2011 Fall 2

Arbeitsgemeinschaft im Steuerrecht Wintersemester 2010/2011 Isabel Gabert Wiss. Mit. Fall 2 Peter (P) ist 45 Jahre alt, vermögend und lebt in Freibu...
Author: Arnim Günther
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Arbeitsgemeinschaft im Steuerrecht Wintersemester 2010/2011

Isabel Gabert Wiss. Mit.

Fall 2 Peter (P) ist 45 Jahre alt, vermögend und lebt in Freiburg. Nach der Scheidung von seiner Ehefrau verließ er das gemeinsame Familienwohnheim und erwarb im Jahre 2001 ein kleines Einfamilienhaus zum Schnäppchenpreis. Im Oktober 2006 lernte P die 40-jährige Renate (R) kennen, die Anfang Januar 2007 in das Einfamilienhaus des P einzog. Auf Anraten seines Steuerberaters S schlossen P und R einen Mietvertrag über die Hälfte des Hauses zu einem Mietpreis von 500 €, den R monatlich an P zahlt. Damit, meinte S, ließen sich die laufenden Kosten einschl. AfA i.H.v. 15.000 € p.a. für das Haus „absetzen“. Im Februar 2007 erwarb P den PKW seines Bekannten Benedikt (B) für 10.000 €. B und damit auch sein ehemaliger PKW wurden kurz darauf berühmt und viel beachtet. Von der Presse genervt, veräußerte P den erst kürzlich von B erworbenen PKW im Mai 2007 für 30.000 €. Da P leidenschaftlicher Kunstliebhaber ist, investierte er einen Teil des aus der Veräußerung des PKW hervorgegangenen Geldes in eine wertvolle Mingvase, die er im Juli 2007 vom Kunsthändler Kitschig (K) für 20.000 € erworben hatte. Als P die Vase stolz seiner Lebensgefährtin R zeigte, war diese geschockt. Dieses „hässliche Ding“ wolle P doch nicht allen Ernstes in der Wohnung aufstellen! Schweren Herzens entschloss sich P, die Vase wieder zu veräußern. Dies gelang ihm im September 2007: Ein Sammler erstand die Vase für 15.000 €. Als Weinliebhaber hatte P zudem im Jahre 2001 einen kleinen Weinhandel im Keller seines damals neu erworbenen Wohnhauses eröffnet. Dort veräußerte er ausschließlich Weine des befreundeten Winzers W. Ein Firmenschild oder sonstige äußerlich sichtbare Hinweise am Haus brachte P nicht an, auch in Branchenführern wurde er nicht geführt. Lediglich in den Anfangsjahren hatte P mehrmals Zeitungsannoncen in den beiden regionalen Zeitungen mit der Angabe seiner privaten Telefonnummer geschaltet. Seine Kunden bestehen seit eh und je größtenteils aus Bekannten. Restaurants, die er zu Beginn im Besonderen angesprochen hatte, gingen auf seine Angebote nicht ein. Preislisten verschickte P nicht; Weinverkostungen führte er nur selten und auf Anfrage durch. Wie in allen Jahren zuvor hatte P mit dem Weinhandel 1

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auch 2007 Verluste erwirtschaftet, und zwar in Höhe von 2.000 €. Obwohl P sich fest vorgenommen hatte, durch Investitionen, insbesondere Werbung, den Weinhandel „flott zu machen“, gab er ihn Ende 2007 aufgrund einer schweren Erkrankung seiner Mutter auf.

Wie ist der Fall betreffend P im VZ 2007 einkommensteuerrechtlich zu beurteilen?

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Lösungsskizze Fall 2:

A. Subjektive Steuerpflicht des P •

Unproblematisch: P lebt in Freiburg

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht

gemäß § 1 I 1 EStG i.V.m. § 8 AO.

B. Objektive Steuerpflicht I. Einkünftequalifikation

1. Die Beurteilung des zwischen P und R abgeschlossenen Mietvertrages



Die Vermietung des hälftigen Einfamilienhauses von P an R zu einem monatlichen Mietpreis von 500 € könnte bei P zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß §§ 2 I 1 Nr. 6, 21 I 1 Nr. 1 EStG geführt haben.



Es erscheint allerdings fraglich, ob überhaupt ein steuerrechtlich anzuerkennendes Mietverhältnis vorliegt. Insoweit ist hier die Vorschrift des § 41 II 1 AO zu berücksichtigen: Danach sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unerheblich. Vorliegend könnte das Mietverhältnis zwischen P und R über die Hälfte des Hauses rechtlich nur zum Schein begründet worden sein, um die laufenden Kosten für das Haus „absetzen“ zu können. Zwischen P und R besteht eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Es gibt zwar eine Vielfalt unterschiedlichster Erscheinungsformen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft; all diesen ist jedoch in der Regel gemeinsam, dass die Lebensgemeinschaft jedenfalls auch eine Wirtschaftsgemeinschaft ist (BFH BStBl. 1996, 359, 360). Grundlage

des

gemeinsamen

Wohnens

in

einer

nichtehelichen

Lebensgemeinschaft ist demnach nicht ein zivilrechtlicher Vertrag, sondern die persönliche Beziehung (die „innere Bindung“) der Partner zueinander. Innerhalb dieser persönlichen Beziehung leisten beide Partner finanzielle Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung und somit auch zum gemeinsamen Wohnen (BFH BStBl. 1996, 359, 360).

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Die als „Mietpreis“ deklarierten Zahlungen von R an P i.H.v. monatlich 500 € sind daher vorliegend als Beiträge der R zur gemeinsamen Haushalts- und Lebensführung

im

Rahmen

der

mit

P

bestehenden

nichtehelichen

Lebensgemeinschaft zu werten (vgl. ausführlich BFH, Urt. v. 30.01.1996, BStBl. II 1996, 359, 360 [Eigentumswohnung]). Der Mietvertrag über die Hälfte des Hauses wurde somit nur zum Schein abgeschlossen, um die laufenden Kosten für das Haus „absetzen“ zu können, so dass ein steuerrechtlich anzuerkennendes Mietverhältnis zu verneinen ist.



Es handelt sich beim Abschluss des Mietvertrages zwischen P und R mithin nicht um einen einkunftsrelevanten Vorgang. Demzufolge sind die monatlichen Mietzahlungen der R in Höhe von 500 € bei P auch nicht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren. Das bedeutet andererseits aber auch, dass mangels Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die laufenden Kosten für das Haus von P nicht als Werbungskosten „abgesetzt“ werden können.

2. Der Verkauf des PKW



Die

Veräußerung

des

PKW

könnte

zu

Einkünften

aus

privaten

Veräußerungsgeschäften, §§ 2 I 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG führen. Zwar ist diese Einkunftsart gegenüber allen anderen Einkunftsarten subsidiär (§ 23 II 1 EStG), eine andere Einkunftsart ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere sind Hinweise, dass sich der PKW im Betriebsvermögen des P befindet, nicht vorhanden. •

Damit die Veräußerung des PKW ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. der §§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG darstellt, müsste es sich bei dem PKW um ein „anderes Wirtschaftsgut“ i.S. dieser Vorschrift handeln.



Nach dem Wortlaut der Norm ist dies grds. der Fall (→ körperlicher Gegenstand → Sache, § 90 BGB). Jedoch

hat

insb.

die

Finanzverwaltung

den

Begriff

des

„anderen

Wirtschaftsguts“ bisher restriktiv ausgelegt (vgl. dazu Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG28, § 23 Tz. 27 m.w.N. (Vorauflage!)).

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Da der Zweck der Vorschrift in der Besteuerung von Spekulationsgewinnen besteht, sollen Wirtschaftsgüter des täglichen Gebrauchs keine „anderen Wirtschaftsgüter“ i.S. dieser Vorschrift sein. Die Finanzverwaltung begründet dies damit, dass bei Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs i.d.R. potentielle Wertsteigerungen ausgeschlossen seien. Nach objektiven Maßstäben sei eine Einkünfte-(Überschuss-)erzielungsabsicht bei privaten Veräußerungsgeschäften mit Gebrauchsgegenständen daher zu verneinen. Dies gelte grds. auch für den Verkauf von PKW (vgl. OFD München, Verfügung v. 19.07.2002, S 2256 – 21 St 41, DStR 2002, 1529). Ob die Veräußerung des PKW durch P als privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu qualifizieren ist, hängt nach o.g. Ansicht mithin davon ab, ob der PKW als Wirtschaftsgut des täglichen Gebrauchs anzusehen ist. § Finanzverwaltung wendet die vorstehend genannten Grundsätze grds. auch auf PKW an (s.o.) → also Wirtschaftgut des täglichen Gebrauchs. § Nach Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG27, § 23 Tz. 27 (27. Auflage!) soll ein KfZ hingegen wohl kein Wirtschaftgut des täglichen Gebrauchs darstellen, und somit als „anderes Wirtschaftsgut“ i.S.d. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu qualifizieren sein. •

M.E. handelt es sich – unter Zugrundelegung der o.g. Auffassung - bei einem PKW um einen Gebrauchsgegenstand, so dass § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG vorliegend nicht einschlägig wäre. Die Einkünfte aus der Veräußerung des PKW wären danach nicht steuerbar. (a.A. vertretbar).



Kritik an der einschränkenden Auslegung des § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG: Zum einen gibt der Wortlaut des Gesetzes für diese Auslegung nichts her. Zum anderen führt die Differenzierung zwischen Wirtschaftsgütern des täglichen Gebrauchs und solchen, denen diese Eigenschaft nicht zukommt, zu nicht unerheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und m.E. teilweise sogar zu willkürlichen Ergebnissen: § Wie soll beispielsweise ein Oldtimer qualifiziert werden? → Dieser wird von der Finanzverwaltung als steuerbare Ausnahme angesehen! → Gründe???

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§ Welcher Beurteilung unterliegen Fälle, in denen Steuerpflichtige mehrere Autos besitzen (Cabrio, Sommerwagen, Winterwagen, etc.) bzw. teure Luxuswagen fahren? § Zudem ist die Bestimmung der Überschusserzielungsabsicht pauschal überhaupt nicht möglich, sondern muss vielmehr an dem jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden!



ACHTUNG: NEUES URTEIL DES BFH: Nach einem Urteil des BFH aus dem Jahr 2008 – BFH, Urt. v. 22.04.2008, IX R 29/06, DStR 2008, 1191 = NJW 2008, 3087 - ist die Veräußerung eines Gebrauchtkraftwagens innerhalb eines Jahres nach Anschaffung nach § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG steuerbar. Kernaussagen des Urteils: § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG betrifft alle Wirtschaftgüter im Privatvermögen und ist nicht teleologisch insoweit zu reduzieren, als Wirtschaftsgüter des täglichen Gebrauchs

mangels

objektiven

Wertsteigerungspotentials

aus

seinem

Anwendungsbereich herauszunehmen sind. Ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der steuerlichen Erfassung von Veräußerungen

privater

Wirtschaftsgüter

ist

nicht

ersichtlich,

zumal

Erfassungsschwierigkeiten gerade auch solche Wirtschaftsgüter betreffen, die nicht für den täglichen Gebrauch bestimmt sind, und die somit unter die Vorschrift des § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu subsumieren sind, z.B. Kunstgegenstände.

Demnach

ist

auch

eine

teleologische

Reduktion

verfassungsrechtlich nicht geboten. Das Tatbestandsmerkmal der Einkünfteerzielungsabsicht gilt bei allen Einkunftsarten, wird allerdings einkunftsarts- und damit bereichsspezifisch ausgestaltet und für die Einkünfte gemäß § 23 EStG durch die verhältnismäßig kurzen Fristen in typisierender Weise objektiviert. Das bedeutet, dass allein der Verkauf eines angeschafften Wirtschaftsguts innerhalb der Frist des § 23 EStG als steuerbarer Vorgang anzusehen und zu behandeln ist; (weitere) subjektive Merkmale in Form einer besonderen Spekulationsabsicht sind hingegen nicht erforderlich und folglich auch nicht zu prüfen!

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§ 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG betrifft ausnahmslos alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen! •

Unter Berücksichtigung der neuen BFH-Rechtsprechung führt die Veräußerung des PKW vorliegend zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften, §§ 2 I 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Das Urteil des BFH zur Steuerbarkeit der Veräußerung eines Gebrauchtkraftwagens innerhalb eines Jahres nach Anschaffung ist m.E. zu begrüßen, da insoweit dem Wortlaut des Gesetzes Rechnung getragen wird (s.o.) und Abgrenzungsschwierigkeiten, die teils willkürliche Ergebnisse nach sich ziehen (s.o.), vermieden werden!

3. Der Verkauf der Mingvase



Auch hier stellt sich die Frage nach einem privaten Veräußerungsgeschäft, §§ 2 I 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.



Die Subsidiaritätsklausel des § 23 II 1 EStG ist gewahrt, zumal sich die Mingvase im Privatvermögen des P befindet.



Im Gegensatz zum PKW handelt es sich bei der Mingvase nicht um einen typischen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern vielmehr um einen privaten Wertgegenstand.

Kunstgegenstände fallen als private Wertgegenstände unter den

Begriff des „anderen Wirtschaftsguts“ i.S. des § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG (vgl. WeberGrellet, in: Schmidt, EStG29, § 23 Tz. 27). •

Hier soll es der o.g. Restriktion nicht bedürfen. Dahinter steckt wohl der Gedanke, dass private Wertgegenstände regelmäßig durchaus potentiellen Wertsteigerungen unterliegen, so dass bei Veräußerungsgeschäften mit privaten Wertgegenständen eine Einkünfte-(Überschuss-)erzielungsabsicht grds. zu vermuten ist.



Allerdings ist – wie bereits vorstehend ausgeführt - die Bestimmung der Überschusserzielungsabsicht pauschal überhaupt nicht möglich, sondern muss vielmehr an dem jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden.



Zudem tauchen auch hier dieselben Abgrenzungsschwierigkeiten auf: Was für den einen noch ein Gebrauchsgegenstand ist, kann für den anderen durchaus bereits ein privater Wertgegenstand sein. Wo soll die Grenze liegen? Welche Abgrenzungsmaßstäbe sollen hier gelten?

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Aufgrund der neuen BFH-Rechtsprechung haben sich diese Differenzierung und die aus ihr folgenden Schwierigkeiten nun aber ohnehin erledigt!



Spekulationsfrist des § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG: Der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung darf nicht mehr als ein Jahr betragen.

Jahresfrist!

Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an dem Wirtschaftsgut von einem Dritten (vgl. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG29, § 23 Tz. 31). → Hier: Erwerb („Kauf“) der Mingvase im Juli 2007 von K. Veräußerung ist umgekehrt die entgeltliche Übertragung des angeschafften Wirtschaftsguts auf einen Dritten (vgl. Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG29, § 23 Tz. 50). → Hier: Veräußerung („Verkauf“) der Mingvase an den Sammler im September 2007. •

Die Veräußerung der Mingvase ist damit als privates Veräußerungsgeschäft nach §§ 2 I 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG steuerbar.

4. Die Verluste aus dem Weinhandel (in Anlehnung an FG Münster, Urt. v. 09.02.2006, 5 K 1841/04 E, EFG 2007, 256 - Revision eingelegt, BFH v. 27.5.2009 – X R 62/09)



Die Verluste des P aus seiner Tätigkeit als Weinhändler könnten als (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 I 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren sein.



Das Gesetz enthält in § 15 II EStG eine Legaldefinition des Gewerbetriebes.



Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 15 II EStG: Selbständige Betätigung: → Tragen von Unternehmerrisiko: Betätigung auf eigene Rechnung. → Entfalten von Unternehmerinitiative: Betätigung auf eigene Gefahr. P betreibt seinen Weinhandel allein; er handelt demzufolge sowohl auf eigene Rechnung als auch auf eigene Gefahr und somit selbständig. Nachhaltige Betätigung: → Tätigkeit muss auf Wiederholung angelegt sein. Ob die Tätigkeit tatsächlich wiederholt wird, ist unerheblich!

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Da der Weinhandel bereits seit 2001 betrieben wird, ist die Tätigkeit des P auch nachhaltig. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr: → Güter oder Leistungen müssen am Markt erkennbar für Dritte gegen Entgelt angeboten werden. → Bei typisch kaufmännischer Betätigung liegt eine Beteiligung am allg. wirtschaftlichen Verkehr auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige seine Leistungen nur einem einzigen Kunden oder einem eng begrenzten Kreis von Personen anbietet (Bsp.: Montageleistungen für einen Hersteller). Auch die Beteiligung am allg. wirtschaftlichen Verkehr wird man wohl bejahen können, da P mit seinem Weinhandel am Markt auftritt und Wein gegen Entgelt zum Verkauf anbietet. In welchem Umfang dies geschieht, spielt letztlich für dieses Tatbestandsmerkmal keine Rolle! Es handelt sich auch nicht um eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit; ebenso wenig kann von einer freiberuflichen Tätigkeit oder einer anderen selbständigen

Arbeit

gesprochen

werden.

Auch

eine

bloße

Vermögensverwaltung liegt nicht vor. Problematisch ist hier allein die Gewinnerzielungsabsicht, die gemäß § 15 II 3 EStG auch nur Nebenzweck sein kann, dazu im Folgenden.



Zum Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht allgemein: Die Gewinnerzielungsabsicht ist als Tatbestandsmerkmal lediglich für gewerbliche Einkünfte ausdrücklich normiert; sie ist jedoch Voraussetzung für sämtliche steuerbaren Einkünfte, somit auch für Überschusseinkünfte → Überschusserzielungsabsicht. Die Gewinnerzielungsabsicht grenzt die Einkünfteerzielung von der steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei ab. Die Liebhaberei erfüllt keinen steuerlich relevanten Tatbestand, so dass die hieraus entstehenden Verluste nicht steuermindernd berücksichtigt werden können. Zur Liebhaberei vgl. Theisen, StuW 1999, 255. Bei der Gewinnerzielungsabsicht handelt es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, um eine innere Tatsache, die anhand äußerer Merkmale zu beurteilen ist.

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Arbeitsgemeinschaft im Steuerrecht Wintersemester 2010/2011 Erforderlich

ist

Isabel Gabert Wiss. Mit.

insoweit

eine

an

objektiven

Merkmalen

orientierte

Totalgewinnprognose vom Beginn bis zur Beendigung der Tätigkeit, d.h. von der Gründung des Betriebs bis zur Aufgabe bzw. Veräußerung. → Beabsichtigt der Steuerpflichtige mit der Ausübung seiner Tätigkeit einen Totalgewinn – dieser ist zu unterscheiden vom Periodengewinn eines Wirtschaftsjahres – zu erzielen? (vgl. zur Totalgewinnprognose Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG29, § 15 Tz. 28 und insb. 30 f.) Zunächst spricht grds. der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Steuerpflichtige bei der Neugründung eines Betriebs danach strebt, im Laufe seiner gewerblichen Tätigkeit einen Totalgewinn zu erzielen. Anlaufverluste sind insoweit unschädlich, da zumeist unumgänglich und die Regel. Hingegen können mehrjährige Verluste, die weit über die Anlaufphase hinausgehen, sowie die Feststellung, dass ein Betrieb nach Wesensart und Betriebsführung objektiv nicht geeignet ist, nachhaltig Gewinne zu erzielen, die Annahme einer steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei rechtfertigen → Indizien! Hinzukommen muss jedoch, dass der Steuerpflichtige die Verlust bringende Tätigkeit

aus Gründen ausübt, die dem Bereich

der persönlichen

Lebensführung zuzuordnen sind. In der Ausübung der Verlust bringenden Tätigkeit muss demnach die Verwirklichung privater Neigungen des Steuerpflichtigen zum Vorschein kommen. Beruht die Entscheidung zur Neugründung eines Gewerbebetriebs im Wesentlichen

auf

den

persönlichen

Interessen

und

Neigungen

des

Steuerpflichtigen, so sind die entstehenden Verluste nur dann für die Dauer einer betriebsspezifischen Anlaufphase steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige zu Beginn seiner Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erstellt hat, das ihn zu der Annahme veranlassen durfte, durch die gewerbliche Tätigkeit werde insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielt werden können (BFH/NV 2009, 1793, 1796)

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Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht im konkreten Fall: Die persönliche Neigung des P als Weinliebhaber gibt allein keinen Aufschluss darüber, ob vorliegend eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt. Denn nach § 15 II 3 EStG kann die Gewinnerzielungsabsicht auch nur Nebenzweck sein. Vielmehr ist der gesamte Sachverhalt im Hinblick auf eine Totalgewinnprognose detailliert zu beurteilen! Für eine zumindest in den Anfangsjahren zu bejahende Gewinnerzielungsabsicht sprechen grundsätzlich die Werbeaktivitäten des P (Schaltung von Zeitungsannoncen in den beiden regionalen Zeitungen mit Angabe seiner privaten Telefonnummer; Unterbreitung von Angeboten an Restaurants). Allerdings sprechen wohl deutlich mehr Hinweise für eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei: § In sieben Jahren Tätigkeit hat P nur Verluste erwirtschaftet, die somit kaum noch als Anlaufverluste zu beurteilen sind. § Die Werbemaßnahmen fanden nur in den Anfangsjahren und nur in geringem Umfang statt (s.o.). § Insbesondere fehlen ein Firmenschild oder sonstige äußerlich sichtbare Hinweise am Haus und damit Laufkundschaft. Auch fehlt ein Eintrag in Branchenführern. § Die Einrichtung des Weinhandels im Keller seines privaten Wohnhauses

sowie

die

Zusammensetzung

des

Kundenkreises

(größtenteils Bekannte) sprechen ebenfalls für eine Tätigkeit, die dem Bereich der persönlichen Lebensführung des P zuzuordnen ist. § Gleiches gilt für die Tatsache, dass P ausschließlich Weine seines befreundeten Winzers W veräußert, keine Preislisten verschickt, und Weinverkostungen nur selten und auf Anfrage durchführt. In dem Vorsatz, durch Investitionen, insbesondere Werbung, den Weinhandel „flott zu machen“, könnte eine Änderung hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht des P zu sehen sein. Doch ist insoweit anzumerken, dass sich dieser Vorsatz objektiv nicht äußert, da betriebswirtschaftlich sinnvolle Konzepte zur Umstrukturierung und Verbesserung – z.B. in Form deutlich erhöhter Werbemaßnahmen - in keinster Weise erkennbar sind.

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Auch die Aufgabe des Weinhandels kann daran nichts ändern. § Grundsätzlich kann das Bemühen um eine Beendigung des Betriebs, wenn dieser über Jahre ausschließlich Verluste eingefahren hat, zwar Indiz für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht sein. § Vorliegend hat aber nicht die Erkenntnis, dass dem Betrieb die Eignung zur Totalgewinnerzielung fehlt, zur Aufgabe des Weinhandels geführt, sondern die schwere Erkrankung der Mutter und damit ausschließlich persönliche Motive des P. Nach dem Urteil des BFH v. 27.5.2009 – X R 62/06 kann die Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an fehlen, wenn ein Betrieb aufgrund der Betriebsführung von vorneherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Anfangsverluste können dann nicht anerkannt werden. Dies ist hier aufgrund der o. g. Gründe der Fall (BFH/NV 2009, 1793 (1796)).



Als Ergebnis lässt sich somit folgendes festhalten: Seit Eröffnung des Weinhandels im Jahr 2001 hat P jedes Jahr ausschließlich Verluste erwirtschaftet, die somit weit über die Anlaufphase hinausgehen. Die Analyse des Sachverhalts rechtfertigt die Feststellung, dass die Führung des Betriebs von vornherein nicht auf eine Totalgewinnerzielung ausgelegt war. Vielmehr handelt es sich bei dem von P betriebenen Weinhandel um die Verwirklichung privater Neigungen (P als Weinliebhaber, der sich einen privaten Traum erfüllt hat). Nach alledem ist der Weinhandel mangels Gewinnerzielungsabsicht als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei zu qualifizieren, so dass die hieraus entstandenen Verluste i.H.v. 2.000 € nicht steuermindernd berücksichtigt werden können. Negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 I 1 Nr. 1 EStG (-)

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II. Einkünfteermittlung Vorliegend erzielt P ausschließlich Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß §§ 2 I 1 Nr. 7, 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 I 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Die Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft berechnen sich aus der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungskosten/Herstellungskosten sowie etwaigen Werbungskosten, § 23 III 1 EStG. Werbungskosten sind vorliegend keine ersichtlich, insbesondere sieht § 9a EStG insoweit keinen Pauschbetrag vor. Demnach: •

Einkünfte aus der Veräußerung des PKW: Veräußerungspreis ./. Anschaffungskosten (§ 23 III 1 EStG) = 30.000 € ./. 10.000 € = 20.000 €



Einkünfte aus der Veräußerung der Mingvase: Veräußerungspreis ./. Anschaffungskosten (§ 23 III 1 EStG) = 15.000 € ./. 20.000 € = - 5.000 €



Hinweis auf § 23 III 5 EStG: Freigrenze i.H.v. 600 € → hier nicht einschlägig!

III. Ermittlung des zu versteuernden Einkommens



Summe der Einkünfte, § 2 III EStG Einkünfte aus der Veräußerung des PKW: 20.000 € Einkünfte aus der Veräußerung der Mingvase: - 5.000 € § 23 III 7 Hs. 1 EStG: Verlustausgleich nur innerhalb der privaten Veräußerungsgeschäfte

möglich



Ausschluss

des

vertikalen

Verlustausgleichs! Hier aber unproblematisch, da Einkünfte ausschließlich aus privaten Veräußerungsgeschäften resultieren. Die Durchführung eines horizontalen Verlustausgleichs ergibt somit Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 20.000 € ./. 5.000 € = 15.000 € Summe der Einkünfte = 15.000 €

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Hinweis:

Ein

Verlustabzug

Isabel Gabert Wiss. Mit. hinsichtlich

der

Einkünfte

aus

privaten

Veräußerungsgeschäften ist gemäß § 23 III 7 Hs. 2 u. Satz 8 EStG i.V.m. § 10 d EStG ebenfalls grds. nur mit anderen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften möglich → hier nicht einschlägig!

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