ISSN 0522-5337

15. Februar 2010

141. Jahrgang

B 1605

Seiten 97–128

BayVBl. 4/2010 Bayerische Verwaltungsblätter Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung Herausgeber

Hans Angerer, Regierungspräsident von Oberfranken a. D. Rolf Hüffer, Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Dr. Dr. h. c. Peter Lerche, Professor des öffentlichen Rechts an der Universität München Dr. h. c. Heino Schöbel, Ministerialdirigent im Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Leiter des Landesjustizprüfungsamts Redaktion

Dr. Herbert von Golitschek, Präsident a. D. des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg

Aus dem Inhalt 97 Braun/Lederer Reizthema Solarpark: Ein Appell 102 104 106 107 110 118

für eine objektive Standortsuche Naumann Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte Altkleidercontainer Erdenetsogt Festigung des mongolischen Rechtsstaates durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit BayVerfGH Windkraftanlage; baurechtliche Genehmigung; Nachbarklage BVerfG Enteignung; Straßenverkehrsfläche; Prüfungsdichte BayVGH Denkmaleigenschaft; Tatbestandsmerkmal „aus vergangener Zeit“ BVerwG Städtebaulicher Vertrag; Folgekostenvertrag; Erstattungsanspruch; Treu und Glauben

Å BOORBERG

15. Februar 2010

BayVBl.

4/2010 Bayerische Verwaltungsblätter Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung

Inhalt Abhandlungen Braun/Lederer, Reizthema Solarpark: Ein Appell für eine objektive Standortsuche — 97 Naumann, Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte Altkleidercontainer — 102 Erdenetsogt, Festigung des mongolischen Rechtsstaates durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit — 104 Ausbildung und Prüfung Lösungsskizze zur Aufgabe 8 der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2005/1 (Text s. BayVBl. 2010, 93) — 123

Literatur Burmeister/Gaßner/König/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (Deubert) — 128 Notizen Geschäftsverteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für das Geschäftsjahr 2010 — II Veranstaltungen, Vorschau, Impressum — XI, XII

Rechtsprechung BayVerfGH

E. v. 14. 9. 2009

Vf. 41-VI-08

BVerfG

B. v. 8. 7. 2009

1 BvR 2187/07 Enteignung; Straßenverkehrsfläche; Inzidentkontrolle der bauplanerischen Entund 1 BvR 692/08 scheidung; Wohl der Allgemeinheit; gerichtliche Prüfungsdichte — 107

BayVGH

U. v. 28. 5. 2009 2 B 08.1971

Zur denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis für die Beseitigung eines mit einem Baudenkmal funktional und baulich verbundenen zeitgenössischen Gebäudes; Fortsetzungsfeststellungsklage; denkmalschutzrechtliche Erlaubnis; Denkmalbegriff; Jugendstilvilla; 1978/1979 errichteter Anbau; „Gesamtdenkmal“ (verneint) — 110

B. v. 3. 2. 2009

Windkraftanlagen; gerichtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung; Lärmimmissionen; optisch bedrängende Wirkung; Planungshoheit benachbarter Gemeinden; interkommunales Abstimmungsgebot; Einvernehmen — 112

BVerwG

22 CS 08.3194

Windkraftanlage; baurechtliche Genehmigung; Nachbarklage; verwaltungsgerichtliche Entscheidung; verfassungsgerichtliche Überprüfung — 106

U. v. 29. 5. 2009 22 B 08.1785

Windkraftanlage; Gebot der Rücksichtnahme; optisch bedrängende Wirkung (bejaht) — 114

B. v. 30. 4. 2009

Verfahren zur Besetzung einer Professur; Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen; Mehrstufigkeit des Auswahlverfahrens; Berücksichtigung des „katholisch-kirchlichen Standpunktes“ eines Bewerbers — 115

7 CE 09.661 und 7 CE 09.662

U. v. 29. 1. 2009 4 C 15.07

Städtebaulicher Vertrag; Folgekostenvertrag; Erstattungsanspruch; Grundsatz von Treu und Glauben; Wirksamkeit des Vertrags; städtebauliche Maßnahme; Gesamtkonzept; Angemessenheit — 118

U. v. 27. 8. 2009 2 C 26.08

Beamter; Verwaltungsgemeinschaft; Antrag auf Entlassung; Gemeinschaftsversammlung; Gemeinschaftsvorsitzender; Heilung; Klagebefugnis; Rücknahme des Entlassungsantrags; Rücknahmefrist; Sperrwirkung — 121

Wissenswertes für den Rechtsanwalt BayVGH B. v. 9. 4. 2009 2 ZB 08.3312

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist zur Zulassung der Berufung; Anhörungsrüge — 123

I BayVBl. 4/2010

102 — Naumann, Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte Altkleidercontainer

BayVBl. Heft 4/2010

Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte Altkleidercontainer Von Jörg Naumann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Würzburg* Naumann, Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte AltkleidercontainerNaumann, Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte Altkleidercontainer Der Beitrag zeigt die wesentlichen Konfliktpunkte zwischen Betreibern und Kommunen im Umgang mit der Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG am Beispiel von Altkleidersammelcontainern auf. Gemeinden zeigen häufig kein Interesse an (weiteren) Containern und lehnen Anträge auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vorschnell und mit rechtlich zweifelhafter, d. h. ermessensfehlerhafter Begründung ab. Auf die Interessenlage der Antragsteller wird kaum eingegangen, obgleich die Rechtsprechung eine umfassende Interessenabwägung verlangt. Nachfolgend werden die gegenläufigen Interessenlagen von Betreiber und Kommune gegenübergestellt, die häufigsten Probleme skizziert und Lösungsansätze unter Berücksichtigung der Rechtsprechung aufgezeigt.

Wie die anwaltliche Praxis zeigt, stößt der Umgang von Kommunen mit Anträgen auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG immer wieder auf Schwierigkeiten. Die Gemeinden sehen sich in der Regel folgender Ausgangslage gegenüber: Das Stadt- bzw. Ortsbild vieler Kommunen wird unter anderem mitgeprägt durch eine stattliche Anzahl unterschiedlicher Container, die – teils gruppiert, teils vereinzelt – aufgestellt sind und zwecks besserer Unterscheidung farblich verschieden gestaltet sind. Neben Glascontainern, die in der Regel nach weißen, braunen und grünen Glassorten trennen, finden sich auch Container für Blechdosen und Altpapier. Weniger verbreitet, dennoch vor allem in größeren Kommunen präsent, zeigen sich mittlerweile immer häufiger Container zum Sammeln von Schuhen und Altkleidern. Diese werden vielfach offenbar von karitativen Einrichtungen, aber zunehmend auch von privatrechtlichen, gewerblichen Betreibern aufgestellt und betrieben. Die Container tragen zur besseren Vorsortierung wieder verwertbarer Rohstoffe bei und helfen zudem, die Restmülltonnen weniger schnell zu füllen. Neben den beschriebenen und unbestreitbaren Vorzügen des oben geschilderten Containersystems ist jedoch zu beobachten, dass die Kommunen der Aufstellung zusätzlicher Container nicht unbedingt aufgeschlossen gegenüberstehen. Dies führt dazu, dass Anträge der Containerbetreiber auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Altkleidersammelcontainern von den Behörden vorschnell und mit teilweise rechtlich bedenklichen Begründungen abgelehnt werden. Die Tatsache, dass die Kommune keine (weiteren) Container in ihrem Ortsgebiet zulassen möchte, reicht allein für eine rechtmäßige Ablehnung einer beantragten Sondernutzungserlaubnis nicht aus. Für die Gemeinden gilt es hier, einen Weg zu finden, der den entgegengesetzten Interessen von Betreiber und Kommune gerecht wird, aber dennoch rechtssicher ist und im Zweifelsfall einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Der Gesetzgeber hat die Rechtslage in Bayern wie folgt geregelt: Grundsätzlich ist nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG die Benutzung der Straßen im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr jedermann gestattet (Gemeingebrauch). Kein Gemeingebrauch liegt dann vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr genutzt wird (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG). Unstreitig – und in der Rechtsprechung abschließend geklärt – stellt die Nutzung des öffentlichen Straßenraumes durch die Aufstellung von Containern jeglicher Art eine Sondernutzung im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG dar1. Aus diesem Grund können Gemeinden im Fall einer unerlaubten Aufstellung eines Containers ohne Sondernutzungserlaubnis nach pflichtgemäßer Ermessensbetätigung die Beseitigung des Containers anordnen und diese Anordnung gegebenenfalls nach Art. 29 ff. VwZVG mit geeigneten Zwangsmitteln vollstrecken. Pauschale Untersagungsanordnungen einer Gemeinde erfüllen hingegen in der Regel das Merkmal der Erforderlichkeit nicht2. Die Erteilung der Erlaubnis steht dabei im Ermessen der Straßenbaubehörde, so dass grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis, sondern nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht3.

I. Gegenläufige Interessen von Antragsteller und Kommune Antragsteller und Gemeinde verfolgen in der Regel gegenläufige Interessen. Während die Kommune dem Betreiber oder den Betreibern in der Regel möglichst wenige Containerstellplätze zuweisen will, hat der Antragsteller aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten in der Regel den Wunsch nach möglichst vielen Standorten. Um den gebotenen Interessenausgleich ermessensgerecht vornehmen zu können, ist eine Abwägung der gegenseitigen Belange geboten4, deren Ergebnis ausschlaggebend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls und hierbei insbesondere vom Maß der Beeinträchtigung der gegenläufigen Rechte und Interessen abhängt. In die Abwägung einzustellen ist auch das Interesse des Sondernutzers an der Durchführung des Vorhabens mit dem diesem Interesse beizumessenden Gewicht5. Im Rahmen der Ermessensentscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis sind dabei aus Sicht der Kommunen etwa Gründe des Straßen- und Straßenverkehrsrechts, also Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, und der Gemeingebrauchsverträglichkeit der beantragten Sondernutzung zu bewerten. Neben den primär verkehrlichen Belangen6 können jedoch auch sekundär Belange des Straßenumfelds, z. B. bauplanerischer, baupflegerischer oder städtebaulicher Art, in die Entscheidung mit einbezogen werden, soweit die heranzuziehenden Gründe und die zu würdigenden Gesichtspunkte einen sachlichen Bezug zur Straße, zu ihrem Umfeld und zu ihrer Funktion haben und den Widmungszweck berühren7. Die Erfahrung des Verfassers zeigt, dass Gemeinden bei der Ablehnung von Anträgen auf straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis vorwiegend auf folgende Argumente abstellen: Fehlende Notwendigkeit: Die von den Kommunen getroffene ablehnende Entscheidung wird bisweilen auf die Behauptung gestützt, die Kommune sei im Ortsgebiet bereits mit ausreichenden Altkleidercontainern bestückt. Daneben werden mitunter karitative Organisationen bevorzugt. Städtebauliche Belange: Weiter tragen die Gemeinden städtebauliche Ablehnungsgründe vor. Die Ablehnung erfolge, da (weitere) Altkleidersammelcontainer das Orts- bzw. Stadtbild in nicht beabsichtigter Weise negativ beeinträchtigen und das Ortsbild „verschandeln“ würden.

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Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Bohl & Coll. in Würzburg (ww.ra-bohl.de). BayVGH, Urt. v. 19. 7. 1996 Az. 8 B 95.730, juris (anders für eine von der öffentlichen Hand betriebene Wertstoffsammlung in Bremen OVG Bremen, GewArch 1996, 376). BayVGH, Urt. v. 15. 3. 2006, BayVBl. 2006, 635. VG München, Urt. v. 23. 1. 2001 Az. M 2 K 00.1690, juris. VG Braunschweig, Urt. v. 10. 2. 2009 Az. 6 A 240/07, DVBl. 2009, 602 (Ls.). Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15. 5. 1987, NVwZ 1988, 269. Ebenda. Vgl. VG München, a. a. O. (Fußn. 3).

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Naumann, Straßen- und Wegerecht: Ungeliebte Altkleidercontainer — 103

Vermüllung: Zudem befürchten die Kommunen – wohl nicht immer ganz unbegründet – auch eine zunehmende Vermüllung rund um die Containerstellplätze, die es zu verhindern gelte. Hingegen spielen nach den Erfahrungen des Verfassers Probleme mit an Containerstellplätze angrenzenden Nachbarn eine untergeordnete Rolle. Dies mag bei Altkleidersammelcontainern daran liegen, dass beim Einwurf in die Container – abgesehen von hierbei stattfindendem Anfahrts- und Abfahrtsverkehr – Lärmimmissionen so gut wie nicht auftreten. Denn anders als beim Einwurf in Altglascontainer verläuft das Sammeln von Altkleidern weitgehend geräuscharm. Der Antragsteller richtet seine Interessen nach vorwiegend wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Für ihn bedeutet eine zunehmende Anzahl von Altkleidercontainern in der Regel ein höheres Sammelvolumen. Wird der Wertstoffmarkt in der Kommune unter mehreren Containerbetreibern aufgeteilt, so hat jeder Betreiber das Ziel, möglichst viele der Stellplätze mit eigenen Containern zu besetzen, zumindest jedoch den Mitbewerbern der Anzahl nach gleichgestellt zu werden. Insoweit spielt der Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG eine Rolle. Auch steht es Antragstellern und Betreibern zu, sich auf das grundrechtlich geschützte Recht auf Berufsausübung zu stützen.

II. Sachgerechte und umfassende Abwägung Eine sachgerechte Ermessensentscheidung muss eine Interessenabwägung zwischen der Kommune einerseits und dem Betreiber der Container andererseits beinhalten. Hier finden insbesondere auch die Vorschriften des Art. 24 BayVwVfG über die Aufklärung des Sachverhalts und der berührten Interessen von Amts wegen Berücksichtigung. Indes kann die allgemeine Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, in aller Regel nur dann uneingeschränkt bestehen, wenn die Behörde auf das Begehren der antragstellenden Person eingehen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht entweder im Zeitpunkt der Antragstellung oder doch spätestens vor der Entscheidung der Behörde nachkommt8. Regelmäßig zu fordern ist daher bei einem Antrag nach Art. 19 BayStrWG, dass der Interessent einen detaillierten Antrag vorlegt. Bei genauerer Betrachtung hält die oben geschilderte Argumentation, die einseitig und alleine auf die Interessen der Kommune abstellt, den Anforderungen einer fehlerfreien Ermessensentscheidung nicht stand. Nach der Rechtsprechung hat es sich als nicht ausreichend erwiesen, die Ablehnung einer beantragten Sondernutzungserlaubnis mit fehlender Notwendigkeit weiterer Container zu begründen. Denn diese Argumentation bedeutet im Umkehrschluss, dass die Kommune dem Betreiber und Antragsteller die Entscheidung über die Rentabilität der Altkleidersammelcontainer aus der Hand nimmt. Die Entscheidung, ob in der jeweiligen Kommune bereits eine ausreichende Anzahl von Altkleidersammelcontainern existiert, weshalb keine wirtschaftliche Notwendigkeit für weitere Stellplätze bestehe, muss dem Containerbetreiber vorbehalten bleiben9. Denn das Risiko des wirtschaftlichen Handelns fällt alleine in den Verantwortungsbereich des Betreibers und ist unter straßenrechtlichen Gesichtspunkten irrelevant. Städtebauliche Motive allein sind ebenso wenig geeignet, eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung zu begründen. Grundsätzlich können auch städtebauliche Erwägungen zum Schutz eines bestimmten Straßenund Ortsbildes bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden, sofern sie einen direkten Bezug zur Straße haben10. Ein bestimmtes Straßen- und Ortsbild kann nur geschützt werden, wenn eine konkretisierte Vorstellung darüber besteht, wie die Flächen zu gestalten sind11. Die Behörde darf die Sondernutzungserlaubnis aber nur dann mit städtebaulichen Erwägungen ablehnen, wenn sie auf einem hinreichend konkreten und willkürfrei umgesetzten städtebaulichen Konzept der Gemeinde beruhen12. Dieses Konzept muss vom Rat der Gemeinde beschlossen werden13. Den Kommunen steht es frei, diesbezügliche Gestaltungsauflagen zu erlassen. Der gewerbliche Containerbetreiber kann sich auf grundrechtlich geschützte Positionen berufen. Insbesondere in Fällen, in denen mehrere

Mitbewerber um die begehrten Stellplätze konkurrieren, ist seitens der Kommune der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Zwar ist hier wohl nicht Art. 14 Abs. 1 GG betroffen, da höchst selten der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb durch eine ablehnende Entscheidung der Kommune existenziell gefährdet sein dürfte. Doch kann die Ablehnung der beantragten Sondernutzungserlaubnis einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG darstellen14. Hier liegt zwar noch kein Eingriff in die Berufswahl (das „Ob“ der Tätigkeit als Altkleidersammelunternehmen) als am strengsten geschützten Aspekt der Berufsfreiheit vor, jedoch wird die Berufsausübung (das „Wie“ der Tätigkeit) ortsbezogen beschränkt. Entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht im „Apothekenurteil“15 entwickelten Drei-Stufen-Theorie darf eine Beschränkung der Berufsausübung nur erfolgen, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies erfordern16. Die Abwägung muss durch eine sachgerechte und rationale Art der Einzelfallbetrachtung erfolgen. Danach ist es wohl ohne Weiteres möglich und zulässig, eine Sondernutzungserlaubnis für einen oder mehrere Standorte aufgrund der örtlichen Gegebenheiten begründet zu versagen, ohne in das Recht der Berufsausübung substanziell einzugreifen. Nicht zulässig ist indes die Annahme, in einer Gemeinde sei von vornherein jede Sondernutzung einer Straße oder eines Platzes durch die Aufstellung von Sammelcontainern zu versagen, da die Container bereits in ausreichender Zahl vorhanden seien. Unzulässig ist es außerdem, seitens einer Kommune einen Anbieter einer Leistung oder einen Antragsteller bei einer Gewährung einseitig zu begünstigen17.

III. Kommunales Konzept Gemeinden sollten deshalb ein kommunales Entsorgungskonzept entwerfen, das festlegt, wie groß der konkrete Bedarf an Sammelcontainern in Bezug auf die Einwohnerzahl ist. Bei der Gestaltung des Entsorgungskonzeptes sind alle in Betracht zu ziehenden Containerbetreiber im Rahmen des Vergabeverfahrens zu beteiligen. Stellt die Kommune bei der Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis auf ein schlüssiges Entsorgungskonzept ab, so stellt dies eine sachgerechte Ermessensausübung dar18. Ein Blick über die bayerischen Landesgrenzen hinaus gibt weitergehende Anhaltspunkte im Umgang mit der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis. So hat das Verwaltungsgericht Braunschweig in einer aktuellen Entscheidung weitere Kriterien festgelegt, die bei der Ermessensentscheidung der Gemeinden relevant sind bzw. sein können. Kommunen dürfen danach Sondernutzungserlaubnisse nur dann mit städtebaulichen Erwägungen zum Schutz des Straßen- und Ortsbildes ablehnen, wenn diese auf einem hinreichend konkreten Konzept beruhen, das der Rat der Gemeinde beschlossen hat. Weitere Sondernutzungsbewilligungen für Altkleidersammelcontainer dürfen die Gemeinden versagen, um für die eingerichteten Wertstoffsammelplätze die Wartung und Entsorgung „aus einer Hand“ sicherzustellen, Folgeanträge zu verhindern, den Überwachungsaufwand zu begrenzen, um damit insgesamt effekti8 9 10

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Vgl. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG; vgl. hierzu auch VG Gießen, Urt. v. 14. 12. 2000, NVwZ-RR 2001, 436. VG Gießen, Urt. v. 14. 12. 2000, NVwZ-RR 2001, 436. Vgl. NdsOVG, Urt. v. 14. 3. 1994 Az. 12 L 2354/92, juris (für das niedersächsische Landesrecht); VG Braunschweig, Beschl. v. 22. 11. 2002 Az. 6 B 772/02; einschränkend VGH BW, Urt. v. 9. 12. 1999, NVwZ-RR 2000, 837/839. VG Braunschweig, Urt. v. 10. 2. 2009 Az. 6 A 240/07, juris. Ebenda. Im Ergebnis ebenso VGH BW, a. a. O. (Fußn. 10); VGH BW, Urt. v. 6. 7. 2001, VBlBW 2002, 122; VGH BW, Beschl. v. 26. 1. 2006, VBlBW 2006, 239. VG Gießen, a. a. O. (Fußn. 9); a. A.: VG Braunschweig, Urt. v. 10. 2. 2009 Az. 6 A 240/07, das lediglich den Verlust von grundrechtlich nicht geschützten Erwerbschancen annimmt. BVerfGE 7, 377/405 = BayVBl. 1958, 243. Vgl. auch BVerfGE 13, 237/240 f. (Ladenschluss). VG Gießen, a. a. O. (Fußn. 9). VG München, a. a. O. (Fußn. 3).

104 — Erdenetsogt, Festigung des mongolischen Rechtsstaates durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ver gegen die an den Containerstandorten auftretenden Verschmutzungen vorgehen zu können. Schließlich seien Kommunen rechtlich nicht dazu verpflichtet, Sondernutzungserlaubnisse für Altkleidersammelcontainer in jedem Fall auf mehrere Unternehmen zu verteilen19. Konkrete Auswahlkriterien können zwar nicht vorgegeben werden, ohne Bedenken wird es aber rechtlich zulässig sein, die zur Verfügung stehenden Plätze unter den Bewerbern nach einer bestimmten Quote aufzuteilen oder gegebenenfalls ein revolvierendes System einzuführen20. Freilich ist diese Rechtsprechung aufgrund des landesrechtlichen Bezugs nicht uneingeschränkt auf Bayern übertragbar. Wollen bayerische Kommunen jedoch sicherstellen, ermessensfehlerfrei bei der Entscheidung über Sondernutzungen von Altkleidersammelcontainern zu verfahren, ist zumindest anzuraten, die von den Verwaltungsgerichten hier aufgezeigten Grundsätze in die kommunalen Überlegungen einzubeziehen. Sonst ist nicht auszuschließen, dass eine verwaltungsgerichtliche Prüfung ablehnender Sondernutzungsanträge zu Ungunsten der Gemeinden endet.

IV. Auflagen und Erhebung von Sondernutzungsgebühren oder vertragliche Gestaltung Ein weiteres Instrument der Kommunen im Umgang mit Anträgen auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für Altkleidersammelcontainer besteht in der Erteilung zusätzlicher Auflagen. So kann eine Bewilligung etwa unter der Auflage bestimmter abfallrechtlicher Handlungen erteilt werden, um dem Problem einer zunehmenden Vermüllung rund um die Altkleidercontainer entgegenzutreten. Auf diesem Weg ist beispielsweise auch die Verpflichtung zu regelmäßigen und kurzen Leerungsintervallen durchzusetzen. Schließlich kann die Gemeinde auch besondere gestalterische Vorgaben, etwa die Farbgebung der Container betreffend, vom Betreiber verlangen. Hierdurch wird gewährleistet, dass sich die Sammelcontainer bestmöglich in die vorhandene Umgebung einfügen. Eine seitens der Kommune befürchtete Verschandelung des Ortsbildes kann somit vermieden, zumindest aber weitgehend vermindert werden. Soweit zu befürchten ist, dass sich Nachbarn durch die Containerstandorte beeinträchtigt fühlen, kann auch diese Problematik durch weitere Auflagen minimiert werden. Nach Art. 18 Abs. 2a Satz 1 BayStrWG können für Sondernutzungen angemessene Sondernutzungsgebühren erhoben werden. Deren Höhe kann durch eine Satzung geregelt werden. Die Sondernutzungsgebühr ist die Gegenleistung dafür, dass die Benutzung einer öffentlichen Straße

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über den Gemeingebrauch hinaus erlaubt ist und damit gleichzeitig eine Beeinträchtigung der gemeingebräuchlichen Nutzungsmöglichkeiten in Kauf genommen wird21. Nach Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG sind für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und auf den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Die geforderte Gebühr darf – entsprechend den Anforderungen des hier maßgeblichen Äquivalenzprinzips als gebührenrechtlicher Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – nicht außer Verhältnis zum Ausmaß dieser Beeinträchtigung stehen22. Berücksichtigungsfähig bei der Gebührenbemessung ist vielmehr nur ein spezifisches öffentliches Interesse, in dem sich gerade der Nutzen der Allgemeinheit an der Zulassung der Sondernutzung in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale des Art. 18 Abs. 2 a Satz 5 BayStrWG widerspiegelt. Kommunen steht es offen, diese Rahmenbedingungen detailliert durch privatrechtliche Verträge zu regeln. Hierbei können sie allen Betreibern gleiche Verpflichtungen abverlangen, um einer zusätzlichen Vermüllung entgegenzuwirken oder eine besondere Gestaltung der Container vorzugeben. Die Vereinbarung einer angemessenen Stellplatzmiete ist ebenfalls grundsätzlich möglich.

V. Resümee Wie ausgeführt, bedarf eine rechtsfehlerfreie Entscheidung über eine beantragte Sondernutzungserlaubnis seitens der Gemeinde einer umfassenden Abwägung der Interessen von Antragsteller und Behörde. Kommunen sollten deshalb keine vorschnelle ablehnende Entscheidung im Hinblick auf Anträge nach Art. 18 BayStrWG treffen. Hält die Gemeinde kein eigenes Konzept bereit, gestaltet sich eine pauschale Ablehnung schwierig. Dies gilt umso mehr, je größer die Zahl der Mitbewerber ist. Ferner sollten Kommunen den vorwiegend straßenrechtlichen Bezug des BayStrWG bei ihrer Entscheidung nicht aus den Augen verlieren. Der Betreiber von Altkleidersammelcontainern ist angehalten, möglichst einen detaillierten Antrag bei der Behörde zu stellen, in dem er wiederum sein eigenes Konzept umfassend darstellt. 19 20 21 22

VG Braunschweig, a. a. O. (Fußn. 11). VG Gießen, a. a. O. (Fußn. 9). BayVGH, Urt. v. 9. 11. 1999, BayVBl. 2000, 626. Vgl. BVerwGE 80, 36/39 ff.; 56, 63/70; BVerwG, Urt. v. 21. 10. 1970, BayVBl. 1971, 108 = DÖV 1971, 102; BayVGH, Urt. v. 3. 4. 1998, BayVBl. 1999, 308 = NVwZ-RR 1999, 337.