4. Einkommen und Sozialhilfe

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998 4. 4. Einkommen und Sozialhilfe Einkommen und Sozialhilfe Ulrich Schneekloth Infratest ...
Author: Hede Albert
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Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4.

4. Einkommen und Sozialhilfe

Einkommen und Sozialhilfe

Ulrich Schneekloth Infratest Burke Sozialforschung (Kap. 4.1) Rolf Romaus Gruppe für sozialwissenschaftliche Forschung (Kap. 4.2)

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

65

4.

Einkommen und Sozialhilfe

67

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3

67 67 70

4.1.5 4.1.6 4.1.7

Einkommen Einkommenssituation privater Haushalte Einkommensarmut als Risikolage Steigende Zahl und Anteile der Haushalte unterhalb der relativen Armutsschwellen Einkommensdisparitäten in Abhängigkeit von der Stellung im Erwerbsleben Kinderreichtum als ”neues”Armutsrisiko Regionale Besonderheiten Einkommen im Alter

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6

Sozialhilfe Entwicklungstendenzen Die soziodemographische Struktur der Empfänger Der sozioökonomische Status Die Dauer des HLU-Bezugs Regionale Besonderheiten Struktur und Situation der HLU-Haushalte (Bedarfsgemeinschaften)

91 93 96 99 102 105 106

Literatur

114

4.1.4

63

74 76 79 81 82

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabellenverzeichnis 4-0: 4-1: 4-2: 4-3: 4-4: 4-5: 4-6: 4-7: 4-8: 4-9: 4-10: 4-11: 4-12: 4-13: 4-14: 4-15: 4-16: 4-17:

Relative Einkommensarmut und Sozialhilfebezug in Bayern im Vergleich 1991-97 Schichtung der Nettoeinkommen privater Haushalte in Bayern 1997 und in den alten Bundesländern im Vergleich Durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen und davon abgeleitete Einkommensniveaugrenzen in Abhängigkeit von der Größe des Haushalts Einkommenssituation von Haushalten in Bayern und in den alten Bundesländern nach der beruflichen Stellung der Bezugsperson 1997 Einkommenssituation von Ehepaaren, Alleinerziehenden und Alleinlebenden in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 Einkommenssituation von Haushalten in Bayern nach regionaler Gliederung 1997 Schichtung der Alterseinkommen von Ehepaaren und Alleinstehenden in Bayern und in den alten Bundesländern 1995 Quellen der Alterseinkommen von Ehepaaren und Alleinstehenden in Bayern 1995 HLU-Dichte in den alten Bundesländern 1997 Erwerbsstatus der 15- bis 64jährigen HLU-Empfänger in Bayern 1997 Struktur arbeitsloser HLU-Empfänger im Vergleich zur Gesamtheit der Arbeitslosen in Bayern 1997 Dauer des HLU-Bezugs nach Nationalität und Alter in Bayern 1997 HLU-Dichte in regionaler Gliederung in Bayern 1997 HLU-Dichte in bayerischen Großstädten 1997 Struktur der HLU-Haushalte (Bedarfsgemeinschaften) in Bayern 1997 HLU-Abhängigkeit nach Haushaltsgröße in Bayern 1997 Art des angerechneten Haupteinkommens der HLU-Haushalte in Bayern 1997 Vergleich von monatlichem Bruttobedarf und Nettoanspruch in Bayern 1997

Abbildungsverzeichnis 4-1: 4-2:

Relative Einkommensarmut in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 Entwicklung der Anteile einkommensarmer Haushalte in Bayern und in den alten Bundesländern 1991 / 1995 / 1997 4-3: Anteil der einkommensarmen Haushalte nach dem Alter der Bezugsperson in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 4-4: Anteil der einkommensarmen Haushalte nach der Nationalität der Bezugsperson in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 4-5: Entwicklung der Anteile einkommensarmer Seniorenhaushalte (Bedarfsgemeinschaften / Alleinstehende) in Bayern und in den alten Bundesländern 1986 - 1995 4-6: Anteil der einkommensarmen Seniorenhaushalte (Ehepaare oder Alleinstehende, differenziert nach dem Geschlecht) in Bayern und in den alten Ländern 1995 4-7: Durchschnittliche persönliche Nettoeinkommen von Seniorinnen und Senioren, differenziert nach der letzten Stellung im Beruf in Bayern 1995 4-8: Durchschnittliche persönliche Nettoeinkommen von Senioren, differenziert nach den Regierungsbezirken in Bayern 1995 4-9: Entwicklung der HLU-Dichte in Bayern 1980-97 (Jahresendzahlen) 4-10: HLU-Dichte nach Altersgruppen in Bayern 1997 4-11: HLU-Dichte nach Altersgruppen und Nationalität in Bayern 1997

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4. Einkommen und Sozialhilfe

Zusammenfassung

Zur Abgrenzung von Einkommensarmut im Analyseband zur sozialen Lage in Bayern werden unterschiedliche Indikatoren genutzt. Als sozialrechtlich definierbare Armutspopulation werden diejenigen Haushalte und Personen ausgewiesen, die unterhalb des normativ im Rahmen des BSHG festgelegten Existenzminimums leben und laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) beziehen (bekämpfte Armut). Als im weiteren Sinne einkommensarme Haushalte (Haushalte mit Niedrigeinkommen) werden diejenigen Haushalte begriffen, die über ein Einkommen unterhalb eines in Relation zum gesellschaftlichen Durchschnittseinkommen bestimmten Schwellenwertes (50%-Einkommensschwelle) verfügen (relative Armut). Je nach Fragestellung und genutztem Indikator ergibt sich dadurch ein unterschiedliches Ausmaß in der Betroffenheit von (Einkommens-) Armut Für das Jahr 1997 läßt sich festhalten, daß mit 9,5 % insgesamt rund 495.000 Haushalte in Bayern Niedrigeinkommen unterhalb der 50%-Einkommensschwelle beziehen. Über weniger als 40 % des Netto(äquivalenz)einkommens verfügen 5,4 % bzw. rund 290.000 Haushalte. Sozialhilfe beziehen demgegenüber rund 2,5 %, sprich 133.900 Bedarfsgemeinschaften. Im Bundesvergleich fällt sowohl der Anteil der Sozialhilfebezieher (HLU) mit 20 pro 1.000 Einwohnern gegenüber 38 pro 1.000 in den alten Bundesländern bzw. mit 2,5 % gegenüber 4,0 % aller Haushalte als auch der Anteil der einkommensarmen Haushalte mit 9,5 % gegenüber 10,6 % geringer aus. Unabhängig vom gewählten Indikator haben die Anteile im Zeitverlauf jedoch kontinuierlich zugenommen. Berechnet man die absolute Höhe der Einkommensgrenzen, die eine relative Einkommensarmut konstituieren und vergleicht sie mit dem im Rahmen der Sozialhilfestatistik ausgewiesenen durchschnittlichen Bruttobedarf plus den einmalig gewährten Leistungen, so ergeben sich je nach Haushaltstyp in etwa vergleichbare Schwellenwerte. Daß der Anteil der Haushalte bzw. Bedarfsgemeinschaften mit HLU-Bezug trotzdem geringer ausfällt, hat zum einen systematische Gründe. Die Feststellung der finanziellen Bedürftigkeit nach dem BSHG orientiert sich nicht an dem durchschnittlichen Bruttobedarf einer Bedarfsgemeinschaft, sondern am individuelle Bedarf, der anhand der gültigen Regelsätze, ggf. zu gewährender Mehrbedarfszuschläge sowie auf Grundlage der anfallenden Wohnkosten ermittelt wird. Zusätzlich werden vorhandene einsetzungsfähige Vermögenswerte sowie Unterhaltsverpflichtungen Dritter berücksichtigt. Hinzu kommt, daß nach den Ergebnissen der Armutsforschung zwischen Sozialhilfeanspruch und tatsächlicher Inanspruchnahme eine Lücke klafft (Dunkelziffer). Die genaue Größe der Nichtinanspruchnahme von Sozialhilfe kann allerdings anhand der für den Analyseband zur sozialen Lage in Bayern zur Verfügung stehenden Daten nicht berechnet werden. Unabhängig von der absoluten Größe der Armutspopulation in Bayern zeigen die vorgelegten Analysen, daß auch die relative Einkommensarmut einen hochgradigen Risikofaktor darstellt. Überproportional häufig verfügen folgende Haushaltstypen im Freistaat über ein Niedrigeinkommen unterhalb der 50%-Schwelle:

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-

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Arbeitslosenhaushalte (36 %) Haushalte von Alleinerziehenden mit 1 Kind (20 %) oder 2 und mehr Kindern (33 %) sowie Familien mit 3 und mehr Kindern (21 %) Alleinlebende Frauen ab 60 Jahren (13 %) Haushalte mit ausländischer Bezugsperson (18 %)

In der Sozialhilfestatistik schlägt sich dieser Sachverhalt auf der Personenebene entsprechend nieder. Auffällig ist sowohl die auch im Freistaat überproportional ausgeprägte Sozialhilfedichte bei der ausländischen Bevölkerung (46 von 1.000 Personen ausländischer Nationalität), als auch die weitaus überproportionale Betroffenheit von Kindern (39 von 1.000 Kindern unter 15 Jahren). Im Vergleich ergeben sich zwischen den einzelnen bayerischen Regionen abweichende Problemlagen. Eher überproportionale Anteile von Haushalten mit Niedrigeinkommen finden sich in der Oberpfalz, in Niederbayern und in Oberfranken. Bemerkenswerterweise ist die HLU-Dichte in diesen Regionen trotzdem unterdurchschnittlich ausgeprägt. Die größte HLU-Dichte findet sich in Mittelfranken. Die Unterschiede zwischen vorhandenem Niedrigeinkommen und tatsächlichem Sozialhilfebezug hängen zum einen mit dem stärker ausgeprägtem Wohneigentum bzw. vorhandenen Nießbrauchrechten in den eher ländlichen Regionen zusammen, die den Anteil der Sozialhilfebezieher auch unabhängig vom verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen niedriger ausfallen lassen. Zum anderen muß davon ausgegangen werden, daß die Dunkelziffer im ländlichen Raum höher liegt als in städtisch geprägten Gebieten oder Ballungszonen. Tabelle 4-0: Relative Einkommensarmut und Sozialhilfebezug in Bayern im Vergleich 1991-1997 - Privathaushalte in Bayern = 100

”Strenge Armut” 1) (B. u. 40 % des NAE ) ”Niedrigeinkommen” (B. u. 50 % des NAE) ”Armutsnähe” (Von 50 % b. u. 60 % des NAE) 2)

HLU-Bezug _________________

1991

1993

1995

1997

4,1

4,8

5,3

5,8

8,3

8,8

9,3

9,5

5,4

5,1

4,8

4,8

2,0

2,2

2,2

2,5

1) NAE Nettoäquivalenzeinkommen 2) Bedarfsgemeinschaften mit HLU-Bezug in Prozent der Privathaushalte in Bayern (eigene Berechnungen)

Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Sonderauswertung des Mikrozensus Statistisches Bundesamt: Fachserie 13, Reihe 2: Sozialhilfe 1991, 1993 Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: K I 1/j 95/j 97, Die Sozialhilfe in Bayern 1995/1997, Teil 2: Empfänger

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4.

4. Einkommen und Sozialhilfe

Einkommen und Sozialhilfe

Die Höhe des verfügbaren Einkommens bildet unter dem Blickwinkel einer lebenslagenorientierten Sozialberichterstattung eine von verschiedenen zentralen Dimensionen zur Beurteilung des materiellen Lebensniveaus und der verfügbaren Chancen und Handlungsspielräume in der Gesellschaft. Niedrigeinkommen, finanzielle Bedürftigkeit und Abhängigkeit von Sozialhilfe stellen hierbei wichtige Merkmale einer ”prekären Lebenslage” dar.1 Im ersten Teil dieses Kapitels wird vor diesem Hintergrund die Einkommenssituation der Haushalte und Familien in Bayern näher beleuchtet. Ausgehend von einer Darstellung der Schichtung der verfügbaren Einkommen liegt ein Schwerpunkt auf der Abgrenzung von Teilgruppen mit Niedrigeinkommen (relative Einkommensarmut). Im Anschluß daran wird im zweiten Teil des Kapitels die Gruppe der Bezieher von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (außerhalb von Einrichtungen) nach dem Bundessozialhilfegesetz (bekämpfte Armut) hinsichtlich ihrer charakteristischen Strukturmerkmale analysiert.

4.1

Einkommen

4.1.1 Einkommenssituation privater Haushalte Die Untersuchungen zur Einkommenssituation für den Analyseband zur sozialen Lage in Bayern stützen sich auf die Höhe und Verteilung der Haushaltsnettoeinkommen verschiedener Haushaltstypen (haushaltsbezogene Betrachtungsweise). Als Datenquelle wird auf eine speziell für diesen Zweck erstellte Sonderauswertung des Mikrozensus 1997 durch das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung sowie entsprechende Auswertungen des Mikrozensus 1997 für die alten Bundesländer zurückgegriffen. Im Rahmen des Mikrozensus werden die verfügbaren Haushalts- bzw. Familiennettoeinkommen differenziert erfaßt. Allerdings weist der Mikrozensus nicht unerhebliche methodische Probleme auf. So ist es z.B. aufgrund der ausschließlichen Erhebung von Einkommensgrößenklassen nicht möglich, Durchschnittswerte zu berechnen. Hinzu kommt, daß für Haushalte von Landwirten generell keine Angaben zum Nettoeinkommen erhoben werden. Schließlich wird in der Literatur (Hauser u.a. 1986; Hanesch/Bäcker 1993) darauf hingewiesen, daß im Mikrozensus die Einkommen der Tendenz nach zu niedrig ausgewiesen werden. 2 Da eine alternative, zeitnahe und validere Einkommensstatistik, die kleinräumige Analysen im regionalen Maßstab ermöglichen würde, jedoch nicht verfügbar ist, müssen die genannten Probleme zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Kauf genommen werden. 1

2

Zum theoretischen Rahmen und zur Rolle der Dimension ”Einkommen” im Lebenslagenansatz vgl. Kapitel 1. Als alternative Datenquelle käme grundsätzlich das Sozio-ökonomische Panel in Frage. Die Datenqualität dieser kontinuierlichen Repräsentativerhebung ist zwar weitgehend anerkannt, aufgrund der Fallzahlen sind regionalisierte, kleinräumige Analysen jedoch nicht möglich. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes liegt zur Zeit erst für das Jahr 1993 vor und ist damit im Vergleich zum Mikrozensus nicht aktuell genug. Hinzu kommen Mängel, etwa in Gestalt bestimmter im Rahmen der EVS nicht verfügbarer Variablen, z. B. zur sozio-ökonomischen Struktur des Haushalts. Eine echte Alternative kann von daher nur darin bestehen, im Zuge einer institutionalisierten Sozialberichterstattung eine eigene, lebenslagenorientierte Repräsentativerhebung durchzuführen, mit der die vorhandenen Datenlücken geschlossen werden können.

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Eine Ergänzung zum Mikrozensus stellt einzig die für den Bereich der Einkommen im Alter im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1995 bereits zum dritten Mal durchgeführte Infratest-Repräsentativerhebung ”Alterssicherung in Deutschland 1995” (ASID ’95) dar. Im Unterschied zu den üblichen Rentenstatistiken, die sich ausschließlich auf die einzelnen Alterssicherungssysteme, wie z. B. die gesetzliche Rentenversicherung (GRV), beziehen, werden in der ASID alle verfügbaren Einkommen der Bevölkerung ab 55 Jahren auf Personen- und Ehepaarebene erhoben Dadurch können die Gesamteinkommen repräsentativ abgebildet werden. Die Mikrozensus-Ergebnisse zur Einkommenssituation der Gesamtbevölkerung werden deshalb für den Analyseband zur sozialen Lage in Bayern durch eine Zusatzanalyse der Einkommenssituation älterer Menschen auf der Grundlage der ASID ‘95 ergänzt und weiter differenziert.3 Untersucht man anhand des Mikrozensus 1997 die Verteilung der Haushaltsnettoeinkommen, so zeigen die in Tab. 4-1 dargestellten Gesamtergebnisse, daß die Haushalte in Bayern im Vergleich zu den alten Bundesländern im Schnitt über ein etwas höheres Nettoeinkommen verfügen. Es fällt auf, daß insbesondere der Bereich der gehobenen und höheren Einkommen insbesondere bei Mehr-Personen-Haushalten durchgängig stärker besetzt ist. Insgesamt verfügen in Bayern 18% der 1-Personen-Haushalte gegenüber 17% in den alten Bundesländern über 3.000 DM oder mehr, bzw. 24% der 2-Personen-Haushalte gegenüber 22%, 37% der 3-Personen-Haushalte gegenüber 33% sowie 45% der Haushalte mit 4 und mehr Personen gegenüber 39% über 5.000 DM und mehr im Monat. Bei den niedrigeren Einkommen sind demgegenüber etwas geringere Unterschiede und zum Teil gegenläufige Tendenzen erkennbar. So verfügt in Bayern mit 12% ein geringfügig größerer Anteil der 1-Personen-Haushalte im Vergleich zu 11% in den alten Bundesländern über weniger als 1.000 DM im Monat. Während der Anteil bei den 2-PersonenHaushalten mit jeweils 8% mit unter 1.800 DM im Monat ausgeglichen ist, läßt sich für größere Haushalte in Bayern umgekehrt ein etwas kleinerer Anteil mit niedrigeren Einkommen feststellen. Bei den 3-Personen-Haushalten realisieren 10% im Vergleich zu 12% weniger als 2.500 DM bzw. bei den 4-und-mehr-Personen-Haushalten 10% im Vergleich zu immerhin 15% in den alten Bundesländern weniger als 3.000 DM Nettoeinkommen.

3

Die Sekundärauswertung der Ergebnisse der ASID ’95 wurde aufgrund der Zustimmung des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) möglich, dem an dieser Stelle für seine Kooperationsbereitschaft noch einmal gedankt werden soll.

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Tabelle 4-1: Schichtung der Nettoeinkommen privater Haushalte in Bayern 1997 und in den alten Bundesländen nach der Haushaltsgröße im Vergleich - Privathaushalte = 100

Insgesamt

1-Pers. Haush.

2-Pers. Haush.

3-Pers. Haush.

4 u.m. Pers. Hh.

4,7 12,3 16,0 9,8 17,8 14,0 22,9

11,8 26,9 29,3 12,1 10,6 4,2 3,6

1,2 7,2 13,6 11,7 22,6 17,8 24,2

0,8 2,9 6,2 6,9 22,5 21,2 36,6

0,1 1,3 3,2 5,6 20,2 19,1 45,3

2,3

1,2

1,6

2,9

5,3

4,8 12,9 16,9 10,3 17,5 13,0 19,6

11,3 27,0 28,9 11,8 9,7 3,7 3,2

1,5 6,8 14,0 11,4 22,9 17,2 21,7

0,9 3,8 7,2 7,8 21,0 20,1 33,4

0,3 2,1 5,1 7,1 21,3 18,6 39,1

5,0

4,4

4,5

5,8

6,4

Bayern b.u. 1.000 DM 1.000 b.u. 1.800 DM 1.800 b.u. 2.500 DM 2.500 b.u. 3.000 DM 3.000 b.u. 4.000 DM 4.000 b.u. 5.000 DM 5.000 DM und mehr Landwirte/mithelfende Angehörige/ohne Angabe

Alte Bundesländer b.u. 1.000 DM 1.000 b.u. 1.800 DM 1.800 b.u. 2.500 DM 2.500 b.u. 3.000 DM 3.000 b.u. 4.000 DM 4.000 b.u. 5.000 DM 5.000 DM und mehr Landwirte/mithelfende Angehörige/ohne Angabe

Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Sonderauswertung des Mikrozensus 1997 Statistisches Bundesamt: Mikrozensus 1997

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4.1.2 Einkommensarmut als Risikolage Im Kontext von lebenslagenorientierten Einkommensanalysen wird zur Abgrenzung von einkommensschwachen Haushalten in der Regel auf ein relatives Bestimmungsmaß zurückgegriffen (vgl. Hauser/Hübinger 1993; Hübinger 1996). Gemessen wird der Anteil, den ein bestimmter Haushaltstyp in Abhängigkeit von der Zahl und dem Alter der Personen, die in ihm gemeinsam wirtschaften, am nationalen Durchschnittseinkommen erzielt. Wird eine bestimmte Grenze, z.B. 50% des durchschnittlichen Nettoeinkommens, unterschritten, liegt relative Einkommensarmut vor. Das Wohlstandsniveau einer Gesellschaft wird damit als Maß zur Beurteilung von Niedrigeinkommen herangezogen. In der fachlichen Diskussion wird allerdings darauf verwiesen, daß relative Armutsschwellen keine existenzbedrohende physiche Armut abbilden können, da bei diesem Vorgehen in einem reichen Land mit hohem Durchschnittseinkommen möglicherweise Personen oder Haushalte, die unterhalb der definierten relativen Einkommensschwelle liegen, als ”arm” bezeichnet werden, obgleich deren materiellen Subsistenzbedingungen mehr als hinreichend gesichert sind. Ein derartiger relativer Armutsbegriff kann deshalb auch nicht mit einer absoluten Armut bzw. einem Existenzminimum gleichgesetzt werden. Er dient vielmehr vorrangig dazu, Einkommensverteilungen relativ zwischen verschiedenen Gruppen oder Regionen in Abhängigkeit vom jeweiligen Gesamtniveau zu vergleichen. Eine quantifizierte fixe Armutsgrenze, definiert in DM/Monat, basiert dagegen in der Regel auf dem statistisch erfaßten tatsächlichem Verbrauchsverhalten. Berücksichtigt werden dabei diejenigen Güter und Dienstleistungen, die die gesellschaftlich und politisch gewünschte Mindestversorgung von Personen und Haushalten sicherstellen soll. Auf diesem Grundprinzip beruht die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die altersspezifischen Regelsätze sollen den Mindestbedarf abdecken, weiterhin werden die effektiven Wohnkosten, d. h. Kaltmiete sowie Heiz- und Nebenkosten bzw. die entsprechenden Kosten der Wohnungseigentümer, und ggf. die Kosten für freiwillige Alterssicherungs- und Krankenversicherungsbeiträge übernommen. Bestimmte Personengruppen, u. a. Alleinerziehende und Personen ab 65 Jahren, haben ferner Anspruch auf Mehrbedarfszuschläge. Dieses gesellschaftliche Existenzminimum kann somit als quasi amtliche Armutsgrenze interpretiert werden. In Anbetracht der auch bei Haushalten gleicher Größe deutlich variierenden Wohnkosten - man denke etwa an die unterschiedliche Belastung von Mietern und Eigentümern und die Mietunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen Bayerns - weichen die haushaltsindividuellen Sozialhilfeschwellen markant voneinander ab. Relative Armutsgrenzen sind dagegen für Haushalts gleichen Typs identisch. Der Bezug von Sozialhilfe wird in der Literatur als bekämpfte Armut bezeichnet. Eine extreme Ausprägung der absoluten Armutsgrenze ist das sogenannte physische Existenzminimum. Es umfaßt diejenigen Güter und Dienstleistungen, die zur Aufrechterhaltung der physischen Existenz, d. h. der Sicherung des Überlebens, erforderlich sind. Einzubeziehen sind neben einer bestimmten Nahrungsmenge (Kalorien) und -qualität (u.a. Vitamine) eine Mindestversorgung mit Wohnraum sowie eine gesundheitliche Grundversorgung. Es ist unstrittig, daß eine solchermaßen definierte Armutsgrenze nicht Leitlinie der deutschen Sozialpolitik sein kann. Selbst dieses physische Existenzminimum ist letztlich, zumindest im internationalen Maßstab, ein relatives Maß. Zum einen spielt das jeweilige Preisniveau eine Rolle. So mag es zwar in einigen Entwicklungsländern möglich sein, eine Person für einen Dollar pro Tag auf Dauer und umfassend zu versorgen. In den Industrieländern liegt der Betrag nicht unwesentlich höher. Zum anderen treten einzelne Be-

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4. Einkommen und Sozialhilfe

darfe, wie z. B. Heizkosten, in unterschiedlichen Weltregionen in sehr verschiedener Höhe auf. In der europäischen Union hat sich als relatives Armutsmaß eine Einkommensgrenze in Höhe von 50% des Nettoäquivalenzeinkommens als Konvention durchgesetzt. Darüber hinaus wird ein Schwellenwert von 40% des Nettoäquivalenzeinkommens als ”strenge Armutsgrenze” bzw. ein Wertebereich von 50% bis unter 60% als Grenze für die ”armutsnahe Population” zum Vergleich ausgewiesen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1981 und 1991). Als Nettoäquivalenzeinkommen (NAE) wird das Einkommen verstanden, das unter Verbrauchsgesichtspunkten betrachtet einem Haushalt zur Verfügung steht. Der Terminus ”Verbrauchsgesichtspunkt” berücksichtigt die Tatsache, daß mehrere Personen in einem Haushalt in der Regel günstiger wirtschaften können, als die gleiche Zahl von Personen in Einzelhaushalten. Die Berechnung des Nettoäquivalenzeinkommens erfolgt im Rahmen der Analyse anhand von sogenannten Verbrauchereinheiten, die den Haushalt je nach Größe und Zusammensetzung charakterisieren. Das Statistische Bundesamt hat zuletzt für das Jahr 1996 entsprechende Verbrauchereinheiten veröffentlicht (Statistisches Bundesamt 1998), auf die sich die Abgrenzun4 gen stützen. In Tab. 4-2 sind die Ergebnisse zur Berechnung des Nettoäquivalenzeinkommens für verschiedene Haushaltsgrößenklassen zusammengefaßt. Da sich auf Basis des Mikrozensus keine Durchschnittswerte zur Einkommenshöhe berechnen lassen, wurde alternativ auf die veröffentlichten Angaben zur Höhe des Nettoäquivalenzeinkommens aus dem Sozioökonomischen Panel zurückgegriffen. Insgesamt läßt sich für die alten Bundesländer für das Jahr 1997 ein Durchschnittsäquivalenzeinkommen von pro Kopf 1.916 DM errechnen (DIW 1998). Überträgt man diese Angabe unter Berücksichtigung der Verbrauchereinheiten, die einen Haushalt charakterisieren, so läßt sich für jeden Haushaltstyp ein vergleichbares Nettoäquivalenzeinkommen berechnen. Anders formuliert: Ein Einkommen von 1.916 DM in einem 1-Personen-Haushalt entspricht unter Verbrauchsgesichtspunkten in den alten Bundesländern einem Einkommen von 3.238 DM in 2-Personen-Haushalten, einem Einkommen von 4.426 DM in einem 3-Personen-Haushalt und einem Einkommen von 5.480 DM in einem 4-Personen-Haushalt.5

4

5

Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Bezugsjahr 1996) entspricht der Verbrauch eines 2-Personen-Haushaltes gegenüber einem 1-Personen-Haushalt nicht dem Faktor 2, sondern wird mit dem Faktor 1,69 bewertet. Analog wird ein 3-Personen-Haushalt mit dem Faktor 2,31, ein 4-Personen-Haushalt mit dem Faktor 2,86 und ein 5-Personen-Haushalt mit dem Faktor 3,67 gewichtet. Eine an sich wünschenswerte ”Feinermittlung” des tatsächlichen Verbrauchs, etwa durch getrennte Berücksichtigung der Miet- oder sonstiger administrierter Kosten bzw. eine Differenzierung nicht allein nach der Größe des Haushalts, sondern nach der Art der Wohn- und Lebensform (Alter, Familienform, Zahl der Erwerbstätigen etc.) ist auf Basis der herangezogenen Mikrozensusdaten nicht möglich. Die vorgelegte Analyse muß sich deshalb auf die vom Statistischen Bundesamt im Rahmen der volkswirschaftlichen Gesamtrechnung empirisch ermittelten Durchschnittsangaben für die genannten Haushaltstypen beschränken und mögliche Unschärfen in Kauf nehmen. Vgl.: Statistisches Bundesamt: Verfügbare Einkommen, Zahl der Haushalte und Haushaltsmitglieder nach Haushaltsgruppen. Wiesbaden 1998 (Sonderveröffentlichung) Haushalte ohne Angaben zum Nettoeinkommen können im Rahmen der Modellrechnung nicht berücksichtigt werden.

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4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-2: Durchschnittliches Nettoäquivalenzeinkommen1) und davon abgeleitete Einkommensniveaugrenzen2) in Abhängigkeit von der Größe des Haushalts 1997 - Grenzwerte in DM (alte Bundesländer) 1-Pers. Haush.

2-Pers. Haush.

3-Pers. Haush.

4-Pers. Haush.

1.916

3.238

4.426

5.480

b. u.

958

1.619

2.213

2.740

Untere bis mittlere Einkommen (50 b.u. 100% des NAE)

von ... b. u.

1.916

3.238

4.426

5.480

Mittlere bis gehobene Einkommen (100 b. u. 150% des NAE)

von ... b. u.

2.874

4.857

6.639

8.220

2.874 u. mehr

4.857 u. mehr

6.639 u. mehr

8.220 u. mehr

Nettoäquivalenzeinkommen (NAE) Gruppierung Niedrigeinkommen (weniger als 50% des NAE)

Höhere Einkommen (150% und mehr des NAE) (nachrichtlich) ”Strenge” Armutsgrenze (weniger als 40% des NAE)

b. u.

766

1.295

1.770

2.192

”Relative Einkommensarmut” (weniger als 50% des NAE)

b. u.

958

1.619

2.213

2.740

”armutsnahe” Population (50% bis unter 60% des NAE)

von ... b.u.

1.150

1.943

2.656

3.288

1.022

1.499

1.867

2.189

1.186

1.739

2.166

2.539

Ausgewiesener durchschnittlicher monatlicher Bruttobedarf nach dem BSHG3) zzgl. einmalige Leistungen (geschätzt)4) _________________

1) Sozio-ökonomisches Panel (1997) 2) eigene Berechnungen gemäß Angaben des Statistischen Bundesamts zu den Verbrauchereinheiten nach Haushaltsgröße (Wiesbaden, September 1994) 3) Empirisch im Rahmen der Sozialhilfestatistik ermittelte und ausgewiesene Durchschnittswerte über alle HLU-Bezieher, bestehend aus dem Regelbedarf, Mehrbedarfszuschlägen, Wohnkosten sowie ggf. vorhandener freiwilliger Alterssicherungs- oder Krankenversicherungsbeiträge. Vgl. dazu im folgenden auch die Tabelle 4-15 in Kapitel 4.2, die noch weitere Differenzierungen nach der Familienform enthält. 4) Rund 16% der Zuwendungen für Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt werden lt. Sozialhilfestatistik als einmalige Leistungen gemäß § 21 BSHG vergeben. Eine Differenzierung des Anteils nach der Größe des Haushalts liegt für HLU-Bezieher leider nicht vor. Die hier vorgenommene Erhöhung des Bruttobedarfs um jeweils 16% dürfte jedoch, da ein nicht unerheblicher Teil der einmaligen Leistungen speziell für im Haushalt lebende Kinder vergeben wird, eher zu einer Überschätzung des Betrags bei 1- 2-PersonenHaushalten bzw. einer entsprechenden Unterschätzung bei 3- 4-Personen-Haushalten führen. Quelle: DIW- Projektgruppe ”Das Sozio-ökonomische Panel”, unveröff. Arbeitsmaterialien Statistisches Bundesamt: Verfügbares Einkommen, Zahl der Haushalte und Haushaltsmitglieder nach Haushaltsgruppen, Wiesbaden 1998 Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Sonderauswertung des Mikrozensus Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger, unveröffentlichte Arbeitstabellen

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Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

In Anlehnung an die bereits erwähnten EU-Richtlinie werden für den Analyseband zur sozialen Lage in Bayern Haushalte mit Niedrigeinkommen als Haushalte mit weniger als 50% des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens (NAE) abgegrenzt. Analog lassen sich Haushalte mit unteren bis mittleren Einkommen (50% bis unter 100% des NAE), mittleren bis gehobenen Einkommen (100% bis unter 150% des NAE) sowie Haushalte mit höheren Einkommen (150% und mehr des NAE) darstellen. Interessanterweise entsprechen die in Tab. 4-2 dargestellten Einkommensgrenzen in Höhe von 958 DM für 1-Personen-Haushalte sowie 1.619 DM für 2-Personen-Haushalte, 2.213 DM für 3-Personen-Haushalte und 2.740 DM für 4-Personen-Haushalte in etwa dem durchschnittlichen Bruttobedarf der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich der einmaligen Leistungen gemäß § 21 BSHG, die hier mangels verfügbarer Daten allerdings nur als Schätzwert hinzugerechnet werden können. Die vorhandenen Abweichungen sollten vor diesem Hintergrund nicht überbewertet werden. Sie ergeben sich zum großen Teil dadurch, daß hier für alle Haushaltstypen der gleiche Anteilswert für einmalige Leistungen hinzugerechnet werden mußte, was jedoch, da ein nicht unerheblicher Teil dieser Leistungen z. B. den spezifischen Bedarf von Kindern abdecken soll, kaum der empirischen Realität entsprechen dürfte.6 Der hier gezogene Vergleich hat einzig und allein die Funktion zu zeigen, daß die definierte 50%-Einkommensschwelle keine beliebig gegriffene Größe darstellt, sondern in der empirischen Wirklichkeit ein Partizipationsniveau abbildet, das der Höhe nach mit den im BSHG definierten durchschnittlichen Mindestbedarfsgrößen kompatibel ist. Inwieweit die genannten Größenordnungen auch im Einzelfall angemessen sind oder aber weiter differenziert werden müssen (individueller Bedarf und Lohnabstandsgebot), kann anhand dieser statistischen Durchschnittsgrößen im einzelnen nicht weiter beurteilt werden.

6

Laut Sozialhilfestatistik werden rund 16% der Ausgaben für Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU-Empfänger) im Jahresverlauf als einmalige Leistungen vergeben. Leider liegen keine aktuellen Informationen über die Anteilswerte differenziert nach den einzelnen Haushaltstypen vor. Es ist jedoch davon auszugehen, daß 1- oder auch 2-Personen-Haushalte im Vergleich zu größeren Haushalten in etwas geringerem Maße einmalige Leistungen beziehen, da diese Zuwendungen in nicht unerheblichem Maße z. B. den spezifischen Bedarf von Kindern, etwa im Bereich der Kleidung, für im Rahmen der Ausbildung (Schule) entstehende Kosten etc. abdecken.

73

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.1.3 Steigende Zahl und Anteile der Haushalte unterhalb der relativen Armutsschwellen Insgesamt finden sich im Freistaat im Jahr 1997 mit 9,5% rund 500 Tsd. Haushalte, die Niedrigeinkommen unterhalb der 50%-Einkommensschwelle aufweisen (Abb. 4-1). Als ”armutsnah” mit einen Einkommen zwischen 50- und 60% des Nettoäquivalenzeinkommens ist in diesem Sinne die Lebenslage von weiteren 4,9% bzw. rund 260 Tsd. Haushalten zu bezeichnen. 5,4% bzw. rund 290 Tsd. Haushalte verfügen über ein Einkommen unterhalb der 40%-Schwelle (”strenge Armut”). Im Vergleich hierzu fallen die Anteile einkommensarmer Haushalte in den alten Bundesländern mit 10,6% unterhalb der 50%-Schwelle und 6,3% unterhalb der 40%-Schwelle allerdings durchweg höher aus. Trotzdem gilt, daß der Anteil der Haushalte mit einem Einkommen, das wenig Spielraum zur Prävention und Eigenvorsorge bzw. zur Abfederung von sich ergebenden neuen Belastungen läßt, auch im Freistaat nicht unerheblich groß ist. Beim Eintritt entsprechender Ereignisse (Arbeitslosigkeit, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder familiären Veränderungen) kann leicht eine Sozialhilfeabhängigkeit oder Überschuldungsproblematik die Folge sein. Die drei präsentierten Schwellenwerte zeigen, daß sich die Zahl und der Anteil der betroffenen Haushalte sehr schnell erhöht. Der Begriff ”Armutsnähe”, mit der die ”60%Schwelle” umschrieben wird, markiert diese Problematik. Analysen zu Armut und Unterversorgung sollten deshalb nicht auf die Gruppe der Haushalte, deren Einkommen bereits unterhalb des gesellschaftlichen Existenzminimums liegt, beschränkt bleiben, sondern auch das Vorfeld als Risikodimension einbeziehen.

Abbildung 4-1: Relative Einkommensarmut in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 - Anteile der Privathaushalte unterhalb der gängigen Einkommensschwellen Privathaushalte mit Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen = 100

"Strenge Armut" (40%-Schwelle)

5,8 6,3

9,5

"Einkommensarmut" (50%-Schwelle)

"Armutsnähe" (60%Schwelle)

10,6

4,8 5,8 40 %

West

Bayern

Mikrozensus 1997; eigene Berechnungen

74

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Im Zeitverlauf betrachtet hat sich der Anteil der einkommensschwachen Haushalte unterhalb der 50%-Einkommensschwelle insgesamt kontinuierlich erhöht.7 Die bereits angesprochenen Niveauunterschiede zwischen Bayern und den alten Bundesländern bleiben auch im Zeitverlauf in etwa ähnlich ausgeprägt.

Abbildung 4-2: Entwicklung der Anteile einkommensarmer Haushalte in Bayern und in den alten Bundesländern 1991 / 1995 / 1997 40 %

Privathaushalte mit Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen = 100

9,0

8,3

10,1

1991

9,3

1995 West

10,6

9,5

1997 Bayern

Weniger als 50% des Nettoäquivalenzeinkommens Mikrozensus 1997; eigene Berechnungen

7

Die Angaben zur Einkommensarmut im Sozio-ökonomischen Panel sind demgegenüber für die alten Bundesländer mit 10% für das Jahr 1991, 11,1% für das Jahr 1994 und 13% - bei Berücksichtigung der aktuellen Zuwanderungen - für das Jahr 1995 höher. Vergleichbare Angaben für den Freistaat werden aufgrund der begrenzten Fallzahlen nicht ausgewiesen. Da die von uns auf Grundlage des Mikrozensus berechneten Ergebnisse methodisch weniger valide sind, da generell keine Haushalte von Landwirten erfaßt, und die nur in Größenklassen vorliegenden Einkommensangaben auf die jeweiligen Schwellenwerte umgerechnet werden mußten, spricht dies eher für eine tendenzielle Unterschätzung des Ausmaßes der Einkommensarmut. Der in der Literatur (s. o.) benannte Effekt einer Unterschätzung der vorhandenen Haushaltsnettoeinkommen schlägt sich demnach in diesem Fall offenbar weniger stark nieder. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Datenreport 1997, Bonn 1997, S. 518

75

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.1.4 Einkommensdisparitäten in Abhängigkeit von der Stellung im Erwerbsleben Bei einer Gesamtanalyse der Einkommensniveaus privater Haushalte zeigen sich auch innerhalb Bayerns bemerkenswerte Einkommensunterschiede, die vor allem dem jeweiligen Erwerbsstatus und der Stellung im Beruf der Haushaltsbezugsperson geschuldet sind.8 Von grundsätzlicher Bedeutung ist der hochgradig stratifizierende Tatbestand, inwieweit die Haushaltsbezugsperson einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Differenziert nach dem Erwerbsstatus ergibt sich, daß Arbeitslosenhaushalte mit einem Anteil von 36% in Bayern bzw. 40% in den alten Bundesländern zusammen mit den hier als “Sonstige-Nichterwerbspersonenhaushalte” (inkl. Schüler/Studenten, ohne Rentner/ Pensionäre) bezeichneten Gruppe diejenigen darstellen, die relativ betrachtet am häufigsten Niedrigeinkommen unterhalb der 50%-Einkommensschwelle beziehen (Tab. 4-3). Sie bilden das klassische Armutsklientel.

Tabelle 4-3: Einkommenssituation von Haushalten in Bayern und in den alten Bundesländern nach der beruflichen Stellung der Bezugsperson 1997 - Privathaushalte1) nach beruflicher Stellung der Bezugsperson = 100 Einkommensniveau2) Mittlere Gehobene Einkommen Einkommen

Niedrigeinkommen

Höhere Einkommen

By

aBL

By

aBL

By

aBL

By

aBL

Haushalte insgesamt

9,5

10,6

38,0

38,7

32,0

31,6

20,5

19,1

Arbeiterhaushalte Angestelltenhaushalte Beamtenhaushalte Haushalte von Selbständigen (ohne Mitarbeiter) Haushalte von Selbständigen (mit weiteren Mitarbeitern)

8,8 4,2 1,3

10,4 4,5 1,8

47,4 27,8 27,1

46,8 28,4 25,5

35,2 36,5 33,7

34,0 36,9 33,6

8,6 31,5 37,9

8,8 30,3 39,1

5,3

8,4

24,5

27,7

26,1

27,6

44,1

36,3

1,5

3,1

20,8

17,9

30,5

26,9

47,2

52,2

Arbeitslosenhaushalte 35,6 Rentner-/Pensionärshaushalte 10,6 Sonst. Nicht-Erwerbspersonenhaush. 47,3 _________________

40,3 10,6 41,4

45,3 44,4 39,0

44,6 45,1 42,2

15,5 31,7 10,1

12,4 31,9 11,4

3,6 13,3 3,6

2,8 12,3 5,1

1) Mit gültigen Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen 2) Gruppierung: Weniger als 50%, 50 - u. 100%, 100 - u. 150%, 150% und mehr des Nettoäquivalenzeinkommens (1.916 DM)

Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Sonderauswertung des Mikrozensus

8

Auch wenn der Mikrozensus nicht mehr explizit einen ”Haushaltsvorstand” abgrenzt, handelt es sich hierbei in aller Regel nach wie vor um die Person, die den größten Anteil zum Haushaltsnettoeinkommen beisteuert.

76

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Im Vergleich dazu sind Beamtenhaushalte in Bayern mit einem Anteil von 1% bzw. Haushalte von Selbständigen, je nachdem, ob sie als Gewerbetreibende über Beschäftigte verfügen oder allein tätig sind, mit 2% bzw. 5% deutlich unterproportional von Einkommensarmut betroffen. Klassische Arbeiterhaushalte weisen demgegenüber mit rund 9% ein durchschnittliches Armutsrisiko auf, während Rentnerhaushalte mit rund 11% nur leicht überproportional betroffen sind. Ähnliche Verteilungen finden sich auch in den alten Bundesländern insgesamt. Entsprechend spiegelbildlich stellt sich der Anteil der Haushalte mit höheren Einkommen mit 150% und mehr des Nettoäquivalenzeinkommens dar. Mit 47% in Bayern und 52% in den alten Bundesländern insgesamt gehört gut jeder zweite Haushalt von selbständigen Gewerbetreibenden mit einem oder mehreren Mitarbeitern zu dieser Gruppe. Ähnlich hoch ausgeprägt ist mit 44% bzw. 36% der Anteil der Bezieher höherer Einkommen bei Haushalten von selbständigen Gewerbetreibenden ohne Mitarbeiter. Arbeiterhaushalte beziehen mit einem Anteil von jeweils 9% hingegen nur zu einer kleine Minderheit höhere Einkommen. Fast jeder zweite Haushalt liegt hier im Bereich der unteren bis mittleren Einkommen (50 bis unter 100% des Nettoäquivalenzeinkommens). Angestelltenhaushalte finden sich mehrheitlich, genau wie immerhin fast jeder zweite Rentner- und Pensionärshaushalt, im Bereich der gehobenen und zum Teil auch höheren Einkommen. Eine Differenzierung nach dem Alter zeigt, daß in Bayern mit 29% im Vergleich zu 33% in den alten Bundesländern ein überproportional großer Teil der Haushalte von Bezugspersonen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren Niedrigeinkommen bezieht.

Abbildung 4-3: Anteil der einkommensarmen Haushalte in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 - nach dem Alter der Bezugsperson 40%

Privathaushalte mit Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen = 100 32,7 29,4

15,3 12,1

8,9 6,7 6,7

18-24

25-34

35-54

West

Bayern

Weniger als 50% des Nettoäquivalenzeinkommens Mikrozensus 1997; eigene Berechnungen

77

7,5

9,2

6,3

55-64

65 und älter

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Der überproportional hohe Wert bei den 18- bis 24jährigen hängt mit dem in dieser Gruppe vorhandenen hohen Anteil von Studenten oder Auszubildenden zusammen, die - selbst wenn sie ihre Ausbildung gerade abgeschlossen haben - häufig noch auf der Suche nach einer adäquaten Beschäftigung sind bzw. erst niedrige Einkommen beziehen. Bei den 25- bis 34jährigen beträgt der Anteil in Bayern 15%, während 35-54jährige mit rund 9% sowie 55- bis 64jährige mit 7% eher unterproportional betroffen sind. Der Anteil von etwa 10% bei den 65jährigen und älteren entspricht ungefähr dem für Rentner- und Pensionärshaushalte insgesamt (inklusive Frührenter) ausgewiesenen Ergebnis. Ein Blick auf die Einkommenssituation in Abhängigkeit von der Nationalität schließlich zeigt, daß Haushalte mit deutscher Bezugsperson mit jeweils 9% in Bayern und in den alten Bundesländern unterdurchschnittlich häufig im Vergleich zu 18% in Bayern und sogar 27% der Haushalte mit ausländischer Bezugsperson in den alten Bundesländern von Niedrigeinkommen betroffen sind. Die Hauptursachen hierfür sind die bei Ausländerhaushalten in der Regel größere Zahl von Kindern oder von sonstigen nicht erwerbstätigen Personen im Haushalt, sowie die im Vergleich geringere berufliche Qualifikation.

Abbildung 4-4: Anteil der einkommensarmen Haushalte nach der Nationalität der Bezugsperson in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 Privathaushalte mit Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen = 100

40%

27,1

17,8 10,6

9,5

Insgesamt

9,1

8,7

Deutsche

West

Bayern

Weniger als 50% des Nettoäquivalenzeinkommens Mikrozensus 1997; eigene Berechnungen

78

Ausländer

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.1.5 Kinderreichtum als ”neues” Armutsrisiko Betrachtet man anstatt der Privathaushalte insgesamt die jeweiligen Familienformen (Ehepaare und Alleinstehende mit Kindern sowie sonstige Alleinstehende in Privathaushalten)9 so zeigt sich, daß der durchschnittliche Anteil von 9,5% Familien und Alleinstehenden mit Niedrigeinkommen auch in Bayern über die tatsächliche Risikoverteilung nur sehr wenig aussagt. Aus Tab. 4-4 ist ersichtlich, daß das Armutsrisiko fast schon linear mit der Anzahl der Kinder im Haushalt zunimmt. Mit einem Anteil von 33% in Bayern und 38% in den alten Ländern sind vor allem Alleinerziehende mit zwei und mehr Kindern bzw. rund 20% ebenfalls Alleinerziehende mit einem Kind überproportional häufig von Armut betroffen. Bemerkenswerterweise liegt die Niedrigeinkommensquote auch bei Ehepaaren mit drei und mehr Kindern mit 21% in Bayern bzw. 24% in den alten Bundesländern sehr hoch. Das geringste Armutsrisiko weisen demgegenüber Ehepaare ohne bzw. mit nur einem Kind auf. Im Vergleich dazu entspricht der Anteil einkommensarmer Haushalte bei Alleinlebenden unter 60 Jahren in etwa den durchschnittlichen Ausprägungen. Im Vergleich dazu findet sich bei alleinlebenden Frauen im Alter ab 60 Jahren mit 13% in Bayern eine etwas größere Niedrigeinkommensquote, während der Anteil bei alleinlebenden Männern ab 60 Jahren mit 8% eher geringer ausgeprägt ist. Alleinlebende Männer im Alter bis 59 Jahre (”Singles”) verfügen hingegen mit 33% in Bayern und ebenfalls 30% in den alten Bundesländern genau wie auch alleinlebende Männer ab 60 Jahren mit jeweils 25% sowie Ehepaare ohne Kinder mit gut 26% in Bayern und in den alten Bundesländern überproportional häufig über höhere Einkommen. Bewertet man die Ergebnisse im Zusammenhang, so zeigt sich, daß trotz des insgesamt hohen durchschnittlichen Einkommensniveaus sowohl in Bayern als auch in den alten Bundesländern die klassischen Arbeitsmarktrisiken unserer Gesellschaft auf der einen Seite sowie die familiäre Lebenssituation mit oder ohne Kinder auf der anderen Seite zu nicht unerheblichen sozialen Disparitäten und Unterversorgungslagen führen. Der Befund des relativ hohen Anteils von Einkommensarmut bei Alleinerziehenden und kinderreichen Familien deutet auf einen dringlichen Handlungsbedarf hin. ”Kinderreichtum” ist auch in Bayern zentrales Armutsrisiko! Daß ein höheres Einkommen vorrangig von alleinlebenden Männern bzw. Ehepaaren ohne Kindern realisiert werden kann, während Alleinerziehende bzw. Ehepaare mit drei oder mehr Kindern typischerweise im unteren Einkommensbereich bzw. in der Gruppe der Einkommensarmen anzusiedeln sind, steht für eine Verteilung von Lebenschancen, die kaum als ”zukunftsorientiert” zu bezeichnen ist. Die bisher auf Grundlage des Mikrozensus präsentierten Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß sich trotz zunehmenden Wohlstands auch in Bayern soziale Disparitäten tendenziell weiter vertiefen. Hierfür spricht die dargestellte markant unterschiedliche Risikoverteilung bei verschiede9

Gemäß der vom Statistischen Bundesamt zugrunde gelegten EU-Konvention werden als Familien nur diejenigen Haushaltsmitglieder bezeichnet, die als Ehepaare oder als Alleinstehende mit Kindern leben. Sonstige Personen innerhalb der Haushalte oder in 1-Personen-Haushalten gelten als Alleinstehende. Die ausgewiesene Zahl der Familien und Alleinstehenden stimmt deshalb auch nicht mit der Absolutzahl der Privathaushalte überein. Da für die Familiengruppierung ebenfalls ein Familiennettoeinkommen ausgewiesen wird, läßt sich das Einkommensniveau trotzdem analog bestimmen, wobei es hinsichtlich der Einkommensniveaugruppierung zu leichten Abweichungen gegenüber der bisher gewählten Abgrenzung nach Privathaushalten kommt (vgl. dazu Tab. 4-3 und 4-4), die aufgrund ihrer geringen Ausprägung für die Analyse jedoch zu vernachlässigen sind.

79

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

nen sozialen Gruppen, die auf die griffige Formel ”Armut im Wohlstand” (Döring u.a. 1990) gebracht werden kann.

Tabelle 4-4: Einkommenssituation von Ehepaaren, Alleinerziehenden und Alleinlebenden in Bayern und in den alten Bundesländern 1997 - Familienformen1) bzw. Alleinlebende2) und sonstige Alleinstehende3)= 100 Einkommensniveau4) Mittlere Gehobene Einkommen Einkommen

Niedrigeinkommen

Höhere Einkommen

By

aBL

By

aBL

By

aBL

By

aBL

9,5

10,8

43,3

45,2

30,6

28,3

16,6

15,7

ohne Kinder mit 1 Kind mit 2 Kindern mit 3 u.m. Kindern

5,6 5,1 7,3 21,2

5,3 6,0 10,6 24,2

34,2 43,1 57,1 58,8

36,3 44,0 56,0 57,3

34,1 37,7 23,5 14,7

33,3 36,1 22,1 13,8

26,1 15,1 12,1 5,3

25,1 13,9 11,3 4,7

Alleinerziehende mit 1 Kind mit 2 u.m. Kindern

20,1 33,2

21,7 38,4

44,6 39,7

44,7 41,6

25,7 22,5

24,1 15,4

9,6 4,6

9,5 4,6

Alleinlebende Männer bis 59 Jahre Alleinlebende Frauen bis 59 Jahre

10,7 10,9

13,0 12,6

20,0 29,3

20,9 30,5

36,5 35,3

35,9 37,9

32,8 20,5

30,2 19,0

Alleinlebende Männer ab 60 Jahren Alleinlebende Frauen ab 60 Jahren

8,2 12,7

6,3 10,2

31,8 46,6

30,2 48,0

35,0 28,9

38,9 30,3

24,8 11,8

24,6 11,5

Sonstige Alleinstehende4) __________________

10,7

9,4

43,3

42,3

31,6

31,8

14,4

16,5

Familien/Alleinlebende insgesamt

Ehepaare

1) Familien: Ehepaare u. Alleinstehende mit Kindern mit gültigen Angaben zum Familiennettoeinkommen 2) Alleinlebende: Personen in Ein-Personen-Haushalten mit gültigen Angaben zum persönlichen Nettoeinkommen 3) Sonstige Alleinstehende in Mehr-Personen-Haushalten 4) Gruppierung: Weniger als 50%, 50 - u. 100%, 100 - u. 150%, 150% und mehr des Nettoäquivalenzeinkommens (1.916 DM)

Quelle: Statistisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, Sonderauswertung des Mikrozensus; eigene Berechnungen

80

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.1.6 Regionale Besonderheiten Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen bzw. siedlungsstrukturellen Gegebenheiten der bayerischen Regionen lassen sich, wie aus Tab. 4-5 ersichtlich, zwischen den einzelnen Regierungsbezirken Unterschiede in der Einkommenssituation privater Haushalte erkennen. Auffällig ist, daß vor allem die Oberpfalz mit 14% bzw. Niederbayern mit 12% eher überproportional hohe Anteile von Haushalten mit Niedrigeinkommen aufweisen. Am geringsten ausgeprägt ist dieser Anteil mit 7% in Oberbayern bzw. mit 9% in Mittelfranken und Schwaben. Es paßt ins Bild, daß in diesen Regierungsbezirken, insbesondere in Oberbayern, dann auch überproportional häufig Haushalte mit höheren Einkommen zu finden sind.

Tabelle 4-5: Einkommenssituation von Haushalten in Bayern nach regionaler Gliederung 1997 - Privathaushalte1) nach Regierungsbezirken = 100 Einkommensniveau2) Mittlere Gehobene Einkommen Einkommen

Niedrigeinkommen

Bayern insgesamt

Oberbayern Niederbayern Oberpfalz Oberfranken Mittelfranken Unterfranken Schwaben

Höhere Einkommen

9,5

38,0

32,0

20,5

7,1 12,3 13,6 10,6 9,3 10,1 9,1

31,7 43,1 42,9 40,9 35,2 42,1 36,9

30,7 26,7 27,6 30,9 31,9 31,7 26,8

30,5 17,9 15,9 17,6 23,6 23,1 22,2

_________________ 1) Mit gültigen Angaben zum Haushaltsnettoeinkommen 2) Gruppierung: Weniger als 50%, 50 - u. 100%, 100 - u. 150%, 150% und mehr des Nettoäquivalenzeinkommens (1.916 DM)

Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Sonderauswertung des Mikrozensus

81

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.1.7 Einkommen im Alter Betrachtet man anhand der Ergebnisse der ASID ’95 noch einmal gesondert die Einkommen von Personen ab 65 Jahren in Bayern, so ergibt sich für diese Gruppe eine differenzierte Versorgungssituation. Als Einkommensdimension wird in diesem Fall nicht das Haushaltsnettoeinkommen, sondern entweder das verfügbare Personeneinkommen (personenbezogene Betrachtungsweise) oder das verfügbare (Alters-) Einkommen der Bedarfsgemeinschaft, sprich das Nettoeinkommen von Ehepaaren oder von alleinstehenden Frauen und Männern ab 65 Jahren, herangezogen. Im Prinzip entspricht die Differenzierung nach Alleinstehenden oder Ehepaaren mit einem Ehemann ab 65 Jahren einer haushaltsorientierten Betrachtungsweise. Unterstellt wird dabei, daß alleinstehende Senioren oder Ehepaare eine eigene Versorgungseinheit bilden, unabhängig davon, ob weitere Personen oder Einkommensbezieher im Haushalt leben. Ein Blick auf die in Tab. 4-6 dargestellte Einkommensverteilung in Bayern und den alten Bundesländern insgesamt zeigt, daß Ehepaare in den alten Bundesländern mit im Durchschnitt 3.769 DM im Vergleich zu 3.642 DM in Bayern über etwas höhere Einkommen verfügen. Interessanterweise gilt dies nicht für Alleinstehende. Mit 2.707 DM im Vergleich zu 2.985 DM verfügen alleinstehende Männer in den alten Bundesländern ebenso wie alleinstehende Frauen mit 2.075 DM im Vergleich zu 2.125 DM über etwas niedrigere Einkommen im Alter als in Bayern. 6% der alleinstehenden Männer und 11% der alleinstehenden Frauen ab 65 Jahren in Bayern haben weniger als 1.000 DM, bzw. 8% der Ehepaare weniger als 1.800 DM netto im Monat. Der Anteil ist im Vergleich zu den alten Bundesländer, nach denen ebenfalls 6% der alleinstehenden Männer sowie 9% der alleinstehenden Frauen weniger als 1.000 DM und 7% der Ehepaare weniger als 1.800 DM netto beziehen, in Bayern etwas höher ausgeprägt. Über mehr als 3.000 DM netto im Monat verfügen in Bayern immerhin 38% der alleinstehenden Männer gegenüber 30% in den alten Bundesländern und 17% der alleinstehenden Frauen gegenüber 13% in den alten Ländern. Bei den Ehepaaren verfügen 16% in Bayern und 17% in den alten Ländern über 5.000 DM und mehr im Monat Relativ betrachtet weisen sowohl in Bayern als auch im Bundesgebiet alleinstehende (ältere) Frauen am häufigsten im Alter niedrige Einkommen auf. Bedenkt man jedoch, daß in Bayern insgesamt 26% der Ehepaare weniger als 2.500 DM sowie 13% der alleinstehenden Männer und 29% der alleinstehenden Frauen weniger als 1.400 DM netto im Monat zur Verfügung haben, so zeigt sich, daß ebenfalls ein nicht unerheblicher Anteil älterer Menschen über ein Einkommen verfügt, das bei einem Eintritt besonderer Risiken bei nicht bedarfsdeckenden sozialen Sicherungsleistungen sehr schnell aufgebraucht sein kann. Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil älterer Menschen mit hohen oder sogar sehr hohen Einkommen im Alter. Auch hier finden sich wieder die typischen Einkommensdisparitäten, die unseren Sozialstaat insgesamt charakterisieren.

82

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-6: Schichtung der Alterseinkommen von Ehepaaren und Alleinstehenden in Bayern und in den alten Bundesländern 1995 - Senioren ab 65 Jahren = 100

Ehepaare

Alleinstehende Männer

Alleinstehende Frauen

1 1 1 5 10 8 15 28 15 16

6 2 5 11 13 11 14 19 10 9

11 7 11 18 17 10 8 10 5 2

3.642

2.985

2.125

1 1 1 4 8 8 15 31 15 17

6 2 4 11 16 13 17 17 7 6

9 7 10 20 20 10 10 8 3 2

3.769

2.707

2.075

Bayern b.u. 1.000 DM 1.000 b.u. 1.200 DM 1.200 b.u. 1.400 DM 1.400 b.u. 1.800 DM 1.800 b.u. 2.200 DM 2.200 b.u. 2.500 DM 2.500 b.u. 3.000 DM 3.000 b.u. 4.000 DM 4.000 b.u. 5.000 DM 5.000 DM und mehr Durchschnitt (DM / Monat)

Alte Bundesländer b.u. 1.000 DM 1.000 b.u. 1.200 DM 1.200 b.u. 1.400 DM 1.400 b.u. 1.800 DM 1.800 b.u. 2.200 DM 2.200 b.u. 2.500 DM 2.500 b.u. 3.000 DM 3.000 b.u. 4.000 DM 4.000 b.u. 5.000 DM 5.000 DM und mehr Durchschnitt ( DM / Monat)

Quelle: Infratest Burke Sozialforschung, ASID ’95

83

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Ausmaß von Einkommensarmut im Alter Berechnet man auf Grundlage des Nettoäquivalenzeinkommens10 analog zur Analyse der Haushaltsnettoeinkommen den Anteil der Bedarfsgemeinschaften und Alleinstehenden (Seniorenhaushalte) unterhalb der 50%-Einkommensschwelle, so ergibt sich folgendes Ergebnis. Mit einem Anteil von 9% beziehen in Bayern relativ mehr Seniorenhaushalte Niedrigeinkommen, als zu 7% in den alten Bundesländern.11

Abbildung 4-5: Entwicklung der Anteile einkommensarmer Senioren-Haushalte (Bedarfsgemeinschaften / Alleinstehende) im Alter insgesamt in Bayern und in den alten Ländern von 1986 bis 1995 Alleinstehende und Ehepaare ab 65 Jahren = 100

40%

12 9

11 8

1986 Weniger als 50% des Nettoäquivalenzeinkommens ASID '95

9

7

1989

1992 West

9

7

1995

Bayern

Bemerkenswert ist, daß der Anteil dieser Gruppe seit 1986 beständig abgenommen hat. Die höheren Anwartschaften der aktuell hinzukommenden Kohorten haben demnach kontinuierlich zu einer relativen Abnahme von Niedrigeinkommen im Alter geführt.

10

11

Für Alleinstehende kann das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen von 1.916 DM herangezogen werden, daß bei Ehepaaren einem Äquivalenzwert von 3.360 DM entspricht (Verbrauchereinheit 1,8) Der ausgewiesene Anteil liegt etwas unter der auf Basis des Mikrozensus für den Freistaat gemachten Angabe von 10% aller Haushalte mit Bezugspersonen ab 65 Jahren, mit einem Haushaltsnettoeinkommen unterhalb der 50%-Einkommensschwelle. Auch wenn die gewählten Abgrenzungen (Haushalte mit einer Bezugsperson ab 65 Jahren gegenüber Alleinstehenden oder Bedarfsgemeinschaften mit einem Ehemann ab 65 Jahren) nicht völlig deckungsgleich sind, so scheint sich in diesem Fall die für den Mikrozensus vermutete Untererfassung der Einkommen tendenziell zu bestätigen.

84

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Alterseinkommen aus verschiedenen Quellen Die Einkommen im Alter sind nicht alleine von der Höhe der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), sondern auch von der Zahl und Höhe der zusätzlichen Alterssicherungsleistungen abhängig. Senioren beziehen ihre Einkommen im Alter in der Regel aus mehreren Quellen. Gemeint sind hierbei vorrangig Leistungen aus weiteren Systemen, wie der betrieblichen Altersversorgung (BAV), der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (ZÖD), der Beamtenversorgung (BV) sowie der landwirtschaftlichen Alterssicherung (LAR), aus denen zusammengenommen in Bayern fast jeder zweite Rentner oder Pensionär weitere Leistungen erhält, sowie sonstige Einnahmen aus privaten Quellen (Miete, Zinseinnahmen, Zuwendungen etc.) oder aus sozialen Transferleistungen (Wohngeld, Sozialhilfe etc.).

Tabelle 4-7: Quellen der Alterseinkommen von Ehepaaren und Alleinstehenden in Bayern 1995 (eigene und abgeleitete Renten und Pensionen) - Senioren ab 65 Jahren = 100

Männer

Frauen

Insgesamt

87 -27 11 15 8 1 3 11 1

75 15 12 10 7 5 1 2 8 2

79 10 17 10 9 6 1 3 9 2

1 1

4 3

3 2

3

2

2

6 56 4

3 49 5

4 52 4

Einkommensquellen Renten / Pensionen GRV-Rente Reine KLG-Leistungen Betriebl. Altersversorgung Zusatzversorgung öff. Dienst Beamtenversorgung Landwirtschaftliche Alterss. Berufsständische Versorgung Gesetzl. Unfallversicherung Kriegsopferversorgung Sonstige Renten Weitere Sozialleistungen Sozialhilfe Wohngeld Sonstige Transferleistungen (AL-Unterst./ Krankengeld/ Kindergeld) Private Einkommen Erwerbseinkommen Mieteinnahmen/ Zinsen Altenteil/ Priv. Zuwendungen/ Sonst.

Quelle: Infratest Burke Sozialforschung, ASID ’95

85

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Unterschiedliche Einkommensniveaus bei Männern und Frauen Leistungen aus den Alterssicherungssystemen werden aufgrund von eigenen Ansprüchen vor dem Hintergrund einer eigenen Erwerbstätigkeit oder als abgeleitete Leistungen an Hinterbliebene vergeben. Differenziert nach dem Geschlecht zeigt sich, daß Männer häufiger als Frauen in Ergänzung zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRVRente) auch Leistungen aus weiteren Alterssicherungssystemen beziehen. So verfügen im Freistaat bei den 65jährigen und älteren 27% der Männer gegenüber 12% der Frauen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowie 15% gegenüber 7% über Pensionen der Beamtenversorgung. Vergleichbares läßt sich, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß, für die sonstigen Einkommen im Alter feststellen. Einkommensabhängige Sozialleistungen, wie Wohngeld oder Sozialhilfe, erhalten Frauen hingegen häufiger als Männer (Tab. 4-7). Nimmt man den ebenfalls aus der ASID ‘95 ableitbaren Tatbestand hinzu, daß Männer in der Regel nicht nur häufiger über mehrere, sondern auch über höhere durchschnittliche Einkommen aus den verschiedenen Quellen verfügen, so wird sichtbar, daß die traditionellen Erwerbsbiografien und die geschlechtsspezifischen Barrieren in der Arbeitswelt insbesondere für alleinstehende Frauen mit spürbaren Risiken verbunden sind. Differenziert man deshalb die bisher gemachten Angaben zur relativen Einkommensarmut weiter danach, inwieweit es sich bei den Seniorenhaushalten um Ehepaare oder um alleinstehende Frauen oder Männer handelt, so zeigt sich, daß sowohl im Freistaat als auch in den alten Ländern alleinstehende ältere Frauen mit einem Anteil von 10% bzw. 8% überpropotional häufig von Einkommensarmut im Alter betroffen sind. Demgegenüber fällt die Quote bei den alleinstehenden Männern mit 4% bzw. 5% und bei Ehepaaren mit 6% bzw. 7% spürbar niedriger aus.

86

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Abbildung 4-7: Durchschnittliche persönliche Nettoeinkommen von Seniorinnen und Senioren in Bayern 1995 - nach der (letzten) Stellung im Beruf Männer und Frauen ab 65 Jahren

6.000 DM 5.092 4.351 3.822 3.357 2.787 2.006

2.208

1.510

3.185

2.779 2.558

2.543

2.221

2.060

1.516

1.541

1.553

1.423

857

Angelernt Facharbeit./ einf.-mittl. gehob.-lt. Meister Angest. Angest.

Beamte einf. D.

Beamte mittl .D.

Männer

Beamte gehob./hö .D

SelbLandwirte ständige

Nie erw.tätig Mithelf. Fam.ang. gewesen

Frauen

Fehlende Angaben aufgrund zu geringer Fallzahlen bei einzelnen Gruppen ASID '95

Bei der Bewertung sollte ebenfalls beachtet werden, daß ein nicht unerheblicher Anteil älterer Menschen sowohl in Bayern als auch in den alten Bundesländern über ein Einkommen, daß in relativer Nähe zur 50%-Armutsschwelle liegt, verfügt. Ein Blick auf Tab. 47 zeigt, daß von den alleinstehenden Frauen in Bayern 11% über weniger als 1.000 DM sowie weitere 7% über 1.000 bis unter 1.200 DM verfügen. Bei alleinstehenden Männern sind es 6% mit weniger als 1.000 DM und immerhin weitere 2% mit 1.000 bis unter 1.200 DM. Da sich bei Ehepaaren mit 7% unter 1.800 DM und weiteren 10% mit 1.800 bis unter 2.200 DM eine ähnliche Verteilung zeigt, muß davon ausgegangen werden, daß es sich bei dieser Population um eine für Veränderungen in der Rentenbemessung hoch sensible Gruppe handelt. Der dargestellte positive Trend der letzten Jahre kann sich, je nachdem wie das Alterssicherungssystem in Zukunft ausgestaltet wird, wieder umkehren.

87

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Einkommensdifferenzierungen in Abhängigkeit von der letzten Stellung im Beruf Die Höhe des persönlichen Altersnettoeinkommens hängt auch im Freistaat hauptsächlich von der Berufsbiographie bzw. der (letzten) Stellung im Beruf ab. Aufgrund der bereits dargestellten Niveauunterschiede in der Höhe der persönlichen Einkommen (eigene und abgeleitete Ansprüche), ist es notwendig, zwischen Männern und Frauen zu differenzieren. Wie in den alten Ländern insgesamt zeigt sich, daß mithelfende Familienangehörige bzw. nie erwerbstätig gewesene Personen ohne eigene Alterssicherungsansprüche, also in der Regel alleinstehende Frauen, mit durchschnittlich 1.553 bzw. 1.423 DM über niedrige Einkommen im Alter verfügen. Die geringsten persönlichen Nettoeinkommen mit im Durchschnitt 1.516 DM bei den Männern und 857 DM bei den Frauen finden sich bei den Landwirten. Insbesondere für diese Gruppe gilt allerdings, daß neben den rein monetären Leistungen zum Teil noch andere Ansprüche hinzukommen, etwa in Gestalt lebenslanger Nießbrauchrechte an Haus und Hof. Bedenkt man, daß in Bayern nach den Ergebnissen der ASID ’95 kaum ein ehemaliger Landwirt im Alter regelmäßig Miete bezahlt, während zwei Drittel mietfrei und ein Drittel als Eigentümer wohnen, so relativiert sich der dargestellte Befund.

Abbildung 4-7: Durchschnittliche persönliche Nettoeinkommen von Seniorinnen und Senioren in Bayern 1995 - nach der (letzten) Stellung im Beruf Männer und Frauen ab 65 Jahren

6.000 DM 5.092 4.351 3.822 3.357 2.787 2.006

2.208

1.510

3.185

2.779 2.558

2.543

2.221

2.060

1.516

1.541

1.553

1.423

857

Angelernt Facharbeit./ einf.-mittl. gehob.-lt. Meister Angest. Angest.

Beamte einf. D.

Beamte mittl .D.

Männer

Beamte gehob./hö .D

Frauen

Fehlende Angaben aufgrund zu geringer Fallzahlen bei einzelnen Gruppen ASID '95

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SelbLandwirte ständige

Nie erw.tätig Mithelf. Fam.ang. gewesen

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4. Einkommen und Sozialhilfe

Beamte im gehobenen oder höheren Dienst verfügen mit im Schnitt 5.092 DM bei den Männern bzw. 4.351 DM bei den Frauen sowie gehobene, hochqualifizierte oder leitende Angestellte mit 3.822 DM bzw. 2.543 DM über die höchsten Einkommen im Alter, gefolgt von Beamten im mittleren Dienst mit 3.357 DM bzw. 2.558 DM. Erst danach finden sich die (ehemaligen) Selbständigen mit 3.185 DM bzw. 2.221 DM. Beamte im einfachen Dienst verfügen mit 2.779 DM bei den Männern über ähnlich hohe Einkommen, wie einfache oder mittlere Angestellte, jedoch über deutlich mehr, als Facharbeiter oder Meister mit im Schnitt 2.208 DM.12 Differenziert man zum Abschluß die persönlichen Nettoeinkommen in Bayern nach den Regierungsbezirken, so zeigt sich, daß in den eher ländlich geprägten und strukturschwächeren Regionen in Niederbayern und der Oberpfalz im Durchschnitt die geringsten Einkommen im Alter verfügbar sind, während in Mittelfranken und Oberbayern eher höhere Einkommen realisiert werden. Verantwortlich hierfür sind die dargestellten Determinanten von Niedrigeinkommen im Alter, die zusammengenommen zu den regionalen Verteilungen führen.

Abbildung 4-8: Durchschnittliche persönliche Altersnettoeinkommen in Bayern 1995 - nach Regierungsbezirken Senioren ab 65 Jahren

2.403 2.264

2.129

2.120

2.160

1.560

Oberbayern

Niederbayern/ Oberpfalz

Mittelfranken

Oberfranken

Unterfranken

Schwaben

ASID '95

12

Eine noch weitere Differenzierung ist fallzahlbedingt für den Freistaat nicht möglich.

89

90

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4.2

4. Einkommen und Sozialhilfe

Sozialhilfe

Der Bezug von Sozialhilfe in Form von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) definiert den Personenkreis, der unter dem normativ festgelegten finanziellen Existenzminimum lebt. Im Ressourcenkonzept der Armutsforschung wird die Sozialhilfe der ‘bekämpften Armut’ zugeordnet: ”Unter ‘bekämpfter’Armut verstehen wir jene Personen und Haushalte, deren Fürsorge- bzw. Sozialhilfeberechtigung nach den Gesetzen der Bundesrepublik anerkannt ist, die entsprechende Leistungen erhalten und in der amtlichen Statistik ausgewiesen werden”(Hauser u. a. 1986, S. 27). Geht man von dieser engsten, an formalen Kriterien bestimmten Definition aus und nimmt das durch die Regelsätze festgelegte Leistungsniveau als Maßstab für Einkommensarmut, so bildet die Sozialhilfestatistik nur einen Teil der Sozialhilfeberechtigten ab, denn die ‘verdeckte Armut’wird hierdurch nicht erfaßt; diese bestimmt ”die Zahl der Personen und Haushalte, deren verfügbares Einkommen (Nettohaushaltseinkommen) noch unterhalb ihres haushaltsspezifischen Sozialhilfeanspruchs für ‘laufende Hilfe zum Lebensunterhalt’ liegt” (Hauser u. a. 1986, S. 28), die diese Ansprüche jedoch nicht realisieren. Aufgrund empirischer Untersuchungen liegt diese ‘Dunkelziffer der Armut’zwischen 48 % (Hartmann 1981, S. 76) und 60 % (Hübinger; Hauser 1995, S. 80). Dies bedeutet, daß nur die Hälfte aller Sozialhilfeberechtigten die Leistungen dieses Transfersystems zur Sicherung ihres Existenzminimums in Anspruch nimmt. Bei diesen Werten handelt es sich nur um die Anteile von Haushalten, deren gewichtetes Nettoeinkommen einschließlich Vermögen und Vermögenserträgen unterhalb der Sozialhilfeschwelle liegt; welchen Umfang der Sozialhilfeanspruch tatsächlich hat, wurde in diesen Studien nicht im einzelnen ermittelt. Eine neuere Untersuchung (ISL 1998) geht jedoch beiden Fragestellungen anhand differenzierter Analysen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 1991 und 1995 nach. Ausgangsdefinition ist: ”Bei Haushalten, deren Einkommen niedriger ist als jenes, das ihnen von Rechts wegen durch die Sozialhilfe zugesichert ist, und die trotz des bestehenden Rechtsanspruchs diese Leistung nicht in Anspruch nehmen, spricht man von verdeckter Armut”(ebd., S. 19). Die Vorgehensweise besteht im Vergleich des haushaltsspezifischen Bedarfs (Regelsatz, einmalige Leistungen, Mehrbedarfszuschlag und Wohnungskosten) mit dem Nettoeinkommen einschließlich aller Transferleistungen. Die beiden wichtigsten Befunde sind für Westdeutschland im Jahr 1995: -

Bei einem HLU-Bezug von 3,4 % besteht ein Potential verdeckter Armut von 3,2 %, also eine Armutsquote - gemessen am BSHG-Bedarf - von 6,6 %. Die Dunkelziffer (3,2 % von 6,6 %) beträgt demnach 48,5 % und entspricht weitergehend der von Hauser 1981 ermittelten von 48,0 % (ebd., S. 74).

-

Das Einkommen der verdeckt armen Haushalte liegt im Schnitt 18,2 % unter der Sozialhilfeschwelle. Dieser Armutsgrad entspricht einem Durchschnittsbetrag von 316 DM pro Haushalt, was bedeutet, daß es sich bei den meisten der verdeckt armen Haushalte um solche handelt, die neben einem Einkommen zusätzliche HLU-Ansprüche haben (ebd. S. 76).

91

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Neben der Relativierung der verdeckten Armut als einem graduellen Unterschreiten der Sozialhilfeschwelle zeigt der Bericht nach soziodemografischen und haushaltsstrukturellen Merkmalen gegliederte Armutsquoten, die stark differieren, auf. Trotz dieser Einschränkung stellen die Daten der Sozialhilfestatistik wesentliche BasisInformationen über Entwicklung und Struktur der offiziell anerkannten Armutspopulation zur Verfügung, auf die zunächst kurz unter methodischen Aspekten einzugehen ist. Die im Jahr 1994 eingeführte neue Sozialhilfestatistik unterscheidet sich gegenüber der über einen Zeitraum von 30 Jahren unverändert gebliebenen insbesondere durch vier im Untersuchungszusammenhang wichtige Punkte: Während die bisherige Statistik sich im wesentlichen auf die Empfänger als Individuen konzentrierte, wird in der jetzt verwendeten den Haushalten als Bedarfsgemeinschaften ein wesentlich größerer Stellenwert eingeräumt. Deshalb wird in der folgenden Darstellung nach diesen beiden Erhebungseinheiten differenziert. Inhaltlich wurden die erfaßten Merkmale vom Umfang her wesentlich erweitert, auf der Individualebene beispielsweise durch das Einbeziehen von sozioökonomische Merkmalen, auf der Haushaltsebene durch strukturelle Differenzierungen sowie die Erfassung der Einkommensverhältnisse und die Entlastungsfunktion der Sozialhilfe. Die dritte wichtige Veränderung ist die des erfaßten Personenkreises: Asylbewerber und Geduldete (insbesondere Bürgerkriegsflüchtlinge) werden seit Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes im November 1993 nicht mehr im Rahmen der BSHG-Leistungen, sondern durch ein eigenes System unterstützt, das seit 1994 Gegenstand einer gesonderten Statistik ist. Methodisch bedeutet diese Veränderung jedoch, daß die ausländischen Sozialhilfeempfängerzahlen für Zeitreihenanalysen nicht mehr verwendet werden können. Die bisherige Sozialhilfestatistik basierte - bis auf wenige Merkmalsausprägungen - auf Jahressummen, d. h. auf allen Personen, die im Laufe eines Bezugsjahres Sozialhilfeleistungen erhielten. Die neue Statistik dokumentiert jedoch nur den Stand am Jahresende, da sich die ursprünglich geplante quartalsweise Erfassung von Zu- und Abgängen bis jetzt nicht realisieren ließ. Auch dadurch sind die Vergleichsmöglichkeiten mit früheren Jahren eingeschränkt. Die vorgelegte Analyse konzentriert sich auf einen Leistungsbereich der Sozialhilfe, nämlich die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) außerhalb von Einrichtungen, deren Funktion darin besteht, den Grundbedarf des täglichen Lebens (Ernährung, Unterkunft, Kleidung usw.) abzudecken, das finanzielle Existenzminimum zu sichern. Die Sozialhilfeleistung beinhaltet drei Komponenten: Der Regelsatz, der jährlich neu festgelegt wird, besteht aus einem pauschalen Geldbetrag, der den existentiellen Mindestbedarf decken soll; Mehrbedarfszuschläge erhalten Personengruppen in speziellen Lebenssituationen (z. B. Alleinerziehende, alte Menschen, Behinderte) als prozentualen Zuschlag zum Regelsatz; Kosten zum Lebensunterhalt, die individuell stark differieren und gesondert ermittelt und bezahlt werden - hierzu gehören insbesondere Wohnungsmiete und Heizkosten. Im Mittelpunkt der folgenden Analyse steht eine Querschnittsanalyse des Jahres 1997. Grundlage bildeten zwei Datenquellen:

92

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

-

Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern, Teil I: Ausgaben und Einnahmen, Teil II: Empfänger (1995-97).

-

Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: unveröffentlichte Tabellen zu Struktur und Umfang der Empfänger (1995-97).

Die Vergleichsdaten für die Bundesrepublik beziehen sich auf die alten Bundesländer und stammen aus Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts.

4.2.1 Entwicklungstendenzen Durch die vorab kurz skizzierten Veränderungen der Statistik bedingt - insbesondere die Verwendung von Stichtagszahlen (Jahresende) sowie die gesonderte Erfassung von Asylbewerbern und ihnen gleichgestellten Ausländern seit 1994 - lassen sich keine durchgängigen Zeitreihen zu Umfang und Struktur der Sozialhilfeempfänger darstellen und interpretieren. Hinzu kommt, daß die Bezieher von Sozialhilfe insgesamt nicht mehr ermittelt werden, sondern die beiden Hilfearten - laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebensarten (HbL) - getrennt dokumentiert werden. Diese und einige weitere methodische Änderungen führen zu einer Konzentration auf die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen und lassen vergleichbare Daten nur für die Jahre 1980-85 und 1997 berechnen. Trotz dieser Restriktionen kann man klare Entwicklungstendenzen erkennen (Abbildung 4-9).

93

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Abbildung 4-9: 1)

Entwicklung der HLU-Dichte in Bayern 1980-97 (Jahresendzahlen) 60 46

HLU-Dichte

50 40 30 30 20 18

20 10

8

11 7

14

10

0 Insgesamt

Deutsche 1980

1)

1985

Ausländer 1997

außerhalb von Einrichtungen; Empfänger pro 1.000 Einwohner

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Um den Umfang des Sozialhilfebezuges von unterschiedlichen Gruppengrößen unabhängig zu machen, hat sich die HLU-Dichte als Zahl der Empfänger pro 1.000 Personen der in Rede stehenden Gruppe, beispielsweise Einwohner, Deutsche, Angehörige einer bestimmten Altersgruppe als nützlich erwiesen und bei Analysen bewährt. Wie Abbildung 4-9 erkennen läßt, ist die HLU-Dichte in Bayern zwischen 1980 und 1997 von 8 auf 20 pro 1.000 gestiegen, das Angewiesensein auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zur Sicherung des finanziellen Existenzminimums hat um 150 % zugenommen; in absoluten Zahlen: von 81.000 auf 247.000 Bezieher. Das stärkere Angewiesensein der Ausländer auf diese Transferleistung im Verhältnis von etwa 2:1 gegenüber den Deutschen gilt 1997 ebenso wie 1980. Entsprechend den unterschiedlichen Bevölkerungsanteilen dominieren nach den absoluten Zahlen die Deutschen mit 194.000 Empfängern gegenüber knapp 52.000 Ausländern. Eine zweite Annäherung an die Entwicklungstendenzen besteht im Vergleich der Bruttoausgaben. Der HLU-Aufwand ist -

von 301 Mio. DM 1980 über 583 Mio. DM 1985 auf 1.575 Mio. DM im Jahr 1995 gestiegen,

was einer Zuwachsrate von rund 420 % entspricht. In Relation zu den absoluten Empfängerzahlen, die - jeweils zum Jahresende - um 205 % gestiegen sind, bedeutet dies eine überproportionale Zuwachsrate der Ausgaben gegenüber den Empfängerzahlen. Hierfür dürften drei Faktoren maßgeblich sein: Die an die Preis- bzw. Lohnentwicklung angepaß-

94

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

ten Regelsätze, die jedoch den geringsten Anteil am Ausgabenzuwachs haben dürften; wesentlich stärker ins Gewicht fallen die hohen Mietsteigerungen in diesem Zeitraum, denn die ‘angemessene Miete’ ist eine Regelleistung der HLU; last not least dürfte der ‘Eigenbeitrag’der HLU-Empfänger sich verringert haben. Letzteres wird durch die auf Jahressummen basierenden Ergebnisse des ‘Bayrischen Armutsberichts 1994’ (DGB 1994) und seine Fortschreibung gestützt, wonach 1980 22 % der HLU-Empfänger über kein eigenes Einkommen - sei es aus Erwerbstätigkeit, sei es als Transferleistung - verfügten, während es 1993 43 % aller Haushalte waren; hierauf wird in Kapitel 4.2.6 noch zurückzukommen sein. Als wesentliches Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die am HLU-Bezug gemessene Einkommensarmut in Bayern zwischen 1980 und 1997 um 150 % gestiegen ist und daß zur Sicherung des durch das Bundessozialhilfegesetz definierten Existenzminimums der Leistungsaufwand überproportional um 420 % zugenommen hat. Trotz dieser enormen Zunahme der Sozialhilfeempfänger ist die Situation in Bayern günstig (Tabelle 4-8), denn -

die HLU-Dichte liegt 1997 in Bayern mit 20 pro 1.000 Einwohnern weit unter dem Wert der alten Bundesländer mit einer HLU-Dichte von 38 pro 1.000 Einwohnern.

Tabelle 4-8: HLU-Dichte1) in den alten Bundesländern in Bayern 1997 HLU-Dichte Baden-Württemberg Bayern Berlin-West Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland

24 20 93 106 84 43 43 39 31 50

Alte Bundesländer

38

1)

HLU-Empfänger pro 1.000 Einwohner

Quellen: Statistisches Bundesamt: Sozialleistungen, Fachserie 13, Reihe 2: Sozialhilfe 1997; eigene Berechnungen

Selbst im Vergleich zu einzelnen Bundesländern bleibt Bayern das Land mit der geringsten HLU-Dichte, es folgen Baden-Württemberg mit 24 pro 1.000 Einwohnern und Rheinland-Pfalz mit einer HLU-Dichte von 31. Unter den Flächenstaaten des früheren Bundes-

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Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

gebiets liegt das Saarland mit einer HLU-Dichte von 50 pro 1.000 Einwohnern an letzter Stelle.

4.2.2 Die soziodemografische Struktur der Empfänger Vor dem Hintergrund, daß 1997 in Bayern 20 von 1.000 Einwohnern auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind, differenziert sich der Kreis der Betroffenen dominant nach dem Alter (Abbildung 4-10), denn -

Kinder sind mit einer HLU-Dichte von 39 pro 1.000 der bis 14jährigen am stärksten von Sozialhilfe abhängig, während ältere Menschen (ab 65 Jahre) mit einer HLUDichte von 11 relativ gut dastehen.

Abbildung 4-10: 1)

HLU-Dichte nach Altersgruppen in Bayern 1997 39

40 35 HLU-Dichte

30 25

24

20

22

22

20

20

16 14

15

15 11

10 5

1)

65 Jahre u. älter

60 b. u. 65 Jahre

50 b. u. 60 Jahre

40 b. u. 50 Jahre

30 b. u. 40 Jahre

25 b. u. 30 Jahre

18 b. u. 25 Jahre

15 b. u. 18 Jahre

unter 15 Jahre

Insgesamt

0

Empfänger pro 1.000 Einwohner

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Im einzelnen zeigt das Altersprofil, daß die Jugendlichen (HLU-Dichte 24) noch überdurchschnittlich sozialhilfeabhängig sind, die Altersgruppen zwischen 18 und 39 Jahren um den Mittelwert streuen, während die Jahrgänge ab 40 die geringste Dichte aufweisen. Hinter dem Durchschnitt von 39 bei den Kindern verbirgt sich bei weiterer Aufgliederung ein starkes HLU-Dichte-Gefälle umgekehrt proportional zum Alter, denn es findet sich in der jüngsten Altersgruppe (unter 3 Jahren) eine Dichte von 50, bei den 3- bis 6jährigen liegt sie bei 44, während von den 7- bis 14jährigen ‘nur’noch 33 von 1.000 auf den Sozi-

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Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

alhilfebezug angewiesen sind. Was die Dichteziffern konkret bedeuten, sei mit einigen Zahlen verdeutlicht: 78.000 Kinder, davon 43.000 jünger als 7 Jahre und 35.000 zwischen 7 und 14 Jahre alt, lebten 1997 in Haushalten, deren Existenzminimum durch den Bezug von Sozialhilfe gesichert werden mußte. Diese Gruppe ist mit 31,8 % unter den HLUEmpfängern vertreten, stellt aber nur 16,5 % der Bevölkerung. Die stärkere HLU-Abhängigkeit der Kinder im Vergleich zu den Erwachsenen gilt generell für die alten Bundesländer, ist also kein für Bayern spezifisches Problem, wie die Gutachten zum Zehnten Kinder- und Jugendbericht belegen (BMFSFJ 1998, S 88-95). Die Bedeutung der Altersarmut von Frauen wird durch den geschlechtsspezifischen Vergleich der HLU-Dichte von drei Seniorenteilgruppen erkennbar: 60 b. u. 65 Jahre

65 b. u. 75 Jahre

75 Jahre und älter

Frauen

15

13

11

Männer

14

10

6

Insgesamt

15

12

10

Danach ist die Sozialhilfeabhängigkeit der Frauen in der ‘jüngsten’ Altersgruppe mit der der Männer vergleichbar, nimmt jedoch mit zunehmendem Alter stark zu und erreicht bei den Hochbetagten eine doppelt so hohe HLU-Dichte wie bei den Männern. Durch die unterschiedliche Lebenserwartung bedingt, zeigen die absoluten Zahlen die am HLU-Bezug gemessene wirtschaftliche Benachteiligung der Frauen deutlicher: mit 19.800 Bezieherinnen beträgt ihre Zahl fast das Doppelte der Männer mit knapp 10.500. Die ethnische Zugehörigkeit stellt ein wesentliches Differenzierungsmerkmal dar, denn das Angewiesensein auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ist bei den Ausländern mit einer HLU-Dichte von 46 pro 1.000 wesentlich höher als bei den Deutschen (HLU-Dichte 18). Die in diesen Relationen zum Ausdruck kommende stärkere wirtschaftliche Benachteiligung der Menschen mit ausländischem Paß betrifft in erster Linie die als ‘Gastarbeiter’ zugewanderten und deren Familienangehörige, denn Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge sind - wie bereits erwähnt - in diesen Zahlen nicht mehr enthalten. Die in der neuen Statistik vorgenommene Differenzierung ist nicht sehr aufschlußreich; die Verteilung auf die Herkunftsländer zeigt knapp 17 % EU-Staaten, 13 % Asylberechtigte und gut zwei Drittel ‘sonstige Ausländer’, an denen die Angehörigen aus den ehemaligen Anwerbeländern Türkei und Jugoslawien einen wesentlichen Anteil haben dürften. Die stärkere HLU-Abhängigkeit der Ausländer zeigt sich für die alten Bundesländer insgesamt mit gleicher Tendenz, wenn auch auf einem wesentlich höheren Niveau: Die HLUDichte betrug 1997 bei den Deutschen 31, während sie bei den Ausländern 90 pro 1.000 erreichte (Statistisches Bundesamt 1998, S. 132).

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Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Interessant ist ein Blick auf die Altersverteilung der Ausländer (Abbildung 4-11), die wie bei den Deutschen eine überdurchschnittliche HLU-Dichte bei den Kindern und Jugendlichen zeigt, sich aber signifikant dadurch unterscheidet, daß -

die älteren Ausländer (ab 65 Jahre) mit 83 pro 1.000 einen Spitzenwert bei der HLUDichte erreichen, während er bei den Deutschen weit unter dem Durchschnitt liegt (9 pro 1.000).

Abbildung 4-11: 1)

HLU-Dichte

HLU-Dichte nach Altersgruppen und Nationalität in Bayern 1997 95 85 75 65 55 45 35 25 15 5 -5

83 68 46 20 18

38

21 18 15 13

Insgesamt

unter 18 Jahre Insgesamt

1)

38

37 33

11 9

18 b. u. 40 Jahre 40 b. u. 65 Jahre 65 Jahre u. älter Deutsche

Ausländer

HLU-Empfänger pro 1.000 Einwohner

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Dieser Befund läßt sich zwar dadurch relativieren, daß die älteren Ausländer (ab 65 Jahre) nur 4,0 % dieser Bevölkerungsgruppe (jedoch 7,2 % der HLU-Empfänger) repräsentieren. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß die in diese Altersgruppe ‘hineinwachsenden’ heute 50- bis 64jährigen Ausländer mit 158.000 einen Anteil von 14 % an dieser Bevölkerungsgruppe haben und ein nicht zu unterschätzendes zukünftiges Armutspotential darstellen.

98

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.2.3 Der sozioökonomische Status Entsprechend der neuen Systematik der Sozialhilfestatistik sind die sozioökonomischen Merkmale der HLU-Empfänger zwei Erhebungseinheiten zugeordnet: Die persönlichen Merkmale des Erwerbsstatus, der schulischen, beruflichen Qualifikation werden individuell erfaßt und auf die Bezieher bezogen dokumentiert; die Daten zur Einkommenssituation und der finanziellen Bedeutung der Sozialhilfe werden im Hinblick auf die Haushalte als Bedarfsgemeinschaften dargestellt. Deshalb wird in diesem Abschnitt der erstgenannte Aspekt behandelt, während der zweite Gegenstand des Kapitels 4.2.6 ist.

Tabelle 4-9: Der Erwerbsstatus der 15- bis 64jährigen HLU-Empfänger in Bayern 1997 Insgesamt (%)

Männer (%)

Frauen (%)

Deutsche (%)

Ausländer1) (%)

8,4 37,7 53,9

7,1 53,7 39,1

9,2 27,0 63,8

8,3 36,6 55,1

8,7 41,5 49,8

100,0

99,9

100,0

100,0

100,0

147.890

59.532

88.358

114.106

33.784

Erwerbstätig Arbeitslos Nicht erwerbstätig Insgesamt Basis 1)

Einschließlich Staatenlose

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Der Erwerbsstatus der 15- bis 64jährigen HLU-Empfänger zeigt folgendes Profil: -

Die Nichterwerbstätigen stellen die größte Gruppe dar; sie sind wesentlich häufiger unter den weiblichen HLU-Beziehern vertreten als bei den männlichen; tendenziell haben sie einen etwas höheren Anteil bei den Deutschen.

-

Gut ein Drittel der HLU-Bezieher (37,7 %) ist arbeitslos, mehr als die Hälfte der Männer, ‘nur’ein Viertel der Frauen; die Ausländer finden sich hier etwas häufiger als die Deutschen.

-

Nur jeder zwölfte HLU-Empfänger ist erwerbstätig, die Frauen etwas häufiger als die Männer.

Von den arbeitslosen HLU-Empfängern (37,7 %) erhält nur knapp ein Drittel (12,3 %) Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG), während der überwiegende Teil (25,4 %) keine AFG-Leistungen bezieht. Diese Relation ist unabhängig von Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit.

99

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Bei den übrigen Gründen für die Nichterwerbstätigkeit sind ‘häusliche Bindung’ (19,7 %) und Krankheit/Arbeitsunfähigkeit (11,9 %) die wichtigsten. Bei den nicht erwerbstätigen Frauen dominiert die häusliche Bindung, zu der in erster Linie Kinderbetreuung und die Pflege Angehöriger zu rechnen sein dürften, während bei den Männern Krankheit/Arbeitsunfähigkeit die größte Rolle spielt, daneben noch Aus- und Fortbildung. Kurz zusammengefaßt, lassen sich die männlichen HLU-Empfänger nach dem Erwerbsstatus so charakterisieren: arbeitslos (53,7 %), wegen Krankheit/Arbeitsunfähigkeit (14,8 %) nicht erwerbstätig, zu einem geringen Anteil berufstätig (7,1 %), womit drei Viertel dieser Gruppe erfaßt sind. Bei den Frauen dominieren (zwei Drittel) Nichterwerbstätige wegen Familienarbeit (32,5 %) oder Krankheit/Arbeitsunfähigkeit (9,9 %), gefolgt von Arbeitslosen (27,0 %) und - vorwiegend in Teilzeitarbeit - Erwerbstätigen (9,2 %). Die berufliche Qualifikation der 15- bis 64jährigen HLU-Empfänger wird nach dem Merkmal ‘höchster Berufsbildungsabschluß’erfaßt; die Statistik leidet jedoch darunter, daß die Kategorie ‘unbekannt’knapp ein Drittel (31,0 %) ausmacht; für die übrigen gilt, daß -

die größte Gruppe (32,7 %) keinen Berufsabschluß hat, genau ein Viertel (25,0 %) eine abgeschlossene Lehre nachweisen kann, über höher qualifizierte Ausbildungen jedoch nur 7,3 % verfügen,

während der Rest als noch in Ausbildung (1,2 %) dokumentiert ist oder - wie bereits erwähnt - unbekannt. Trotz dieser statistischen Mängel wird deutlich, daß sich unter den HLU-Empfängern ein überproportional hoher Anteil von Menschen ohne Berufsausbildung befindet. Die Schulbildung, in der Sozialhilfestatistik mit ‘höchster allgemeinbildender Schulabschluß’erfaßt, ist ebenfalls durch 30,0 % ‘Unbekannt-Angaben’nur eingeschränkt zu verwenden, entspricht aber dem Bild zur beruflichen Qualifikation: 40,6 % Grund-/Hauptschule, einen mittleren Abschluß (Realschule oder gleichwertig) 9,3 %, Abitur 6,1 %; keinen Schulabschluß haben 7,6 %, weitere 4,4 % befinden sich in Ausbildung. Daß diese beiden Qualifikationsmerkmale so schlecht dokumentiert sind, liegt an den Datenquellen: Die örtlichen Sozialämter sind primär an Informationen interessiert, die für den Sozialhilfebezug relevant sind - dazu gehören diese Kriterien nicht. Abschließend soll auf die arbeitslosen HLU-Empfänger noch näher eingegangen werden, und zwar im Hinblick auf einige Merkmale, die in den jährlich von den Arbeitsämtern durchgeführten Sonderuntersuchungen (im September) für alle Arbeitslosen erhoben werden (Tabelle 4-10).

100

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-10: Struktur arbeitsloser HLU-Empfänger im Vergleich zur Gesamtheit der Arbeitslosen in Bayern 1997 Arbeitslose1) HLU-Bezieher (%)

Arbeitslose2) insgesamt (%)

Alter unter 21 Jahre 21 b. u. 25 Jahre 25 b. u. 30 Jahre 30 b. u. 40 Jahre 40 b. u. 50 Jahre 50 b. u. 60 Jahre 60 b. u. 65 Jahre

5,8 8,8 12,6 28,7 23,2 17,2 3,6

3,9 8,5 10,3 22,7 18,4 32,2 3,9

Insgesamt

99,9

99,9

Geschlecht Männer Frauen

57,3 42,7

52,1 47,9

100,0

100,0

18,4 12,4 19,9 23,2 26,1

32,9 15,3 21,2 17,5 13,2

100,0

100,1

55.818

410.907

Insgesamt Dauer der Arbeitslosigkeit unter 3 Monate 3 b. u. 6 Monate ½ b. u. 1 Jahr 1 b. u. 2 Jahre 2 Jahre und länger Insgesamt Basis 1) 2)

Jahresende 1997 September 1997

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen Bundesanstalt für Arbeit: Strukturanalyse 1997, Bestände sowie Zu- und Abgänge an Arbeitslosen und offenen Stellen Eigene Berechnungen

Der Vergleich beider Gruppen weist in allen drei untersuchten Merkmalen signifikante Unterschiede auf: -

Die Altersstruktur der arbeitslosen HLU-Empfänger wird geprägt durch den überdurchschnittlichen Anteil der 30- bis 49jährigen (51,9 %), die bei den Arbeitslosen insgesamt 41,1 % ausmachen; dagegen hat die letztgenannte Gruppe einen Schwerpunkt bei den Älteren (50-64 Jahre) mit 36,1 %, die unter den HLU-Empfängern mit nur einem Fünftel vertreten sind.

101

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

-

Der Anteil der Männer ist mit 57,3 % bei den HLU-Empfängern wesentlich höher als bei der Gesamtheit der Arbeitslosen.

-

Gravierende Differenzen finden sich im Hinblick auf die Dauer der Arbeitslosigkeit: Langzeitarbeitslose (1 Jahr und länger) prägen das Profil der HLU-Empfänger (49,3 % gegenüber 30,7 % bei der Gesamtheit), während Fälle extrem kurzer Arbeitslosigkeit (unter 3 Monate) wesentlich seltener sind.

Es zeigt sich, daß die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bei den Arbeitslosen fehlende oder unzureichende AFG-Leistungen kompensieren muß, insbesondere bei Menschen im ‘besten Alter’mit bereits länger bestehender Arbeitslosigkeit.

4.2.4 Die Dauer des HLU-Bezugs Die Dauer der Abhängigkeit von HLU-Leistungen wird erst seit Einführung der neuen Statistik erhoben und liefert repräsentative Ergebnisse, die die kontroverse Diskussion der ‘Bremer Langzeitstudie’(vgl. Leibfried 1995, Zwick 1994) ergänzen und modifizieren können. Ein im Zusammenhang dieses Kapitels wesentlicher Befund ist, daß die HLUAbhängigkeit in den meisten Fällen kurzfristig ist (Leibfried 1995, S. 81) und abgelöst wird von einer Existenzsicherung durch andere Transfersysteme oder Erwerbseinkommen. Hierauf näher einzugehen, sprengt den Rahmen dieses Kapitels; die folgenden Befunde geben jedoch einige interessante Hinweise zu diesem Thema. Wie Tabelle 4-11 zeigt, ist knapp die Hälfte der HLU-Empfänger unter 1 Jahr im HLUBezug, weitere 33,5 % zwischen 1-3 Jahren, während die Langzeitbezieher (3 Jahre und länger) 18,7 % ausmachen. Die ethnischen Unterschiede gehen dahin, daß die Ausländer HLU-Leistungen kürzer in Anspruch nehmen als Deutsche.

102

Einschließlich Staatenlose

25,6

27,4

194436,0

100,0

28,3 18,0 20,2 13,0 6,3 3,8 10,4

18,9

52207,0

100,1

32,6 20,3 22,9 12,0 5,1 2,6 4,6

Deutsche Ausländer 1) (%) (%)

15,6

42931,0

100,0

32,1 21,5 24,2 12,4 5,4 2,7 1,7

unter 7 Jahre (%)

23,3

44782,0

100,1

27,8 18,3 20,6 13,5 7,0 4,2 8,7

17,3

80848,0

100,0

36,0 20,4 21,2 10,7 4,8 2,6 4,3

30,0

47718,0

100,0

26,0 17,2 20,3 13,7 7,0 3,9 11,9

7 b. u. 18 18 b. u. 40 40 b. u. 60 Jahre (%) Jahre (%) Jahre (%)

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte tabellen; eigene Berechnungen

1)

Durchschnittliche Bezugsdauer in Monaten

246643,0

99,9

Insgesamt

Basis

29,2 18,5 20,7 12,8 6,0 3,5 9,2

unter 6 Monate ½ b. u. 1 Jahr 1 b. u. 2 Jahre 2 b. u. 3 Jahre 3 b. u. 4 Jahre 4 b. u. 5 Jahre 5 Jahre und länger

Bisherige Dauer

Insgesamt (%)

Tabelle 4-11: Dauer des HLU-Bezugs nach Nationalität und Alter in Bayern 1997

Arbeits

58,5

30364,0

100,0

14,3 11,6 15,6 16,3 7,3 5,6 29,3

60 Jahre und älter (%)

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Die Differenzierung der HLU-Bezugsdauer nach Altersgruppen zeigt zwar - orientiert man sich am durchschnittlichen HLU-Bezug von 26 Monaten - eine extrem hohe zeitliche HLUAbhängigkeit von 5 Jahren bei der Gruppe der älteren Menschen ab 60 Jahre, sowie eine überdurchschnittliche Bezugsdauer von knapp 2 ½ Jahren bei den 40- bis 60jährigen, während sie bei den jüngeren Altersgruppen unter dem Durchschnitt liegt. Diese Befunde sind jedoch insofern zu relativieren, als sie keine Aussagen darüber zulassen, welchen Anteil das Leben in HLU-Abhängigkeit am bisherigen Lebenslauf hat. Annäherungsweise läßt sich dies an zwei Altersgruppen, nämlich den jüngeren Kindern, die die höchste HLUDichte aufweisen, verdeutlichen: -

Die Kinder unter 3 Jahren, die eine HLU-Dichte von 50 pro 1.000 haben, sind im Schnitt 18 Monate alt und beziehen im Mittel 11 Monate HLU. Dies bedeutet, daß durchschnittlich 60 % ihres Lebens in finanzieller Abhängigkeit von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt verlaufen ist. Diese an Mittelwerten orientierte Betrachtung wäre jahrgangsweise zu differenzieren, was jedoch anhand der vorliegenden Daten nicht möglich ist.

-

Bei den Kindern von 3-6 Jahren, deren HLU-Dichte bei 44 pro 1.000 liegt, läßt sich bei einem Durchschnittsalter von 60 Monaten und einer HLU-Bezugsdauer von im Mittel 20 Monaten konstatieren, daß diese Gruppe etwa ein Drittel ihres Lebens in HLUAbhängigkeit verbracht hat.

Diese holzschnittartigen Befunde machen deutlich, daß Kleinkinder unter 3 Jahren nicht nur am häufigsten von HLU-Abhängigkeit betroffen sind - dies zeigt der Dichtewert von 50 pro 1.000 - sondern auch die in Relation zum Lebensalter höchste HLU-Bezugsdauer aufweisen.

104

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

4.2.5 Regionale Besonderheiten Ein Blick auf die Tabelle 4-12 zeigt, daß es bei der HLU-Dichte, der Zahl der Empfänger pro 1.000 Einwohner, starke regionale Unterschiede gibt, wenn man die Regierungsbezirke vergleicht:

Tabelle 4-12: HLU-Dichte1) in regionaler Gliederung in Bayern 1997 HLU-Dichte Regierungsbezirk Oberbayern Niederbayern Oberpfalz Oberfranken Mittelfranken Unterfranken Schwaben

20 16 17 18 30 21 18

Bayern

20

1)

HLU-Empfänger pro 1.000 Einwohner

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

-

Eine negative Spitzenstellung nimmt Mittelfranken ein, das mit einer HLU-Dichte von 30 weit über dem bayerischen Mittel von 20 liegt; dies resultiert aus der hohen Betroffenheit der in kreisfreien Städten lebenden Bevölkerung, die - dies ebenfalls ein Spitzenwert - 48 % der gesamten Einwohner ausmacht. Hinzu kommt, daß die Arbeitslosenquoten in den städtischen Ballungsräumen durch den Abbau gewerblicher Arbeitsplätze hier seit Jahren überdurchschnittlich hoch sind.

-

Um den bayerischen Mittelwert liegen Oberbayern (20), Unterfranken (21) und Schwaben (18), für deren HLU-Dichte die verschiedensten Ursachen maßgeblich sind, insbesondere jedoch das überdurchschnittliche Gewicht der Städte: So entfallen in Oberbayern 52 % der HLU-Empfänger auf die Landeshauptstadt München, während ihr Bevölkerungsanteil nur 30 % beträgt; in Schwaben leben 33 % der HLUEmpfänger in Augsburg, jedoch nur 15 % der Einwohner.

-

Die ländlich geprägten Regierungsbezirke Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken sind die Gebiete mit den niedrigsten HLU-Dichten.

105

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-13: Die HLU-Dichte1) in bayerischen Großstädten 1997 HLU-Dichte

Einwohner

München Nürnberg Augsburg Würzburg Regensburg Ingolstadt Fürth Erlangen

35 61 40 31 47 37 44 24

1.205.923 489.758 256.625 126.392 125.085 113.494 109.521 100.330

Mittelwert/Summe

41

2.527.128

1)

HLU-Empfänger pro 1.000 Einwohner

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Die hohen HLU-Dichten der kreisfreien Städte werden durch die Konzentration auf die acht bayerischen Großstädte, in denen 75 % der ‘Stadtbevölkerung’ leben, geprägt (Tabelle 4-13). Dies zeigt sich besonders deutlich in Mittelfranken: 48 % der Bevölkerung leben dort in kreisfreien Städten, davon knapp zwei Drittel in Nürnberg, das mit einer HLUDichte von 61 pro 1.000 den negativen Spitzenwert erreicht, gefolgt von Fürth mit einer HLU-Dichte von 44; in diesen beiden Städten wohnen 70 % der HLU-Empfänger, aber nur 36 % der Einwohner des Regierungsbezirks Mittelfranken.

4.2.6 Struktur und Situation der HLU-Haushalte (Bedarfsgemeinschaften) Die neue Sozialhilfestatistik enthält als zweite Erhebungseinheit die Haushalte, die als Bedarfsgemeinschaften bezeichnet werden; zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören die Personen, die in die gemeinsame Sozialhilfeberechnung einbezogen werden. Insgesamt differenziert die Statistik nach 15 Haupttypen und weiteren 9 zusätzlichen Untergliederungen, eine für Analysen nicht mehr geeignete Größe von Teilmengen. Deshalb wurde zunächst eine Komprimierung auf 7 Haushaltstypen vorgenommen, die im folgenden Abschnitt beschrieben werden. Die wesentlichen Dimensionen zur Beschreibung der Haushalte sind Strukturmerkmale, die sozioökonomische Situation und die Bedeutung der HLU für die wirtschaftliche Existenzsicherung.

106

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Die Haushaltsstruktur Betrachtet man zunächst die Haushaltsgröße, so stellen die 1-Personen-Haushalte mit 45,0 % die weitaus größte Gruppe, gefolgt von den 2-Personen-Haushalten, die gut ein Viertel (26,1 %) der HLU-Empfänger ausmachen; die größeren Haushalte haben folgende Anteile: 3 Personen 15,6 %, 4 Personen 8,2 %, Haushalte mit 5 und mehr Personen machen 5,1 % aus. Dabei zeigen sich deutliche ethnische Unterschiede: Die größeren Haushalte (4 und mehr Personen) haben bei den Ausländern mit knapp 24 % einen doppelt so hohen Anteil wie bei den Deutschen (knapp 12 %), während bei letzteren die 1-PersonenHaushalte wesentlich häufiger (45 %) vorkommen als bei den Ausländern (34 %). Die Haushaltsstruktur anhand von 7 Typen ergibt folgendes Profil der HLU-Bezieher (Tabelle 4-14): -

Die Haushalte ohne Kinder stellen die größte Gruppe (60,0 %) dar, sie wird von den Alleinstehenden dominant geprägt; Ehepaare/Lebensgemeinschaften und ‘Sonstige’ bilden vergleichbar kleine Teilgruppen. Bei den sonstigen Haushalten handelt es sich in erster Linie um Angehörige von Mehr-Personen-Haushalten, die jedoch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden.

-

Gut ein Drittel (36,9 %) der Haushalte hat Kinder (unter 18 Jahre); sie sind anders zusammengesetzt als die bayerischen Haushalte insgesamt, denn zwei Drittel (24,8 % von 36,9 %) dieser Gruppe bestehen aus Alleinerziehenden, nur ein Drittel aus Familien/Lebensgemeinschaften (10,7 % von 36,9 %). Bei den Alleinerziehenden handelt es sich fast ausschließlich um Frauen (98 %). Auch hier gibt es die Kategorie ‘Sonstige’, die den beiden klar definierten Haushaltstypen nicht zuzuordnen sind, da sie eigenständige Bedarfsgemeinschaften bilden.

107

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-14: Struktur der HLU-Haushalte (Bedarfsgemeinschaften) in Bayern 1997 Insgesamt (%)

Deutsche (%)

Ausländer1) (%)

60,0

60,6

57,3

42,1

43,4

36,3

8,6 9,3

7,6 9,6

13,0 8,0

36,9

36,4

39,2

Familien, Lebensgemeinschaften Alleinerziehende Sonstige

10,7 24,8 1,5

8,2 26,6 1,7

21,3 17,1 0,8

Nicht zuzuordnende Haushalte

3,1

3,0

3,5

100,0

100,0

100,0

133.903

108.241

25.662

Haushaltstyp

Haushalte ohne Kinder Alleinstehende Ehepaare, Lebensgemeinschaften Sonstige Haushalte mit Kindern

Insgesamt Basis 1)

Einschließlich Staatenlose

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Die ethnischen Differenzen sind eindeutig: Weniger kinderlose Haushalte bei den Ausländern, insbesondere bei den Alleinstehenden; die ausländischen Haushalte mit Kindern werden wesentlich stärker durch Familien bestimmt, wenn auch bei ihnen der Anteil der Alleinerziehenden relativ hoch ist.

108

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Daten zum HLU-Bezug Wie stark die Haushalte zu ihrer finanziellen Existenzsicherung auf den Bezug laufender Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind, zeigt Tabelle 4-15. Sie weist - gegliedert nach der Haushaltsgröße - aus, wie viele Haushaltsmitglieder HLU-Bezieher sind. Wegen der unterschiedlichen Haushaltsgrößen wurde der Anteil der Haushaltsmitglieder berechnet, der HLU bezieht. Läßt man die 1-Personen-Haushalte außer acht, so ergibt sich, -

daß, wenn ein Mehr-Personen-Haushalt HLU bezieht, die meisten Haushaltsmitglieder auf diese Transferleistungen angewiesen sind.

Tabelle 4-15 HLU-Abhängigkeit nach Haushaltsgröße in Bayern 1997 HLU-Haushalte ( %)

Anteil der HLU-Empfänger im Haushalt ( %)

45,0 26,1 15,6 8,2 3,3 1,8

100,0 92,3 90,2 89,9 87,8 86,7

100,0

92,5

1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen 6 und mehr Personen Insgesamt

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Im Schnitt sind bei den Mehr-Personen-Haushalten 88 % von HLU abhängig, die Streuung reicht von 92,3 % bei den 2-Personen-Haushalten bis 86,7 % bei den Haushalten mit 6 und mehr Personen. Man sieht an diesem Befund, daß die am HLU-Bezug festgemachte Einkommensarmut nicht nur Einzelne betrifft, sondern meist die sozioökonomische Situation des gesamten Haushalts dominant prägt. Da die Sozialhilfe eine ‘nachrangige’finanzielle Leistung darstellt, wird zur Prüfung des Anspruchs auf HLU-Leistungen und zur Bestimmung des Leistungsumfangs das Haushaltseinkommen (genauer: die Haushaltseinkünfte) erfaßt. In der Statistik dokumentiert werden einmal alle verfügbaren Einkommensarten und zum anderen diejenige, die am meisten zum Haushaltseinkommen beiträgt (Haupteinkommensart). Die Ergebnisse, differenziert nach den definierten Haushaltstypen, ergeben das in Tabelle 4-16 dargestellte Profil.

109

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-16: Art des angerechneten Haupteinkommens der HLU-Haushalte in Bayern 1997

ERWACHSENENHAUSHALTE ALLE HAUSHALTE (%)

Insgesamt

Kein Einkommen

HAUSHALTE MIT KINDERN

Ehep., Lebensge. (%)

Sonstige

Insgesamt

(%)

Alleinstehende (%)

Alleinerziehende (%)

Sonstige

(%)

Familien, Lebensge. (%)

(%)

11,0

17,1

14,4

11,6

34,6

1,0

1,2

0,7

4,2

Erwerbseinkommen

11,4

7,5

6,5

11,4

8,1

17,8

24,2

16,0

3,2

Rente

15,1

23,7

24,8

33,4

9,3

2,1

3,5

1,5

2,1

ALG

3,8

3,5

3,8

5,2

0,7

4,3

9,1

2,5

0,1

ALHI

5,7

5,7

6,1

8,4

1,1

6,1

13,2

3,4

0,4

43,2

37,4

39,7

25,7

37,9

51,9

42,8

54,1

79,1

Private Unterhaltsleistungen

6,4

2,3

2,0

1,0

4,7

13,1

0,7

18,7

9,0

Sonstiges

3,3

3,0

2,8

3,2

3,6

3,8

5,3

3,3

1,8

Insgesamt

99,9

100,2

100,1

99,9

100,0

100,1

100,0

100,2

99,9

133.903

80.291

56.334

11.534

12.432

49.477

14.292

33.160

2.025

(%)

Einkommensart

Weitere staatliche Transfers1)

Basis

1)

u. a. Krankengeld, Unterhaltsvorschußleistungen, Kindergeld

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Danach sind -

Transferleistungen die primären Einkommensquellen, die 67,8 % ausmachen, seien es Renten (15,1 %), AFG-Leistungen (9,6 %) oder andere staatliche Transfers (in erster Linie Kindergeld, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz [UVG] ); demgegenüber spielen private Unterhaltsleistungen (6,4 %) sowie Erwerbseinkommen (11,4 %) eine marginale Rolle - dies vor dem Hintergrund, daß jeder neunte HLUHaushalt überhaupt keine Einkünfte hat.

Betrachtet man diesen Befund im einzelnen, so lassen sich einige haushaltsspezifische Besonderheiten erkennen:

110

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

-

Jeder sechste Erwachsenenhaushalt ohne Kinder verfügt über keine Einkünfte; sie erhalten jedoch zu einem Viertel (unzureichende) Leistungen aus der Rentenversicherung.

-

Die Haushalte mit Kindern erhalten wesentlich mehr staatliche Transferleistungen (51,9 %) als Haupteinkommen, insbesondere Kindergeld13 und Unterhaltsvorschuß; der Anteil von Haushalten mit Erwerbseinkommen liegt wesentlich höher (17,8 %) als bei den Erwachsenenhaushalten.

-

Die Haushalte mit Kindern differieren stark nach ihrer Lebensform: Familien/Lebensgemeinschaften haben zu einem Viertel Erwerbseinkommen, weitere 25,8 % aus Erwerbstätigkeit abgeleitete Transfers (Rente, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe) als Haupteinkommen, während bei den alleinerziehenden Frauen private Unterhaltsleistungen (18,7 %) gefolgt von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz bedeutsam sind.

Das Leistungsniveau der HLU wird in der Statistik differenziert dargestellt. Die Höhe der monatlichen HLU-Leistung (Nettoanspruch) wird festgelegt als Differenz zwischen Bruttobedarf und angerechnetem Einkommen, dessen Struktur sich aus Tabelle 4-16 entnehmen läßt. Der Bruttobedarf setzt sich zusammen aus: Regelsatz, Kosten für Miete, Heizungskosten, Versicherungsbeiträgen (Krankheit, Alterssicherung) und evtl. Mehrbedarfszuschlägen. Er definiert also das haushaltsspezifische Existenzminimum, das nach Abzug des angerechneten Einkommens den tatsächlichen Sozialhilfebetrag ergibt. Anhand von Mittelwerten sind die einzelnen Komponenten nach der Haushaltsstruktur dargestellt. (Tabelle 4-17) Nicht berücksichtigt sind dabei die einmaligen Leistungen, die durchschnittlich 16 % des Bruttobedarfs ausmachen.

13

Ab 1996 wird Kindergeld im Rahmen der Neuregelung des Familienlastenausgleichs nur dann gezahlt, wenn kein Kinderfreibetrag als Freistellung des steuerlichen Existenzminimums berücksichtigt wird - dies gilt jedoch nur für Erwerbstätige.

111

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Tabelle 4-17: Vergleich von monatlichem Bruttobedarf und Nettoanspruch der HLU-Haushalte in Bayern 1997 Nettoanspruch in DM

Nettoanspruch in % vom Bruttobedarf

1.022 1.499 1.867 2.189 2.627

618 824 910 1.003 1.102

60,5 55,0 48,7 45,8 41,9

1.093 1.085

653 657

59,7 60,6

1.620 642

854 446

52,7 69,5

2.044

974

47,7

2.373 1.984 691

1.106 955 359

46,6 48,1 51,9

Nicht zuzuordnende Haushalte

1.459

732

50,2

Insgesamt

1.456

774

53,2

Haushaltstyp

Bruttobedarf in DM

Haushaltsgröße 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 und mehr Personen Haushaltstyp Haushalte ohne Kinder Alleinstehende Ehepaare, Lebensgemeinschaften Sonstige Haushalte mit Kindern Familien, Lebensgemeinschaften Alleinerziehende Sonstige

Quellen: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern 1997, Teil 2: Empfänger; unveröffentlichte Arbeitstabellen; eigene Berechnungen

Zunächst ergibt sich für alle bayerischen HLU-Haushalte im Mittel ein -

Bruttobedarf von 1.456 DM, der - nach Abzug aller vorrangigen Leistungen und Einkünfte - sich auf einen Nettoanspruch von 53,2 %, das sind 774 DM reduziert, der durch die Sozialhilfe gedeckt wird.

Das Niveau des Bruttobedarfs steigt zwar mit zunehmender Haushaltsgröße, jedoch nicht proportional - ein Indiz dafür, daß die Kosten für Miete und Heizung einen wesentlichen Anteil des Bedarfs ausmachen; so liegt der Bruttobedarf der 4-Personen-Haushalte ‘nur’ bei etwa dem Doppelten (214 %) von dem der 1-Personen-Haushalte.

112

Material- und Analyseband zur sozialen Lage in Bayern 1998

4. Einkommen und Sozialhilfe

Der haushaltsspezifische Vergleich von Bruttobedarf und Nettoanspruch verdeutlicht, daß mit zunehmender Haushaltsgröße der durch die Sozialhilfe zu zahlende Betrag relativ (nicht absolut) abnimmt. Dies liegt - vergleicht man die Haushaltstypen - daran, daß - wie aus Tabelle 4-16 ersichtlich - die Haushalte mit Kindern, insbesondere Familien, mehr ‘vorrangige’ Einkommensquellen haben, sei es (unzureichendes) Erwerbseinkommen, seien es AFG-Leistungen oder staatliche Transfers - letztere insbesondere bei Alleinerziehenden. Deutlich wird an diesen Ergebnissen, daß eigenes Einkommen und vorrangige Sicherungssysteme so unzureichend sind, daß die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt die Hälfte zur Gewährung des finanziellen Existenzminimums beitragen muß.

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4. Einkommen und Sozialhilfe

Literatur

Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Sonderauswertung des Mikrozensus 1997 für den Analyseband zur sozialen Lage in Bayern, München 1999 Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Die Sozialhilfe in Bayern, Teil I: Ausgaben und Einnahmen, Teil II: Empfänger; verschiedene Jahrgänge BMFSFJ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zehnter Kinderund Jugendbericht, Bonn 1998 Bundesanstalt für Arbeit: Strukturanalyse 1997, Bestände sowie Zu- und Abgänge an Arbeitslosen und offenen Stellen, Nürnberg 1998 DGB Bayern (Hrsg.): Leben ohne Würde. Armut in Bayern. Bayerischer Armutsbericht 1994, München 1994 Döring, D.; Hanesch, H.; Huster, E. U. (Hrsg.): Armut im Wohlstand, Frankfurt a. M. 1990 Hanesch, W.; Bäcker, G.: Sozialberichterstattung Nordrhein-Westfalen - Datenquellen und empirische Befunde, Mönchengladbach/Düsseldorf 1993 (hektographiertes Manuskript) Hartmann, H.: Sozialhilfebedürftigkeit und ‘Dunkelziffer der Armut’, Stuttgart 1981 Hauser, R.; Cremer-Schäfer, H.; Nouvertné, U.: Armut, Niedrigeinkommen und Unterversorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M./New York 1986 Hauser, R.; Hübinger, W.: Arme unter uns. Teil 1: Ergebnisse und Konsequenzen der Caritas-Armutsuntersuchung, Freiburg 1993 Hübinger, W.; Hauser, R.: Die Caritas-Armutsuntersuchung. Eine Bilanz, Freiburg 1995. Hübinger, W.: Prekärer Wohlstand. Neue Befunde zu Armut und sozialer Ungleichheit, Freiburg 1996 Infratest Burke Sozialforschung: Alterssicherung in Deutschland 1995 (ASID ’95). Sonderauswertung für den Analyseband zur sozialen Lage in Bayern, München 1997 ISL - Institut für Sozialberichterstattung und Lebenslagenforschung: Verdeckte Armut in Deutschland, Frankfurt a. M. 1998 Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schlußbericht der Kommission an den Rat über das erste Programm von Modellvorhaben und Modellstudien zur Bekämpfung von Armut (KOM (81) 769 endg./2), Brüssel 1981

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4. Einkommen und Sozialhilfe

Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Schlußbericht des zweiten Programms zur Bekämpfung von Armut 1985-1989 (KOM (91) endg.), Brüssel 1991 Leibfried, S. u. a.: Zeit der Armut. Lebensläufe im Sozialstaat, Frankfurt a. M. 1995 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Datenreport 1997, Bonn 1997 Statistisches Bundesamt: Verfügbare Einkommen, Zahl der Haushalte und Haushaltsmitglieder nach Haushaltsgruppen, Wiesbaden 1998 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 3 Haushalte und Familien 1997, Wiesbaden 1998 Statistisches Bundesamt: Sozialleistungen, Fachserie 13, Reihe 2 Sozialhilfe 1997, Wiesbaden 1998 Zwick, M. M.: Einmal arm, immer arm? Frankfurt a. M./New York 1994

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