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30 Jahre Helicobacter pylori Vor etwa 30 Jahren wurde das Bakterium Helicobacter pylori entdeckt. Seit jeher hat sich viel in der Forschung getan: ein Update zur Epidemiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie.

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Es wird geschätzt, dass weltweit ca. 50 % aller Menschen mit H.pylori infiziert sind [1]. Die Übertragung geht meist im Kleinkindalter vonstatten. So bleibt die einmal erworbene Infektion ohne Therapie häufig bis ins hohe Lebensalter erhalten, was erklärt, warum die heute 70–80-jährigen zu über 50 %, die heute 20–30-jährigen Menschen deutlich unter 50 % infiziert sind (sogenannter Kohorteneffekt). Als Risikofaktor für die Übertragung von Mensch zu Mensch gilt in den westlichen Ländern der direkte ("oro-orale") Kontakt, in Entwicklungsländern sind auch andere Wege möglich ("fäkal-oral"). Die Prävalenz von H.pylori beträgt in Mitteleuropa aktuell zwischen 5 % (Kinder) und 25–40 % (Erwachsene). Sie liegt deutlich höher bei Migranten (35–85 %). Da die sozialen und hygienischen Lebensbedingungen (= Zahl der Neuinfektionen) sich über die Jahrzehnte in den westlichen Ländern kontinuierlich verbessert haben, nimmt die Durchseuchung der Gesamt-Bevölkerung gleichermassen ab. Als Folge nimmt die altersspezifische

Mortalität sowohl des Magen-Ca als auch des peptischen Ulkus ab. Symptome - Krankheitsmanifestationen

Klinische Symptome wie Oberbauchdruck, Völlegefühl, (Nüchtern-) Schmerz, Übelkeit, Schwindel sind unspezifisch. Sie können hinsichtlich der Ursache bei der H.pylori Infektion, aber ebenso bei Stress, Einnahme von gastroduodenal-toxischen Medikamenten wie Aspirin (ASS) oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) vorkommen. Eine sichere klinische Unterscheidung hinsichtlich Schweregrad ist zwischen Reizdarm, erosiver Gastritis oder Ulkusleiden ebenso wenig möglich. Die Ulkusblutung durch H.pylori unterscheidet sich klinisch nicht von der durch ASS/NSAR oder anderen Ursachen. Ca. 20 % der Infizierten entwickeln im Laufe Ihres Lebens ein Ulkusleiden, je nach Region auch 1–2 % ein MagenCarcinom (Ca) oder MALT Lymphom [1]. Anamnestisch TOPTHEMA: GASTROENTEROLOGIE DZKF 2-2014

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wegweisend kann jedoch die Patientenangabe sein, dass in der Familie ein Magen-Ca oder gehäuft eine Ulkuskrankheit vorkommt. Die übrigen Infizierten haben häufig nur geringe Beschwerden ohne endoskopisch sichtbare Läsionen ("Funktionelle Dyspepsie – NUD bzw. Reizmagen) oder sind komplett asymptomatisch. Für die Beurteilung des Magen-Ca Risikos ist der Gastritis-Typ entscheidend, gleichfalls ob es zur Entwicklung eines Magen-/ oder Duodenalulkus kommt (Abb. 1). Generell gilt, dass jedes gastroduodenale Ulkus/Magen-Ca bis zum Beweis des Gegenteils verdächtig auf eine H.pylori Infektion bleibt. Diagnostik

Die klinische Situation bestimmt die Auswahl der zur Abklärung erforderlichen Tests [1, 2].In Frage dafür kommen: I Urease basierter Atemtest (UBT) I Stuhl-Antigentest (SAT) Bakterielle Virulenzfaktoren

WirtsImmunreaktion

Exogene Faktoren

Klinischer Outcome

CorpusPrädominanter Typ bzw. Pangastritis: ➞ Säurereduktion Ulkus ventrikuli MALT-Lymphom Magen-CA

Antrum – Prädominanter Typ: ➞ Säurehypersekretion Ulkus duodeni

Abb. 1: Pathophysiologie der H.pylori Infektion.

Kombi PPI-AC

PrimärRezidiv- Dauer Indikation Indikation [Tage] X

(X)

≥7

PPI 2x

I Ureaseschnelltest (HUT) und/oder Histologie (HISTO) I Klassische Kultur mit phänotypischer-/ oder PCR mit genotypischer Resistenzbestimmung I Serologie (incl. Immunoblot) Primärer Nachweis: Bis auf die Serologie können alle o. g. Teste zum Einsatz kommen, die Spezifität liegt > 95 %. Mit Ausnahme der mikrobiologischen Kultur beträgt die Sensitivität (ohne verfälschende Faktoren s. u.) bei ca. 90 %, ein positiver Test reicht zum Nachweis der Infektion. Damit stehen durchweg einfache anzuwendende und zuverlässige Tests zur Verfügung. Wenn aus klinischer Indikation eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (OEGD) erfolgen muss, wird man sich auf die bioptischen Tests (HUT und Histologie, ggf. PCR/Kultur) verlassen; soll wegen eher blander Beschwerden nur ein Screening auf H.pylori erfolgen, wird man den Stuhltest oder Atemtest (äquieffektiv) anwenden, die Patientenpräferenz liegt in der Regel beim Stuhltest. Therapieplanung incl. Resistenzbestimmung: Dies war bis vor kurzem die Domäne der mikrobiologischen Kultur. Aufgrund des umständlichen Transportverfahrens, der langen Anzucht und phänotypischen Resistenztestung (2–3 Wochen) und zahlreicher Störfaktoren beträgt die Anzuchtrate je nach Labor nur um die 70 %. Hier hat die PCR mit genomischem Test auf Makrolid-/ und Fluorochinolonresistenz einen klaren Vorteil: Die Bestimmung kann auch aus z. T. bereits abgestorbenen Bakterien erfolgen und liegt theoretisch 24–48 Stunden nach Entnahme der Biopsie vor. Die Genauigkeit der Resistenzbestimmung entspricht der Kultur. Einziger Nachteil: Resistenzanalysen für andere Antibiotika (wie z. B. Metronidazol, Rifabutin) sind mit dem direkten genomisch basierten Test nicht möglich.

Amoxicillin Clarithromycin Levofloxacin Metronidazol Tetracylin Bismuth Rifabutin [A] [C] [L] [M] [T] [B] [R] 2x1 g

PPI-CM

X

---

≥7

2x

PPI-ACM

X

X

≥7

2x

2x1 g

PPI-AL

(X)

X

≥10

2x

2x1 g

PPI-BMT

(X)

X

≥10

2x

2x500 mg 2x250 – 500 mg

2x400 mg

2x250 – 500 mg

2x400 mg 1x500 mg 4x375 mg

PPI-A

(X)

14

3x

3x1 g

PPI-AR

X

≥10

2x

2x1 g

PPI-AM

(X)

≥10

2 – 3x

3x1 g

4x375 mg 4x420 mg 2x150 mg

3x400 mg

Erläuterungen: t Standarddosen Protonenpumpenblocker [PPI]: Omeprazol/Esomeprazol 20 mg, Lansoprazol 30 mg, Pantoprazol 40 mg, Rabeprazol 20 mg t Indikationen: X = Bevorzugtes Regime; (X) = Mögliches Regime t Dauer: gemeint ist eine Mindestdauer, diese kann je nach Vorliegen von klinischen Risikofaktoren verlängert werden (s. Abb. 1) t Alle Medikamente: je nach pharmazeutischem Hersteller können die Dosen variieren (z. B. Metronidazol 400 oder 500 mg Einzeldosis) t PPI-ACM: Varianten gibt es als „concomitant“ (= alle Medikamente werden zusammen gegeben), als „sequential“ (PPI-A in der 1. Hälfte, PPI-CM in der 2. Hälfte, also je 5 – 7 Tage), neuerdings auch als „hybrid“ (PPI-A in der 1. Hälfte, PPI-ACM in der 2. Hälfte, also je 5 – 7 Tage) tPPI-BMT: hier gibt es mit Pylera® nur noch ein in der EU zugelassenes Bismuthpräparat, die Dosierungen ergeben sich aus der Zulassungsinformation des Herstellers, andere Dosierungen sind möglich, bedürfen jedoch eines aufwendigen Einzelimportes Abb. 2: Etabliertes Therapieregime gemäss DGVS Leitlinie [1].

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Eradikationskontrolle: Dies ist die Domäne des Stuhlantigentests (oder Atemtests). Falls aus klinischer Indikation z. B. eine Magenulkusabheilung endoskopisch kontrolliert werden muss, können natürlich ebenso die bioptischen Tests zur Anwendung kommen, es müssen dann aber alle Tests negativ ausfallen, damit von einer erfolgreichen Eradikation gesprochen werden kann. Sondersituationen: Bei Magen-Malignomen (Ca, MALT-Lymphom) mit negativem H.pylori Nachweis mit den üblichen Methoden kann die Durchführung einer Serologie Sinn machen. Unbedingt zu beachtende Störfaktoren: Während es kaum falsch positive Tests gibt, kann der H.pylori Nachweis bei Nichtbeachtung folgender Störfaktoren falsch negativ ausfallen: I Einnahme von Protonenpumpenblockern (PPI) oder Antibiotika (bereits über mehr als 3–5 Tage!) führen zu ca. 80 % falsch negativem Testergebnis, deshalb unbedingt den PPI mindestens 1 (besser 2) bzw. das Antibiotikum mindestens 2 (besser 4) Wochen vor der Testdurchführung absetzen. H-2 Blocker oder Sucralfat stören in der Regel kaum und können alternativ als "Brückentherapie" gegeben werden. I unzureichende Anzahl an Biopsien bei HUT und Histologie ➩ je 1 aus dem Magenantrum und -corpus für HUT und je 1 (besser 2) für Histologie I Abnahme jedweden Tests bei akuter gastrointestinaler Blutung ➩ nochmalige Kontrolle im Intervall I Atemtest oder Stuhltest bei teilreseziertem Magen (auch z. T. bei Magenentleerungsstörung) ➩ hier ist der bioptische Test zu bevorzugen

rezidiv verhindert (NNT von 3 für GU und NNT von 2 für DU), hat sich nichts geändert. Umstritten blieb der Nutzen vor allem für die Prävention des Magen-Ca bzw. MALT und der NUD-Therapie.

Ursächliche Faktoren für ein Therapieversagen [2]

I Antibiotikaresistenz (mit Abstand am wichtigsten: Risikodifferenz absolut ca. 20–50 %, entsprechend NNT 2−5); meist aufgrund von früher stattgehabten Antibiotikatherapien wegen anderer Infekte (z. B. Lunge, Harnwege, gynäkologisch) I Therapiedauer bei Tripleregimen I CYP2C19 Wild-typ Status bei entsprechend metabolisierten PPI´s wie Omeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol (nicht Esomeprazol, Rabeprazol) I Rauchen I junges Alter (unter 50 – 60 Jahren) I NUD (nicht Ulkuskrankheit) I CagA Toxin negative Stämme I mangelnde Compliance wegen Nebenwirkungen (variiert je nach Regime, Probiotika können die Verträglichkeit verbessern) Für alle diese klinischen bzw. pharmakologischen Einflussfaktoren gilt eine absolute Risikodifferenz von 8–12 % (entsprechend einer NNT von ca. 10). Empfehlungen für eine Resistenztestung [2, 3]

I obligate H.pylori Resistenztestung nach ein-/mehrmaligem Therapieversagen notwendig I fakultativ vor Ersttherapie, wenn positive Allergiesituation, Vorhandensein von o.g. klinischen Risikofaktoren, häufige antibiotische Vortherapien – sonst keine Resistenztestung notwendig (Kosten-Nutzen Abwägung)

Behandlung der H.pylori-Infektion Mit der H. Pylori Infektion assoziierte Krankheitsbilder [1]

Eine Übersicht hierzu ergibt Tabelle 1. An der Erkenntnis, dass die Eradikation die Ulkusabheilung beschleunigt (NNT von 6 für GU und NNT von 5 für DU) und das Ulkus-

Therapieregime (Abb. 2)

Erstlinien-/ bzw. Primärtherapie: Mit Einführung der einwöchigen Tripeltherapien zu Beginn der 1990er Jahre wurden diese in den meisten westlichen Ländern zum Standard für die Primärtherapie erklärt. Grundlage für

Starke kausale Assoziation = zwingende Therapieindikation

Wahrscheinliche kausale Assoziation = fakultative Therapieindikation

Fehlende kausale Assoziation = Einzelfallentscheidung, in der Regel keine Therapieindikation

Ulkuskrankheit – PUD (floride oder stattgehabte ebenso egal wie Lokalisation)

ASS/NSAR Co-Medikation

Antrum-prädominante, asymptomatische („blande“) Gastritis

gastrales Marginalzonen-B-Zell (Typ MALT-) Lymphom

Funktionelle Dyspepsie – NUD (Reizmagen), in der Regel antrumprädominant

alleiniger Patientenwunsch oder positive Serologie ohne Klinik

Status nach Magenteilresektion wegen Ulkus oder Carcinom

Eisenmangelanämie nach Ausschluss anderer Ursachen

Erstgradige Verwandte von Magen-CaPatienten

idiopathische thrombozytopenische Purpura

sogenannte Risikogastritis (atrophische Gastritis, Magencorpus-prädominante Gastritis), unabhängig von Beschwerden

lymphozytäre Gastritis

Morbus Menetrier Tab. 1: Mit der HP-Infektion assoziierte Krankheitsbilder, gruppiert nach Therapieindikationen bzw. kausalem Zusammenhang [1].

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Medikamentenallergie oder vormals häufig Antibiotika? ja nein

Resistenz-/Allergiebasierte Therapieauswahl* (ggf. zusätzlich längere Therapiedauer falls klinische Risikofaktoren vorhanden)

Geringe Compliance oder erhöhte Nebenwirkungsrate wahrscheinlich? ja

(5-) 7 tägige „Concomitant“ Quadrupeltherapie ± zusammen mit Probiotika

nein Wichtigste Klinische Risikofaktoren: – Alter 95 %.

Zusammenfassung

Die Abnahme der H.pylori Neuinfektionen Mitteleuropa steht im direkten Zusammenhang mit der Mortalität an Magen-Ca und peptischem Ulkusleiden. Desweiteren bestimmt der Phänotyp der Gastritis die klinische Entität hinsichtlich Säureassoziation. Das Vorliegen einer Risikogastritis sollte ein endoskopisches Überwachungsprogramm trotz H.pylori Eradikation bedingen (dies ist nicht evidenzbasiert). Unter laufender Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren ist von einer H. pylory Diagnostik ausdrücklich abzuraten. Zudem sollten in die Therapieregimeauswahl bzw. Stratifizierung klinische Risikofaktoren einbezogen werden, insofern diese leicht erhebbar sind (Alter, Rauchen, endoskopische Diagnose). Resistenzen gegen Makrolide und Gyrasehemmer haben den größten klinischen Einfluss (über alle betroffenen Regime) auf den Eradikationserfolg, dies favorisiert die genotypische Resistenztestung mittels PCR bereits in der Primärdiagnostik bei Risikogruppen (Antibiotikaallergien, häufige frühere Antibiotikatherapien).

PROF. DR. GERHARD TREIBER Gastrozentrum Hirslanden Klinik Schänisweg CH-5001 Aarau, Schweiz Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Strasse 100 D-66421 Homburg/Saar, Deutschland

LITERATUR [1] Fischbach W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, Bolten W, Bornschein J, Götze O, Höhne W, Kist M, Koletzko S, Labenz J, Layer P, Miehlke S, Morgner A, Peitz U, Preiss J, Prinz C, Rosien U, Schmidt W, Schwarzer A, Suerbaum S, Timmer A, Treiber G, Vieth M; S3-guideline "helicobacter pylori and gastroduodenal ulcer disease" of the German society for digestive and metabolic diseases (DGVS) in cooperation with the German society for hygiene and microbiology, society for pediatric gastroenterology and nutrition e. V., German society for rheumatology, AWMF-registration-no. 021 / 001. Z Gastroenterol. 2009; 47(12): 1230−63 [2] Treiber G. Helicobacter pylori und gastroduodenales Ulkus. Ein aktualisierter Kommentar der deutschen S3-Leitlinie Med Welt 2010; 61: 204−212 [3] Graham DY, Lee YC, Wu MS. Rational Helicobacter pylori Therapy: Evidence-Based Medicine Rather Than Medicine-Based Evidence. Clin Gastroenterol Hepatol. 2013 Jun 8. doi:pii: 1542−3565

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