvollziehbar ergebenden Folgerungen. Schon bei Plato und Aristoteles ist techne ein spezieller Bereich des Denkens, welcher vom philosophischen Denken unterschieden wurde. Hinzugesellt sich in der Naturwissenschaft die empirische Feststellung. „Empirische Erkenntnis ist die Bestimmung und Einordnung der uns durch die Sinne vermittelten Phänomene, in Bezug auf relative und sich verändernde Maßstäbe. Eine empirische Erkenntnis ist zum Beispiel, dass jemand größer als ich und kleiner als ein anderer ist; die gemessene Größe verändert sich, weil sie jeweils im Hinblick auf etwas Verschiedenes festgestellt wird. Allgemeingültige Erkenntnis kommt auf diese Weise nicht zustande, sondern nur eine, die sich von Fall zu Fall als geltend erweist“ (Oppenheimer, 1955, S 109). 89

Dennoch sind zum Beispiel die Erkenntnisse eines Albert Einstein, die zwar nicht in das unmittelbare Leben eines Einzelnen eingreifen, von Konsequenzen und einer philosophischen Bedeutung. „Die philosophischen Konsequenzen der Relativitätstheorie sind weder so groß noch überraschend, wie man manchmal denkt. Sie wirft sehr wenig Licht auf altehrwürdige Streitfragen, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung zwischen Realismus und Idealismus. Die Theorie sagt nicht, alles sei relativ; im Gegenteil, sie liefert eine Methode zur Unterscheidung dessen, was relativ ist, von dem, was zu einem physikalischen Vorgang selbst gehört“ (Russel, 1986, S. 165). Im Gegensatz zum Physiker schreibt der philosophische Literat: „Die philosophische Tragweite von Einsteins Werk ist gewaltig“ (Stokes, 2002, S. 192). In diesen unterschiedlichen Aussagen wird meiner Meinung nach klar, dass nicht nur Kunst philosophisch interpretierbar ist, sondern, dass physikalische Fakten, die zum gesicherten wissenschaftlichen Wissen zu zählen sind, ebenso unterschiedlichen Interpretationen zugänglich sind, vorausgesetzt ein Verständnis zum Werk Einsteins, ist in diesem Fall vorhanden. Allerdings gerade auch in der Kunst ist ein Verständnis, wie ich meine, nicht immer voraus zu setzten, was diverse Aussagen zur Kunst häufig erkennen lassen. Sicher ist anzunehmen, dass Wissenschaft, experimentelle und mathematische Beweisbarkeit in den Naturwissenschaften, der Geometrie, Mechanik, etc., die Auffassung entstehen ließen, dass Klarheit und Beherrschbarkeit zunehmend durch diese Wissenschaft geleistet werden könne. Durch Physiker der jüngeren Vergangenheit wie, Albert Einstein, Werner Heisenberg, Otto Hahn, Max Plank, Max Born, Sir Arthur Eddington, Niels Bor, Pascual Jordan, u.a., fand eine überwältigende Entwicklungsarbeit, speziell in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt. Jedoch brachten die Ergebnisse derart viele Fragen mit sich, dass die Ziele von Eindeutigkeit und Beweisbarkeit, neu definiert werden mussten. Nach Pascual Jordan (1988, S. 207) nahm der philosophisch, griechische Denker Demokrit vor 2000 Jahren die Deutung vor, dass alles was wir in unserer Umwelt an Materiellem vorfinden, ob sichtbar und greifbar, „eine ungeheure Vielzahl winziger Körperteilchen ist, die er (Demokrit) bekanntlich Atome nannte. Indem diese Atome sich im sonst leeren Raum dahinbewegen, bei ihren Zusammenstößen miteinander in Wechselwirkung treten nach den Gesetzen der Mechanik, vollzieht sich ein ungeheuer verwickeltes Ganzes von Atombewegung. Diese Bewegung ist nach Demokrit das eigentlich Wirkliche: die objektive Wahrheit, die objektive Wirklichkeit, von der uns unsere Sinne nur ein stark getrübtes und bunt verschleiertes Bild geben“ (Jordan, 1988, S. 207). Das ptolemäische Weltbild, die Frage was Realität sei im physikalischen Sinne, wurde durch die wissenschaftlichen Ergebnisse des frühen 20. Jahrhunderts jedenfalls erschüttert. Hatte man im 19. Jahrhundert, u.a. mit Faraday die ganze Erfülltheit des Raums quasi begriffen, nämlich „ dass er nicht nur der Sitz der Gravitationskräfte sein konnte, die von der schweren Masse der Körper ausgehen, sondern auch der elektrischen und magnetischen Kräfte, die von elektrischen Ladungen ausgehen. Selbst schon zu Newtons Zeiten stand fest, dass ungeheuer starke Kräfte der Materie ihre Festigkeit verleihen“ (Oppenheimer, Hamburg, 1955, S. 16), so änderten die realen Beweise dieses Bild: 90

„Auf scheinbar einfachste Fragen können wir entweder keine Antwort, oder nur eine Antwort geben, die auf den ersten Blick mehr an einen seltsamen Katechismus erinnert als an die konkreten Feststellungen der Physik. Fragen wir zum Beispiel, ob die Lage eines Elektrons die gleiche bleibt, so müssen wir mit Nein antworten. Fragen wir, ob das Elektron seine Lage im Laufe der Zeit ändert, müssen wir ebenfalls mit Nein antworten. Und fragen wir schließlich, ob es in Bewegung ist, müssen wir auch antworten: nein! Derartige Antworten hat einst Buddha gegeben, als er über den Zustand des Ichs des Menschen nach dem Tode befragt wurde. Aber für wissenschaftliche Tradition des 17. und 18. Jahrhunderts sind es ungewohnte Antworten“ (Oppenheimer, Hamburg, 1955, S. 41). Ein weiteres Zitat scheint mir an dieser Stelle angebracht, welches den Bezug zum zuvor beschriebenen Sachverhalt, wie auch zur traditionell asiatischen Philosophie und zur Kunst herstellen könnte: Schmetterlingstraum „Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wusste von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuan Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge“ (Dschuang Dsi, 2002, S. 52). Eine interessante literarische Deutung dieses Traums findet man in der Erzählung „Neue Widerlegung der Zeit“ (Borges S. 239) Es ist eine merkwürdige Tatsache, für die die Relativitätstheorie nicht das einzige Beispiel ist, dass „mit der Zunahme unserer Fähigkeiten zu logischem Denken dieses immer weniger beansprucht, es könne Tatsachen beweisen. Man dachte früher, die Logik lehre uns, wie man Schlüsse zieht, jetzt lehrt sie uns eher, wie man Schlüsse nicht zieht. Ein Pferd ist ungeheuer überrascht, wenn man einen ungewohnten Weg einschlägt. Als Menschen zu denken anfingen, versuchten sie, die Schlüsse zu rechtfertigen, die sie früher ohne zu denken, gezogen hatten. Viel schlechte Philosophie und schlechte Wissenschaft entsprang dieser Neigung. Große Prinzipien .......sind Versuche unseren Glauben zu stützen, dass das, was bisher geschah, wieder geschehen wird; das ist nicht besser begründet als der Glaube des Pferdes, man werde den gewohnten Weg einschlagen“ (Russel, 1986, S. 168). Es steht außer Frage, dass nur Philosophen und Künstler sich an Fragestellungen heranwagen können, die sonst keiner offen zu stellen wagt und erst recht nicht beantwortet, die mit dem längsten Studium nicht zu bewältigen sind, für die aber die Kunst einen Ausdruck finden kann. Beide nämlich versuchen existenzielle Fragen zu beantworten und da wo Sprache versagt, kann das Bild zur Hilfe genommen werden „Bevor ich Zen dreißig Jahre lang studiert hatte, sah ich Berge als Berge und Wasser als Wasser an. Als ich zu einem tieferen Wissen gelangte, kam ich an den Punkt, wo ich sah, dass Berge keine Berge sind und Wasser keine Wasser sind. Jetzt habe ich Ruhe. Einzig deshalb, weil ich Berge erneut als Berge und Wasser erneut als Wasser sehe“ (Chu`ang Teng Lu, 1956/1961). 91

7.3

Resümee zum siebenten Kapitel

Im Rahmen dieser Arbeit halte ich für hinreichend gesichert festgestellt und resümiere für dieses siebente Kapitel wie folgt: Für die Kunstphilosophie kann eine Allgemeingültigkeit der Theorien nicht beansprucht werden. Im Gegensatz hierzu beobachten und beweisen Naturwissenschaften allgemeingültige Theorien. Der Einzelne kann beanspruchen, mittels Kunst, oder wahrscheinlich auch kunstpädagogischer Tätigkeit, die Kunstphilosophie und die Allgemeingültigkeit von Naturwissenschaft, als kreative und vielleicht auch spirituelle Formen, in den Ausdruck der Kunst einzubinden und darzustellen. Im Übrigen scheint Skeptizismus die intuitivste Antwort auf die anwachsende Vielfalt der zunächst nicht prüfbaren (Tele-) Erfahrungen zu sein.

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