3 Grundlagen Kanalbetrieb

3.1 Vorbemerkungen Die nachfolgenden Ausführungen sollen in die Grundlagen des Kanalbetriebes einführen und dem Leser Zusammenhänge beim Betrieb von Abwasseranlagen aufzeigen. Für weitergehende Informationen muss auf die einschlägige internationale Fachliteratur verwiesen werden, die in Form von Fachbüchern, Fachzeitschriften und nationalen, europäischen oder auch anderen internationalen Normen ausreichend zur Verfügung steht. Abwasserableitung (Kanalisation) und Abwasserbehandlung (Kläranlagen, Vorbehandlungsanlagen) stellen eine Einheit dar. Störungen in einem dieser Systeme wirken sich auch auf das andere System aus. Um das zu erkennen, ist es hilfreich, etwas über die Vorgänge bei der Abwasserbehandlung zu wissen.

Abb. 3.1. Verfahrensschema der Abwassertechnik [3.1]

In Kläranlagen – aber auch in Vorbehandlungsanlagen, in denen Abwässer vor Einleitung in eine Kanalisation behandelt werden – laufen Pro-

26

3 Grundlagen Kanalbetrieb

zesse ab, die verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebieten zuzuordnen sind. Physikalisch-mechanische Vorgänge finden in Rechenanlagen, Sieben, Sandfängen und Absetzbecken statt. So sind z.B. Absetzbecken auf eine bestimmte Aufenthaltszeit des Abwassers ausgelegt. Dabei reduziert sich die Fließgeschwindigkeit des Abwassers im Becken und absetzbare Stoffe haben Gelegenheit, auf den Beckenboden zu sinken. Wird nun durch unerwünschte zusätzliche Wasserzuflüsse – z.B. bei undichten Kanälen durch Grundwasser und bei Fehlanschlüssen durch Regenwasser – mehr Wasser als geplant in die Becken eingeleitet, so verkürzt sich die Aufenthaltszeit und es können weniger absetzbare Stoffe sedimentieren. Diese gelangen dann in den biologischen Teil der Anlage und stören die dortigen Vorgänge. Die Reinigungsleistung der Anlage geht zurück. Biologische Vorgänge finden in Belebtschlammbecken, Tropfkörpern, und bei der Schlammbehandlung statt. Bakterien und andere Mikroorganismen ernähren sich von den organischen Inhaltsstoffen im Abwasser und wandeln diese in anorganische Stoffwechselprodukte um. Für diese Lebensvorgänge brauchen sie ein geeignetes Umfeld, so z.B. einen pH-Wert des Abwassers zwischen 6 und 9 – also Abwasser im neutralen bis schwach alkalischen Bereich –, einen ausreichenden Sauerstoffgehalt und geeignete Temperaturen im Abwasser. Treten hier Störungen auf, wird die Metabolismusrate der Mikroorganismen gesenkt, oder sie sterben ganz ab. Die Folge ist auch hier eine verminderte Reinigungsleistung. Chemische Vorgänge vollziehen sich bei Flockungs- und Fällungsprozessen, der Phosphat- oder Stickstoffelimination oder auch in der Vorbehandlung bei der Neutralisation oder Entgiftung von belasteten Industrieabwässern. Im Faulprozess z.B. können erhebliche Probleme auftreten, wenn durch unerlaubte Einleitungen die normalen chemischen Prozesse gestört werden. Das kann bis zur Klärschlammverwertung durchschlagen, wenn bei bestimmten Schwermetallgehalten die Aufbringung auf landwirtschaftlichen Flächen dann unmöglich wird. Zahlreiche Störvorgänge hinterlassen auch in der Kanalisation ihre Spuren, worauf später noch eingegangen wird. Sie müssen daher erkannt, dokumentiert und ihre Beseitigung veranlasst werden. Eine enge und verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen Kanal- und Kläranlagenbetreiber ist daher unerlässlich, denn Abwasserableitung und -behandlung sind eine Einheit.

3.3 Einleitungsbeschränkungen

27

3.2 Abwassereigenschaften Die Abwasserbeschaffenheit hängt naturgemäß von den Einleitungen ab. Städtisches Abwasser zeigt etwa folgendes Profil: Farbe: frisches Abwasser ist hellgrau bereits angefaultes schwarz-grau Letzteres ist unerwünscht, kann es doch in der Kanalisation zu Korrosionen und in der Kläranlage zu Störungen führen. Geruch: frisches Abwasser riecht dumpfig, muffig angefaultes nach Schwefelwasserstoff – H2S -

o

Die Temperatur liegt zwischen 10° und 20 C. Der pH-Wert liegt zwischen 6,5 und 7,5 – also im neutralen Bereich. Enthaltene Stoffmengen bestehen zu 1/3 aus absetzbaren und ca. 2/3 gelösten oder ungelösten Stoffen. Außerdem können im Abwasser organische und anorganische Stoffe, Gifte, Öle und Fette, brennbare und explosive Stoffe, Detergentien und infektiöse Stoffe enthalten sein.

Messwerte zur Charakterisierung des Abwassers sind der BSB5 = Bedarf an Sauerstoff für den Abbau der org. Stoffe (mg/l) CSB = Chemischer Sauerstoffbedarf, der erforderlich ist, um alle organische Inhaltsstoffe zu oxidieren NH4-N = Gehalt an Ammonium-Stickstoff -

Pges

=

Gesamtphosphorgehalt

3.3 Einleitungsbeschränkungen Um schädliche Einwirkungen auf den baulichen Zustand und die betrieblichen Abläufe der Ableitungs- und Reinigungsanlagen, aber auch auf die Umwelt auszuschließen, unterliegen Einleitungen in die Kanalisation Beschränkungen. Damit soll sichergestellt werden, dass das in den Anlagen tätige Personal nicht gefährdet, die Abfluss- und Reinigungsprozesse nicht nachteilig beeinflusst, die Schlammbehandlung und -beseitigung nicht erschwert werden und keine Gerüche entstehen. Diese Einschränkungen sind international noch nicht standardisiert und somit gelten für die verschiedenen Länder unterschiedliche Regelungen.

28

3 Grundlagen Kanalbetrieb

Grundsätzlich sollte das Einleiten von Schutt, Asche, Glas, Sand, Müll, Textilien, Kunstharzen, Lacken, Bitumen, Teer, Zement, Jauche, Gülle, Silagewässer, Benzin, Heizöl, Fetten, Öle, Säuren, Laugen unzulässig sein. Abwasserstöße sollen vermieden werden.

3.4 Bauwerke der Abwasserableitung Bauwerke der Abwasserableitung sind Rohrleitungen, Schächte und Sonderbauwerke. Sie müssen einer Reihe von Anforderungen genügen: dicht gegen inneren und äußeren Wasserdruck, standfest gegen innere und äußere Belastungen, beständig gegen Angriffe aus der Boden-, Grundwasser- und Abwasserzusammensetzung, widerstandsfähig gegen mechanische Beanspruchungen (Reinigung, Abrieb etc.) wurzelfest. Schäden wie Undichtigkeiten, Risse, Löcher, Einbrüche, Deformationen und Korrosionen können in allen Bauwerken auftreten. Die Ursachen, die zur Schädigung der Bauwerke führen, können unterschiedlichster Natur sein. Auf diese Problematik wird im Kapitel 6 speziell eingegangen. 3.4.1 Rohrleitungen Die in den öffentlichen sowie privaten Abwasserableitungen eingesetzten Rohrmaterialien weltweit sind überwiegend aufgeteilt nach biegesteifen, biegeweichen und semiweichen Rohrmaterialien sowie Verbundmaterialien (auch biegesteif): biegesteife Rohrmaterialien Steinzeugrohre Betonrohre Stahlbetonrohre Polymerbetonrohre Asbest-/Faserzementrohre

3.4 Bauwerke der Abwasserableitung

-

biegeweiche Rohrmaterialen gemauerte Kanäle PE-Rohre GFK-Rohre

29

PVC-Rohre PP-Rohre

-

semiweiche Rohrmaterialien Duktile Gussrohre

-

Verbundmaterialien (biegesteif) Beton mit PVC Beton mit PE Beton mit GFK Beton mit Steinzeug

Nach den Rohrformen unterscheidet man Kreisprofile: Derartige Rohre kommen mit oder ohne Fuß zum Einbau. Rohrform in der Regel bis DN 600 und größer. Eiprofile: Sind bei schwankenden Abflussmengen vorteilhaft, da der Trockenwetterabfluss eine größere Schwimmtiefe aufweist und dadurch die Gefahr von Ablagerungen vermindert wird – mit und ohne Fuß. Maulprofil: Gedrückter Querschnitt, der oft bei großen Abflussmengen und beengten Höhenverhältnissen eingesetzt (z.B. Kreuzungen mit Verkehrsanlagen, Leitungen) wird – mit Fuß. Statisch günstiges Profil. Sonderformen: Rechteckprofile, Haubenprofil, und weitere

Kreisprofil – B:H = 2:2

Eiprofil – B:H = 2:3

Abb. 3.2. Grundprofile nach DIN 4263

Maulprofil – B:H = 2:1,5

30

3 Grundlagen Kanalbetrieb

Nach deutscher Norm sind alle Profile nach dem Verhältnis von „Breite zu Höhe“ definiert. Hierbei ist als erstes Maß grundsätzlich die Breite und als zweites Maß die Höhe anzugeben. Diese Bemaßung gilt ebenfalls in Österreich und in der Schweiz. Früher war die Bezeichnung in umgekehrter Reihenfolge dokumentiert, also „Höhe zu Breite“. In anderen Ländern können durchaus andere Richtlinien gelten. Die europäische Norm – EN 13508-2 – sieht die folgenden Profilarten als Grundprofile:

kreisförmig

rechteckig

eiförmig

U-förmig

bogenförmig

oval

Abb. 3.3. Profilarten nach EN 13508-2

Alle in der Kanalisation eingesetzten Rohrarten weisen bestimmte dem Einsatzzweck der Abwasserableitung entsprechend zugeordnete Eigenschaften auf. Zu diesen gehören u.a. Biegezugfestigkeit, Druckfestigkeit, Wasserdichtigkeit, geringe Wandrauhigkeit, Abriebfestigkeit und Maßgenauigkeit. Von den einzelnen Rohrmaterialien wird dieses unterschiedlich realisiert, die zugehörigen Kennziffern sind den jeweiligen Handbüchern und Normen zu entnehmen. Zum Lieferprogramm aller Rohrhersteller gehören neben den geraden Rohren auch Formstücke wie Bögen, Abzweige, Übergangsstücke zu an-

3.4 Bauwerke der Abwasserableitung

31

deren Durchmessern und Profilen oder Rohrmaterialien, Gelenkstücke und Verschlussstücke. 3.4.2 Schächte Schächte im Kanalstrang sind beim Betrieb eines Netzes – bei der Inspektion, der Reinigung und der Belüftung – erforderlich. Sie werden außerdem erforderlich bei Richtungsänderungen der Trasse, bei Vereinigung mehrerer Sammler, beim Gefällewechsel, beim Wechsel des Rohrdurchmessers, des Rohrprofils und des Rohrmaterials. Der Schachtabstand ist von der Örtlichkeit, dem Zweck und den zur Verfügung stehenden Reinigungsgeräten abhängig. Er beträgt in der Regel zwischen 50 und 80 Metern, kann aber bei den heutigen Inspektions- und Reinigungsgeräten auch erheblich größer sein. Der Schachtdurchmesser soll 1,00 Meter nicht unterschreiten und muss mit Steighilfen zur Begehung ausgerüstet sein. Um die Schachtabdeckung klein zu halten, hat die obere Ausstiegsöffnung in der Regel einen Durchmesser von > 625 mm, die gerade noch die Schachtbegehung mit angelegten Sicherungsgeräten ermöglicht. Das Schachtbauwerk besteht, unter Berücksichtigung der EN 13508-2, im Einzelnen aus den in Abb. 3.4. dargestellten Bauteilen.

c d

c d

c Abdeckung, Rahmen d Auflagering

e

e

e Konus

f

f

f Schachtaufbau

h i

g i

g Übergangsplatte

j k l

j k l

h i j k l

Abb. 3.4. Prinzipieller Aufbau eines Schachtes [3.2]

Podest Untere Schachtzone Auftritt Gerinne Sohle

32

3 Grundlagen Kanalbetrieb

Bei einem normalen Einstiegsschacht gibt es keine „Untere Schachtzone“, die besteht nur bei tiefen Schächten, die entweder mit einer Übergangsplatte – keine Einengung des Schachtquerschnittes – oder einem Podest – Platte mit Durchstiegsloch – ausgerüstet sind. Die Anforderungen an die Schächte sind grundsätzlich die gleichen wie die an die Rohrleitungen. Besonders wichtig sind die gelenkigen Anschlüsse der Rohrstrecken an das Schachtbauwerk, um unterschiedliche Belastungen – Setzungen – aufnehmen zu können. Die Regelungen für die Bauarten und Bauweisen der Schächte sind in den verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt und müssen den nationalen Regelwerken entnommen werden. 3.4.3 Sonderbauwerke In Kanalisationen sind zahlreiche Sonderbauwerke vorhanden, die den verschiedensten Aufgaben dienen. Absturzbauwerke: Sie sind zum Vermeiden zu starker Gefälle vorzusehen. Bis zu einer Höhendifferenz von etwa 2 m können sie als sog. Untersturzschächte mit innen oder außenliegendem Untersturz ausgebildet werden, bei größeren Höhenunterschieden sind z.B. Kaskadenbauwerke und Wirbelfallschächte angebracht. Es wird dadurch eine Vernichtung der Fallenergie erreicht, um Sohlverschleiß auszuschalten. Regenbecken: Dieser Begriff fasst alle Behandlungsanlagen für Niederschlagswässer zusammen.

Abb. 3.5. Prinzipieller Aufbau eines Regenüberlaufbauwerkes [3.2]

3.4 Bauwerke der Abwasserableitung

33

Regenüberläufe: Sie ermöglichen in der Kanalisation den Abschlag von Regenwasser, welches dann nicht bis zur Kläranlage mitgeführt werden muss und so kleinere Durchmesser in der weiterführenden Leitung ebenso ermöglicht wie eventuelle Pumpkosten minimiert. Das ankommende Wasser strömt gegen eine Schwelle, die ab einer bestimmten Wassermenge das Wasser in einen Entlastungskanal überlaufen lässt. Die Verdünnung des Schmutzwassers, ab der ein Abschlag möglich wird, ist mit der zuständigen Wasserbehörde abzustimmen und hängt u.a. von der Verschmutzung, und der Leistungsfähigkeit des Vorfluters ab. Für den Betrieb wichtig ist, dass im Bereich der Schwelle keine Ablagerungen im Kanal sein dürfen, da sonst der Überlauf bereits vor Erreichen der zulässigen Verdünnung anspringt und eine unzulässige Verschmutzung des Vorfluters verursachen würde. Regenüberlauf- oder Regenklärbecken: Hiervon spricht man bei kurzzeitiger Speicherung von Ablaufspitzen mit Entlastung in einen nahe gelegenen Vorfluter. Regenrückhaltebecken: Hiervon spricht man bei kurzzeitiger Speicherung von Ablaufspitzen ohne die o.g. Entlastung. Hierbei werden nach Beendigung des Regenereignisses die zwischengespeicherten Regenmengen dem Ablauf zur Kläranlage wieder zugeführt. Stauraumkanal: Er ist eine Sonderform des Regenrückhaltebeckens, bei dem durch Querschnittsaufweitung des Hauptsammlers ein Raum zur Rückhaltung der Abflussspitzen geschaffen wird.

Abb. 3.6. Prinzip eines Dükerbauwerkes

Düker: Sie werden erforderlich, wenn bei Freispiegelleitungen tief in der Trasse liegende Verkehrsanlagen, Leitungskreuzungen oder Gewässerkreuzungen die direkte Fortführung des Gefälles ausschließen. Durch Absenkung der Trasse im Kreuzungsbereich kann eine Unterfahrung erfolgen. In diesem Abschnitt ist die Leitung ständig mit Wasser gefüllt und steht

34

3 Grundlagen Kanalbetrieb

unter Druck. Düker erfordern erhöhten Aufwand im Betrieb u.a. durch häufigere Reinigungen. Der Düker besteht, in Fließrichtung gesehen, aus dem Oberhaupt, der eigentlichen Leitung und dem Unterhaupt. In den Häuptern sind Absperrvorrichtungen vorzusehen. Die Leitungen werden bei stärker schwankenden Zuflüssen geteilt, um Ablagerungen zu verringern. Die Mindestgeschwindigkeit des Wassers in den Leitungen soll 1 m/s nicht unterschreiten. Auslassbauwerke: Sie sind bei der Einmündung der Entlastungskanäle oder Kläranlagenabläufe in die Vorfluter erforderlich. Pumpwerke: Sie werden erforderlich, wenn die Abwassermengen über größere Höhenunterschiede zu heben sind. Bei 6-8 m Höhenunterschied kommen Schnecken- oder Zentrifugalpumpwerke zum Einsatz und bei größeren Höhenunterschieden nur Zentrifugalpumpwerke. Schneckenpumpwerke: Sie fördern das Abwasser in spiralförmig angeordneten Schaufeln offen in das höhere Niveau. Die Förderleistung ist durch die Füllhöhe in den Schaufeln vorgegeben. So können auch unterschiedliche Zuflussmengen gut beherrscht werden. Beim Betrieb können Geruchsbelästigungen nicht ausgeschlossen werden, je nach örtlicher Umgebung sind solche Pumpwerke einzuhausen. Zentrifugalpumpwerke: Sie sind Druckpumpen. Sie werden als trocken aufgestellt bezeichnet, wenn das Förderaggregat durch eine Trennwand vom Pumpensumpf abgeteilt ist und nur der Ansaugstutzen in diesen geführt ist. Als nassaufgestellt gilt eine in den Sumpf eingehängte Tauchpumpe. Der freie Pumpenquerschnitt entspricht i. Allg. den Querschnitten der Saug- bzw. Druckstutzen, so können auch Abwässer mit ihren Inhaltsstoffen bewältigt werden. Straßenabläufe: Auch Sinkkästen genannt, dienen der Aufnahme von Oberflächenwässern in die Kanalisation. Sie können in den Bordstein (mit Seiteneinlass) integriert oder als Rosteinlass – Schlitze immer quer zur Fahrt- bzw. Anströmrichtung – ausgebildet sein. Damit Sperrstücke, Laub, Papier oder sonstige grobe Verunreinigungen nicht in die Kanäle gelangen, sind sie mit Eimern oder Schlammfängen ausgestattet. Grundstücksentwässerungsanlagen: Sie gehören eher zum nicht öffentlichen Teil der Entwässerung. Unterschieden wird in die horizontalen Grundleitungen, die vertikalen Fallleitungen und dem Hausanschlusskanal. Revisionsöffnungen in diesen gestatten bei Verstopfungen schnelle Abhilfe. Rückstauverschlüsse verhindern bei überstarkem Regen eine Kellerüberflutung, wenn unterhalb der Rückstauebene Einläufe im Keller vorhandenen sind.

3.5 Kanalbetrieb

35

Leichtflüssigkeitsabscheider: Zur Sicherheit des Kanalbetriebes müssen bestimmte Einleitungen vorbehandelt werden. Zu derartigen Anlagen gehören z.B. Benzin-, Öl- oder Fettabscheider mit vorgeschaltetem Schlammfang. Durch geeignete Wasserführung in den Abscheidern können sich diese Stoffe vom Abwasser trennen und in Sammelräumen an die Oberfläche steigen. Von dort müssen sie getrennt entsorgt werden.

3.5 Kanalbetrieb Der Kanalbetrieb setzt sich aus drei Arbeitsbereichen zusammen, die das reibungslose Betreiben eines Kanals gewährleisten sollen. Sie greifen unmittelbar in einander über. Diese drei Arbeitsbereiche und ihre Definitionen sind: Tabelle 3.1. Definition der Arbeitsbereiche -

Arbeitsbereiche Wartung Inspektion Sanierung

-

Definitionen Erhalt des Sollzustandes Feststellung des Istzustandes Wiederherstellung des Sollzustandes

Im Anhang 3 wird ein genereller Überblick vermittelt. 3.5.1 Wartung Hierzu gehören im öffentlichen Bereich die Reinigung der Haltungen einschließlich der Schächte und Sonderbauwerke im begehbaren und nicht begehbaren Bereich, das Gängighalten von Schiebern, Armaturen, Maschinen und Pumpen. Zur Reinigung stehen HD-Reinigungsfahrzeuge mit oder ohne Wasserrückgewinnung, kombinierte HD- und Saugfahrzeuge, Saugfahrzeuge, Seilzugwinden mit Reinigungsgeräten, Spülschilde und Spezialverfahren zur Verfügung. Im begehbaren Bereich muss überwiegend von Hand oder mit Spülschilden gereinigt werden. Außer Kanälen und Schächten sind Sandfänge, Schlammfänge von Straßenabläufen, Regenüberläufe, Auslässe, Regenbecken, Pumpensümpfe und Abscheider für Leichtflüssigkeiten und Fette zu reinigen. Die Reinigung bezieht sich auch auf den privaten Bereich. Die privaten Hausanschlüsse sollten regelmäßig gespült und dabei gleichzeitig die Rückschlagtechnik geprüft werden.

36

3 Grundlagen Kanalbetrieb

Abb. 3.7. CANALMASTER WA Economic Kombiniertes Saug-/Spülfahrzeug mit Wasserrückgewinnung

Abb. 3.8. B 55 C Hochdruckspülwagen (Joachim Leistikow GmbH)

(Müller Umwelttechnik GmbH)

Für eine ordnungsgemäße Wartung ist die Erstellung eines Wartungsplanes sinnvoll. Die Reinigung ist zwingend die Vorarbeit für die Inspektion und die Sanierung. 3.5.2 Inspektion Dieser Arbeitsbereich stellt den Schwerpunkt dieses Buches dar. Die Inspektion wird im öffentlichen Bereich mittels Kanal-TV-Anlagen, durch Begehung oder Befahrung vorgenommen. Im privaten Bereich kommen überwiegend Koffer-TV-Anlagen zu Einsatz.

Abb. 3.9. CT250-DN250

Abb. 3.10. Kofferanlage ECO B2

(itv, Betzigaul)

(Wolfgang Rausch GmbH & Co.)

Die Inspektion dient der Bestandsaufnahme des baulichen und zum Teil auch des betrieblichen Zustandes der Kanäle und Leitungen und damit der Erfassung und Dokumentation von Undichtigkeiten, Hindernissen, Lage-

3.5 Kanalbetrieb

37

abweichungen, Oberflächenschäden, Korrosion, Rissen, Scherbenbildungen, Brüchen, Deformationen, Zuläufen (Abzweige und Stutzen) sowie Rohrverbindungen. Sie dient nicht dem Selbstzweck, sondern erstellt die Grundlagen für den dritten Arbeitsbereich, der Sanierung. Die Zustände sind mittels der EN 13508-2 zu dokumentieren. Für die Klassifizierung der Einzelschäden und der Schäden insgesamt gibt es kein einheitliches europäisches System. Jedes Land kann und muss hierfür sein eigenes System gesondert aufbauen. 3.5.3 Sanierung Die Sanierung gliedert sich in die folgenden Arbeitsbereiche [3.3]: Reparatur - örtl. Wiederherstellung - außen - innen - Injektionsverfahren

- außen - innen

- Abdichtungsverfahren

- außen - innen

Abb. 3.11. örtliche Wiederherstellung von innen – Roboterverfahren – [3.4]

Roboterverfahren: Sie dienen überwiegend der punktuellen Sanierung von Kanaldefekten. Schäden werden aufgefräst und mittels eines Epoxydharzmörtels oder eines anderen Mörtel dann verpresst oder verspachtelt. Renovierung: - Beschichtungsverfahren - Verdrängungsverfahren - Aufspritzverfahren - Anschleuderverfahren - Auspressverfahren

38

3 Grundlagen Kanalbetrieb

Abb. 3.12. Beschichtungsverfahren – Anschleuderverfahren [3.4]

Beschichtungsverfahren: Hier wird durch Aufspritzungen oder Ausschleuderungen eine neue Innenhaut auf den beschädigten Kanal aufgebracht. In der Abwasserableitung sind sie jedoch eher untergeordnet. Während der Bearbeitung müssen die Leitungen sauber und trocken sein, Zuflüsse müssen für die Dauer der Arbeiten abgefangen und übergepumpt werden. Durch Zusätze können die statischen Verhältnisse verbessert werden, hydraulischen Leistungsminderungen sind wegen der Querschnittsreduzierung nicht auszuschließen. - Liningverfahren - Rohrrelining - Wickelrohrrelining - Trollining - Schlauchlining

Abb. 3.13. Liningverfahren – Schlauchlining [3.4]

Liningverfahren: Sie sehen das Einziehen oder Einschieben eines neuen Rohrstranges oder Schlauches in das alte Rohr vor. Auch hier müssen die alten Leitungen sauber und frei von Hindernissen sein. Etwaige Seitenzuflüsse sind abzufangen und überzupumpen. Auch hier kann die statische Tragfähigkeit verbessert und die hydraulische Leistungsfähigkeit gemin-

3.6 Abflusssysteme

39

dert werden. Vorteilhaft ist das Fehlen von Aufbrüchen, auch die Anschlüsse können unterirdisch wiederhergestellt werden. - Montageverfahren - Teilauskleidung - Vollauskleidung ohne Außendruckbelastung - Vollauskleidung mit Außendruckbelastung Erneuerung: - offene Bauweise - ohne Entfernung der alten Leitung - mit Entfernung der alten Leitung - geschlossene Bauweise - ohne Entfernung der alten Leitung - mit Entfernung der alten Leitung

Abb. 3.14.

geschlossene Bauweise, Entfernung alten Kanals – Berstrelining [3.4]

Berst-/Fräsverfahren: Mittels dieser Verfahren wird entweder unter Zuhilfenahme eines Berstkörpers die alte Kanalleitung zerstört, ins umgebende Erdreich eingedrückt oder mittels einem Fräskopf aufgenommen. Hinter beiden Köpfen wird gleichzeitig die neue Leitung eingezogen.

3.6 Abflusssysteme In der Kanalisation werden die gesammelten Abwässer abgeleitet. Dabei wird unterschieden in - Mischsystem: gemeinsame Ableitung von Schmutz- und Regenwasser in einer Leitung

40

3 Grundlagen Kanalbetrieb

Abb. 3.15. Mischsystem [3.4]

- Trennsystem:

getrennte Ableitung von Schmutz- und Regenwasser in jeweils getrennten Leitungen.

Abb. 3.16. Trennsystem [3.4]

Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Welches System eingesetzt werden soll, muss örtlich nach eingehender Prüfung auch der topografischen Situation entschieden werden. Für das Mischsystem gilt u.a.: - Vorteile: - kostengünstig in Bau und Betrieb (nur eine Leitung). - übersichtlich, keine Fehlanschlüsse (z.B. Schmutzwasserhausanschluss an Regenwasserstraßenkanal und umgekehrt). - geringere Beanspruchung des unterirdischen Straßenraumes. - Nachteile: - Straßenkanal liegt tiefer, wenn Kellerentwässerung in freiem Gefälle mit aufgenommen werden soll. - aufwendige Regenentlastungsbauwerke, u.U. Nachteile für die Gewässergüte. - höhere Pumpkosten, wenn das Regenwasser mit gehoben werden muss.

3.6 Abflusssysteme

41

- Gefahr von Ablagerungen in großen Mischwasserkanälen bei Qt. Für das Trennsystem gilt u.a.: - Vorteile: - geringere Tiefenlage des Regenwasserkanals (Baukosten). - kostengünstig, wenn Regenwasser über nur kurze Kanäle dem Vorfluter – evtl. nach Vorbehandlung – zugeführt werden kann. - kostengünstig, wenn wegen geringer Einbautiefe Pumpkosten vermieden oder eingespart werden können. - Nachteile: - Gefahr von Fehlanschlüssen. - höherer Bau- und Betriebsaufwand (zwei Leitungen). - hoher Platzbedarf im Straßenraum. Nach der Art der Abwasserableitung wird in Freispiegel- und Druckbzw. Saugleitungen unterschieden. In Freispiegelleitungen fließt das Abwasser der Schwerkraft folgend ab. Das setzt ein entsprechendes Gefälle der Leitungen voraus. Reicht dieses wegen der topografischen Verhältnisse vom Anfangspunkt der Sammler bis zur Kläranlage nicht aus, müssen Hebe- oder Pumpwerke zwischengeschaltet werden, die ihrerseits das gepumpte Wasser wieder in Freispiegelleitungen abgeben oder es in Druckleitungen zur Kläranlage führen. Bei Freispiegelkanälen werden, unter Beachtung der Gefälleverhältnisse, die Leitungsdurchmesser mit Fließrichtung größer. Einen höheren Mechanisierungsaufwand erfordern Druck- oder Vakuumentwässerungen. Die Sammlersysteme stehen dabei unter Druck bzw. unter Vakuum. Ein sinnvoller Einsatz ist nur im Trennsystem möglich. Da sich die Leitungen den Geländeverhältnissen anpassen – nur frostfreie Tiefenlagen sind erforderlich – und über dies nur die Schmutzwässer abgeführt werden, sind geringe Rohrdurchmesser möglich. Das vermindert die Baukosten. Für den einzelnen Anschlussnehmer ist aber der Installationsaufwand höher, muss er doch bei der Druckentwässerung für eine eigene Pumpe, bei der Vakuumentwässerung für geeignete Absperrschieber sorgen. Diese Entwässerungssysteme finden zur Abwasserableitung kleinerer, von den übrigen Siedlungsschwerpunkten abseits gelegener Gebiete (Wochenendsiedlungen usw.) Anwendung.

http://www.springer.com/978-3-540-85384-8