2038 Das Jahr des Schreckens Roman von Werner Schlösser ©Werner Schlösser, Mai 2007

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Erstes Kapitel Ein trauriges Ereignis

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er Flur war nur mäßig beleuchtet. An vielen Stellen blätterte die Farbe von den Wänden. Gegenüber einer Schwingtür, die ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen hatte, stand eine wackelige Bank, auf der ein gut aussehender, 25jähriger Mann Platz genommen hatte. Er starrte in gespannter Erwartung immer wieder zu dieser Schwingtür. Sein Name war Christoph Hausbrenner, ein mittelgroßer, schlanker Mann, mit langen schwarzen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Sein Gesicht war Ebenmäsig und die Haut Blass braun. Seine Nase war relativ Lang und die Lippen Schmal, wie sein Körper. Christophs Gesicht war unrasiert,was darauf schließen ließ, dass die Zeit am Morgen nicht für eine Rasur gereicht hatte, oder dass er schon eine relativ lange Zeit an diesem Ort verweilte, und dennoch wirkten seine Züge eher weiblich, als männlich. Christophs Nervosität war so groß, dass er immer wieder aufstehen und auf dem Flur hin und her gehen musste, um sich etwas zu beruhigen. Seine Kleidung bestand aus einem löchrigen Hemd und einer einfachen Hose, mit einem Gummizug. Beide Kleidungsstücke waren aus dem gleichen blass-blauen Stoff gefertigt, dessen Rohmaterial weder Wolle noch Baumwolle war. Er erinnerte sehr an Angora-Wolle und war ebenso weich, geschmeidig und Warm. Viel zu warm, für die Temperaturen, die zu dieser Zeit in der Stadt herrschten. Christoph setzte sich, stand wieder auf und ging auf und ab. Die Zeit wollte nicht verstreichen und das Ereignis, auf das Christoph wartete, wollte und wollte nicht eintreten. Er setzte sich wieder auf die Bank. Nicht zu schnell, denn sonst lief er Gefahr mit der Bank einzubrechen und sich zu verletzen. Er rutschte hin und her und jede Bewegung veranlasste die Bank ein quietschendes Geräusch von sich zu geben. Christoph hätte zu gerne gewusst wie spät es ist, aber er besaß keine Uhr und Tageslicht war nicht zu erkennen. Erst nach einer endlos scheinenden Zeit waren hinter der Tür Schritte zu hören. Christoph starrte gespannt auf die Tür, doch die Schritte entfernten sich wieder. Christoph ließ ein Knurren der Ungeduld und des Zorns vernehmen, als die Tür aufgestoßen wurde. "Herr Hausbrenner?" Christoph sprang auf und stolperte in die Arme der Schwester. "Ja" "Langsam, langsam", mit diesen Worten fing sie Christoph auf. Es war eine recht hübsche Schwester, nicht mehr ganz jung, aber attraktiv, mit blonden Haaren, blauen Augen und einer guten Figur. "Ich wollte ihnen eigentlich nur sagen, dass ihre Frau Zwillinge zur Welt gebracht hat, einen Jungen und ein Mädchen..." "Wie geht es ihr, Ist alles gut gelaufen? Wie geht es den Kindern? Was..." Die schöne Schwester musste Christophs Redefluß harsch unterbrechen, um selbst zu Wort zu kommen. "Ihrer Frau geht es gut, nur ihre Tochter..." "Was ist mit ihr? Lebt sie noch? Ist sie Tod?" "Sie lebt noch, allerdings ist sie sehr schwer behindert. Wir wissen nicht, ob wir sie retten können. Es tut mir Leid" Mit diesen Worten, die einen Anflug von Herzlosigkeit, die aber zumindest den Eindruck erweckten,dass sie professionell und ohne wirkliches Mitgefühl gesagt wurden, ließ sie Christoph stehen "Wann kann ich meine Frau sehen?" rief er ihr nach. "In einer Stunde. Sie muss sich erst noch etwas erholen", klang es durch die Tür und Christoph verließ mit gesenktem Kopf diesen ungastlichen Ort.

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hristoph betrat das Krankenzimmer. Er hatte sich beeilt, damit er so schnell, wie möglich den Weg zurück zum Krankenhaus und zu seiner Liebsten schaffen würde und hatte nur die Wichtigsten Dinge erledigt. So war nicht einmal eine Stunde vergangen, ehe er den Raum betrat, um seine große Liebe und ihre gemeinsamen Kinder zu sehen. Er sah sich in dem Raum um, in dem vier nicht mehr ganz neue Betten standen, von denen drei belegt und das Vierte, direkt neben Katharina, wohl benutzt war, auch wenn sich niemand darin befand. Ihre Bezüge waren aus dem gleichen Stoff, wie Christophs Kleider, mit dem einzigen Unterschied, das ihre Farbe Weiß war, statt Blau. Seine große Liebe lag am Fenster, den Kopf auf der Seite und mit leicht geschlossenen Augen. Katharina Täffler war eine 22jährige, blühende junge Frau. Ihr längliches Gesicht war mit junger glatter geschmeidiger blass-brauner Haut bedeckt und ihre leicht roten Wangen leuchteten. Christoph klopfte an die offene Tür, trat in den Raum und ging ohne Zögern zu Katharinas Bett, die das Klopfen nicht vernommen hatte. Er setzte sich vorsichtig auf die Kante des Bettes, beugte sich

über Katharina und gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Ihre Lieder öffneten sich und gaben ihre Rehbraunen Augen frei, die ihn sanft an sahen. Sie schienen müde, strahlten aber vor Glück. Katharina legte sich auf den Rücken. Ihr Gesicht wurde von sehr langem schwarzen Haar umgrenzt, das das gesamte Kopfkissen bedeckte. Katharinas sinnlicher Mund lud zu einem Kuss und Christoph konnte und wollte nicht widerstehen. So trafen sich ihre Münder und vereinigten sich zu einem sanften, langen Kuss, der mehr aussagte, als es jede Begrüßung durch Worte vermochte. Christoph streichelte das Gesicht seiner liebsten. "Wie war die Geburt?" Seine Worte waren leise und zärtlich, wie all seine Gesten. "Es ging. Für Johanna hab ich sechs Presswehen gebraucht und für Micha nur zwei". Es war nicht zu verkennen, dass Katharina und Christoph eine innige Liebe verband, die durch nichts in der Welt zu erschüttern war. Es waren wenige die Worte, die diese Liebe ausdrückten, als die sanften zärtlichen Blicke und Gesten, mit denen sie sich zu verständigen schienen. "Ist Micha so viel kleiner?" "Ich denk schon." "Du hast Johanna auch nicht gesehen". Sie schüttelte fast unmerklich ihren Kopf auf dem Kissen. "Sie ham gesagt, der Anblick währ zu schlimm." Es entstand ein beredes Schweigen, in dem sich Katharina und Christoph nur durch Blicke darauf zu verständigen schienen, dass sie Johanna aufnehmen und erziehen wollten. Egal, wie schwer behindert sie war. In Wirklichkeit war es so, dass sie sich und ihre Gefühle so gut kannten, dass es keines Wortes bedurfte, um zu wissen, was der Andere fühlte und dachte Schon gar nicht bei einem Kind, dass sich acht ein halb Monate im Mutterleib befand und von beiden akzeptiert, geliebt und erwartet wurde. Ein weiterer langer Kuss, nicht zu erotisch aber doch etwas sinnlicher als der Erste, besiegelten ihre gemeinsamen Interessen und ihr Handeln. Die Beziehung zwischen Katharina und Christoph war vom ersten Tag, ja von der ersten Minute an durch Gesten und Handlungen geprägt. Worte haben nie eine große Rolle gespielt, denn Worte können verletzen. Die Situation, in der sich die Beiden kennen und lieben lernten, war ohnehin nicht alltäglich. Katharina befand sich auf der Flucht vor den so genannten „schwarzen Sheriff's“, einer privaten Polizeitruppe, die damit beschäftigt war, Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen zehn und einundzwanzig Jahren zu verfolgen und zu verhaften. Niemand kannte die Gründe dieser Aktionen, aber alle unterstützten die Frauen bei der Flucht, oder besser gesagt sie behinderten sie nicht dabei. Eine aktive Hilfe hatte allerdings unter Umständen negative Folgen für den Unterstützer, denn dadurch kam man mit der regulären Staatsmacht in Berührung und spürte deren ganze Härte. Auf Grund welcher gesetzlichen Grundlage dies alles geschah war nicht zu ergründen. In eben dieser Situation befand sich Katharina, mit dem einen Unterschied, dass es körperlich nicht sehr gut um sie bestellt war. Sie war bis auf die Knochen abgemagert und ihre Kräfte reichten kaum, um ihr geringes Gewicht normal fort zu bewegen, geschweige denn, zu flüchten. Sie wusste aber, das sie um ihr Leben lief, denn keines der Mädchen, das den Sheriffs in die Arme lief wurde je wieder gesehen. Christoph befand sich in der Menge, die sich tagtäglich ohne festes Ziel durch die Stadt drängte, als Katharina mit den Worten „Platz, Platz, macht platz" an ihm vorbei taumelte. Christoph sah der schönen jungen Frau nach, und musste mit ansehen, wie sie nach nur wenigen Metern ohnmächtig in sich zusammen sank. Er erblickte aus der Richtung, aus der sie gekommen war die Schemen der Sheriffs, eilte ohne zu Zögern zu der schönen fremden, nahm sie auf den Arm und eilte mit ihr davon, ohne an die Folgen zu denken, die sein Tun haben könnten. Natürlich währe die Flucht aussichtslos gewesen, denn, obwohl Katharina sehr leicht war, war es unmöglich sich in genügendem Tempo von den Verfolgern abzusetzen. Christoph entdeckte aber zum Glück einen Berg Unrat, in einem Innenhof, wie es viele in der Stadt gab, denn eine geregelte Entsorgung des Unrats gab es schon lange nicht mehr. Er grub Katharina ein und wühlte sich dann selbst darunter. Die Stimmen der Verfolger kamen näher und entfernten sich dann rasch wieder. Christoph ahnte, dass sie zurück kommen würden um nach der Schönen zu suchen, sobald sie bemerkten, dass sie Katharinas Spur verloren hatten. Er kramte sich nach einigen kurzen Minuten aus dem Unrat, nahm die noch immer ohnmächtige Katharina auf den Arm und flüchtete in eine Richtung, die ihm sicher erschien. Katharina kam langsam zu sich. Sie betrachtete verwirrt die Situation, sah, dass sie gut war, legte die Arme um Christoph und den Kopf an seine Schulter. erst nach mehreren Hundert Metern, die er im Laufschritt zurück gelegt hatte, blieb Christoph völlig außer Atem

auf einem kleinen Platz, mit einem kleinen Denkmal stehen. Der Platz war mit kleinen vertrockneten Bäumen umfasst, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Er ließ Katharina vorsichtig aus seinem Arm gleiten, hielt sie aber fest, da sie zu straucheln drohte und legte, schwer atmend, den Kopf an ihre Schulter. So standen sie, sich gegenseitig stützend, etliche Minuten, ohne etwas zu sagen, bis Christoph wieder genügend Atem geschöpft hatte, begleitet von Katharinas zärtlichem Streicheln. Ihre Blicke trafen sich das erste Mal. Es war ein langer tiefer Blick, den Katharina mit einem ebenso langen zärtlichen Kuss und einer innigen Umarmung beendete. Ihre Körper schmiegten sich enger und enger aneinander, der Kuss wurde länger und länger und sie trennten sich erst, als beiden der Erstickungstod drohte, jedoch nur so weit, dass sie sich ansehen konnten. Christoph küsste Katharinas Nase. „Bringst du mich heim?“ „wo ist das“ Katharina wendete ihren Blick nach Hinten. „Da, im Mittleren Hochhaus“. Christoph folgte ihrem Blick. Er erkannte, dass sie sich unweit des Messegeländes befanden, neben dem drei Hochhäuser standen. Auf einem davon war noch die Leuchtschrift 'Mariott Hotel' zu erkennen. „Eine noble Adresse“. Ihre Blicke trafen sich wieder. Katharina streichelte Christophs Wange und schenkte ihm erneut einen langen süßen Kuss. Er hob sie an und ging los. Katharina schmiegte sich an ihn und machte sich noch leichter, als sie ohnehin schon war, um ihren 'Geliebten' nicht zu sehr zu belasten. Von diesem Tag an waren sie unzertrennlich. Christoph pflegte seine neue Liebe mit Hingabe und sorgte dafür, dass sie wieder zu Kräften kam. Und irgendwann, war die Liebe so groß, dass sich beide ein Kind wünschten. Ein Kind, dass sie gegen das Gesetz selbst zeugen wollten und nicht durch eine künstliche Befruchtung, wie es eigentlich vorgeschrieben war. Katharinas Schwangerschaft verlief trotz ihrer Gesundheitlichen Risiken ohne große Probleme und an diesem Tag hatte sie nun zwei neuen Wesen das Leben geschenkt und es war ihr klar, dass sie das Mädchen, nach ihrer großen Liebe, Johanna nennen wollte, nachdem sie erfahren hatte, dass sie ein Zwillingspärchen austrug. Christoph beendete den Kuss, blieb aber so nah, an Katharinas Gesicht, dass sie ihren Atem spüren konnten. „Du bist schön“ „Glücklich, vor allem“ Er schenkte ihr einen weiteren Kuss. „Nicht müde?“ „Ein bischen. Aber mein Glück ist stärker, als die Müdigkeit. Viel Stärker“. Nun war es Katharina, die den Kuss schenkte, als sie hinter sich ein räuspern vernahmen. Sie trennten sich ohne große Hast. Am Ende des Bettes stand ein junger Arzt, und wartete etwas nervös, bis sich das junge Paar ihm zuzuwenden gedachte. Christoph half Katharina, sich aufzusetzen, setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern. „Fräulein Täffler“ Katharina drehte sich suchend um, als suchen Sie eine andere Person, die der Arzt meinen könnte, den sie war es gewöhnt,mit 'Frau' angesprochen zu werden. Sie drehte sich wieder zu dem Arzt., „Ähm. Ja?“, sagte sie recht provokant, so das der Fauxpas sehr deutlich zu spüren war. „Sie sind Herr Hausbrenner, nehme ich an“ Nein,. Herrlein Hausbrenner. Ich bin genauso wenig verheiratet, wie Katharina.“ „Machen sie keine Witze, Ich habe ihnen etwas mitzuteilen. „Wir hören“ Katharina legte den Kopf an Christoph. „Das was sie getan haben, war Illegal. Wissen sie, was es kostet, ein behindertes Kind zu betreuen? Sie werden die Konsequenzen dafür tragen. Das verspreche ich ihnen“. Katharina richtete sich auf. „Wir wollen Johanna zu uns aufnehmen und sie selbst groß ziehen. Dem Staat werden keine weiteren Kosten entstehen.“ Katharinas Stimme klang fest und entschlossen. „Wissen sie, was sie da sagen? Sie können kein schwerst behindertes Kind aufnehmen, ohne eine Wohnung zu haben.“ „Wir haben eine. Wenn Johanna nicht behindert gewesen währe hätten wir auch beide versorgen müssen. Es macht also keinen großen Unterschied“. „Was sagen sie dazu?“, fragte er Christoph. „Ich bin ganz Katharinas Meinung. Wir wollen sie aufnehmen und pflegen, egal, wie schwer behindert sie ist“. „Trotzdem bleibt ihr Handeln illegal. Es ist nun mal nicht gestattet, Kinder auf..“ Er malte zwei Anführungsstriche in den Raum, „natürliche Weise zu Zeugen, weil die Risiken zu groß sind. Den Erfolg sehen sie ja selbst“. Weder Katharina noch Christoph schienen die Worte des Arztes zu imponieren. „Und warum haben sie's dann nicht abgetrieben?“ Katharinas Stimme wurde richtig zynisch. „Weil das auch illegal ist. Der Staatsanwalt wird sich bei Ihnen melden. Ich nehme an, dass eine Geldstrafe von mindestens zehn tausend Euro auf sie zu kommt. Wenn sie viel Pech haben, landen sie sogar im Gefängnis und sehen ihren Sohn nie wieder“. Der junge Arzt drehte sich auf den Hacken um und ging zur Tür, blieb aber kurz da-

vor stehen und wendete sich erneut um. „Ach ja. Noch etwas. Selbst wenn sie ihre Tochter aufnehmen wollten währe das nicht möglich. Sie ist vor zehn Minuten gestorben“. Mit diesen Worten verließ er das Zimmer ohne einen Gruß. Katharina und Christoph sahen sich an. Sie legte den Kopf an seine Schulter und begann bitterlich zu weinen. Christoph versuchte sie zu trösten, aber auch seine Trauer war zu groß. „Mensch ist des en Schnösel“ war aus einem der Betten zu vernehmen. „Kein Funke Mitleid hat der Kerl. Einem Sowas eifach so ins Gesischt zu knalle“ Die Frau, die das sagte, war ende Zwanzig. Sie hatte wohl ihre Geburt auch schon hinter sich. Von Katharina und Christoph kam keine Reaktion. Sie hatten die Worte wohl vernommen, waren aber nicht fähig irgend etwas zu sagen. Er legte seine geliebte Katharina wieder hin, legte sich neben sie und beide weinten gemeinsam bittere Tränen. Die junge Frau ließ sie alleine in ihrer Trauer, nur eine Schwester unterbrach sie, um wenigstens einen kleinen Lichtblick zu bringen, den kleinen Michael. Sie legte ihn in Katharinas Arm und verließ nach einer ehrlich gemeinten Beileids-Bekundung wieder den Raum. Michaels Nähe beruhigte Katharina etwas, aber sie benätzte sein Gesicht mit ihren Tränen. „Mein süßer“. Katharinas Stimme war Tränenerstickt. Sie küsste ihre neu geborenes nun einziges Kind sanft auf die Wange und ihre Tränen flossen noch immer. Sie sah Christoph an, und er wusste, dass sie sich setzen wollte, um Michael zu stillen. Auch für solche Dinge bedurfte es zwischen den Beiden keiner Worte. Sie verstanden sich blind. Christoph setzte Katharina auf, nahm neben ihr platz und drückte sie an sich Sie legte Michael an ihre schöne Brust, streichelte ihn sanft schmiegte sich an Christoph und genoss das Saugen ihres Sohnes. Christoph nahm Katharina in den Arm und trocknete ihre Tränen mit seinen Fingern. „Geht's wieder?“, fragte er leise. Sie nickte nur. Er küsste sie sanft auf den Mund. Sie erwiderte den Kuss und sah zu Michael. „Wie klein er ist.“ „Ein Wunder, dass er lebensfähig ist.“ „Acht einhalb Monate reichen eigentlich. Ist aber kein wunder, dass ich dich so schnell auf die Welt gebracht hab, mein Süßer.“ Sie küsste Michaels Kopf. Er sah zu ihr auf, mit seine kleinen Rehbraunen Augen, die er ohne Zweifel von Katharina geerbt hatte. Katharina lächetlte und stich über Michaels Köpfchen. „Wenn ich dich auch velor'n hätt, währ ich sicherlich verzweifelt.“ Sie küsse Michael. „Ich hätte dich schon gehalten.“ Sie sah zu Christoph. „Ich bin mir nicht sicher. Ich glaub das währ der eine Schlag zuviel für mich gewesen.“ Christoph küsste Katharina. „Ich hätte aber alles versucht.“ „Das glaub ich dir sogar.“ Sie legte den Kopf wieder an seine Schulter, den Blick auf Michael gerichtet.

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hristoph betrat die Räume des Standesamtes gegen sechzehn Uhr. Es war ein großer Raum, in dem alle Angelegenheiten geregelt wurden. Nach einigen Metern war der Raum durch einen langen Tresen geteilt, hinter dem normalerweise viele Frauen und Männer ihre Arbeit verrichteten. Zu dieser Zeit war er aber fast leer. Er näherte sich langsam einem der vorderen Plätze, die noch besetzt waren. Ein Mann mittleren Alters war damit beschäftigt, Daten in den Computer einzugeben und bemerkte Christoph deshalb nicht. Christoph räusperte sich leise. Der Mann sah auf. „Sie wünschen?“ „Ich möchte den Tod eines Kindes melden. „Gut“. Der Mann, mit derben Gesichtszügen und graumeliertem Haar tippte etwas in den Computer, ehe er Christoph wieder ansah. „Name des Mädchens?“ Christoph bemerkte nicht, was er gefragt wurde. „Johanna Täffler“ Der Mann tippte den Namen in den Computer. „Heute geboren. Wann ist sie gestorben“ Der Ton war dienstlich unbeteiligt. „um vierzehn Uhr zweiunddreißig“. „Haben sie die Totenschein-Nummer?“ Christoph kramte ein Papier aus seiner Tasche und las die Nummer ab „42854“ Zeitgleich wurden die Zahlen in den Computer eingegeben. „Aha. Gestorben an einem Herzfehler“ . Der Beamte machte einige Eingaben und wartete dann einige Sekunden. „Unterschreiben Sie bitte hier“ Er deutete auf eine Vertiefung in der Tresenplatte, neben der ein Stift lag. Christoph unterschrieb auf der Glasplatte, die die Unterschrift direkt in den Computer übertrug, ohne zu sehen, was er unterschrieb. Der Beamte drückte eine Taste, stand auf, ging zu einem der Drucker im hinteren Teil des Büros, entnahm das Papier, das er ausspuckte und legte es Christoph hin. „Heben sie das gut auf. Das gibt mildernde Umstände“ Über sein Gesicht kam ein wissendes Lächeln. Christoph faltete das Papier zusammen und verließ den Raum. Erst kurz vor der Ausgangstür stutzte er, über die merkwürdigen Bemerkungen, die

der Beamte gemacht hatte, schenkte den Worten aber keine weitere Bedeutung und verließ das Gebäude.

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atharina hatte ihren Michael im Arm und schmuste mit ihm, als ein zwanzigjähriger junger Mann, ungefähr ein Meter achtzig groß, mit kurzen, glatten braunen Haaren, braunen Augen und mit einem richtigen Anzug, sehr gut gekleidet ohne Anzuklopfen den Raum betrat und sich ohne Zögern Katharina näherte. „Das ist also, deine Missgeburt“. Katharina erschrak etwas und sah dem jungen Mann in die Augen „Hi August“ Der Junge Mann war Katharinas jüngerer Bruder, August Täffler, zu dem sie in ihrer Kindheit ein sehr gutes Verhältnis hatte, das aber mit den Jahren durch etliche Ereignisse getrübt wurde. Katharina und August hatten ihre Eltern auf mysteriöse Weise verloren. Sie waren von einer Fahrt von Hofheim am Taunus nach Frankfurt nicht zurück gekehrt. Dafür standen an diesem Morgen mehrere fremde Männer vor dem Haus und beobachten es. Geistesgegenwärtig, wie Katharina damals schon war, packte sie einige Kleidungsstücke für August und sich in einen kleinen Koffer und flüchtete aus dem Haus, ehe die fremden Männer eindrangen, die sie zu suchen schienen. Nach mehreren Tagen, die sie in der Nähe des Hauses verbrachten, wurden sie von einem Polizisten aufgegriffen und in ein Kinderheim in Frankfurt eingewiesen. Katharina und August wurden getrennt und Katharina beobachtete merkwürdige Dinge, die bei den Mädchen passierten. Die Mädchen wurden anders behandelt, als die Jungen. Es war ihnen nicht gestattet, sich mit den Jungen zu unterhalten, auch während den gemeinsamen Mahlzeiten. Und selbst den Mädchen unterinander war es nur zu bestimmten Zeiten gestattet miteinander zu sprechen. Katharina und August steckten sich heimlich kleine Zettel zu auf denen sie sich mitteilten. Außerdem verschwanden immer wieder einige der älteren Mädchen, auf mysteriöse Weise. Meistens handelte es sich um Mädchen von denen sich keine Geschwister oder andere Verwandte im Heim befanden. Sie wurden nachts aus den Betten geholt und kamen am anderen Morgen nicht wieder zurück. Katharina, die schon immer sehr mitteilsam war, gefiel diese Behandlung nicht, da sie erzogen wurde, ihre Meinung, frei und offen zu äußern. deshalb beschloss sie, aus dem Heim zu fliehen. Sie teilte dies Michael mit und beide machten sich mitten in der Nacht aus dem Staube, stahlen aber noch das Geld, das ihnen abgenommen wurde aus dem Büro, um überleben zu können. Von da an lebten sie in den Straßen von Frankfurt, immer auf der Hut vor Polizisten und den schwarzen Sheriffs, die in der U-Bahn und auf öffentlichen Plätzen für Ordnung sorgten. Zu dieser Zeit strömten Tag für Tag mehr und mehr Menschen in die Stadt und es wurde immer unwahrscheinlicher, dass sich die Ordnungsmacht um die elternlosen Kindern kümmern konnte und ihre Chancen zu überleben wurde größer und kleiner zugleich, denn der Kampf um die Lebensmittel wurde härter und härter. Viele der Kinder gingen bei der Verteilung der verbleibenden Lebensmittel leer aus und mussten sich von den wenigen Resten und von Ratten ernähren, wenn sie nicht verhungern wollten. Auch Katharina und August erging es so, auch wenn es Katharina öfter gelang, Nahrung zu erstehen, als es anderen Kindern gelang. Sie schliefen in überfüllten Hausfluren, um während der nächtlichen Ausgangssperre, die verhängt wurde, nicht aufgegriffen zu werden. Eines Abends hörten sie wütende Erwachsene, die ein Mädchen beschimpften, das auf der Suche nach einem Schlafplatz über sie hinweg stieg. Katharina, in ihrer sozialen Art, bot dem Mädchen an, neben ihr zu schlafen. Dieses Mädchen war Johanna Mantz. Sie war, wie Katharina sieben Jahre alt und nahm das Angebot gerne an. Zwischen den Mädchen funkte es sofort und von diesem Tage an, waren sie fast unzertrennlich. Sie zogen zusammen durch die Stadt und organisierten ihr Leben gemeinsam. Katharina hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine kleine Gruppe von Kindern um sich geschart, die jeden Mittag zusammen kam, um eine gemeinsame Mahlzeit einzunehmen. Dabei wurden alle Lebensmittel, die vorhanden waren zusammen gelegt und gemeinsam über einem offenen Feuer gekocht. Auch wurden Gruppen eingeteilt, die gezielt Lebensmittel Organisierten. Nach dem Essen setzten sich die Kinder zusammen und lasen aus Büchern, die vorhanden waren, um wenigstens etwas Bildung zu erhalten. Katharina fand das besagte, leer stehende Hotel und die Kinder zogen dort ein um besser lernen zu können. Katharina und Johanna, verband eine

Liebe die weit über Schwesternliebe hinaus ging und entwickelten im Laufe der Jahre eine echte 'lesbische' Beziehung, ohne dies wirklich zu realisieren, da sie keinerlei Konventionen unterworfen waren. Für sie war es eine gute Freundschaft, zu der sexuelle Kontakte ebenso gehörte, wie das Teilen der Interessen und Neigungen. Katharina und Johanna fanden es als Normal und diese Beziehung wurde auch von den anderen Kindern akzeptiert. Nur von August, kamen immer wieder Vorwürfe, den August entwickelte ebenfalls zärtliche Gefühle für Johanna, die aber von ihr nicht erwidert wurden, was zu einer Konkurrenz zwischen Katharina und August führte und seine Liebe zu seiner Schwester in, ich will nicht sagen Hass, aber in große Abneigung umschlagen lies. Durch die Bekanntschaft zu einem Journalisten, der August unter seine Fittische nahm, wurde diese Abneigung noch geschürt, und führte letztendlich zur fast völligen Trennung der Geschwister. Johanna wurde kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag auf dem Weg durch die Stadt von den Sheriffs gefangen genommen, was Katharina so sehr traf, das sie nichts mehr aß und fast nichts mehr trank, bis sie Christoph traf. Nun war ihr Bruder also mal wieder aufgetaucht. Er stand mit einem frechen Grinsen vor ihrem Bett. Der Auftritt von August Täffler verursachte einigen Wirbel in dem Raum. Die Frau, am anderen Ende stillte ihre Tochter und fühlte sich von August sichtlich gestört, denn sie drehte sich um, um ihre Blöße nicht zu zeigen. „Michael ist keine Missgeburt“. „Ach ja, stimmt ja. die Missgeburt ist ja Gott sei dank gestorben“. „Wie kannst du nur sowas sagen?“ „Du solltest froh sein. Vielleicht rettet dich das vorm Knast. Allerdings würde ich es dir wünschen. Kinder in die Welt setzen. Und dann auch noch illegal...“. Katharina wollte noch etwas sagen, aber die Tränen überkamen sie und sie sie vergrub ihr Gesicht im Kissen. „Sinn sie noch bei Trost?“ Magdalena Schreiber, klein und stämmig, mit langem rot gelocktem Haar ergriff das Wort. Sie lag neben Katharina und hatte am gleichen Tag einem gesunden Mädchen das Leben geschenkt. „Mischen sie sich nicht ein. Das sind Familienangelegenheiten“ „Wenn Sie zur Familie gehör'n, is es um so schlimmer. Verschwindense, eh ich mich vergess“ „Das geht sie überhaupt nichts an“. „Verschwindnse lieber, sonscht werd ich ziemlisch ungemütlisch...“ August wollte etwas sagen, aber Magdalena erhob sich drohend von ihrem Bett, so dass ihm nichts anderes übrig blieb, als den Raum mit einigem Murren zu verlassen. Magdalena ging zu Katharina, legte sich über Katharina und tröstete sie. August wartete vor dem Aufzug und verfehlte Christoph nur um Sekunden, der aus einem anderen Aufzug aus stieg, als August den Aufzug betrat. Christoph fand seine Katharina als ein Häufchen Elend vor. Er legte sich neben sie und tröstete sie ebenfalls. Magdalena berichtete ihm, was geschehen war und gemeinsam versuchten sie Katharina wieder aufzurichten. Christophs Hand glitt über Katharinas Körper und berührte dabei Magdalenas Gesäß. Er zog sie Hand wieder zurück. „Oh, Entschuldigung“. „Is net schlimm.“ Sowohl, Magdalena, als auch Christoph bemühten sich, Katharinas Schmerz zu stillen, aber er war zu stark. Magdalena erwähnte noch beiläufig, dass auch sie 'Illegal' Kinder gezeugt und dadurch damals beide Kinder verloren hätte. Deshalb währe sie jetzt den Offiziellen Weg gegangen.

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hristoph war noch vor der Sperrstunde zu seinem Vater, Peter Hausbrenner gegangen. Nun saß er mit ihm, einem Mann von einundfünfzig Jahren, mit schwarzem Haar, das mit nur wenigen grauen Strähnen durchsetzt war, in dessen Wohnung. Eigentlich war es keine richtige Wohnung sondern ein zwei Zimmer Appartement, in dem viel zu viele Möbel und viel zu viele Bücher untergebracht waren. Doktor Peter Hausbrenner war Privat-Dozent an der Universität Frankfurt und lebte mit seiner Frau Anna und seinen drei Kindern Cynthia, Christoph und Julia in einem Haus im Frankfurter Westend, als die Katastrophe über die Welt herein brach und das Klima dramatisch veränderte. Seine Frau Anna und seine Tochter Cynthia starben an Thyphus, während sie sich um die vielen Neuankömmlinge in der Stadt kümmerten und er musste aus Platzgründen sein Haus, das der Universität gehörte, räumen, nachdem er seine Arbeit verloren hatte und ihm wurde diese Wohnung zugewiesen. Trotz der schweren Schläge, die ihn getroffen hatten, hatte ihn der Mut nicht verlassen. Christoph schätzte immer seinen Rat und seine Hilfe. In allen Lebenslagen. Er erzählte seinem Vater von der Geburt und den Ereignissen danach. Peter Hausbrenner hörte ihm geduldig zu. „Kann man Katharina besuchen?“ Fragte er. „Sicher. Sie ist ja nicht im richtigen Sinn

krank. Sie freut sich bestimmt.“ Peter Hausbrenner schätzte Katharina sehr. Er hatte sie von Anfang an Lieb gewonnen. Ihre offene Art, ihr resolutes, aber doch rücksichtsvolles Auftreten und eintreten für eine Sache und ihren Charme. Er wusste, dass Katharina und Christoph füreinander geschaffen waren. „Ich werde Morgen zu ihr gehen. Wie lange muss sie noch bleiben?“ „Noch zwei oder drei Tage.“ „Es war bestimmt ein großer Schock für Euch, das mit Johanna.“ „Ja. Wir hatten uns sehr auf sie gefreut. Auf beide Kinder. Weißt du, was mir gerade auffällt?“ „Was denn?“ „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube der Standesbeamte hat mich nach dem Namen des Mädchens gefragt, obwohl ich nur Kind gesagt habe.“ „Das muss nichts zu bedeuten haben.“ Christoph überlegte lange, verwarf den Gedanken dann aber. „Vermutlich hast du recht. Währe auch zu komisch.“ „Du hast dich sicher verhört.“ Christoph nickte zustimmend. Ein längeres Schweigen setzte ein. „Wie hat Katharina es verkraftet?“ „Schwer. Sie hat geheult, wie ein Schlosshund. Noch dazu nachdem ihr lieber Bruder sie so abschätzig behandelt hat. Wir hatten viel zu tun, um sie zu beruhigen. Magdalena und ich. Magdalena ist Katharinas Bett-Nachbarin. Sie hatte auch schon eine Fehlgeburt, bei der sie beide Kinder verloren hat.“ „Das scheint öfter vor zukommen.“ „Die Ärzte führen es auf die Art der Empfängnis zurück. Sie sagen, nur die künstliche Befruchtung sei sicher.“ „Mhm“ „Hast Du Zweifel?“ „Wieso sollte die natürliche Zeugung gefährlicher sein, als die Künstliche? Gut Das Klima hat sich drastisch geändert und durch die vielen Menschen gibt es mehr Seuchen. Aber was hat das mit der Fruchtbarkeit zu tun?“ „Vielleicht wegen dem ElektroSmog.“ „Der würde jedes Baby schädigen oder keins. Die Spermien sind die Selben und die Eizellen auch. Irgendwie ergibt das keinen Sinn.“ „Außer, dass die Spermien bei der Befruchtung abgeschirmt werden“ „Missbildungen kommen aber erst nach der Befruchtung.“ „Stimmt auch wieder.“ Es entstand ein Schweigen. Christoph dachte über das Gesagte nach, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. „Irgend was ist Faul, im Staate Dänemark“, sagte sein Vater noch. „Meinst du, das könnten wir heraus finden?“ „Schwer zu sagen. Höchstens durch Zufall. Es könnte aber auch gefährlich werden. Wenn da was manipuliert würde, stecken bestimmt hohe Kreise dahinter.“ „Gut möglich. Und ob sich das lohnt?“ „Das müsste man abwägen. Käme drauf am, um was es sich handelt.“ „Mhm.“ Christoph war etwas verwirrt, von den Argumenten seines Vaters, wusste aber auch, dass sie nicht ganz falsch waren. Nach langen Stunden verließ er seinen Vater wieder, um seine Geliebten Katharina nochmals aufzusuchen.

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atharina saß auf dem Bett und stillte Michael. Magdalena Schreiber wickelte ihre Tochter Marlene auf der bereitgestellten Kommode. Die übrigen Frauen, stillten oder spielten mit ihren Kindern. Als Magdalena beendet hatte, setzte sie sich auf die Bettkante und stillte ihre Tochter. Katharina sah zu ihr. „Ich wollt dir noch danken, für Vorhin. Ist doch okay, wenn ich Du sag. Oder? „Klar. No Problem.“ „Danke. Ich hätt nicht gewusst, wie ich mein Brüderchen los geworden währ.“ „In der Situation hätt'st du nix mache könne, Egal, was de auch gewollt hätt'st. Warst emotional viel zu aufgewühlt. Des hat en außenstehede mache müsse.“ Sie sahen sich schweigend an. „Wie seit ihr eigentlich z'amme komme?“ „Christoph und ich?“ Katharina setzte sich neben Magdalena. „Er hat mich vor dem Sherifffs bewahrt.“, sagte sie sehr leise, denn ein solches Geständnis konnte auch Jahre danach noch Folgen haben. „Oh!“ Katharina erzählte Magdalena leise ihre Geschichte. Freilich nur von Johannas Tod, bis zur Gegenwart und Magdalena, die spürte, dass davor etwas pasiert sein muste, diplomatisch genug, nicht weiter nach dem Davor zu fragen. Sie fühlte, dass es Katharina schmerzte, darüber zu sprechen, wusste aber auch, dass sie es erfahren wird. So viel Zutrauen hatten die Frauen schon zueinander, obwohl sie sich erst so kurz kannten. Sie kamen auf ein anderes Thema zu sprechen, was nicht minder schwierig war. Der Verlust eines oder mehrer Kinder. Magdalena, die genau wusste, wie sich Katharina fühlte, ging das Thema sehr sensibel an, mit dem Hintergedanken, über ihren Verlust reden zu können, den sie so weit verdrängt hatte. „Wie fühlst dich?“ „Geht so. Ich versuch nicht dran zu denken. Du kennst das ja.“ „Ja.“ Katharina wusste, was Magdalena meinte, obwohl sie ohne Vorankündigung begann. „Die erste Tache sin schlimm.“ „du hast beide vedrlor'n?“ „Ja.“ „Das muss schreklich sein.“ „Ich bin ausem Heule nimmer raus gekomme.“ „Kann ich mir vorstellen.“ Noch immer

verlief das Gespräch sehr intim und sehr leise. „Ich hab mich aus Trauer fast zu Tode gehugert, als ich Johanna verlor'n hatte. Und jetzt gibt mir nur Christoph halt. Sonst würd ich wahrscheinlich wieder abgleiten.“ „Du hast doch wenigstens noch Michael.“ „Ein schwacher Trost. Natürlich, hilft er mir. Aber ich hab mich so auf das Mädchen gefreut. Meine Familie war immer sehr weiblich geprägt.“ „Wie das?“ Meine Mutter hatte das 'Sagen' in der Familie. Mein Paps, war meine Penis-Mutti und wir Kinder sind sehr weiblich erzogen worden.“ „Des merkt mer deim Bruder aber net mehr an.“ „Er ist ausgeschehrt. Aber erst viel später. Ich glaub er hat's nie wirklich gemocht und nur 'ne Möglichkeit gesucht zu fliehn. „Was war'n deine Eltern?“ „Meine Mutter war Ingenieurin. Maschinenbau und mei 'Penis Mutti' Studierte Volkswirtin.“ „Is dein Vater auch als Frau rum gelaufe?“ „Zuhaus immer. Ich kenn sie fast nur als Frau. Solang ich mich erinnern kann. Nur wenn wir Gäste hatten, war sie als Mann verkleidet.“ „Du musst e intressantie Kindheit gehabt habbe.“ „Sie hat mit sechs aufeghört. Seit dem war'n wir allein. Mei Eltern sind von 'ner Fahrt nach Frankfurt net zurück gekomme.“ „Scheiße! Verzeihung.“ „ is schon gut.“ „Du hast ja schon ettliches erlebt. Da währ ich bestimmt auch ausgerast.“ „Wie war's bei dir?“ „Mei Eltern lebe noch.“ „Hatt'st du 'ne schöne Kindheit?“ „ Ziemlich Normal. Mei Eltern war'n net so inntressant, wie deine. Mein Bruder war mein Bruder un mei Schwester mei Schwester. Wir sin traditionell erzoche worn.“ Katharina sah Magdalena an und spürte, etwas, was Magdalena noch nicht sagte. Aber auch sie insistierte nicht. „Ich weiß nicht, ob's wirklich so gut war, was meine Eltern gemacht ham. Außer, dass ich 's meiste Geld geerbt hab, weil ich weiblich bin und mein Brüderchen nicht.“ So hat's im Testament gestanden.“ „Ziemlich ungewöhnlisch.“ „Ja.“ Sie schwiegen. Ihre Körper berührten sich und beide schienen diesen Umstand zu genießen. „Wie hast du die Trauer überwunden?“ „Eigentlisch überhaupt net. Ich hab's versucht zu ignoriern. Es is nie passiert.“ „Geht das denn?“ „Ne. Net wirklich. Irgendwann kommts immer wieder hoch. Wenn an're was passiert, oder im Traum. Es verfoscht mich.“ Katharina sah Magdalena an. In Ihren Augen standen Tränen. Katharina legte Magdalenas Kopf an ihre Schulter und streichelte sie, „Was war's? Auch ein Bub und ein Mädchen?“ Magdalena schüttelte den Kopf. „Zwei Mädchen“ sagte sie mit Tränenerstickter Stimme. „Zweieiige.“ Katharina wischte Magdalenas Tränen fort. „Die Größere hat die Kleinere unterdrückt. Des ham se wenigstens gesacht.“ Magdalena weinte bitterlich. „Glaubst du's nicht mehr?“ „Was soll ich mache? Ich kann's Gegedeil net beweise. Vielleicht stimmts ja auch.“ Katharina spürte, dass es Magdalena gut tat, darüber zu reden. Und sie wollte ihre Trauer nicht zu sehr in Zweifel ziehen, obwohl sie alles etwas merkwürdig fand. „Ich bin Törischt. Was is mei Trauer gesche des, was du erlebt hast.“ „Jede Trauer hat's verdient, gelebt zu werden.“ Magdalena schloss die Augen. Katharinas Worte hatten sehr viel Tröstendes, obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie so viel erlebt hatte. „Es gibt keine zwei Arten von Trauer. Jede für sich is schlimm.“ Magdalena sah Katharina an. „Wo hast du nur die Weisheit her, mei Mädche? Des hätt kein Pfarrer besser sache könne.“ „Ich weiß auch nicht.“ Magalena legte ihren Kopf wieder an Katharinas Schulter, schloss die Augen und genoss Katharinas zärtliche Berührungen. „Das bin ich dir glaub ich schuldig.“ „Du bist mir nix schuldich, Mädche. Aber ich dank der dafür.“ Katharina legte ihren Kopf an Magdalenas Kopf. So saßen sie noch lange Zeit ohne weitere Worte.

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ls Christoph das Krankenzimmer wieder betrat, hatten sich Katharina und Magdalena wieder getrennt. Hans-Peter Schreiber saß bei seiner Frau und sie unterhielten sich leise. Katharina lag auf dem Bett und schmuste mit ihrem Michael. Christoph schlich sich an Katharina heran und küsste sie auf den Hals. Sie legte sich auf den Rücken und ihre Münder trafen sich zu einem langen Kuss. Er legte sich neben sie auf das Bett. Katharina sah ihn nur an und er wusste, dass er Michael auf ihren Bauch legen sollte. Magdalena beobachte das Treiben mit Wonne. Christoph legte Michael auf Katharinas Bauch. Sie kuschelte sich in seinen Arm und sah ihn an. Noch immer war kein Wort zwischen ihnen gefallen. Christoph streichelte Michael, ohne Katharina aus den Augen zu verlieren. „Wie geht’s dir?“, fragte er leise. „Sehr gut. Ich fühl mich richtig wohl.“ „Schön.“ Sie küssten sich zärtlich. „Ich hab mich mit Magdalena angefreundet.“ Er sah über Katharina zu Magdalena hinüber und ihre

Blicke trafen sich kurz. „Sie hat ja auch zwei Mädchen verlor'n. Letztes Jahr.“ „Ich weiß, beziehungsweise, ich hab nicht gewusst, dass es Mädchen waren.“ „Hab ich auch vorhin erst erfahr'n. Wir ham gegenseitig Trauerarbeit geleistet. Es war gut, drüber zu reden.“ „Das glaub ich dir.“ „Wenn's nicht so traurig währ, könnt man fast glauben, dass was Faul is.“ „Das hat Peter auch gemeint. Ich war gerade bei ihm.“ „Mhm.“ „Was sagt Magdalena dazu?“ Da drüber ham wir nicht gesprochen. Sie hat mir nur errählt, wie's war. Christoph gab Katharina einen Kuss auf die Wange, stand auf und ging zu Magdalena und Hans-Peter ans Bett. „Darf ich kurz stören?“ Die Beiden sahen Christoph an. Christoph wandte sich an Hans-Peter „Ich bin Christoph, Katharinas Freund.“ Er strekte ihm die Hannd zum Gruß. Hans-Peter nahm sie. „Freut mich, sie kennen zu lernen.“ „Warum dann so förmlicsch? Des is de Hans-Peter un ich bin die Magalena. Warum solle mir Sie sache, wenn ich zur Katahrina du sach?“ „Richtig.“ Magdalena stand mitten im Leben. Sie war entschlossen und Pragmatisch. Langes Gekünstel lag ihr fern. Hans-Peter war etwas zurückhaltender, distanzierter, hatte aber generell auch nichts gegen das vertraute 'Du' einzuwenden. „Ihr Zwei seit mer e Rätsel. Wie kann mer sich so vertändische, ohne was zu sache?“ „Keine Ahnung. Aber es funktioniert schon, seit wir uns kennen. „Setz dich doch. Katharina, komm rüwer.“ Katharina stand auf, nahm Michael auf den Arm und setzte sich neben Christoph. Sie unterhielten sich gut und lange, bis es für die Männer an der Zeit war, das Krankenhaus zu verlassen, um nicht in die Sperrstunde zu geraten, die Nachts herrschte. Vor dem Krankenhaus verabschiedeten sich Hans-Peter und Christoph, schon, wie alte Freunde.

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atharina wurde am darauf folgenden Morgen zu einer Untersuchung gerufen, welche im Keller Stattfinden sollte und sie machte sich auf den Weg dort hin. Auf dem Flur des Kellers begegneten ihr zwei Schwestern, die je einen kleinen Wagen vor sich her schoben, auf dem etwas lag, das aber mit einem Tuch abgedeckt war. Katharina glaubte allerdings unter dem Tuch die Form eines kleinen menschlichen Wesens erkennen zu können. Die Schwestern gingen an ihr vorbei. Sie hatten ihren Redefluss unterbrochen, als sie Katharina bemerkten und begannen erst wieder zu sprechen, nachdem sie um eine Ecke gebogen waren. Katharina blieb stehen, drehte sich um und sah den Schwestern nach.

Entscheidung: 1. Katharina soll den Schwestern folgen. 2. Katharina soll zur Untersuchung gehen

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atharina ging zu der Ecke und beobachtete, wie die Schwestern in einem nahen Raum verschwanden. Stutzig geworden, begab sie sich einige Meter hinter diesen Raum und versteckte sich etwas. Die Schwestern verließen den Raum kurze Zeit später ohne die Wägelchen wieder. Katharina ging zu der Tür und blieb etwas unschlüssig davor stehen, fasste sich ein Herz, schaute sich um, sah, dass sie alleine war, öffnete die Tür und trat ein. Der Raum war dunkel und Katharina beließ es so. Sie tastete, sich langsam an die Dunkelheit gewöhnend zu dem ersten der kleinen Wagen, den sie finden konnte. Katharina sah die Silhouetten vieler kleiner Wagen in der Dunkelheit auftauchen. Sie hob das Tuch an, lies ihre Hand darunter gleiten, als sie sich nähernde Stimmen wahr nahm. Sie hielt kurt inne. Die Stimmen kamen näher. Katharina ertastete einen menschlichen Fuß. Ihr Atem stockte. Unter dem näher kommen der Stimmen, es waren weibliche Stimmen, tastete sie sich hastig weiter nach Oben. Die Stimmen schienen vor der Tür zu stehen, durch die Katharina herein gekommen war. . Katharina tastete sich hastig zwischen die Beine des Kindes und erschrak erneut. Sie bemerkte dass die Tür geöffnet wurde, lies das Tuch fallen und begab sich schnellst möglichst zu der zweiten Tür, die sie bemerkt hatte, die ebenfalls auf den Flur führen musste. Die beiden Schwester kamen herein und die Eine schaltete das Licht ein. Katharina öffnete in diesem Moment die Tür und schlüpfte durch sie auf den Flur. Sie ahnte, dass es gefährlich war, gesehen zu werden, hatte aber keine andere Wahl. Eine der Schwestern schaute aus der Tür. Katharina hatte bemerkt, dass es sich um andere Schwestern handeln musste, machte so-

fort kehrt und ging auf sie zu, als käme sie den Flur herauf, da sie an nahm, dass eine Frau, die in die andere Richtung ginge verdächtig war. Sie ging, vorbei, ohne die Schwester zu beachten, aber in ihrem Inneren spürte sie große Angst, doch noch entdeckt zu werden. Sie glaubte jeden Moment von der Schwester angesprochen und aufgehalten zu werden, was aber nicht geschah. Katharina überkam dennoch ein beklemmendes Gefühl. Sie ging mit schnellen Schritten zu dem Untersuchungsraum und hatte immer den Eindruck verfolgt zu werden, besaß aber nicht den Mut sich um zudrehen. Erst vor der Tür blickte sie zurück und sah dass der Flur vollkommen leer war. Die Untersuchung war schnell beendet und Katharina konnte zurück gehen. An der Tür, durch die sie den Raum mit den vielen kleinen Wagen verlassen hatte, blieb sie unweigerlich stehen und zögerte einen Moment, Sie griff zur Türklinke, hielt aber inne, denn ihr Gefühl sagte ihr, dass sich jemand in diesem Raum aufhalten könnte. Sie horschte an der Tür. Alles war ruhig. Dennoch schlich sie zu einer Ecke, von der aus sie die Türen beobachten konnte, ohne gesehen zu werden, wartete und ließ einige Patienten und Schwestern an sich vorbei flanieren, bevor sie es wagte, zu dieser Tür zu gehen und sie zu öffnen. Ihre Hand ergriff langsam die Klinke und drückte sie nach Unten. Die Tür bewegte sich. Katharina zog sie auf und ging in den Raum. Sie schaltete das Licht an und staunte nicht schlecht, denn alle Wagen waren leer. Alle Tücher lagen säuberlich zusammengefaltet darauf. Ein jedes auf einem Wagen. Katharinas schaltete das Licht aus und schloss die Tür. Ihr Gesicht legte sich in Falten. Es war ihr unbegreiflich, dass eine so große Menge Gegenstände in so kurzer Zeit verschwinden konnten. Oder hatte die Untersuchung doch länger gedauert, als sie dachte? Katharina versuchte sich zu erinnern, ob ihr irgendwelche Medikamente verabreicht worden waren, aber es war nur eine einfache mechanische Untersuchung der Vagina und der Gebärmutter und Katharina hatte sich die ganze Zeit mit dem Arzt unterhalten. Mit diesen Gedanken begab sie sich zurück auf die Station.

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ls Christoph das Zimmer betrat, war außer Magdalena Schreiber niemand anwesend. Magdalena Schreiber sagte Christoph, dass Katharina zu einer Untersuchung gerufen wurde. Da ihm die Luft zu in dem Raum zu stickig war, ging er hinaus auf die die Straße und lungerte etwas herum, als er einen Lastwagen sah, der in der Einfahrt des Krankenhauses stand und der offensichtlich mit kleinen, merkwürdig aussehenden Kisten beladen wurde. Die Kisten waren aus Metall, schienen aber nicht wirklich schwer zu sein. An der Außenwand befand sich eine separate Kammer, deren Inhalt Christoph aber nicht ausmachen konnte. Trotz der relativ frühen Stunde, war es schon recht warm und die drei Männer schwitzen. so passierte es, dass einem der Männer eine Kiste abrutschte, zu Boden viel und der Deckel verrutschte und etwas zum Vorschein kam, was, wie kleine Finger aussah. „Pass doch auf“ wurde er von einem Anderen angeraunzt. „Das ist Wertvolle Fracht.“ Christoph hörte die Worte nur leise. Er war zu weit entfernt, um sie deutlich hören zu können, wollte aber auch nicht näher heran, um nicht entdeckt zu werden. Der Mann hob die Kiste auf, verschloss den Deckel wieder fest, lud sie in den Wagen und ging wieder hinein. Christoph näherte sich dem Zaun, um zu sehen, wie viele Kisten sich schon auf dem Wagen befanden, konnte aber nichts erkennen. Nach einem letzten Gang schlossen die Männer die Luke, stiegen ein fuhren los.

Entscheidung: 1. Christoph soll mit dem Wagen mit fahren 2. Christoph soll zu Katharina gehen und erzählt ihr, was er gesehen hat

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hristoph lief hinter den Wagen, sprang auf und kletterte auf die Ladefläche. dort befanden sich circa fünfzehn dieser kleinen Kisten, die aber alle so gut verschlossen waren, dass Christoph nicht nach sehen konnte was sich in ihrem Inneren befand. Der Wagen fuhr in schnellem Tempo durch die Stadt. Es dauerte nur knapp zehn Minuten, als er sein Tempo wieder verlangsamte. Christoph schaute durch die Plane und entdeckte dass er

sich in der Nähe des Güterbahnhofs befand. Er sprang vom Wagen und sah ihn in das Bahnhofsgelände einfahren, das nicht weiter bewacht wurde. Christoph folgte dem Wagen auf einen Bahnsteig. Die Männer öffneten die Luke und begannen die Kisten in einen Eisenbahnwagon zu laden. Christoph schlich sich zu dem Lastwagen, nahm eine der Kisten, schulterte sie, ging zu dem Wagon, setzte die Kiste ab und ging zu dem Lastwagen zurück. Dieses wiederholte er drei mal, ehe es ihm gelang, den Zielbahnhof zu erkennen, dessen Name sich in einer Frachtbriefhalterung befand. Christoph verließ den Bahnhof und kehrte zum Krankenhaus zurück.

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atharina war nach ihrer Untersuchung, zusammen mit Magdalena in dem Teil des Krankenhauses gegangen, den man früher 'Park' nannte. Allerdings bestand er jetzt nur aus morschen Bäumen mit dürren Ästen, denen man ihr Alter ansah und dürrem Gras, das von sehr viel Staub bedeckt war. Jeder stärkere Windstoß drohte die Äste zu brechen, so dass es nicht ungefährlich war, sich der Nähe der Bäume aufzuhalten. An diesem Morgen herrschte jedoch noch absolute Windstille. Die Hitze war Morgens noch einigermaßen erträglich. Erst gegen Mittag wurde es so heiß, das sogar eine Ausgangs-Sperre verhängt werden musste, um die Bevölkerung zu schützen. Sie galt von dreizehn bis achtzehn Uhr, wurde aber nicht sehr streng überwacht, da es die Polizisten vor zogen, in ihren gekühlten Büros zu sitzen, statt durch die Hitze zu fahren oder gar zu Fuß zu gehen. Trotzdem wurde sie wegen der großen Hitze und den Elektomagnetischen Störungen der Atmosphäre, auch ohne Kontrolle weitestgehend eingehalten. Katharina und Magdalena hatten sich dahin zurück gezogen, da die Luft in ihrem Zimmer sehr schlecht war, aber auch, um sich ungestört unterhalten zu können, hatten sie sich doch viel zu erzählen, nach dem, was Katharina entdeckt hatte. Sie saßen auf einer der alten Bänke, die verstreut und meist verlassen am Wege standen und hielten ihre Kinder im Arm. „Die frisch Luft tut gut“, sagte Katharina. „Wenn se wirklisch frisch is“, erwiderte Magdalena. „Immer noch Besser als drin,“ Sie sahen sich schweigend an. Magdalenas Augen schienen die schöne Katharina zu verschlingen. Katharina näherte sich ihr und gab ihr einen Kuss auf den Mund, den sie verstand diesen Blick zu deuten. Sie tauchten einen langen, intensiven Zungenkuss, ehe sie sich etwas voneinander trennten. „Du also auch!?“ stellte Katharina fragend fest und Magdalena nickte zustimmend. Sie trafen sich zu einem weiteren langen Kuss. „Irgendwie hab ich gespürt, dass dir des gefällt.“ Katharinas Blicke wichen nicht von Magdalena. „Ich hab nicht gedacht, dass mir das ins Gesicht geschrieben steht.“ „Tut's auch net, Süße.“ Magdalena schenkte Katharina einen Kuss. „Aber ich hab's gespürt. Irgend wie.“ „Vielleicht durch mei Körpersorach. Ich hab's genossen, als du mich getröstet hast.“ Sie küssten sich erneut. „Und ich Genieß 's wieder.“ Nach einem erneuten langen Kuss trennten sie sich etwas weiter, aber ihre Körper berührten sich noch. „Was sagt dein Hans-Peter dazu?“ „er akzeptiert's. Und dein Christoph?“ „Er is 'ne halbe Frau. er war bis zu seiner Pubertät mehr Mädchen, als Bub. Das hab ich auch irgendwie gespürt, als ich ihn das erste Mal gesehn hab.“ Wie lang hat er's dir verheimlicht?“ „Gar nich.“ Katharina sah ins leere. „Er würd bestimmt gut aussehn, als Frau.“ Sie blickte Magdalena wieder in die Augen „Aber er will's nicht. Er meint, das Kapitel währ abgeschlossen.“ „Hast du's ihm vorgeschlagen?“ „er hat's so erzählt, dass kein Zweifel bestand. Ist aber okay so. Hauptsache er handelt wie 'ne Frau. Das ist wichtiger als 'es Aussehn.“ Sie sahen sich eine Weile schweigend an. Michael erwachte aus seinem Schlaf. Katharina öffnete ihr Kleid und ließ ihn trinken, ohne Anstalten zu machen, ihre Blöße irgendwie zu verdecken. „Er trinkt oft.“ „Ja. Ich lass ihn aber. Dafür schläft er die Nacht ja schon fast durch. Ich kann mich noch erinnern, dass mich meine Mutter auch immer und überall hat trinken lassen. Bis ich nicht mehr wollte.“ „Wie alt warst du da?“ „Als ich nicht mehr gewollt hab? fünf glaub ich. Oder sogar sechs.“ „Des is ungewöhnlich“ „Hier schon, aber die Eingebor'nen in Afrika ham ihre Kinder immer so lang gestillt. Von da hatt meine Mutter das.“ Katharina sah Michael beim Trinken zu. „Was glaubst du, hat auf dene Wägelcher gelege?“ Katharina sah Magdalena etwas überrascht an, hatte sie doch nicht mit einem so schnellen wechsel des Themas gerechnet. „Es war'n Mädchen. Weiblich Babys. Zumindest das, was ich abgetastet hab.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja, ich bin mir ziemlich sicher, obwohl ich das Geschlecht nur sehr kurz berührt

hab. aber der Unterschied zwischen 'ner Scheide und 'nem Schwänzchen dürfte unzweideutig zu unterscheiden sein. Ihr Körper war noch warm. Also hat sie entweder noch gelebt, oder is grade erst gestorben. Allerdings kann ich mir net vorstelle, das tote Babys in einen ungekühlten Raum gestellt wer'n.“ „Betimmt net. Des ist äußerst merkwürdig.“ „Kennst du mehr Frauen, die a Kind verlor'n haben?“ Magdalena verneinte dies, ohne Worte. „Wart ma. Als ich die erst Geburt hatte, hat in Nachbarzimmer a Frau gelege, die auch ein verlor'n hat. Auch a Mädche. Un auch a Zwillings-Geburt.“ „Das kann fast kein Zufall mehr sein.“ „Bestimmt net. Irschend was is Faul.“ „Und viele müssen's wissen. Oder?“ „Eigentlisch schon. Wenn da e schrägi Tour läüft, müssen viele beteiligt sei.“ „Wir müssten raus kriegen, was mit den Babys passiert.“ Wie willste des mache?“ „Weiß ich noch nich.“ Vielleicht beobachten, was auf dem Flur passiert.“ Des is gefährlich.“ Ich weiß.“ Magdalena rückte näher an Katharina heran, legte den Arm um sie und den Kopf an ihre Schulter. „Du bist mutig.“ „Ich hab mich durchsetzen müssen. Auch gegen Jungs.“ Katharina legte Michael an die andere Brust, ließ ihn weiter trinken und legte den Arm um Magdalena. Magdalena deutete an, dass sie einen Kuss wollte. Katharina schenkt ihn ihr und sie erwiderte ihn. Christoph kam den Weg herauf und überraschte sie mitten im Kuss. „Ah hier seit ihr. Ich habe euch gesucht.“ Sie beendeten den Kuss, ohne Eile und sahen zu Christoph. Er setzte sich neben Katharina. „Was macht ihr hier Draußen?“ „Frische Luft schnappen und über Sachen reden, die keinen was an gehn.“ „Stört's dich, wenn ich dei Frau umarm?“ „Sie ist lesbisch. Da ist so was normal.“ Magdalena sah Katharina an. „Lesbisch?“ Katharina nickte. „Mehr oder weniger. Ich war Jahre lang mit 'nem Mädchen zusammen.“ „Und sowas tauschst du gegen 'nen Mann?“ „Einem halben Mann.“ Sie sah zu Christoph. „Verzeih mir.“ sagte sie und gab Christoph einen Kuss. „Ich weiß das.“ Katharina und Christoph küssten sich. Katharina behielt Madalenas Umarmung aber bei. Christoph streichelte ihre Wange und sie sahen sich lange in die Augen. „Über was habt ihr euch unterhalten?“ „Über Frauenliebe und des, was Katharina entdeckt hat.“ „Mhm?“ Katharina berichtete ihrem Christoph, die Ereignisse. „Ich hab gesehen, dass kleine Kisten auf Lastwagen verladen worden sind.“ Nun sahen sich Katharina und Magdalena fragend an. Christoph berichtete weiter. „Bei dir Finger und bei mir Füsschen? Das können eigentlich nur die Gleichen gewesen sein.“ „Glaub ich auch. Nur, warum bringen se die zum Bahnhof und net zum Friedhof?“ „Das heißt, sie leben noch.“ „Sehr wahrscheinlisch“ „Hast du gesehn, wo der Zug hin fährt?“ „Nach New Retschytsa.“ „Wo ist denn das?“ „Keine Ahnung.“ „Klingt irgendwie russisch“, warf Magdalena ein. „Ich habe gesehen, das da auch größere Kisten der gleichen Bauart gestapelt waren.“ „Größere ?“ „Ja. ungefähr eins dreißig bis eins fünfzig lang.

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ie Kisten wurden in Spezialwagen verladen“ „Wie meinst du das?“ „Es war sehr kalt da drin. Der Typ, der die Kisten gestapelt hat, hat sogar Handschuhe angehabt.“ „Es wird immer verworrener.“ „Dei Frau hat vor, den Flur zu überwache.“ „Du meinst also, dass dass das kein Einzelfall ist?“ „Was würd das für'n Sinn machen.? Da muss mehr dahinter stecken.“ „Was es gefährlich macht.“ „Könnt durchaus sein.“ Katharina wendete sich wieder Michael zu, aber er war still an der Brust eingeschlafen. Katharina lächelte. „Kuck dir Micha an. Liegt an der Brust und schläft.“ Katharina streichelte sein Köpfchen, machte aber keine Anstalten ihn von der Brust zu trennen. Sie legte den Kopf an Christophs Schulter und schloss kurz die Augen. „Ein ungewöhnliches Kind.“ „Unser ungewöhnliches Kind.“ Katharina gab Christoph einen Kuss und lehnte sich wieder an seine Schulter. „Ihr seit des ideale Paar.“ „Gibt's das überhaupt?“ „Ihr seit de Beweis. Ein Herz und eine Seele.“ Katharina schmunzelte und sah Christoph an. „Stimmt des?“ „Ich glaub schon.“ Sie küssten sich. „Des hab ich schon bei de erste Begegnung gemerkt. So, wie ihr euch ohne Worde abg'sproche habt.“ „Wir ham 'nen bleibenden Eindruck hinterlassen.“ „'n possitive wohl gemerkt.“ Katharina wendete sich zu Magdalena und gab ihr einen Kuss. „Dank dir.“ „Was wahr is muss wahr bleibe.“ Katharina schenkte Magdalena einen weiteren Kuss. „Es wird langsam heiß.“ „Was soll'n wir jetzt machen?“ „Lass uns e Nacht drüber schlafe. Nur nix überstürze“ „Ja.“ Ein längeres Schweigen setzte ein. Katharina lehnte sich wieder an Christoph und Magdalena kuschelte sich an Katharina. „Ich trenn mich ungern von dir, aber

mir wird’s zu heiß“ „Kommt, wir gehen.“ Sie standen auf. Katharina und Christoph liefen Arm in Arm und Magdalena ging neben ihnen, als währe nichts geschehen. „Ich werd Morgen entlassen.“ „Schön. War alles in Ordnung bei deiner Untersuchung?“ „Ja.“ Die weitere Unterhaltung war nicht mehr zu verstehen. Weiter mit Kapitel 2