4 Das Riemann-Integral im R n

Mathematik f¨ ur Physiker III, WS 2012/2013 Freitag 16.11 $Id: nintegral.tex,v 1.5 2012/11/16 17:49:54 hk Exp hk $ §4 Das Riemann-Integral im Rn ...
Author: Julius Abel
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Mathematik f¨ ur Physiker III, WS 2012/2013

Freitag 16.11

$Id: nintegral.tex,v 1.5 2012/11/16 17:49:54 hk Exp hk $

§4

Das Riemann-Integral im Rn

4.1

Das n-dimensionale Riemann-Integral

Die Konstruktion des Riemann-Integrals folgt der in der letzten Sitzung besprochenen Standardheuristik, der Definitionsbereich des Integranden wird zerteilt, das Integral wird approximiert indem die Funktion auf jedem dieser St¨ ucke durch einen ihrer Werte ersetzt wird und dann wird der Grenz¨ ubergang f¨ ur immer feinere Zerteilungen gebildet. Dies wirklich durchzuf¨ uhren erfordert allerdings einen gewissen technischen Aufwand. Um das ganze u uhrbar zu machen, werden zun¨achst einige Normierun¨berhaupt durchf¨ gen vorgenommen. Wir betrachten als Integrationbereiche zun¨achst einmal nur achsenparallele Quader, erst in einem zweiten Schritt werden wir dann auch allgemeinere K¨orper zulassen. Auch unsere immer feiner werdenden Zerlegungen sollen dabei ganz aus achsenparallelen Quadern bestehen. Bevor wir irgendetwas sinnvolles tun k¨onnen, brauchen wir erst einmal eine ganze Reihe technischer Definitionen, in denen Quader, die erlaubten Zerlegungen, die approximierten Integrale und so weiter definiert werden. Das macht den Start dieses Abschnitts leider recht definitionslastig, das l¨aßt sich aber nicht vermeiden. Wir beginnen mit der Definition achsenparalleler Quader. Da wir keine anderen Quader betrachten werden, nennen wir diese verk¨ urzend einfach Quader und lassen den Zusatz achsenparallel“ weg. ” Definition 4.1: Sei n ∈ N mit n ≥ 1. Eine Teilmenge Q ⊆ Rn heißt dann ein Quader wenn es Punkte a, b ∈ Rn mit Q = [a, b] := {x ∈ Rn |∀(1 ≤ i ≤ n) : ai ≤ x ≤ bi } ⊆ Rn gibt. Ist dabei Q 6= ∅, so gilt ai = min{xi |x ∈ Q} und bi = max{xi |x ∈ Q} f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n, die Punkte a, b sind dann also eindeutig durch die Menge Q festgelegt. Der Quader heißt nicht ausgeartet wenn Q 6= ∅ und ai < bi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n gilt, andernfalls nennen wir den Quader ausgeartet. Schließlich heißt die Zahl n Y vol(Q) := (bi − ai ) i=1

im Fall Q 6= ∅ das Volumen von Q. Das Volumen des leeren Quaders definieren wir als vol(∅) := 0.

8-1

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Freitag 16.11 (1,3,3)

z

(1,2,3)

(3,3,3) (3,2,3)

y (2,5)

(8,5)

[(1,2,0),(3,3,3)]

[(2,1),(8,5)] y (1,3,0)

(2,1)

(8,1)

(1,2,0)

(3,2,0)

x

Quader im R

(3,3,0)

x

2

Quader im R3

Beachte das wir auch Dinge wie die leere Menge oder ein in einer waagerechten Ebene liegendes, achsenparalleles Rechteck im R3 als Quader“ bezeichnen. Dies ist zwar ein ” gewisser Bezeichnungsmissbrauch, hat aber den Vorteil das der Durchschnitt je zweier Quader ohne Ausnahmef¨alle wieder ein Quader ist. In der Tat, sind Q, Q0 ⊆ Rn Quader, so ist Q ∩ Q0 im Fall Q ∩ Q0 = ∅ sofort ein Quader. Ist dagegen Q ∩ Q0 6= ∅, so sind auch Q, Q0 6= ∅ und wir erhalten eindeutige a, a0 , b, b0 ∈ Rn mit Q = [a, b] und Q0 = [a0 , b0 ], also insbesondere ai ≤ bi und a0i ≤ b0i f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n. Setzen wir dann f¨ ur jedes 1≤i≤n ci := max{ai , a0i } und di := min{bi , b0i }, so ist wegen Q ∩ Q0 6= ∅ wieder ci ≤ di und es gilt Q ∩ Q0 = [c, d], d.h. Q ∩ Q0 ist auch in diesem Fall ein Quader. Weiter behaupten wir das ein Quader Q ⊆ Rn genau dann ausgeartet ist wenn vol(Q) = 0 gilt. Im Fall Q = ∅ ist dies klar, wir k¨onnen also Q 6= ∅ annehmen. Dann gibt es a, b ∈ Rn mit Q = [a, b] und es gilt ai ≤ bi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n. Definitionsgem¨aß ist der Quader Q genau dann ausgeartet wenn es ein 1 ≤ i ≤ Q n mit ai = bi , also bi − ai = 0, gibt und dies ist schließlich ¨aquivalent zu vol(Q) = ni=1 (bi − ai ) = 0. Nachdem wir damit die Quader behandelt haben, kommen wir jetzt zu den Zerlegungen eines Quaders. Wir erinnern uns zun¨achst an den in II.§2 besprochenen eindimensionalen Fall, sind a, b ∈ R mit a < b, so hatten wir eine Zerlegung α des Intervalls [a, b] als ein Tupel α = (t0 , . . . , tr ) reeller Zahlen mit a = t0 < t1 < · · · < tr−1 < tr = b definiert. Die gr¨oßte dabei auftretende Schrittweite δ(α) := max (ti − ti−1 ) 1≤i≤r

hieß dann die Feinheit der Zerlegung α. Haben wir jetzt einen n-dimensionalen Quader, so definieren wir Zerlegungen dieses Quaders indem jede seiner Dimensionen einzeln zerlegt wird, wir haben also ein ganzes n-Tupel eindimensionaler Zerlegungen. Dies f¨ uhrt uns auf die folgende technische Definition. 8-2

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Definition 4.2: Seien n ∈ N mit n ≥ 1 und Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader, d.h. es gibt eindeutige a, b ∈ Rn mit ai < bi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n und Q = [a, b]. Eine Zerlegung α des Quaders Q ist ein Tupel α = (αi )1≤i≤n wobei αi f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n eine Zerlegung des Intervalls [ai , bi ] ist. Wir nennen die Zahl δ(α) := max δ(αi ) 1≤i≤n

die Feinheit der Zerlegung α. Schreiben wir f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n die Zerlegung αi von [ai , bi ] als αi = (ti,0 , . . . , ti,ri ), so nennen wir die Menge n Y Iα := {1, . . . , ri } i=1

ur jedes j ∈ Iα heißt der nicht ausgeartete Quader die Indexmenge von α und f¨ Qα,j = Qj := [(ti,ji −1 )1≤i≤n , (ti,ji )1≤i≤n ] ⊆ Q der j-te Teilquader der Zerlegung α. t23 Q13

Q23

Q33

Q43

Q12

Q22

Q32

Q42

Q11

Q21

Q31

Q41

t22 t21

t20

t10

t11

t12

t13

t14

Zerlegung

Keine Zerlegung

Haben wir eine solche Zerlegung α eines nicht ausgearteten Quaders Q = [a, b] ⊆ Rn , so gelten einige einfache Grundeigenschaften: 1. Es ist Q=

[

Qα,j .

j∈Iα

ur jedes j ∈ Iα die rechts stehende Menge Zun¨achst ist dabei wegen Qα,j ⊆ Q f¨ eine Teilmenge von Q. Ist umgekehrt x ∈ Q, so gilt f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n stets ai ≤ xi ≤ bi , also xi ∈ [ai , bi ] und somit existiert ein 1 ≤ ji ≤ ri mit ti,ji −1 ≤ xi ≤ ti,ji . Setzen wir also j := (ji )1≤i≤n ∈ Iα , so ist x ∈ Qα,j . Damit ist die Gleichheit dieser beiden Mengen bewiesen. 2. Sind j, k ∈ Iα mit j 6= k, so ist Qα,j ∩ Qα,k ein ausgearteter Quader. Wegen j 6= k gibt es n¨amlich ein 1 ≤ i ≤ n mit ji 6= ki , nach eventuellen Vertauschen von j und k, k¨onnen wir etwa ji < ki annehmen. Dann ist ( {ti,ji }, ki = ji + 1, [ti,ji −1 , ti,ji ] ∩ [ti,ki −1 , ti,ki ] = ∅, ji + 1 < k i , 8-3

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also haben wir Qα,j ∩ Qα,k ⊆ {x ∈ Rn |xi = ti,ji }, und damit ist dieser Durchschnitt ausgeartet. 3. Es gilt vol(Q) =

X

vol(Qα,j ).

j∈Iα

Dies laßt sich durch einfaches Ausmultiplizieren begr¨ unden, f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n gilt ri X bi − ai = (tji − tji −1 ), ji =1

also erhalten wir ! ri n n Y Y X (bi − ai ) = (ti,ji − ti,ji −1 ) vol(Q) = i=1

i=1

ji =1 n XY X = (ti,ji − ti,ji −1 ) = vol(Qα,j ). j∈Iα i=1

j∈Iα

Wie schon angek¨ undigt wird das Riemann-Integral als ein Grenzwert u ¨ber immer feiner werdende Zerlegungen definiert werden. Die dabei verwendeten Zerlegungen α haben wir jetzt definiert und wir haben ihnen auch eine Zahl δ(α) zugeordnet die die Feinheit der Zerlegung α mißt. Bei einem Grenz¨ ubergang nach feiner werdenden Zerlegungen treten dann gleich mehrere Zerlegungen auf, und um solche miteinander zu vergleichen wollen wir definieren was es bedeutet das eine Zerlegung eine Verfeinerung einer anderen Zerlegung ist. Im eindimensionalen Fall haben wir dies bereits getan, hatten wir zwei reelle Zahlen a, b ∈ R mit a < b und zwei Zerlegungen α = (t0 , . . . , tn ), β = (s0 , . . . , sm ) des Intervalls [a, b], so wurde β eine Verfeinerung von α genannt wenn {t0 , . . . , tn } ⊆ {s0 , . . . , sm } gilt, wenn also einfach bei β nur mehr Zerteilungspunkte hinzukommen. Ist β eine Verfeinerung von α, so hatten wir dies symbolisch als α ≤ β notiert und jedes der Teilintervalle [ti−1 , ti ] f¨ ur 1 ≤ i ≤ n war eine Vereinigung von Teilintervallen der Zerlegung β. Außerdem war offenbar δ(β) ≤ δ(α). Hatten wir weiter zwei beliebige Zerlegungen α = (t0 , . . . , tn ), β = (s0 , . . . , sm ) unseres Intervalls [a, b], so gab es immer eine weitere Zerlegung γ von [a, b] mit γ ≥ α und γ ≥ β, d.h. eine gemeinsame Verfeinerung von α und β. Konkret konnten wir zum Beispiel die kleinste gemeinsame Verfeinerung α ∪ β := (r0 , . . . , rs ) definiert durch {r0 , . . . , rs } = {t0 , . . . , tn } ∪ {s0 , . . . , sm } verwenden. Diesen Verfeinerungsbegriff wollen wir jetzt auf den n-dimensionalen Fall u ¨bertragen. 8-4

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Definition 4.3: Seien n ∈ N mit n ≥ 1 und Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader im Rn . Weiter seien α = (αi )1≤i≤n und β = (βi )1≤i≤n zwei Zerlegungen von Q. Dann heißt β eine Verfeinerung von α, geschrieben als α ≤ β, wenn βi f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n eine Verfeinerung von αi ist. Durch die komponentenweise Definition u ¨bertragen sich die Grundeigenschaften eindimensionaler Verfeinerungen sofort auf den n-dimensionalen Fall. Sind α, β wie in der Definition mit α ≤ β, so ist f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n wegen αi ≤ βi auch δ(αi ) ≤ δ(βi ) und damit ist δ(β) = max δ(βi ) ≤ max δ(αi ) = δ(α). 1≤i≤n

1≤i≤n

Weiter ist jeder Teilquader der Zerlegung α eine Vereinigung von Teilquadern der Zerlegung β. Zu je zwei beliebigen Zerlegungen α, β von Q gibt es auch immer eine gemeinsame Verfeinerung, wir k¨onnen zum Beispiel die Zerlegung α ∪ β := (αi ∪ βi )1≤i≤n hierf¨ ur verwenden. Wir brauchen auch noch eine kleine Variante des Zerlegungsbegriffs. Wie schon erw¨ahnt wollen wir das Integral einer Funktion f : Q → R u ¨ber einen Quader Q definieren, und hierzu wird der Quader Q zerlegt, die Funktion f auf jedem der entstehenden Teilquader durch einen ihrer Werte auf diesem Quader approximiert und anschließend der Grenz¨ ubergang nach immer feiner werdenden Zerlegungen durchgef¨ uhrt. Wir m¨ ussen noch entscheiden welchen der Werte von f wir auf jeden der Teilquader verwenden wollen. Hierzu geben wir uns f¨ ur jeden Teilquader Qj einen Punkt sj ∈ Qj vor, und werten die Funktion die Funktion f in sj aus, d.h. f wird soll auf Qj durch f (sj ) approximiert werden. Eine Zerteilung ist jetzt eine Zerlegung zusammenen mit einer Auswahl dieser Auswertungspunkte. Definition 4.4: Seien n ∈ N mit n ≥ 1 und Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader. Eine Zerteilung ζ von Q ist ein Paar ζ = (α, s) bestehend aus einer Zerlegung α von Q und einem Tupel s = (sj )j∈Iα mit sj ∈ Qα,j f¨ ur jedes j ∈ Iα . Die Feinheit der Zerteilung ζ wird als δ(ζ) := δ(α) definiert. Ist weiter f : Q → R eine auf Q definierte Funktion, so heißt die Zahl X R(f ; ζ) := f (sj ) · vol(Qα,j ) j∈Iα

die zur Zerteilung ζ von Q geh¨orende Riemannsumme von f . Die Riemannsumme R(f ; ζ) ist die angek¨ undigte Approximation des Integrals von f u ¨ber Q, welches wir als Grenzwert dieser Riemannsummen definieren wollen. Eine kleine Verfeinerung dieser Grundidee stellt sich dann als technsich etwas geschickter heraus, wir benutzen nicht direkt die Riemannsummen zur Definition, sondern sogenannte Ober- und Untersummen. Definition 4.5: Seien n ∈ N mit n ≥ 1, Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader im Rn und f : Q → R eine beschr¨ankte Funktion. Weiter sei α eine Zerlegung von Q. F¨ ur 8-5

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jedes j ∈ Iα setzen wir dann mj := mα,j (f ) := inf f (x) und Mj := Mα,j (f ) := sup f (x) x∈Qα,j

x∈Qα,j

und definieren die Unter- beziehungsweise Obersumme von f zur Zerlegung α als X S(f ; α) := mj · vol(Qα,j ) (Untersumme) j∈Iα

S(f ; α) :=

X

Mj · vol(Qα,j ) (Obersumme).

j∈Iα

Untersumme

Obersumme

Wir wollen uns ein einfaches explizites Beispiel zur Unter- und Obersumme anschauen. Sei also Q = [a, b] ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader im Rn . Weiter sei A ⊆ Q eine Teilmenge. Als die charakteristische Funktion der Menge A bezeichnet man die Funktion ( 1, x ∈ A, χA : Rn → R; x 7→ 0, x ∈ / A. Sei weiter α eine Zerlegung von Q. Ist j ∈ Iα , so k¨onnen drei verschiedene M¨oglichkeiten vorliegen. Die erste M¨oglichkeit ist das A ⊆ Qj gilt und dann ist χA (x) = 1 f¨ ur alle x ∈ Qj , also haben wir mj = Mj = 1. Die zweite M¨oglichkeit ist A ∩ Qj = ∅, also χA (x) = 0 f¨ ur alle x ∈ Qj und wir haben mj = Mj = 0. Es verbleibt dann nur noch die dritte M¨oglichkeit A ∩ Qj 6= ∅ und Qj 6⊆ A, d.h. es gibt sowohl ein x ∈ Qj mit x ∈ A und somit χA (x) = 1, als auch ein x ∈ Qj mit x ∈ / A, also χA (x) = 0. Dann ist also mj = 0 und Mj = 1. Unter- und Obersummen ergeben sich damit als X S(χA ; α) = vol(Qj ), j∈Iα A⊆Qj

S(χA ; α) =

X j∈Iα A∩Qj 6=∅

8-6

vol(Qj ).

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In Aufgabe (18) wird ein weiteres explizites Beispiel behandelt. Bevor wir fortfahren und schließlich zur angestrebten Integraldefinition kommen, wollen wir ein kleines Lemma u ¨ber Unter-, Ober- und Riemannsummen festhalten. Zur Formulierung dieses Lemma ben¨otigen wir noch einige kleine Definitionen. Definition 4.6: Seien n ∈ N mit n ≥ 1, Q ⊆ Rn ein Quader und f : Q → R eine beschr¨ankte Funktion. (a) Sei n > 1 und Q 6= ∅. Dann ist Q = [a, b] mit eindeutigen a, b ∈ Rn und wir nennen Qi := [(a1 , . . . , abi , . . . , an ), (b1 , . . . , bbi , . . . , bn )] ⊆ Rn−1 f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n die i-te Seite von Q (dabei ist b das Auslassungssymbol, d.h. der gekennzeichnete Teil der Auflistung wird weggelassen). Ist Q = ∅, so setzen wir auch Qi := ∅ f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n. (b) Im Fall n > 1 schreiben wir s(Q) := max vol(Qi ) 1≤i≤n

und f¨ ur n = 1 setzen wir einfach s(Q) := 1. (c) Ist Q nicht ausgeartet und ist α = (αi )1≤i≤n eine Zerlegung von Q, wobei f¨ ur 1 ≤ i ≤ n stets αi = (ti0 , . . . , ti,ni ) sei, so schreiben wir n(α) :=

n X

ni .

i=1

(d) Im Fall Q 6= ∅ setzen wir ∆(f ; Q) := sup |f (x) − f (y)| x,y∈Q

und f¨ ur Q = ∅ sei ∆(f ; ∅) := 0. Damit kommen wir zu unserem angek¨ undigten Lemma. Lemma 4.1: Seien n ∈ N mit n ≥ 1, Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader und f : Q → R eine beschr¨ankte Funktion. (a) Sind α, β zwei Zerlegungen von Q mit α ≤ β, so gelten S(f ; α) ≤ S(f ; β) und S(f ; α) ≥ S(f ; β). (b) Sind α, β zwei Zerlegungen von Q, so gilt S(f ; α) ≤ S(f ; β). 8-7

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(c) Ist ζ eine Zerteilung von Q mit zugeh¨origer Zerlegung α, so ist S(f ; α) ≤ R(f ; ζ) ≤ S(f ; ζ). (d) Seien α eine Zerlegung von Q und  > 0. Dann existieren Zerteilungen ζ, ζ 0 von Q mit zugeh¨origer Zerlegung α so, dass S(f ; α) −  < R(f ; ζ) ≤ S(f ; α) und S(f ; α) ≤ R(f ; ζ 0 ) < S(f ; α) +  gelten. (e) Seien α, β zwei Zerlegungen von Q und C ≥ 0 mit |f (x)| ≤ C f¨ ur alle x ∈ Q. Dann gelten S(f ; β) ≤ S(f ; α ∪ β) ≤ S(f ; β) + 2Cs(Q)(n(α) − n)δ(β) und S(f ; β) ≥ S(f ; α ∪ β) ≥ S(f ; β) − 2Cs(Q)(n(α) − n)δ(β). (f ) F¨ ur jede Zerlegung α von Q gilt S(f ; α) − S(f ; α) =

X

∆(f ; Qα,j ) · vol(Qα,j ).

j∈Iα

Beweis: (a,e) Im Fall n = 1 gelten beide Behauptungen nach II.§2.Lemma 2.(a,e), wir k¨onnen im folgenden also n > 1 annehmen und werden beide Aussagen durch R¨ uckf¨ uhrung auf den schon bekannten eindimensionalen Fall beweisen. Schreibe Q = [a, b] mit a, b ∈ Rn und ai < bi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n. Weiter seien α, β zwei Zerlegungen von Q. Wir betrachten zun¨achst den Fall das α sich nur in einer einzigen Komponente von β unterscheided, es gebe also ein 1 ≤ i ≤ n mit αj = βj f¨ ur alle 1 ≤ j ≤ n mit j 6= i. Durch eventuelles Umbezeichnen der Koordinaten des Rn k¨onnen wir dann i = n annehmen und schreiben γ := (α1 , . . . , αn−1 ) = (β1 , . . . , βn−1 )i, d.h. γ ist eine Zerlegung der n-ten Seite Qn von Q. Fixiere ein j ∈ Iγ und definiere die Funktionen F : [an , bn ] → R; t 7→

inf

x∈Qn,γ,j

f (x, t) und F : [an , bn ] → R; t 7→ sup f (x, t). x∈Qn,γ,j

F¨ ur alle t ∈ [an , bn ] gelten dann −C ≤ F (t) ≤ F (t) ≤ C, also sind auch F und F beschr¨ankt mit |F (t)| ≤ C und |F (t)| ≤ C f¨ ur alle t ∈ [an , bn ]. Ist η = (t0 , . . . , tm ) eine beliebige Zerlegung von [an , bn ], so ist τ := (γ, η) eine Zerlegung von Q und f¨ ur jedes 1 ≤ k ≤ m gelten mk := Mk :=

inf

F (t) =

t∈[tk−1 ,tk ]

sup t∈[tk−1 ,tk ]

F (t) =

inf

f (x) = mτ,(j,k) (f ),

sup

f (x) = Mτ,(j,k) (f ),

x∈Qτ,(j,k)

x∈Qτ,(j,k)

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d.h. es sind S(F ; η) vol(Qn,γ,j ) = S(F ; η) vol(Qn,γ,j ) =

m X k=1 m X

mk (tk − tk−1 ) vol(Qn,γ,j ) =

m X

mτ,(j,k) (f ) vol(Qτ,(j,k) ),

k=1 m X

Mk (tk − tk−1 ) vol(Qn,γ,j ). =

Mτ,(j,k) (f ) vol(Qτ,(j,k) ).

k=1

k=1

Ist also α ≤ β, so haben wir αn ≤ βn und mit dem schon bekannten Fall n = 1 von (a) folgt n(αn )

X

mα,(j,k) (f ) vol(Qα,(j,k) ) = S(F ; αn ) · vol(Qn,γ,j )

k=1 n(βn )

≤ S(F ; βn ) · vol(Qn,γ,j ) =

X

mβ,(j,k) (f ) vol(Qβ,(j,k) )

k=1

und analog n(βn )

n(αn )

X

Mα,(j,k) (f ) vol(Qα,(j,k) ) ≥

X

Mβ,(j,k) (f ) vol(Qβ,(j,k) ).

k=1

k=1

Beachten wir das auch α ∪ β = (γ, αn ∪ βn ) gilt, so folgen mit dem schon bekannten Fall n = 1 von (e) auch n(αn ∪βn )

X

mα∪β,(j,k) vol(Qα∪β,(j,k) ) = S(F ; αn ∪ βn ) · vol(Qn,γ,j )

k=1

≤ S(F ; βn ) · vol(Qn,γ,j ) + 2C(n(αn ) − 1)δ(βn ) · vol(Qn,γ,j ) n(βn )

=

X

mβ,(j,k) (f ) vol(Qβ,(j,k) ) + 2C(n(αn ) − 1)δ(βn ) · vol(Qn,γ,j )

k=1

und analog n(αn ∪βn )

X

Mα∪β,(j,k) vol(Qα∪β,(j,k) )

k=1 n(βn )



X

Mβ,(j,k) (f ) vol(Qβ,(j,k) ) − 2C(n(αn ) − 1)δ(βn ) · vol(Qn,γ,j ).

k=1

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Jetzt summieren wir diese Ungleichungen u ¨ber j ∈ Iγ und erhalten im Fall α ≤ β S(f ; α) =

X n(α Xn )

mα,(j,k) (f ) vol(Qα,(j,k) )

j∈Iγ k=1



n) X n(β X

mβ,(j,k) (f ) vol(Qβ,(j,k) ) = S(f ; β)

j∈Iγ k=1

und analog S(f ; α) ≥ S(f ; β), w¨ahrend sich im allgemeinen Fall S(f ; α ∪ β) =

n ∪βm ) X n(αX

j∈Iγ



mα∪β,(j,k) vol(Qα∪β,(j,k) )

k=1

m) X X n(β

mβ,(j,k) vol(Qβ,(j,k) ) + 2C(n(αn ) − 1)δ(βn )

X

vol(Qn,γ,j )

j∈Iγ

j∈Iγ k=1

= S(f ; β) + 2C(n(αn ) − 1)δ(βn ) vol(Qn ) ≤ S(f ; β) + 2Cs(Q)(n(αn ) − 1)δ(β) und analog Sf ; α ∪ β) ≥ S(f ; β) − 2Cs(Q)(n(αn ) − 1)δ(β) ergeben. Damit haben wir den Spezialfall behandelt das sich α und β nur in einer einzigen Komponente unterscheiden. Den allgemeinen Fall wollen wir jetzt auf diesen Spezialfall zur¨ uckf¨ uhren. Wir beginnen mit (a), nehme also α ≤ β an und definiere f¨ ur jedes 0 ≤ i ≤ n die Zerlegung β i von Q durch β i := (β1 , . . . , βi , αi+1 , . . . , αn ). Dann sind β 0 = α, β n = β und f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n unterscheidet sich β i von β i−1 nur in der i-ten Komponente. Wegen α ≤ β gilt f¨ ur jedes 1 ≤ j ≤ n stets αj ≤ βj , also ist auch β i−1 ≤ β i f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n. Mit iterierter Anwendung der bereits bewiesenen Teilaussage folgt S(f ; α) = S(f ; β 0 )) ≤ S(f ; β 1 ) ≤ . . . ≤ S(f ; β n ) = S(f ; β) und analog S(f ; α) ≥ S(f ; β). Damit ist Teil (a) des Lemmas vollst¨andig bewiesen. Wir kommen jetzt zu Teil (e) und diesmal betrachten wir die folgenden Zerlegungen von Q γ i := (α1 ∪ β1 , . . . , αi ∪ βi , βi+1 , . . . , βn ) f¨ ur 0 ≤ i ≤ n, i α := (α1 ∪ β1 , . . . , αi−1 ∪ βi−1 , αi , βi+1 , . . . , βn ) f¨ ur 1 ≤ i ≤ n. Dann sind β ≤ γ i f¨ ur alle 0 ≤ i ≤ n, γ 0 = β, γ n = α ∪ β und f¨ ur jedes 1 ≤ i ≤ n ist i i i−1 i i−1 γ = α ∪γ und α , γ unterscheiden sich nur in der i-ten Komponente. Mit der schon bewiesenen Teilaussage folgen somit S(f ; γ i ) ≤ S(f ; γ i−1 ) + 2Cs(Q)(n(αi ) − 1)δ(γ i−1 ) ≤ S(f ; γ i−1 ) + 2Cs(Q)(n(αi ) − 1)δ(β) 8-10

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und analog S(f ; γ i ) ≥ S(f ; γ i−1 ) − 2Cs(Q)(n(αi ) − 1)δ(β) f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n. Iterierte Anwendung dieser Ungleichungen liefert S(f ; α ∪ β) = S(f ; γ n ) ≤ S(f ; γ 0 ) + 2Cs(Q)δ(β)

n X

(n(αi ) − 1)

i=1

= S(f ; β) + 2Cs(Q)(n(α) − n)δ(β) und analog S(f ; α ∪ β) ≥ S(f ; β) − 2Cs(Q)(n(α) − n)δ(β). Damit sind die beiden rechts stehenden Absch¨atzungen in (e) bewiesen, und die links stehenden folgen wegen β ≤ α ∪ β aus (a). (b) W¨ahle eine Zerlegung γ von Q mit γ ≥ α und γ ≥ β. F¨ ur jedes j ∈ Iγ gilt dann mj := inf f (x) ≤ sup f (x) =: Mj , x∈Qγ,j

x∈Qγ,j

also haben wir auch S(f ; γ) =

X

mj vol(Qγ,j ) ≤

X

Mj vol(Qγ,j ) = S(f ; γ).

j∈Iγ

j∈Iγ

Mit (a) ergibt sich damit auch S(f ; α) ≤ S(f ; γ) ≤ S(f ; γ) ≤ S(f ; β). (c) Wir schreiben ζ = (α, s), also sj ∈ Qα,j f¨ ur jedes j ∈ Iα . F¨ ur jedes j ∈ Iα haben wir dann auch mj := inf f (x) ≤ f (sj ) ≤ sup f (x) =: Mj , x∈Qα,j

x∈Qα,j

und somit ergibt sich X X X Mj vol(Qα,j ) = S(f ; α). mj vol(Qα,j ) ≤ f (sj ) vol(Qα,j ) ≤ S(f ; α) = j∈Iα

j∈Iα

j∈Iα

(d) Sei j ∈ Iα und setze wieder Qj := Qα,j sowie mj := inf f (x) und Mj := sup f (x). x∈Qj

x∈Qj

Dann gibt es Punkte sj , s0j ∈ Qα,j mit f (sj ) > Mj −

  und f (s0j ) < mj + . vol(Q) vol(Q)

Wir erhalten die Zerteilungen ζ := (α, (sj )j∈Iα ) und ζ 0 := (α, (s0j )j∈Iα von Q mit zugeh¨origer Zerlegung α. F¨ ur diese Zerteilungen haben wir X X X  R(f ; ζ) = f (sj ) vol(Qj ) > Mj vol(Qj ) − vol(Qj ) = S(f ; α) − , vol(Q) j∈I j∈I j∈I α

α

α

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und analog R(f ; ζ 0 ) < S(f ; α) + . Nach (c) gelten schließlich auch R(f ; ζ) ≤ S(f ; α) und R(f ; ζ 0 ) ≥ S(f ; α). (f ) F¨ ur jedes j ∈ Iα setzen wir wieder mj := inf f (x) und Mj := sup f (x) x∈Qα,j

x∈Qα,j

und erhalten mit den Rechenregeln f¨ ur Supremum und Infimum ∆(f ; Qα,j ) = sup |f (x) − f (y)| = sup (f (x) − f (y)) x,y∈Qα,j

x,y∈Qα,j

= sup f (x) − inf f (y) = Mj − mj . x∈Qα,j

y∈Qα,j

Damit haben wir auch X X X ∆(f ; Qα,j ) · vol(Qα,j ) = Mj vol(Qα,j ) − mj vol(Qα,j ) = S(f ; α) − S(f ; α). j∈Iα

j∈Iα

j∈Iα

Nach Teil (b) des Lemmas ist jede Untersumme von f kleiner als jede Obersumme von f , d.h. die Menge der Untersummen ist nach oben beschr¨ankt und die Menge der Obersummen ist nach unten beschr¨ankt. Damit k¨onnen wir das Supremum der Untersummen und das Infimum der Obersummen bilden, und erhalten die folgende Definition. Definition 4.7 (Das n-dimensionale Riemann Integral) Seien n ∈ N mit n ≥ 1, Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader und f : Q → R eine beschr¨ankte Funktion. Dann definieren wir das Riemannsche Unter- beziehungsweise Oberintegral von f durch Z f := sup {S(f ; α)| α ist Zerlegung von Q} (Unterintegral) Q

Z

 f := inf S(f ; α) α ist Zerlegung von Q

(Oberintegral).

Q

Weiter heißt die Funktion f Riemann-integrierbar wenn ihr Unter- und ihr Oberintegral gleich sind und in diesem Fall heißt Z Z Z f := f = f Q

Q

Q

das Riemann-Integral von f . Meist verwenden wir f¨ ur das Integral die alternative Schreibweise Z Z Z f (x1 , . . . , xn ) d(x1 , . . . , xn ) := f (x) dx := f. Q

Q

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Q

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Diese Definition des Riemann-Integrals ist nur zur theoretischen Begr¨ undung desselben gedacht, und nicht zu seiner Berechnung. Die Berechnung eines Riemann-Integrals alleine aus der Definition heraus ist nur selten m¨oglich, und selbst dann meist unn¨otig aufw¨andig. Ein solches Beispiel ist Aufgabe (18) und an dieser Stelle wollen wir ein weiteres Beispiel vorf¨ uhren. Seien dazu ein n ∈ N mit n ≥ 1 und ein nicht ausgearteter n Quader Q ⊆ R gegeben. Weiter sei A ⊆ Rn ein beliebiger Quader mit A ⊆ Q. Wir wollen das Integral der charakteristischen Funktion χA von A u ¨ber Q berechnen, und insbesondere einsehen das dieses u ¨berhaupt existiert. Ist dabei A = ∅, so ist χA = 0 und dann sind alle Untersummen und alle Obersummen von χA = 0 zu beliebiger Zerlegung von Q gleich Null, also sind auch Oberintegral und Unterintegral von χA gleich Null und somit ist χA dann Riemann-integrierbar mit Integral Null. Wir k¨onnen also A 6= ∅ annehmen. Schreiben wir Q = [a, b] mit a, b ∈ Rn so ist ai < bi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n. Wegen A ⊆ Q n ur alle 1 ≤ i ≤ n. Sei ist weiter A = [c, d] mit c, d ∈ R und es gilt ai ≤ ci ≤ di ≤ bi f¨ nun ein beliebiges  > 0 vorgegeben. Sei 1 ≤ i ≤ n. Dann definieren wir eine Zerlegung αi des Intervalls [ai , bi ] gem¨aß der folgenden Fallunterscheidung: 1. Im Hauptfall ai < ci < di < bi setzen wir αi := (ai , u, ci , di , v, bi ) wobei u, v mit ai < u < ci , di < v < bi , u > ci −  und v < di +  gew¨ahlt sind. 2. Im Fall ai = ci < di < bi setzen wir αi := (ai , di , u, bi ) wobei di < u < bi mit u < di +  gew¨ahlt sein. 3. Im Fall ai < ci < di = bi setzen wir analog α := (ai , u, ci , bi ) wobei ai < u < ci mit u > ci −  gew¨ahlt sei. 4. Im Fall ai = ci < di = bi setzen wir αi := (ai , bi ). 5. Im Fall ai < ci = di < bi setzen wir αi := (ai , u, v, bi ) wobei ai < u < v < bi mit v − u <  gew¨ahlt seien. 6. Im Fall ai = ci = di < bi setze αi := (ai , u, bi ) wobei ai < u < bi mit u < ai +  gew¨ahlt sei. 7. Im letzten Fall ai < ci = di = bi setze schließlich αi := (ai , u, bi ) wobei ai < u < bi mit u > bi −  gew¨ahlt sei. In allen sieben F¨allen ist [ci , di ] in genau einem der Teilintervalle der Zerlegung αi enthalten und trifft außer diesem h¨ochstens zwei weitere der Teilintervalle der Zerlegung αi die beide die L¨ange h¨ochstens  haben. Schließlich betrachten wir die Zerlegung α := (αi )1≤i≤n von Q. In einem fr¨ uheren Beispiel hatten wir bereits Unter- und Obersummen berechnet und erhalten vol(A) ≤ S(χA ; α) ≤ S(χA ; α) ≤ vol(A) + 2ns(Q). 8-13

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Da  > 0 beliebig war, liefert dies schließlich Z Z χA = χA = vol(A), Q

Q

R d.h. die charakteristische Funktion χA ist Riemann-integrierbar mit Q χA (x) dx = vol(A). ¨ Wir hatten unsere Uberlegungen zum Riemann-Intergral mit der Standardheuristik begonnen, dass also das Integral entsteht indem der Definitionsbereich zerlegt wird, die Funktion auf jedem Teilst¨ uck durch eine Konstante approximiert wird und dann der Grenz¨ ubergang nach immere feineren Zerlegungen durchgef¨ uhrt wird. Die dabei auftauchenden Approximationen des Integrals haben wir inzwischen als Riemannsummen R(f ; ζ) bezeichnet. Unsere Erwartung ist also, dass wann immer wir eine Folge (ζk )k∈N von Zerteilungen unseres Quaders Q nehmen deren Feinheit gegen Null konvergiert, das dann die Riemannsummen gegen das Integral konvergieren sollten, also Z f (x) dx = lim R(f ; ζk ) wenn lim δ(ζk ) = 0. Q

k→∞

k→∞

Tats¨achlich ist genau dies die urspr¨ ungliche von Riemann verwendete Definition des Integrals. Im folgenden Satz wollen wir unter anderem festhalten, dass die hier verwendete Integraldefinition u ¨ber Unter- und Oberintegral wirklich genau gleichwertig zur Riemannschen Definition ist. Der Beweis beruht dabei auf unserem Lemma Lemma 1 u ¨ber die Grundeigenschaften von Ober-, Unter- und Riemannsummen. Satz 4.2 (Charakterisierung Riemann-integrierbarer Funktionen) Seien n ∈ N mit n ≥ 1, Q ⊆ Rn ein nicht ausgearteter Quader und f : Q → R eine beschr¨ankte Funktion. Dann sind die folgenden Aussagen ¨aquivalent: (a) Die Funktion f ist Riemann-integrierbar. (b) F¨ ur jedes  > 0 existiert eine Zerlegung α von Q mit S(f ; α) − S(f ; α) < . (c) F¨ ur jedes  > 0 existiert ein δ > 0 so, dass f¨ ur alle Zerlegungen α, β von Q mit δ(α) < δ und δ(β) < δ stets S(f ; α) − S(f ; β) <  gilt. ur jedes  > 0 stets ein δ > 0 mit (d) Es gibt eine reelle Zahl A ∈ R so, dass es f¨ |R(f ; ζ) − A| <  f¨ ur jede Zerteilung ζ von Q mit δ(ζ) < δ gibt. (e) F¨ ur jedes  > 0 existiert ein δ > 0 so, dass f¨ ur alle Zerteilungen ζ, ξ von Q mit δ(ζ) < δ und δ(ξ) < δ stets |R(f ; ζ) − R(f ; ξ)| <  gilt. 8-14

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(f ) F¨ ur jede Folge (ζk )k∈N von Zerteilungen von Q mit (δ(ζk ))k∈N −→ 0 ist die Folge (R(f ; ζk ))k∈N konvergent. R Ist f Riemann-integrierbar, so gilt in (d) stets A = Q f (x) dx und in (f ) sind alle R diese Folgen gegen Q f (x) dx konvergent. R Beweis: (a)=⇒(b). Sei  > 0 gegeben und setze A := Q f (x) dx. Da A das Unterintegral von f u ¨ber Q ist, existiert eine Zerlegung β1 von Q mit S(f ; β1 ) > A − /2 und da A auch das Oberintegral von f u ¨ber Q ist, existiert ebenso eine Zerlegung β2 von Q mit S(f ; β2 ) < A + /2. W¨ahle eine Zerlegung α von Q mit α ≥ β1 , β2 . Nach Lemma 1.(a) gilt dann    S(f ; α) − S(f ; α) ≤ S(f ; β2 ) − S(f ; β1 ) < A + − A − = . 2 2 (b)=⇒(c). Sei  > 0. Dann existiert eine Zerlegung γ von Q mit S(f ; γ)−S(f ; γ) < /2. W¨ahle ein C > 0 mit |f (x)| ≤ C f¨ ur alle x ∈ Q. Setze δ := /(8Cs(Q)n(γ)). Seien α, β zwei Zerlegungen von Q mit δ(α) < δ und δ(β) < δ. Nach Lemma 1.(a,e) gilt dann S(f ; α) − S(f ; β) ≤ S(f ; α ∪ γ) + 2Cs(Q)(n(γ) − n)δ(α) − (S(f ; α ∪ γ) − 2Cs(Q)(n(γ) − n)δ(β))   ≤ S(f ; γ) − S(f ; γ) + 4Cs(Q)n(γ)δ < + = . 2 2 (c)=⇒(e). Sei  > 0. Dann existiert ein δ > 0 mit S(f ; α) − S(f ; β) <  f¨ ur alle Zerlegungen α, β von Q mit δ(α) < δ und δ(β) < β. Seien jetzt ζ, ξ zwei Zerteilungen von Q mit δ(ζ) < δ und δ(ξ) < δ. Bezeichne α die ζ unterliegende Zerlegung von Q und β die ξ unterliegende Zerlegung von Q. Dann gelten auch δ(α) = δ(ζ) < δ und δ(β) = δ(ξ) < δ. Mit Lemma 1.(c) folgen R(f ; ζ) − R(f, ξ) ≤ S(f ; α) − S(f ; β) <  und analog auch −(R(f ; ζ) − R(f ; ξ)) = R(f ; ξ) − R(f ; ζ) < , d.h. es ist |R(f ; ζ) − R(f ; ξ)| < . (e)=⇒(f ). Sei (ζk )k∈N eine Folge von Zerteilungen von Q mit (δ(ζk ))k∈N −→ 0. Wir zeigen, dass die Folge (R(f ; ζk ))k∈N eine Cauchyfolge ist. Sei also  > 0 gegeben. Dann existiert ein δ > 0 mit |R(f ; ζ) − R(f ; ξ)| <  f¨ ur alle Zerteilungen ζ, ξ von Q mit δ(ζ) < δ und δ(ξ) < δ. Weiter existiert ein k0 ∈ N mit δ(ζk ) < δ f¨ ur alle k ≥ k0 , d.h. f¨ ur k, l ≥ k0 ist stets |R(f ; ζk ) − R(f ; ζl )| < . Damit ist (R(f ; ζk ))k∈N tats¨achlich eine Cauchyfolge und nach I.§6.Satz 14 auch konvergent. (f )=⇒(d). Wir zeigen zuerst, dass es ein A ∈ R gibt so, dass f¨ ur jede Folge (ζk )k∈N von Zerteilungen von Q mit (δ(ζk ))k∈N −→ 0 die Folge (R(f ; ζk ))k∈N gegen A konvergiert. 8-15

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Angenommen dies w¨are nicht der Fall. Dann gibt es A0 , A00 ∈ R mit A0 6= A00 und Folgen (ζk0 )k∈N , (ζk00 )k∈N von Zerteilungen von Q mit (δ(ζk0 ))k∈N −→ 0, (δ(ζk00 ))k∈N −→ 0, (R(f ; ζk0 ))k∈N −→ A0 und (R(f ; ζk00 ))k∈N −→ A00 . Durch ζ2k := ζk0 und ζ2k+1 := ζk00 f¨ ur jedes k ∈ N haben wir eine weitere Folge von Zerteilungen von Q und es ist auch (δ(ζk ))k∈N −→ 0. Damit ist auch die Folge (R(f ; ζk ))k∈N konvergent und dies ergibt den der Widerspruch A0 = A00 . Damit ist diese Zwischenbehauptung bewiesen. Wir behaupten jetzt, dass mit diesem Wert von A die Aussage in (d) erf¨ ullt ist. Andernfalls existiert ein  > 0 so, dass f¨ ur jedes δ > 0 eine Zerteilung ζ von Q mit δ(ζ) < δ und |R(f ; ζ) − A| ≥  existiert. Insbesondere gibt es dann f¨ ur jedes k ≥ 1 eine Zerteilung ζk von Q mit δ(ζk ) < 1/k und |R(f ; ζk )−A| ≥ . Insbesondere ist (δ(ζk ))k∈N −→ 0 und es ergibt sich der Widerspruch (R(f ; ζk ))k∈N −→ A. (d)=⇒(a). Sei  > 0. Dann existiert ein δ > 0 mit |R(f ; ζ) − A| < /2 f¨ ur jede Zerteilung ζ von Q mit δ(ζ) < δ. W¨ahle eine Zerlegung α von Q mit δ(α) < δ. Nach Lemma 1.(d) existieren Zerteilungen ζ, ζ 0 von Q mit unterliegender Zerlegung α so, dass S(f ; α) −

  < R(f ; ζ) ≤ S(f ; α) und S(f ; α) ≤ R(f ; ζ 0 ) < S(f ; α) + 2 2

gelten. Wegen δ(ζ) = δ(ζ 0 ) = δ(α) < δ folgt  A −  < R(f ; ζ ) − < S(f ; α) ≤ 2 0

Z

b

Z f (x) dx ≤

a

b

f (x) dx ≤ S(f ; α) a

< R(f ; ζ) +

 < A + . 2

Da dies f¨ ur jedes  > 0 gilt, ist folglich Z

b

Z

a

b

f (x) dx = A,

f (x) dx = a

R d.h. f ist Rieman-integrierbar mit Q f (x) dx = A. Im Beweis der Implikation von (d) nach (a) haben R wir insbesondere gezeigt, dass die Konstante A in (d) gleich dem Rieman-Integral Q f (x) dx ist. Außerdem wurde beim Beweis von (f) nach (d) R bewiesen, dass jede der Folgen (R(f ; ζk ))k∈N aus (f) gegen das A aus (d), also gegen Q f (x) dx, konvergiert.

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