3. Vorlesung. Arithmetische Theorien. In dieser Vorlesung wollen wir uns mit dem Begriff des ”Rechnens” befassen und zwar mit dem angewandten als auch dem formalen Rechnen. Wir wissen dass die griechischen Mathematiker nicht gerechnet haben. Dies war Sache der H¨andler und Handwerker. Dies blieb auch lange Zeit so, n¨amlich bis hin zur italienischen Rennaissance (ca. 14. Jhdt.). In der Hand Rennaissance Mathematiker erhielt die Mathematik eine ganz neue Form. In der Rennaissance entdeckte man die Macht des formalen Rechnens. Diese wurde erm¨oglicht durch die Entdeckung der Variablen x. Leider fehlt die Zeit dem interessanten geschichtlichen Aspekt hier nachzugehen. Aber wir werden einige Andeutungen hierzu machen.

1. Vom angewandten zum formalen Rechnen. Das Umgehen mit schwarzen Steinchen ist konkret. Mit der Einf¨ uhrung der schwarzen und weißen Steinchen wird es jetzt m¨ oglich, Steinchen zu benutzen. um Ketten von schwarzen Steinchen formal lediglich darzustellen, und zwar durch Ketten von schwarz-weißen Steinchen. Damit sind die Zahl-Darstellungen entdeckt. Quadrate Darstellung durch schwarz-weisse Ketten. Zwei Ketten kann man zu einer neuen Kette vereinigen oder man kann Steine zu Rechtecken. Dies gibt zwei Operationen f¨ ur schwarze Ketten: • • • • • •• • • • • • • + • •• = • • • • • • • • • • • • • • • · • = • • • • •• • • • • • •• Wenn man die letzte Zahl als Kette legt, dann h¨atte man schone einige M¨ uhe sie abzuz¨ahlen. Mit Rechtecken kann man Zahlen viel kompakter darstellen. Bei diesen Zahldarstellungen helfen die schwarz-weissen Ketten ganz besonders. Hierzu folgende Idee: Betrachte alle Quadrate: Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)

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. Lineare Algebra (L2/L5)



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Dies gibt eine relativ effiziente Darstellung der schwarzen Ketten. Die schwarz weissen Kette gibt dabei an, welche schwarze Kette gebildet werden soll. N¨amlich die Summe aller der Quadrate die mit • bezeichnet sind. So kann man durch wenige schwarz-weiße Ketten relativ lange schwarze Ketten darstellen. Leider ergibt sich ein unsch¨ones Problem, das wir schon kennen (griechische Entdeckung). Problem. Das Doppelte eines Quadrats ist kein Quadrat ⇒ die Summe zweier gleicher Quadrate ist kein Quadrat. Das w¨ are vielleicht nicht so ein großes Problem, wenn wenigstens die Summe von zwei Quadraten immer gr¨ oßer w¨ are als das n¨achste Quadrat (dann k¨ onnte man die Summe wieder wie oben durch eine Summe von Quadraten ausdr¨ ucken). Das gilt aber nur f¨ ur fast alle, aber leider nicht f¨ ur alle Zahlen. Genauer gilt: 2n2 > (n + 1)2 , f¨ ur alle n ≥ 3 Wenn n = 2, dann ist 2n2 = 8 < 9 und wir k¨ onnen 8 nicht in der obigen Quadrate Darstellung ausdr¨ ucken. Damit ist die Quadrate Darstellung nicht gut genug. Block Darstellung durch schwarz-weisse Ketten. Der obige etwas herbe R¨ uckschlag f¨ uhrt zum Gl¨ uck zu einer neuen, genialen Entdeckung: alle Probleme lassen sich l¨osen, wenn man sich neue Dimensionen borgt. Statt Quadrate betrachte man Bl¨ ocke:

Bl¨ ocke von Steinchen

Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)

§3 Arithmetische Theorien

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Wir brauchen aber auch Hyperbl¨ocke, d.h. Bl¨ ocke in noch h¨oheren Dimensionen. Die kann man nicht mehr sehen. Wir schreiben sie deshalb wie folgt 20

21

22

23

24

24













Wir haben mit der obigen schwarz-weissen Kette die Zahl 1 · 20 + 0 · 21 + 1 · 22 + 1 · 23 = 1 + 4 + 8 = 13 dargestellt. Eine (lange) schwarze Kette wurde so durch eine (viel k¨ urzere) schwarz-weisse Kette dargestellt. In dieser Funktion nennen wir die schwarz-weissen Ketten Ketten Dastellungen (oder: Zahl Darstellungen). Tats¨ achlich kann man so alle Zahlen darstellen und diesmal gilt: die Summe von zwei gleichen Bl¨ ocken ist gleich dem n¨achst h¨oheren Block, d.h. 2n + 2n = 2 · 2n = 2n+1 Somit haben wir die folgende Additionstafel f¨ ur Darstellungen: + ◦



◦ •

• ••

◦ •

Wir k¨ onnen statt mit den schwarzen Ketten nun auch mit ihren Darstellungen, d.h. ihren zugeordneten schwarz-weissen Ketten rechnen indem wir Darstellungen wie folgt addieren und multiplizieren. Beispiele. ◦ + • − − •◦•• + •••◦◦• = ◦◦•◦•• + •••◦◦• = • − − • ◦

◦ • • • − − • − − ◦ ◦

◦ • ◦ ◦ − − • • − − • ◦

• • −

¨ Ubertragzeile

− ◦

Also ist das Endergebnis • ◦ • • + • • • ◦ ◦ • = • ◦ ◦ ◦ • ◦ ◦.

•◦•• · •••◦◦•=

+ − •

• • • − − ◦ ◦

• ◦ ◦ • • • ◦ − − • •

• ◦ ◦ ◦ − •

• ◦ ◦ ◦ ◦ • • − − ◦ ◦

◦ ◦



• ◦ • •

− − − − − −− • •

Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)

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. Lineare Algebra (L2/L5)

Das Endergebis ist • ◦ • • · • • ◦ ◦• = • ◦ ◦ • • • ◦ ◦ ••.

2. Schnelles K¨ urzen von Br¨ uchen. Problem. Wie k¨ urzt man am schnellsten einen langen Bruch wie 759 550 Die bekannteste Methode ist vermutlich die zun¨achst die Primzahlzerlegung von Z¨ ahler und Nenner aufzustellen und dann gemeinsame Primfaktoren zu k¨ urzen. Tats¨ achlich ist aber eine andere Methode viel schneller, n¨amlich die von den Griechen gefundene Wechselwegnahme. Wechselwegnahme. Die Wechselwegnahme ist eine Methode der ganzzahligen Arithmetik. Sie dient dazu den gr¨ oßten gemeinsamen Teiler zweier nat¨ urlicher Zahlen zu finden. Definition. Seien a, b ∈ N zwei nat¨ urliche Zahen. Eine nat¨ urliche Zahl d heißt gr¨ oßter gemeinsamer Teiler von a, b wenn gilt: (1) d teilt a und b, d.h. es gibt ganze Zahlen α, β mit α · d = a und β · d = b. (2) wenn c ≥ 0 die Zahl a und b teilt, dann teilt d auch die Zahl d. Der gr¨ oßte gemeinsame Teiler wird mit ggT(a, b) (oder einfach mit (a, b)) bezeichnet. Satz. Seien a, b nat¨ urliche Zahlen. Dann existiert der gcd(a, b) und ist eindeutig. Beweis. Eine Zahl d teilt genau dann die beiden Zahlen von (a, b) wenn sie die beiden Zahlen von (a, b − a) teilt. Mit dieser Beobachtung zeigt das n¨achste Beispiel wie man den ggT immer findet. ♦ Beispiel. Die Wechselwegnahme zieht immer die kleinere Zahl von der gr¨ osseren Zahl eines Zahlpaares ab und bildet mit der reultierenden Zahl die n¨achste Paar (wie gezeigt): = = = = = = = = = =

(759, 550) (209, 550) (209, 341) (209, 132) (77, 132) (77, 55) (77, 22) (55, 22) (33, 22) (11, 22) (11, 11) Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)

§3 Arithmetische Theorien

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⇒ 11 = ggT(759, 550) 759 ⇒ 550 = 69 50 (nach Division von Z¨ ahler und Nenner durch 11 und dieser Bruch kann offensichtlich nicht weiter gek¨ urzt werden.)

Division mit Rest. Satz. [lineare Darstellung des ggT] Seien a, b nat¨ urliche Zahlen. ganze (!) Zahlen x, y ∈ Z mit

Dann gibt es

ggT(a, b) = x · a + y · b Alternative Formulierung. Die lineare Gleichung ax + by = d hat eine ganzzahlige L¨ osung x, y, wenn d = ggT(a, b). Beweis. Definiere die Menge M := { xa + yb | x, y ∈ Z } ⇒

M enth¨ alt mindestens eine positive ganze Zahl, n¨amlich a (denn: a = 1 · a + 0 · b)

⇒ P := { z ∈ M | z ≥ 0} 6= ∅ ⇒ P hat ein Minimum d := min P, (d.h. eine Zahl d mit d ≤ z, f¨ ur alle z ∈ P ). Es gibt ganze Zahlen x, y mit d = xa + yb. Beh. d = ggT(a, b). (1) Es gibt nat¨ urliche Zahlen q, r ∈ N mit a = q · d + r und r < d (r heißt Rest) ⇒ r = a − qd = a − q(xa + yb) = (1 − qx)a + (−qy)b ∈ P ⇒ r = 0 (da sonst Widerspruch zur minimalen Wahl von d, denn r < d). ⇒ d teilt die Zahl a (ebenso beweist man: d teilt die Zahl b). (2) Sei c ≥ 0 eine Zahl, die a und b teilt. ⇒ c teilt den Ausdruck xa + yb = d ⇒ c teilt d. ♦

Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)

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. Lineare Algebra (L2/L5)

3. Primzahlzerlegung. Definition. Eine nat¨ urliche Zahl heißt Primzahl, wenn sie nur von 1 und sich selbst geteilt wird. Der Beweis des n¨achsten Lemma’s benutzt die lineare Darstellung des ggT. Euklid’s Lemma. Seien m, n ∈ N und sei p eine Primzahl mit p teilt das Produkt mn. Dann teilt p die Zahl m oder die Zahl n. Beweis. (indirekt) Annahme. p teilt weder m noch n. ⇒ ggT(m, p) = 1 (p ist Primzahl) ⇒ es gibt Zahlen x, y ∈ Z mit 1 = xp + ym ⇒ n = (nx)p + (ny)m ⇒ p teilt n (da p die Zahlen pn und mn teilt) ⇒ Widerspruch. ♦ Definition. Sei n ∈ N eine beliebige nat¨ urliche Zahl. Ein Produkt pn1 1 pn2 2 . . . pnmm heißt Primzahlzerlegung von n, wenn es (1) gleich n ist und wenn (2) die Primzahlen p1 , . . . , pm paarweise verschieden sind. Satz. [Existenz] F¨ ur jede Zahl n ∈ N gibt es mindestens eine Primzahlzerlegung. Beweis. (induktiv) Induktions Schluss. Sei n ∈ N. 1. Fall. n ist eine Primzahl, Dann sind wir fertig. 2. Fall. n ist keine Primzahl ⇒ es gibt u, v ∈ N mit n = u · v und u, v 6= 1, n (nach Definition von Primzahl) ⇒ u