29. Juni 2011

Umfrage zu Diversity und Vielfalt der Sprache(n) anlässlich der HNU-Diversity-Konferenz am 28./29. Juni 2011 Prof. Dr. Ulrike Reisach, Neu-Ulm 19. Aug...
Author: Erica Dittmar
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Umfrage zu Diversity und Vielfalt der Sprache(n) anlässlich der HNU-Diversity-Konferenz am 28./29. Juni 2011 Prof. Dr. Ulrike Reisach, Neu-Ulm 19. August 2011

Anlässlich der Diversity-Konferenz der Hochschule Neu-Ulm fand unter den Teilnehmern und Interessenten1 eine Umfrage des Kompetenzzentrums Corporate Communications der Hochschule zum Thema „Diversity und Vielfalt der Sprache(n)“ statt. Ziel war es, einen ersten Überblick über die generelle Haltung und die Erfahrungen der Teilnehmer und Interessenten zum Thema Vielfalt - Diversity - zu bekommen. Die Umfrage konzentriert sich auf Englisch als Geschäftssprache in Unternehmen und Hochschulen und versucht zu ergründen, wie die Sprache Vielfalt in Denken und Kommunikation beeinflusst und wie unsere Teilnehmer darüber denken. Mit meist skalierten, teilweise aber auch offenen Fragen wurden schlaglichtartig die vielfältigen Meinungen und Erfahrungen von Studierenden, Dozenten und Unternehmensvertretern bzgl. des Englischen als Lehr- und Geschäftssprache ermittelt werden. Die Auswertung erfolgte anonym und summarisch. 1. Die Befragungsteilnehmer An dieser zwischen Juni und Juli auf Deutsch und Englisch onlinebereit gestellten Umfrage2 nahmen insgesamt 137 Personen teil, darunter 33 Unternehmer bzw. Unternehmensvertreter, 17 Wissenschaftler bzw. Dozenten und 64 Studierende. Die Befragungsteilnehmer ordneten sich in der Mehrzahl (29%) dem Bereich Medien zu, was die Nähe zum Studiengang Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation widerspiegelt. Aber auch Teilnehmer aus Industrie und Produktion (14%), Handel (11 %) und Kreditwirtschaft (2%) waren vertreten. Die Antwortenden stammten in der Mehrzahl (41 bzw. 42%) aus kleineren und mittelgroßen Betrieben und zu 17% aus Großbetrieben mit mehr als 5000 Mitarbeitern - und natürlich aus der Hochschule Neu-Ulm. Die Mehrheit der Befragungsteilnehmer stammt aus Deutschland, viele aus der Region Schwaben, was sich auch in der weit überwiegenden Nutzung der deutschen Sprachversion der Umfrage zeigte. 2. Die Umfrageergebnisse Fast alle Befragungsteilnehmer (87%) stimmen darin überein, dass Diversity eine Folge der Globalisierung und somit unumgänglich ist. Als Oberbegriff wurde Diversity von der Mehrheit der Befragungsteilnehmer (58%) als Denkweise verstanden. Immerhin 34% sahen in ihr (auch) eine Art zu Handeln, 31% eine Verhaltensform, die das Wirtschaftsleben effizienter macht. Englisch als Geschäftssprache ist für die meisten Befragten sehr wichtig (63%) oder wichtig (24%). Es 1

Bei Personennennungen sind immer weibliche und männliche Teilnehmer/Befragte gemeint. Die Umfrage wurde in www.onlineumfragen.com zweisprachig erstellt und auf der Homepage der Diversity-Konferenz verlinkt. Die meisten Fragenteile waren auf eine quantitative Auswertung in skalierter Form ausgelegt. Drei offene Fragen zur Eignung der unterschiedlichen Fächer und für ergänzende Kommentare erlaubten eine qualitative inhaltliche Ergänzung der unterschiedlichen Meinungen der 1 Teilnehmer. 2

wird von 31% der Befragten als vorteilhaft für die Wahrnehmung von Geschäftschancen gesehen, 19% weisen darauf hin, dass die Muttersprache/der Dialekt sich positiv auf die Geschäftschancen auswirke. Der Studierendenaustausch, z.B. im Zuge des europäischen Erasmus-Programms, wird von fast allen Befragten positiv bewertet (64% begrüßen ihn voll und ganz, 34% sehen ihn als vorteilhaft) – ein Signal für die Offenheit und Bereitschaft zur Internationalisierung der Hochschule(n). Damit geht auch eine grundsätzliche Offenheit für englischsprachige Vorlesungen an Hochschulen einher, wobei hier unterschiedliche Grade der Zustimmung erkennbar sind. Denn obwohl die überwiegende Mehrzahl der Befragten (86%) Vorteile darin erkennt, wenn auf Englisch gelehrt/gelernt/ geforscht und publiziert wird, sind die Zustimmungszahlen bei der konkreten Frage nach englischsprachigen Vorlesungen an der Hochschule Neu-Ulm geringer: 41% der Befragten begrüßen die zunehmende Zahl englischsprachiger Vorlesungen, 39% sehen darin immerhin einen Vorteil, aber 19% begrüßen diese Entwicklung definitiv nicht3. In diesem Zusammenhang sind auch die Antworten zu den persönlichen Erfahrungen mit Englisch aufschlussreich: Von den Befragungsteilnehmern glauben 32%, sie hätten Nachteile, wenn sie mit einem Geschäftspartner verhandeln, dessen Muttersprache Englisch ist. Nur 12% der Befragungsteilnehmer sehen sich im Vorteil, wenn Sie mit jemandem sprechen, für den Englisch die erste Fremdsprache ist4. So ist eine gewisse Skepsis bezüglich englischsprachiger Vorlesungen erkennbar, die sich durch einige Kommentare im offenen Fragenteil bestätigt. So werden in den freien Befragungsteilen werden unterschiedliche Grundhaltungen deutlich. Einige finden, „alles“ könne und solle auf Englisch gelehrt werden und verweisen auf die Notwendigkeit angesichts des Austausches von Studierenden und der betrieblichen Realitäten. Andere Befragungsteilnehmer sprechen sich ganz dezidiert und generell für die Lehre in der Muttersprache und damit gegen die Lehre auf Englisch aus. In den Kommentarteilen zur Befragung gibt ein Teilnehmer zu bedenken, dass Deutsch nicht unbedingt die Muttersprache aller inländischen Kursteilnehmer sei. Sehr detailbezogene Vorlesungen eigneten sich weniger für englischsprachige Kurse, „big picture geht immer auf Englisch“, lautet ein anderer Kommentar. Ein anderer Teilnehmer glaubt, dass sich alle Fächer, in denen sowieso sehr viel „Denglisch“ vorkommt, für englische Vorlesungen eignen. Für die unterschiedlichen Einschätzungen mögen die Antworten zur Frage nach den persönlichen Erfahrungen der Befragungsteilnehmer mit dem Englischen als Geschäftssprache ausschlaggebend sein: Die Mehrheit (52%) findet, die Kommunikation würde auf Englisch oberflächlicher. Nur 8% glauben, das Englische erlaube eine facettenreichere und anspruchsvollere Kommunikation, 40% sehen keine Qualitätsunterschiede. Englisch als Arbeitssprache sehen 37% als Erleichterung für die Zusammenarbeit in Teams, für 32% fühlt sich Englisch als Team-Arbeitssprache unnatürlich an und ist mehr ein Hindernis als eine Hilfe. Bei der Entwicklung neuer Ideen dominiert für die Mehrzahl der Befragten (43%) die 3

1% der Befragten hält die zunehmende Zahl englischer Vorlesungen für unerheblich. Für 24% macht es keinen Unterschied ob sie Deutsch oder Englisch sprechen. 13 Befragungsteilnehmer 2 haben diese Frage übersprungen. 4

Muttersprache, doch immerhin 30% finden, man könne diese Ideen auf Englisch leichter miteinander teilen. Nur 13 % sehen in der gemeinsamen Ideengenerierung mit Englisch als Arbeitssprache eine Erleichterung. In den freien Befragungsteilen wird erkennbar, dass die Vorteile des Englischen hauptsächlich in internationalen, marketing- und kommunikationsorientierten Themen gesehen werden. So werden Projektmanagement, Gesundheitsmanagement, Informationstechnologie und andere (international ausgerichtete) Technologiefelder, „computer skills“, Programmierung, Online-Medien, Psychologie, internationale Rechtsthemen, „alle Tätigkeitsfelder der EU“ sowie General Management, Intercultural Management und Leadership mehrfach genannt. Relativ klar scheint aber auch zu sein, wofür sich das Englische weniger eignet: Philosophie, (Wirtschafts-) Ethik und Wertefragen, (Wirtschafts-) Geschichte, Rechtsthemen, aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme insbesondere das Steuerrecht und Fragen der Sanierung/Restrukturierung. Soziologie, soziale Kompetenzen bzw. Themen der Zusammenarbeit und PR-Arbeit innerhalb eines Landes werden als länderspezifisch und daher weniger geeignet bezeichnet. Auch Mathematik, Statistik, Rechnungswesen, technische Fächer, Informatik sollten nach Meinung einzelner Befragungsteilnehmer besser in der Muttersprache gelehrt werden. Eine Reihe von Themengebieten wird kontrovers diskutiert: So finden sich in den Fächern Informationsmanagement, Datenbanken, Programmiertechnik, Web-Engineering, Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensführung, Marketing und Leadership sowohl klare Aussagen für als auch deutliche Aussagen gegen Englisch als Vorlesungssprache. Einige Teilnehmer begründen oder kommentieren Ihre Aussagen und helfen damit, den Widerspruch zu verstehen: Es käme auf den Kontext an, „the size and international outreach of companies is decisive“. Das ist sicher ein wichtiger Hinweis, denn so lange der Nutzen für das persönliche/berufliche Lebensumfeld nicht erkennbar ist, überwiegen die Bedenken. Einige andere Teilnehmer merken an, es käme auf die Dozenten und die Kursteilnehmer und deren jeweilige Sicherheit im Englischen an. Diese Einschätzung unterstreichen auch Aussagen wie „In der Muttersprache sollte alles gelehrt werden, was die Studierenden wirklich verstehen sollen“. Hier werden Ängste deutlich, die sich in weiteren Kommentaren präzisieren. So haben Studierende Sorge, dass die Inhalte schwerer verständlich und die Noten schlechter sein könnten. Ein Kommentator schreibt, Studierende würden sich die ganze Vorlesung übersetzen, um sie verstehen und lernen zu können. Vereinzelt kommen auch Zweifel an der Englischkompetenz der Dozenten bzw. an der Lehre durch Nicht-Muttersprachler zum Ausdruck. Sprache solle als Kulturbestandteil bewahrt werden, Mittelmaß sei nicht wünschenswert. Andere Befragte verweisen auf die Tatsache, dass man im Geschäftsalltag fast immer mit NichtMuttersprachlern aus den verschiedensten Ländern zu tun habe und es auf die generelle Sprach- und Ausdrucksfähigkeit, auf das Sich-Verständlich-Machen und das Verstehen der großen Linie ankäme, nicht auf Details. Etwaige Zweifel bzgl. des eigenen Könnens, Sollen oder Wollens werden durch zahlreiche Kommentare widerlegt: Mehrsprachigkeit sei optimal, ohne Englisch ginge es gar nicht, die Kenntnis der Weltsprache sei eine Selbstverständlichkeit bei

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Hochschulabsolventen, man müsse aufeinander Rücksicht nehmen: „both native and non-native speakers have to accept each others limitations“. Zum Abschluss aber auch ein aufmunternder Kommentar eines Befragungsteilnehmers: „I find that German kids speak English phenomenally! Your school system is brilliant (too bad your youth doesn’t seem to value it – or so I hear).” 3. Fazit und Ausblick Die Internationalisierung der Geschäftswelt und der Hochschulen wird als Tatsache anerkannt und begrüßt. Das Englische als Geschäftssprache ist unumstritten, als Sprache der Lehre an Hochschulen, insbesondere an der eigenen Hochschule, wird es teilweise noch kritisch gesehen. Vom Englischen als Selbstverständlichkeit in der Lehre scheinen wir jedenfalls noch ein gutes Stück entfernt, so zeigt es die Fülle der Kommentare speziell zu diesem Punkt. Hier bleiben viele Details zu diskutieren, Manches zu verbessern und die Bemühungen aller Seiten zu unterstützen. Darüber hinaus gilt es Grundsätzliches zu klären: In wie weit beeinflusst die Sprache Denkstrukturen und Lehrinhalte? Auf welche Weise sollten wir Vielfalt sicherstellen? Wie können wir den unterschiedlichen Anforderungen und Anliegen gleichermaßen gerecht werden? Müssen/sollten Hochschulen (auch) auf ganz anderen Gebieten ansetzen, um Internationalität und Vielfalt zu ermöglichen? Wie können Unternehmen und Partnerhochschulen eingebunden werden, wie können und wollen sie den Prozess unterstützen? Hier bleibt Raum für zahlreiche weitere Forschungen und Initiativen. Um die unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven am Beispiel der Sprache Englisch kennenzulernen, wurde diese Befragung durchgeführt. Die Vielfalt an Erfahrungen, Gedanken und Anregungen birgt ein großes Lernpotential, das wir hiermit allen Interessierten zugänglich machen wollen. Wir danken allen Mitwirkenden sehr herzlich für die Beiträge und hoffen, möglichst viele der Anregungen in Forschung, Lehre und Unternehmenspraxis konstruktiv einbringen zu können. Ansprechpartnerin, Kompetenzzentrum Corporate Communications: Prof. Dr. Ulrike Reisach, [email protected]

Ergänzende Informationen zu internationalen Gaststudierenden und zum englischsprachigen Kursangebot der Hochschule Neu-Ulm (HNU) An der Hochschule Neu-Ulm finden für die Studierenden der Fächer Betriebswirtschaft (BW) und Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation (IMUK) verpflichtend drei Semester lang Englischkurse statt, die zum European Level B2 führen. Kurse in Französisch und Spanisch können ergänzend belegt werden, in Betriebswirtschaft ist eine weitere Fremdsprache Pflicht. Im Studiengang Betriebswirtschaft gibt es Schwerpunkte mit ausschließlich englischsprachigen Vorlesungen. In allen anderen Studiengängen werden Lehrveranstaltungen auf Englisch abgehalten, wenn es fachlich sinnvoll ist. Die Prüfungsordnungen ermöglichen es, dieses 4

Angebot auszubauen. Eine Reihe von Dozenten verfügt über langjährige internationale Erfahrung, die sie hier einbringen. Das internationale Kursangebot der Hochschule hat auch zu einem guten Ergebnis beim internationalen CHE Hochschulranking 2011 beigetragen. Eine Übersicht über die im Wintersemester 2011-2012 angebotenen Kurse, deren Dozenten und Inhalte findet sich unter: www.hs-neu-ulm.de/e/study_courses/courses_english_wintersemester_2011_12/. Im Jahr 2011 (Sommer- und Wintersemester) nehmen 55 Gaststudierende aus 11 Ländern die englischsprachigen Kursangebote der Hochschule wahr. Sie kommen aus Australien, Brasilien, Finnland, Jordanien, Mexiko, Polen, Spanien, Südkorea, Taiwan, der Türkei, Ungarn und den USA. Der Großteil meisten dieser Studierenden bleibt ein oder zwei Semester in Neu-Ulm. Für die meisten ist das englischsprachige Angebot Voraussetzung, um Gastsemester in Deutschland zu absolvieren, auch wenn sie in dieser Zeit Deutschkurse besuchen, um die Landessprache (besser) zu lernen. Umgekehrt absolvieren im Jahr 2011 rund 140 HNUStudierende Studiensemester und Praktika im Ausland, die Nachfrage nach weiteren Angeboten ist groß. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bietet die HNU das Weiterbildungsprogramm International Leadership Training auf dem Gebiet des Krankenhausmanagements für afrikanische Ärzte an. Siehe http://gc21.inwent.org/ibt/en/ilt/ibt/programme/ILT-health-en/xhtml/index.sxhtml). Seit 2005 wurden in Neu-Ulm mehr als 100 afrikanische Ärzte und Gesundheitsfachkräfte im Management von Kliniken und Gesundheitseinrichtungen ausgebildet. Im Wintersemester 2011/2012 startet in den Studiengängen Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation (IMUK) und Betriebswirtschaftslehre (BW) das „Double Degree“Programm mit der Oulu University of Applied Sciences, Finnland. Er ermöglicht Studierenden beider Länder, auf Englisch einen doppelten Studienabschluss in Deutschland und Finnland zu machen. Die Hochschule Neu-Ulm erwartet dazu sechs Gaststudierende aus Finnland, fünf im Studiengang IMUK, einen im Studiengang BWL. Um diesen und anderen Austauschstudierenden der mehr als 50 Partnerhochschulen der HNU den Besuch der Vorlesungen zu ermöglichen, finden diese im Studiengang IMUK ab dem 5. Semester auf Englisch statt. Im Masterstudiengang Advanced Management sind englischsprachige Kurse fester Bestandteil des Lehrangebots. Ansprechpartnerin, International Office der Hochschule: Mirjam Wenke, [email protected] Ansprechpartnerin, Presseabteilung der Hochschule: Theresa Osterholzer, [email protected]

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