6 Erfahrungen, Stolpersteine, Perspektiven

Qualitätsentwicklung an Evangelischen Grund- und Hauptschulen in Bayern Teamentwicklung als Unterstützung der Unterrichtsentwicklung 6 Erfahrungen, ...
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Qualitätsentwicklung an Evangelischen Grund- und Hauptschulen in Bayern Teamentwicklung als Unterstützung der Unterrichtsentwicklung

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Erfahrungen, Stolpersteine, Perspektiven

6.1

Persönliche Bilanz der Qualitätsbeauftragten

6.1.1 Paul-Gerhardt-Schule Kahl Die Frage vom Anfang: Wie wird man Qualitätsbeauftragter? Nachdem sich das Kollegium deutlich mehrheitlich für den Einstieg in das Projekt „Teamentwicklung“ entschieden hatte, wurde von Seiten der Schulleitung nicht die Frage nach Qualitätsbeauftragten oder potentiellen Mitgliedern einer Steuergruppe gestellt. Die „Stellenbeschreibung“ ging eher in die Richtung: Wer aus dem Kollegium könnte sich vorstellen das Projekt verantwortlich mit zu tragen: es werden zwei Personen gesucht und es stehen zwei Deputatsstunden zur Verfügung. Ohne Details über die anstehende Aufgabe zu kennen, inspiriert von der Vorstellungsveranstaltung im Juli an unserer Schule und – als Mannschaftssportler – angesprochen von dem Gedanken endlich auch als Lehrer gezielt und strukturiert im Team zu arbeiten, meldete ich mich recht schnell bei der Schulleitung. Ähnlich verhielt es sich wohl auch mit den beiden Kolleginnen, die dann ebenfalls als Qualitätsbeauftragte ins Schuljahr 2003/2004 starteten. Wir wurden weder zu dieser Arbeit gedrängt noch gewählt, uns interessierte die Aufgabe und wir wollten sie freiwillig gerne übernehmen. Wir hatten allerdings außer viel gutem Willen keine Vorstellung, was ein Qualitätsbeauftragter zu leisten hat. Das heißt, wir lernten im Laufe des Projektes unsere Aufgaben und Tätigkeitsfelder kennen, wir waren zwar Qualitätsbeauftragte von Anfang an, mussten aber in die Rolle hineinwachsen und uns Schritt für Schritt mit unserer Funktion identifizieren. Ein Quantensprung war für uns die Fortbildung der Evang. Schulstiftung im Frühjahr 2004 in Stein bei Nürnberg: endlich bekamen wir komprimiert eine klare Antwort auf die Frage „Was ist ein Qualitätsbeauftragter?“. Aber mindestens genauso wichtig war für uns, andere Qualitätsbeauftragte, die Schulentwicklungsprojekte bereits durchlaufen hatten, kennen zu lernen und sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Drei Erkenntnisse scheinen mir aus dem beschriebenen Prozess bedeutsam zu sein: ƒ

Entscheidend für die Arbeit eines Qualitätsbeauftragten ist, vor der Frage der Legitimation, die Motivation und das Interesse an der Sache.

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Ein Qualitätsbeauftragter sollte vor Beginn seiner „Amtszeit“ mit seinen Aufgaben und seiner Rolle vertraut sein.

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Der kontinuierliche Austausch zwischen Qualitätsbeauftragten verschiedener Schulen, regelmäßige, gemeinsame Fortbildungen verbinden, stärken und schaffen Identifikation mit dem Projekt.

Projekt Teamentwicklung als Geschichte von Beziehungen Unser Projekt „Teamentwicklung“ lebte und lebt von den Beziehungen zwischen den Menschen, die dieses Projekt tragen und gestalten. Im Folgenden möchte ich versuchen die Beziehungen, in die ich als Qualitätsbeauftragter in den vergangenen beiden Jahren eingebunden war, bewusst subjektiv, komprimiert und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu beschreiben.

Abschlussbericht November 2005

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Qualitätsentwicklung an Evangelischen Grund- und Hauptschulen in Bayern Teamentwicklung als Unterstützung der Unterrichtsentwicklung Das Kollegium Ein wesentliches Qualitätsmerkmal unseres Kollegiums ist es, dass wir neuen Ideen, interessanten Projekten gegenüber sehr offen und aufgeschlossen sind. Wir sehen grundsätzlich eher die Chancen als die Risiken und möglichen Belastungen neuer Aufgaben. Diese Grundeinstellung kam uns auch beim Einstieg in das Schulentwicklungsprojekt „Teamentwicklung“ zugute. Trotz zum Teil bestehender Ängste vor zusätzlichen zeitlichen Belastungen – die im Übrigen auch offen geäußert wurden –, ließ sich unser Kollegium eher gespannt auf das Projekt Teamentwicklung ein. Der Hauptgrund dafür war sicher die gemeinsame Überzeugung, dass dieses Projekt nicht auf unsere Arbeit aufgestülpt wurde, sondern eine sinnvolle Ergänzung und konsequente Fortsetzung unseres schulischen Entwicklungsprozesses war. Zum einen wurde bereits auf unterschiedlichen Ebenen und verschiedenen Bereichen in Teams erfolgreich gearbeitet. Zum anderen gab es ganz deutlich, zum Teil vielleicht verschüttet, den Wunsch, das Bestreben nicht länger als Einzelkämpfer und nicht mehr nur zufällig und partiell im Team zu arbeiten, sondern zielgerichtet, koordiniert und strukturiert mit Kollegen zusammenzuarbeiten, um die Unterrichtsqualität zu steigern. Bei allen Rückschlägen und zwischenzeitlichen Krisen wurde die Arbeit in den Teams vielleicht zeitweise zurückgefahren, aber zu keinem Zeitpunkt stand die Arbeit in Teams grundsätzlich zur Disposition. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist sicher auch, dass die Arbeit und Funktion der Qualitätsbeauftragten meines Erachtens vom Kollegium anerkannt und als prozessfördernd angesehen wurde. Die Qualitätsbeauftragten Die Stärke unseres Teams der drei Qualitätsbeauftragten war die freiwillige Übernahme der Aufgabe um der Sache willen und das Bewusstsein: mit den zwei anderen Qualitätsbeauftragten kann ich bestimmt gut zusammenarbeiten. Im ersten Jahr des Projektes waren wir intensiv damit beschäftigt, unsere Rolle als Qualitätsbeauftragte kennen zu lernen und uns in diese Funktion hinein zu finden. Dabei empfand ich es als vorteilhaft, dass wir drei aus der gleichen Ausgangslage, sprich Kenntnis- und Erfahrungsebene starteten. So lief dieser Rollenfindungsprozess mit den jeweils anstehenden Fragen, aber auch mit den ermutigenden „Aha-Erlebnissen“ weitestgehend parallel. Diesen Weg mit den gleichen, mindestens aber vergleichbaren Stationen zu gehen, hat uns im wahrsten Sinne des Wortes verbunden und gut zusammenhalten lassen. Von großer Bedeutung ist mir in diesem Zusammenhang, dass wir als Qualitätsbeauftragte die unsere Arbeit direkt betreffenden Sitzungen, Tagungen und vor allem Fortbildungen gemeinsam besuchen können, um unvermittelt und gleichzeitig an entscheidenden und wegweisenden Phasen teil zu haben. Die Schulleitung Dass wir unsere Position als Qualitätsbeauftragte und damit auch als Bindeglied zwischen Kollegium und Schulleitung so reibungslos einnehmen konnten, lag einerseits an der Akzeptanz durch die Kolleginnen und Kollegen. Andererseits lag es an der guten Zusammenarbeit mit der Schulleitung, die uns von Beginn an das Vertrauen schenkte, das Projekt verantwortlich mit zu tragen. Die regelmäßigen Treffen Abschlussbericht November 2005

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Qualitätsentwicklung an Evangelischen Grund- und Hauptschulen in Bayern Teamentwicklung als Unterstützung der Unterrichtsentwicklung mit der Schulleitung zum Informationsaustausch und zur Planung waren von einem partnerschaftlichen Arbeitsstil geprägt. In der Zusammenarbeit mit der Schulleitung empfinde ich ein Gleichgewicht zwischen dem Übergeben und dem Einfordern von Verantwortung. Eine wesentliche Aufgabe in der Zusammenarbeit mit der Schulleitung wird es sein, Kriterien und Verfahren zur Umsetzung von Vorschlägen aus den Teams zu entwickeln und fest zu legen, um die Effekte und Ergebnisse der Teamarbeit besser zu nutzen. Die externen Betreuer und Partner Unsere wichtigsten Bezugspersonen im Verlaufe unseres Projektes waren Frau Sigrid Zeitler und Herr Nikolaus Schröck vom Lehrstuhl für Schulpädagogik der Uni Bamberg. Mitunter begegneten Frau Zeitler und Herr Schröck anfangs der Skepsis der „Praktiker“: da kommen die „Akademiker“ und wollen uns etwas vom Schulalltag erzählen, auf die Kurzformel gebracht: Uni = abgehoben, praxisfern. Vielleicht huschte manchem sogar der Gedanke durch den Kopf: wir sind hier irgendwie ein Forschungsobjekt. Auf der einen Seite wurden diese Vorbehalte schnell mit der Teambildung beiseite gewischt, weil hier klar wurde, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer die handelnden Subjekte des begonnenen Projektes sein werden und es allein um unsere tägliche Arbeit gehen wird. Auf der anderen Seite schafften es Frau Zeitler und Herr Schröck durch ihre Kompetenz und ihr überzeugendes Interesse an unserer Sache echte Partner und freundliche Begleiter unseres Schulentwicklungsprozesses zu werden. Treffende Situationsanalysen und kritische Anmerkungen immer verbunden mit konstruktiven Alternativvorschlägen haben uns enorm vorangebracht. Beeindruckend war für uns Qualitätsbeauftragte sowohl die Durchführung als auch die Effizienz der Arbeitssitzungen, besonders der zur Vorbereitung der Zwischenbilanz. Sehr gut getan hat uns das Lob von diesen außenstehenden Experten, die einen echten Einblick in unser Arbeiten gewonnen haben, gerade auch für die Leistungen und Fortschritte, die wir als solche selbst zum Teil gar nicht mehr wahrnehmen. Durch den kontinuierlichen Kontakt vor allem mit Uwe Steinbach, aber auch mit Dr. Gerhard Pfeiffer von der Evangelischen Schulstiftung hat diese für uns ein Gesicht bekommen. Die Evangelische Schulstiftung ist durch die stetigen persönlichen Kontakte für mich möglicherweise auch für einige Kollegen - keine ferne Institution mehr. Es wurde in den vergangenen zwei Jahren greifbar, dass die Evangelische Schulstiftung unsere Schulentwicklung – und zwar nicht nur auf das laufende Projekt bezogen – mit Interesse begleitet und fördert. Ich denke, dass wir aufgrund dieser guten Erfahrungen auch weiterhin den Austausch mit der Evangelischen Schulstiftung suchen und deren Angebote, gerade im Fortbildungsbereich wahrnehmen werden. Die Zusammenarbeit mit der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg blieb leider nur auf die punktuellen Treffen zur gegenseitigen Information beschränkt. Problematisch waren hier sicher die räumliche Distanz, aber auch das Fehlen im Vorfeld oder im Laufe des Projektes vereinbarter konkreter Arbeitsfelder. Grundsätzlich halte ich es für gut und wichtig ein solches Projekt gemeinsam mit einer anderen Schule durch zu führen, allerdings sollten sowohl inhaltlich als auch persönlich Anknüpfungspunkte und Berührungspunkte im Voraus gesetzt werden. Abschlussbericht November 2005

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Qualitätsentwicklung an Evangelischen Grund- und Hauptschulen in Bayern Teamentwicklung als Unterstützung der Unterrichtsentwicklung Auf den gemeinsamen Fortbildungen mit den Vertretern der Wilhelm-Löhe-Schule konnten wir diese Anknüpfungspunkte durchaus entdecken, aber es war schwierig den Faden im Alltagsbetrieb in der Hand zu halten. Was bleibt und was nehmen wir mit? Auch wenn unser Projekt zum Teil Mühe gemacht, Zeit und zusätzliche Kräfte gebunden hat, habe ich es durchgehend als bereichernd und positiv erfahren. Allein wieder einmal den Blick aus dem Alltagsgeschäft zu heben und sich einen Überblick über die Schule, über unser Kollegium, über unsere Ziele als Ganzes zu verschaffen, hat gut getan. Eine grundlegende Erkenntnis und Erfahrung aus unserem Schulentwicklungsprojekt ist für mich das neuerliche und vertiefte Bewusstwerden der Prozesshaftigkeit schulischen Arbeitens. Es gibt keine Rezepte, keine fertigen und immergültigen Schablonen für gute schulische Arbeit. Strukturen für gelingende Teamarbeit zu schaffen und immer wieder neu an unsere Bedürfnisse und Gegebenheiten anzupassen war eine der Herausforderungen. Hier die notwendigen Absprachen zu treffen, Vereinbarungen ein zu halten und auch Ziele nicht zu erreichen, aber dann gemeinsam Korrekturen vor zu nehmen und sich neu zu orientieren, waren ganz wichtige Erfahrungen. Schule entwickelt sich in erster Linie durch kritische Reflexion: d.h. sich immer wieder selbst überprüfen, sich vor allem gegenseitig korrigieren und animieren. Dies im Team intensiv zu erleben war wertvoll und wird für uns wohl auf Sicht unverzichtbar sein. Bereichernd waren vor allem die gruppendynamischen Prozesse innerhalb der Teams, sichtbar und spürbar im schier unerschöpflichen Ideenreichtum und auch im gegenseitigen Bestärken und Stützen. Das entscheidende Kriterium für jede Teamarbeit im Kollegium bleibt die Unterrichtsqualität; die Auswirkungen im Klassenzimmer müssen als ständiges Ziel und Korrektiv immer im Mittelpunkt bleiben. Unterrichtsqualität kann nur gemeinsam gepflegt werden, da über das was geschafft werden soll und umgesetzt werden kann ein Konsens herrschen muss, damit es im Kollegium und im Team breit mitgetragen wird. Für unser Projekt galt hier die Formel, je klarer und strukturierter die Abläufe und Vereinbarungen der Teamarbeit, umso klarer und schärfer der Blick auf den Unterricht. Ein abschließendes Wort des Glaubens Der Gott, an den ich glaube, ist der Gott des Alten Testaments, der Gott mit dem Namen JAHWE = ich bin der „ich bin da“. Ein Gott der nicht nur einfach da ist, ein Gott dessen Wesen es ist „da zu sein“. Jesus Christus ist die Menschwerdung dieses Gottes, der Beziehungen stiftet und Beziehungen gelingen lässt. Jesus Christus hat kranke Menschen geheilt und Sündern ihre Schuld vergeben. In der Mahlgemeinschaft hat Jesus diese Menschen für alle sichtbar wieder in die Gesellschaft aufgenommen, ihnen eine Chance zum Neuanfang in der Gemeinde geschenkt. Nicht von ungefähr ist Jesus Gast auf Hochzeiten und vergleicht das Himmelreich mit einem Hochzeitsmahl. Die gelungene Gemeinschaft mit Gott und den Menschen ist für Jesus Christus das Maß aller Dinge.

Abschlussbericht November 2005

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Qualitätsentwicklung an Evangelischen Grund- und Hauptschulen in Bayern Teamentwicklung als Unterstützung der Unterrichtsentwicklung Jesus Christus lässt Beziehungen nicht nur lebenslang über unsere täglichen Begrenztheiten hinaus, sondern über den Tod hinaus halten und gelingen. Wer sich deshalb als Christ bezeichnet, kann nicht anders als - jeden Tag, egal wo er steht - für gelungene Beziehungen, eine tragfähige Gemeinschaft mit Gott und zwischen den Menschen einzutreten.

Armin Fath Qualitätsbeauftragter Paul-Gerhard-Schule Kahl am Main

Abschlussbericht November 2005

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