2.2.2 Innovationsprozessmodelle aus dem deutschsprachigen Raum

Prozessmodelle in der Literatur Abbildung 10: Innovationsprozess und Software-Anforderungen von Ovo Quelle: http://innovateonpurpose.blogspot.com/200...
Author: Guido Albrecht
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Prozessmodelle in der Literatur

Abbildung 10: Innovationsprozess und Software-Anforderungen von Ovo Quelle: http://innovateonpurpose.blogspot.com/2006/11/innovation-process-and-software.html (05.09.2012)

2.2.2

Innovationsprozessmodelle aus dem deutschsprachigen Raum

Im deutschsprachigen Raum werden laut Verworn und Herstatt (2000, S.7) Coopers Stage-Gate-Modelle zwar häufig zitiert, jedes Lehrbuch führe aber ein anderes Modell auf. Dreiphasenschema von Thom Zu den am häufigsten zitierten Modellen gehöre ein – laut Vahs und Burmester (1999, S.84) „richtungsweisendes“ – Dreiphasenschema von Thom, das die Hauptphasen „Ideengenerierung“, „Ideenakzeptierung“ und „Ideenrealisierung“ unterscheidet (s. Abbildung 11) und sich somit auf die Frühphasen zum Finden und Auswählen von Ideen konzentriert.

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Abbildung 11: Dreiphasenmodell des Innovationsprozesses nach Thom Quelle: Verworn und Herstatt 2000, S.7, unter Bezugnahme auf Thom 1992, S.9

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Auf diesem Grundmodell bauen andere auf, indem sie Elemente ergänzen oder Schwerpunkte setzen. Dabei scheinen manche der in der deutschsprachigen Literatur enthaltenen Prozessbilder weniger als Handlungsanleitung als der Darstellung von Prinzipien des Innovationsprozesses und bestimmter Aspekte zu dienen. Phasenmodell nach Brockhoff So streicht Brockhoff (1994, S.29) heraus, dass ein Innovationsprojekt auch scheitern oder abgebrochen werden kann (s. Abbildung 1216), wenn eine Idee verworfen wird oder ein Projekt ein technischer oder ökonomischer Misserfolg wird. Er betont damit den Unterschied zwischen Erfindung (Invention) und Innovation, also der wirtschaftlich erfolgreichen Umsetzung einer Erfindung. Von der Innovation („im engeren Sinn“) wird auch die Diffusion abgegrenzt, also die Durchsetzung und Verbreitung der Innovation am Markt.

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Diese Darstellung aus Verworn 2000 ist inhaltlich identisch mit der Graphik in Thom 1992, jedoch kompakter und wird daher verwendet.

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Hier wird das kompaktere und besser lesbare Schaubild aus Verworn und Herstatt 2000 verwendet. Es ist inhaltlich identisch mit Abb. 2.5 in Brockhoff 1994, S.29.

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Abbildung 12: Phasenmodell von Brockhoff Quelle: Verworn und Herstatt 2000, S.8, inhaltlich ident mit Brockhoff 1994, S.29

Ein interessant erscheinender Aspekt bei Brockhoff (1994, S.28), der von Verworn und Herstatt (2000) gar nicht erwähnt wird, ist die explizite Berücksichtigung der ungeplanten Invention, auch glücklicher Zufall oder Serendipität (englisch serendipity) genannt. Als prominentes Beispiel nennt Brockhoff die Erfindung der Röntgenstrahlung. Somit kann die Unsicherheit, die in Innovationsprojekten stets besteht, nicht nur zum Scheitern sondern auch zu unerwarteten Ergebnissen führen – ebenfalls mit wirtschaftlichem Erfolg, wenn auch anders als geplant. Phasenmodell nach Witt Vahs und Burmester (1999) verweisen auf weitere Varianten und Ausbaustufen von Innovationsprozessen, um daraus ein eigenes Grundschema abzuleiten. Zum einen wird das Phasenmodell nach Witt angeführt und darin besonders die Parallelität (und Gleichwertigkeit) der technischen Entwicklung und der Erstellung eines Marketing Konzeptes (ebd. S.86f.17), sowie die feine Unterscheidung von Stufen vor der Entwicklung, beginnend bei der „Festlegung des Suchfeldes“, hervorgestrichen (s. Abbildung 13).

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Witt (1996, S.7) beschreibt einen aus nicht marketingorientiert geführten Unternehmen abgeleiteten Ablauf. Darin folgen technische Entwicklung und Vermarktungsauftrag an den Vertrieb streng sequentiell, was Misserfolg sehr wahrscheinlich mache. Sein Vorschlag parallel zu arbeiten ist daraus gefolgert.

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Abbildung 13: Phasenmodell von Witt Quelle: Vahs und Burmester 1999, unter Bezugnahme auf Witt 1996, S.10

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Prozess von Pleschak & Sabisch Dieser Prozess wird von Vahs und Burmester (1999) als besonders umfassend bezeichnet, da er sowohl die Arbeitsschritte als auch die Ergebnisse zeige, und zwar sowohl für die Erreichung als auch die Nicht-Erreichung der Ziele jedes Prozessabschnitts, und außerdem die wichtigsten Rückkopplungen zwischen den Phasen berücksichtige (s. Abbildung 14). Pleschak und Sabisch (1996, S.24) bezeichnen dieses Modell selbst als „idealisierte Struktur“, die „aus Gründen der Übersichtlichkeit der Darstellung nur die wichtigsten“ der vielfältig vorhandenen Rückkoppelungen enthält.

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Witts (1996, S.10) Schaubild ist detailreicher als die Darstellung bei Vahs und Burmester, enthält aber für diese Arbeit keine nennenswerten Zusatzerkenntnisse.

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Abbildung 14: Phasenmodell von Pleschak & Sabisch Quelle: Pleschak und Sabisch 1996, S.24

Das Grundschema von Vahs & Burmester Auf Basis obiger Modelle konstruieren Vahs und Burmester (1999, S.88ff.) ein eigenes Grundschema (s. Abbildung 15). Auch hier liegt ein Schwerpunkt auf der Ideengewinnung nach der Identifikation des Problems. Hervorgestrichen wird dabei der Unterschied zwischen dem einfachen Sammeln bereits vorhandener oder spontan entstandener Ideen („Ideensammlung“) und der aktiven, zielgerichteten Generierung von Ideen mittels Kreativitätsmethoden. Zudem wird eine Ideendatenbank zur Erfassung und Speicherung aller Ideen empfohlen, denn Ideen, die nicht zum aktuellen Problem passen und beim Screening ausgeschieden werden, können wertvoll zur Lösung anderer Probleme sein.

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Als Neuerung gegenüber den bisherigen Prozessen fällt das Innovationscontrolling auf, ein „phasenübergreifender Querschnittsprozess“ (ebd. S.91f.), in welchem alle Aktivitäten zentral geplant, gesteuert und koordiniert werden um Zielorientierung und systematisches Vorgehen zu gewährleisten.

Abbildung 15: Grundschema eines Innovationsprozesses von Vahs & Burmester Quelle: Vahs und Burmester 1999, S.89

Dieses Schema müsse aber abstrakt bleiben, da Komplexität und Unsicherheit konkreter Innovationsvorhaben selten diesem idealtypischen Verlauf folgen. Durch Überlappungen, Überspringen und Wiederholungen von Phasen oder Aktivitäten („iterativ aneinander gekoppelt“) ist der Prozess an die individuellen Gegebenheiten in Unternehmen und Projekten anzupassen. Es gäbe Methoden wie „Simultaneous Engineering“ (ebd. S.92), die Gleichzeitigkeit und Interaktion zwischen Arbeitsschritten bewusst förderten, um die Effizienz des Innovationsprozesses zu steigern.

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Vor allem bei der Umsetzung gäbe es deutliches Einsparpotenzial an Durchlaufzeit, wenn, wie in Abbildung 16 gezeigt, statt eines streng linearen Prozesses eine simultane Vorgehensweise gewählt wird. Voraussetzung dafür sei aber ein zusätzlicher Koordinierungsaufwand für die „Kontinuierliche Abstimmung“ (ebd. 1999, S.224).

Abbildung 16: Vergleich einer sequentiellen mit einer simultanen Vorgehensweise Quelle: Vahs und Burmester 1999, S.224

Diese Phasenmodelle ähneln alle mehr oder weniger Coopers Stage-Gate-Modell, auch wenn gelegentlich (z.B. bei Verworn und Herstatt 2000, S.10) von iterativen Aktivitäten die Rede ist. Diese Prozesse sind im Einsatz und werden auch propagiert. 19 Mit Weiterentwicklungen des Stage-Gate-Prozesses beschäftigt sich der nächste Abschnitt.

2.2.3

Modernere Varianten des Stage-Gate-Prozesses

Seit Erscheinen der Zusammenstellungen von Verworn und Herstatt (2000) und Bircher (2005) sind in Abwandlung des Cooperschen Stage-Gate-Prozesses weitere Innovationsprozesse entstanden bzw. wurde dieser weiterentwickelt. Die Anzahl der Phasen variiert wie in den zuvor dargestellten Prozessen: vom Dreiphasenmodell von Thom bis zu sechs und mehr Phasen. Es variiert auch der Schwerpunkt dessen, was durch den Prozess geregelt wird: die Kreativitätsphase (oft „fuzzy front end“ bezeichnet), die Bewertung und

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s. z.B. http://www.itb-hessen.de/itb/innovationsmanagement/prozess/, 11.06.2012

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Auswahl von realisierbaren und wirtschaftlich Erfolg versprechenden Ideen oder die Umsetzung der Idee in ein Produkt. Nachfolgend soll dies durch einige Beispiele illustriert werden. Innovationsprozess für die Universität Augsburg Seit etwa 2005 wurde ein spezifischer Innovationsprozess für die Universität Augsburg entwickelt, um Innovationen für das eigene Haus zu fördern, z.B. für ein „Informations- & Wissensmanagement am Campus“20. Bedarfsanalyse und der Stand der wissenschaftlichen Forschung stehen am Beginn des Prozesses. Strategie, theoretische Machbarkeit und der Erfolg von Prototypen entscheiden über die jeweilige Weiterführung des Projektes bis zur Einführung in den Normalbetrieb.

Abbildung 17: Innovationsprozess der Universität Augsburg Quelle: http://www.uni-augsburg.de/einrichtungen/its/wettbewerb/innovationsprozess.html (11.6.2012)

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s. http://www.uni-augsburg.de/einrichtungen/its/wettbewerb/index.html, 05.09.2012

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Innovation als Konstruktionsprozess Wördenweber und Wickord (2008, S.155) treten dem Missverständnis entgegen, Erfinden sei „mit einem besonders hohen Maß an Kreativität und Genialität“ gleichzusetzen, das man nicht erlernen könne sondern über das man „von Geburt an verfügen“ müsse. Es gehe aber viel mehr um systematische Lösungssuche und harte Arbeit, als um „Zufall und Begabung“. Dies hätten auch zahlreiche Untersuchungen gezeigt, die wegen der Bedeutung der Innovation für Unternehmen durchgeführt wurden. Sie verweisen (ebd. S.156f.) auf das Vorgehensmodell nach der VDI-Richtlinie 2221 in sieben Schritten, betonen aber, dass diese Schritte je nach Erkenntnisstand und konkreter Problemlage iterativ durchlaufen werden und sich die Phasen flexibel überlappen (s. Abbildung 18) und verweisen dabei auch auf das Spiralmodell der Softwareentwicklung nach Boehm (1988, s. Abbildung 27).

Abbildung 18: Vorgehensmodell nach der VDI-Richtlinie 2221 Quelle: Wördenweber und Wickord 2008, S.156

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TIM @ TUHH: Globalisierung des Innovationsprozesses Das Institut für Technologie- und Innovationsmanagement der TU Hamburg/Harburg21 (TIM @ TUHH) beschäftigt sich mit der Globalisierung des Innovationsprozesses und hat dazu eine einfache Darstellung gewählt (siehe Abbildung 19). In der Beschreibung wird die Möglichkeit der Überlappung von Phasen genannt. Der Schwerpunkt des Prozesses liegt auf Forschung und Entwicklung.

Abbildung 19: Innovationsprozess – Prinzipdarstellung von TIM @ TUHH Quelle: TIM @ TUHH, http://www.global-innovation.net/innovation/index.html (1.6.2012)

Diese Beispiele zeigen eine zunehmende Flexibilität und betonen Kundenbedürfnisse bzw. Markttrends stärker als bisherige Modelle. Sie bleiben aber dem prinzipiellen linearen Ablauf verhaftet. Es gibt aber auch alternative Ansätze.

2.3

Kritik am Stage-Gate-Prozess und alternative Ansätze

Vorausgeschickt sei, dass es sich hier nicht um Kritik an einem geplanten und strukturierten Vorgehen grundsätzlich handelt. Cooper führt in vielen Artikeln Studien an, die einen gelebten Prozess als wichtigsten Erfolgsfaktor ausweisen (siehe weiter unten). Illustriert sei dies auch durch eine Studie an ca. 500 japanischen Technik-Unternehmen (brauchbare Antworten auf 2000 Fragebögen), in welcher nachgewiesen wurde, dass

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s. http://www.tu-harburg.de/tim/ (01.06.2012)

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